Arthur Schopenhauer und die menschliche Willensfreiheit

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Penzig, Rudolph
Arthur Schopenhauer und die
menschliche Willensfreiheit
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^mnii^mj^'^fmm^^w^
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3149
F7P4
1879
'm^^^£i:mi^i:Ai\^im:^3i^^wtiin
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in
2009
with funding from
University of Toronto
http://www.archive.org/details/arthurschopenhauOOpenz
:
Arthur Schopenhauer
und
die
menschliche Willensfreiheit.
Inaugural-Dissertation
zur
Erlaiioijiig
der
pliiiosopiiisclieii
Doetomürde
veifasst iukI
mit Genehmigung der
philosophischen Facultät
der
Yerehiätsn
Frisdrichs - Universität
Halle - Wittenisrg
mit den aiigeliHugten Thesen
üttentlicL vertheidigt
am
29. 3Iäiz 1879,
Vormittags 12 Uhr
von
Rudolph Penzig
aus
Sai.iitz
(Sdilcsien).
^""^
Opponenten
Bernhard Hoffmann, Dr.
),hil.
Ulrich Bär, caud. phij.
HALLE
Plütz'solip
a S.,
Diiclnliuckerci.
R A ^^
.
,
^O^H
5
EINLEITUNG.
i/as Problem von der „Freiheit des mensclilicheii Willens-'
g-ilt
gemeiniglich für eine jener uralten Fragen der Philosophie,
welche in demselben Mass,
als sich dieselbe
aus einer vagen
Natm-speculation zur Anthropologie und Psychologie verinnerlichte,
dann in einer Reihe mannigfaltiger
von einem Jahrhundert dem anderen überwiesen,
hervorgetreten,
j\Iodificationen
auch als ein Erbtheil alter Zeit noch immer unan uns gekommen sei und der Beantwortung nach wie
vor harre.
Soviel Wahi-es diese Auffassung auch in sich
endlich
gelöst
schliessen mag, so ist sie doch keineswegs
in allen
Punkten
Während nämlich zu allen Zeiten ohne Unterschied der sog.
common sense", der „gesunde Menschenver„Ich kann thun. was ich
stand" mit dem einfachen Urtheil
zutreffend.
,.
:
will" die Sache abgethan
die Berechtigung,
wähnte und der Philosophie sogar
nach der Freiheit des WoUens selbst zu
dem eigentlichen Problem in
fragen, bestiitt, haben sich mit
der Philosophie stets die mannichfaltigsten mehr oder weniger
verwandten Fragen metaphysischer oder theologischer Art so
eng verquickt, dass schon die scharfe Präcision der eigentwie sie erst nach Hume's Angriff und Kant's
lichen Frage,
Begiündung des Cansalitätsbegritts möglich war, einen wesentNoth that es vor allen Dingen,
lichen Fortschritt involvii't.
zu erkennen, dass das Yerhältniss von Nothwendigkeit und
Freiheit, ihr Widerstreit und ihre Versöhnung in irgend welcher
Speculation, dass das Verhalten menschlicher Selbstthätigkeit
zu göttlicher Gnade, ja selbst dass die logische Untersuchung
über den Streit der Begiiffe Möglichkeit. Wirklichkeit und
Nothwendigkeit, so nahe diese Gegenstände auch dem Metaphysiker und Theologen an unserem Problem zu liegen scheinen,
dennoch nur geeignet sind, die unbefangene empiiische Unter-
;
_
4
—
suchung des positiven Thatbestandes zu erschweren, ja zu
dass die Frage nach der
fälschen; es musste klar werden,
weder
Freiheit des menschlichen Willens
der Metaphj^sik,
noch der Ethik, noch der Dialektik zunächst angehört, dass
sie
keine andere
ist,
als die
Wesen
Frage nach dem
jener
Function oder jener Acte des selbstbewussten Wesens, welche
wir mit dem zusammentassendeu Worte „Willen'' bezeichnen
und dass
sie als
solche ebenso vor das
Forum
des kiitischeu
Psychologen im weitesten Sinn, als vor das des Anatomen
und des Statistikers gehört.
Wenn
indess auch erst die neuere Zeit, die,
abgewandt
von transscendentalen Phantasien, sich auf die Erforschung
der gegebenen Welt beschränkt, unserem Problem die, unserer
Ansicht nach, einzig richtige Gestalt gegeben hat und es
so gleichsam erst geschaifen, so ist ihr der
Weg
dazu
aller-
dings schon durch die Forschung der alten Philosophie ge-
bahnt worden.
War
es doch überhaupt erst die Philosophie,
welche die Frage, wenn auch vorerst noch schief und unrichtig, der unwissenschaftlichen
scheinenden
„Jta To
Bewusstsein
9^avfidC,£iv
ol
Genügsamkeit mit dem an-
der Freiheit gegenüber, aufwarf.
av&Qcojcoi
xcü
vvv
t6
xal
jiqcotov
Verwunderung
über die abwechselnde Macht und Ohnmacht des Menschen
gegenüber den ihn umgebenden Naturgewalten, den ihn bestimmenden und drängenden Leidenschaften, konnte zum Nachdenken über das, was „bei uns steht, oder nicht bei uns'*,
über „TO k(p rjfilv^' und „t6 (ir Icp ?jfiiv" führen. Für den
unphilosopliisch Denkenden sind Nothwendigkeit und Freiheit
TjQ^avTo (filooo(feiv^^, sagt Aristoteles
Erfahi'ungsbegriffe
einen Widerstreit
als
Zwang
,
die,
;
erst die
als solche beglaubigt,
kommen können; wo eben
gar nicht in
die,
äusserlich
gedachte, Nothwendigkeit aufhört, fängt für ihn
die Freiheit an, die er nur als das „sich bethätigen
können"
eines an sich als fertig vorausgesetzten Willens fasst, über
dessen Beschaffenheit nachzugrübeln er sich ebensowenig gedi'ungen fühlt, wie etwa über die Gesetze seines täglich un-
bewusst geübten logischen Denkens. Diesem verwischenden
und unbestimmten Frieden der Erlahiuugsbegritie muss die
—
—
5
Philosophie durch eine
streng präcise begriffliche Fassung
und Gegenüberstellung der Extreme ein Ende machen, und
wir können Herbart*) nicht beipflichten, der im Interesse
einer vorzugsweisen ethischen
der Meinung
ist,
dass ,.dem
Versöhnung der beiden Begriffe
Worte Freiheit
eine solche Prä-
wodurch es das strenge Gegentheil des Determinismus
anzeigen würde, nicht aufgedrungen-' werden könne. Aber
die Untersuchung darf hierbei nicht stehen bleiben.
Sind die
ßegiiffe der Nothwendigkeit und Freiheit erst dui'ch scharfe
Entgegensetzung aus dem Nebel der schwankenden Erfahrungsbestimmung in das helle Licht der Dialektik gerückt, dann
cision,
erst
kann man
ihre wirkliche
Versöhnung suchen, nicht mit
Hülfe ethischer oder metaphysischer Voraussetzungen, sondern
durch eine
rein sachliche
der realen Welt,
üntersucchung des Thatbestandes
mit den Hülfsmitteln
welche uns Natur-
,
wissenschaft, Anthropologie, Völkerpsychologie, Statistik
endlich Selbstbeobachtung an
Hand
die
man
hoffen
Dazu aber
geben.
gehört vor Allem die Kenntniss des Willens selbst
und
wie konnte
;
zu einer auch nur vorläufigen Aussage über die
,
Grenzen, die Competenz, kurz das
keit zu gelangen,
wenn
Wesen
einer Geistesthätig-
in der neuesten Zeit sich die
sätze noch so schroff' gegenüberstehen, dass
man
Gegen-
auf der einen
ihm nichts als die Reflexbewegung motorischer und
sensorischer Nerven **) sieht, während auf der anderen Seite
ein hervonagender Theologe'"'*) erklärt, dass ,,das Moment
der Selbstbestimmung so wesentlich im Begriff des Willens
Seite in
liegt, ja so
sehr dieser Begriff selbst
der Wille in diesem Sinne frei
die Frage, ob die Materie
Nun
ist
allerdings
ist
schwer
nicht zu
,
*)
vollständigen
,
,
ob
als
sei."
verkennen,
der Lösung einer solchen Principienfrage
annähernd
dass die Frage
ist,
nicht mehi' Sinn hat
Sammlung
ja
,
wir von
von der
blossen
des
Zur Lehre vou der Freiheit des WUlens,
dass
selbst
8.
Materials
Brief, ed Hartenstein,
op. IX, p. 373. 74.
*) Meynert, vom Gehirn der
dem Geweben, Leipzig
der Lehre vou
•*>
Zeller,
i.
d. theolog.
Säugethiere, in iStricker's Handbuch
1871. p. 694
ff.
Jahrb, 1846. V, p. 388
ff.
l*
—
--
6
noch liimmelweit entfernt sind. Während über 'Ins sog. Bewusstsein der i'reiheit uns die scharfsinnigen Deductionen
und Selbstbeobachtungen fast aller Philosophen seit Piaton
zu Gebote stehen, welche nur den einen Fehler haben sich
fast durchgängig auf das Schärfste unter einander zu wider,
sprechen,
ist
auf
dem Gebiet
einer rationellen „physiologischen
Psychologie'"', der Gehirnforschung,
logie
Statistik trotz der
und
kaum
Wir verweisen
Anfang gemaclit.
ein
die einschlägigen
vergleichenden Anthropo-
grossen Verdienste Einzelner
hier
kurz auf
Untersuchungen von Wundt"), für Gehirn-
forschuug Hitzig**), Lotze***) und KussmauP'***) für eine
auf Experimenten beruhenden Psychologie, während für die
Statistik neben ihrem Begründer Queteletf) gerade in Beziehung auf unser Problem
nennen
sind.
Wagnerff) und Drobisch ff f ) zu
Alle diese Bemühv.ngen bilden nur eine erste
z. Th. ganz neu anzulegenden Wege zur
Einführung der exact- naturwissenschaftlichen Methode auch
auf die Untersuchung sog. innerer, psychologischer Vorgänge.
Etappe auf dem
Es kann uns daher nicht
in
den Sinn kommen, schon jetzt
eine kritische Untersuchung über die Willensfreiheit des
Menschen, die sich auf diesem empirischen Boden stützen
könnte, zu versuchen. Was für jetzt ziu^ Lösung dieser schwie-
rigen Frage gethan werden kann,
und mühseligen Forscherarbeit,
ist,
neben jener empirischen
die Kritik
dessen,
was uns
das philosophische Bewusstsein unserer Vorgänger wirklich
Positives überliefert hat,
insbesondere die genaue Prüfung
der angeblichen Thatsachen des Bewusstseins
,
welche durch
Physiologische Psjchologie. Leipz. 1873. Auch: Vorlesungen über
*)
Menschen- und Thierseele, Leipz. 1863.
Untersuchungen über das Gehirn. Berlin 1874.
**)
***) Mediciuische Psychologie
****)
1852.
Untersuchungen über das Seelenleben
d.
neugeborenen Menschen.
Leipr. u. Heidelberg 1859.
t)
sonders
Du
p.
65
Systeme social et des
lois,
qui
le
regissent. Paria 1848. be-
flf.
tt) Die Gesetzmässigkeit in den scheinbar willkürliclien
Hamburg
1864.
ttt) Moralstatistik und Willenfreiheit. 1867.
Handlungen
Selbstbeobachtung von den meisten Denkern verbürgt werden.
Wir
erinnern uns dabei an das
Wort und
Beispiel Kant's,
der „die Selbstbeobachtung für ein Werk von vielleicht grösserer
Schwierigkeit'- hält, als die richtige Beurtheilung Anderer,
indem der „Forscher seines Inneren leichtlich statt blos zu
beobachten, manches in das Selbstbewusstsein hineintrage''
—
daher auch Kant seine empirische Psychologie wesentlich auf
die
Beobachtung Anderer gründete.
Ein kurzer geschichtlicher Rückblick auf die Hauptphasen, welche die Frage nach der Willensfreiheit durchlaufen hat,
wird genügen,
um
uns auf die Betrachtung und
Kritik der letzten ausführlichen und im
einem
geschlossenen
philosophischen
Zusammenhang mit
System
aufgestelltem
Theorie, der Ansicht Arthur Schopeuhauer's über die Freiheit
des Willens,
vorzubereiten; gerade in dieser sammeln sich
wie in einem Brennpunkt, die Irrthümer und das Richtige
der früheren Anschauungen; sie
eignet,
ist
deshalb vorzugsweise ge-
einer positiven Untersuchung das Feld
zu bereiten.
In der Gestalt
einer
Frage nach dem AVesen des mensch-
lichen AA'illens existirte, wie bereits oben angedentet, nnser
Problem für die alte Philosophie nicht; wohl aber enthielten
die Untersuchungen der Alten über das Verhältniss von Nothwendigkeit und Freiheit, über den Begriif des övrarov und
,
die praktischen Fragen der Erziehung und Sittlichkeit Elemente, welche mehr und mehr das Denken auf die Frage,
selbständige Kraft
ob denn der Willen wii'klich eine freie
,
sei,
hinlenken musste.
Wie Trendelenburg
in seiner Unter-
suchung über das Verhältniss der Begriffe Nothwendigkeit
und Freiheit *) mit überzeugender Klarheit nachgewiesen,
kam
alte Philosophie über das Missverhältniss zwischen
die
der metaphysischen
ten,
,
wenigstens in der Idee überall postulir-
Nothwendigkeit des Geschehens und der ethischen Frei-
Zwar war
Homer
Handelns nicht heraus.
heit des
digkeit der Furcht," wie sie uns bei
Göttern waltende ,uo(Qa,
als artj jr8JtQmf/ev)]
,
bei Sophokles
entgegentritt
,
sollte,
„Nothwenden
und den Ti-agikern
„Nothwendigkeit
wie aber diese Noth-
**) einer
der erkannten Ursachen'* gewichen ***)
wendigkeit gedacht werden
die
als die über
,
ob als ein blind waltendes
Naturgesetz, oder als schöpferisches Walten eines vorbestim-
menden Geistes, das beantworteten
die einzelnen Schulen je
nach den transceudenten Speculationen ihrer Häupter. Nachdem schon im vovg des Anaxag'^ras, deutlicher und umfas-
sender dann in der ütqövom des Sokrates, den iötaL Platon's
*)
Histor. Beiträge zur Philosophie 11,
**) Vgl. a.
vcixä tativ Kui
***)
Herodot 1,91.
&tä Diog.
Laert.
rr/v
I,
]».
112ff. Berlin 1855.
TtsnQcofiivi^v (loiQrjv dnocpvyeeiv
ddv-
77.
So sagt schon Heraklit (Stob, eclog. phvs. I. p. 60 ed. Heeren):
Xöyov ix rr/g ivuitioSgofiias di^fiiovi)y6v xäv ovtwv.
iinuQiiivrjv öi
—
)
—
—
9
und endlich der h-Enysia des Aristoteles, der Zweckbegriff
angefangen hatte, den der \^^rkenden Ursache zu verdrängen,
spitzte sich diei Aufgabe, das Yerhältniss von Nothwendigkeit
und Freiheit in der Natur begrifflich zu erfassen, immer
dem Versuch einer Harmonisirung der causa effi-
schärfer zu
ciens mit der causa finalis zu d. h. au die Stelle nüchterner
Forschung traten gewagte Speculatiouen, die, weit entfernt,
die Thatsachen der Erfahrung zu erklären, diese vielmehr
ganz verliessen, und im begrifflichen Spiel der Gegensätze
,
weder zu einem wirklichen Frieden unter einander, noch zu
einer consequgnzvollen einheitlichen Durchbildung kamen. So
ist bei Piaton im Timaeus weder in metaphj'sischem Betracht
ein anschauliches Bild vom Eingehen der iöea in die vX?^,
oder von der Vermählung von Kothwendigkeit und Freiheit,
erreicht
denn sowohl das &Hor, wie das dvayxalov bleiben
nach Piatons ausdrücklichen AVorten GwaAria an der Welt-
—
bildung
—
freiheit
mit
noch auch
der
gegenüber der
sachen
,
für die postulirte ethische Willens-
ist
Annahme
eine Basis
vorzeitlichen That,
einer freien
absoluten Bedingtheit durch
zeitlichen
gewonnen
das Walten grundlosen Zufalls,
dieser reale Determinismus
hebt die Möglichkeit einer sittlichen Erziehung auf. *)
Aristoteles flüchtet
die durch die Herleitung
sich
schehens aus dem vovq
Ur-
jene Freiheit verschwimmt in
;
alles
Bei
Ge-
bedrohte Freiheit in das Gebiet
'^*)
vom Verstand bestimmten Handelns,
selbst wieder aus dem rjd^oq, dem Wesen
des
***) welches indess
der Vernunftwesen,
entspringt: für dieses aber finden wir ausser der ^vcuc keine
Bedingung weiter, die für die Freiheit Raum Hesse. Auch sind
die Aussprüche des Aristoteles über das 7}^oc selbst durchaus
doppeldeutig und bisweilen geradezu entgegengesetzt, f
*)
nXiov
iln'Xii
-Kfil
Kespubl. X, 017.
(XQSTri
jj
tlutzov dvzfjg iitaczog
'üCiv.wg
aQXiiv xal tniuflitc^ui.
**) Phya.
V, 4. p. 228
*'*) eth. Nicora. III,
1
a.
r/Hiv
irtc'.qin,
.
.
ccdianotov,
—
xfj
IWd.
p. 1100,
I,
b. 30.
r\v
o-'t^.
I,
di dyn&ij
20. meteorol.
ff.
tifiwv Kai drtfice^wv
'JväyAtj
nävTmnvta
2.
III,
p. 339. a.
äga
fi)
xax»/
UQKTTfiv.
21.
-1.
ttjg (pvoicag dfjkov,
wg orx
uU.ü 8id uvug ^uug alxlug xoig «s dlr}9(Ö9
tvtvxi-
t) Vgl. Eth. Niconi. X, 10.
icp
.
t'S,ii.
rö
fii-v
ovv
~
Nicht kiaier
—
10
Lehre der Stoa,
ist die
uhiie sich des ver-
die,
steckten Widerspruches auch nur bewusst zu werden, auf der
einen Seite das ofioXoyovftevcog
xij
zur Voraussetzung hat, fordert,
auch von der starren
dem Ausdruck
durch Diogenianus
^ijv,
was
die Freiheit
Gottes spricht, der, nach
eifmQfuj'/] eines
des Seneca: *)
semper paret,
sequitur;
<pvou
auf der andern Seite aber
ciuidem
scripsit
sed
fata,
Dagegen wissen wir
seniel iussit.
dass in Chrysipp's Schrift über das Ver-
,
hänguiss der Satz stand: xal jiaQ
ijfiäg
jtoXXa ylyi'sö^hai'^*).
Dass der Atomismus eines Epikur und Lucrez
der Boden sein sollte,
mit der Lustlehre,
verbunden
,
eine Freiheit
w^o
lässt sich schwer annehmen;
denn auch, abgesehen von jener Setzung
des Willens erwachsen könne,
und
in der
That
ist
des absoluten Zufalls in der Frage nach der Annäherung der
Atome, nur die ,,voluntas, quae materiem refrenavit per
membra" ***) kalt behauptet, ohne alle Andeutung eines Versuch's, sie in das gesetzmässige Getriebe der Weltmaschiue
einzuordnen. Endlich sehen wir im Neoplatonismus eine theosophisch- mystische Speculation jene mit
Mühe
erst gesonder-
ten und scharf begrenzten Begriffe der Nothwendigkeit
ihres Gegensatzes in
und
absolute Einheit einer totalen Un-
die
bestimmtheit zusammenschmelzen, so dass die alternde Philo-
Taumel der absoluten Ideutitätslehre wie Kronos
Kind verschlingt.
Ueber die nun folgende Periode können wir kürzer hin-
sophie im
—
schliesslich ihr eigenes
So lange die Philosophie bei der Theologie
Aveggehen.
aiv vTTciQX^'^' 111
ov^ifjV
(I
1
7.
£9'
vo(sihv vyirls.
icp'
misirt A. Etil. Magii.
yuQ öoKsi iKcccta
I,
xrjäv
9,
*)
De
provid.
di'Ojtic'JfCÖ'OK
Kttl'Aväyurjv
I, p.
y.ccl
,
.5.
Etil.
r.cd
iözcL
Magu.
I,
Kuv.ia
i]
»jO-cöv
Vgl.
avxriv
vnägxsiv
TÖrAilK
a.
-aal
cpvosi
ncog
?%on£v siQvg Ix
Phaedr. fragm. vol.
x^v
sIvtxL
y.oivy)v
**) Euseb. praep. evaug. III, 8.
***) Lucret. de rer. nat. II, 276.
.
,
Gegeu deu Satz
11.
i]
q)CivXovg pole-
yaQ
y.al
13.
Uäei
diKctiOL
nai
ysvtrjjff.
2.
v.cd
nävtcov cpvaiv
Plutarcli de fato
178.
