zum Skript: Product Placement

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Vorlesung
„Medienrecht und Marketing“
Prof. Dr. Gerhard Janssen
Studiengang Medienwissenschaften
Universität Paderborn
WS 2010/2011
Bekannt für Product Placement: James Bond-Filme1
A. Inhaltsübersicht
1. Teil: Wiederholung Wettbewerbsrecht (insb. UWG)
2. Teil: Urheberrecht, insb. UrhG
3. Teil: Strafrechtliche Aspekte des Product Placment
4. Teil: Grundrechtliche Aspekte und Fallübungen
1
S. dazu sehr ausführlich: Nadja Tata, Product Placement in James-Bond-Filmen.
1
B. Literaturvorschläge
I. Wettbewerbsrecht:
Tobias Lettl, Wettbewerbsrecht, 1. Auflage 2009
II. Urheberrecht:
Jürgen Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 3. Auflage 2009
III. Fallsammlungen:
Frank Bayreuther, Olaf Sosnitza,
Fälle zum Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, 2. Auflage, Oktober 2007
C. Vorlesung
1. Teil: Wiederholung Wettbewerbsrecht (insb. UWG)
I. Wettbewerbsrecht
1. Wettbewerbsordnung der Bundesrepublik Deutschland - Schutzobjekte des
Wettbewerbsrechts
Das Wettbewerbsrecht bezieht sich auf den wirtschaftlichen Wettbewerb, d.h. die
Konkurrenzbeziehungen von Mitbewerbern auf demselben Markt in dem Bestreben,
Nachfrager oder Anbieter vor anderen für sich zu gewinnen. Das Wettbewerbsrecht ist
notwendiges Produkt der neuzeitlichen Entwicklung in den marktwirtschaftlich orientierten
Staaten. Mit der Liberalisierung der Märkte und der Befreiung der wirtschaftlichen
Betätigung von allen zunftmäßigen Bindungen entstand nämlich gleichzeitig die Gefahr des
Missbrauchs der neuen Freiheit zum Schaden der Konkurrenten, der Verbraucher und der
Allgemeinheit. Dieser Gefahr sollen in erster Linie das UWG und das GWB bzw. das
europäische Kartellrecht begegnen, damit sich der Wettbewerb zum Nutzen aller frei und rein
(lauter) entfalten kann.
2
Das
Wettbewerbsrecht
umfasst
das
Recht
zur
Bekämpfung
unlauterer
Wettbewerbshandlungen (Wettbewerbsrecht im engeren Sinne) und das Recht gegen
Wettbewerbsbeschränkungen
(Kartellrecht).
Im
Rahmen
der
Vorlesung
soll
das
Wettbewerbsrecht im engen Sinne besprochen werden, welches sich auf das sog.
Lauterkeitsrecht (geregelt vor allem durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das
UWG) bezieht:
2. Das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG)
Das UWG trat 1909 in Kraft und wurde seitdem mehrfach novelliert. Es richtet sich gegen
bestimmte Handlungen von Unternehmen im Wettbewerb, die als unlauter eingestuft und
deshalb zum Schutze der Mitbewerber und Verbraucher verhindert werden sollen. Dazu
gewährt es Unterlassungs-, Schadenersatz-, Beseitigungs-, Gewinnabschöpfungs- und
Auskunftsansprüche im Rahmen des geschäftlichen Verkehrs und enthält überdies auch
Strafvorschriften.
·
In § 1 UWG ist der Zweck des Gesetzes dargelegt:
§ 1 UWG
Zweck des Gesetzes
Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher
sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt
zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.
·
§ 2 UWG enthält wichtige Definitionen:
§ 2UWG
Definitionen
(1) Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet
1.
„geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder
eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit
der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder
3
mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder
Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als
Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen;
2.
"Marktteilnehmer" neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als
Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind;
3.
"Mitbewerber" jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als
Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten
Wettbewerbsverhältnis steht;
4.
"Nachricht" jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über
einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht
oder weitergeleitet wird; dies schließt nicht Informationen ein, die als Teil eines
Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlichkeit
weitergeleitet werden, soweit die Informationen nicht mit dem identifizierbaren
Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können;
5.
„Verhaltenskodex“ Vereinbarungen oder Vorschriften über das Verhalten von
Unternehmern, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne
geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtungen
aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben;
6.
„Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen
im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt,
und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt;
7.
„fachliche Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem
billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem
Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter
Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten einhält.
(2) Für den Verbraucherbegriff gilt § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.
·
In § 3 UWG findet sich dann die neue Generalklausel (eingeführt durch das 1. Gesetz
zur Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb - 1. UWGÄndG - vom 22.
Dezember 2008), die nicht mehr auf die guten Sitten im Wettbewerb abstellt, sondern
schlicht jede unlautere geschäftliche Handlung verbietet.
Neu durch das 1.UWGÄndG wurde hier ebenfalls mit Absatz 2 eine Klausel
eingefügt, die geschäftliche Handlungen von Unternehmern gegenüber Verbrauchern
für unlauter erklärt, wenn diese nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen
Sorgfalt entsprechen und geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf
Grund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn zu einer
Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.
4
Dabei ist auf den durchschnittlichen Verbraucher abzustellen bzw., wenn sich die
Handlung an eine bestimmte Gruppe richtet, auf die Sicht eines durchschnittlichen
Mitgliedes dieser Gruppe:
§ 3 UWG
Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die
Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu
beeinträchtigen.
(2) Geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern sind jedenfalls dann unzulässig,
wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu
geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von Informationen zu
entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung
zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dabei ist auf den durchschnittlichen
Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von
Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Auf die
Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds einer auf Grund von geistigen oder körperlichen
Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit besonders schutzbedürftigen und eindeutig
identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern ist abzustellen, wenn für den Unternehmer
vorhersehbar ist, dass seine geschäftliche Handlung nur diese Gruppe betrifft.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber
Verbrauchern sind stets unzulässig.
Weiter wurde ein Absatz 3 eingefügt, der die im Anhang des Gesetzes aufgeführten
geschäftlichen Handlungen stets für unzulässig erklärt. Diese sogenannte "schwarze Liste"
wurde ebenfalls mit dem 1. UWGÄndG eingefügt und enthält 30 einzelne Tatbestände
unlauterer Geschäftshandlungen.
Beispielhaft seien hier nur genannt:
·
die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne
die erforderliche Genehmigung;
·
die unwahre Angabe, bestimmte Waren oder Dienstleistungen seien allgemein
oder zu bestimmten Bedingungen nur für einen sehr begrenzten Zeitraum
verfügbar, um den Verbraucher zu einer sofortigen geschäftlichen
Entscheidung zu veranlassen, ohne dass dieser Zeit und Gelegenheit hat, sich
auf Grund von Informationen zu entscheiden;
5
·
die unwahre Angabe, der Unternehmer werde demnächst sein Geschäft
aufgeben oder seine Geschäftsräume verlegen;
·
die Angabe, durch eine bestimmte Ware oder Dienstleistung ließen sich die
Gewinnchancen bei einem Glücksspiel erhöhen;
·
die unwahre Angabe, eine Ware oder Dienstleistung könne Krankheiten,
Funktionsstörungen oder Missbildungen heilen;
Welche Wettbewerbshandlungen noch unlauter sind, ist in den folgenden Vorschriften
geregelt. Im Einzelnen regeln:
·
§ 4 UWG Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen:
§ 4 UWG
Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen
Unlauter handelt insbesondere, wer
1.
geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der
Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in
menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu
beeinträchtigen;
2.
geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, geistige oder körperliche Gebrechen,
das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die
Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen;
3.
den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert;
4.
bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken die
Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig angibt;
5.
bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen mit Werbecharakter die Teilnahmebedingungen
nicht klar und eindeutig angibt;
6.
die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem
Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht, es sei
denn, das Preisausschreiben oder Gewinnspiel ist naturgemäß mit der Ware oder der
Dienstleistung verbunden;
7.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen
Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
8.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den
Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder
verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des
6
Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich
um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an
ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der
Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
9.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder
Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder
beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
10.
Mitbewerber gezielt behindert;
11.
einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der
Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
·
§ 5 UWG definiert Irreführende geschäftliche Handlungen:
§ 5 UWG
Irreführende geschäftliche Handlungen
(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine
geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur
Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
1.
die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung,
Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung,
Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge,
Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche
Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder
wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;
2.
den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis
oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die
Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird;
3.
die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen
einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen,
Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder
Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs;
4.
Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring
stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen
beziehen;
7
5.
die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur;
6.
die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich
verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist, oder
7.
Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder
Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen.
(2) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der
Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine
Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder
einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft.
(3) Angaben im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch Angaben im Rahmen vergleichender
Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und
geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen.
(4) Es wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben,
sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob
und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, so trifft die Beweislast denjenigen,
der mit der Preisherabsetzung geworben hat.
(5) (weggefallen)
·
§ 6 UWG behandelt die vergleichende Werbung:
§ 6 UWG
Vergleichende Werbung
(1) Vergleichende Werbung ist jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen
Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen
erkennbar macht.
(2) Unlauter handelt, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich
1.
sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe
Zweckbestimmung bezieht,
2.
nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische
Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist,
3.
im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden
und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder
Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt,
4.
den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt
oder beeinträchtigt,
5.
die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse
eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft oder
6.
8
eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten
Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt.
(3) (weggefallen)
·
§ 7 UWG erläutert die sog. unzumutbare Belästigung (unaufgeforderte
Telefonwerbung, unangeforderte Newsletter, Spam-E-Mail etc.):
§ 7UWG
Unzumutbare Belästigungen
(1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise
belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass
der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.
(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen
1.
bei Werbung unter Verwendung eines in den Nummern 2 und 3 nicht aufgeführten, für den
Fernabsatz geeigneten Mittels der kommerziellen Kommunikation, durch die ein Verbraucher
hartnäckig angesprochen wird, obwohl er dies erkennbar nicht wünscht;
2.
bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige
ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen
zumindest mutmaßliche Einwilligung,
3.
bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder
elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten
vorliegt, oder
4.
bei Werbung mit einer Nachricht, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die
Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige
Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher
Nachrichten richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den
Basistarifen entstehen.
(3) Abweichend von Absatz 2 Nr. 3 ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter
Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn
1.
ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von
dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat,
2.
der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder
Dienstleistungen verwendet,
3.
der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
4.
der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf
hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür
andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.
9
Dem schließen sich in § 8 UWG Regelungen über den Unterlassungsanspruch, in § 9 UWG
über den Schadenersatzanspruch und in § 10 UWG über die Gewinnabschöpfung zugunsten
der Allgemeinheit an. Es folgen Vorschriften über Verjährung und Verfahren. In §§ 16 - 19
UWG enthält das insoweit zum Nebenstrafrecht zählende Gesetz einige Straftatbestände. Dies
sind im Einzelnen:
·
§ 16 Strafbare Werbung
§ 16 UWG
Strafbare Werbung
(1) Wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in
öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von
Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt, wird mit Freiheitsstrafe
bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, Verbraucher zur Abnahme von Waren,
Dienstleistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder
vom Veranstalter selbst oder von einem Dritten besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere
zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach der Art dieser
Werbung derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen
sollen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
·
§ 17 Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen
§ 17 UWG
Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen
(1) Wer als eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person ein Geschäfts- oder
Betriebsgeheimnis, das ihr im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut worden oder
zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an
jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der
Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt, wird mit Freiheitsstrafe
bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines
Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen,
1.
sich ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis durch
a)
Anwendung technischer Mittel,
b)
Herstellung einer verkörperten Wiedergabe des Geheimnisses oder
c)
Wegnahme einer Sache, in der das Geheimnis verkörpert ist,
unbefugt verschafft oder sichert oder
2.
ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das er durch eine der in Absatz 1 bezeichneten
Mitteilungen oder durch eine eigene oder fremde Handlung nach Nummer 1 erlangt oder sich
sonst unbefugt verschafft oder gesichert hat, unbefugt verwertet oder jemandem mitteilt.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder
Geldstrafe. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
10
1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
bei der Mitteilung weiß, dass das Geheimnis im Ausland verwertet werden soll, oder
3.
eine Verwertung nach Absatz 2 Nr. 2 im Ausland selbst vornimmt.
(5) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen
des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts
wegen für geboten hält.
(6) § 5 Nr. 7 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.
·
§ 18 Verwertung von Vorlagen
§ 18 UWG
Verwertung von Vorlagen
(1) Wer die ihm im geschäftlichen Verkehr anvertrauten Vorlagen oder Vorschriften
technischer Art, insbesondere Zeichnungen, Modelle, Schablonen, Schnitte, Rezepte, zu
Zwecken des Wettbewerbs oder aus Eigennutz unbefugt verwertet oder jemandem mitteilt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen
des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts
wegen für geboten hält.
(4) § 5 Nr. 7 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.
·
§ 19 Verleiten und Erbieten zum Verrat
§ 19 UWG
Verleiten und Erbieten zum Verrat
(1) Wer zu Zwecken des Wettbewerbs oder aus Eigennutz jemanden zu bestimmen versucht,
eine Straftat nach § 17 oder § 18 zu begehen oder zu einer solchen Straftat anzustiften, wird
mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer zu Zwecken des Wettbewerbs oder aus Eigennutz sich bereit
erklärt oder das Erbieten eines anderen annimmt oder mit einem anderen verabredet, eine
Straftat nach § 17 oder § 18 zu begehen oder zu ihr anzustiften.
(3) § 31 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.
(4) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen
des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts
wegen für geboten hält.
(5) § 5 Nr. 7 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.
11
II. Product Placement
Das so genannte “Product Placement” ist ein gutes Beispiel für Marketing im Bereich der
Medien und soll hier näher dargestellt werden. Insbesondere der Einfluss des europäischen
Rechts macht diese Materie aus juristischer Sicht spannend und zeigt gut die
Berührungspunkte von Recht und Marketing auf.
Film: Die Reifeprüfung (1967) - Dustin Hoffman sitzt im „Alpha Romeo Spider“
1. Einleitung/Historisches
Schon während der 1930er Jahre begannen Filmproduzenten damit, durch Product-Placement
ihre Kosten zu senken. Den Durchbruch dieser neuen Werbeform erfolgte in den 1960er
Jahren mit dem Film „Die Reifeprüfung“. Neben Dustin Hoffman in der Hauptrolle stand dort
der rote „Alfa Romeo Spider“ 1967 im Mittelpunkt des Geschehens. In den 1980er und
1990er Jahren entwickelte sich dieses Marketinginstrument mehr und mehr. Berühmtestes
Beispiel für ein erfolgreiches Product-Placement ist „Reese’s Pieces Candy“ in Steven
Spielbergs Film „E.T.“ von 1982. Elliot, einer der Hauptdarsteller in diesem Film, lockt dabei
den Außerirdischen mit dieser Süßigkeit an. Innerhalb eines Monats nach dem Filmstart
konnte der US-amerikanische Schokoladenhersteller Hershey’s Absatzsteigerungen zwischen
60 und 75 Prozent verbuchen. Somit führte dieses Marketinginstrument zu einer signifikanten
Umsatzsteigerung.
