Artikel 1 – Gegenstand und Anwendungsbereich

Werbung
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
Artikel 1
Gegenstand und
Anwendungsbereich*
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I.
Gesetzestext
(1) Mit dieser Verordnung werden die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über nährwert- und
gesundheitsbezogene Angaben harmonisiert, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau zu
bieten.
(2) Diese Verordnung gilt für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der
Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der Werbung
für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen.
Auf nicht vorverpackte Lebensmittel (einschließlich Frischprodukte wie Obst, Gemüse oder Brot), die dem Endverbraucher und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung zum
Kauf angeboten werden, und auf Lebensmittel, die entweder
an der Verkaufsstelle auf Wunsch des Käufers verpackt oder
zum sofortigen Verkauf fertig verpackt werden, finden Artikel
7 und Artikel 10 Absatz 2 Buchstaben a und b keine Anwendung. Einzelstaatliche Bestimmungen können angewandt werden, bis gegebenenfalls Gemeinschaftsmaßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung,
*
Absatz 2 Unterabsatz 2 und Absatz 4 neu gefasst durch die 1. ÄnderungsVO, VO (EG)
107/2008 vom 15.01.2008, ABl. L 39 vom 13.02.2008
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 4. Akt.-Lfg. 04/08
1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
auch durch Ergänzung, nach dem in Artikel 25 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen werden.
(3) Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen, die in der Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung für ein Lebensmittel verwendet werden und als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben aufgefasst werden
können, dürfen ohne die in dieser Verordnung vorgesehenen
Genehmigungsverfahren verwendet werden, sofern der betreffenden Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung eine
nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, die
dieser Verordnung entspricht.
(4) Im Fall allgemeiner Bezeichnungen, die traditionell zur
Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln
oder Getränken verwendet werden und die auf Auswirkungen
auf die menschliche Gesundheit hindeuten könnten, kann auf
Antrag der betroffenen Lebensmittelunternehmer eine Ausnahme von Absatz 3, die eine Änderung nicht wesentlicher
Bestimmungen dieser Verordnung durch Ergänzung bewirkt,
nach dem in Artikel 25 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen werden. Der Antrag ist an die zuständige nationale Behörde eines Mitgliedstaats zu richten, die
ihn unverzüglich an die Kommission weiterleitet. Die Kommission erlässt und veröffentlicht Regeln, nach denen Lebensmittelunternehmer derartige Anträge stellen können, um sicherzustellen, dass der Antrag in transparenter Weise und
innerhalb einer vertretbaren Frist bearbeitet wird.
(5) Diese Verordnung gilt unbeschadet der folgenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts:
a) Richtlinie 89/398/EWG und Richtlinien, die über Lebensmittel erlassen werden, die für besondere Ernährungszwecke
bestimmte sind;
b) Richtlinie 80/777/EWG des Rates vom 15. Juli 1980 zur
Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
2
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 4. Akt.-Lfg. 04/08
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Diese Verordnung gilt auch für Lebensmittel, die für Restaurants, Krankenhäuser, Schulen, Kantinen und ähnliche Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind.
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
die Gewinnung von und den Handel mit natürlichen Mineralwässern;
c) Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. November 1998 über
die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch.
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d) Richtlinie 2002/46/EG.
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 4. Akt.-Lfg. 04/08
3
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
II.
Kommentierung
Übersicht
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Rnr
1
Regelungsinhalt ......................................................................... 1
2
Ziele der Verordnung ................................................................ 2
3
Direkter Anwendungsbereich..................................................... 3
3.1
3.2
3.3
Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben ........................................... 4
Kommerzielle Mitteilung ............................................................................ 5-8
Bei der Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der
Werbung .................................................................................................. 9-12
Lebensmittel .......................................................................................... 13-14
Futtermittel ................................................................................................. 15
Lebende Tiere ............................................................................................. 16
Pflanzen vor dem Ernten ............................................................................ 17
Arzneimittel im Sinne der RL 65/65/EWG und
92/73/EWG des Rates ........................................................................... 18-19
Kosmetische Mittel ................................................................................ 20-21
Tabak und Tabakerzeugnisse ..................................................................... 22
Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe .................................................. 23
Rückstände und Kontaminanten ................................................................ 24
Exkurs: Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln
Definition von Lebensmitteln und Arzneimitteln...................................... 25-28
Die Zweifelsregelung ............................................................................. 29-31
Präsentationsarzneimittel ...................................................................... 32-38
Funktionsarzneimittel ............................................................................. 39-49
Zusammengefasst: Einzelfallbeurteilung maßgeblich ........................... 50-51
Dosierung entscheidend ........................................................................ 52-55
Auswirkungen von Zulassungen gemäß VO ......................................... 56-63
Übersicht Abgrenzung Lebensmittel – Arzneimittel
Abgabe an den Endverbraucher .......................................................... 64-70d
Unverpackte Lebensmittel ..................................................................... 71-73
3.4
3.4.1
3.4.2
3.4.3
3.4.4
3.4.5
3.4.6
3.4.7
3.4.8
3.5
3.5.1
3.5.2
3.5.3
3.5.4
3.5.5
3.5.6
3.5.7
3.5.8
3.6
3.7
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
4
Anwendung auf Marken ................................................... 74-79a
4.1
Privilegien für Marken........................................................................... 74-74a
4.2
Verschiedene Kategorien von Marken ................................................. 74b-77
4.3
Strengeres Verbraucherleitbild als bei Art. 10 Abs. 3 VO ............................ 78
4.4
Beifügen ............................................................................................... 79-79a
5
Ausnahme für allgemeine Bezeichnungen ........................ 80-81
6
Verhältnis zu weiteren Bestimmungen des
Gemeinschaftsrechts ......................................................... 82-83
6.1
RL 89/398/EWG und Richtlinien, die über Lebensmittel
erlassen werden, die für besondere Ernährungszwecke
bestimmt sind ......................................................................................... 84-91
RL 89/777/EWG ......................................................................................... 92
RL 98/83/EG ............................................................................................... 93
RL 2002/46/EG ........................................................................................... 94
Weitere Bestimmungen ......................................................................... 95-98
6.2
6.3
6.4
6.5
2
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Akt.-Lfg. 02/13
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Artikel 1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
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II.1
Regelungsinhalt
Art. 1 Absatz 1 VO legt die Ziele der Verordnung dar. Der Absatz
2 regelt den Anwendungsbereich, die Absätze 3 und 4 Ausnahmen
von der generellen Anwendung der Verordnung für Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen sowie für allgemeine Bezeichnungen, die herkömmlicherweise zur Angabe einer Eigenschaft einer
Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden.