.
dUaiog' ovös yag
trotzdem findet sich Eth. Nicom. VI,
tov dia
xr^v
6;ioüüs de xai
<xQf:Tr)
ysvsa&ai xo enovdatovg stvca
ri^iv
oaipQoviKol KKi KvdQfioi xßi
phys.
fj
Eth. Eiideui. 11,6-10.
des Sokrates: ovk
yov
öl Kai
Tiiiiv
idv ys ßovkrjxctL adfiiog cov navasrai
j\Iagd-
c.
ovzag KvdXo-
«ort Ei(iaQ[iivrjv
11.
Stobaeiis, ecl.
—
-
11
können wir eine rein philosophische Behandlung unserer Frage nicht erwarten, wenn man auch die
Menge des dabei aufgewendeten Scharfsinnes anerkennen
dienste verrichtete,
Das
muss.
an der Frage war ein
theologische Interesse
ganz anderes, als das philosophische.
Detenninisten und
*)
Indeterniinisten unterschieden sich weniger in der Auffassung
Mensehen zu der Xatiu" und ihren GeBestimmung der Thätigkeit des Menschen
des Verhältnisses des
setzen
dem
.
als in der
göttlichen Erlösungswillen gegenüber: von
einer exact-
Untersuchung konnte daher keine Rede
empiiischen
die Intensität des religiösen Abhängigkeitsgefühles,, die
me
sein;
Wär-
des Glaubens, entschied bald nach dieser, bald nach jener
So
Seite.
bekanntlich Augustin.**) wie
ist
maiorem dei gloriam
..aber" ist
bei
sich
alle Selbstthätigkeit
aber (denn ein
Adam
erfahren
unfrei,
ist
der neue
was aber der Mensch eigentTiitt nun dem tiefen religiösen
göttlicher Gebundenheit
lich sei.
—
gi'osser
verlor in
immer dabei) jenes servum arbitrium verwandelt
dem wahlhaft Gläubigen durch göttliche Gnade
wieder in ein libentm: der alte
tiei in
sein
Der jlensch
Naclifolger Luther,***) Determinist.
wii* nicht.
;
Gefühl das Interesse an humanistischer Bildung und logischer
•usequenz entgegen,
so
man wahrhaft
sieht
verzweifelte
Versuche zur Hannonisining der Gegensätze, wofür das A\'erk
des Joh. Scotus Erigena, de praedestinatione Dei (ed. Floss)
That klassisches Muster ist. Umgekehit, wie AuMagnus: der natürliche Mensch hat
liberum arbitrium. aber
die Tugend, das eigentliche
ein in der
gustin,
ein
lehite Albertus
—
Gebiet freier sittlicher Selbstbestimmung, wird nur von Gott
im Herzen des Menschen gewirkt.
bundenheit, ünfi-eiheit
*)
riiT).
I,
die Möglichkeit
§.
ovTS öi Ol tnaivoif ovrt ol tpöyoi
17.
iir)
De
lib.
Kay.iag oierjg
arbitr.
auch wieder Imleterminist.
***)
De
111,
1>^,
de
lib.
.
.
.
I,
tii
Ge-
von diesem
bei Cleni. Alex.
nual, ov9 «t
TJ}g ögfif,i
xai üqioQ-
ori unltoia ö 9f6s uff r/Uiv
iv
Dagegen
arb.
.'^telJe
ov9'
fpvx^g ix^^^V? ^'1* i^ovaCav
Tr,g
du' dy>.ovoiov rqg
mmiag nvaitiog.
ft^C,
.
ist sittliche
sich
Belehren'! ist in iliesom Betraclit schon eine
noküang dinaiai
**}
ist
Freiheit
je
12.
uacii
theolopischem Bedarf
de »ninii quantitatc
c.
3.
aervo arbitrio ed. Seb. Schmidt, Strasaburg 1707. p. 220
ff.
allgeil» einen
—
12
Gesetz zu emancipiren, Thomas von Aquino nennt
jenes die „göttliche Freiheit-' im Menschen, dieses die eigentlich
„menschliche Freiheit"
—
werden leere Na-
die Begriffe
men, mit denen im Interesse religiöser Fuudamentalanschannn-
gen ein geistvolles Spiel getrieben wird, ^\enn auch auf der
Synode zu Ephesus 431 der Pelagianismus von der oekumenischeu Kirche verurtheilt worden ist, so hat in dogmatischer
Beziehung doch auch keine einzige ausdrücklich den Augustinismus anerkannt, und in der That beherrscht der Semipelagianismus noch heut nicht nur die katholische
sondern
,
sondern auch die protestantische Lehre.
Wenden
uns nun der neueren Philosophie zu,
wii-
um
auch hier ein kurzes Facit ihrer Bemühungen
blem zu ziehen.
Einen gewaltigen Schritt vorwärts hat
selbe allerdings gethan; die
zu reden,
physique;"
Frage
trat jetzt,
um
um
unser Prodie-
mit Comte*)
dem „etat theologique" in den „etat methanicht mehr das Verhältniss des Menschen willens
aus
Gott gegenüber, sondern überhaupt seine Stellung gegen die
Denken wurde der Untersuchung un-
Erkenntniss, gegen das
terworfen und so der letzten scharfen Fassung der Frage,
ihrer Versetzung in den „etat positif," vorgearbeitet. Freilich
sehen
Avir
nebenbei auch immer noch die Nachwirkungen des
religiös-ethischen Interesses in der Postulirung der Freiheit,
wenn man
tesius:
tam
'^*)
in
me
sie nicht
nachweisen konnte.
So belehrt uns Car-
quam
„Sola est voluntas sive arbitrii libertas,
tan-
experior, ut nullius maioris ideam apprehendam."
Die „innere Erfahrung," d.h. verständlich: das ethisch -dogmatische Interesse,
falls nicht
„äussere Freiheit"
verstanden werden
unter der libertas nur die
s.
g.
muss herhalten.
Dagegen leuchtet der Gedanke einer Gebundenheit des Willens an die Erkenntniss, die in absoluter Vollkommenheit dann
soll,
eine sittliche Freiheit constituiren würde, aus der Stelle ***)
:
Si semper, quid
de eo,
*)
**)
quod
verum
et
bouum
esset iudicandum
sit,
prira.
***; Passion. Auiia.
I,
eligendum
vgl
Philosophie positive Paris I80O.
Mcdidat. de
clare viderem,
1,
cf.
oliserv.
deliberarem,
1.
philos. IV. Priucip. phil. p.
50.
nunquam
nietaph.
1.
1.
§.
39.
—
atque
—
13
numquam
quamvis plane über,
ita,
So
tarnen indifferens
Xothwendigkeit des Guten in der
höchsten denkbaren Erkenntnissentwicklung, die für uns freiesse possem."
fällt die
mit dem freien "Wollen desselben zusammen.
Ganz anders Spinoza. Eiitillt von der höchsten Achtung vor
dem strengen Causalitätsgesetz lässt er *) Ursache an Ursache
sich schliessen und schreckt nicht vor dem regressus in infi-
lich Ideal bleibt,
ditum zurück
—
da ja doch zuletzt
sachen versinken in
Nothwendigkeit"
(eine Xothwendigkeit,
Freiheit nennen könnte!)
Wohl
manifestirt.
alle seine endlichen. Ur-
der ^Substanz," die
sich
.immanenter
ebenso gut
gibt Spinoza eine gewisse physische Frei-
Menschen seinem Vorgänger zu.
epist. 62,
das „invitum agere"
;
,
man
Denken und Ausdehnung
in
heit des
gegenüberstellt
mit
die
dem
Zwang
äusserer
wenn
er
der
in
„necessario agere-' bewusst
behen-scht uns nicht immer,
aber stets die Xothwendigkeit: diese indess
lässt
nun
ein-
mal für die libertas aequilibrii keinen Raum, und mit voller
Consequenz erklärt denn auch unser Philosoph ohne die vorsichtigen Restrictionen seiner früheren Gesinnungsverwandten
das Bewusstseiu einer Willensfreiheit
aus Unwissenheit.
Nur
ein
fiü-
Selbs täuschung
Philosoph,
ein
Engländer,
Hobbes, hatte vor ihm es gew^agt, so rücksichtslos der herrschenden Meinung entgegenzutreten, **) auch in der nächsten
Folgezeit waren es Ausländer, die den strengen Determinis-
mus veitraten :**')
in
Ansicht Leibnitzens,
Deutschland trat mit der versöhnlichen
welche das Bewusstseiu der nächsten
Zeit beherrschte, ein entschiedener Rückschritt ein, insofern
war
das Problem, das nach Spinoza ein rein metaphysisches
Eth.
'*)
tas, sed
II, prop.
mens ad hoc
48: In mente nulla est absoluta sivc libeia
etiam ab alia detenninata
I,
prop.
.32.
**)
m,
De
sibi bonuin,
haec itennn ab
et
qnae
alia, et sie in infinitum,
prop. 2.
cive
et
est,
volviii-
volendum determinatur a causa,
vel ad illud
I,
c.
7.
ad fugam,
Fertur unus quisque ad ap]tetitionem
quod
eius,
maximi malorum naturalinm, quae
sibi
malum
est mors, idque
est,
eius.
quod
niaximeque auteni
necessitate quadain
Daturae uon miuore, quam qua fertur la}ti8 deorsum. —
***) Hmne, Essay on liberty and necessity. — Priestley, The
ctrine of pLiloaopiiical uccessity,
—
Voltaire, le philosophe
ignorant,
c.
do13,
—
14
—
(da nach der Anerkenninig der dnrcligängigen Geltung
des
nur mehr
die
Causalitätsgesetzes in
der Erscheiniingswelt
ursprüngliche immanente
ren blieb)
Bewegung der
„Substanz"* zu erklä-
wieder in den Nebel unklarer Begriffslestimmun-
Leibnitz scbliesst sich an Carte=
an mit der nachdrücklichen Behauptung, dass l'esprit
Teutendement
die Erkenntniss
den Willen
oder
beeintlusst :*) Et c'est dans ce sens. qne j"ai contume de dire,
gen zurückgeworfen ward.
sius
—
—
que Tentendement peut determiner
suivant
volonte
la
la
prevalence des perceptions et raisons d'une maniere, qui lors
meme,
qu' eile est certaine et infaillible, incline sans necessiter.
diesem Stichwort „incliner sans necessiter"
Mit
sind wir
glücklich wieder in jener klangvollen philosophischen Sprache
uns statt
angelangt, die
—
der Begriffe
Worte
bietet.**)
—
Xoth wendigkeit
und obendrein dennoch
eine determination von absoluter Gewissheit.
Von den Motiven erfahren wir weiter, dass sie im „esprit" liegen
doch lassen wir Leibnitz selbst sprechen:***) Les motifs
Eeiz, aber keine
—
comme
n'agissent point sur l'esprit,
mais
sont des
dispositions ä
veut
que
ici,
anx plus
agii'.
meme
forts, et
l'indifferent
comme
s'ils
fois
aux
il.
y avait d'autres
les
motifs, qui
comme Ton
motifs foibles
motifs, c'est separer
etaient hors de
poids est distingue de 1ü balance, et
le
poids sur la balance,
Aiusi vouloir,
quelque
l'esprit prefere
Tesprit des motifs,
le
agit en vertu des
c'est plutöt l'esprit, qui
comme
dispositions pour agir,
que
si
lui,
comme
dans
l'esprit
les motifs,
en
vertu desquels l'esprit rejetteroit ou accepteroit les motifs:
Au
lieu,
que dans la verite
dispositions,
car
que
il
precedentes.
Ainsi
il
l'esprit
si
agiroit
est dispose d'agii\"
)
compreunent toutes
les raisons,
***')
Vgl.
a.
mais encore
preferoit
—
So scheint der esprit nur die
Tüeodicee in, 288.
Opp. philos.
ed.
l'inclination
contre soi-meme et autrement,
Nonveaux essays sur Tentendement humaÜJ,
=*)
les
quiviennent des passions ou d'autres impres-
foible ä la forte,
qu'
les motifs
peut avoir pour agir volontairement,
ne compreunent pas seulement
ils
les inclinations,
sions
l'esprit
Erdmann,
p. 764".
II,
eh. 21. §.
8.
—
Gesammtsumme
—
15
aller ,.Dispositionen", oder die
Executivgewalt
für den Beschluss eines kleinen Parlamentes von Motiven zu
was man aber die „Dispositionen", welche nicht
nur solche des Verstandes, sondern auch der Leidenschaften
sein; als
und des „Gefühls" überhaupt, sind, zu denken habe, ob es
auch Motive oder Dispositionen gebe, die aus dem \\'illen
selbst, als solchem, fliessen, nach welchem Princip das eine
Motiv über das andere den Sieg davon trage, ob endlich das
Resultanten-Motiv mit stricter Nothwendigkeit wirke
das
sind alles Fragen, auf die uns Leibnitz keine Antwort er-
—
und doch sind gerade sie es, auf
ung unseres Problems Alles ankommt.
theilt,
die bei der Entscheid-
— Mit
dem
Fortschritt
der exacten Wissenschaften indess, welche die Gesetzmässigkeit
von immer mehreren scheinbar willkürlichen Handlungen
nachwiesen, also mit dem Allgemeinerwerden der Anerken-
nung lückenloser Nothwendigkeit im Weltverlauf, musste sich
der Gegensatz ethischen Freiheitsbedürfnisses und speculativer
Freiheitslosigkeit immer mehr verschärfen.
In Kaufs Theorie
von der Willensfreiheit nud in den modificiiteu Ansichten
seiner Nachfolger sehen wir den klassischen Ausdruck dieser
Antinomie. Gegenüber der gerade durch die Kritik der reinen
Vernunft
evident
in's
Licht
des Cansalitätsgesetzes,
gestellten Allgemeingültigkeit
das wenigstens
Erscheinung und Erkenntniss die
für
die
Welt der
stricte Noth^\ eiidigkeit zur
Herrscherin macht,') half sich der grosse Meister, gestützt
auf die Thatsache einer sittlichen Zurechnung
nahme der
I'
mit der An-
,
Freiheit als einer „transscendentalen Idee," einer
reiheit, die
nur das „erdachte Unbedingte in ßücksicht des
Verhältnisses von Ursache und Wirkung,"
Welt
Vennögeus
die
in
einer
in-
telligibeln
des Dinges an sich erfolgende H3'postasiruug
des
,
„
eine Cansalreihe anzufangen
,
"
ist
—
und
seitdem haben sich fast alle Vertheidiger der Willenstieiheit
Watten des dargebotenen Hilfsmittels
bedient, nämlich der Flüchtung der Freiheit in die intelligible
mit
philosophischen
*)
Krit.
d.
reiu.
Vernunft (Koaenkr.)
p.
Veruunft, 5 AuH.
23ü.
p.
577.
8'2ü.
Kritik
d.
prakt.
—
Welt des Unerkennbaren.
16
—
Wir werden
*)
diesen Punkt, in
welchen gerade Schopenhauer mit Kant fast vollständig übereinstimmt, noch einer eingehenden Besprechung zu unterziehen
haben,
wenden uns nun
aber
mit
üebergehung
des
im
Wesentlichen nichts Neues enthaltenden ürtheils von Schelling **) über die Willensfreiheit zur Darstellung der Schopen-
hauer'schen Lehre, welche neben der von Kant übernommenen
Grundunterscheidung von Erscheinung und intelligibler Welt,
dennoch selbständige Elemente
um
eine gesonderte,
zumal an
einseitig
ihr
in
genügender Anzahl enthält,
eingehende Besprechung zu erfordern,
das Unvermögen der Speculation,
die
Frage
nach metaphj'sischen Begriffen zu lösen, auf das
Deutlichste hervortritt.
*) Krit. d.
—
rem. Yernimft
p.
560
— 582.
Krit. der prakt.
Vernunft
224-231.
**)
Untersuchung über die menschliche Freiheit,
p.
465—471.
p.
Darstellung von Sdiopeiiliauer's lehre.
—
freilich in einem
Dass ein Philosoph, dem der Willen
über den gewöhnlichen Sprachgebrauch erweiterten
das metaphj'sische Princip der gesammten WelterSinne
etwas
—
klärung
auch der Frage nach
ist,
der Beschaffenheit des
menschlichen Willens besonders nahe treten musste,
vornherein wahrscheinlich.
der Spezial- Abhandlung Schopenhauer's
Willens"*)
des menschlichen
ist
von
So finden wir denn auch neben
wo
„über die Freiheit
er auf
inductiven
Wege
und ohne Rücksicht auf seine Metaphj'sik an das Problem
seinem Hauptwerk, der „Welt als Wille und
herantritt, in
Vorstellung"**)
entsprechende
eine
deductive
Erörterung,
welche aus speculativen Vorauszetzungen zu ihrem Resultat
Leugnung der Freiheit gelangt, während
einer modificirten
füi-
das nähere Verständniss seiner Ansicht auch die Schrift
„Ueber den Willen
in
der Natur***) sowie
seine Polemik
gegen Kantf) schätzenswerthe Aufschlüsse ertheilt.
wir uns zunächst der erstgenannten Schrift zu.
Ehe Schopenhauer an
kgl.
die
Wenden
Beantwortung der von der
dänischen Akademie gestellten Preisfrage, ob nämlicli
die Freiheit
des menschlichen Willens sich aus
dem
Selbst-
bewusstsein beweisen lasse, geht, macht er uus mit seinen
Frage kommenden Begriffe: Freiheit,
Nothwendigkeit und Selbstbewusstsein bekannt. Danach ist
ihm Freiheit zunächst ein rein negativer Begriff, und
Definitionen
*)
der
in
Opera omn.
ed.
J.
FraueiiBtädt, 6 voll.
welcher Ausgabe durchweg citirt wird.
*)
*)
Vol.
IL
III.
Vül. IV,
t) Vol. II, p.
1—147.
491
ff.
o\>.
Leipzig 1873—74.
IV, 1—102.
n.acli
—
„die
bedeutet nichst, als
—
18
Abwesenheit
alles
Je nach der verschieden möglichen Natur
Hindernden."
hindernden
der
Factoren unterscheid'et er eine physische, iutellectuelle und
Die beiden ersteren gehören nicht vor
moralische Freiheit.
das
Forum
des Philosophen, denn sie beziehen sich nur auf
das ungehinderte Können des de facto Gewollten
erst
;
die
Frage nach dem Vorliandensein einer moralischen Freiheit
führt uns auf den Kernpunkt der Untersuchung, nämlich das
Bestimmtsein oder Unbestimmtsein des WoUens selbst. Zugleich tritt der Begriff der Freiheit hier aus seiner bisherigen
=
frei
dem eigenen Willen gemäss
Gegensatz zu dem Begriff der Noth-
Unbestimmtheit, wonach
galt, in einen scharfen
wendigkeit.
Wenn
diese nämlich
mit „der
identisch ist
Folge aus einem zureichenden Grunde", so muss Freiheit jetzt
analog der Kantischen Erklärung als „Vermögen, eine Cau-
von selbst
salreihe
anzufangen"
,
gleich
der Abwesenheit
eines zureichenden Grundes, oder gleich absoluter Zufälligkeit
sein.
—
ImBewusstsein
zwei Theile
,
das
unterscheidet ferner Schopenhauer
eigentliche
das Wollen
„
Selbstbewusstsein
"
,
dessen
und das „Bewusstsein andrer
Dinge", welches durch die an der Grenze zwischen beiden
liegenden apriorischen Denkformen Zeit, Raum und Causalität
öbject
niu'
ist,
,
bedingt
ist.
Analj^tisch, durch
in beiden liegen, ist
Menschen
erscheint,
enthalten
nun zu untersuchen, ob der Wille des
sich aus sich
ersten Abschnitt,
wo
Betrachtung der Data, die
selbst
bestimmt, oder nicht.
der „Wille vor
dem
— Im
Selbstbewusstsein"
wird nun gezeigt, dass in diesem weiter nichts
ist,
als das
Bewusstsein der oben erwähnten „phy-
sischen Freiheit", welches, darauf gestützt, dass jeder Willens-
act
zugleich Leibesbewegung
was
ich will.
Das Wollen
ist,
aussagt: ich
kann thuu,
selbst ist dabei stets conditio sine
qua non wie es aber selbst beschaffen sei und wovon bestimmt,
darüber weiss das Selbstbewusstsein nichts zu sagen, zumal
da es den schliesslichen Ausfall eines Wollens stets erst
;
empirisch durch die erfolgte That erfährt.