12
2. Was ist Product Placement?
a) Definition des Product Placement
Die genaue Definition von Product Placement ist unter deutschen Juristen umstritten, so dass
es zahlreiche, teils völlig unterschiedliche Definitionsansätze gibt. Auf europäischer Ebene ist
der
Begriff
in
der
Richtlinie
2007/65/EG
legaldefiniert
worden:
Demnach
ist
Produktplatzierung definiert als
„jede Form audiovisueller, kommerzieller Kommunikation, die darin besteht, gegen
Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung ein Produkt, eine Dienstleistung oder die
entsprechende Marke einzubeziehen bzw. darauf Bezug zu nehmen, so dass diese
innerhalb einer Sendung erscheinen.“
Diese schwerfällige Definition wird aber schnell klar, wenn wir uns später Beispiele und
Unterarten des Product Placements ansehen.
b) Vorteile für Produzenten/Regisseure
Product Placement bringt für Produzenten bzw. Regisseure von Kinofilmen, TV-Serien etc.
den Vorteil mit sich, dass die Produktionskosten zumindest teilweise gedeckt werden können.
Welche Bedeutung Product-Placement zur Finanzierung von Filmen inzwischen hat, zeigt das
Beispiel des James-Bond-Filmes „Stirb an einem anderen Tag“, der allein durch Product
Placement rund 120 Millionen Euro erwirtschaftete. Es waren ca. 20 Marken zu sehen,
darunter „7-Up“, Finlandia-Wodka, Bollinger-Champagner und Ford mit seinen Marken
Aston Martin, Jaguar und Thunderbird sowie Range Rover.
Problematisch kann hier jedoch eine Einschränkung der künstlerischen Freiheit sein.
c) Vorteile für die Markenartikler
Markenartikler erhöhen die Reichweite ihrer Werbung sowie die Bekanntheit der Marke. Als
wichtiges Kriterium für eine erfolgreiche Anwendung des Product Placements gilt auch die
Beziehung zwischen Produktimage und Schauspieler, bzw. dem Umfeld eines Filmes. Dieser
13
Effekt des sog. positiven Imagetransfers durch den Schauspieler auf die Marke kann nur
dann
erreicht
werden,
wenn
der
Betrachter
eine
Übereinstimmung
zwischen
Produkteigenschaft und den Eigenschaften des Schauspielers erkennt. Je bekannter die mit
dem platzierten Produkt agierenden Schauspieler sind, desto größer ist auch deren Vorbildbzw. Leitbildwirkung und somit die Image- bzw. Qualitäts-Stärkung für das Produkt.
Problematisch für ein Unternehmen, welches sein Produkt auf diese Weise platzieren will, ist
das Risiko eines Flopps des Films/der Sendung. Auch besteht die Möglichkeit einer
Reaktanz (Abwehrreaktion auf psychischen Druck) beim Zuschauer.
d) Vorteile für die Konsumenten
Der Konsument profitiert von der besseren finanziellen Ausstattung der Produktion, die sich
in einer höheren Qualität niederschlagen kann. Auch ist eine realistischere Darstellung der
Wirklichkeit möglich, da ja auch im Alltag Markenartikel ein ständiger Anblick sind.
Allerdings kann der Konsument ungewollt beeinflusst werden und das Product Placement,
gerade bei intensiver Anwendung, als störend empfinden.
3. Unterarten von Product Placement
Heute werden teilweise bis zu 15 verschiedene Arten und Unterarten von Product Placement
unterschieden. Im Folgenden seien nur die geläufigsten Differenzierungen genannt:
a) Generic Placement:
Platzierung einer bestimmten Warengattung, ohne dessen Markenlogo einzublenden.
Der Markenartikel muss aufgrund seiner typischen Formen und Farben erkannt
werden. Generic Placement kann für Unternehmen interessant sein, die einen
Marktanteil von mehr als 50% halten. Ein Beispiel für ein gelungenes Generic
Placement bildet die Platzierung von Götterspeise in der Serie "Liebling Kreuzberg".
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b) Image Placement:
Das Thema des Films oder der Sendung ist auf ein einziges Unternehmen oder
Produkt zugeschnitten. Ein Beispiel ist das Kreuzfahrtschiff „MS Deutschland“ in der
TV-Serie "Das Traumschiff":
Die MS Deutschland - bekannt aus „das Traumschiff“
c) Country- oder Landside-Placement
Product Placement bietet sich auch für Regionen und Länder an. Gute Beispiele sind
Neuseeland („Der Herr der Ringe“) oder Prag („Mission: Impossible“).In Prag fand
ein regelrechter Filmboom statt, nachdem dort „Mission: Impossible“ gedreht
worden war. Außerdem reisten viele Filmfans an die Drehorte der betreffenden Filme.
Product Placement hat also auch für die Touristik-Branche eine hohe Bedeutung.
15
Weniger nach der Eigenart des dargestellten Produkts, sondern nach der Art der
Darstellung des Werbeobjekts und dem Grad der Intensität der Integration
differenzieren die Begriffe des On-Set und Creative Placement:
d) On-Set Placement:
Beim On-Set-Placement dient das Produkt lediglich der Ausgestaltung
des
Handlungsrahmens. Es wird requisitenhaft einbezogen, und kann in gewissem Sinne
als
austauschbare
Begleiterscheinung
bezeichnet
werden,
ohne
jegliche
dramaturgische Bedeutung.
e) Creative Placement:
Beim Creative Placement spielt das Produkt selbst eine Haupt- bzw. zumindest
Nebenrolle oder die Handlung wird sogar ganz auf das zu platzierende Objekt
abgestimmt.
f) Visuelle und Akustische Placements
aa) Visuell: üblicherweise erfolgt die Produktplazierung visuell, so dass sie über
Bildschirm oder Leinwand optisch wahrgenommen werden kann.
bb) Akustisch:
z.b. sog. verbal Placements: hier wird das Produkt in Dialogen erwähnt
Music Placements: Einspielen bestimmter Musiktitel, die in einem positiven
Umfeld einem breiten Publikum präsentiert werden sollen. Hierunter fällt auch das
einspielen eingängiger Musik in Kaufhäusern.
cc) Kombiniertes Placement:
Verbal placement und visual placement werden kombiniert.
g) Politische Propaganda
Eine Sonderform des Product Placement, ist die politische Propaganda, bei der keine
Produkte, sondern politische Inhalte vermittelt werden sollen: Politische Propaganda
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Immer häufiger versuchen Interessenverbände und politische Gruppierungen über
verdeckte Propaganda in Medien Menschen mit ihren Vorstellungen zu infiltrieren. In
Deutschland nimmt hier die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft eine Rolle ein.
Neben der Stellung von Experten für politische Magazine und Diskussionsrunden
werden auch in Unterhaltungssendungen wie in sieben Folgen der ARD-Serie
"Marienhof" Botschaften platziert.
4. Rechtliche Situation
a) Nationales Recht
aa) Rundfunkrecht
Der Tatbestand des Schleichwerbungsverbotes des Rundfunkstaatsvertrages (§ 7 VI S 1 i.V.m
§ 2 II Nr. 6 RStV) knüpft an die Absicht des Werbenden an:
§ 2 RStV
Begriffsbestimmungen
(1) Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und
Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter
Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder
längs oder mittels eines Leiters. Der Begriff schließt Darbietungen ein, die
verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind.
Dieser Staatsvertrag gilt nicht für Mediendienste im Sinne von § 2 des
Mediendienste-Staatsvertrages; § 20 Abs. 2 und § 52 Abs. 2 bis 5 dieses
Staatsvertrages bleiben unberührt.
(2) Im Sinne dieses Staatsvertrages ist
[…]
6. Schleichwerbung die Erwähnung oder Darstellung von Waren,
Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von
Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie
vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die
Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder
Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt
insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt
oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt
[…]
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§ 7 RStV
Inhalte von Werbung und Teleshopping, Kennzeichnung
(1) Werbung und Teleshopping dürfen nicht irreführen, den Interessen der
Verbraucher nicht schaden und nicht Verhaltensweisen fördern, die die
Gesundheit oder Sicherheit der Verbraucher sowie den Schutz der Umwelt
gefährden. Werbung und Teleshopping, die sich auch an Kinder oder Jugendliche
richten oder bei denen Kinder oder Jugendliche eingesetzt werden, dürfen nicht
ihren Interessen schaden oder ihre Unerfahrenheit ausnutzen. Teleshopping darf
darüber hinaus Minderjährige nicht dazu anhalten, Kauf- oder Miet- bzw.
Pachtverträge für Waren oder Dienstleistungen zu schließen.
(2) Werbung oder Werbetreibende dürfen das übrige Programm inhaltlich und
redaktionell nicht beeinflussen. Satz 1 gilt für Teleshopping-Spots, TeleshoppingFenster und deren Anbieter entsprechend.
(3) Werbung und Teleshopping müssen als solche klar erkennbar sein. Sie
müssen im Fernsehen durch optische Mittel, im Hörfunk durch akustische
Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt sein. In der Werbung
und im Teleshopping dürfen keine unterschwelligen Techniken eingesetzt
werden.
(4) Eine Teilbelegung des ausgestrahlten Bildes mit Werbung ist zulässig, wenn
die Werbung vom übrigen Programm eindeutig optisch getrennt und als solche
gekennzeichnet ist. Diese Werbung wird auf die Dauer der Spotwerbung nach §§
15 und 45 angerechnet. § 14 Abs. 1 und § 44 Abs. 1 gelten entsprechend.
(5) Dauerwerbesendungen sind zulässig, wenn der Werbecharakter erkennbar im
Vordergrund steht und die Werbung einen wesentlichen Bestandteil der Sendung
darstellt. Sie müssen zu Beginn als Dauerwerbesendung angekündigt und
während ihres gesamten Verlaufs als solche gekennzeichnet werden.
(6) Schleichwerbung und entsprechende Praktiken sind unzulässig. Die
Einfügung virtueller Werbung in Sendungen ist zulässig, wenn
am Anfang und am Ende der betreffenden Sendung darauf hingewiesen wird
und durch sie eine am Ort der Übertragung ohnehin bestehende Werbung
ersetzt wird.
Andere Rechte bleiben unberührt.
(7) In der Fernsehwerbung und beim Teleshopping im Fernsehen dürfen keine
Personen auftreten, die regelmäßig Nachrichtensendungen oder Sendungen zum
politischen Zeitgeschehen vorstellen.
18
(8) Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art ist unzulässig. Satz
1 gilt für Teleshopping entsprechend. Unentgeltliche Beiträge im Dienst der
Öffentlichkeit einschließlich von Spendenaufrufen zu Wohlfahrtszwecken gelten
nicht als Werbung im Sinne von Satz 1. § 42 bleibt unberührt.
Wie alle subjektiven inneren Vorgänge ist dieses Tatbestandsmerkmal Beweisen nur begrenzt
zugänglich, so dass sich der Gesetzgeber insofern mit einer gesetzlichen Fiktion beholfen hat.
Um das Dilemma der Beweisbarkeit zu vermeiden, wird, insbesondere bei Zahlung von
Entgelt oder sonstigen geldwerten Gegenleistungen, vom Vorliegen der erforderlichen
Werbeabsicht ausgegangen.
Product Placement
ist bei entsprechender Werbeabsicht ein Verstoß gegen das
Schleichwerbungsverbot zu werten.
Ferner steht es auch dem Trennungs- und Kennzeichnungsgrundsatz des § 7 Abs. 3 RStV
entgegen, dessen spezialgesetzliche Ausprägung das Schleichwerbungsverbot ist.
Die Rundfunkfreiheit gebietet es jedoch, dass Produkt- und Markeneinblendungen dann als
zulässig erachtet werden, sofern sie programmlich, journalistisch oder dramaturgisch
gerechtfertigt sind. Werbung und Markenprodukte sind Bestandteile der Umwelt, die im
Interesse eines möglichst realen Abbildes nicht künstlich ausgespart werden dürfen.
Allerdings ist diese Rechtfertigung der Produktdarstellungen wiederum nur schwer zu
beweisen. Erneut sollen Indizien, wie etwa Art und Häufigkeit der Einblendung über die
Beweisschwierigkeiten hinweghelfen.
Der häufige Rückgriff auf Indizien erschwert deutlich die rechtliche Fassbarkeit des Product
Placements.
bb) Wettbewerbsrecht
Die Beurteilung der Produktplatzierung nach wettbewerbsrechtlichen Maßstäben wirft, wie
die rundfunkrechtliche Betrachtung, ebenfalls Probleme auf. Auch hier gilt es grundsätzlich
die
Rundfunkfreiheit
zu
berücksichtigen,
so
dass
die
zur
Qualifizierung
als
Wettbewerbshandlung notwendige Absatzförderungsabsicht nicht nur vermutet werden darf,
sondern positiv - anhand von Indizien - festgestellt werden muss.
19
Die Unlauterkeit von Product Placement ergibt sich aus den Beispielsfällen der §§ 4 Nr. 3
UWG (Verschleierung von Werbung) und 4 Nr. 11 UWG (Verstoß gegen gesetzliche
Marktverhaltensregeln) jeweils in Verbindung mit der Generalklausel des § 3 UWG.
§ 4 Nr. 3 UWG dehnt das medienrechtliche Schleichwerbungsverbot ausdrücklich auf alle
Formen der Werbung aus. Wenn der Adressat über den werblichen Charakter einer
Wettbewerbshandlung getäuscht wird, vermag er die Subjektivität der Aussage nicht richtig
einzuschätzen, und seine Entscheidung fußt möglicherweise auf einer falschen Grundlage.
Dreh- und Angelpunkt der Wirkung von Product Placement ist, möglichst unauffällig im
Programm aufzutauchen. Jegliche Werbeabsicht soll auf Grund der zu befürchtenden
Reaktanz des Zuschauers verborgen bleiben. Produktplatzierung ist verschleierte Werbung.
Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Verbraucher heutzutage mit
Produktplatzierungen rechnet und somit nicht mehr „irregeführt“ werden kann2, ergibt sich
die Unlauterkeit letztlich aus dem Fehlen eines Hinweises auf die Produktplazierung. Dadurch
wird dem Zuschauer die Möglichkeit genommen, sich der Werbung bewusst zu entziehen.
Daneben sind Produktplatzierungen gem. § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den Normen
des RStV unlauter.
2
so der BGH in seiner „Feuer, Eis & Dynamit“-Entscheidung, BGH, Az. I ZR 2/94 v. 06.07.95.