Weiterhin wird in Art. 1 Abs. 5 VO das Verhältnis der Vorschriften
der Verordnung zu einigen anderen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts geregelt, insbesondere zu diätetischen Lebensmitteln,
Mineral- und Trinkwasser sowie Nahrungsergänzungsmitteln.
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 5. Akt-Lfg. 08/08
1
Anwendungsbereich
1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
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II.2
Ziele der Verordnung
Die in Art. 1 Abs. 1 VO genannten Ziele werden in den Erwägungsgründen 1 und 2 näher erläutert. Die dortige Beobachtung,
dass Lebensmittel in der Gemeinschaft zunehmend mit nährwertund gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet und beworben werden, entspricht dem Trend zu Wellness-Produkten und
Functional Food.1 Die Beliebtheit dieser rechtlich nicht definierten
Lebensmittel mit einem gesundheitlichen Zusatznutzen stehen im
Zusammenhang mit zunehmenden Erkenntnissen der Ernährungswissenschaft und Medizin bezüglich des Einflusses der Ernährung
auf Erkrankungen und Risikofaktoren für Erkrankungen. Gleichzeitig steigt das Bewusstsein für eine gesunde Ernährung in weiten
Teilen der Bevölkerung. Nachdem die mit gesundheitlichem oder
nährwertbezogenem Zusatznutzen beworbenen Produkte bei der
Vermarktung von Lebensmitteln immer wichtiger werden, lag es
für den europäischen Gesetzgeber nahe, die Handelshemmnisse2 in
diesem Bereich aufgrund unterschiedlicher nationaler Werbevorschriften zu beseitigen. Zugleich sollte die Wahlfreiheit des
Verbrauchers im Hinblick auf die Kennzeichnung und Bewerbung
sowie die Sicherheit der Produkte gewährleistet werden.
2
Ziele
Das genannte Ziel der Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten wird nicht mit der Vorschrift
des Art. 1 Abs. 1 VO verwirklicht, sondern mit der Regelung des
Art. 22 (siehe die dortige Kommentierung).
1
siehe zu diesem Begriff Erbersdobler/Meyer, Functional Food, Band 2, 1. Einleitung
2
siehe hierzu Hill/Knowlton, Study on nutritional, health and ethical claims in the European Union for the European Directorate General for Health and Consumer protection,
April 2000
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 5. Akt-Lfg. 05/08
1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
II.3
Direkter Anwendungsbereich
Art. 1 Ziff. 2 regelt den Anwendungsbereich der Verordnung dahingehend, dass diese für nährwert- und gesundheitsbezogene
Angaben (3.1) in kommerziellen Mitteilungen (3.2) bei der Kennzeichnung, Aufmachung von oder bei der Werbung (3.3) für Lebensmittel (3.4, 3.5), die an den Endverbraucher abgegeben werden sollen sowie gleichgestellte Abnehmer (3.6) gilt. Für
unverpackte Lebensmittel bestehen besondere Regelungen (3.7).
3
Übersicht
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Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, um den Anwendungsbereich der Verordnung zu eröffnen.
II.3.1
Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben
Die hier bereits verwendeten Begriffe der nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben werden in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 4 VO sowie
2 Abs. 2 Ziff. 5 VO definiert. Auf die dortigen Erläuterungen wird
verwiesen.
II.3.2
4
Art. 2 Abs. 2
Ziff. 4 und 5
Kommerzielle Mitteilung
Der Begriff der kommerziellen Mitteilung ist bislang weder normativ noch in der Rechtsprechung näher erläutert, findet sich aber
auch in Art. 2 Buchst. d der RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (siehe hierzu die Kommentierung bei Art. 3,
Rnr. 8). Dort dient er als Oberbegriff für Werbung und Marketing.
Erwägungsgrund 4 nennt als Beispiel kommerzieller Mitteilungen
auch allgemeine Werbeaussagen für Lebensmittel und in Werbekampagnen „wie solchen, die ganz oder teilweise von Behörden
gefördert werden“. Empfehlungen staatlicher Gesundheitsbehörden sollen aber nicht darunter fallen. Es kommt demnach auf den
Urheber der Mitteilung an. Von dessen Person und seiner Stellung
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
5
Urheber
1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
6
positive
Abgrenzung
Positiv kann eine kommerzielle Mitteilung angenommen werden,
wenn der Urheber der betreffenden Mitteilung in der Kennzeichnung, Aufmachung oder Bewerbung von Lebensmitteln ein Lebensmittelunternehmen im Sinne des Art. 3 Ziff. 2 VO (EG)
178/2002 ist. Die dortige Definition umfasst „alle Unternehmen,
gleichgültig, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder
nicht und ob sie öffentlich oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln
zusammenhängende Tätigkeit ausführen“. Dieser Begriff kann hier
mit der Ergänzung, dass der Katalog der Tätigkeiten um die Begriffe „Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung“ zu ergänzen
ist, zur Bestimmung des Urhebers der Mitteilung nutzbar gemacht
werden.
7
negative
Abgrenzung
Negativ grenzt Erwägungsgrund 4 den Begriff der kommerziellen
Mitteilung durch die Nennung von Beispielen für nichtkommerzielle Mitteilungen ab. Beispielhaft werden hier Ernährungsrichtlinien oder -empfehlungen von staatlichen Gesundheitsbehörden
und -stellen oder nichtkommerzielle Mitteilungen und Informationen in der Presse und in wissenschaftlichen Veröffentlichungen
genannt. Hierunter fallen z. B. Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
8
„unabhängige“ Dritte
Auch Äußerungen unabhängiger Dritter wie Stiftungen oder redaktionelle Beiträge in Publikationen können Werbemaßnahmen
und damit kommerzielle Mitteilungen darstellen 2 . So hatte der
1
so auch Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 111, Art. 1 Rnr. 11
2
vergleichbar bei Arzneimittelwerbung EuGH, Entscheidung vom 02.04.2009, Rs. C421/07 „Damgaard“
2
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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im Wirtschaftskreislauf kann auf die kommerzielle oder nichtkommerzielle Zielrichtung der Mitteilung geschlossen werden.
Auch Verlautbarungen von Vereinen, Erzeugergemeinschaften und
Verbänden im Wege der Gemeinschaftswerbung können demnach
eine kommerzielle Mitteilung darstellen.1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
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EuGH bereits in dem Verfahren „Ter Voort“3 die Konstellation zu
beurteilen, dass auf einer Verpackung eine unabhängige Stiftung
angegeben war, die weiterführende Informationen für das betreffende Produkt auf Anfrage mitteilte. Die Äußerungen dieser unabhängigen Stiftung wurden zur Beurteilung des Produktcharakters
herangezogen. Auch vermeintlich nichtkommerzielle Mitteilungen
können sich daher als kommerzielle Mitteilungen darstellen, wenn
die Äußerungen letztendlich von einem Unternehmen oder einer
Person oder Vereinigung beeinflusst sind, bei denen sich die identische Äußerung als kommerzielle Mitteilung darstellen würde.