Motive zum Wollen,
gleichsam die im Gleichgewicht schwebende Kraft des
Willens erst auslösen, kommen stets erst durch das Bewusst-
die
—
sein andrer
Dinge
19
-
in das Selbstbewusstsein hinein;
an jenes
müssen wir uns also wenden mit unserer Frage, ob bei gegebenem zureichendem Motiv die That mit Nothwendigkeit
erfolgt,
oder ob im Willen selbst, also ohne
noch eine vis repugnautiae verborgen
Hier, vor
jedes Motiv,
ist.
dem Bewusstsein anderer Dinge,
ist
nun nicht
der Wille an sich unser Object, sondern zunächst nur willens-
begabte Wesen; dieser anscheinende Nachtheil gleicht sich
aber überreich aus durch die ungleich grössere Vollkommenheit unseres
Werkzeuges zur Beobachtung
;
war
dort nur das
„dunkle Selbstbewusstsein", so steht uns hier der Verstand
Die allgemeinste Form des Ver-
und die Sinne zu Gebote.
standes
ist
der Causalität: keine Veränderung
das Gesetz
ohne Ursache
;
war
es doch überhaupt erst diese Verstandes-
Welt der übjecte,
den ganzen
und in den
ebenso apriorischen Verstandesformen von Zeit und Raum
die Basis errichtete, auf welcher der Name „Veränderung"
In der Welt der realen Objecto
erst irgend einen Sinn hat.
form, welche uns die ganze
also
Inhalt des Bewusstseins anderer Dinge, schuf*)
tritt
uns nun der Hauptunterschied von „organischen" und
„anorganischen"
Wesen
verschiedene Art von
entgegen, und demgemäss auch eine
Veränderung.
sachen
Leben
—
—
Schopenhauer gliedert
Veränderungen, die auf Uranorganische Welt - auf Reize - vegetatives
dieselbe recht scharfsinnig
und auf Motive
—
in
animalisches Leben
—
erfolgen.
Die letzteren zerfallen wieder in rein intuitive und
dem eigentlichen
begabten Wesen zukommen.
stracte Motive, deren erstere
den mit Intellect
keit einer gleichzeitigen Auffassung
in ab-
Thier, letztere
Die Möglich-
abstracter Denk- oder
Erinnerungsmotive neben den unmittelbar gegenwärtigen und
anschaulichen (nebenbei nach Schopenhauer die einzige Auf-
gabe der „Vernunft" im Unterschied vom „Verstand") giebt
dem Menschen eine relative oder comparative Freiheit, nämlich
im Vergleich zu dem an Gegenwart und Anschauung gefesselten
•)
Vgl. „Ueber die vierfache Wurzel des Sotzes
Grund, VoL
1,
p. 27.
vom zureichenden
—
20
—
Thier, sie vermittelt die Möglichkeit einer
wii'd die
Wahl.
Gleichwohl
Nothwendigkeit der durchgängigen Motivation, die
ja nur eine specielle Gestalt des Causalitätsgesetzes
nicht berührt.
— In
der
ist,
davon
aufsteigenden Reihe von Ursach,
Reiz und Motiv nimmt nicht der Grad der Nothwendigkeit,
mit welcher Wii'kung, Reaction und Handlung erfolgt, ab,
nur die Anschaulichkeit und Verständlichkeit des
Vorgangs für unseren Intellect, je höher wir kommen. Gilt
von der anorganischen nur durch Ursachen bewegten AVeit
noch der Satz, „Wii'kung und Gegenwirkung sind einander
sondern
Grad der Wii'kung ist dem Grad der Ursache
genau angemessen"
so verschwinden diese beiden Anhaltspunkte schon in der sich auf Reize bewegenden Welt; das
gleich" und „der
—
Subject des Reizes braucht keine Gegenwirkung zu erleiden,
auch können die kleinsten Reize die grössten Veränderungen
zu Wege bringen. In der Welt der auf Motive handelnden
Wesen gar
ist
zwischen Motiv und Handlung so wenig äusser-
nachweisbarer Zusammenhang, ja selbst dem handelnden
Subjecte wird sehr häufig die geheime Veranlassung seiner
lich
anscheinend freien Entschliessung so wenig klar, dass die
gänzliche
Leugnung
eines Causalnexus durch
Annahme
einer
absoluten Freiheit völlig erklärbar, nichtsdestoweniger aber
ebenso unberechtigt als ungereimt ist, da nicht ersichtlich
ist,
wie durch die grössere Unerkennbarkeit eines Vorgangs
Wesen, das durchweg in der Sphäre der Nothwendigkeit
liegt, geändert werden könnte.
Bei dem Versuche, eine
sein
absolute Freiheit, ein
liberum arbitrium indifferentiae zu
denken, muss in der That und buchstäblich der Verstand
stille
stehen,
,
denn er hat, nach Wegnahme der Form der
Causalität, keine andere, ein solches zu denken.
Alle Veränderung indess,
mag
sie
•
auf Ursachen, Reize
oder Motive erfolgen, setzt eine ursprüngliche Kraft voraus
in dem,
worauf gewii^kt werden, oder was sich verändern soll.
Diese, selbst unerklärbar, ist das Princip aller Erklärung;
die
Ursachen bestimmen nur die Punkte der Aeusserungen
dieser Ki^aft.
Der Mensch nennt
diese Kraft, welche bei
ihm
—
—
21
von den Motiven ausgelöst wird, Willen.
Wille
ist
viduell
— denn
Speciell bestimmter
Der Charakter des Menschen
Charakter,
ist
indi-
bei aller Aehnlichkeit der Species sind doch
die moralischen Anlagen,
ganz ebenso wie die intellectuellen
—
—
empirisch
denn er
jedem Individuum verschieden
wird erst an seinen Früchten, den Thaten, langsam im Verin
lauf des
Lebens erkannt
—
er
ist
constant
—
denn
es
ändert sich wohl mit der Erziehung der Yorrath möglicher
Motive,
d. h.
was durch
die Erkenntniss, nicht aber der Charakter selbst,
die Existenz des Gewissens, das allererst hierdurch
möglich wird,
bewiesen wird
—
angeboren,
endlich
—
denn die Verschiedenheit des Handelns zweier Menschen von
gleicher Erziehung, Bildung etc.
tiellen
Unterschied
ihi^es
ist
nur durch einen essen-
Characters erklärbar
für aber in die Erkenntniss
einer Lehi'e verflüchtigen.
;
den Grund da-
verlegen, hiesse die Moral
Jede Handlung
ist
durch die beiden
Factoren, Charakter und Motiv, schlechthin bestimmt.
Thun
folgt
ganz und gar aus dem Sein
esse; „quidquid
fit,
necessario
fit
et
—
aliter
zu
Das
operari sequitur
factum esse non
potnit."
Hatte nun Schopenhauer bis hierher ein wahrhaft vernichtendes Gericht über den Begriff einer motivlosen Freiheit
des Zufalls gehalten, so wendet er sich nun, nach einer kurzen
Blumenlese aus den identischen Aussprüchen früherer Philo-
sophen,
Theologen und Dichter,
in
einem Schlussabschuitt
einer „höheren Ansicht'' zu.
Anknüpfend an
eine bisher absichtlich übergangene Be-
wusstseinsthatsache, „das völlig deutliche und sichere Gefühl
der Verantwortlichkeit" für unser Thun, welches dem Ich
als
dem Thäter
seine
Thaten
ziu'echnet,
kommt Schopenhauer
noch einmal auf jenen subjectiven Factor jeder That, den
Charakter, zurück und häuft auf diesen die ganze Schuld oder
das ganze Verdienst. Ein anderer Charakter, d. h. ein anders
bestimmtes Sein, hätte, so meint er, unter dem Druck derselben Motive auch ein anderes Thun ergeben; das Gefühl
der Verantwortlichkeit geht also auf das Sein des Meuscheu.
2*
—
9.2
—
Wo aber Verantwortlichkeit ist, da ist Freiheit, das Sein des
und dies
Menschen mnss also seine eigene freie That sein
Mysterium wird erklärt mit Zuhülfenahnie des „intelligiblen
Charakters'', des Willens als Ding als sich, welcher aus der
Kealität der Erscheinungswelt hinausgerückt und über den
—
engen Schi'anken der menschlichen Vorstellungsformen
Raum und
Freiheit
handlung;
Die
der Welt als Vorstellung nicht anzutreffen,
ist also in
transcendent,
sie ist
Zeit,
Causalität, sich absolut frei selbst bestimmt.
-
Soweit unser Philosoph in jener Ab-
werden nur Weniges vor der Hand noch aus
wii'
seinen anderen Schriften hinzuzufügen haben.
Wie Schopenhauer
in seinen
Hauptwerk mit grosser Aus-
nachgewiesen zu haben glaubt, und wie er in
der Abhandlung über den Willen in der Natur durch Zeug-
führlichkeit
nisse der Physiologie, Pathologie, xlnatomie, Pflanzenphysiologie,
physischen Astronomie, Linguistik
ist
des Weiteren erhärtet,
etc.
das Prius alles Seins, das Ding an sich schlechthin, welches
Werden
dem
allem Sein und
Dieser
Wille.
ist
schöpferisch zu
philosophii'enden
Grunde
Zuhülfenahme der Erkenntniss,
mittelbar, ohne
punkt seines Ich"s bekannt.
Der Leib
liegt,
ist
der
ganz un-
Subject
als Central-
die Objectivation
desselben für den erkennenden Verstand; dieser selbst aber,
oder genauer das Gehii-n mit
all
seinen Functionen,
die Objectivation eines Special- WoUens,
ist
nur
desErkennenwoUens;*)
metaphysisch, der Intellect nur physisch, also
der Wille
ist
wenn
mit Spinoza reden wollten, ein Accidens gegenüber
wii-
Auch
der Substanz.
die Auffassung der uns
scheinungswelt ändert daran nichts; denn
umgebenden Er-
wenn
der „theo-
retische Egoismus", dessen philosophische Berechtigung aber
Schopenhauer nicht anerkennt,**) auch, die ganze
Welt leugnend,
ihr
vorstellenden Individuums zugestehen wollte,
so
demselben Maasse, als der Intellect, der
sie in
*)
Op. vol.
**) Op.
m,
omn.
c.
sog. äussere
nur eine Existenz im Intellect des jeweilig
19. 20. p. 294.
vol. II, § 19, p. 124.
wäre doch
sie
erzeugt,
;
—
—
23
nur eine Objectivation des Willens;
wenn man
aber
mit
Schopenhauer durch einen Analogieschhiss der Welt der Objecte
eine Existenz ausserhalb des Gehirns des vorstellenden Subjekts, also eine gewisse Realität,
zuerkennen mag, so kann
doch diese Realität eben auch keine andere
wk
von der
Willens
;
sein, als die einzige,
unmittelbar Kenntniss haben,
d. h.
also
die
,
ganze
Summe
und
Durch diese De-
Seienden geht im Willen ohne Rest auf*).
duction gewinnt nun
hier
nämlich die des
des Denkbaren
Schopenhauer die metaphysische
Basis für seine Freiheit des Willens
;
indem
an sich aus der Erscheinung herausnimmt,
er ihn als
befreit er ihn
von den vier Gestaltungen des Satzes vom Grunde
Erscheinung beherrscht.
scheinung
ist,
ist es
dei
auch
alle
Insofern nun ii'gend ein Ding Er-
durchaus unfrei; insofern aber jeder Er-
scheinung das Ding an sich zu Grunde liegt,
ist in
.
Ding
ist es
diesem Sinne auch der Mensch unfrei und
sein freier intelligibler Charakter prägt sich in
empirischen Charakter aus.
^
frei;
so
frei zugleich
einem unfreien
Diese Freiheit hat indess der
Mensch mit allen Objecten der Erfahrung gemein, insofeni
allen das Ding an sich irgendwie zu Grunde liegt. Eine ganz
speciell ihm zukommende Freiheit aber besitzt er noch in
seiner Eigenschaft als ..höchste Objectivation des Willens",
welche mit einem so hohen Grade von Erkenntniss verbunden
ist.
dass dieselbe das
Wesen
des Willens selbst aufzufassen
vermag und die Nichtigkeit seines blinden Strebens aufzudecken. Der so hoch gesteigerte Intellect, der ..den Schleier
der Maja zerrissen", kann nun zur Selbstverneinung des Willens
führen; der in seinem innersten
Wesen durchschaute Wille
von seinem bisherigen erkenntnisslosen Wollen, das auf die Bejahung des Lebens gerichtet
war, ab und hebt sich unter den Pliänomenen der Heiligkeit
wendet
sich
dann
freiwillig
und Selbstverleugnung selbst auf. Diese Möglichkeit ist eine
dem Menschen ganz allein zukommende P'reiheit, und hier
steigt also die intelligible Freiheit aus ihrer
»)
Op.
vol.
U, Buch IV, §
55, p.
337
ff.
transcendeuten
—
Höhe herab
24
—
Die metaphysische Deduction
in die Erscheiuuug.
der Willensfreiheit geht, wie wir sehen und nachher wohl zu
beachten haben werden, über die im ersten Abschnitt gegebene
Darstellung hinaus; allerdings nur in diesem Punkte;
der
weitere Xachweiss der durchgängigen Herrschaft der NothAvendigkeit über die Erscheinimgswelt deckt sich
lichen mit
dem oben gegebenen wir
;
imWeseut-
kijnnen daher nach dieser
summarischen Uebersicht über die Lehre unseres Philosophen
nunmehr zur Kritik derselben übergehen.
—
Kritik der Theorie Scliopenliauer's.
Wenn
die philosophische Kritik
,
wie Fr. A. Lauge
ein-
mal sagt*), ihre walu'e Aufgabe nicht zunächst daiin hat,
zu zeigen, dass eine Lehre unhaltbar ist, sondern wie ihr
Vertreter zu seinem Irrthum gekommen, und ferner, welche
Bedeutung dieselbe
trotz ihrer
Mängel
den Fortschritt der
für
Erkenntniss hat, so wird sich unser Augenmerk naturgemäss
auf diese drei Punkte zu richten haben.
Wir werden
die inneren Widersprüche, welche
einerseits
also
Schopenhauers
Ansicht anhaften, aufzuzeigen haben, dann den tiefern Grund,
aus welchem
sie
entsprungen aufsuchen und andererseits be-
urtheilen milssen, ob
und inwiefern
die
von ihm vertretene
Theorie die Lösung der Frage gefördert hat.
Zweierlei muss von einem Philosophen, der es unternimmt,
vom Boden
eines geschlossenen Systems aus eine so schwierige
Untersuchung, wie die über die Freiheit des Willens, anzustellen, gefordert
werden
:
einmal die logische Unantastbarkeit
und Lückenlosigkeit seiner Schlusskette selbst, andererseits
von ihm gefundenen Resultates dazu,
die Tauglichkeit des
anerkannten Thatsachen, von denen seine Untersuchung
die
ausging, zu erklären und begreifbar zu macheu.
Man
sollte
glauben, dass dieser elementare Satz, der die Grundlage für
alle
dass
Wissenschaft bildet, allzu selbstverständlich wäre, als
man
ihn hier noch einmal aussprechen müsste.
aber durchaus nicht
so.
Dem
Dem
ist
für die Wissenschaft unent-
behrlichenPostulat der durchgängigenBegreiflichkeit aer Welt wii-d, und zwar nicht nur von Theologen,
sondern auch von Philosophen ebenso
hartnäckig ein letzter
frommer Verzicht auf das Begreifen insbesondere ethischer
*)
Logiscbe Studien, laerlohn 1877,
y. 4.
—
—
2fi
entgegengestellt. So hat
und man gestatte uns diese kleine
Abschweifung, da dieselbe geeignet ist. auch auf unsere
der
Stellung gegen Schopenhauer einiges Licht zu vrerlen
von Schopenhauer nicht nur behaupteten, sondern nachgewiesenen Undenkbarkeit der Willensfreiheit im strict inde-
metaphysLsclier Thatsacheii
oder
-
Jürgen Bona Meyer
—
nichts Anderes entgegenzusetzen,
terniinistischen Sinne,
als
den trivialen Hinweis darauf, dass uns ja überhaupt alles
Werden und Denken unbegreiflich sei."^) Getreu seinem
Glauben an eine, .Seele- deducirt
er,
dass diese als ein „schon
bestimmtes, mit verschiedenen Kräften ausgestattetes Etwas'*
auf die Welt
kommt
— die
Willensfi-eiheit ist
nun natürlich
nur eine dieser Kräfte des so heiTlich ausgestatteten Etwas.
Das „Etwas''
der Scholastik, und
nun harmlos daraus. Wenn
bestimmtes ist, wie uns Meyer glauben
in der That recht zu bedauern, dass
die Essentia
repräsentirt
die Existentia entwickelt sich
nun diesesEtwas ein
machen
er zu
will,
seiner
Wort gewählt
Bezeichnung nicht
ein
Seele
ist
—
etwas „bestimmteres'*
einem „Etwas*' sich
gewiss für den gewöhnlichen Verstand
ist
Doch
wenig schwer.
das
ein
hat, als „Etwas*-; unter
etwas zu denken,
—
so
so ist es
Etwas
nicht das
ist
Meyer dunkel
ja unsere alte tausendjährige Freundin, die liebe
sondeni einzig und allein
entwicklung unserer
.,der
Hergang jener Kraft-
oder „wie die Seele es anfängt,
Seele--,
aus sich den Anfang einer Reihe von Wirkungen zu
Gewiss, auch uns
dunkel, und darum eben
ist dies
die Wissenschaft, diu-ch eine
leicht einige Lichtstrahlen
sorgfältige
aufzufangen
erzielen.'*'
müht
sich
Untersuchung
viel-
— aber Meyer
tröstet
nun einmal unbegreiflich wie alles Werden;
damit Punktum; an Seele und Willeusfi'eiheit wii-d aber nun
sich sofort: es ist
Es ist der alte Salto mortale vom Wissen
zum Glauben, der nun schon .Jahrhunderte hindiu'ch stets von
Neuem executii-t wh*d, anstatt dass das Wissen gerade aus
erst recht geglaubt.
den Hindernissen, die
Ki-aft schöpfen
sollte
sich
ihm
in
den
Weg
zum Weiterstreben.
*) Philosoph, Zeitfragen.
Bonn
1870, p. 205
ff.
stellen,
neue
Nui- bleibt nicht
—
warum man dann überhaupt
recht verständlich,
stand in
—
27
Unkosten
setzt,
den Ver-
erst
von der hohen Aufgabe der Wissen-
und mühselig mit dem grossesten Eifer alle
ausfüllt und wegi'äumt
auf einem Wege, der doch früher oder später in einen Abgnind endigt. Wozu der ganze Lärm, wenn uns die Willensschaft spricht,
kleineren Löcher und Unebenheiten
freiheit
am
Schluss wieder
Anstoss
zum Begi-eifenwollen
gab.
Mag
sein,
nicht begreiflich
oft
I)
zu
dass dieser oder jener Vorgang
ist
—
eben den
sie
der besonnene Forscher
auch hie nnd da (und leider noch recht
gezwungen
Er-
dieselbe imbegi-eifliche
als
fahrungsthatsache aufgetischt wu'd, als welche
dem
Urtheil
bis jetzt
noch
sowde er dasselbe verkehi't in die An-
erkennung einer Unbegi^eiflichkeit
hat Vei-stand
als solcher,
und Wissenschaft ein Ende. Wü' müssen also an unserer
Forderung festhalten: Widerspnichslosigkeit der Deduction
und Möglichkeit, die Thatsachen der Willensäusserungen ohne
Rest begreiflich zu machen.
Beiden Ansprüchen
ist
Schopenhauer
gerecht
nicht
geworden.
Gerade unser Philosoph
bekanntlich ein Todfeind
ist
Schelling - Hegel'schen Richtung in der Philosophie,
welche sich für ihre geistreichen und blendenden Speculatiouen
auf eine intuitive Vernunfterkenntniss bemht die nicht um-
jener
.
in
dem Vermögen
abstracien, disciirsiven Denkens bestehen,
sondern gewisse Vemunftideen (wozu leider Kant selbst mit
seinen Ideen der praktischen Veniunft den Anstoss gegeben)
gleichsam als ideae innatae enthalten
nun
so als
Vorkämpfer eines nüchtenien
soll.
,
Wenn
wii-
ihn
stets auf die Basis
des Realen zurückgehenden Denkens energisch Front
machen
sehen gegen jene Wortphilosophie, bei der nur zu oft das Wort
den Begiiff vertreten muss. so sollte man erwarten, ihn selbst
von diesem Fehler
frei
zu finden.
Wir werden
indess sogleich
erfahren, dass auch hier der scharfe Kritiker
dem eigenen
System gegenüber Messer und Sonde anzuwenden
hat.
Dem
Hauptvorwurf
in dieser
vei-ges-sen
Hinsicht unterliegt Scho-
penhauer überall da. wo er über Kant hiuausgehend das von
Diesem in weiser Beschränkung unerkennbar gelassene Ding
—
—
28
an sich uns als Willen nachzuweisen sucht, kurz in seiner
ganzen Lelu-e von der
intelligiblen
Welt
und den Ideen.
Sehen wir uns zunächst nach der Quelle um, aus welcher
uns die Erkenntuiss von jeuer über der gewöhnlichen sinnlichen Erfahrung liegenden
wir denn,
bekannt
dass
erfahrnen
uns
nui'
Eaum und Causalitätsgesetz.
In der Abhandlung
Wurzel des Satzes vom zureichenden
vierfache
die
Da
wii'd.