20
Forrest Gump trinkt eine Flasche DrPepper - Limonade
b) Europarecht
Auf europäischer Ebene wurden im Rahmen der Novellierung der EG-Fernsehrichtlinie
(Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste - Richtlinie 2007/65/EG, vom 11. Dezember
2007, in Kraft getreten am 19. Dezember 2007) auch Regelungen zur Produktplatzierung auf
den Weg gebracht. Diese sehen zwar das grundsätzliche Verbot von Product Placement vor,
geben aber den Mitgliedstaaten anhand einer Positivliste die Möglichkeit, Produktplazierung
unter bestimmten Voraussetzungen in bestimmten Genres zu zulassen. Product Placement soll
danach auf Kinofilme, Fernsehfilme- und Serien, und Programme der leichten Unterhaltung
beschränkt werden. Ferner dürfen durch die Produktplatzierung weder die redaktionelle
Verantwortung noch die Unabhängigkeit des Mediendienstanbieters beeinträchtigt werden.
Eine unmittelbare Kaufaufforderung ist, ebenso wie eine übermäßige Hervorhebung,
unzulässig. Um die Irreführung des Zuschauers zu vermeiden, muss auf das Product
Placement zu Programmbeginn und -ende sowie bei der Fortsetzung nach einer
Werbeunterbrechung hingewiesen werden.
21
Zu diesen Punkten heißt es in Art. 3 e) - g) RL:
Artikel 3e
(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die audiovisuelle kommerzielle
Kommunikation,
die
von
den
ihrer
Rechtshoheit
unterworfenen
Mediendiensteanbietern bereitgestellt wird, folgenden Anforderungen genügt:
a) Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation muss leicht als solche zu erkennen
sein. Schleichwerbung in der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation ist
verboten.
b) In der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation dürfen keine Techniken
der unterschwelligen Beeinflussung eingesetzt werden.
c) Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation darf nicht
i) die Menschenwürde verletzen;
ii) Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft,
Staatsangehörigkeit, Religion oder Glauben, Behinderung, Alter oder sexueller
Ausrichtung beinhalten oder fördern;
iii) Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit gefährden;
iv) Verhaltensweisen fördern, die den Schutz der Umwelt in hohem Maße
gefährden.
d) Jede Form der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation für Zigaretten
und andere Tabakerzeugnisse ist untersagt.
e) Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke darf
nicht speziell an Minderjährige gerichtet sein und darf nicht den übermäßigen
Genuss solcher Getränke fördern.
f) Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation ist untersagt für Arzneimittel und
medizinische Behandlungen, die in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der
Mediendiensteanbieter unterworfen ist, nur auf ärztliche Verordnung erhältlich
sind.
g) Audiovisuelle Kommunikation darf nicht zur körperlichen oder seelischen
Beeinträchtigung Minderjähriger führen. Daher darf sie keine direkten Aufrufe
zum Kaufen oder Mieten von Waren oder Dienstleistungen an Minderjährige
richten,
die
deren
Unerfahrenheit
und
Leichtgläubigkeit
ausnutzen,
22
Minderjährige nicht unmittelbar dazu auffordern, ihre Eltern oder Dritte zum
Kauf der beworbenen Ware oder Dienstleistung zu bewegen, nicht das besondere
Vertrauen ausnutzen, das Minderjährige zu Eltern, Lehrern und anderen
Vertrauenspersonen haben, und Minderjährige nicht ohne berechtigten Grund in
gefährlichen Situationen zeigen.
(2) Die Mitgliedstaaten und die Kommission bestärken die Anbieter von
Mediendiensten darin, Verhaltenskodizes für unangebrachte audiovisuelle
kommerzielle Kommunikation zu entwickeln, die Kindersendungen begleitet oder
darin enthalten ist und Lebensmittel und Getränke betrifft, die Nährstoffe oder
Substanzen mit ernährungsbezogener oder physiologischer Wirkung enthalten,
insbesondere solche wie Fett, Transfettsäuren, Salz/Natrium und Zucker, deren
übermäßige Aufnahme im Rahmen der Gesamternährung nicht empfohlen wird.
Artikel 3f
(1) Gesponserte audiovisuelle Mediendienste oder Sendungen müssen folgenden
Anforderungen genügen:
a) Ihr Inhalt und — bei Fernsehsendungen — ihr Programmplatz dürfen
keinesfalls so beeinflusst werden, dass die redaktionelle Verantwortung und
Unabhängigkeit des Mediendiensteanbieters beeinträchtigt wird.
b) Sie dürfen nicht unmittelbar zu Kauf, Miete oder Pacht von Waren oder
Dienstleistungen anregen, insbesondere nicht durch spezielle verkaufsfördernde
Hinweise auf diese Waren oder Dienstleistungen.
c) Die Zuschauer müssen eindeutig auf das Bestehen einer SponsoringVereinbarung
hingewiesen
werden.
Gesponserte
Sendungen
sind
—
beispielsweise durch den Namen, das Firmenemblem und/oder ein anderes
Symbol des Sponsors, etwa einen Hinweis auf seine Produkte oder
Dienstleistungen oder ein entsprechendes unterscheidungskräftiges Zeichen — in
angemessener Weise zum Beginn, während und/oder zum Ende der Sendung
eindeutig zu kennzeichnen.
(2) Audiovisuelle Mediendienste oder Sendungen dürfen nicht von Unternehmen
gesponsert werden, deren Haupttätigkeit die Herstellung oder der Verkauf von
Zigaretten und anderen Tabakerzeugnissen ist.
23
(3) Beim Sponsoring von audiovisuellen Mediendiensten oder Sendungen durch
Unternehmen, deren Tätigkeit die Herstellung oder den Verkauf von Arzneimitteln
und medizinischen Behandlungen umfasst, darf für den Namen oder das
Erscheinungsbild des Unternehmens geworben werden, nicht jedoch für
bestimmte
Arzneimittel
oder
medizinische
Behandlungen,
die
in
dem
Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Mediendiensteanbieter unterworfen ist,
nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind.
(4) Nachrichtensendungen und Sendungen zur politischen Information dürfen
nicht gesponsert werden. Die Mitgliedstaaten können sich dafür entscheiden, das
Zeigen von Sponsorenlogos in Kindersendungen, Dokumentarfilmen und
Sendungen religiösen Inhalts zu untersagen.
Artikel 3g
(1) Produktplatzierung ist untersagt.
(2)
Sofern
die
Mitgliedstaaten
nichts
anderes
beschließen,
ist
Produktplatzierung abweichend von Absatz 1 zulässig
- in Kinofilmen, Filmen und Serien für audiovisuelle Mediendienste,
Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung oder
- wenn kein Entgelt geleistet wird, sondern lediglich bestimmte Waren oder
Dienstleistungen wie Produktionshilfen und Preise im Hinblick auf ihre
Einbeziehung in eine Sendungen kostenlos bereitgestellt werden.
Die
Abweichung
nach
dem
ersten
Gedankenstrich
gilt
nicht
für
Kindersendungen.
Sendungen, die Produktplatzierung enthalten, müssen mindestens alle
folgenden Voraussetzungen erfüllen:
a) Ihr Inhalt und — bei Fernsehsendungen — ihr Programmplatz dürfen
keinesfalls so beeinflusst werden, dass die redaktionelle Verantwortung und
Unabhängigkeit des Mediendiensteanbieters beeinträchtigt wird.
24
b) Sie dürfen nicht unmittelbar zu Kauf, Miete bzw. Pacht von Waren oder
Dienstleistungen
auffordern,
insbesondere
nicht
durch
spezielle
verkaufsfördernde Hinweise auf diese Waren oder Dienstleistungen.
c) Sie dürfen das betreffende Produkt nicht zu stark herausstellen.
d) Die Zuschauer müssen eindeutig auf das Bestehen einer Produktplatzierung
hingewiesen
werden.
Sendungen
mit
Produktplatzierung
sind
zu
Sendungsbeginn und -ende sowie bei Fortsetzung einer Sendung nach einer
Werbeunterbrechung angemessen zu kennzeichnen, um jede Irreführung des
Zuschauers zu verhindern.
In Ausnahmefällen können die Mitgliedstaaten von den Anforderungen des
Buchstabens d absehen, sofern die betreffende Sendung nicht vom
Mediendiensteanbieter selbst oder von einem mit dem Mediendiensteanbieter
verbundenen Unternehmen produziert oder in Auftrag gegeben wurde.
(3)
Sendungen
dürfen
unter
keinen
Umständen
die
folgenden
Produktplatzierungen enthalten:
- Produktplatzierung zugunsten von Zigaretten oder Tabakerzeugnissen oder
zugunsten von Unternehmen, deren Haupttätigkeit die Herstellung oder der
Verkauf von Zigaretten und anderen Tabakerzeugnissen ist, oder
-
Produktplatzierung
zugunsten
von
bestimmten
Arzneimitteln
oder
medizinischen Behandlungen, die in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit
der Mediendiensteanbieter unterworfen ist, nur auf ärztliche Verordnung
erhältlich sind.
(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten nur für Sendungen, die nach dem 19. Dezember
2009 produziert werden.“
Zusammenfassung der Wirkungen der EG-Fernsehrichtlinie:
Verbot von Product-Placement (Art. 3g Abs. 1 RL)
Ausnahme:
sog. „zulässiges Product-Placement“
(Art. 3g Abs. 2 bis 5 RL)
25
Folge:
nicht jede Platzierung ist zulässig, aber die Voraussetzungen von
„zulässigem Product-Placement“ sind relativ detailliert geregelt.
danach ist Product-Placement zulässig:
·
nur bei bestimmten Programmtypen (Positivliste statt Ausschlussliste):
Kinofilme, Fernsehfilme und -serien, Programme der leichten Unterhaltung, sowie
Sportsendungen
·
programmunabhängig zulässig: kostenlose Produktionshilfen (z.B. Requisiten / Preise)
·
weitere Voraussetzungen:
- Verbot der Beeinflussung (der redaktionellen Verantwortung und Unabhängigkeit)
- Verbot direkter Kauf-Apelle etc.
- Verbot der übermäßigen Hervorhebungen
- Aufklärung bzw. Hinweise am Programmbeginn, -ende sowie nach
Werbeunterbrechungen (ursprünglich waren - alle 20 Minuten - wiederkehrende
Hinweise angedacht. Hiervon ist man jedoch abgegangen).
·
Keine Platzierungen von Tabakerzeugnissen und verschreibungspflichtiger Arznei
Rechtsnatur EU-Richtlinie (RL):
·
keine unmittelbare Gültigkeit in Mitgliedstaaten
·
verbindlich nur in ihren Zielen
·
Umsetzungsakt in den Mitgliedsstaaten notwendig (laut Richtlinie bleiben den
Mitgliedstaaten zur Umsetzung zwei Jahre nach Inkrafttreten der RL, also bis zum
19.12.2009) oftmals aber wörtliche Übernahme durch Mitgliedstaaten
26
·
in Deutschland wäre jedenfalls Änderung des Rundfunkstaatsvertrages (ggf. über
einen sog. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) notwendig. Beratungen hierüber laufen
aktuell.
·
sog. „opt-out-Klausel“ in Richtlinie
Mitgliedsstaaten können strengere Vorschriften in Bezug auf Product-Placement
erlassen
·
sogar vollständiges nationales Verbot denkbar
·
in Deutschland wegen der Besonderheit des sog. „dualen Rundfunksystem“
auch Unterscheidung zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem TV grundsätzlich
denkbar.
·
noch ist der RStV gültig
·
RStV regelt Product-Placement nicht unmittelbar
·
RStV verbietet Schleichwerbung und enthält Gebot der Trennung von Werbung und
Programm grds. Verbot von Platzierungen
·
Nebeneinander RL und RStV? grundsätzlich denkbar, da Abweichungen nach „optout- Klausel“ in Richtlinie zulässig.
·
Richtlinienkonforme Auslegung des RStV?
nicht „contra legem“ möglich: wegen relativ klar gefasstem Verbot der Schleichwerbung nur
schwer vorstellbar; Ggf. wäre eine Argumentation möglich, dass eine Irreführungsgefahr der
Schleichwerbung bei Hinweisen auf nachfolgendes Product-Placement und bei Einhaltung der
weiteren Voraussetzungen der RL nach europäischem Verständnis ausgeschlossen ist.
Daher scheint eine Auslegung in - nach RStV unklaren Grenzfällen - grds. möglich
27
Mögliche Folgen bei kongruenter Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht:
·
zulässiges Product-Placement wäre kein Verstoß gegen öffentliches Recht (RStV)
keine Ahndung der Rundfunkveranstalter als Ordnungswidrigkeit (Bußgeld)
·
zivilrechtliche Verträge über zulässiges Product-Placement und Vereinbarungen, die
mit Produktplatzierungen im Zusammenhang stehen, wären ggf. als wirksam
anzusehen (kein Sittenverstoß bzw. Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot mehr)
·
Folgeproblem:
(genaue
rechtliche
Vertragsgestaltung
Einordnung
erscheint
sinnvoll.
der
Stichwort:
Verträge
Folge
von
Leistungsstörungen und Verantwortung für die Einhaltung der Vorgaben für
zulässiges Product-Placement)
·
Werbung mittels (zulässigem) Product-Placement wäre ggf. keine wettbewerbswidrige
Handlung nach UWG (§ 4 Nr. 3 UWG sowie § 4 Nr. 11 UWG) mehr
5. Abgrenzung Product Placement – Schleichwerbung – Dauerwerbesendung
a) Abgrenzung zur sog. „Schleichwerbung“
b)
Problematisch kann die Abgrenzung von Product Placement zur klassischen Schleichwerbung
sein. Im Zusammenhang mit Product Placement wird in der Literatur und Praxis immer
wieder der Begriff der "Schleichwerbung" verwendet. Während in § 4 Nr. 3 UWG hier noch
nicht vom Gesetzgeber differenziert, sondern generell klargestellt wird:
§ 4 UWG
Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen
Unlauter handelt insbesondere, wer
[…]
3.
den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert
[…]
28
und in § 2 Rundfunksstaatsvertrag lediglich von Schleichwerbung die Rede ist:
§ 2 RStV
Begriffsbestimmungen
[…]
(2) Im Sinne dieses Staatsvertrages ist
[…]
6. Schleichwerbung die Erwähnung oder Darstellung von Waren,
Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von
Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie
vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die
Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder
Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt
insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt
oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt
Unterscheiden sich die Begrifflichkeiten spätestens auf europäischer Ebene, auf der Product
Placement und Schleichwerbung nicht gleichsetzt werden:
·
Das „Europäische Übereinkommen über grenzüberschreitendes Fernsehen“ des
Europarates vom 5. Mai 1989 (geändert durch das Protokoll des Europarats vom 9.
September 1998), in Kraft getreten am 1. März 2002 definiert in Artikel 13 das Gebot
der Trennung der Werbung vom Programm:
Art. 13 Abs. 3 Europäisches Übereinkommen über grenzüberschreitendes
Fernsehen
(1) Werbung und Teleshopping müssen klar als solche erkennbar und durch
optische und/oder akustische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen
getrennt sein. Grundsätzlich werden Werbe- und Teleshopping-Spots in Blöcken
gesendet.