Mit Empfehlungen durch Vereinigungen von Fachleuten der Bereiche Medizin, Ernährung oder Diätetik, karitativen gesundheitsbezogenen Einrichtungen sowie einzelnen Ärzten oder Vertretern
medizinischer Berufe befassen sich eigens die Vorschriften der
Art. 11, 12 c VO (siehe die dortige Kommentierung).
II.3.3
8a
Art. 11, 12c VO
Bei der Kennzeichnung und Aufmachung von
oder bei der Werbung
Hinsichtlich des Begriffs Kennzeichnung kann Art. 1 Abs. 3 der
RL 2000/13/EG herangezogen werden. Danach bedeutet der synonyme Begriff der Etikettierung4 „alle Angaben, Kennzeichnungen,
Hersteller oder Handelsmarken, Abbildungen oder Bezeichnungen,
die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf jegliche Art von
Verpackung, Schriftstück, Tafel, Etikett, Ring oder Verschluss
angebracht sind und dieses Lebensmittel begleiten oder sich auf
dieses Lebensmittel beziehen“.
9
Etikettierung
Der Begriff der Aufmachung von Lebensmitteln ist in Art. 2 Abs. 3
Buchst. a RL 2000/13/EG beispielhaft erläutert. Genannt werden
hier „die Form oder das Aussehen dieser Lebensmittel oder ihrer
Verpackung, das verwendete Verpackungsmaterial, die Art und
10
Aufmachung
3
EuGH, E. v. 28.10.1992, EuZW 1993, 776
4
so auch Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 111, Art. 1 Rnr. 7
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
3
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
11
Werbung
Der in Art. 2 Abs. 3 Buchst. b RL 2000/13/EG verwendete Begriff
der Werbung wird dort nicht weiter erläutert. Eine europarechtliche Definition für Werbung fand sich bereits in Art. 2 Ziff. 1 RL
84/450/EWG über irreführende Werbung. Dort wurde der Begriff
– insoweit unverändert nunmehr übernommen in die Regelung des
Art. 2 Buchst. a der RL 2006/114 – als „jede Äußerung bei der
Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von
Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte
und Verpflichtungen zu fördern“, definiert. Die Werbung ist ein
Unterfall der kommerziellen Mitteilung, wobei die genaue Trennlinie unklar ist. Mögliche Abgrenzungsprobleme ergeben sich in
erster Linie im Hinblick auf nichtkommerzielle Mitteilungen, also
Äußerungen, die nicht den Absatz von Waren fördern sollen.
Nachdem der Begriff der kommerziellen und nicht kommerziellen
Mitteilung in Erwägungsgrund 4 näher dargelegt ist, sind die dortigen Ausführungen auch bei der Abgrenzung von Werbung zu
nicht kommerziellen Äußerungen heranzuziehen.
12
Etikettierung ≠
Werbung
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 5 ist
noch6 zwischen den Begriffen der Etikettierung und der Werbung
im Bereich der RL 2000/13/EG streng zu unterscheiden, da gemäß
Art. 18 der RL 2000/13/EG für den Bereich der Etikettierung eine
vollständige Harmonisierung erfolgt ist, für den Bereich der Werbung hingegen nicht. Der hierzu von Rathke7 geäußerten Auffassung, dass auch die produktbezogene Bewerbung Etikettierung im
Sinne des Art. 1 Abs. 3 a RL 2000/13/EG darstelle, kann nicht
gefolgt werden. Zwar ist die Definition der Etikettierung denkbar
weit, indem „diese auch Angaben umfasst, die sich auf Lebensmittel“ beziehen. Gemeint sind hier aber nur, wie sich auch aus der
5
EuGH vom 15.07.2004, Rs. C-239/02 „Douwe Egberts N.V.“, ZLR 2004, 600, sowie
Urteil vom 12.12.1990, Rs. C-141/89 „SARPP“
4
6
ab dem 13.12.2014 ist gemäß LMIV von einer Vollharmonisierung auszugehen
7
in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 102, § 12 LFGB, Rnr. 35
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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Weise ihrer Anordnung sowie die Umgebung, in der sie feilgehalten werden.“
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
vorstehend genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt, die Angaben in unmittelbarer räumlicher Nähe zu dem
jeweiligen Produkt. Anderenfalls müssten in der produktbezogenen Werbung stets auch die Pflichtangaben gemäß Art. 3 RL
2000/13/EG wie Zutatenverzeichnis, Mindesthaltbarkeit etc. erfolgen. Dies ist erkennbar nicht gewollt.
II.3.4
Lebensmittel
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Der Begriff des Lebensmittels ist in Art. 2 VO (EG) 178/2002
definiert. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 LFGB verweist auf diese
Definition, die wie folgt lautet:
13
Definition
„Im Sinne dieser Verordnung sind ‚Lebensmittel' alle Stoffe oder
Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem,
teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.
Zu ‚Lebensmitteln' zählen auch Getränke, Kaugummi sowie alle
Stoffe, – einschließlich Wasser –, die dem Lebensmittel bei seiner
Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt
werden. Wasser zählt hierzu unbeschadet der Anforderungen der
Richtlinie 80/778/EWG und 98/83/EG ab der Stelle der Einhaltung
im Sinne des Artikels 6 der Richtlinie 98/83/EG.
Nicht zu ‚Lebensmitteln' gehören:
a) Futtermittel
b) lebende Tiere, soweit sie nicht für das Inverkehrbringen zum
menschlichen Verzehr hergerichtet worden sind,
c) Pflanzen vor dem Ernten,
d) Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 65/65/EWG und
92/73/EWG des Rates,
e) kosmetische Mittel im Sinne der Richtlinie 76/768/EWG des
Rates,
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
5
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
f) Tabak und Tabakerzeugnisse im Sinne der Richtlinie
89/622/EWG des Rates,
g) Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe im Sinne des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe,
1961, und des Übereinkommens der Vereinten Nationen über
psychotrope Stoffe, 1971,
h) Rückstände und Kontaminanten.“
14
ausgenommene Produktgruppen
Die vorstehende Definition des Lebensmittels ist denkbar weit und
führt letztendlich dazu, dass alle Erzeugnisse, die von Menschen
aufgenommen werden, zunächst unter diese Begriffsbestimmung
fallen. Zutreffend weist der EuGH 8 darauf hin, dass diese weite
Begriffsbestimmung der Lebensmittel a priori eine Vielzahl von
Produkten, einschließlich Arzneimittel, abdecken würden. Eine
Eingrenzung des weiten Begriffs durch den nachfolgenden Katalog der vom Lebensmittelbegriff ausgeschlossenen Produkte war
demnach notwendig.