Vorstellung
als
durch die Sinne und die apriorischen Verstandes-
wii*d
formen Zeit,
über
Welt zu Theil
ganze Welt
die
Grunde wird mit scharfer Polemik jeder Versuch abgewiesen
das Causalitätsgesetz aus seiner subjectiven Sphäre in eine
Geltung auch
einzig
und
als
allein:
Objecte
realen
welche
1) für die
für
die
stets
in
2)
doch
oder die Vernunft,
des Subjecfs,
das Ding an sich zu versetzen;
füi-
Welt der Vorstellung oder die
Welt der abstracten Begriffe,
Anschauungen wurzeln müssen,
'3) füi" die
Raum und
apriorischen Erkenntnissformen
Zeit und endlich 4)
füi'
das indi\iduell
—
dagegen nicht
bestimmte Subject des jedesmaligen Wolleus
für
es gilt
das Wollen überhaupt oder den AVillen abgesehen von
seiner Objectivatiou, das
Ding an
Nun
sich.
ist
eigenen Angabe das Causalitätsgesetz die einzige
Erkenntniss
;
nach seiner
Form
aller
seine allgemeine Definition desselben behauptet
kurzweg „dass ohne diese der Form nach a priori bestimmbare Verbindung nichts für sich Bestehendes und Unabhänauch nichts Einzelnes und Abgerissenes, Object für uns
giges,
werden kann",
dass es ausserhalb unserer Erkenntniss
d. h.
Fällt also das
liegt.*)
salitätsgesetz,
so ist
Ding an
offenbar,
sich nicht
das es
nie
unter das Cau-
Object für
uns
werden kann. Hier war Kant stehen geblieben und hatte
das Ding an sich ohne alle Bestimmung gelassen. Trotzdem
sehen wir Schopenhauer weiter gehen und uns das Ding an
sich plötzlich als alten
AVie
ist
guten Bekannten im Willen präsentiren.
das möglich? Seine Abhandlung über das metaphysishe
Bedürfniss des Menschen"
Indem
er aus der
*)
**)
^"=0
giebt uns
darüber Aufschluss.
„Verwunderung über das Dasein
Op. omn. vol.
Op. omn. Tol.
I,
§ 16 p. 27.
m,
cap. 17 p. 175
ff.
203
ff.
selbst,"
—
zu welchem der
dem
—
29
einseitigen Dienst der Motivation
des
Willens sich entziehende Intellect bei der Betrachtung des
Leidens, Uebels, Todes
etc.
Menschen
als
des
dürfniss
gelangt, das metaphysische Beberechtigt
folgert
und dessen
Existenz durch die Religions- und Philosophie - Systeme aller
Zeiten belegt, findet er für die Befriedigung dieses Bedürfnisses
und
die Möglichkeit einer über die
Erfahrung hinausgehenden
Erkenntniss als Quell und Fundament
sein, in
in
seiner
—
das Selbstbewusst-
Eigenschaft als ein sich seiner unmittelbar
innerer Erfahrung
Er
bewusster Wille.
unterscheidet
danach jedenfalls die durch das Causalitätsgesetz vermittelte
Erfahrung streng von einer andern unmittelbaren, die man
nnt einem allerdings nicht ganz passenden
„intuitive
Namen
vielleicht
Erfahrung" nennen könnte; nennt er doch selbst
im Gegensatz zu Kaut die Metaphysik eine Erfahrungswissenschaft, und ein Wissen, das einerseits geschöpft ist aus der
Anschauung der äusseren Welt, andererseits aus dem Selbstbewusstsein. ') Dass aber im Selbstbewusstsein sich das
Selbst gerade als Wille und als Ding an sich erkennt, erhält
seine Bestätigung dm-ch die nur durch
zielte Möglichkeit, die
Welt und
alles
diese Aufiassung er-
Werden
so, als
Ob-
jectivation des AVillens, zu verstehen.
nun auf diese unmittelbare Eikenntniss im
Selbstbewusstsein näher eingehen denn eine sachliche WiderWii* müssen
;
legung der Ansicht unseres Philosophen über die Freiheit
des Willens
ist
unmöglich, ehe wir nicht einmal die speculative
Basis des Willens als Ding an sich zerstört haben, und ferner
die intelligible W^elt,
der
Erscheinungswelt
das schliessliche receptaculum der aus
verjagten
Freiheit,
als
Täuschung
nachgewiesen.
Jene im Selbstbewusstsein gegebene unmittelbare Erkenntniss
ist
nämlich
nach den eigenen Principien
Schopenhauers
erstens: nicht möglich,
zweitens
:
ist das,
*) a. a.
was uns Schopenhauer
0. p. 201.
als solcJie darbietet,
~
—
30
nicht „unmittelbare Erkenntniss", sondern Abstraction, gehört
also in das Gebiet der Vernunft
gesetz,
und unter das Causalitäts-
und
das Selbstbewusstseiu nach seiner eigenen Be-
drittens: ist
stimmung nicht der Ort,
in
welchem
eine solche Erkenntniss
Platz haben könnte.
Schopenhauer selbst belehrt uns einmal, dass der kühne
den er mit der Entdeckung des Kant'schen Grenz-
Schritt,
sich
unserem Bewusstsein, in die Welt des Dinges an
gemacht zu haben vorgab, nur ein blendender Schein
ist.
Die Erwägung nämlich, dass ja das uns so intim Be-
begriffs in
kannte, der Wille,
um
uns,
d.
h.
sich selbst,
überhaupt in
Form bekannt zu werden, schon offenbar die
Form eines Objectes, wie man sich diese auch denken
mag, angenommen haben muss, dass wir mit einem Wort
irgend einer
nicht den Willen an sich, sondern den Willen in der in uns
selbst real
gewordenen Objectivation im Selbstbewusstseiu
finden, nöthigt
zwischen
ist
ihm folgende merkwürdige
Stelle ab *)
:
„
.
.
.
In-
wohl zu beachten, dass auch die innere Wahr-
nehmung, welche wir von unserem eigenen Willen haben, noch
keineswegs eine erschöpfende und adäquate Erkenntniss des
Dinges an sich
liefert."
Nachdem
er
dann die Nothwendigkeit
Unvollkommenheit unserer Erkenntniss dadurch nachgewiesen, dass selbst im SelbstbeAvusstsein die Form von
dieser
Subject und Object, Erkennendem und Erkanntem, lutellect
und Willen, sowie die Form der Zeit unentbehrliche Voraussetzungen sind, fährt er fort: „Dennoch hat in dieser inneren
Erkenntniss das Ding an sich seinen Schleier zwar zum
grossen Theil abgeworfen, tritt aber doch nicht ganz nackt
auf
.
.
aber dennoch
.
ist die
Wahrnehmung
,
in der wir die
Regungen und Acte des eigenen Willens erkennen,
unmittelbarer, als jede andere; sie ist
Ding an
sich
am
bei
der Punkt,
Weitem
wo das
unmittelbarsten in die Erscheinung
tritt
Nähe vom erkennenden Subject beleuchtet
daher
wird,
eben der also intim erkannte Vorgang der Ausund
in
''j
grösster
Op. oma. Vol. III. cap. 18. p. 220.
— allerer jedes anderen
zu werden einzig und allein geeignet
Die Kautische
Unerkeunbarkeit des Dinges an sich
wird also dahin modiflcirt, dass dasselbe nur nicht schlechthin und von Grund aus erkennbar ist, dass dagegen die relativ
ist."
unmittelbarste Erscheinung desselben in der alleinigen
der Zeit dasselbe bei uns vertritt.
Form
„Demzufolge", fährt er
auch nach diesem letzten und äussersten Schritt
Frage aufwerfen, was denn jener Wille, der sich in
der "Welt und als die Welt selbst darstellt, zuletzt schlechthin an sich sei? d. h. was er sei, ganz abgesehen davon,
fort,
„lässt
sich die
dass er
d. h.
sich
als
Wille darstellt oder überhaupt erscheint,
—
überhaupt erkannt wird?
Diese Frage
ist
nie zu
das Erkanntwerden selbst
schon dem Ansichsein widerspricht." Diese Stelle
scheint dem gewandten Vertheidiger Schopenhauers gegen
beantworten, weil, wie gesagt,
alle Augriffe, Julius Frauenstädt,'') nicht
gegenwärtig gewesen
zu sein, wenn er seine Bemerkung, dass ein ursprünglich
Reales zwar seine Realität nicht aus
dem Vorgestelltwerden
schöpfe, aber doch unbeschadet seiner
werden könne,
in
dem Satze
Realität vorgestellt
gipfeln lässt: „Das Ding an
sich verliert durch sein Yorgestelltwerden nicht sein Ansichsein."
Woher hat
aber Frauenstädt sein „ursprünglich Reales"?
Ein „ursprünglich
in
ii'gend
einer
Reales-', ein Sein oder Nichtsein, das nicht
Weise für uns
offenbare Kenologie.
werden kann,
ist
Was
weder
gar nichts, ja selbst der
positiv dazu;
alle Begriffe
dem Versuch,
ein
nicht
—
oder nicht
vorgestellt
,
ist, ist
eine
nicht erkannt
real, noch iiTeal, sondern einfach
Name
eines „Nichts" ist noch zu
gehen uns buchstäblich aus bei
Etwas ohne
Subject zu denken.**)
ist
alle Objectsbeziehung auf ein
Somit
ist
das eigentliche Ding au
„Unsere Zeit" Zeitschr. für Litteratur etc. V, 1869. p. 770.
vgl. a. „über den Willen in der Natur" op. IV, p^ 12. „Wir
sehen von unserem realistischen, äusseren, das Objective, die Naturwesen,
als das schlechthin Gegebene nehmenden Standpunkt aus, was der Intellect
seinem Zweck und Ursprung nach ist und zu welcher Klasse von Phänomenen
er gehört: daraus erkennen wir, (iusufeni a priori) dass er auf blosse Erscheinungen beschränkt sein muss, und das«, was in ihm sich darstellt,
immer nur ein hauptsächlich subjcctiv Bedingtes, also ein muiidus phaenomenon sein kann .... nie aber eiu Erkennen der Dinge nach dem, was
sie an sich sein und wie sie an sich zusammenhängen mögen."
*) in
**)
Man
—
—
—
32
der überhaupt nicht objectivirte Wille, uns richtig wieder
sich,
raüssten, um endlich zu ihm zu kommen,
Formen des Bewusstseins anderer Dinge, um
kurzen Ausdruck zu gebrauchen, inclusive der Form
und wir
entschlüpft,
nicht nur die
diesen
der Zeit, sondern sogar die des Selbstbewusstseins, das reine
Von einem „unmittelbaren Be-
Objectsverhältniss, abziehen.
wusst werden des Dinges an sich als Wille kann also keine
Eede
sein
;
sehen wir nun einmal zu, was uns denn eigentlich
Schopenhauer unter diesem Titel vorsetzt, und damit kommen
wir zu unserem zweiten Vorwurf.
So sehr sich der Schöpfer des ersten Systems des Pessimismus eben im Interesse desselben gelegentlich davor ver-
man in seinem alles schaffenden und beherrschenden Naturwillen eine blosse Abstraction sehe, so sehr er insbesondere seine von Piaton übernommenen Ideen im dritten
wahrt, dass
Theil der „Welt als Wille und Vorstellung"
schick zu schützen versucht, dass
man
gegen das Ge-
in ihnen
nur Vernunft-
Abstractionen, nicht reale Grössen zu erblicken vermeine, so
wenig kann man ihn von dem Vorwurf freisprechen, die subjectiven
Formen
Eealitäten
tive
haben.
discursiven
seinem
Dasjenige,
was
Denkens unberechtigt als objeczu Grunde gelegt zu
Welts5^stem
er uns als Inhalt jenes unmittelbaren
Bewusstseins vom Ding an sich bietet,
That nichts
als
eine seinen
entsprechende Abstraction.
ist
nämlich in der
Voraussetzungen nicht einmal
—
Im Chemismus und
in
der
Mechanik, im Leben der Pflanze und des Thieres fand Scho-
penhauer ein aller Bewegung und allem Leben zu Grunde
liegendes
jener
X; und
sein Hauptverdienst ist es,
geheimnissvollen Kraft,
die
bald im
die Identität
anorganischen
Leben auf Ursache, bald im vegetativen auf Reize, bald im
animalen auf Motive hervortritt, durch seine kühne Hypothese
auf das Nachdrücklichste hervorgehoben zu haben
denn es
ist in der That nicht einzusehen,
warum man diesen drei
;
Unbegreiflichkeiten gegenüber, die sich doch schliesslich auf
die Unbegreiflichkeit einer
drei
Namen, den
Veränderung überhaupt
einer mechanischen,
benskraft, in Anspruch
nehmen
sollte.
reducii^en,
organischen und Le-
Die ganze angebliche
—
—
33
intime Bekanntschaft aber mit dieser Kraft,
ist
sicli,
wegung
ist mittelst
dem Ding an
aus der Tliatsache vorhandener Be-
eine Illusion;
des Causalitätsgesetzes nur der Begriff
Bewegenden, einer Kraft, oder wie man es nennen
abstrahirt; nur das ,,Dass," nicht das „Wie" seines
Vorhandenseins wird von der Vernunft behauptet. Nun aber
eines
wolle,
Schopenhauer einen
legt
gerade mit
dem Namen
grossen
des
,.
Werth
darauf,
dieses
Willens-' zu bezeichnen.
X
Ueber
seine Berechtigung dazu streiten auf der einen Seite Trende-
Haym,
lenburg *) und
**) auf der anderen Frauenstädt (a.a.
Unserer Meinung nach
0.).
mehr, als ein Wortstreit.
ist die
Controverse nicht viel
Trendelenbuig will das Identische
den Bewegungen auf Ursachen, Eeize und Motive mit dem Namen der
untersten („Kraft"), Schopenhauer mit dem der obersten
Stufe bezeichnen; der Vorgang ist aber sachlich bei beiden
Ziehe ich von den mir bekannten Naturkräften die
derselbe.
verschiedne Art ihrer AVii'kung, das „Wie," die ausschliessliche Bewegung unter dem Princip gleicher Gegenwirkung,
in
den drei Objectivationsstufen Schopenhauer's,
Gravitation, Cohäsion, chemische Verwandtschaft
so erhalte ich
der
Bewegung
nämlich den
diese
genau
,
das,
abstracte
in
ein
der aber durch
durchaus uuanschauliches
Ganz ebenso indess gewinne ich
Fallenlassen aller Bestimmungen des indi-
Nebelbild verflüchtigt
durch successives
w. ab,
,
Begriff" einer Kraft,
Fassung
s,
was auch den beiden andern Arten
zu Grunde liegt,
auf Reize und auf Motive
nackten
u.
ist.
viduellen Willens, als: Bedingtheit durch die Erkenntniss u.a.
denselben farblosen Rest,
den
ich mit demselben
Recht
als
,.Kraft im allgemeinen Sinn" der ursächlich bedingten Natur-
der vegetativen und animalischen Lebenski-aft
überordnen kann, wie als „Willen im allgemeinen Sinn" dem
Natur- und individuellen Willen; ich erhalte zwei gleichkraft nebst
Wenn aber
werthige, d.h. gleich inhaltsleere, Begriffe. erhöhte
eine
Berechtigung,
Schopenhauer, wie zu vermuthen,
*)
**)
Logische Uutersuchuugcu.
2.
Aull. II,
Arthur Schopeuhauer, Berlin 1864.
lu7
ff.
—
X
jenes
-
34
„Willen" zu nennen, daraus herleiten wollte, dassin
dem durch Motive bestimmten Willen,
die,
Ansicht
seiner
nach, höchste Objectivatiousstufe des Willens, die uns überhaupt
bekannt sei, erreicht sei, so würde er zuerst die Frage zu be-
antworten haben, mit welchem Recht gerade diese Stufe des
vom Intellect beleuchteten Willens die höchste zu nennen sei
—
was ihm wohl schwer
gerade diese,
Grund,
würde. Denn der äussere
dem menschlichen Intellect endi-
fallen
mit
gende, Werthscala aufzustellen,
ver; im
menschlichen
ist
offenbar nur ein subjecti-
Bewusstseiu
reflectirt sich natürlich
die Willensobjectivation gerade so, dass dies Bewusstseiu sich
als
den Schlussstein des ganzen Weltgebäudes erkennt
Berechtigung
ist also
nur
relativ,
und
seine
;
ein innerer Grund, so
mr müssen fragen,
welchem Sinn überhaupt hier von Werthunterschieden die
doch davon noch später bei derBeurtbeiEede sein kann
lung der Ideenlehre. Vor allen Dingen gilt es, zu constatiren, dass die Benennung des Dinges an sich als Wille in der
That keinerlei Fortschritt in der positiven Bestimmung dieses X getroffen hat, der neue Namen giebt uns über die Art
zu classificiren, schwerlich zu finden;
ja,
in
—
seiner Wii-ksamkeit nicht
dem einfachen Grunde,
selben Werth hat, wie
den geringsten Aufschluss
—
aus
weil ein „Wille an sich" genau den-
„Kraft an sich," nämlich den
eine
einer leeren Abstraction.
Nicht ganz zutreffend
ist
ein weiterer
,
von
Haym
be-
sonders gegen das Schopenhauer'sche Ding an sich erhobener
Vorwurf, nämlich der, dass Schopenhauer neben der Erkenntnisslosigkeit
des Willens
dennoch
immanente Zweck-
eine
mässigkeit desselben behaupte und also auch hier über die
Negation hinaus positive Begriffe in das Ding an sich
führe.
Nicht ganz zutreffend, sagen
ohne jeden Grund.
So sagt
chem Schoppenhauer
„Der Wille, von wel-
redet, ist offenkundig der erkenntniss-
der Wille vor der Geburt der Vorstellungsformen, unter
lose,
der
Haym:
ein-
wiewohl auch nicht
wii',
Hand dagegen
hilft.
Der
sichtsvoller;
der menschliche,
dem
benimmt sich
stillschweigend werden ihm
„blinde Wille"
der Intellect sehen
als ein sehender, ab-
Zwecke,
und mit
— Soden Zwecken Gedanken, wir müssen wohl sagen
ungedachte
:
Gedanken, geliehen. In demselbem Athera wird uns die Zumuthung gemacht, alle Erkenntniss von ihm ausgeschlossen,
und dennoch Erkenntniss, weil Absicht, in ihm latent 7A\
denken.
diesem Widerspruch bleibt
In
Schopenhauer mit
einer bewunderungswürdig harmlosen Zuversichtlichkeit hän-
gen
;
in dieser Zuversicht
nimmt
er keinen Anstand,
an und aus
der Vorstellungsweit Hergänge zu beweisen, die abgesehen von
der Vorstellung, in
—
dem puren Willen,
keinerlei Sinn haben.''
•"•'')
Frauenstädt beruft sich diesem wuchtigen Angriff gegen-
über auf die Erscheinung des Instincts,
eines Beispiels
als
zweckmässigen Wii'kens ohne Erkenntniss, verhüllt aber dadurch die Sache uud den wahren Sinn der Schopenhauer'schen
Lehre.
„Zwecke"
nie beigelegt, sonst
hat Schopenhauer
würde
er freilich der
schen Angriffes erliegen müssen,
D.
keit."
h.
wendigkeit,
dem Naturwillen wohl
Logik des Haym'-
wohl aber „Zweckmässig-
Die Begriffe einer Absicht, eines Zwecks, Nothu.
a.
können ebensowenig dem Willen im Sinne
Schopenhauers zugeschrieben werden, wie überhaupt positive
Bestimmungen dem Ding an sich. Wenn gleichwohl eine
Zweckmässigkeit von diesem Willen behauptet wiixl, so kann
nach der von Schopenhauer selbst **) gegebenen Analj'se
von Kant's „Kritik der teleologischen Urtheilskraft" nichts
dies
anderes heissen, als dass das
an sich zwecklose Walten
des Naturwillens in unserem mit Erkenntniss und Motivation
der ZweckmäsGerade»
reflectiren kann.
au
der
Eruns
Zeit
Raumes und der
ausgestatteten Bewusstsein sich nur in
sigkeitsvorstellung
wie die Formen des
kenntniss des
Raum
-
und Zeitlosen hindern
principium agendi, oder Motivalionsgesetz,
,
so hindert das
die
Auffassung
„Unser Intellect," so
dem die Dinge von
Worte,
eigene
einer unmotivirten Zweckmässigkeit.
Schopenhauers
Aussen und mittelbar gegeben werden, der also nie das Innere
derselben, wodurch sie entstehen und bestehen, sondern blos
lauten
*)
A.
a.
O.
p.
26.
**) Kritik der Kautisclieu
PliilosopUie
,
Op.
vol 11,
p.