(2) Unterschwellige Werbung und unterschwelliges Teleshopping sind verboten.
29
(3) Schleichwerbung und -teleshopping, insbesondere die Darstellung von
Erzeugnissen oder Dienstleistungen in Sendungen zu Werbezwecken, sind
verboten.
(4) In der Werbung oder im Teleshopping dürfen weder im Bild noch im Ton
Personen auftreten, die regelmäßig Nachrichtensendungen und Sendungen zum
politischen Zeitgeschehen vorstellen.
„Schleichwerbung ist nicht erlaubt, insbesondere die Darstellung von
Erzeugnissen oder Dienstleistungen in Sendungen, wenn dies Werbezwecken
dient.“
·
Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste - Richtlinie 2007/65/EG, vom 11.
Dezember 2007, in Kraft getreten am 19. Dezember 2007) verbietet die
Schleichwerbung ausnahmslos in Art. 3e Abs. 1 lit. a) S. 2 RL:
Artikel 3e
(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die audiovisuelle kommerzielle
Kommunikation,
die
von
den
ihrer
Rechtshoheit
unterworfenen
Mediendiensteanbietern bereitgestellt wird, folgenden Anforderungen genügt:
a) Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation muss leicht als solche zu erkennen
sein. Schleichwerbung in der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation ist
verboten.
·
Während in Artikel 3 g Abs. 2 RL die eingeschränkte Möglichkeit zur
Produktplatzierung eröffnet wird (s.o.) bzw:
Artikel 3g
(1) Produktplatzierung ist untersagt.
(2) Sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes beschließen, ist Produktplatzierung
abweichend von Absatz 1 zulässig
[…]
Die Abgrenzung zwischen Produktplatzierung und Schleichwerbung ist auf europäischer
Ebene folglich anhand des Kriteriums der Erkennbarkeit für den Konsumenten zu treffen:
30
Wird auf Product Placement im Sinne der Richtlinie hingewiesen, so liegt keine
Schleichwerbung vor. Werden Produkte ohne diesen Hinweis und zu Werbezwecken in ein
Programm eingefügt, liegt hingegen verbotene Schleichwerbung vor.
Nach deutschem Recht kann die Abgrenzung ähnlich erfolgen:
Product Placement lässt sich durch das Kriterium der "dramaturgischen Notwendigkeit" von
der Schleichwerbung abgrenzen. Bei Product Placement handelt es sich demnach nur dann um
Schleichwerbung, wenn ein Produkt nur wegen des beabsichtigten Werbeeffekts (zu
Werbezwecken: s. § 2 Abs. 2 Nr.6 RStV) in ein vorgegebenes Umfeld integriert wird, für das
es nicht notwendig ist. Diese Kennzeichnung ist allerdings sehr vage, da der Produzent oder
der Regisseur entscheidet, was dabei notwendig ist.
Zusätzlich kann auch nach der Kompatibilität zwischen Objekt und Plazierungs-Umfeld
unterschieden werden:
Wird ein Produkt nur wegen des beabsichtigten Werbeeffektes in ein vorgegebenes Umfeld
hineingepresst, in welches es eigentlich nicht passt, handelt es sich um Schleichwerbung.
Bei einem Product Placement soll ein bestimmtes Objekt nämlich nur deshalb verwendet
werden, weil genau dieses sich eignet, eine oder mehrere bestimmte Szenen oder Charaktere
wirklichkeitsnäher zu gestalten. Im Mittelpunkt steht hierbei die Handlung, das Produkt dient
deren Bereicherung. Das Umfeld und das Produkt sollen harmonieren und sich gegenseitig
ergänzen. Diesem Anspruch wird in der Praxis allerdings selten Rechnung getragen,
außerdem ist die Abgrenzung im Detail auch nach diesem Kriterium schwierig.
Beispiel:
Das Mittelklassefahrzeug, welches ein Fernsehkommissar aus dramaturgischen Gründen
nutzt, ist grundsätzlich keine Schleichwerbung. Das Fahrzeug wird aber dann zur
unzulässigen Schleichwerbung, wenn es in besonderer Weise herausgestellt wird
(Einstellungen unter besonderer Fokussierung des Unternehmenslogos, dramaturgisch nicht
erforderliche Szenen in denen lediglich das Auto ästhetisiert dargestellt wird, Dialoge wie
"Ein tolles Auto" in direktem Zusammenhang mit einer bestimmten Marke etc.).
Es ist daher verständlich, das Product Placement überwiegend fälschlicherweise mit
Schleichwerbung gleichgesetzt wird.
31
Den
„Geruch“ der
Schleichwerbung
kann
Product
Placement
daher
nur
durch
Überzeugungskraft und durch einen professionellen Einsatz loswerden.
b) Abgrenzung zur Dauerwerbesendung
Dauerwerbesendungen sind nach den Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten
für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das
Sponsoring im Fernsehen (in der Neufassung vom 10.02.2000) Fernsehsendungen mit einer
Länge von mindestens 90 Sekunden, deren wesentlicher Bestandteil das Bewerben von
Produkten ist. Die Präsentation der Produkte ist in der Regel redaktionell gestaltet. Die
Sendungen sind während der gesamten Ausstrahlung durch den Schriftzug Werbesendung
oder Dauerwerbesendung zu kennzeichnen. Wörtlich heißt es in Punkt 8 der Richtlinien:
(1) Dauerwerbesendungen sind Sendungen von mindestens 90 Sekunden Dauer, in
denenWerbung redaktionell gestaltet ist, der Werbecharakter erkennbar im
Vordergrund steht und die Werbung einen wesentlichen Bestandteil der Sendung
darstellt.
(2) Sie sind im Fernsehen zulässig, wenn sie unmittelbar vor Beginn als
"Dauerwerbesendung"angekündigt und während des gesamten Verlaufs mit dem
Schriftzug "Werbesendung"oder "Dauerwerbesendung" gekennzeichnet werden.
Der Schriftzug muss sich durch Größe,Form und Farbgebung deutlich lesbar vom
Hintergrund der laufenden Sendung abheben. Andere Ankündigungen und
Kennzeichnungen sind unzulässig.
(3) Werden in einer Dauerwerbesendung Werbespots ausgestrahlt, dürfen sie
nicht durch einWerbelogo von dem übrigen Teil der Sendung getrennt werden.
(4) Dauerwerbesendungen für Kinder sind unzulässig.
32
Typisches Beispiel ist die Sendung „Der Preis ist heiß“ (1989 bis 1997 auf RTL), bei der
weniger die Kandidaten, als vielmehr die Produkte im Vordergrund standen:
Typische Dauerwerbesendung: „Der Preis ist heiß“
s. auch: Videobeispiel Nr. 1 Klassische Dauerwerbesendung
Auch wenn die Definition der Dauerwerbesendung relativ eindeutig erscheint, kann die
Abgrenzung zum Product Placement und zur Schleichwerbung im Einzelfall schwierig
werden:
So kritisierte nach der sog. Wok-WM 2007 (wird seit 2003 jährlich vom deutschen
Privatsender ProSieben live ausgestrahlt), die Medienaufsicht der Landesmedienanstalten
Schleichwerbung während der Veranstaltung.
Während ProSieben argumentiert, dass die auf den Anzügen der Sportler, den Renngeräten
und der Rennstrecke angebrachten Firmenlogos die allgemein übliche Banden- und
Trikotwerbung sei, sieht die Medienaufsicht hierbei eine unzulässige Vermischung von
Programm und Werbung. Obwohl ProSieben laut eigenen Aussagen kein Geld von den
Firmen für die Bandenwerbung erhält, ist die Firma, welche die Werbeflächen vermietet, eine
hundertprozentige Tochter von ProSieben.
Am 11. Dezember 2008 hat das Verwaltungsgericht Berlin die Klage von ProSieben gegen
einen Beanstandungs- und Untersagungsbescheid der Medienanstalt Berlin-Brandenburg
33
(MABB) zurückgewiesen. Demnach sei die ProSiebenSat.1 Media AG für die unzulässige
optische und verbale Einbindung von Markennamen verantwortlich:
VG Berlin 27. Kammer,
Urteil v.
11.12.2008, Az.:27 A 132.08
Aus diesem Grund kennzeichnete ProSieben das Wok-WM Qualifying am 6. März 2009 und
die Wok-WM 2009 am 7. März 2009 auch als „Dauerwerbesendung“.
In diesem Jahr erstmals als Dauerwerbesendung deklariert: Die Wok-WM auf Pro 7
s. auch: Videobeispiel Nr. 2 Dauerwerbesendung Wok-WM
Nach Punkt 8 Abs. 2 der Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten für die
Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das
Sponsoring im Fernsehen sind Dauerwerbesendungen für Kinder unzulässig. Dies ist dem
besonderen Schutz von Minderjährigen geschuldet, die vor zu starker Beeinflussung durch
Werbung geschützt werden sollen. Ob dies, auch im Bereich des Product Placment gilt soll im
Folgenden geklärt werden.
34
6. Jugendschutzaspekte
Zwar enthält die EG-Fernsehrichtlinie (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste Richtlinie 2007/65/EG, vom 11. Dezember 2007, in Kraft getreten am 19. Dezember 2007)
auch Regelungen bezüglich des Jugendschutzes bereit:
g) Audiovisuelle Kommunikation darf nicht zur körperlichen oder seelischen
Beeinträchtigung Minderjähriger führen. Daher darf sie keine direkten Aufrufe
zum Kaufen oder Mieten von Waren oder Dienstleistungen an Minderjährige
richten,
die
deren
Unerfahrenheit
und
Leichtgläubigkeit
ausnutzen,
Minderjährige nicht unmittelbar dazu auffordern, ihre Eltern oder Dritte zum
Kauf der beworbenen Ware oder Dienstleistung zu bewegen, nicht das
besondere Vertrauen ausnutzen, das Minderjährige zu Eltern, Lehrern und
anderen Vertrauenspersonen haben, und Minderjährige nicht ohne berechtigten
Grund in gefährlichen Situationen zeigen.
Somit ist lediglich festgelegt, dass keine direkten Kaufaufforderungen an Minderjährige
erfolgen dürfen. Solche sind aber im Bereich des Product Placement ohnehin nicht üblich.
Trotzdem ist davon auszugehen, dass Produktplatzierungen auf Kinder und Jugendliche
großen Einfluss haben. Selbst die von der Richtlinie vorgesehene Kennzeichnung von
Produktplatzierungen in der Sendung dürfte Kinder und Jugendliche nicht dazu befähigen,
rational über den manipulativen Gehalt der von ihnen gesehenen Programme zu urteilen.
So kommen einige extreme Beispiele der Produktplatzierungen auch gerade aus dem Bereich
der Kinder und Jugendsendungen:
Zur Veranschaulichung sei hier der Film „Joy Stick Heroes“ (Originaltitel: The Wizard)
genannt, in dem während des gesamten Films Nintendo-Produkte Hauptbestandteile der
Handlung sind (mit einer Ausnahme, in dem der „Universal Studios Hollywood“ –
Erlebnispark beworben wird). Der Film handelt von einem Videospielwettbewerb in dessen
Finale das Spiel Super Mario Bros. 3 gespielt wird, das hier, kurz vor dessen offiziellem
Verkaufsstart, zum ersten Mal außerhalb Japans vorgestellt wurde.
35
Joy Stick Heroes: Produktplatzierungen im Kinderfilm
s. auch: Videobeispiel Nr. 3. Szene mit dem Nintendo Power Glove
Teilweise gestaltet sich die Abgrenzung von Programm und Werbung im Bereich der
Kinderunterhaltung als äußerst schwierig. Ein gutes Beispiel dafür ist der Disney-Channel.
Die „Walt Disney Company“ produziert und vertreibt hauptsächlich Kinderfilme und –Serien
bzw. Merchendise-Artikel mit Bezug zu den eigenen Produktionen. Wenn auf dem DisneyChannel den ganzen Tag nur Eigenproduktionen gesendet werden, ist dies faktisch die
effektivste Werbung.
36
Der Disney Channel: Werbung in eigener Sache
Vor massivem Product Placement, wie in diesen Beispielen bietet auch die EU-Richtlinie
keinen effektiven Schutz. Dabei wird in der Begründung der Richtlinie (2007/65/EG) vom 11.
Dezember 2007 auch weniger auf die Problematik des Schutzes der Kinder vor kommerzieller
Beeinflussung eingegangen, als vielmehr auf den Schutz von sog. „schädlichen Inhalten“ (die
Begründung findet sich im Amtsblatt der europäischen Union vom 18.12.2007 L 332/27).
So heißt es unter Punkt 44 und 45 der Begründung:
„Die Verfügbarkeit schädlicher Inhalte im Bereich der audiovisuellen
Mediendienste gibt nach wie vor Anlass zur Sorge für den Gesetzgeber, die
Medienbranche und die Eltern. Gerade im Zusammenhang mit neuen Plattformen
und neuen Produkten werden hier neue Herausforderungen entstehen. Deshalb ist
es notwendig, Vorschriften zum Schutz der körperlichen, geistigen und sittlichen
Entwicklung Minderjähriger sowie zur Wahrung der Menschenwürde in allen
audiovisuellen Mediendiensten, einschließlich der audiovisuellen kommerziellen
Kommunikation,zu erlassen.“
„Etwaige Maßnahmen zum Schutz der körperlichen, geistigen und sittlichen
Entwicklung Minderjähriger und zur Wahrung der Menschenwürde sollten
sorgfältig gegen das in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
37
verankerte Grundrecht auf Meinungsfreiheit abgewogen werden. Ziel dieser
Maßnahmen, wie z. B. Verwendung persönlicher Identifizierungskennzahlen (PINCodes), Filtersystemen oder Kennzeichnungen, sollte daher die Gewährleistung
eines angemessenen Schutzes der körperlichen, geistigen und sittlichen
Entwicklung Minderjähriger und des Schutzes der Menschenwürde, insbesondere
in Bezug auf audiovisuelle Mediendienste auf Abruf, sein. […]
Eine Überlegung für die Zukunft könnte sein, den Begriff der Schädlichkeit auch auf zu starke
kommerzielle Beeinflussung von Minderjährigen auszudehnen und auch auf diesem Bereich
strikte Regelungen zu treffen, bzw. mit Decoder- und Pin- Systemen zu arbeiten, um diesen
Jugendschutz auch aktiv durchzusetzen. Während Erwachsene sich durch eine ausreichende
Kennzeichnung
von Produktplatzierungen eigenverantwortlich für oder gegen ein
Sendeformat entscheiden können, ist dies Minderjährigen nicht möglich.
38
2. Teil: Urheberrecht, insb. UrhG
I. Quellen des Urheberrechts
1. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 erklärt in Art. 27
Abs. 2, dass jeder Mensch das Recht auf Schutz seiner ideellen und materiellen Interessen hat,
die sich aus der wissenschaftlichen, literarischen und künstlerischen Produktion ergeben,
deren Urheber er ist.