II.3.4.1
15
Futtermittel
Futtermittel
Gemäß Art. 3 Ziff. 4 der VO (EG) 178/2002 sind Futtermittel
„Stoffe oder Erzeugnisse, auch Zusatzstoffe, verarbeitet, teilweise
verarbeitet oder unverarbeitet, die zur oralen Tierfütterung bestimmt sind“. Maßgeblich für die Futtermitteleigenschaft ist die
konkrete Zweckbestimmung des jeweiligen Erzeugnisses oder
Stoffes zur Verfütterung an Tiere.
8
in seiner Entscheidung vom 09.06.2005, Rs. C-211/03, C-299/03 und C-316 bis C318/03 „HLH Warenvertrieb“, ZLR 2005, 435 = WRP 2005, 869
6
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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In der Auflistung der nicht zu den Lebensmitteln gehörenden
Erzeugnisse fehlen Medizinprodukte im Sinne des § 3 MPG, die
aber gleichfalls nicht zu den Lebensmitteln gehören.
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
II.3.4.2
Lebende Tiere
Lebende Tiere gehören grundsätzlich nicht zu den Lebensmitteln,
so z. B. auch Nutztiere, die in der Landwirtschaft gehalten werden.
Die Ausnahme hiervon, nämlich die lebenden Tiere, die „für das
Inverkehrbringen zum menschlichen Verzehr hergerichtet worden
sind“ umfasst als einziges bislang diskutiertes Beispiel Austern.
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II.3.4.3
Pflanzen vor dem Ernten
Bei Pflanzen vor dem Ernten steht noch nicht fest, wie sie verwendet werden, z. B. als Lebensmittel, als Futtermittel oder in
sonstiger Weise. Sie werden daher der Begriffsbestimmung des
Lebensmittels und damit auch der Lebensmittelüberwachung
entzogen.
II.3.4.4
16
Austern
17
Pflanzen
Arzneimittel im Sinne der RL 65/65/EWG und
92/73/EWG des Rates
Die genannten Richtlinien waren bereits bei Inkrafttreten der VO
(EG) 178/2002 durch den Gemeinschaftscodex für Humanarzneimittel RL 2001/83/EG abgelöst worden. Gemäß Art. 128 Abs. 2
RL 2001/83/EG gelten Bezugnahmen auf die aufgehobenen RL
65/65/EWG und 92/73/EWG als Bezugnahme auf die RL
2001/83/EG. Die dortige Definition des Arzneimittels ist mittlerweile durch die RL 2004/27/EG neu gefasst worden und lautet
nunmehr wie folgt:
18
Gemeinschaftscodex
Arzneimittel:
i) a) Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit
Eigenschaften zur Heilung oder Verhütung menschlicher
Krankheiten bestimmt sind, oder
j) b) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am
menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physio-
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
7
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
logischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu
korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.
Die Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln ist
schwierig und von hoher praktischer Relevanz. Die Einstufung hat
hohe wirtschaftliche Auswirkungen, da Lebensmittel grundsätzlich
vor ihrem Inverkehrbringen keiner Genehmigung bedürfen, 11
Arzneimittel in der Regel aber der Zulassung. Bei Einstufung
eines Produktes als zulassungspflichtiges Arzneimittel ist das
Erzeugnis regelmäßig mangels Zulassung nicht verkehrsfähig.
18a
VO (EU)
432/12
Mit VO (EU) 432/12 wurde der erste Teil der Gemeinschaftsliste
(siehe hierzu die Kommentierung bei Art. 28, Rrn. 20 c ff.) der
sogenannten generischen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß
Art. 13 Abs. 1 a, 13 Abs. 2 VO verabschiedet. Dort wird in Erwägungsgrund 17 ausdrücklich festgehalten, dass die Zulassung einer
gesundheitsbezogenen Angabe für einen bestimmten Stoff die
Mitgliedstaaten nicht daran hindert, ein damit hergestelltes Erzeugnis als Arzneimittel einzustufen.12
9
EuGH, E. v. 09.06.2005, Rs. C-211/03, C-299/03 und C-316 bis C-318/03 „HLH Warenvertrieb“, ZLR 2005, 435
10
BGH, ZLR 2006, 411 – „Arzneimittelwerbung im Internet“; GRUR 2006, 513 = ZLR
2006, 411
11
Ausnahmen gelten z.B. für neuartige Lebensmittel und Zusatzstoffe
12
„Für den Zusatz von Stoffen zu Lebensmitteln bzw. ihre Verwendung in Lebensmitteln
wie auch für die Einstufung von Produkten als Lebensmittel oder Arzneimittel gelten
spezifische EU- und einzelstaatliche Rechtsvorschriften. Eine gemäß der Verordnung
8
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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Mit der Neufassung wurde in Abs. 1 der Begriff „bezeichnet“ (engl. „presented“) durch „bestimmt“ ersetzt, Abs. 2 durch
Einfügen der Worte „durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung“ ergänzt. Am Sinngehalt der
Definition hat sich dadurch nach Auffassung des EuGH nichts
geändert.9 Der BGH sieht darin eine stärkere Objektivierung des
Arzneimittelbegriffs, d. h. die pharmakologischen Eigenschaften
seien stärker zu gewichten.10
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
Nähere Ausführungen zur Abgrenzung von Lebensmitteln von
Arzneimitteln finden sich in einem Exkurs unter 3.5.
II.3.4.5
Kosmetische Mittel
RL 76/768/EWG definiert in Art. 1 kosmetische Mittel wie folgt13:
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19
Mehr im
Exkurs
„Kosmetische Mittel sind Stoffe oder Zubereitungen, die dazu
bestimmt sind, äußerlich mit den verschiedenen Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und
intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der
Mundhöhle in Berührung zukommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, sie zu reinigen, zu parfümieren,
zu schützen, um sie in gutem Zustand zu halten, ihr Aussehen zu
verändern oder den Körpergeruch zu beeinflussen“.
Wesentliches Kriterium zur Abgrenzung von Lebensmitteln ist bei
kosmetischen Mitteln demnach die äußerliche Anwendung. Probleme kann es z. B. bei der Einstufung von Produkten geben, die
zumindest gelegentlich aufgenommen werden. Die unbeabsichtigte Aufnahme wird regelmäßig nicht zur Einstufung eines kosmetischen Mittels als Lebensmittel führen, so z. B. das ungewollte bzw.
nicht intendierte Verschlucken von Zahnpasta. Zahnpflegeprodukten wie z. B. Zahnpflegekaugummi kann eine kosmetische
Zweckbestimmung gegeben werden, wenn überwiegender Zweck
der Schutz und die Erhaltung des guten Zustands der Zähne sowie
das Verändern des Körpergeruchs ist.