C31
ff.
l
—
ihre Aussenseite erkennt,
—
36
kann
den orga-
sich eine gewisse,
nischen Naturproducten eigenthümliche Beschaftenheit nicht
anders fasslich machen, als durch Analogie, indem er sie
mit den
vergleicht
von Menschen
absichtlich
Begriff von diesem bestimmt wird.
gefertigten
Zweck und den
deren Beschaffenheit durch einen
Werken,
Diese Analogie
hin-
ist
reichend die Uebereiustimmung aller ihrer Theile zum Ganzen uns fasslich zu machen und dadurch sogar den Leitfaden
zu ihrer Untersuchung abzugeben, aber keineswegs darf sie
desshalb zum wirklichen Erklärungsgruud des Ursprungs und
,
Daseins solcher Körper gemacht werden
digkeit,
sie
so zu begreifen,
ist
;
denn die Nothwen-
subjectiven Ursprungs/'
Gerade jener Instinct, den uns Frauenstädt
kenntnissloser Zweckmässigkeit entgegenhält,
—
als Beispiel erist
doch offen-
bar nur der Verlegeuheitsausdruck für ein total Unbekannals die thatsächliche Forderung des
tes, und beweist nichts
,
Bewusstseins,
alles
Leben und Geschehen
in
der
Form
der
Motivation zu denken, da hier für den bisher noch fehlenden
zm-eichendeu Grund der im Thierleben beobachteten zweckmässigen Handlungen selbst mit dem blossen Wort vorlieb
genommen wird. Ganz wie der naive Realist für seine objective,
im ewigen
Raum
gegründete Körperwelt eines raumlo-
sen „Schöpfers-^ derselben benöthigte, so fordert der feinere
zweckmässigen Weltzwecksetzenden Intellect — der Feh-
Realismus, beider Betrachtung der
organisation einen
ler
aber bleibt so grob, wie zuvor, die subjective
vidueller
Auffassung
ist
als
objective Eigenschaft
dahinterstehendes Ding an sich übertragen.
lich
Form
indi-
auf ein
Macht nun
wii'k-
Schopenhauer, trotz seiner scharfen Zurückweisung jedes
phj'siko-teleologischen Gottesbeweises,
aus dieser auch von
uns anerkannten Zweckmässigkeit eine Bestimmung des Willens als Ding an sich, so ist er von dem obigen Fehler nicht
ganz freizusprechen, wiewohl vielleicht nur sein Ausdruck ein
schiefer
ist.
Die schlimmen Folgen davon aber zeigen sich
der dem zweckmässi-
schon in Frauenstädt's Ausführungen,
gen Natui'willen sogar „eine ganz andersartige, höhere, weisere,
dui'chdringeudere Erkenntniss, als die uns allein bekannte des
;
—
37
—
animalischen Intellects (Gehirn)'-' beizulegen nicht Bedenken
ein Verfahren, wobei, wie in dem ..Unbewussten'-
trägt,
E,
Hartmann's,
oft enbar die
Negation
alles Bekannten wieder
Bedingung heraufgeschraubt wird.
Die Thatsachen einer anschemend erkenntnisslosen ZweckV.
zum Eauge
einer positiven
mässigkeit, wie sie uns in den organischen Bildungen, der
Corporisation,
u.
im Instinct, in den Kunsttrieben der Thiere
A. entgegentreten
nur
soll
man
,
sind deshalb keineswegs zu leugnen
nicht glauben, wirklich etwas
deutlicher ge-
macht zu haben, wenn man zur Erklärung der Angemessenheit der organischen Bildungen für ihi'e Zwecke mit Schopenhauer das Paradoxon aufstellt*): eine Endursache sei ein
Motiv, welches auf ein Wesen wirke von dem es nicht erkannt werde, während doch für uns im Motiv Erkanntwerden
und Wirken eins sind, oder wenn man an Stelle der „erkenntnisslosen Zweckmässigkeit" „Instinct" oder Wirkung des
Unbewussten" setzt. Für uns ist freilich die Erklärung aus
Endursachen oder Zwecken die vollkommenere; sie kann aber
immer nur in sehi' beschränktem Maass, nämlich in der Erklärung der Handlungen menschlicher oder überhaupt intellectbegabter Wesen auf Wahrscheinlichkeit Anspruch erheben,
während wii* in der anorganischen und vegetativen Natur
,
,.
last ausschliesslich auf die
Schlimmer aber,
sind.
kommene Erklärung aus
als
wirkenden Ursachen angewiesen
wenn auch nicht ganz voll-
eine,
diesen, die sich doch auf den breiten
Boden des Experiments stützen kann,
ist
eine
mehr oder
weniger willkürliche, welche durch eine dem menschlichen
Handeln analoge Zweckunterschiebung es unternimmt, die
Räthsel der Natur nicht sowohl zu erklären, als geistreich
zu umschreiben.
Aber
freilich,
wie blendend
ist
es nicht,
z. B. Frauenstädt unsere Unwissenheit über die Art
des Wirkens jenes Naturwillens hypostasirt mit dem pomp-
wenn
haften
Namen
Die Sache
„immanenten Zweckmässigkeit an sich!"
Alles was ist trägt eben in
viel einfacher.
einer
liegt
,
seinem Sein die Assecuianz. wenn ich
*)
Op. omu.
vol. 111,
c.
26
p.
378,
so
sagen
soll,
auf
—
38
—
;zweckmässig ist, was e x i s t i r t
zweckmässig. Natürlic h ist dabei
Zweckmässigkeit bei sich
und was existirt,
ist
Voraussetzung, was wohl heut nach
dem aUmähligen Schwinden
zum
des empörenden Märchens, welches die ganze Welt nur
Nutzen und Vergnügen des Menschen geschaifen sein
zugestanden gelten kann, dass jedes Wesen, es
als
lässt,
sei
in
unsern Augen so niedrig, wie es wolle, Selbstzweck ist. Ohne
dass man sich, etwa nach Art des Empedokles, auf mj^stische
Speculationen über mögliche Weltbildungsversuche einzulassen
braucht, kann
man doch
soviel
behaupten,
Sein, oder doch das Bestehenbleiben
was
sich nachher in
die
,
unserem Intellect
dass eben das
Probe
für das,
ist
Zweckmässigkeit
als
ist ein für alle Mal
Wurzel abgeschnitten mit der einfachen und täglich für
den aufmerksamen Beobachter der Natur bestätigten Bemerkung, dass die „naturgemässe'* oder „zweckmässige" Entwicklung ein Specialfall unter Tausenden von Missbildungen,
die fast im Augenblick ihres Entstehens auch wieder vergehen, die seltene Ausnahme von der allgemeinen Regel, ist;
der Blick, welcher die kolossale Verschwendung, die die Natur
Aller anthropomorphen Teleologie
reflectirt.
die
mit Lebenskeimen und Individuen treibt, übersieht, müsste
nach Maassgabe
unseres Intellects
nicht Zweckmässigkeit,
„Wenn
sondern totale Unzweckmässigkeit constatiren.
überhaupt''
soll,
wenn
strahl
sagt
Schopenhauer einmal,
es
Welt geben
„eine
ihre Planeten wenigstens so lange, wie der Licht-
um
eines entlegenen Fixsterns braucht,
zu ihnen zu
gelangen, bestehen und nicht, wie Lessing's Sohn, gleich nach
— so
der Geburt wieder abfahren sollen
nicht so ungeschickt gezimmert sein, dass
durfte
sie
freilich
schon das Grund-
Die von dem landläufigen Optimismus so gepriesene Zweckmässigkeit geht also auch nach
Schopenhauer nur gerade bis zum Bestehenkönnen; eine obgerüst den Einsturz drohte. '^
jective
Bestimmung des Dinges an
aber abzugeben,
derThat
ist
auch
sie nicht
also völlig leer, dies
sich
oder Naturwillens
im Stande.
Ding an
sich,
Es
bleibt in
eineAbstraction,
der allgemeinste und Grenzbegriff des menschlichen Denkens,
und
ebenso
arm, wie es an positiven Bestimmungen
ist,
—
ebenso reich
es an
ist
Unzeitlichkeit
,
—
39
Bezeichnnng-en
Umäumlichkeit
negativer Art.
wie
Selbst Franenstädt
etc.
ist
genötbigt, die „Relativität" des Begriffes der Unzeitlichkeit
anzuerkennen
—
des
Unzeitlichkeit
Seins"',
,.
das beisst aber weiter nichts, als .^Freiheit
des Willensactes"',
„Ursubject"
(nachdem Schopenhauer den Satz: kein Subject ohne Object
und vice versa
selbst so energisch betont hat) sind rein
—
—
negative Grenzbegriffe unseres Denkens.
Sprache derartige Worte
;
Freilich bildet die
aber der Denker, der einen posi-
tiven Inhalt damit zu verbinden strebt, gleicht, wie Fr. A.
Lange*) einmal treffend sagt, dem Fisch, der zwar nur im
Wasser schwimmen, aber doch auch mit dem Kopf an die
Glaswände seines Gefängnisses stossen kann; so vermögen
auch
wo
nur in den apriorischen Verstandesformen zu denken,
wii'
wh' aber aus ihnen hinauswollen, da stossen wir auf diese
Was
Grenzbegriöe.
für den Fisch das
Denker das „Für uns"; das „An sich"
aller
Versuche Schopenhauers bleibt
Ding an
sich Abstraction, das
Wasser, das
ist
die Glaswand.
also,
dem
Trotz
wie wir sehen, das
namenlose unbestimmte X, und
Aveder die Bezeichnung als Wille, noch gar als zweckmässiger
Wille ohne Erkenntniss, vermag uns darüber hinwegzutäuschen.
Nun
soll
indess drittens nach Schopenhauer das Selbst-
bewnisstsein der Ort
sein;
wie
prüfen
füi'
die Erkenntniss des
wii' also seine
sie sich in
Aussagen
dem gleichnamigen Abschnitt
Man
lung über die Willensfreiheit finden.
Dinges an sich
über dies Bewusstsein,
seiner
Abhand-
hat über die Op-
Trennung des Bewusstseins
in Selbstbewusstsein und Bewusstsein anderer Dinge nicht
mit Unrecht Bedenken geäussert, so namentlich Herbart in
seiner Recension des Schopenliauer'schen S)\stems **) und ausportunität der von Seh. beliebten
fühi'licherDr. Gacquoin***),
*)
—
Geschichte des MafcrialisiiiuK,
**)
***)
Dp. omu.
cfl.
I.
«Ics
ist,
Autl. Jserlohn 1H77. Jl,
Hartenstein, vnl. XII,
Ueber die Freiheit
1873, p. 14.
indess. so richtig es
inciischl.
i>.
369
Willens.
ff.
Leipz.
Gymn.
]-.
dass
l;».
18.52.
Prog. Giessen
;
_
40
—
eine vollkommene Isolation bei der gegenseitigen Bedingtheit
der
Theüe nicht durchführbar
wieder
beide
durch
erst
winnen, so wüi'deu
wii'
ist,
und umgekehi-t, dass
contrapositio
ihren
Inhalt
ge-
uns doch diese Hülfsunterscheidung
wenn uns Schopenhauer nur deutlich
wie denn in dem Selbstbewusstsein, das nach
gefallen lassen können,
gemacht
hätte,
Angabe „dunkel
seiuer
wie ein gut geschwärztes Fern-
ist,
rohr" eine klare Erkenntniss, und nun gar die Erkenn tniss
des Willens als Ding an sich zu Stande
indess lässt er uns im Stich
kommen
kann.
Hier
denn im Selbstbewusstsein geht
nach der Angabe des sonst gegen Unbegreiflichkeiten so miss;
Wunder vor, und zwar ein
im Ich objectivirende Naturwille ist gleichzeitig Subject und Object der Erkenntniss;
erkenntnisslos, schafft er sich selbst erst das Organ, mit
trauischen Philosophen, ein
Wunder xat
'")
Isoyfiv.
Der
.
.
.
sich
welchem er sich seiner bewnsst werden soll. Er objectivii't
sich im Leib, der nichts als die unmittelbarste Erscheinungsform des Natiu'willens ist, speciell im Gehirn, so dass jede
Willensbewegung auf unbegreifliche Art sogleich Leibesaction
Nim
ist.**)
also
ist
das Bewusstsein aber Gehirufunction, selbst
auch nur Objectivation des Willens und sein Product
daher kann das Selbstbewusstsein sich offenbar nur des Erscheinungswillens
vation
als
,
der jedesmaligen individuellen Willensobjecti-
bewusst werden.
Ich
seines
Schopenhauer mittelst des „Wunders
y.ar
Gleichwohl führt
asoy/jv'^
uns als In-
halt des Selbstbewusstseins nicht nur das wollende Subject,
sondern den Willen als Ding an sich, abgesehen von seiuer
Objectivation auf. ohne den Versuch, zu erklären, auf welchem
Op. omn. vol. 111,
*)
bewusstsein**)
betont,
p.
226
u.
Herbart wendet sich
dass
häufig,
z.
wenig Leibesbewegung
mieden
c.
-wird.
Doch
19 .,Ueber den Primat des Willens im Selbst-
ü.
B.
ist,
a. a.
beim
0. auch
gegen diese Behauptung und
,.BetrügenwoUen"
die
WUlensaction so
dass diese ^äelmehr auf das Aengstlichste ver-
scheint H. hier
den Ausdruck „Leibesbewegung" zu
eng zu fassen, denn auch Nervenen-eguug und Gehiiiifuuction,
die
doch
auch beim Betrügenwolleu, wie bei jeder seelischen Thätigkeit Platz greifen,
sind „LeibesbeweguDgen^
im Sinne Schopenhauers.
—
Wege
—
41
Schranken individueller Gebundenheit überund den weiten Gesichtspunkt des über alle Erscheinung erhabenen Willens einnehmen könne. So stehen
wir am Ende wieder vor jener Anerkennung der Unbegreiflichkeit eines Vorgangs, der der Wissenschaft ein Ende
macht anstatt eines Beweises haben wir nm- die Behauptung
einer mystischen, unbegreiflichen und unmittelbaren Bekanntschaft mit dem Ding an sich vor uns.
es die
schi'eiten
;
Vielleicht aber ist das Selbstbewusstsein
,
das unserem
„metaphysischen Bedürfniss'' nicht abhelfen konnte, im Stande
uns
des
Freiheit
die
individuellen
Damit kommen wir nun auf
zu bezeugen?
Willens
die speciellere Theorie Schopen-
Die dänische wissenschaftliche Akademie hatte so
und Schopenhauer antwortet in den drei ersten
hauer's.
—
gefragt
Vierteln seiner Preisschrift mit einem entschiedenen
Nein,
und üben-ascht uns im letzten Viertel seiner Arbeit mit einem
:
ebenso entschiedenen
:
Zunächst erfahi'en wir den weite-
Ja.
reu Inhalt des Selbstbewusstseins
was
in
unbegreiflichen Actes
Leibesaction
ist.
ertheilt es keine
was
:
Urtheil
nämlich das Bewusstsein
ist,
,
„ich
nach dem jede Willensregung auch
Warum und
wie
man
aber wolle, darüber
Auskunft, sondern bleibt starrköpfig stehen
was ich will, dass will ich, und
das kann ich thun. Ein vollkommenes
auf den tautologischen Satz
ferner
;
kann thun, was ich will,"
Schopenhauer's Sprache nur die Umschreibung jenes
der „physischen Freiheit":
ich will,
:
wie Gacquoin richtig hervorhebt
das hier diesem
,
„dunkeln" Selbstbewusstsein zugeschrieben wird! Wir erfah-
dem Inhalt desselben,
Nachdem Schopenliauer an
ren aber später immer noch mehr von
eben in jenem letzten Abschnitt.
der
Hand
des Kantischen Idealismus und mittelst der Aprio-
rität des Causalitätsgesetzes der Freiheit jede
nichtet, in
nung,
aufzutreten,
intelligible
Hoffnung ver-
dem Bewusstsein anderer Dinge, oder der
Welt
—
entrückt
aus
metaphysisches Postulat.
Erschei-
er dieselbe bekanntlich in die
dem empirischen
Begriff
Die Veranlassung
wird
ein
dazu aber gibt
ihm, wie er dies auch in der Schrift „über die Grundlage der
—
Moral'"' *)
—
42
Veraut-
auerkeuut, die augebliclie Thatsaclie des
wahr," bewortlichkeitsbewusstseins.
merkt Schopenhauer, ,.dass unsere Handhmgen von einem
und Ursprimglicbkeit
Bewusstseiu der Eigeumächtig-keit
„Es
begleitet sind,
vermöge dessen
bleibt
wii' sie als
unser
Werk
erken-
nen, und Jeder mit untrüglicher Gewissheit sich als den wirklichen Thäter seiner Thaten,
Da nun
antwortlich fühlt.
und für dieselben moralisch ver-
aber die Verantwortlichkeit eine
Möglichkeit, anders gehandelt zu haben
irgend eine Weise voraussetzt,
Verantwortlichkeit
mittelbar
die Verantwortlichkeit
ist
,
so liegt
mithin Freiheit, auf
im Bewusstseiu der
auch das der Freiheit."
Also
anerkannte ßewusstseinsthatsache.
Welches Bewusstseins? In dem Bewusstseiu anderer Dinge
kann sie nicht wohl liegen, da in demselben das Ich nur als
erkennendes Subject, um so zu sagen: als Brennpunkt der
Gehiinfimction gegenüber den Objecten der Erscheinung enthalten
ist,
und kein Datum über das Ich
selbst sich vorfindet.
Also gewinnt unser Selbstbewusstsein doch noch
sich dieser
auch dies
zum Inhalt? Schopenhauer kann
Verantwortlichkeit sgefUlli
Consequenz nicht entziehen, nachdem er einmal
den verhängnissvollen Schritt gethan,
keitsbewusstsein pure anzuerkennen.
das Verautwortlich-
Nun
mehr: Verantwortlichkeit
ist
keit anders gehandelt zu
haben, mithin,
Handeln nach unserem Philosophen
tender Wille
ist,
ist
das Bewusstseiu
niu'
in
kein
Halten
der Möglich-
wenn schon
Erscheinung
tre-
der Möglichkeit, anders gewollt zu haben.
So läge also im Selbstbewusstsein, dass doch nur sagen
was
alles
ich will, das will ich,
dennoch das Bewusstsein
aber anders wollen können?
Was
ist dies
:
soll:
ich hätte
denn anders,
als
das Bewusstsein nicht der physischen, sondern der morali-
schen Freiheit? Aber
freilich, gerettet muss die Freiheit doch
werden ä tout prix und wäre es auch nur eine ..intelligible
Freiheit" auf Kosten früherer Behauptungen und der nüch-
ternen Logik.
Wir kommen auf
das Verantwortlichkeitsbe-
wusstsein noch einmal zurück; untersuchen wir jetzt einmal
*)
Op. oian,
vol. IV, §,
10. p. 175.
—
die „iiitelligible
~
43
Freiheit/'
die
imsder eigeuthümlichen
Ideenlehre unseres Philosophen näher bringen wird.
Wir rufen uns
die
Definition Schopenhauers von Frei-
danach
heit überhaupt in das Gedächtniss zurilck;
negativer Begriff,
irgend welcher
moralischer,
bedeutet nur
nämlich
Schi^anken, materieller,
ist sie ein
Abwesenheit
die
intellectueller
und
worauf er seine Einthei-
eine Unterscheidung,
lung der Freiheit in physische, intellectuelle imd moralische
Welche Art Schranken, so fragen wii',
nun durch die intelligible Freiheit negiit? Die
intelligible Welt ist die Welt des Dinges an sich; selbstverständlich können weder materielle Hindernisse des Willens,
noch intellectuelle existiren, da ja nichts in dieser Welt ist,
Freiheit gründete.
wii'd indess
noch nicht einmal einen Intellect
erzeugt hat. Moralische Hindernisse aber könnten nur in dem
Vorhandensein ii'gend welcher mit Nothwendigkeit auftretenals der grosse Urwille, der
der Motive liegen
—
doch auch die Motivation des Willens
eine Darstellung des Satzes
ist *)
vom Grunde der ja aber
Nun muss man fra,
an das Ding an sich nicht heranreicht.
gen
:
.Hat es einen Sinn, von Freiheit, also Abwesenheit aller
Schranken, zu sprechen in einem Gebiet,
nicht einmal denkbar sind
tives,
':?
Hat
wo Schranken
gar
eine Negation ohne ein posi-
das zu negiren wäre, irgend welche Bedeutung? Gewiss
Wenn nun
aber Schopenhauer auch vermuthlich selbst
zugeben würde, dass die Freiheit vom Ding an sich nur prädicii't werden könne im Hinblick auf die Erscheinungswelt,
nicht.
welche das gi'ade AViderspiel derselben sei, so lässt er
sich leider weiterhin obendrein verleiten, diesem rehi negati-
als
ven Grenzbegriff doch positiven Gehi.lt geben
einmal mit der Behauptung,
Eisregiou
in
in die
durch die Lehre
In seiner
*)
diese
der unnahbaren
in
des .,An sich" thronende Freiheit dennoch auch
einem Fall
heit aus
dass
zu wollen,
vom
Erscheinung treten könne, andererseits
intelligiblen (.'harakter.
deductiven Ableitung der intelligiblen Frei-
dem Zusammenhang
Ueber die 4fac]ie Wurzel
seines Systems,
.