2. Grundgesetz
Der
Kern
des
Urheberrechtsschutzes
ist
in
der
Bundesrepublik
Deutschland
verfassungsrechtlich gewährleistet. Die vermögensrechtlichen Ansprüche des Urhebers
werden durch die Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 GG gewährleistet und der Schutz der
ideellen Interessen des Urhebers durch die Unantastbarkeit der Würde des Menschen ( Art. 1
GG) und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) sowie schließlich auch
durch die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG).
3. Einfach gesetzliche Grundlagen
Grundlage des Urheberrechts in Deutschland ist das „Gesetz über Urheberrecht und
verwandte Schutzrechte“ vom 09.September 1965, zuletzt geändert durch das Gesetz vom
26.10.2007 (UrhG).
Das Recht der Verwertungsgesellschaften ist geregelt durch das „ Gesetz über die
Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten vom 09.09. 1965, zuletzt
geändert durch das „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“
vom 26.10.2007 (UrhWG).
39
4. Internationale Verträge
Zu den Quellen des Urheberrechts zählen auch internationale Verträge:
a) Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom 09.09.1886,
insbesondere in seiner Fassung vom 24.Juli 1971,
b) „Welturheberrechtsabkommen“ vom 06.09.1952 in dessen Pariser Fassung vom 24. Juli
1971
c) Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums
(TRIPS) vom 15. April 1994
d) WIPO-Urheberrechtsvertrag vom 21. Dezember 1996
Zum internationalen Schutz der Leistungsschutzrechte:
a) Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und
der Sendeunternehmer (Rom-Abkommen) vom 26.Oktober 1961
b) WIPO-Vertrag über Darbietungen von Tonträgern (WPPT) vom 21. Dezember 1996
c) Übereinkommen zum Schutz der Hersteller von Tonträgern gegen unerlaubte
Vervielfältigungen ihrer Tonträger, vom 29 Oktober 1971
d) Übereinkommen über die Verbreitung der durch Satelliten übertragenen
programmtragenden Signale vom 21. Mai 1974 und 21. März 1983
e) Europäische Konvention über urheber- und leistungsschutzrechtliche Fragen im Bereich
des grenzüberschreitenden Satellitenrundfunks
40
II. Der Werkbegriff des Urheberrechts
bestimmt, dass die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst für ihre Werke
Schutz nach Maßgabe des Gesetzes genießen.
§ 1 Urheberrechtsgesetz lautet:
§ 1 UrhG
Allgemeines
„Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke
Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes.“
Der Gesetzgeber stellt damit den Urheber in den Mittelpunkt des gesetzlichen Schutzes und
nicht dessen Werk.
Das UrhG stellt keine unterschiedlichen Anforderungen an den Werkbegriff für die einzelnen
in § 2 Abs. 1 UrhG genannten Werkkategorien. Der Werkbegriff ist einheitlich. Er gilt für alle
werke, die der Literatur, Wissenschaft und Kunst zugeordnet werden können.
§ 2 Urheberrechtsgesetz lautet:
§ 2 UrhG
Geschützte Werke
„(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören
insbesondere:
1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;
2. Werke der Musik;
3. pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;
4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der
angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen
werden;
41
6. Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;
7. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne,
Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.
(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.“
III. Der Urheber
§ 7 UrhG
Urheber ist der Schöpfer des Werkes
Der Urheber ist der Schöpfer des Werkes (§ 7 UrhG). Das deutsche Urhebergesetz geht vom
Schöpferprinzip aus. Dies bedeutet: Die Person, die das betreffende Werk geschaffen hat, ist
der Urheber. Es kommt nicht darauf an, ob die Person geschäftsfähig ist oder nicht.
IV. Die Rechte des Urhebers
§ 11 UrhG
Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum
Werk und in der Nutzung des Werkes. Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen
Vergütung für die Nutzung des Werkes
Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum
Werk und in der Nutzung des Werkes. Es dient ferner der Sicherung einer angemessenen
Vergütung für die Nutzung des Werkes (§ 11 UrhG). Diese Regelung bringt zum Ausdruck,
dass durch das Urheberrecht unmittelbar zum einen die persönlichkeitsrechtlichen durch das
Urheberpersönlichkeitsrecht, und zum anderen die vermögensrechtlichen Aspekte durch die
Verwertungsrechte des Urhebers geschützt werden.
V. Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch
Der Gesetzgeber hat 1965 mit der Neufassung des Urheberrechts versucht, die
wirtschaftlichen Auswirkungen der technischen Neuerungen, die durch die Kopier- und
Vervielfältigungsmöglichkeiten entstanden sind, auszugleichen.
42
In § 53 UrhG sind die Fälle, in denen die Vervielfältigung ohne die Erlaubnis des Urhebers
zulässig ist, festgehalten.
§ 53 UrhG
(1) Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum
privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar
Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig
hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Der zur
Vervielfältigung Befugte darf die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen
lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder
einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer
Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt.
(2) Zulässig ist, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes herzustellen oder herstellen zu
lassen
1.
zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch, wenn und soweit die Vervielfältigung zu
diesem Zweck geboten ist und sie keinen gewerblichen Zwecken dient,
2.
zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem
Zweck geboten ist und als Vorlage für die Vervielfältigung ein eigenes Werkstück
benutzt wird,
3.
zur eigenen Unterrichtung über Tagesfragen, wenn es sich um ein durch Funk
gesendetes Werk handelt,
4.
zum sonstigen eigenen Gebrauch,
a)
wenn es sich um kleine Teile eines erschienenen Werkes oder um einzelne Beiträge
handelt, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind,
b)
wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt.
Dies gilt im Fall des Satzes 1 Nr. 2 nur, wenn zusätzlich
1.
die Vervielfältigung auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger
photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung
vorgenommen wird oder
2.
eine ausschließlich analoge Nutzung stattfindet oder
3.
das Archiv im öffentlichen Interesse tätig ist und keinen unmittelbar oder mittelbar
wirtschaftlichen oder Erwerbszweck verfolgt.
Dies gilt in den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 und 4 nur, wenn zusätzlich eine der
Voraussetzungen des Satzes 2 Nr. 1 oder 2 vorliegt.
43
(3) Zulässig ist, Vervielfältigungsstücke von kleinen Teilen eines Werkes, von Werken von
geringem Umfang oder von einzelnen Beiträgen, die in Zeitungen oder Zeitschriften
erschienen oder öffentlich zugänglich gemacht worden sind, zum eigenen Gebrauch
1.
zur Veranschaulichung des Unterrichts in Schulen, in nichtgewerblichen
Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie in Einrichtungen der Berufsbildung
in der für die Unterrichtsteilnehmer erforderlichen Anzahl oder
2.
für staatliche Prüfungen und Prüfungen in Schulen, Hochschulen, in
nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie in der
Berufsbildung in der erforderlichen Anzahl
herzustellen oder herstellen zu lassen, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck
geboten ist. Die Vervielfältigung eines Werkes, das für den Unterrichtsgebrauch an Schulen
bestimmt ist, ist stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.
(4) Die Vervielfältigung
a)
graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik,
b)
eines Buches oder einer Zeitschrift, wenn es sich um eine im wesentlichen vollständige
Vervielfältigung handelt,
ist, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit Einwilligung des
Berechtigten zulässig oder unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 oder zum
eigenen Gebrauch, wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk
handelt.
(5) Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 sowie Absatz 3 Nr. 2 finden keine Anwendung auf
Datenbankwerke, deren Elemente einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel zugänglich sind.
Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 sowie Absatz 3 Nr. 1 finden auf solche Datenbankwerke mit der
Maßgabe Anwendung, dass der wissenschaftliche Gebrauch sowie der Gebrauch im
Unterricht nicht zu gewerblichen Zwecken erfolgen.
(6) Die Vervielfältigungsstücke dürfen weder verbreitet noch zu öffentlichen Wiedergaben
benutzt werden. Zulässig ist jedoch, rechtmäßig hergestellte Vervielfältigungsstücke von
Zeitungen und vergriffenen Werken sowie solche Werkstücke zu verleihen, bei denen kleine
beschädigte oder abhanden gekommene Teile durch Vervielfältigungsstücke ersetzt worden
sind.
(7) Die Aufnahme öffentlicher Vorträge, Aufführungen oder Vorführungen eines Werkes auf
Bild- oder Tonträger, die Ausführung von Plänen und Entwürfen zu Werken der bildenden
Künste und der Nachbau eines Werkes der Baukunst sind stets nur mit Einwilligung des
Berechtigten zulässig.
44
VI. Verwertungsrechte des Urhebers
§ 15 UrhG
(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten;
das Recht umfaßt insbesondere
1.
das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
2.
das Verbreitungsrecht (§ 17),
3.
das Ausstellungsrecht (§ 18).
(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form
öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen
Wiedergabe umfasst insbesondere
1.
das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
2.
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
3.
das Senderecht (§ 20),
4.
das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
5.
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher
Zugänglichmachung (§ 22).
(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der
Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das
Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form
wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.
- Nutzungsverträge, insbesondere Verlagsgesetz (VerlG)
- BGH-Entscheidung „Metall auf Metall“, BGH, GRUR 2009, 403 ff.
VII. Die Verwertungsgesellschaften
Vielfach sind die Urheber und Leistungsschutzberechtigten nicht in der Lage, selbst ihre
Rechte effektiv wahrzunehmen. Die massenhafte Werknutzung macht also eine schlagkräftige
Organisation erforderlich, die sich anlässlich dieser Rechtsverwertung durchsetzt und sowohl
zum Abschluss der erforderlichen Lizenzverträge in der Lage und bereit ist als auch über
ausreichende Kontrollmöglichkeiten verfügt und Rechtsverletzungen verfolgen kann.
45
Solche sog. Verwertungsgesellschaften sind Vereine oder Unternehmen , die
Nutzungsrechte, Einwilligungsrechte oder Vergütungsansprüche, die sich aus dem
Urheberrechtsgesetz ergeben, für Rechnungen mehrerer Urheber oder Inhaber verwandter
Schutzrechte zur gemeinsamen Auswertung wahrnehmen (§ 1 UrhWahrnG).
§ 1 UrhWahrnG
(1) Wer Nutzungsrechte, Einwilligungsrechte oder Vergütungsansprüche, die sich aus dem
Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 1273) ergeben, für
Rechnung mehrerer Urheber oder Inhaber verwandter Schutzrechte zur gemeinsamen
Auswertung wahrnimmt, bedarf dazu der Erlaubnis, gleichviel, ob die Wahrnehmung in
eigenem oder fremdem Namen erfolgt.
(2) Absatz 1 ist auf die gelegentliche oder kurzfristige Wahrnehmung der bezeichneten Rechte
und Ansprüche nicht anzuwenden.
(3) Wer ohne die nach Absatz 1 erforderliche Erlaubnis tätig wird, kann die ihm zur
Wahrnehmung anvertrauten Rechte oder Ansprüche nicht geltend machen. Ihm steht das
Antragsrecht nach § 109 des Urheberrechtsgesetzes nicht zu.
(4) Übt eine juristische Person oder eine Personengemeinschaft die in Absatz 1 bezeichnete
Tätigkeit aus, so ist sie Verwertungsgesellschaft im Sinne dieses Gesetzes. Übt eine einzelne
natürliche Person die in Absatz 1 bezeichnete Tätigkeit aus, so sind auf sie die in diesem
Gesetz für Verwertungsgesellschaften getroffenen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden.
In Deutschland gibt es mehrere Verwertungsgesellschaften. Zu den bekanntesten gehört die
GEMA
(Gesellschaft
für
musikalische
Aufführungsund
mechanische
Vervielfältigungsrechte). Weitere Verwertungsgesellschaften sind u.a. die VG-Wort (Rechte
von Autoren und Verlegern), die GVL (Rechte der ausübenden Künstler, Veranstalter,
Tonträgerhersteller, Hersteller von Videoclips) und die VG-Bildkunst (Rechte der Urheber
von Lichtbildwerken, Filmwerken und Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art)
VIII. Rechtsverletzungen
1. Zivilrechtliche Ansprüche:
§ 96 UrhG
(1) Rechtswidrig hergestellte Vervielfältigungsstücke dürfen weder verbreitet noch zu
öffentlichen Wiedergaben benutzt werden.
(2) Rechtswidrig veranstaltete Funksendungen dürfen nicht auf Bild- oder Tonträger
aufgenommen oder öffentlich wiedergegeben werden
In § 96 UrhG sieht das Gesetz ein Verwertungsverbot für rechtswidrig hergestellte
Vervielfältigungsstücke oder rechtswidrig veranstaltete Funksendungen vor.
46
Unter §§ 97 ff. UrhG hat der Gesetzgeber die zivilrechtlichen Ansprüche zusammengefasst.
Die bedeutendsten Ansprüche in diesem Zusammenhang sind die Ansprüche auf Beseitigung
der Beeinträchtigung, Unterlassung und Schadensersatz (§ 97 UrhG), sowie die zur
Durchsetzung dieser Ansprüche erforderlichen Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung
und Besichtigung.
§ 97 UrhG (Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz)
(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht
widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei
Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf
Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des
daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann
auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat,
berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des
Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten
müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber,
Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§
73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung
in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.
§ 97a UrhG (Abmahnung)
(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf
Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer
angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die
Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt
werden.
(2) Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher
Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen
mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100
Euro.
§ 98 UrhG (Anspruch auf Vernichtung, Rückruf und Überlassung)
(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht
widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum
des Verletzers befindlichen rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen
Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist
entsprechend auf die im Eigentum des Verletzers stehenden Vorrichtungen anzuwenden, die
vorwiegend zur Herstellung dieser Vervielfältigungsstücke gedient haben.
47
(2) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht
widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Rückruf von rechtswidrig hergestellten,
verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücken oder
auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch genommen werden.
(3) Statt der in Absatz 1 vorgesehenen Maßnahmen kann der Verletzte verlangen, dass ihm
die Vervielfältigungsstücke, die im Eigentum des Verletzers stehen, gegen eine angemessene
Vergütung, welche die Herstellungskosten nicht übersteigen darf, überlassen werden.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 sind ausgeschlossen, wenn die Maßnahme im
Einzelfall unverhältnismäßig ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind auch die
berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen.
(5) Bauwerke sowie ausscheidbare Teile von Vervielfältigungsstücken und Vorrichtungen,
deren Herstellung und Verbreitung nicht rechtswidrig ist, unterliegen nicht den in den
Absätzen 1 bis 3 vorgesehenen Maßnahmen
§ 100 UrhG (Entschädigung)
Handelt der Verletzer weder vorsätzlich noch fahrlässig, kann er zur Abwendung der
Ansprüche nach den §§ 97 und 98 den Verletzten in Geld entschädigen, wenn ihm durch die
Erfüllung der Ansprüche ein unverhältnismäßig großer Schaden entstehen würde und dem
Verletzten die Abfindung in Geld zuzumuten ist. Als Entschädigung ist der Betrag zu zahlen,
der im Fall einer vertraglichen Einräumung des Rechts als Vergütung angemessen wäre. Mit
der Zahlung der Entschädigung gilt die Einwilligung des Verletzten zur Verwertung im
üblichen Umfang als erteilt.