20
Definition
21
äußerliche
Anwendung
(EG) Nr. 1924/2006 getroffene Entscheidung über eine gesundheitsbezogene Angabe,
wie die Aufnahme in die Liste zulässiger Angaben gemäß Artikel 13 Absatz 3 der genannten Verordnung, ist nicht gleichbedeutend mit einer Zulassung für das Inverkehrbringen des Stoffes, auf den sich die Angabe bezieht, einer Entscheidung darüber, ob
der Stoff in Lebensmitteln verwendet werden darf, bzw. einer Einstufung eines bestimmten Produkts als Lebensmittel.“
13
Ab dem 11. Juli 2013 gilt die Definition gem. Art. 2 Abs. 1 lit. a VO (EG) 1223/2009
über kosmetische Mittel
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
9
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
II.3.4.6
22
Definition
Tabak und Tabakerzeugnisse
Die Begriffe werden in der RL 89/622/EWG wie folgt definiert:
„Tabakerzeugnisse: Erzeugnisse, die zum Rauchen, Schnupfen,
Lutschen oder Kauen bestimmt sind, sofern sie ganz oder teilweise
aus Tabak bestehen“
II.3.4.7
23
Betäubungsmittel
Diese Stoffe sind in § 1 Abs. 1 BtMG in Verbindung mit den Anhängen zum BtMG definiert.
II.3.4.8
24
Rückstände
Rückstände und Kontaminanten
Die Aufführung von Rückständen und Kontaminanten erscheint
systematisch verfehlt. 14 Rückstände und Kontaminanten von Lebensmitteln teilen das Schicksal des Lebensmittels; allenfalls wird
das Lebensmittel aufgrund der Rückstände und Kontaminanten als
nicht sicher im Sinne des Art. 14 VO (EG) 178/2002 anzusehen
sein und deshalb als nicht verkehrsfähig. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist demnach gering.
14
10
Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe
so zutreffend Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C-101, Rnr. 123
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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Gerade Tabakerzeugnisse, die zum Kauen bestimmt sind, aber
auch solche zum Rauchen, können zumindest teilweise aufgenommen werden und deshalb begrifflich unter die Definition des
Absatzes 1 fallen. Maßgebliches Abgrenzungskriterien ist hier die
Zusammensetzung der Produkte.
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
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Artikel 1
II.3.5
Exkurs: Abgrenzung zwischen Lebensmitteln
und Arzneimitteln
II.3.5.1
Definition von Lebensmitteln und Arzneimitteln
Rechtlicher Ausgangspunkt der Abgrenzung zwischen Lebensmitteln, einschließlich Produkten wie Nahrungsergänzungsmitteln
oder diätetischen Lebensmitteln, und Arzneimitteln ist die Vorschrift des Art. 2 BasisVO, 15 die denkbar weit alle Stoffe oder
Erzeugnisse als Lebensmittel definiert, die von Menschen aufgenommen werden. Allerdings sind Arzneimittel im Sinne des Gemeinschaftskodex16 gem. Art. 2 Buchst. d BasisVO ausdrücklich
vom Lebensmittelbegriff ausgenommen.
25
BasisVO
Dabei unterscheidet die Definition des Art. 1 Nr. 2 des Gemeinschaftskodex zwischen sog. Präsentationsarzneimitteln und
Funktionsarzneimitteln.
26
Gemeinschaftskodex
Der Begriff des Präsentationsarzneimittels erfasst den Normalfall,
dass ein Erzeugnis als Arzneimittel in Verkehr gebracht wird und
auch gemäß der subjektiven Zweckbestimmung des Inverkehrbringens ein Arzneimittel sein soll. Ob dieses Erzeugnis tatsächlich auch pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch
wirksam i. S. d. Art. 1 Abs. 2 Buchst. b des Gemein-schaftskodex
ist, ist ggf. eine Frage der Zulassung, aber nicht Voraussetzung für
die Einstufung als Präsentationsarzneimittel (deswegen können
z. B. auch homöopathische Produkte als Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden).
27
Präsentationsarzneimittel
Zur Abgrenzung muss man auf den Begriff des Funktionsarzneimittels daher regelmäßig nur dann zurückgreifen, wenn Produkte als Arzneimittel wegen ihrer Wirkweise eingestuft werden
sollen, die im Gewand eines anderen Erzeugnisses, meist eines
28
Funktionsarzneimittel
15
Art. 2 VO (EG) 178/2002
16
Richtlinie 2001/83/EG
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11
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
Lebensmittels oder Kosmetikums, auf den Markt gebracht werden.
Dabei hält es der EuGH nach wie vor für zulässig,17 dass nationale Behörden und Gerichte entscheiden, ob ein Erzeugnis als
Arzneimittel einzustufen ist. Die gesetzlichen Definitionen, die
dabei zur Anwendung kommen, sind allerdings unionsweit einheitlich,18 die nationalen Spielräume daher gering.
Die Zweifelsregelung
29
gesetzgeberische Absícht
gescheitert
Der Gesetzgeber versuchte, die Abgrenzung der Produkte durch
die Einführung einer sog. Zweifelsfallregelung zu vereinfachen,
gemäß derer Erzeugnisse, die unter die Definition des Arzneimittels aber auch unter andere Definitionen, wie z. B. die des Lebensmittels fallen, als Arzneimittel gelten sollen.19 Allerdings hat die
Rechtsprechung diese gut gemeinte Vorschrift zwischenzeitlich
entkernt.
30
positive Einstufung notwendig
Die neuere Rechtsprechung des EuGH20 stellte fest, dass die Zweifelsfallregelung nicht greift, wenn die Arzneimitteleigenschaft des
betreffenden Produktes nicht zuvor wissenschaftlich positiv nachgewiesen ist. Die etablierten Kriterien zur Einstufung müssen
demnach erst zur Einstufung als Arzneimittel führen, nur dann
kann – wenn das Erzeugnis zugleich unter die Definition einer
anderen Produktkategorie fallen würde – die Einstufung als Arzneimittel aufgrund der Zweifelsregelung erfolgen. Eine Einstufung
„auf Verdacht“, wie zuvor vom OVG Lüneburg 21 erörtert, ist
demnach nicht zulässig.