.
.
etc.
die
Op. oma. Vol.
I,
er gleichp. 145.
_
berechtigt neben
inductive Erörterung
die
in
seiner Preis-
sehen wir jene intelligible Freiheit ihr recep-
schrift stellt,
und
taculuni verlassen
„Am Ende
—
44
Vorstellungswelt herabsteigen.
in die
unserer Betrachtung" *)
so sagt er,
„wird
sich
ergeben,
dass durch
dieselbe Erkenntniss (nämlich die Er-
kenntniss
vom Wesen
der Welt als Wille), indem der Wille
auf sich selbst bezieht,
sie
neinung
desselben
möglich
ist;
Ding an
kann,
eine
seiner
zukommend, nie
solchem
I'all
Aufhebung und Selbstver-
vollkommensten
so dass die Freiheit,
sich
in
in
in der
Erscheinung sich zeigen
auch in aieser hervortritt und, indem
das der Erscheinung zu Grunde liegende
sie
während
Wesen
aufhebt,
diese selbst in der Zeit noch fortdauert, einen
derspruch der
Man
Erscheinung
welche sonst als nur dem
Erscheinung
mit
sich
selbst
Wi-
hervorbringt."
denke: jene Freiheit, der contradictorische Gegensatz
der Noth wendigkeit,
das hypostatisirte Nichtsein aller Hin-
dernisse, der abstracte Grenzbegriff
—
tritt freiwillig in die
Erscheinungswelt, avo die Causalität ihr unentrinnbares Scepter
schwingt, und macht nun mit einem Schlage dieser Herrschaft
Wer sieht nicht, dass hier im Handumdrehen aus
dem negativen Begrift" eine starke positive Kraft geworden
ist!
Der mit intelligibler Freiheit begabte Wille im Reiche
ein Ende.
der Nothwendigkeit
an
—
sich
man
die
welche
,
ein in die Erscheinung tretendes
Ding
Und nun
sehe
coutradictio
in adjecto!
Ausführung dieses unvollziehbaren Gedankens! Der
im Quietismus, wie Schopenhauer
die
Krönung
seines
bezeichnet hat, sich widersprochen habende Wille
ist
Systems
offenbar
genöthigt, sich plötzlich zu theilen, denn, wir erfahren ja, die
Erscheinung dauert nichts desto Aveuiger, trotz aller Willens-
umkehr, in der Zeit fort. Wer in aller Welt, welches Ding
an sich steckt denn nun noch hinter den Willensacten des
lebenden Körpers, von den rein vegetativen Functionen an
,
bis zu
den animalischen, den Verstandes- und Vernuuftacteu,
bei einem solchen aus der „Sansara" in die
flohenen?
*)
ist
„Nirwana" Ent-
ja doch selbst der sündige Geschlechtstrieb, der
Op. Olim. vol.
II, p. yat»
if.
—
,-tärkste
-
45
Repräsentant der Bejahung des Lebens,
griüidlicheu Desavoiiirung, die
ihm der
der
trotz
sich selbst verneinende
Wille hat zu Theil v.erden lassen, noch nicht beruhigt, da
uns Schopenhauer belehrt, dass die Verneinung des
—
nicht etwa eine sofortige
—
sagen wir
WoUens
Wiedergeburt des
ganzen Menschen, sondern ein erst mit dem Leben
schlies-
sender Kampfprocess mit den noch immer starken Angriffen
des das Leben bejahenden
Willens
dieses Systems hätte seinen Autor,
Die Consequenz
*)
ist.
wenn
er wirklich etwas
von der starren Hartnäckigkeit der orientalischen Asketen
und indischen Büsser besessen hätte, unfehlbar zur Wahl des
freiwilligen Hungertodes führen müssen, den er bei seiner
die Berechtigung — oder vielmehr
— des Selbstmordes ausdrücklich von
scharfen Polemik gegen
gegen die Opportunität
allen andern Arten, bei denen die schnellere Todesart schon
ein
Element von AViilensbejahuug
,
weil Furcht vor Schmerz
enthält, unterscheidet, **) ohne indess
zu verfolgen.
den G-edanken weiter
Die erste und einzige Anstrengung der „intel-
ligibleu Freiheit," eine positive Grösse zu
Verneinung des Willens zum Leben,
werden durch
muss
die
als missluugen
bezeichnet werden.
Die Grundlage indessen, auf welcher es unserem Philosophen möglich w^ard, seine intelligible Freiheit als positive
lösse einzuschwärzen, ist seine
har acter."
lier
Lehre vom „intelligiblen
Offenbar deckt sich dieser Begriff" mit
,.platonischeu Idee"
Hauptwerk, Buch
des Menschen,
den er
gründlich erläutert hat.
III,
alle Species dieser AVeit, sie
in
dem
seinem
Wie nämlich
mögen nun der organischen oder
anorganischen Natur angehören, nur Objectivationen ein und
desselben A\'illens, des „Dinges an sich," sind, so liegt ihnen
auch allen eine besondere Gestalt der Willensobjectiviruug
als Urbild
und Vorbihl zu Grunde,
die platonische Idee der
welche in der unendlichen Reihe ihrer Individuen
von dem seiner ludinur sucoessiv ziu- Erscheinung: konnut
Species,
.
*)
Op. omu.
vol.
n,
**) Op. üiim. vol.
§.
n,
§.
Ü8
p.
Dt),
41G
p.
tt".
-17-1.
p. 402.
sich
vidiialität
in
-
46
auf Momente entäussernden Genie aber auch
Augenblicken künstlischer Extase geschaut werden kann.
Die
des Willens stellt
Objectivation
sich also der
wissen-
schaftlich-nüchterneu Betrachtung stufenmässig dar, und erst
gesammte Welt der Ideen ist seine adäquate ObjectivaHomo sapiens L. " nach SchopenSo hat nun auch
die
tion.
,,
hauer eine Idee zum Urbild, hier aber geht er noch weiter.
Während
anorganische, vegetative und schlechthin ani-
die
male Natur sich mit einer Idee der Species begnügen muss,
da hier angeblich das Individuum ganz
geht,
Gattung
in der
auf-
der Mensch weniger bescheiden, sondern fordert pro
ist
Kopf auch
seine eigenthümliche Idee,
Forderung
wird
den intelligiblen Cha-
durch die im
Menschen ganz besonders hervortretende starke Individuation
Diese
rakter. *)
die sich in seiner Corporisation,
seines Gehirns,
z.
begründet
B, in der starken Furchung
in der überaus scrupulösen
Befriedigung des Geschlechtstriebes **)
Auswahl
u. a.
in
ausspricht.
der
—
Abgesehen nun von den neueren Untersuchungen, die den
Glauben an eine unfehlbare abgeschlossene Species, welcher
die Voraussetzung der Ideenlehre ist, sehr erschüttert haben,
abgesehen auch ferner von der Erwägung,
duelle scharfe Bestimmtheit naturgemäss
wieder
am Menschen
völlig deutlich
wir nicht berechtigt sind,
dass
die
indivi-
dem Menschen nur
werden kann, und dass
den übrigen Naturwesen, die wir
mit speciesfremden (wenn der Ausdruck
erlaubt ist)
Augen
ansehen, jene strenge Individuation schlankweg abzusprechen
—
so unterliegt doch überhaupt die
ganze Ideenlehre Scho-
penhauer's einem schwerwiegenden Bedenken.
auch
einmal jenes
Geben wir ihm
unmittelbare Bewusstwerden des eignen
Willens als Ding an sich und den darauf gebauten Analogieschluss,
dass
das
Wesen
erscheinenden
aller
Objecte
in
Willen besteht, zu, so fragt sich doch sehr, ob wir mit der
Aufstellung
*)
"*)
liebe.
von Ideen nicht schon über die Bewusstseins-
Op, omn.
vol. II, §. 26. p.
Op. omn. vol. III,
e.
156
ff.
44. über
die
Metaphysik der Geschlechts-
-
47
—
thatsache hinausgegangen sind nnd die Erkenntnissformen der
Erscheinungswelt fälschlich auf das Ding an sich angewandt
Denn wie
haben.
hören
sollen. *).
sollen
Da
denkbar machen?
wir uns die Stufenfolge der Ideen
die Ideen
der intelligiblen Welt ange-
eine zeitliche oder räumliche selbst-
so ist
Wenn
verständlich ausgeschlossen.
aber Schopenhauer
wii'
häufig die anorganische Natur als ..niediigste Objectivation"
bezeichnen hören, so kann
man
nicht gut an etwas anderes
denken, als an eine Stufenfolge des Eauges oder der subjecti-
Dass aber dieser durchaus subjective
und variable Factor unmöglich in die intelligible Welt hineingetragen werden kann, ist theils schon erwähnt, theils wii'd
ven Werthschätzung.
es weiter unten
liegen.
Nun
noch einer ausfükrlicheren Erörterung untereinmal der Wille als Ding an sich, wie in
soll
jedem individuellen menschlichen
Bewusstsein,
jeder Idee voll und ganz enthalten sein,
auch
so
während
in
die jedes-
malige Gestalt von Individuum oder Species nur der Erschei-
—
und doch objectiund seinem Wesen adäquat
nur in der ganzen Reihe der Ideen. Welcher Welt gehören
denn nun eigentlich die Ideen an, der Erscheinungswelt, oder
nung, also unserer Vorstellung, angehört
virt sich der
Wille vollständig
Schopenhauer behauptet das Letz-
der des Dinges an sich?
Dann aber
tere.
ist
durchaus nicht einzusehen, woher eine
welche nur durch das principium individuatiouis,
Raum und Zeit, möglich wiid, eine Bestimmtheit, überhaupt
eine Abgrenzung der Ideen von einander möglich werden
Vielheit, als
sollte.
Entweder
der ganze Wille
ist
—
und dann
selben ohne allen praktischen
nung, und musste dann
-
oder endlich
sie ist
in
ist sie als ein
Werth
scharfe
—
Raum und
oder sie
Zeit
ist
sich,
des-
Erschei-
nachweisbar sein
Abstraction der Vernunft; dies aber
weist Schopenhauer entschieden
uemachte
Ding an
Synonymon
die Idee allemal das ganze
zui'ück durch
die
von ihm
Unterscheidung**) des Vernunftbegriffs,
welcher auf der Anschauung der Vor^stellungswelt ruhe, und
)
Op.
oiu.
vol. III, c.
29.
1».
410. 417.
*•; Op. yuai. Vol. ii, §. 49; vgl. a. 111,
c.
29. p. 418.
—
—
48
der Idee, welche höchstens,
g-leichsam
Gnadengeschenk
als
aber auch nur auf Augenblicke höchster Selbst-
der Natiu\
dem Genie
entäusserung
die uns Schopenliauer
Die eigene Definition,
sichtbar wird.
von der Idee gibt, nämlich:
,,eine
an-
bestimmte und feste Stufe der Objectivation des
scliauliche,
Willens, sofern er Ding an sich ist" enthält in der Forderung
der Anschaulichkeit, der Bestimmtheit, und der Bezeichnung
als Stufe
Zusatz:
Elemente aus der Erscheinungswelt, die mit dem
,.sofern er Ding an sich ist" aufs Schärfste con-
trastiren.
Von diesem Vorwurf wird denn nun zunächst auch unser
Charakter" getroffen wir müssen ihn uns indess
näher ansehen. Er ist also der xqojtotvjcoz
noch
auch sonst
einer unendlichen Reihe von exrvjtoi, die von ihm nach Mass„intelligibler
;
gabe der Verhältnisse möglich sind; und jeder in der Succesder Acte eines Lebens sich darstellende empiiische
sion
Charakter
ist
Charakters.
keit,
nur der Abdruck eines
Dieser nun
mithin der Freiheit, sein
solchen intelligiblen
der Träger der Verantwortlich-
soll
;
denn diese
nicht oft genug betonen kann, aus
in das ,.Esse". das Sein, gewiesen.
wie Schopenhauer
ist,
dem „Operari", dem Thuu.
Das Verantwortlichkeits-
bewusstsein sagt also jetzt nicht mehr: ich
handeln
können, sondern: ich hätte anders sein können;
die Schuld, wie das Verdienst, liegt nur
die
eignen Worte unseres Philosophen.)
im Sein (ich brauche
Hatten wir vor-
—
hin schon den Ort für dies Bewusstsein,
in
Schopenhauers
Sj'stem wenigstens, nicht finden können, so müssen
Der Wille sagt
seinen Inhalt verurtheilen.
in
wusstsein zu sich selbst: ich hätte anders sein,
wollen
anders
hätte
können.
Anders
—
als?
wii' hier
diesem Bed.
h.
Nun doch wohl
anders
als
die
Erfahrung mir im empirischen Charakter das Bild meines
Wie ist denn nun aber der
intelligiblen Charakters zeigt.
iutelligible
Charakter?
Wenn
Verantwortlichkeit haben
sittlich
oder unsittlich!
Wie
sittlich
und
in
hinein?
Was
unsittlich
ist
ich jenes
soll,
denn dann
s.
g.
Bewusstsein der
doch wohl gut oder schlecht,
aber, reichen denn die Begriffe
die
Sphäre
des Dinges au
sich
ihr realer Gehalt? Wii' denken,
—
—
49
eine philosophische Ethik müsste sich zu allererst die Frage
vorlegen:
giebt es überliaiipt
„An
ein
sich Sittliches
Unsittliches", giebt es schlechthin allgemeine
oder
und uothwendige
moralische Werthe, die mit derselben Consequenz, wie ein
Naturgesetz,
jeden
Menschen
ohne
Ausnahme mit
ihi-em
kategorischen Imperativ verpflichten ? Schopenhauer hat selbst
mit gewohnter scharfer Ki'itik den Anspruch Kaut's auf die
Apriorität
seines
kategorischen Imperativ's zurückgewiesen,
und denselben als einen h3'pothetischen enthüllt"^), hier aber
übernimmt er mit naiver Harmlosigkeit die landläufigen
Schulbegriffe sittlich und unsittlich in seinen Moralcodex.**;
Obendrein ist ihm damit gar nicht geholfen, denn auch jetzt
würde Schopenhauers Wille im intelligiblen Charakter wieder
vor dem Schwarz und Weiss, vor Sittlich und Unsittlich
stehen und wählen müssen, wenn er später das Bewusstsein
der Verantwortlichkeit haben soll, und. da die libertas aequilibrii von unsern Philosophen endgültig beseitigt ist, wieder
in irgend einer Weise motivh"t, d. h. für das Sittliche oder
Unsittliche von Natur disponirt sein müssen.
Die ganze
Schwierigkeit,
entgehen
wir
der
wollten,
ist
von Neuem
man
wieder in der intelligiblen Welt auferstanden, und
vergeblich nach
Charakter
so,
dem Grund, weshalb
fragt
dieser intelligible
jener so objectivirt habe; kurz die intelligible
grundlose Freiheit
Zudem
schlagen.
sich
ist
ist
in
die
den schönsten Fatalismus
umge-
Voraussetzung eines Verantwort-
lichkeitsbewusstseins abhängig von der Identität des indivi-
duellen Willens mit
dem
intelligiblen Charakterwilleu.
Verantwortlichkeit die
Mit
Bedingung für jede Art der
Identität des Angeklagten mit dem
Recht fordert Liebmann***)
als
Thäter, und vermisst diese bei Schopenhauer, weil der Tiiäter.
der intelligible Charakterwille, nicht gleich
*)
vgl
a.
Op. omn.
§ 22
p.
**) Op.
***)
vol. IV,
264
,.über die
Grund la,t;c aer
omu.
p.
:»i"rai.
«;
i.
|i.
i.'Htj.
ff.
vol. IV, a. a. O.
p.
11(3.
„Ueber dcu iudividuellcu Beweis
Stnttgart 186G.
dem Angeklagten,
7ü S.
für
die Irciiieit
duij
Willeus.-
—
dem
individuellen Willen,
gen sagt,
—
50
Das, wasFrauenstädt*) dage-
sei.
nicht geeignet, uns zu einem milderen Urtlieil
ist
Gewiss enthält, worauf er besonderen Werth
zu legen scheint, die im Esse liegende Verantwortlichkeit
implicite auch die für das Operari, denn dies ist nur die in
zu stimmen.
der Zeit sich auseinanderlegende Gestalt des Esse, da aber
Frauenstädt selbst zugesteht, „dass ein Standpunkt, der das
Indi\aduum ganz und gar nur für ein Product von ausserhalb
seiner liegenden Ursachen hält, diese Freiheit leugnen müsse,"
so musste er uns zeigen, inwiefern der individuelle Wille bei
der Genesis des intelligibleu Charakters betheiligt
ist,
denn
eben die einfache Behauptung der Identität jedes Ich's mit
dem
Naturwillen,
dem Ding an
läufig erörtert, nicht
sich,
wie wir oben weit-
ist,
Dem
probehaltig.
Satz,
den Schopen-
hauer bei seiner Leugnung der Freiheit in der Erscheinungswelt, aufstellt:
„was geschehen
ist,
hätte nicht anders geschehen
können," müssen wir den andern entgegenhalten: was
hätte nicht anders sein können
„hätte" führt uns auf die
welcher es anders sein konnte, d
einem Motiv
;
h.
nach einer Ursache oder
mit der Frage nach diesem
ist
aber die Freilieit
verdrängt.
—
wollte sich
vom eignen Denkvermögen losmachen,
Schopenhauer wollte
Freiheit in die intelligible
Welt
sich
versetzte
—
zusehen, dass der Versuch fehlschlug.
Ehe wir nun nach
ist,
denn schon dies hypothetische
Frage nach der Bedingung, unter
;"
selbst
—
es
entrinnen,
als er die
war voraus-
diesen allgemeineren Betrachtungen,
welche uns die Mängel des der Lehre von der Wille asfreiheit
zu Grunde liegenden Sj^stems und die logische Undenkbarkeit
einer intelligiblen Freiheit aufgedeckt haben, zu der Beant-
wortung der Frage übergehen, ob die von Schopenhauer
selbst anerkannten Thatsachen des Bewusstsein sich durch
Leuguung
einer empirischen
und Behauptung einer
intelligiblen
dem am Eingang
unser Augenmerk kurz
Freiheit erklären lassen, müssen wir, getreu
unserer Kritik aufgestellten Prinzip,
darauf richten, aus welchem Grunde
*)
„Unsere Zeit" Leipzig 1869, V, 2
p.
wolil
686
ff.
unser sonst so
—
—
51
klarer Philosoph, der in allen Detailfragen eine musterhafte
Schärfe des Urtheils zeigt, in den
Systems dieselbe vermissen
lässt.
Prinzipit-])
fragen seines
Den Fingerzeig dazu
giebt
uns wieder sein Vertlieidiger, Frauenstädt, der allen Einwürfen
seiner
Gegner einen
trefflichen Schild entgegenzuhalten weiss,
nämlich die Uüterscheidung von Relati\ität imd Absolutheit.
"V\'enn
Abhängigkeit
Schopenhauer zwar die durchgängige
vom Wollen behauptet
des Erkenuens
—
andererseits aber ein
.
willenloses Erkennen im aesthetischen Genuss bestehen
lässt
wenn er den Willen zum Prinzip alles Geschehens
—
macht, anderei'seits aber einer Selbstverneinung des Willens
(wobei offenbar eine Art
des Willens
.
also
ein Geschehen,
sich losreisst aus der dm-chgängigen nothwendigen Bedingtheit durch sein Prinzip und sich feindlich gegen dies
kehlt.)
das
Wort
einemal
zui'
Mu
redet
1 1
er
fordert),
der apriorischen
er
die
Individuation das
einen Intellect für den
andererseits
Formen des
räum- und
die Ideen
wenn
der Erkenntniss macht (indem erst die
Vielheit der Individuen
Dasein
—
zeitlos
die
Vielheit
Intellects
schildert,
Kampf um's
erst
hinstellt
als
—
Folge
wenn
er
dann aber wiederum
bestimmten Stufenfolge der
dann erfahren wii' bei unserer Verwunderung über die Möglichkeit einer Harmonie unter solchen
Widersprüchen theils durch ihn selbst, theils dui'ch Frauen-
von
einer
anschaulichen,
Ideen spricht,
städt
.
dass
:
u.
ä.
erstens
jene Willenlosigkeit des aesthetischen
Erkennens tine relative
ist.
dass zweitens jene unbedingte
oder absolute Herrschaft des Willens über alles Geschehen
im Grunde doch nur relativ ist. dass femer die Idealität
Raum und Zeit nur eine relative ist, inso-
der Vielheit in
fern
ihr
eine
reale
Vielheit
zui'
Seite
steht,
dass endlich
auch die Raum- und Zeitlosigkeit der Ideen relativ gemeint
Wie Schädel Wir glaubten nun schon soviel erfahren
ist.
zu haben,
über das. was die Welt an sich
sei
—
aber un-
barmherzig wird uns mit der Linken wieder genommen, was
Wenn sich zwei Menschen darüber
die Rechte gegeben hatte.