§ 104 UrhG (Rechtsweg)
Für alle Rechtsstreitigkeiten, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz
geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, (Urheberrechtsstreitsachen) ist der
ordentliche Rechtsweg gegeben. Für Urheberrechtsstreitsachen aus Arbeits- oder
Dienstverhältnissen, die ausschließlich Ansprüche auf Leistung einer vereinbarten Vergütung
zum Gegenstand haben, bleiben der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen und der
Verwaltungsrechtsweg unberührt.
2. Straf- und Bußgeldvorschriften:
Neben den zivilrechtlichen Maßnahmen hat der Gesetzgeber in §§ 106 ff. UrhG straf- und
bußgeldrechtliche Bestimmungen bei einer Verletzung dieser Rechte erlassen. Als besondere
Schutzmaßnahme gegen die Piraterie ermöglicht der Gesetzgeber eine Grenzbeschlagnahme
von möglicherweise rechtswidrig hergestellten Vervielfältigungsstücken gemäß § 111b UrhG.
§ 106 UrhG (Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke)
(1) Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des
Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt,
verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
48
- Problem der Funktionalisierung des strafrechtliche Schutzes, § 406e StPO
§ 406e StPO
(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder
diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie
amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse
darlegt. In den in § 395 genannten Fällen bedarf es der Darlegung eines berechtigten
Interesses nicht.
(2) Die Einsicht in die Akten ist zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen
des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. Sie kann versagt werden, soweit
der Untersuchungszweck gefährdet erscheint oder durch sie das Verfahren erheblich verzögert
würde.
(3) Auf Antrag können dem Rechtsanwalt, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die
Akten mit Ausnahme der Beweisstücke in seine Geschäftsräume oder seine Wohnung
mitgegeben werden. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(4) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach
rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im übrigen der Vorsitzende
des mit der Sache befaßten Gerichts. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach
Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161a Abs. 3 Satz 2 bis 4 beantragt
werden. Die Entscheidung des Vorsitzenden ist unanfechtbar. Diese Entscheidungen werden
nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck
gefährdet werden könnte.
(5) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können dem Verletzten Auskünfte und
Abschriften aus den Akten erteilt werden; die Absätze 2 und 4 sowie § 478 Abs. 1 Satz 3 und
4 gelten entsprechend.
(6) § 477 Abs. 5 gilt entsprechend.
- Exkurs: Verfahrensgrundsätze
- Gewerbsmäßigkeit - „The Pirate Bay“-Fall in Deutschland
§ 108a UrhG (Gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung)
(1) Handelt der Täter in den Fällen der §§ 106 bis 108 gewerbsmäßig, so ist die Strafe
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(2) Der Versuch ist strafbar.
49
3. Teil: Strafrechtliche Aspekte des Product Placements
Immer wieder kommt es zu Strafverfahren mit Bezug zum Product Placement. Ist die
Produktplatzierung selbst auch keine Straftat, ergeben sich doch regelmäßig Bezugspunkte zu
gängigen Strafvorschriften. In Betracht kommen insbesondere:
I. Betrug
§ 263 StGB
Betrug
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu
verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung
falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt
oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn
Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von
Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die
fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes
von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache
von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise
zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
50
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als
Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis
264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) Die §§ 43a und 73d sind anzuwenden, wenn der Täter als Mitglied einer Bande handelt,
die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269
verbunden hat. § 73d ist auch dann anzuwenden, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt.
II. Untreue
§ 266 StGB
Untreue
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte
Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht
oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines
Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt
und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
III. Bestechlichkeit und Bestechung
§ 299 StGB
Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr
(1) Wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen
Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich
versprechen läßt oder annimmt, daß er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder
gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einem
Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil für diesen oder
einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er ihn oder
einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise
bevorzuge.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Handlungen im ausländischen Wettbewerb.
51
IV. Beispielsfälle aus dem Strafrecht, Lösungen im Gutachtenstil
a) Beispielsfall Betrug § 263 StGB
T ist Geschäftsführer einer großen Filmproduktionsfirma in Deutschland. Er einigt sich mit O,
einem Angestellten eines Filmverleihers ist an einer Übernahme der Kneipe des T
interessiert. Dessen Versicherung, das Gasthaus "gehe gut", überzeugt O. Er erwirbt das Haus
zu einem weit über dem wirklichen Wert liegenden Preis. Später stellt sich heraus, dass sich wie schon zu Zeiten des T -kaum ein Gast in die Kneipe verirrt.
Frage: Hat sich T gemäß § 263 strafbar gemacht?
Losungsskizze:
Strafbarkeit des T gemäß § 263 I zum Nachteil des O ?
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a. Täuschung über Tatsachen?
Verhalten, das irreführend auf die Vorstellung eines anderen über Tatsachen (= vergangene
oder gegenwärtige Vorgänge oder Zustände) einwirken soll
HIER (+) -> eigentlich handelt es sich bei der Äußerung des T um eine subjektive
Einschätzung, also um ein bloßes Werturteil; es enthält aber eine konkrete Aussage über
Eigenschaften des Gasthauses, nämlich den objektivierbaren Tatsachenkern, dass das Haus
Gewinn abwirft (a.A. noch vertretbar)
(darauf kausal beruhender) Irrtum? (+)
(darauf kausal beruhende) Vermögensverfügung ? (+)
(darauf kausal beruhender) Vermögensschaden ? (+)
also: objektiver Tatbestand (+)
2. Subjektiver Tatbestand
Vorsatz? (+)
Absicht der rechtswidrigen Bereicherung? (+)
(Stoffgleichheit) ?(+)
also: subjektiver Tatbestand (+)
3. also: Tatbestand (+)
II. Rechtswidrigkeit (+)
III. Schuld (+)
IV. Ergebnis:
Strafbarkeit des T gemäß § 263 I zum Nachteil des O (+)
Formulierungsvorschlag im sog. Gutachtenstil:
Strafbarkeit des T gemäß § 263 I zum Nachteil des O
T könnte sich durch die Versicherung, die Kneipe "gehe gut", gemäß § 263 I zum Nachteil
des O strafbar gemacht haben.
52
I. Dazu müsste T zunächst über Tatsachen getäuscht haben.
Tatsachen sind vergangene oder gegenwärtige Vorgänge oder Zustände. Sie sind somit von
bloßen Werturteilen abzugrenzen. T hat mit seiner Behauptung nicht unmittelbar einen
Vorgang oder Zustand beschrieben, sondern lediglich seine persönliche Wertung
wiedergegeben. Es scheint sich daher auf den ersten Blick um ein Werturteil zu handeln.
Der Aussage des T ist aber lebensnah eine Beschreibung von Eigenschaften des Gasthauses
zu entnehmen, nämlich dass sich mit dem Haus ein guter Gewinn erzielen lässt. Diese
Beschreibung bezieht sich auf die Vergangenheit und die Gegenwart. Das Werturteil enthält
einen objektivierbaren Tatsachenkern. Insofern bezieht sich die Angabe des T auf eine
Tatsache.
T hat irreführend auf die Vorstellung des O eingewirkt, also über eine Tatsache getäuscht.
O hat sich daraufhin entsprechend geirrt.
Durch Zahlung des Kaufpreises hat O aufgrund dessen über sein Vermögen verfügt.
Er hat keinen entsprechenden Gegenwert erhalten, also durch die Verfügung einen
Vermögensschaden erlitten.
T handelte vorsätzlich.
Er hatte weiterhin die Absicht der rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherung.
II. Die Tat geschah rechtswidrig.
III. T handelte schuldhaft.
IV. Somit hat sich T durch seine Behauptung gemäß § 263 I zum Nachteil des
O strafbar gemacht.
b) Beispielsfall Untreue
P ist als Prokurist bei der Firma G angestellt. Weil sich andeutet, dass der wirtschaftlich labile
Geschäftspartner L in naher Zukunft zahlungsunfähig sein wird, erhält P von seinem Chef die
ausdrückliche Weisung, in Zukunft keine Verträge mehr mit L abzuschließen. Als ein
verlockendes Angebot zum Kauf mehrerer Dutzend Porzellanwindhunde von L eingeht, kann
P nicht widerstehen und lässt sich auf das Geschäft ein.
Frage: Hat sich P gemäß § 266 strafbar gemacht?
Lösungsskizze
Strafbarkeit des P gemäß § 266 I Var. 1 zum Nachteil der Fa. G ?
I.
Tatbestand
1.
Objektiver Tatbestand
a.
Missbrauch einer rechtsgeschäftlichen Befugnis, einen anderen zu verpflichten?
=
Überschreitung des rechtlichen Dürfens im Innenverhältnis im Rahmen des rechtlichen
Könnens im Außenverhältnis
HIER (+) -> P konnte G wirksam verpflichten; die interne Beschränkung der Prokura spielt
im Außenverhältnis zu L keine Rolle (vgl. §§ 49, 50 HGB)
b. Vermögensbetreuungspflicht ?
=
Hauptpflicht von einiger Bedeutung
HIER (+) -> der Prokurist handelt selbständig, er hat eine bedeutende Hauptpflicht zur
Vermögensbetreuung
c. (kausal auf dem Missbrauch beruhender) Vermögensnachteil ?
53
=
Wertminderung des Vermögens in seinem Gesamtbestand
HIER (+) -> ausdrücklich vom Chef verbotenes Risikogeschäft; konkrete
Vermögensgefährdung
d. also: objektiver Tatbestand (+)
2. Subjektiver Tatbestand -Vorsatz? (+)
3. also: Tatbestand (+)
II. Rechtswidrigkeit (+)
III. Schuld (+)
IV. Ergebnis:
Strafbarkeit des P gemäß § 266 I Var. 1 zum Nachteil der Firma G (+)
Formulierungsvorschlag
Strafbarkeit des P gemäß § 266 I Var. 1 zum Nachteil der Firma G
P könnte sich durch den Vertragsabschluß gemäß § 266 I Var. 1 zum Nachteil der Firma G
strafbar gemacht haben.
I. Dann müsste er eine in § 266 I genannte Befugnis missbraucht haben. In Betracht kommt
die rechtsgeschäftliche Befugnis, einen anderen zu verpflichten. Die rechtsgeschäftlich erteilte
Prokura berechtigt P gemäß § 49 HGB auch zum Abschluss verpflichtender Verträge.
P müsste trotz der Weisung des Chefs auch zum Vertragsschluss mit L berechtigt gewesen
sein. Die interne Beschränkung der Prokura spielt gemäß § 50 HGB im Außenverhältnis keine
Rolle. Somit war P extern zum vorgenommenen Geschäft befugt, er konnte es wirksam
abschließen.
Er hat dabei allerdings die ausdrückliche interne Beschränkung missachtet. P hat im Rahmen
seines externen rechtlichen Könnens das interne rechtliche Dürfen überschritten.
Folglich hat er die rechtsgeschäftliche Befugnis, einen anderen zu verpflichten, missbraucht.
Dass der Missbrauchstatbestand weiter eine Vermögensbetreuungspflicht dem Opfer
gegenüber erfordert, ist nicht ganz unumstritten. Die Frage nach dem Erfordernis kann aber
dahinstehen, wenn die Vermögensbetreuungspflicht vorliegt.
Es muss sich dabei um eine Hauptpflicht von nicht unerheblicher Bedeutung handeln. Der
Prokurist handelt weitgehend selbständig und genießt besonderes Vertrauen. Seine
Hauptpflicht besteht angesichts der umfassenden Vollmacht gerade darin, das Vermögen des
Kaufmanns zu betreuen.
Mithin hatte P die überwiegend auch beim Missbrauchstatbestand für erforderlich gehaltene
Vermögensbetreuungspflicht.
Schließlich müsste der Firma G durch das Verhalten des P ein Nachteil entstanden sein. Dazu
ist eine Wertminderung des Vermögens in seinem Gesamtbestand erforderlich. Es genügt
bereits eine hinreichend konkrete Vermögensgefährdung.
Angesichts der drohenden Zahlungsunfähigkeit des L hat P ein wirtschaftlich äußerst
riskantes Geschäft getätigt. Er hat -zumal unter Missachtung der ausdrücklichen Anweisung
des Chefs entgegen den Regeln kaufmännischer Sorgfalt eine erhebliche Verlustgefahr auf
sich genommen. Damit war das Vermögen der Firma G konkret gefährdet, eine
Wertminderung liegt vor.
Der Firma G ist somit durch das Verhalten des P ein Nachteil entstanden.
P handelte vorsätzlich.
54
II. Die Tat geschah rechtswidrig.
III. P handelte schuldhaft.
V. Beispiele aus der Praxis
a) Fall „Jürgen Emig“ HR
Am 02.10.2008 befand das Frankfurter Landgericht den 63 Jahre alten TV-Moderator für
schuldig, zwischen 2001 und 2004 mehr als 300 000 Euro aus Schmiergeldern und
Schleichwerbung in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Der HR sei um mindestens
285 000 Euro geschädigt worden. Emig, der im Prozess weitgehend geständig war, wurde
wegen Untreue und Bestechlichkeit sowie der Beihilfe zur Bestechung verurteilt. Das Gericht
wies dem Sender eine Mitverantwortung zu: Es sei Herrn Emig schon zu leicht gemacht
worden, sagte der Vorsitzende Richter Christopher Erhard.
Emig war über seine Frau verdeckt an der Vermarktungsagentur SMP beteiligt. Die Firma
kassierte Produktionszuschüsse - sogenannte Beistellungen - von Veranstaltern von
Randsportarten für Sendungen. Einen Teil des Geldes behielt Emig für sich.
b) Fall „Wilfried Mohren“ MDR
Der frühere Fernsehsportchef des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Wilfried Mohren, ist
am 29.09.2009 wegen Bestechlichkeit zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden.
Zudem muss der 51-Jährige 8250 Euro Geldstrafe zahlen. Das Landgericht Leipzig verurteilte
ihn am Dienstag auch wegen Vorteilsannahme, Steuerhinterziehung und Betruges.
Mohren hatte jahrelang am MDR vorbei Geld von Sponsoren kassiert, um bestimmte SportVeranstaltungen werbewirksam im Fernsehen zu zeigen.
Seine Ehefrau wurde wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit zu 6600 Euro Geldstrafe verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft hatte Mohren insgesamt 19 Fälle von Bestechlichkeit vorgeworfen.