17
EuGH, „HLH Warenvertrieb“, ZLR 2005, 435 = WRP 2005,
18
so bereits BGH, Urteil vom 26.08.2008, „Arzneimittelwerbung im Internet“, ZLR 2006,
411
12
19
Eingeführt durch Richtlinie 2004/27/EG, umgesetzt mittlerweile in § 2 Abs. 3 a AMG
20
EuGH, Urteil vom 15.01.2009, Rs. C-140/07 („Red Rice III“)“), PharmaR 2009, 122
21
OVG Lüneburg, Urteil vom 23.03.2006, Az.: 11 LC 180/05
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II.3.5.2
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
Nachdem der EuGH die Zweifelsfallregelung dergestalt ausgelegt
hatte, hat das OVG Lüneburg im Ausgangsverfahren mittlerweile
mit Urteil vom 03.02.201122 die streitgegenständlichen Red RiceKapseln, die als Nahrungsergänzungsmittel mit einem Monacolin
K-Gehalt von 1,33 mg/Kapsel und einer Empfehlung von einem
Verzehr von bis zu 3 Kapseln in Verkehr gebracht worden waren,
als verkehrsfähiges Lebensmittel erachtet. Das Erzeugnis war
weder als Präsentations- noch als Funktionsarzneimittel einzustufen.
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II.3.5.3
31
OVG Lüneburg
Präsentationsarzneimittel
Wie bereits ausgeführt, ist das Präsentationsarzneimittel der Normalfall eines pharmazeutischen Erzeugnisses. Allerdings soll es
sich nach der Rechtsprechung auch dann um ein Präsentationsarzneimittel handeln, „wenn beim durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck
entsteht, dass dieses Erzeugnis als Mittel zur Heilung oder zur
Verhütung menschlicher und tierischer Krankheiten dient,23 sogenannte Präsentationsarzneimittel im weiteren Sinne.24
32
Präsentationsarzneimittel im
weiteren Sinne
Eine derartige Einstufung als Präsentationsarzneimittel 25 beruht
regelmäßig auch auf außerhalb des Erzeugnisses selbst liegenden Umständen, wie z. B. einer massiven krankheitsbezogenen
Werbung (z. B. „Vitamine gegen Krebs“). Diese kann zur Einstufung als Präsentationsarzneimittel führen, mit der der Werbende
hinsichtlich der Wirkweise seines Erzeugnisses beim Wort genommen wird.
33
Bewerbung
22
OVG Lüneburg, Urteil vom 03.02.2011, Az.: 13 LC 92/03
23
EuGH, Urteil vom 30.11.1983, Slg. 1983, 3897 ff. – Van Benekom, Tz. 18
24
Meisterernst, GRUR 2001, 111
25
zur Kategorisierung der verschiedenen Produkte siehe grundlegend Meisterernst,
GRUR 2001, 111
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13
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
34
Bewerbung
durch Dritte
Eine Bewerbung durch unabhängige Dritte reicht aber nicht aus,
um ein Produkt als Präsentationsarzneimittel einzustufen. Nach
Auffassung des VGH Mannheim 26 waren z. B. Internetbeiträge
Dritter bei der Einstufung nicht zu berücksichtigen, im Gegensatz
zu Produkthinweisen auf der Homepage des Herstellers.
35
„Franzbranntweingel“
Die Differenzierung zwischen Präsentations- und Funktionsarzneimitteln fällt in der Praxis oftmals schwer. Der BGH hat sich in
seiner Entscheidung „Franzbranntweingel“27 bezüglich der Abgrenzung zwischen einem Kosmetikum und einem Arzneimittel
mit dieser Frage befasst. In dem konkreten Fall wurde ein „Franzbranntweingel“, das als Kosmetikum aufgemacht war und vertrieben wurde, vom BGH als Arzneimittel nach der Präsentation eingestuft, da Franzbranntwein überragende Bekanntheit bei
bundesdeutschen Verbrauchern als Arzneimittel habe.
36
Präsentationsarzneimittel
Ein Präsentationsarzneimittel im weiteren Sinne kann demnach
dann vorliegen, wenn ein Erzeugnis zwar nicht als Arzneimittel
aufgemacht ist, die Verbraucher im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung des EuGH aber mit Gewissheit davon ausgehen, dass es
sich bei dem Produkt ungeachtet der abweichenden Aufmachung
um ein Arzneimittel handelt. Dieser Eindruck kann sich
― aufgrund der stofflichen Zusammensetzung oder
― aufgrund der Produktaufmachung, Etikettierung und
Bewerbung
ergeben.
37
bekannter
Arzneistoff
Im ersten Fall der Einstufung eines Produkts als Präsentationsarzneimittel wegen der Verwendung eines überragend bekannten Arzneistoffs bei vergleichbarer Anwendung ist das Produkt
26
VGH ‚Mannheim, vom 11.02.2010, Az. 9 S 3331/08, „Kräuterteemischung“, DÖV 2010,
527
27
14
BGH, ZLR 2001, 417
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Artikel 1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
ungeachtet seiner pharmakologischen Wirksamkeit mangels Zulassung nicht verkehrsfähig.28
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Im zweiten Fall der arzneilichen Aufmachung und Etikettierung oder Bewerbung ist das Produkt in der jeweiligen Aufmachung mit der jeweiligen Etikettierung oder mit der betreffenden
Werbung nicht verkehrsfähig.29 Dabei ist auf den Gesamteindruck
des Produktes abzustellen, insbesondere dürfen einzelne Werbeaussagen nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden.30 Soweit
die Bewerbung nicht die Verbrauchererwartung so geprägt hat,
dass es sich in jedem Fall (d. h. auch bei Abänderung der Bewerbung) weiterhin um ein Arzneimittel handelt,31 kann aber in diesen
Fällen das Produkt in seiner stofflichen Zusammensetzung nach
ordnungsgemäßer Abänderung weiter vertrieben werden.32
II.3.5.4
38
Bewerbung
Funktionsarzneimittel
Auch der Begriff des Funktionsarzneimittels wurde in der neueren
Rechtsprechung des EuGH einer präziseren und zugleich engeren Auslegung unterzogen. Nach der grundlegenden Entscheidung
„Knoblauchkapseln“ 33 ist eine pharmakologische Wirkung bei
Stoffen, die auch mit der Nahrung aufgenommen werden, nur dann
39
EuGH „Knoblauchkapseln“
28
in diesem Sinne unter Einbezug der Dosierung auch OLG Hamm, MD 2005, 219 für
ein hochdosiertes Vitamin E-Präparat; aA OVG Münster, Urteil vom 17.03.2006, Az.: 13
A 2098/02
29
so auch Gröning, WRP 2005, 709, 717; OLG Hamburg, ZLR 2005, 491 mit Anmerkung Reinhart
30
BGH, „L-Glutamin“, GRUR 2003, 631, 632 = WRP 2003, 883
31
wie beispielsweise in der Entscheidung des KG Berlin, DLR 2005, 212
32
instruktiv: OLG Köln, „Glucosaminsulfat I“, ZLR 2004, 94 (Produkt mit 750 mg Glucosaminsulfat bei vergleichbarem auf dem Markt befindlichen Arzneimittel und arzneimitteltypischer Bewerbung ein Präsentationsarzneimittel); OLG Köln, „Glucosaminsulfat II“,
MD 2005 1223 (identisches Produkt kein Funktionsarzneimttel)
33
EuGH, Urteil vom 15.11.2007, Rs. C-319/05 „Knoblauchkapseln“, GRUR 2008, 271 =
ZLR 2008, 48
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
15
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
40
objektiv feststellbar?