Ding weiss oder schwarz sei, welchen Dank
meint man wohl, wiudeu sie dem klugen Vennittler zollen,
stritten, ob ein
4
—
der an
—
52
heranträte und sagte: „Lieben Leute, ihr irrt
sie
beide; du hast Unrecht, denn das
Ding
ist in
derThat nicht
absolut schwarz, sondern nur relativ schwarz, sofern es näm-
und auch
lich nicht weiss ist
kann
absolut weiss
Du
hast Unrecht, denn auch
ich's nicht finden,
vulgäre
I^ild,
es schildert aber vortrefflich
Realismus und Idealismus
so,
wie
sie
höchstens relativ weiss,
Man
sofern es nämlich nicht schwarz ist."
;
entweder
verzeihe uns das
den Streit zwischen
existirt die
Welt wirklich
uns in der Vielheit der Objecte erscheint, oder es
giebt nur das Ich, das in seinem Bewusstsein die ganze Welt
erzeugt und beherbergt.
die
Welt
sei
lum kommt Schopenhauer und
sagt
und Vorstellung,
nicht
real -ideal, Wille
d.
h.
absolut real und nicht absolut ideal; zwei Negationen aber
zusammengeschmiedet geben
nocii
lange keine Position; eine
solche aber hatte uns der Philosoph versprochen, da er gerade
darauf stets Werth legt, dass sein System uns nur das „Was"
„Warum" oder „Wodurch" aufzeige;
That hat er uns nur gesagt, was sie nicht ist. Macht
er auch bisweilen vom Kantischen Idealismus aus einen Anlauf, streng consequent zu werden und mit dem „theoretischen
Egoismus" der nichts als das Ich als real gelten lässt, zu
der Welt, nicht etwa ihr
in der
endigen, so verfällt er doch immer wieder durch den Ana^
logieschluss, dass alle Vorstellungen, ebenso wie die des eignen
Körpers, ebenfalls Objectivation des Dinges au sich sind, in
den krassesten Realismus. Er zieht dadurch der ganzen
Argumentation gegen die empirische Freiheit, die sich ja nui'
auf den subjectiven Ursprung der Erscheinung und auf die
Form
der Vorstellung in Zeit, Raum und CausaliBoden unter den Füssen weg, da dann in der
Behauptung aufgestellt werden könnte, so ungeheuer-
subjective
tät stützt, den
That
die
lich sie
Welt
auf den ersten Blick auch aussieht, dass in der realen
eine
unbedingte Freiheit herrschte, von der wir nur
Kunde haben, weil unser Verstand nur Nothwendigkeitsbeziehungen aufzufassen fähig ist. Seine wohlw^ollende Betrachtung*) des Spiritismus Geistersehens
uud
deshalb keine
,
*)
Op. oma. vol. V, „Parerga"
p.
241
ff.
,
—
aller
Art von Magie
lässt
Gedanken
diesen
Hier
weit abliegend erscheinen.
ganzen Lebensanschauung
—
53
ist
als
nicht gar
der Grundfehler seiner
dieser nicht überwundene, sondern
;
nur verschleierte Widerspruch zog mit magischer Kraft alle
anderen Halbheiten und Widersprüche nach sich. Und es ist
derselbe Streitpunkt,
in das Kantische
der heute noch die Philosophie theils
Lager,
theils
in
den naiven Realismus der
materialistischen Naturphilosophie hineintreibt. --
Wir wenden uns nun zu der Frage, ob
die
von Schopen-
hauer selbst leider unbesehen aus der schulmässigen theolo-
herübergenommenen Bewusstseinsthatsachen,
Ethik
gischen
welche bisher stets für die Freiheit des Willens angerufen
wurden, in seinem System eine Stelle finden und erklärt sind.
wieder anf das Bewusstsein der
Da stossen wir zunächst
Verantwortlichkeit,
und,
obwohl schon oben gezeigt
worden, dass für dies Bewusstsein weder Ort noch Inhalt in
dem Zusammenhang der Schopenhauer'schen Deduction
auf-
müssen wir doch hier noch einmal kurz darauf zurückkommen. Die Annahme eines fix und fertig im
zufinden
ist,
so
Menschen liegenden Verantwortlichkeitsbewusstseins
ist
eine
zweischneidige W^affe, sowohl für den Deterministen, wie für
Das einfache Gefühl „Thäter seiner
wie Schopenhauer will, kann nicht wohl
sein einziger Inhalt sein, denn von jedem nicht geradezu der
Herrschaft seines Verstandes beraubten Menschen nehmen
wir an, dass er als selbstbewusstes Ich handle und genau
den Indeterministen.
Thaten zu
sein",
Handelnde oder Gehandelthabende er selbst
ohne dass er dazu eines besonderen Verantwortlichkeitsbewusstseins bedürfte; es liegt mehr darin,
wisse, ob dieser
sei
oder nicht
sei,
was das Verantwortlichkeitsbewusstsein zur
das Gefühl einer UnHauptstütze der Sittlichkeit macht
nämlich
das,
freiheit,
einer Gebundenheit
Wenn
mich
an irgend eine
sittliche
Norm.
muss frei
nicht
Handelns
meines
Bedingtheit
bei einer
den Satz
der Indeterminist
sein, weil sonst,
dui'ch
—
allein,
Sinn mehr haben
die
Idee
würde
,
so
aufstellt: „ich
der Verantwortlichkeit keinen
mag
er wohl
die
s.
g.
mora-
—
54
—
Gebunden-
lische Freiheit des Theologen, d. h. die allgemeine
unter ein einziges und allgemeines Sittengesetz, damit
heit
schützen,
nimmer aber
die philosophische
Frage erledigen, ja
Diese weiss nichts von gutem oder bösem
auch nur anrühren.
Willen, von servum oder liberum arbitrium des Unerlösten
oder Erlösten, sie fragt ganz kalt und uninteressirt
die
wii'kt
noch ein Anderes mit?
Wille und was
aus
Bedingen
:
Motive den Willen mit eiseiner Xothwendigkeit
ist
oder
,
Mit andern Worten: was
ist
Charakter, eigene Kräfte, oder Resultanten
dem Zusammenwirken
äusserer Ursachen ?
Darüber aber
meldet uns das Verantwortlichkeit sgefühl ebensowenig etwas,
wie überhaupt Gefühle über rein empirisch zu lösende Fragen
der Wissenschaft etwas sagen.
Wenn
aber andererseits der
Determinist die Verantwortlichkeit unbekümmert in sein System
aufnimmt, so hat er in dem schon an eine sittliche
Norm
ge-
bundenen Willen sich selbst den Zugang zu einer unbefangenen
Untersuchung über das, was Willen ist, versperrt und macht
sich einer surreptio elenchi schuldig.
im Gegensatz zu Schopenhauer
Liebmann
viel richtiger
sein der Verantwortlichkeit, so wie es in der
Welt
gefasst wird,
deckte Sünden,
als
„das ßewusstseiu,
oder die
vom
definii't a. a.
0.
dass Bewusst-
That von
auch
füi'
aller
unent-
weltlichen Richter nicht ge-
werden, einstehen zu müssen und eigentlich gestraft
werden zu sollen." Da haben wir Sünde, überweltlichen Richter
(schon der Name „Verantwortung" deutet verständlich genug
straft
auf einen Fragenden,
dem Antwort zu geben
fälligkeit
und kategorisches
offenbar
einfach
Soll mit
vorausgesetzt,
was
ist,
hin)
Straf-
einem Schlage; es
sich
erst
ist
durch eine
scharfe psychologische Untersuchung als berechtigt erweisen
musste.
So hatte auch Kant, ausgehend von der angeblichen
Bewusstseinsthatsache der Vorstellung eines Sollens die Selbst-
bestimmung
als
eine
nothweudige Voraussetzung dieser Be-
die Willensfreiheit wurde ihm
Wege, obwohl unbeweisbar, ein Postulat der praktischen Vernunft,
Es ist überaus interessant, die Polemik
Schopenhauer's gegen dies Verfahi'en, aas er im Grunde genau
wusstseinsthatsache gefordert
;
auf diesem
ebenso mit Hülfe des Verantwortlichkeitsbewusstseius anstatt
;
—
—
55
der Sollvorstellung einschlug,
zu vergleichen.*)
verständliche
Annahme
eines Sollens
und einer Pflicht
Die selbst-
sittlicher Gesetze, so deducirt er, d. h.
ist
das jiqcötov tpsvöog Kant's
die Philosophie soll nur das
Gegebene, das wirklich Seiende
erklären, musste also die Prüfung der Existenz solcher sittlichen Gesetze vor allen
Dingen unternehmen.
Gesetz, für den menschlichen Willen aber,
sei
das der Causalität in der
Form
Das
einzige
das wir kennen,
der Motivation
;
ein kate-
gorisches Solleu sei ein Unding, jedes Sollen nur hypothetisch,
bedingt durch Strafe und Belohnung.
d. h.
schläge fallen seine
—
Wie Keulen-
eigenen Worte auf jenes landläufig aus
übernommene Yerantwortlichkeitsbewusstsein,
Behauptung eines
allgemeinen Sittengesetzes, eines an sich Guten und Bösen,
eines überii^dischen Gottes mit Strafe und Belohnung in der
der Theologie
eine Pandorabüchse, die in ihrem Innern die
Hand,
trägt.
Wollte Schopenhauer aber ein Yerantwortlich-
keitsbewusstsein nur nach Maassgabe der jeweiligen sittlichen
Erkeuntniss annehmen, also die Existenz allgemeiner noth-
wendiger
sittlicher
Gesetze leugnen, so verwandelt er die
Sittlichkeit in Erkeuntniss,
ein Vorwurf,
den er zAvar ge-
legentlich**) energisch zurückzuweisen bemüht ist,
dem
er
aber auch im weiteren Verlauf seines Ideenganges nicht zu
entrinnen vermag (wenn es nämlich ein Vorwurf ist, wie er
allerdings mit
dem meisten Ethikern annahm), wie wir
gleicli
Behandlung der Pteue als Bewusstseinsthatsache
sehen.
Diese nämlich ist ihm kein Affect des Willens, keine
Aenderuug des Charakters, dessen Constanz er ja im Gegenin
seiner
behauptet, sondern eine Aenderuug
theil
Wenn
also
Jean Jacques Rousseau
er selbst provocirt,
in
nach seinem Geständniss
seinem Alter von der Reue
Marion
der Erkenn tniss.
— ein Beispiel,
über
in
auf welches
den „Confessions-'
Verleumdung der
des von ihm selbst
die
in seinen Kinderjahien, die er
verübten Diebstahls ruhig bezichtigen Hess, tief und schmerzlich ergriffen wurde, so soll er erst jetzt die nöthige sittliche
*)
Op. omn.
**) Op. onui.
iiicht lehilar.
über die GnnifUa.f^e der M^ral, § 4.
„Die Tugend
IV, Gruiidl. du-r Moral, § 20.
vol. IV,
vol.
ist
n
—
—
56
Erkeuutniss von der Uusittliclikeit seiner Hxjndlungsweise gewonnen haben nud im Moment der Tliat uiclit? Das ist
allerdings schwer glaublicli
;
der Mangel au -'rkeuntuiss konnte
auch später nicht Object der Reue werden, wohl aber konnte
der später von dem damals stärksten Motiv, der Furcht vor
Strafe,
frei
gewordene Wille ungehindert dem
der Er-
in
keuutniss der ünsittlichkeit der Verleumdung liegenden Motiv
Raum geben und
die damalige falsche Handlungsweise beJa noch mehr, das ganze Grundprincip der Ethik
dauern.
Schopeuhauer's, das Mitleid,
ist
ja weiter nichts als ein Pro-
dukt der Erkenutniss*), es entspringt aus
des Schleiers der Maja-'
,
d. h.
dem
„Zerreisseu
aus der das Subject durch-
dringenden Erkenntniss von der wesentlichen Identität (wofür die
Formel im Sanskrit: „tat twam
asi*'
Erscheinungen der realen Welt.
aller
„das bist Du")
Was
bedürfen
—
Eng zusammen hängt damit
weiter Zeugniss?
hauptung der Co stanz und Augeboreuheit
die
wii-
Be-
des Cha-
Nicht der Charakter, die ein und für alle Mal ge-
rakters.
gebene Willensrichtung, wie
sie sich in
der Empirie ausein-
anderlegt, wii'd besser oder schlechter, sondern er erhält nur
mit der wachsenden Erkenntniss einen grösseren Reichthum
von Motiven, die ihn nach Maassgabe der Erziehung zu einer
immer consequenteren Entwicklung seiner wahren Beschaffeuheit treiben.
Dies führt uns auf die überaus schwankende
und unbestimmte Darstellung Schopenhauers von dem YerDas Motiv gehört natürlicli
hältniss von AVille und Motiv.
gänzlich dem „Bewusstseiu anderer Dinge" an und wirkt mit
der Xothwendigkeit des allgemeinen G-esetzes der Causalität.
Wie
auf die Ursache die Wirkung, auf den Reiz die Bewe-
gung, so folgt auf das Motiv die Handlung.
es, als
hebt,
ob
—
—
wie besonders Gacquoin
a. a.
Sonach scheint
0. treffend hervor-
der Conflict, die eigentliche Wahl, gänzlich aus
dem
Willen herausgenommen und in das Reich der Motive versetzt
ist
;
der Wille
ist
dann nur der ausführende Factor des durch
das stärkste Motiv, oder durch das Zusammenwirken mehi"erer
*)
Op. oum. vul. IV,
cx.
a.
0. §
lt>,
p. 208.
§ 22
p.
271
ff.
0/
Motive (das man sich nach Analogie des Parallelogramms der
Kräfte deutlich macheu kann) gegebenen Entschlusses; die
dem Willen genommen und an die Motive geDoch aber erfahren wir bald darauf, dass keine Ur-
Causalität ist
geben.
sache, kein Motiv ganz allein aus sich heraus
eine Wii-kmig
oder Handlung heiTorbiingt
gleichsam nnr
sondern dass
,
eine latente Kraft, den Willen, auslöst, in
r*ausalität
nicht
lich
welchem
die
Dieser anscheinende Widerspruch
liegt.
so
sie
schlimm; Schopenhauer
würde ihn
wahre
ist frei-
jedenfalls
was Gacquoin entgangen
ist,
Ueberlegung, dass ja
höherem, metaphysischen Sinn die
in
zurückweisen mit der einfachen,
Motive auch weiter nichts als Objectivationen des Willens
sind und in diesem Sinn die Causalität,
Medium der Motive,
das
seine
wahre Ansicht
ist
wenn auch
stets ihren Quell
dui'ch
im Willen habe;
offenbar die: der al'gemeine Xatur-
und eine andere Kraft ausser
bewegt
den menschlichen individuellen Willen, und zwar diesen
wille ist der allein wirkende,
ihm gibt es nicht;
er
seiner Objectivation als Motiv
in
mit Nothwendigkeit.
Verhäugnissvoll
ist
es aber für ihn, dass
den Unterschied zwischen jeder beliebigen Vorstellung und
einer Vorstellung, die zum Motiv -^ii-d, weder überhaupt geer
würdigt, noch erklärt hat.
Wie
eine Vorstellung
zum Motiv
wird, das musste gezeigt werden; und diese Untersuchung
hätte den Philosophen
dann auf den von ihm grö
ilich ver-
nachlässigten oder vielmehr ganz übergange.ien Begriff des
Interesses oder der Werthschätzung geführt.
zum Motiv werde, ist
ganz bestimmte Beziehung zum Wohl oder
liebige Vorstellung
eine
Damit
Subjects habe,
eine be-
es nöthig, dass sie
auf welches
sie
wii-ken
soll.
Wehe
(Natürlich
des
ist
Wohl und Wehe im denkbar weitesten Sinne zu nehmen,
damit man nicht hierin einen Panegyricus auf den nacktesten
hier
Egoismus erblickt!)
Fehlt diese Beziehung, was übiigens
genug eintreten wird,
von einer Wirkung auf den ^^'illen gar nicht
die Rede, nicht etwa weil hier die Nothwendigkeit des Wirkens
für eine entwickelte Erkenntniss selten
gänzlich, so ist
eines Motiv's aussetzte, sondern weil
Motiv da
ist.
überhaupt gar kein
Die Erkenntniss aber
Ist ea, die
uns immer
;
mehr
—
58
die Bezieliungen autlerer ]\Ieusclieii
eigenem Wolil und
den Nebel
Wehe
zertheilt, in
und Dinge zu unserem
aufdeckt; wie die aufgehende Sonne
welchem wir
bis dahin, ein verschwin-
dender Punkt im unendlichen Dunstmeer, allein zu sein glaubten,
und uns erst die nahestehenden Gegenstände, dann die ferneren,
endlich den unbegrenzten Horizont erblicken lässt,
so erlöst
uns der Intellect aus der Isoliihaft unseren engen Ich's und
zeigt uns in seiner steigenden Ausbildung die starken Bande,
an die Familie, dann an das Volk, die Menschund endlich an die ganze belebte und unbelebte Natui'
Je höher diese Erkenntniss, desto grösser natürlich
fesseln.
der Eeichthum an Motiven je mehr Motive, desto verwickelter
die uns erst
heit
;
und desto minder anschaulich ist der Conflict derselben; an
der Nothwendigkeit aber, mit der sowohl das einfache Einzelmotiv als das stärkste Motiv unter einer Anzahl schwächerer
wii'kt,
ändert die Erkenntniss,
Anzahl von Motiven,
nichts.
d. h.
die grössere oder geringere
dem Auftreten des
Freiheit aus dem AVillen
Ist aber mit
nothwendig wirkenden Motivs die
ausgeschlossen, so konnte noch der Versuch gemacht werden,
sie
vor dem Motiv
auftreten zu lassen als eine Freiheit des
etwa seinen Vorrath an Motiven beliebig
sammeln könnte. So versucht Drobisch*) eine derartige Freiheit in der „Möglichkeit der Ueberlegung vor dem Handeln'*
Intellects, der sich
zu finden.
Das
ist
aber eine rein formale Freiheit, die auf
derselben Linie steht, wie die
s,
„physische Freiheit"
g.
;
sie
besagt weiter nichts, als dass der Intellect, das Medium der
Motive, von allen Stömngen
sich befinden
dem
frei
und
in
normalen Zustand
muss, wenn der Wille ungestört von fremden
soll, also den
Paroxysmus Trunkenheit etc.
mit dem philosophischen Problem hat diese Freiheit ebenso
Einflüssen
wirklich stärksten Motiv folgen
Ausschluss von Wahnsinn
,
,
wenig, wie die physische Freiheit, etwas zu thun.
Obendrein
hängt jene Ueberlegung vor der Handlung ebenfalls
von dem Grade der Erkenntniss ab
;
gebildete Intellect hält hier gleichsam Musterung
*)
M'jraltttatistik
und
Wülenöfireiiieit.
z.
Th.
der besonnene und durch-
Hamburg
18G7.
über die
—
—
59
ihm zu Gebote stehende Armee von Motiven; bei dem niedigsten
Grad
sittlicher Biklung,
wo
fast
nur auf anschauliche
Motive gehandelt wird, findet diese üeberlegung nicht emmal
statt;
sie ist selbst als
Gewöhnung
das Eesultat einer
erst
verhällnissmässig hohen sittlichen Einsicht.
muss
a. a.
0.
schliesslich
zngeben
,
ursprünglicher Besitz des Menschen,
fähigung
ist,
die
um
und Uebung bedarf."
Selbst Drobisch
dass „diese Freiheit kein
sondern nur eine Be-
Fertigkeit zu werden, der Ausbildung
Von
einer Freiheit des Intellects,
^e
geeignet wäre uns den Verlust der Willensfreiheit zu ersetzen,
könnte
reden,
wenn man beweisen
könnte, dass
Entwicklung desselben ganz unabhängig von allen nicht
die
in
man nur dann
der Macht des Individuums stehenden Verhältnissen erfolge
—
eine monströse Behauptung.
Die ganze Möglichkeit einer
Erziehung, die in der versuchsweisen Zufühiung neuer Motive
an den zu bildenden Intel lect durch Aufklärung über sein
wahres Wohl und Wehe besteht, ist durch diese Auffassung
von
Vf'ille
und Motiv bedingt.
Wenn
Schopenhauer trotzdem
und Angeborenheit des Charakters
behauptet, so kann er, da wir die Pflicht haben einen solchen
Denker möglichst in meliorem partem auszulegen, angesichts
seiner Anerkennung einer successiven Entwicklung des Charakters und der Bedingtheit des Willens durch Motive nur
dies meinen: Angeboren ist der Charakter nur insofern, als
Blutdui'ch die von den Eltern überkommene Corporisation
mischung u. A., also durch physische Bestimmtheiten der Oreine
gewisse Constanz
,
ganisation,
die
eine gewisse psychische Richtung bedingt
Erblichkeit gewisser Neigungen etc.
Naturwissenschaft auch da anerkannt,
wo
wird ja
sie
ist
von
—
der
die physische
Gnmdlage dieser Erscheinung z. Z. noch nicht aufzeigen kann.