Unter anderem berichtete der MDR über ein Hallen-Fußballturnier, mit dessen Sponsor
Mohren einen Beratervertrag hatte. Die Wirtschaftsstrafkammer entschied, dass Mohren als
Sportchef des öffentlich-rechtlichen MDR als Amtsträger anzusehen sei – und deshalb wegen
Bestechlichkeit zu verurteilen war.Mohren hat sich verpflichtet, den Schaden für den MDR
wieder gut zu machen und will 380.000 Euro an den Sender zahlen. Das sei der Rest seiner
55
finanziellen Mittel. Das Gericht wertete diesen Vergleich mit dem MDR unmittelbar vor
Prozessbeginn als strafmildernd.
c) Aufbau eines Strafurteils
Jedes Urteil besteht aus den drei großen Abschnitten: Kopf - Formel - Gründe.
Grundsätzliche Abweichungen zum Zivilrecht (dort: Rubrum - Tenor - Tatbestand Entscheidungsgründe) ergeben sich hieraus jedoch nicht, da auch im Strafurteil ein
Tatbestand auftaucht, und zwar als zweiter Unterpunkt der Urteilsgründe (gedanklich mit
„Feststellungen“ überschrieben).
I. Kopf
II. Formel
1. Schuldspruch
2. Rechtsfolgenausspruch
ggf. inkl. Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung, Nebenstrafe, Maßregeln
der Besserung uns Sicherung
3. Kostenentscheidung
4. Liste der angewendeten Vorschriften
III. Gründe
1. Persönliche Verhältnisse
2. Feststellungen
3. Beweiswürdigung
4. Rechtliche Würdigung
5. Strafzumessung
6. Begründung der Nebenentscheidungen
56
4. Teil – Grundrechtliche Aspekte und Fallübungen
A. Zur juristischen Gutachtentechnik
In einem juristischen Gutachten muss zunächst eine Ausgangsfrage ermittelt werden, aus der
sich ergibt, was in dem Gutachten zu klären ist.
Generell gilt dafür die Formel:
Wer?
will was?
von wem?
woraus?
Die Frage „woraus?“ meint die Vorschrift, aus der sich der Anspruch ergibt (sog.
„Anspruchsgrundlage“. Die Legaldefinition des Anspruchs findet sich in § 194 BGB.
Es muss also zunächst eine Frage aufgeworfen werden. Dies geschieht durch einen sog.
„Obersatz“. Ein Obersatz statt eines Fragesatzes ist erforderlich, weil im Gutachten auf
Fragesätze zu verzichten ist.
Funktion des Obersatzes ist es, dem Leser zeigen, welche konkrete Frage man gerade
untersucht.
Weiteres Vorgehen:
1. Voraussetzung aufzeigen
2. Voraussetzung definieren
3. Sachverhalt mit Definition vergleichen (sog. „Subsumtion“)
4. Ergebnis
In der Regel wiederholen sich die Punkte 1 und 2 mehrfach, bevor eine Subsumtion erfolgen
kann. Denn die Voraussetzungen haben in der Regel ihrerseits Voraussetzungen, die ihrerseits
Voraussetzungen
haben
bzw.
definiert
werden
müssen,
bevor
schließlich
ein
Sachverhaltselement unter eine der Voraussetzungen/Definitionen subsumiert werden kann.
57
B. Grundrechtliche Problematiken beim Product Placement
Grundrechte sind grundlegende, individuelle Rechte, die in der Verfassung genannt und
garantiert werden.
Sie binden den Staat unmittelbar (s. Artikel 1 Abs. 3 GG) und begrenzen die Macht des
Staates gegenüber dem Einzelnen. Der Staat darf nicht beliebig über seine Bürger verfügen.
Grundrechte wirken also primär als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.
Mittelbar
wirken
die
Grundrechte
als
„objektive
Wertordnung”
auch
auf
die
Rechtsbeziehungen des Privatrechts. Die Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuches
(BGB), zum Beispiel §§ 826 ff. BGB, müssen grundrechtskonform ausgelegt werden. Diese
mittelbare Drittwirkung ist jedoch weitaus schwächer ausgeprägt als die unmittelbare
Bindung des Staates an die Grundrechte.
Grundrechte, die in Bezug zu Product Placement stehen sind insbesondere:
Art 5 GG
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern
und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu
unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch
Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen
Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem
Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der
Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
58
Art 6 GG
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen
Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die
zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche
Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund
eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten
versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen
Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der
Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Art 12 GG
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte
frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines
Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im
Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen
Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung
zulässig.
Art 14 GG
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken
werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der
Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur
durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der
59
Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der
Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe
der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen
Gerichten offen.
Auf die Grundrechte können sich alle natürlichen Personen berufen. Außerdem können sich
alle inländischen juristischen Personen des privaten Rechts auf sie berufen, soweit
Grundrechte auf sie sinnvoll angewandt werden können (Artikel 19 Abs.3 GG).Anwendbare
Grundrechte sind zum Beispiel die Artikel 9 GG (Vereinigungsfreiheit) und Art. 10 GG
(Brief-,
Post-
und
Fernmeldegeheimnis).
Nicht
anwendbare
Grundrechte
sind
menschenbezogene Grundrechte, deren Anwendung bei juristischen Personen keinen Sinn
ergibt, wie z.B. die Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 3 Abs. 3 GG
(Diskriminierungsverbote).
Grundrechte sind jedoch nicht vorbehaltlos gewährleistet, es gibt sog. Grundrechtsschranken:
Verfassungsunmittelbare Schranken
Verfassungsunmittelbare Schranken sind unmittelbare Begrenzungen eines Grundrechts direkt
im Grundgesetztext, zum Beispiel Artikel 2 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 2 GG, Art.8 Abs. 1 GG,
Art. 9 Abs.2 GG.
Art 2 GG
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er
nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige
Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit
der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes
eingegriffen werden.
60
Gesetzesvorbehalt
Ein Grundrecht wird durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt (vom Grundgesetz
wird auf ein Gesetz verwiesen), zum Beispiel Artikel 4 Abs. 3 GG, 8 Abs. 2 GG, 13 Abs. 3
GG.
Art 12 GG
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte
frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines
Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im
Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen
Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung
zulässig.
Verfassungsimmanente Schranken
Verfassungsimmanente Schranken sind Schranken, die sich aus dem System des
Grundgesetzes mit gleichrangigen Grundrechten ergeben. Immer dann wenn Grundrechte
gegenseitig in Konkurrenz treten, muss im konkreten Einzelfall entschieden werden, wie weit
die beteiligten Grundrechte jeweils eingeschränkt werden müssen.
Verfassungsimmanente Schranken gelten für alle Grundrechte, auch für die, die nach
ihrem Wortlaut schrankenlos erscheinen (z. B. Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 4 Abs. 1 GG).
Einzige Ausnahme ist der Artikel 1 Abs. 1 GG, dieser kann nie eingeschränkt werden.
Die juristische Prüfung, ob ein rechtswidriger Grundrechtseingriff vorliegt, soll am Beispiel
der Freiheitsgrundrechte kurz skizziert werden:
61
Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte
1. Schutzbereich eröffnet (sachlicher Bereich für den das Grundrecht gilt)
·
Tatbestand
·
Sachverhaltssubsumtion mit Definition der unbestimmten Rechtsbegriffe des
Grundgesetztextes
·
Feststellung eines Eingriffs
· Schranken (Ist das Grundrecht durch einen der drei möglichen Schrankentypen wirksam
eingeschränkt?)
-
Verfassungsunmittelbare Schranke
-
Gesetzesvorbehalt
-
Verfassungsimmanente Schranke
· Schranken - Schranken - Bereich (Ist die Einschränkung unverhältnismäßig?)
·
Güterabwägungsprinzip
·
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Im Bereich der Güterabwägung gilt das Prinzip der sog. praktischen Konkordanz. Diese ist
ein Fachbegriff des deutschen Verfassungsrechts. Der Begriff wurde von Konrad Hesse
geprägt und in der verfassungsrechtlichen Diskussion etabliert. Es handelt sich dabei um eine
Methode der Lösung von Kollisionen zwischen zwei Grundrechten.
Grundprinzip ist laut Hesse:
"Verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter müssen in der Problemlösung
einander so zugeordnet werden, daß jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt.
...beiden Gütern müssen Grenzen gesetzt werden, damit beide zu optimaler
Wirksamkeit gelangen können."
Dieses Prinzip wird insbesondere unter Bürgern bei einer Kollision eines Grundrechts mit
einem anderen Grundrecht angewendet. Dabei darf nicht eines der Grundrechte auf Kosten
des anderen im Sinne einer vorschnellen Güterabwägung realisiert werden. Vielmehr stellt
62
nach Hesse das Prinzip der Einheit der Verfassung die Aufgabe einer simultanen Optimierung
beider Rechtspositionen.
Es ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass es das Ziel des Abwägungsvorganges sein muss,
die widerstreitenden Grundrechtspositionen in praktische Konkordanz zu bringen. Auch das
Bundesverfassungsgericht hat verschiedentlich die Herstellung von Konkordanz bei
Grundrechtskollisionen gefordert. So z.B. in der sog. Josefine Mutzenbacher-Entscheidung
(BVerfGE 83, 130 ff. s. Handout) hinsichtlich der Kollision von Jugendschutz und
Kunstfreiheit:
"Gerät die Kunstfreiheit mit einem anderen Recht von Verfassungsrang in
Widerstreit, müssen vielmehr beide mit dem Ziel der Optimierung zu einem
angemessenen Ausgleich gebracht werden. Dabei kommt dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zu [...] Bei Herstellung der geforderten
Konkordanz ist daher zu beachten, daß die Kunstfreiheit Ausübung und
Geltungsbereich
des
konkurrierenden
Verfassungsrechtsgutes
ihrerseits
Schranken zieht (vgl. BVerfGE 77, 240 [253]). All dies erfordert eine Abwägung
der widerstreitenden Belange und verbietet es, einem davon generell - und sei es
auch nur für eine bestimmte Art von Schriften - Vorrang einzuräumen."
Das Prinzip der praktischen Konkordanz wird häufig nur für die Fälle der Kollision mit
vorbehaltlos garantierten Grundrechten genannt. Grundsätzlich ist es aber bei jeder Art der
Grundrechtskollision anwendbar. Grundrechtseingriffe seitens des Staates kommen im
Bereich des Product Placement beispielsweise in Betracht, wenn eine Behörde die weitere
Vorführung eines Filmes im Kino untersagt. Hier könnten beispielsweise die Kunstfreiheit
(Art. 5 GG), die Eigentumsfreiheit (Art. 14. GG) oder die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) verletzt
sein. Hier ist dann eine Abwägung zu treffen, beispielsweise mit dem Jugendschutz, der über
Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Recht der Kinder und Jugendlichen auf freie
Entfaltung ihrer Persönlichkeit), Art. 6 Abs.2 Satz 1 und Art. 5 Abs. 2 GG gewährleistet wird:
Art 5 GG
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern
und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu
unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch
Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
63
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen
Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem
Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der
Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Art 6 GG
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen
Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die
zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche
Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund
eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten
versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen
Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der
Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Die Praktische Konkordanz, also die Abwägung zwischen verfassungsrechtlich geschützten
Interessen richtet sich im Wesentlichen nach dem sog. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Das Verhältnismäßigkeitsprinzip, ist ein Merkmal jedes
Rechtsstaates. Zweck des
Grundsatzes ist es, vor übermäßigen Eingriffen des Staates in Grundrechte, zu schützen. Als
verfassungsrechtliches Gebot ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gem. Art. 1 Abs. 3
GG, Art. 20 Abs. 3 GG für die gesamte Staatsgewalt unmittelbar verbindlich.
64
Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gliedert sich in drei Punkte:
Geeignetheit
Geeignet ist eine Maßnahme, wenn der angestrebte Erfolg durch sie zumindest gefördert
werden kann. Nicht erforderlich ist, dass der Erfolg auch tatsächlich eintritt.
Erforderlichkeit
Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn kein milderes, weniger belastendes Mittel den gleichen
Erfolg erreichen kann. Ist nur ein geeignetes Mittel vorhanden, so muss es mangels
Alternativen erforderlich sein.
Angemessenheit (auch Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne genannt)
Angemessen ist die Maßnahme, wenn der Nachteil für den Betroffenen und der erstrebte
Erfolg in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.
Zwischen dem Schaden des Einzelnen und dem Nutzen für die Allgemeinheit darf kein
Missverhältnis bestehen (Abwägung der betroffenen Rechtsgüter).
C. Fälle zur Verhältnismäßigkeit
Wie bereits dargestellt kommt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in den Fällen der
praktischen Konkordanz eine besondere Bedeutung zu. Deshalb sollen im Folgenden an
einigen Beispielsfällen verschiedene Aspekte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erläutert
werden.
Fall 1 zur Verhältnismäßigkeit
T betreibt eine Tanzschule in Aachen. Die Musik und die jugendlichen Tanzpaare sorgen
regelmäßig für eine beachtliche Geräuschkulisse auch nach 20.00 Uhr, die durch den Einbau
von Schallschutzmaterial in den Raumwänden und -decken nur zum Teil neutralisiert wird.
Auf die Beschwerden vieler Nachbarn hin, die durch die Musik erheblich gestört werden,
65
fordert die zuständige Ordnungsbehörde den T erfolglos auf hierzu Stellung zu nehmen.
Daraufhin verbietet die Ordnungsbehörde die Durchführung sämtlicher Tanzkurse. In seiner
wirtschaftlichen Existenz bedroht, erhebt T Klage vor dem Verwaltungsgericht.
Frage: Wird die Klage Erfolg haben?
Hinweis: Nach § 10 Immissionsschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (LimschG
NRW) ist u.a. die Benutzung von Tonwiedergabegeräten nur in solcher Lautstärke gestattet,
dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden. § 17 L1mschG NW eröffnet die
Möglichkeit, einen Bußgeldbescheid zu erlassen. Weitere Vorschriften des Gewerbe- und des
Immissionsschutzrechts sind nicht zu berücksichtigen.
§ 14 I OBG NRW lautet:
" ... Voraussetzungen des Eingreifens. (1) Die Ordnungsbehörden können die notwendigen
Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche
Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren ... "
Lösungsskizze Fall 1
Die Klage wird Erfolg haben, wenn sie zulässig und begründet ist.
A. Zulässigkeit der Klage
I.Rechtsweg zum Verwaltungsgericht ?
1. Spezialzuweisung vorhanden ? ( - )
2. Generalzuweisung des § 40 / VwGO ?
= öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art und
keine abdrängende Zuweisung
(Vorüberlegung: Worum geht es im Kern? Die Prozeßbeteiligten streiten
über die Frage, ob die Schließungsanordnung der Tanzschule durch die Ordnungsbehörde
rechtmäßig ist.)
66
a. öffentlich-rechtliche Streitigkeit?
= die streitentscheidenden Normen müssen öffentlich-rechtlicher Natur sein, d.h. einen
Hoheitsträger als Berechtigten oder als Verpflichteten benennen
HIER (+) -> die streitentscheidende Norm ist dem Ordnungsrecht zu entnehmen; die Behörde
ist als Berechtigte in § 14 I OBG NRW benannt
b. nichtverfassungsrechtlicher Art ?