Der danach bei der Abgrenzung entscheidende Begriff der pharmakologischen Eigenschaften begegnet aus naturwissenschaftlicher Sicht Bedenken. 34 Die pharmakologische Wirkung einer
Substanz kann im Ergebnis oftmals nur schwer oder gar nicht von
ernährungsphysiologischen oder physiologischen Wirkungen
abgegrenzt werden.35 So kann z. B. Calcium als Phospatbinder bei
Dialysepatienten in einer Dosierung von 500 mg als Arzneimittel
vertrieben werden; die gleiche Menge Calcium kann aber auch
ohne weiteres in einem Nahrungsergänzungsmittel verwendet
werden. Dies sollte aber nicht dazu verführen, den Begriff der
„pharmakologischen Wirkung“ leichtfertig aufzugeben oder abzutun (rechtlich wäre dies ohnehin nicht möglich, da sich der Begriff
der „pharmakologischen Eigenschaften“ in der Definition des
Arzneimittels in der RL 2001/83/EG findet).
41
Zulassungen
und Monographien
Bei der Verwendung von Arzneistoffen, für die klinische Studien
eine klar definierte Grenze der pharmakologischen Wirkung
ergeben, kann die pharmakologische Eigenschaft eines Produkts
bestimmt werden und das Kriterium zur Abgrenzung von Lebensmitteln herangezogen werden. Diese kann aus Arzneimittelmonographien36 oder Arzneimittelzulassung abgeleitet werden. Bestehen
wissenschaftliche Zweifel, ob einem Produkt pharmakologische
Eigenschaften zukommen, kann es nicht als Funktionsarzneimittel
34
siehe eingehend Röbel/Parzeller/Schulze, Arzneimittel oder Lebensmittel – Unterscheidung anhand der pharmakologischen Wirkung, StoffR 2005, 208 (Teil 1) und 233
(Teil 2); Gröning, WRP 2005, 709; Meisterernst/Schneider, DLR 2004, 302; Hahn, ZLR
2002,1; Zipfel/Rathke, C-101, § 2, Rnr. 77a
35
OLG Hamburg, ZLR 2009, 246, 253, bezeichnet demnach das Merkmal der ernährungsphysiologischen Wirkung als funktionalen Rechtsbegriff zur Abgrenzung von der
pharmakologischen Wirkung
36
16
BVerwG, Urteil vom 25.07.2007, Vitamin E, ZLR 2008, 80
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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anzunehmen, wenn eine nennenswerte Beeinflussung der biologischen Funktionen des Organismus erfolgt. Im konkreten Fall wurde die Zufuhr von Allicin mittels Knoblauchkapseln, die einem
Verzehr von 7,4 g frischem Knoblauch entsprach, als nicht pharmakologisch eingestuft.
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
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eingestuft werden. 37 Bei ambivalenten Stoffen, bei denen die
pharmakologische Wirkung letztendlich nicht über eine vergleichbare ernährungsphysiologische Wirkung hinausgeht, ist das
Kriterium jedoch zur Abgrenzung ungeeignet. Hier treten Sicherheitsaspekte in den Vordergrund.38 Im Einzelfall kann aber auch
die Verwendung eines Stoffs unterhalb der therapeutischen Dosierung zur Einstufung als Arzneimittel führen.39
Gerichte behelfen sich zuweilen mit der Überlegung, ob die betreffende Menge des Nährstoffs auch mit der normalen Ernährung
zugeführt werden könnte.40 Diese Auffassung ist zwar zutreffend,
soweit es darum geht zu beurteilen, ob eine Zutat oder ein Stoff
keine pharmakologische Wirkung hat; der Umkehrschluss ist
jedoch nicht gerechtfertigt. 41 Denn die frühere deutsche Verwaltungspraxis, Vitamine mit einer Dosierung von mehr als dem
Dreifachen der täglich empfohlenen Aufnahmemenge als Arzneimittel zu qualifizieren, wurde ausdrücklich als unionsrechtswidrig
beanstandet. 42 Die empfohlenen täglichen Aufnahmemengen orientieren sich maßgeblich an der üblichen Aufnahmemenge des
betreffenden Stoffs bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung. Im Ergebnis würde diese Rechtsprechung demnach zurück zu einer „Einfachregel“ führen, die noch weit unter
der früheren „Dreifachregel“ liegt.
42
Zufuhr mit
normaler
Ernährung
möglich
Diese Auffassung wird durch Art. 8 Abs. 1 AnreicherungsVO in
Verbindung mit deren Erwägungsgrund 20 bestätigt: Anreicherung
und Dosierung von Stoffen oberhalb der mit einer ausgewogenen
und abwechslungsreichen Ernährung zu erreichenden Menge führt
zu einer Beweislastumkehr für die Sicherheit des betreffenden
43
AnreicherungsVO
37
EuGH, Urteil vom 15.01.2009, Rs. 140/07, Red Rice III; PharmaR 2009, 122 OLG
Köln, MD 2005, 1223
38
siehe hierzu Meisterernst/Schneider, DLR 2004, 302
39
so VG Braunschweig, LRE 64, 326
40
so z.B. Kammergericht Berlin, E. v. 8.11.2002, ZLR 2003, 604
41
3-fache Tagesdosis, ZLR 2001, 561
42
EuGH, E. v. 29.4.2004, „3-fache Tagesdosis“, Rs. C-387/99; BGH, „3-fache Tagesdosis“, ZLR 2001, 561
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17
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
44
Einzelfallbeurteilung maßgeblich
Vielmehr ist erforderlich, dass ein Erzeugnis entweder zur Verhütung oder Heilung von Krankheiten bestimmt ist oder die Zufuhr
eines bestimmten Stoffes das ernährungsphysiologisch Sinnvolle
und Mögliche weit übersteigt. 43 Es bedarf stets einer Beurteilung des Produkts im Einzelfall „unter Berücksichtigung aller
seiner Eigenschaften“.44
45
BVerwG
Dementsprechend vertrat auch das Bundesverwaltungsgericht in
seiner Entscheidung „OPC“ 45 und „Lactobact Omni FOS“ die
Auffassung, dass die Funktionsbedingungen des menschlichen
Körpers „erheblich beeinflusst“ werden müssen und dass die
betreffenden pharmakologischen Wirkungen durch belastbare
wissenschaftliche Erkenntnisse belegt sein müssen.46
46
EuGH
Auch der EuGH stellt darauf ab, dass ein Arzneimittel nach der
Funktion „wirklich die Funktion der Verhütung oder Heilung“47 besitzt, und nicht nur Eigenschaften hat, die der Gesundheit im Allgemeinen förderlich sind. Bei Erzeugnissen, die auch
als Lebensmittel verzehrt werden, sei dies regelmäßig nicht anzunehmen, wenn die mit dem Erzeugnis verzehrte Menge oder der
mit dem Erzeugnis verzehrte Wirkstoff nicht Auswirkungen auf
die physiologischen Funktionen hervorruft, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel gleichfalls auf diese Funktion
haben kann.