Von einer Constanz des Charakters kann man nur in demselben Sinne sprechen, in welchem man in der Statistik einen
con.stanten Praetor, der sich hier aus Maximen oder bleibenden
Motiven zusammengesetzt würde,
den
variablen
Factoren,
momentan eintretenden anschaulichen Vorstelund Lockungen bestehen würden, entgegensetzt.
die hier aus
lungen
Zu beachten
ist,
dass auch dieser coDstante Factor erst unter
dem
Eiiifluss
60
—
der Eltern, der Fainilie. des Gemeinwesens, der
geographischen und politischen Heiniathsverhältnisse, endlich
der individuellen Lebensgeschichte,
schlägt.
Wenn
allmählig
sich
nieder-
nimmt,
Schopenhauer daran Anstoss
dass
zwei Menschen, die unter den gleichen Umständen, derselben
Umgebung, Erziehung u. s. w. aufgewachsen seien, doch in
dem gleichen Fall der Wahl zwei ganz verschiedene Entschlüsse
fassen
könnten,
(hierauf gründet er nämlich
die
Lelire von der Angeborenheit des Characters), so muss ihm
zunächst aufgegeben werden, wirklich einen solchen Fall, der
mit der Genauigkeit eines chemischen
und phj^sischen Ex-
periments behandelt werden müsste, nachzuweisen;
aber, dies gelänge ihm, so
Werthbeziehuug, das, wie
zum Motiv macht,
allein
ein
liegt
wii'
gesetzt
doch in dem Element der
gesehen, die Vorstellung erst
vollkommen subjectiver Factor
vor, der
schon vollkommen genügte, die Incongruenz der beiden
Entschlüsse
schehen,
zu erklären.
Giebt
man auch,
"v\ie
oben ge-
eben erwähnten an-
die Unveränderlichkeit jener
geborenen physischen und psychischen Bestimmtheit der Organisation zu, die eben, einmal gegeben, ein unveränderliches
und unwiderrufliches Factum
ist,
so involvirt doch schon die
Aenderuug der Erkeuntniss, die ja mit Xothwendigkeit den
Willen beheiTScht, auch eine Aenderung des Willens; oder
noch schärfer:
die
ist,
Avie
der Determinismus will, der Wille nur
Executivgewalt der Erkeuntniss, so liegt die Charakter-
bestimmtheit nicht mehr im Willen, sondern in der Erkeuntniss,
und Aeuderung der Erkenutniss
des Charakters.
ist
unmittelbar Aenderung
^Yie wollte auch Schopenhauer bei der An-
nahme der Constanz des Charakters im
„katholische,
schärfsten Sinn jene
transcendentale Veränderung" eines Menschen,
der nach der Erkenntniss
vom Wesen
der
Welt
in der Selbst-
verneiuung des Willens, im Quietismus, das moralische Faoit
der pessimistischen Lehi'e seines Meisters
ohne wenigstens hier eine Ausnahme
zieht,
erklären,
in der Unveränderlich-
keit des Charaktere zu machen, wie er
es oben
zu Gunsten
der Freiheit gethan? Eine Lücke aber in der Constanz bringt
diese ganz zu Fall.
So hat unser Denker sich hier offenbar
—
61
—
nicht zu eiuer klaren und in sich conseciuenten Ansicht über
die moralischen
gewusst.
Thatsachen des Bewusstseins durclizuarbeiten
So nahe schon dem Punkte,
avo
die Ethik
dem
Gebiet des Glaubens durch ihre Anerkennung und Behandlung
Wissen entzogen werden konnte, vermochte er es
doch nicht durch eine ganz voriu'theilsfreie Untersuchung der
Thatsächlichkeit der Bewusstseinsthatsachen den Boden zu
säubern für eine Darstellung der Ethik welche ihm selbst
als
ein
als
die einzig richtige erscheint,
,
Soll
zum Gegenstand
nämlich welche nicht das
hat, sondern welche
die
moralischen
Handlungen (und doch wohl auch Begriffe) auf ihr eigentEine solche
liches psj'chologiscLes Fundament zirrückfühi't.
Untersuchung würde ihn davor bewahrt haben, seine Lehre
von der Willensfreiheit mit einem Aufwand von Kunstfertigkeit
den
Weder
angeblichen Bewusstseinsthatsachen
anzupassen.
seine Darstellung des Verantwortlicnkeitsbewusstseins,
von dem weiterhin dann der Begriff des Gewissens und der
Pflicht unmittelbar abhängen, noch des Charakters kann mit
dem behaupteten Determinismus in Einklang gebracht werden.
Es bleibt uns nun noch übrig nachdem sich uns die
positive Lehi'e Schopenhauers weder vor dem Richterstuhl
der Logik, noch vor dem Tribunal der Empirie genügend zu
,
legitimireu vermocht hat, ganz kiu-z darauf hinzuweisen, wel-
chen Fortschritt trotz alledem dieser speculative Versuch in
der Geschichte unseres bisher noch ungelösten Problem bezeichnet.
FiU's Erste mnss man, wie dies auch dieJiuy derPreisgegenüber anerkannt hat, ein wich-
schiift unseres Philosophen
tiges Resultat verzeichnen, nämlich den
nach unserer Ansicht
vollkommen gelungenen Nachweis, dass sich iniBewusstsein des
billig und geA\ öhnlich die Berufung auf dasselbe
auch ist, Data betreffs der Lösung der rein theoietisclieu
Frage weder finden, noch finden krmnen. Dasjenige, worauf
Menschen, so
sich der gewöhnliche ^lenschenverstand stets zurückzielit, das
was man wolle hat Schopenund hoffentlich auf immer aus der
Discussion über die Frage
wie kann ich wollen V die den
Bewusstsein, thun zu können
hauer
trefflich abgefertigt
:
,
,
—
Kern des philosophischen Streites bildet, verAnerkennung des Ver-
eigentlichen
Hat
bannt.
—
C^a
er auch später durch die
antwortlichkeitsbewusstseius die Freiheit dennoch wieder auf
krummen ^Yegen
in das Bewusstsein einzuschmuggeln gesucht,
so richtete sich dieser Versuch,
gelungen
ist,
wie uns hotientlich zu zeigen
Das Problem
an seinen eigenen Deductionen.
ist ein für r.llemal
dem
gefährlichen Gebiet der Selbstbeobach-
tung und den darauf gebauten Schlüssen entzogen und in die
reine Lult der Empirie versetzt; und man kann jetzt ruhig
jene leider noch so zahbeichen Weisen, die der wissenschaftlichen Deduction mit lächelndem
liches Bewusstsein
Munde
entgegensetzen,
eigenes untrüg-
ihr
ihrer stolzen Sicherheit
überlassen.
Mustergültig
ist
aber auch zweitens die Polemik Scho-
penhauers gegen das liberum arbitrium indifferentiae
den bedingungslosen Indeterminismus,
"Willens,
bequem genug,
in
der
den Zufall
das
oler
,
Wesen
Wenn
setzt.
des
auch
hier Schopenhauer wesentlich in die Fusstapfen Kant's tritt,
so gebührt
doch seiner Entwickelung der Allgemeingültigkeit
des Gesetzes der Causalität, wie es uns namentlich in
der
Abhandlung über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde vorliegt, in ihrer flüssigen Klarheit und
Ueberzeugungskraft eine ehrenvolle Stelle neben der, wenn
auch eben
gedachten,
so gründlich
Darstellung seines Altmeisters.
—
aber minder lichtvollen
„Kein Wollen
ohne Motiv"
das rauss für jede spätere Untersuchung der erste Grund-
satz sein, ganz ebenso wie der Satz:
Ursache" es
füi'
jede
fussende Wissenschaft
ganzen Motivation,
tellect
alles
„keine Wirkung ohne
experimentirende und
ist.
wie
Die
auf
sie allerdings
Erfahrung
Kenntniss
vollständige
der
nur einem idealen In-
innewohnen könnte, gibt die vollständige Kenntniss
so dass in der That ein Intellect, der mit
Male den ganzen gegenwärtigen Zustand der Welt
Handelns,
einem
auch nur einen Augenblick überschauen könnte, mit absoluter Sicherheit
aus dieser Weltform-el
alles
Geschehen
Werden der künftigen Welt zu berechnen vermöchte.
Yon Schopenhauer
selbst
seiner
intelligibleu
Freiheit
und
Diese
zum
—
63
—
Trotz behauptete Ansicht gibt zweien seiner Kiitiker, Jürgen
Bona Meyer und Gacquoin, Anstoss und
sie
bemühen
sich,
die anscheinende Strenge dieser Behauptung, nicht zum Yortheil der logischen
Consequenz, zu mildern.
mag
Hier
dage-
gen noch eine kurze Bemerkung Platz finden, da allerdings
mit dieser Behauptung die ausnahmslose und unbedingte Determination des Willens durch Motive, die wir eben als eine
Haupterrungenschaft aus der Schopenhauer'schen Untersuchung
hervorheben, steht und
wenn
—
lallt.
Gacquoin meint, dass jener
Dass " alles Geschehens und
Handelns übersehen könnte, dennoch das „Wie" desselben,
Intellect
,
er
auch das
„
das der freien künstlerischen Production anheimfällt,
entzogen bleiben müsste.
gegen
Ofienbar
ist
jenem
hier
stets
Intellect,
Voraussetzung seiner absoluten Vollkommenheit,
die
der unterscheidende Mangel unserer beschränkten Einsicht,
nämlich die Verschiedenheit des ,.Dass" und „Wie" unterge-
Für den
schoben.
Geist, der die völlige
Summe
des
„
Dass"
überschaut, kann es ein davon getrenntes „Wie" nicht mehr
geben, wenn anders jedes „Wie,"
Form,
die
d. h.
ebenfalls
zwar mit Nothwendigkeit, bedingt ist durch naFactoren. Ein Raphael konnte mit derselben inne-
bedingt, und
türJiche
ren Nothwendigkeit eben nur seine herrlichen Gestalten auf
Leinwand zaubern, mit welcher vielleicht neben ihm ein
Tüncher seine rohen Zeribilder zusammenklexte. Alles „Wie"
beruht doch im letzten Grund stets auf einem
jede Fwm
„Dass," auf thatsächlich gegebenen Verhältnissen; in und
mit dem Entstehen eines neuen Seins ist auch unweigerlich
Die zweite Ausnahseine ganz bestimmte Form gegeben.
die
,
—
-
Meyer
—
von der durchgehenden Motivation des Willens sich finden soll, führt uns
auf das nachgerade berüchtigt gewordene P^xperiment mit
dem Esel des Buridan. Nach der übereinstimmenden Meime, die
besonders nach
J. B.
nung unserer beiden Gewährsmänner
ist
dies
-
allerdings
—
ein Experiment, dass jeder Mensch sofort
cum grano salis
anstellen könne, um sich zu überzeugen, dass bei der völligen IndiÜ'erenz zwischen zwei Motiven der „freie Wille" zu
jeder Zeit eine „formelle Differenz" schaffen könne.
Schade
—
—
64
von Gacqucin noch von Meyer
nur, dass erstens uns \^ecler
ein Fall von solch' absoluter Indifferenz zwischen zwei völlig
gleichgültigen Handlungen angegeben
recht schwer
fallen dürfte
nichts nützt.
f,;r
Das von Meyer
den es gleichgültig
bleibt oder aufsteht, leidet
,
was übrigens
diese
.,for=
der Freiheit gar
angefühi'te Beispiel eines ^lensei,
ob er auf dein Stuhle sitzen
an dem Fehler, dass es nicht eine
"Wahl zwischen zwei gleichwerthigen,
tensivität motivii-endeu
—
wii^d
dass zweitens
uns für die Behauptung
nielle Differenz--
schen.
— und
mit gleicher In-
d. h.
Handlungen, sondern zwischen Nicht-
handelu und Handeln uns vorführt.
Mit dem ..klaren
und
deutlichen Bewusstsein eines Jeden" aber, „es hänge nur von
oder das Andere zu thun"
das Eine
seinem Willen ab,
Schopenhauer wenig gedient, denn er unterscheidet eben
ses ..Bewusstsein der physischen Freiheit-'
eigentlichen Problem, ob das
scharf
von
ist
die-
dem
Wollen des Einen oder des An-
deren in diesem Fall an ein Motiv gebunden sei, oder nicht.
Dass
muss Gacquoin merkwüi^direr Weise
es dies aber ist,
selbst
zugeben,
bejaht. *)
obwohl er es
„Freilich
liefert,'''
erwähnte Experiment.
,.dies
einer absoluten Freiheit,
vorhergeht.
....
gleichen Objecten
.
lut nicht
denkbar,
Experiment nicht
die Gewissheit
Entscheidung aber
zwischen zwei
zwischen zwei in gleicher Weise interes-
kann ohne Vermittlung von
tiveu geschehen."
wir ihm überlassen.
einem Athem verneint und
da immer ein Motiv der Wahl
die
Handlungen
sii'endeu
in
so äussert er sich über das vor-
'Mo-
Die Vermittlung dieser Sätze müssen
Man
prüfe sich nui' selbst; es
ist
abso-
dass ein Mensch zwischen zwei Handlun-
gen, die ihm völlig gleichwerthig sind, die eine vollziehe ohne
Motiv.
Das Zünglein der Wage, deren rechte und Unke
Schale je einen Centner tragen, bleibt ebenso unbewegt, als
wenn gar kein
Ge"^\icht
sich geltend
machte.
Der Mensch
wii'd zwar nicht, wie der Buridansche Esel, zwischen seinen
Heubündeln vei hungern, aber er wird die eine oder die andi'e
Handlung thun
nicht motivlos, sondern getrieben von dem
—
*) A. a. 0. p. 32.
—
Motiv
einfachen
allein
also
der Erkeuntniss,
dass er eine Handlung
doch zu ein und derselben Zeit nur ausführen könne,
aus dem ßewusstsein seiner natürlichen Gebundenheit
Raum
an Zeit und
—
—
65
an die Stelle
den Motivs
Das
tritt.
Namen Werth
hinaus, das dann eben
—
faute de mieux
aus innerlichen Gründen prävaliren-
eines
denn
ist
— Es
kein Handeln ohne Motiv.
wenn man auf
also wohl,
legt, eine „formelle Differenz
,'•
aber durchaus
bleibt also dabei, das libe-
rum arbitrium indifierentiae ist ein für alle Mal abgethan.
Damit hängt das dritte wichtige Resultat der Bemühungen Schopenhauers eng zusammen, nämlich die hier erreichte
scharfe
Präcision
welches lange
wiesen,
um
Fragen
Frage
heisst
des
philosophischen
eigentlich
Zeit gebraucht hat, wie
sich aus der
wissenschaftliche Pointe zuzuspitzen.
in eine
jetzt:
Werdens mit
Was
ist
Wille?
der
stricter
ist,
positive
Diese
eigene
die
selbst-
als Piinzip
Nothwendigkeit sich manifestirt ?
Die Antwort setzen wir noch aus,
chung
nachge-
Vermischung mit den heterogensten
thätige Kraft oder Theil jener Naturkraft,
alles
Problems,
am Anfang
so stark
—
auch die Versu-
aus der Negation des erstenGliedes unserer Disjunction
Folgerungen für die Wahrheit des zweiten Gliedes
zu ziehen.
Diese Negation genügt nicht,
um
die
von Jahr-
hunderten behaupteten Thatsachen des moralischen Bewusstseins zu erklären, die, einmal unleugbar vorhanden, physiolo-
gisch, psj'chologisch
müssen.
Es
ist
der
den wir gewiesen
—
oder
Weg
-
pathologisch
begriffen
werden
nüchterner, ruhiger Empirie, auf
werden,
um an
Stelle
der Schul- und
Katechismuspsychologie, die mit Worten zu erklären
liebt,
eine rationelle, von ihren Schwestern, der Physiologie,Ethnologie
kurz Anthropologie im
abscliliessende
weitesten Sinne,
Psychologie
hat doch, auf eben diesem
sich nicht streng
als Wissenschaft zu
Wege
gewinnen;
allein, die Naturwissenscliaft
den Bann mehr oder weniger oberflächlicher „Systeme-' zu
überwinden vermocht und jenen Reichthum positiver Erkenntnisse
zu gewinnen, der den Grundstock jeder späteren auf
wahrhafte Naturerkenntniss basirten Weltanschauung zu bilden
berufen ist. Hier gerade tritt nun der letzte Fortschiitt,
—
66
—
den wir gerade der mit solchem Scliarfsiun unternommeneu
Untersucliung unseres grossen Pliilosoplien verdanken,, deutlich
hervor er
;
sollen
ist ein
mittelbarer, nämlich
wir lernen.
:
Der bisher
ausseinenFehlern
umfassende und
letzte
praktische Versuch, durch blosse Speculation und metaphysidie
Versetzung
— wir
glauben, es
sche Construction unser Problem zu lösen,
der Freiheit in eine intelligible Welt,
aussprechen zu können
—
ist
geht
missglückt; er
inneren Wiedersprüchen zu Grunde.
an seinen
—
Der kategorische Imperativ Feuerbach's „Begnüge dich
mit der gegebenen Welt!" muss immer und immer wieder
:
durch das Fehlschlagen aller
Träumereien
hinausfliegenden
Philosophie
—
hoch
über
die
Erscheinung
werden, ehe die
unbeschadet ihres Rechtes auf durch That-
sachen gestützte Hj'pothesen
—
befestigt
sich ernstlich ihrer positiven
Aufgabe zuwendet, der hehren Aufgabe:
die
Welt zu begreifen.
—
VITA.
Rudolph Penzig,
Natus sum,
MDCCCLV
a.
III.
d.
in vico Silesiae. Samitz appellato, qui
Cal. Febr.
non multum
ab oppido Haj'iiau abest. patre Ludovico, qui ecclesiastico
munere fuiictus a. MDCCCLXXII Liguitiae praematura morte
mihi eripiebatur, niatre Bertha e gente Sculteta, iam a.
MDCCCLXI
Primis litterarum elementis Vratis-
defuncta.
laviae in gymnasio Elisabetano imbutus puer
decem anuorum
patrem secutus sum Lignitiam, ubi gj^mnasii a viris praecla-
rissimis
a.
Müller et Güthliug udministrati omnes ordines ab
MDCCCLXIV
mine
usque ad
a.
MDCCCLXXIY
Exr-
percurri.
feliciter sustentato uiideviginti annos natus Vratislaviae
per tria semestria theologiae evaugelicae operam dedi,
plissime
Tum
receptione
adiutus
in
Halis per bienuium Studium
quamquam initio
cum liberalitate
aiii-
convictum Sedlnitzkyanum.
meum
absolvi; hie auteni,
beneficio convictus Harrachii theologo
oblato utebar, tarnen,
magna
quia fides evangelica
antea penitus animo insita magis magisque dubitationi cedere
coepit,
sum
theologiae Studium deserere coactus
et
philoso-
phiae studio, quippe quod ne theologus quidem neglexi, sex,
qui relinquebantur, mensis dedi.
unde viverem, magistri munere
et in schola
Sclmepfenthaliana
Non possum praeterquod cum fidem evangelicam animo meo diutius satis-
et privatim Vratislaviae
mittere,
Deinde, quod non habebam,
functus sum.
iacere non posse mihi in dies magis persuaserim, non dubitavi ecclesiam christianam
derelinquere
et
dissidentium
iii;-
mero me adscribendum curare.
Liceat
facto
h.
1.
liberalissime
gratias agere
me
viris
adiuverunt in
claris,
studio;
qui consilio et
inprimis viris
quorum scholas licuit mihi audire; e quibus,
illis
cum omnes afferre longum sit, nomino Reuter, Gess, Köstliii,
Riehm, Kahler, Haym. PJrdmann, Keil, Hiller, Dittenbergcr
Nam licet aberraverim ab eorum doctrina et rationc^
alios.
tamen numquam obliviscar, magnam eruditionis meae qualiseruditissimis,
cunque partem debere me eorum vocibus.
These
s.
I.
8chopeiihaueri doctrina,
qua
qiiae
siimmam omnium reriim
sint per se ipsae, ponit in voluntate, ipsiiis consequentiis
refutatur.
II.
Philosopliorum qiiaestio de libertate voliintatis
eadem
est,
humanae
ac qiiaestio de volimtatis et existentia et essentia.
Pertinet igitur ad psychologiam rationalem, non ad speculationera metaphysicam.
III.
in natura
Nihil esse
Iiumani viribus percipi
atque ordine rerum, quin ingenii
possit,
ab omni scientia statuendum
est ut postulatum.
IV.
Quaevis
fides
subiecti aestimatione
obiecta,
suscipere.
numquam
I.
e
:
religiosa vel
;
quamquam
scientiae
Omnis
moralis posita est sola in
igitur pertinet
ad scientiae
partes quantulascunque debet
scientia penitus aliena est a religione.
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UNIVERSITY OF TORONTO LIBR
Pen zig, Rudolph
Arthur Schopenhauei
menschliche Willensfr«
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