HIER (+) -> weder Beteiligung von Verfassungsorganen oder ihnen gleichgestellten Personen
an dem Streit noch Streit über Anwendung und Auslegung von Verfassungsrecht
c. keine Zuweisung zu einem anderen Gericht?
HIER (+) -> anderweitige Zuweisung nicht ersichtlich
d. also: Generalzuweisung des § 40 I VwGO (+)
3. also: Rechtsweg zum Verwaltungsgericht (+)
II. Statthafte Klageart = Anfechtungsklage, § 42 I VwGO ?
= Kläger begehrt Aufhebung eines VA
(Vorüberlegung: Was will der Kläger? Er will weiterhin Tanzkurse geben. Dies kann er
möglicherweise mit einer Anfechtungsklage gem. § 42 I VwGO erreichen. Sie ist die
statthafte Klageart, wenn der Betroffene die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt.)
1. Verwaltungsakt gemäß § 35 S. 1 VwVfG NW ?
HIER (+) -> hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
zur Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Außenwirkung
2. also: Kläger begehrt die Aufhebung des VA -> Anfechtungsklage (+)
III.. Spezielle Voraussetzungen der Anfechtungsklage ?
67
1. Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO ?
= Kläger muss geltend machen, durch den VA in seinen Rechten verletzt zu sein
HIER (+) -> der Adressat eines belastenden VA ist stets klagebefugt, da in seine subjektivöffentlichen Rechte eingegriffen wird (Adressatentheorie); es ist zumindest ein Eingriff in die
Rechte des Betroffenen aus Art. 14 Abs.1 GG (Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb) denkbar
2. Einhaltung der Klagefrist, § 74 Abs. 1 VwGO ?
= Klageerhebung innerhalb eines Monats HIER (+) -> mangels entgegenstehender
Anhaltspunkte zu unterstellen
3. Richtiger Klagegegner, § 78 VwGO ?
HIER (+) -> grundsätzlich gemäß § 78 I Nr. 1 VwGO die Gemeinde, deren Behörde
(Ordnungsbehörde) den angefochtenen VA erlassen hat; aber nach § 78 I Nr. 2 VwGO i.V.m.
§ 5 II AG VwGO NW die Behörde selbst, die den VA erlassen hat; hier also die
Ordnungsbehörde
4. also: spezielle Voraussetzungen der Anfechtungsklage (+)
IV. Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen ? (+)
V. Ergebnis:
Zulässigkeit der Klage (+)
B. Begründetheit der Klage
= Rechtswidrigkeit des VA und dadurch Verletzung des Klägers in seinen Rechten, § 113 I 1
VwGO
I. Rechtswidrigkeit des VA ?
= formelle und/oder materielle Rechtswidrigkeit des VA; dies wäre jedoch dann nicht der
Fall, wenn der VA aufgrund einer Ermächtigungsgrundlage formell und materiell rechtmäßig
erlassen wurde
68
1. Ermächtigungsgrundlage ?
HIER -> § 14 Abs. 1 OBG NRW
2. Formelle Rechtmäßigkeit ?
a. Zuständigkeit? (+)
b. Verfahren ?
allgemeine Verfahrensvorschriften, insbes. die Anhörung nach § 28 I VwVfG NRW und ggf.
Sondervorschriften der anwendbaren Gesetze des Besonderen Verwaltungsrechts
HIER (+) -. Anhörung hat stattgefunden
c. Form?
allgemeine Formvorschriften nach §§ 37 und 39 VwVfG NRW und ggf. Sondervorschriften
der anwendbaren Gesetze des Besonderen Verwaltungsrechts
HIER (+)
alle Formvorschriften wurden mangels entgegenstehender Anhaltspunkte
eingehalten
d. also: formelle Rechtmäßigkeit ? (+)
3. Materielle Rechtmäßigkeit ?
= Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage § 14 I OBG NRW
a. Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ?
aa. Öffentliche Sicherheit?
Gesamtheit der geschriebenen Rechtsordnung, Bestand des Staates und seiner Einrichtungen,
persönliche Rechtsgüter einzelner Personen und Rechtsgüter der Allgemeinheit
HIER (+) - nach § 10 LImschG NRW ist u.a. die Benutzung von Tonwiedergabegeräten nur
in solcher Lautstärke gestattet, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden; T
69
nutzt Tonwiedergabegeräte; auch führt die Lautstärke zu einer erheblichen Belästigung der
Nachbarn, also unbeteiligter Personen; § 10 L1mschG NRW ist ein Teil der geschriebenen
Rechtsordnung
bb. Gefahr?
die im einzelnen Falle bestehende (= konkrete) Möglichkeit des zukünftigen Eintritts eines
Schadens (hier) bei der öffentlichen Sicherheit
HIER (+) - Verletzung der Vorschrift des § 10 LImschG NRW ist
bei jeder weiteren Tanzstunde möglich
cc. also: Gefahr für die öffentliche Sicherheit (+)
b. Störer?
= Handlungsstörer, § 17 I oder Zustandsstörer, § 18 I OBG NRW
HIER (+) -. T verursacht die ruhestörende Musik und ist damit Störer nach § 17 I OBG NRW
c. Ermessen ?
HIER (+) -> § 14 I OBG NW ist eine "Kann"-Vorschrift (vgl. Wortlaut der Norm); also ist
der Behörde ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Frage, ob sie tätig wird
(Entschließungsermessen) und hinsichtlich der Frage, wie sie tätig wird (Auswahlermessen)
eingeräumt
d. Rechtsfehlerfreie Ausübung der Ermessens ?
= Nichtvorliegen von Ermessensfehlern
aa. Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ?
Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der behördlichen Maßnahme; hier
ausdrücklich gefordert in § 15 OBG NRW
(1) Geeignetheit ?
= durch das Mittel kann der Zweck erreicht werden HIER (+) -> Zweck ist es, die
Geräuschbelästigung der Nachbarn durch die Tanzschule des T zu unterbinden; Mittel ist das
70
Verbot, die Tanzschule weiter zu betreiben; die Geräuschbelästigung wird durch das Verbot
unterbunden
(2) Erforderlichkeit ?
die Behörde muss das für den Adressaten und die Allgemeinheit mildeste Mittel einsetzen,
um den angestrebten Zweck zu erreichen HIER (-) -> die Ordnungsbehörde hätte T zunächst
auf den Verstoß gegen § 10 LImschG NW hinweisen müssen und ggf. einen Bußgeldbescheid
nach § 17 I e, III LImschG NRW erlassen können
(3) also: Verhältnismäßigkeit ( - )
bb. also: Rechtsfehlerfreie Ausübung der Ermessens ( - )
e. also: materielle Rechtmäßigkeit ( - )
4. also: Rechtmäßigkeit des VA (-) -. somit Rechtswidrigkeit des VA (+)
II. Verletzung der Rechte des Klägers durch den VA ?
HIER (+) Verletzung des Rechts auf freie Gewerbeausübung
III. Ergebnis:
Begründetheit der Klage (+)
C. Ergebnis:
Zulässigkeit und Begründetheit der Klage (+); also Erfolg der Klage (+)
Ausformulierte Lösung
Die Klage wird Erfolg haben, wenn sie zulässig und begründet ist.
A. Die Klage des T müsste zulässig sein.
I. Der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht müsste gegeben sein.
1. Eine gesetzliche Spezialzuweisung ist nicht ersichtlich.
71
2. Daher könnte die Generalzuweisung des § 40 I VwGO anwendbar sein,
wenn es sich bei dem Verbot der Durchführung der Tanzkurse um eine öffentlich-rechtliche
Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt und keine anderweitige Zuweisung
vorliegt.
a. Die streitentscheidenden Normen müssen öffentlich-rechtlicher Natur sein, d.h. einen
Hoheitsträger als Berechtigten oder als Verpflichteten benennen. Die Beteiligten streiten über
die Frage, ob die Schließungsanordnung der Tanzschule durch die Ordnungsbehörde
rechtmäßig ist. Ermächtigungsgrundlage für das Handeln durch die Behörde ist § 14 I OBG
NW. Das OBG NW ist öffentlich-rechtlicher Natur.
b. Da weder Verfassungsorgane oder ihnen gleichgestellte Personen an dem Streit beteiligt
sind, noch Streit über Anwendung und Auslegung von Verfassungsrecht herrscht, ist die
Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art.
c. Eine Zuweisung zu einem anderen Gericht ist nicht ersichtlich.
d. Demnach sind die Voraussetzungen der Generalzuweisung des § 40 I VwGO erfüllt.
3.Der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht ist gegeben. Statthafte Klageart könnte die
Anfechtungsklage sein, § 42 I VwGO. Dann müsste der Kläger die Aufhebung eines
Verwaltungsakts begehren. T will weiterhin die Tanzschule betreiben.
1. Bei dem Verbot handelt es sich um die hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem
Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer
Außenwirkung, also um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG NW.
2. Der Kläger begehrt die Aufhebung des Verwaltungsakts. Also ist die Anfechtungsklage die
statthafte Klageart.
III. Außerdem müssten die weiteren speziellen Voraussetzungen der Anfechtungsklage
vorliegen.
72
1. Zunächst müsste der Kläger klagebefugt sein, § 42 11 VwGO. Er muss geltend machen,
durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
Der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts ist stets klage befugt, da in seine subjektivöffentlichen Rechte eingegriffen wird (Adressatentheorie).
Es ist zumindest ein Eingriff in die Rechte des Betroffenen aus Art. 14 Abs. 1 GG (Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) denkbar.
T ist Adressat eines belastenden Verwaltungsakts. Folglich ist er klagebefugt.
2. Die Einhaltung der Klagefrist (§ 74 I VwGO) ist mangels entgegenstehender
Anhaltspunkte zu unterstellen.
3. Richtiger Klagegegner ist die Ordnungsbehörde der Stadt Aachen gemäß § 78 I Nr. 2
VwGO in Verbindung mit § 5 11 AG VwGO NW.
4.. Demnach liegen die speziellen Voraussetzungen der Anfechtungsklage vor.
IV. Am Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen bestehen keine Zweifel.
V. Also ist die Klage zulässig.
B. Die Klage müsste auch begründet sein.
Begründet ist eine Anfechtungsklage, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der
Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, § 113 I 1 VwGO.
I. Der Bescheid des Ordnungsamts müsste rechtswidrig sein. In Betracht kommt die formelle
und/oder materielle Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Der Verwaltungsakt wäre jedoch
rechtmäßig, wenn er aufgrund einer Ermächtigungsgrundlage formell und materiell
rechtmäßig erlassen worden wäre.
1. Als Ermächtigungsgrundlage kommt § 14 I OBG NRW in Betracht.
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2. Zunächst müsste der Bescheid formell rechtmäßig sein.
a. Der Bescheid wurde von der zuständigen Ordnungsbehörde erlassen.
b. Verstöße gegen Verfahrensvorschriften sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat eine
Anhörung nach § 28 I VwVfG NRW stattgefunden.
c. Auch die Formvorschriften wurden beachtet.
d. Mithin ist der Bescheid formell rechtmäßig.
3. Weiterhin müsste der Bescheid materiell rechtmäßig sein. Dann müssten die
Voraussetzungen des § 14 I OBG NW vorliegen. Nach der genannten Norm kann die
Ordnungsbehörde unter den aufgeführten Voraussetzungen Maßnahmen ergreifen.
a. Es müsste in diesem Fall eine bestehende (konkrete) Gefahr für die öffentliche Sicherheit
oder Ordnung vorliegen. Möglicherweise ist die öffentliche Sicherheit tangiert. Die
öffentliche Sicherheit umfasst die Gesamtheit der geschriebenen Rechtsordnung, den Bestand
des Staates und seiner Einrichtungen und die persönlichen Rechtsgüter einzelner Personen.
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit läge vor, wenn die Möglichkeit des zukünftigen
Eintritts eines Schadens bestünde. Nach § 10 L1mschG NW ist u.a. die Benutzung von
Tonwiedergabegeräten nur in solcher Lautstärke gestattet, dass unbeteiligte Personen nicht
erheblich belästigt werden. T verwendet solche Geräte. Auch führt die Lautstärke zu einer
erheblichen Belästigung der Nachbarn, also unbeteiligter Personen. § 10 LImschG NRW ist
ein Teil der geschriebenen Rechtsordnung. Die Verletzung der Vorschrift des § 10 L1mschG
NRW ist bei jeder weiteren Tanzstunde möglich. Demnach ist die öffentliche Sicherheit
betroffen.
Somit liegt auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor.
b. T verursacht die ruhestörende Musik und ist damit Störer nach § 17 I OBG NRW.
c. § 14 I OBG NRW ist als "Kann"-Vorschrift eine Ermessensvorschrift.
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d. Also müsste die Behörde das eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, d.h.
ermessensfehlerfrei gehandelt haben.
Insbesondere müsste sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet haben. Der Grundsatz
ist gewahrt, wenn die Maßnahme der Behörde geeignet, erforderlich und angemessen ist, um
das erstrebte Ziel zu erreichen. Dies ist in § 15 OBG NRW ausdrücklich gefordert. Geeignet
ist das Mittel, wenn es den erstrebten Zweck erreicht. Zweck ist es, die Geräuschbelästigung
der Nachbarn durch die Tanzschule des T zu unterbinden. Mittel ist das Verbot, die
Tanzschule weiter zu betreiben. Die Geräuschbelästigung wird durch das Verbot unterbunden.
Somit ist das Mittel geeignet.
Erforderlich ist das Mittel, wenn die Behörde das für den Adressaten und die Allgemeinheit
mildeste Mittel einsetzt, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Die Ordnungsbehörde hat
hier die Durchführung der Tanzveranstaltungen gänzlich verboten, also zum äußersten und
einschneidendsten Mittel gegriffen. Die Ordnungsbehörde hätte T jedoch zunächst auf den
Verstoß gegen § 10 LImschG NRW hinweisen müssen und gegebenenfalls einen
Bußgeldbescheid nach § 17 I e, III LImschG NW erlassen können. Ferner hätte die Gefahr
möglicherweise durch Auflagen zum Schallschutz beseitigt werden können, ohne dass T seine
Veranstaltungen gänzlich hätte einstellen müssen. Das eingesetzte Mittel war demnach nicht
erforderlich, um das erstrebte Ziel zu erreichen.
Also hat die Behörde das eingeräumte Ermessen nicht ermessensfehlerfrei ausgeübt.
e. Der Bescheid der Ordnungsbehörde ist demnach nicht materiell rechtmäßig.
4. Mangels Rechtmäßigkeit ist der Verwaltungsakt rechtswidrig.
II. Der Bescheid verletzte den Kläger auch in seinem Recht auf freie Gewerbeausübung.
III. Die Klage ist damit begründet.
C. Somit ist die Klage zulässig und begründet. Sie wird Erfolg haben.
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