43
so die Rechtssprechung des Hanseatischen OLG Hamburg sowie das Kammergericht
Berlin: OLG Hamburg, Urteil 5.10.2000, LRE 40, Heft 2/3; ZLR 2001, 315 - “Muskelaufbau”; KG Berlin, Urteil vom 20.10.2000, ZLR 2001, 576 – „Anti-kataboler Muskelzellschutz“; OLG Hamburg, ZLR 2002, 75 – „Pflanzliche Östrogene“
18
44
so auch Art. 2 RL 2001/83/EG
45
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.07.2007, „OPC“, ZLR 2007, 757
46
so auch Bundesverwaltungsgericht „Vitamin E 400“, ZLR 2008, 80
47
EuGH „Knoblauchkapseln“, Urteil vom 15.11.2007, Rs. C-319/05, ZLR 2008, 48
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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Erzeugnisses zu Lasten des Lebensmittelunternehmers, aber nicht
zu einer Einstufung als Arzneimittel.
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
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Artikel 1
Auch der Bundesgerichtshof schließt sich in seiner neueren Rechtsprechung48 dieser Auffassung an.
47
BGH
Es muss demnach z. B. bei Nahrungsergänzungsmitteln für jedes
einzelne Vitamin und bei jedem einzelnen Mineralstoff festgelegt
werden, wo der therapeutische Einsatz beginnt. Eine Frage, die
naturgemäß schwierig zu beantworten ist. So können etwa 100 mg
Vitamin C bei einem Skorbutkranken durchaus eine therapeutische
Wirkung haben.
48
Abgrenzungsprobleme
bleiben
Diese Rechtsprechung, die maßgeblich auf den Begriff der pharmakologischen Wirkung abstellt, ist jedoch bei ergänzenden bilanzierten Diäten, die eine besondere medizinische Zweckbestimmung haben, zur Abgrenzung von Arzneimitteln grundsätzlich
nicht tauglich.49
49
ergänzende
bilanzierte
Diäten
II.3.5.5
Zusammengefasst: Einzelfallbeurteilung
maßgeblich
Daher kommt es nach der etablierten Rechtsprechung auf die Eigenschaften eines Erzeugnisses im Wege einer Einzelfallbeurteilung
hinsichtlich Zusammensetzung, pharmakologischer Eigenschaften,
Modalitäten des Gebrauchs, Umfang der Verbreitung, Bekanntheit
bei Verbrauchern und schließlich der Verwendung an. Es muss eine
nennenswerte Beeinflussung menschlich physiologischer Faktoren
erfolgen.
50
Kriterien
Danach verbieten sich pauschalisierende Regelungen, wie die
bereits genannte Dreifachregel, aber auch die generelle Einstufung
von Stoffen als Arzneistoffe und damit als zulassungspflichtige Zutaten. In einer neueren Entscheidung des EuGH, betreffend eine Liste
51
keine pauschalisierenden
Regelungen
48
BGH „L-Carnitin II“, Urteil vom 26.06.2008, I ZR 61/05; „HMB-Kapseln“, Urteil vom
26.06.2008, I ZR 111/05, GRUR 2008, 619 = ZLR 2009, 68
49
OLG Hamburg, U. v. 27.01.2005, ZLR 2005, 266; OLG München, U. v. 19.08.2003,
Az.: 6 U 1532/04
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19
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
verbotener Pflanzenstoffe des Königreichs Spanien50, wurde diese als
unzulässige Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit eingestuft, da
bei jeder dort aufgeführten Arzneipflanze gesondert geprüft werden
müsste, ob sie eine pharmakologische Wirkung habe.
Dosierung entscheidend
52
Dosis
entscheidend“
Nachdem eine pharmakologische Wirkung nur dosisabhängig zu
bestimmen ist, kann die Einstufung als Funktionsarzneimittel nicht
allein aufgrund der Verwendung einer Arzneipflanze erfolgen.
Es muss jeweils geprüft werden, ob die Dosierung im konkreten
Erzeugnis eine pharmakologische Wirkung begründet. Es gibt
demnach keine pflanzlichen Zutaten, die abstrakt-generell als
Arzneistoffe eingestuft werden und deswegen dosisunabhängig
dem Arzneimittelbereich vorbehalten sind.
53
Ausnahme:
Präsentationsarzneimittel
Anders läge der Fall bei einer Pflanze, die so stark im Verbraucherbewusstsein als Arzneistoff verankert ist, dass ihre Verwendung und ggf. werbliche Auslobung zur Einstufung der betreffenden Produkte als Präsentationsarzneimittel führen würde.51
54
Novel Food
Allerdings kann die Verwendung dieser Stoffe in Lebensmitteln
aus anderen Gründen, z. B. als neuartige Lebensmittelzutat 52
wegen des fehlenden Gebrauchs in Lebensmitteln vor dem
15.05.1997 oder aus Gründen der Lebensmittelsicherheit unzulässig sein.
55
Verzehrsempfehlung
Ist eine Verzehrsempfehlung unpräzise, kann eine Einstufung als
Funktionsarzneimittel erfolgen, wenn das Überschreiten der Empfehlung – im konkreten Fall bei „Ginkgo“ – zu der Aufnahme
50
EuGH, Urteil vom 05.03.2009, Rs. C-88/07, „Kommission/Königreich Spanien, ZLR
2009, 321
51
In diesem Sinne BGH, ZLR 2001, 417 „Franzbranntweingel“
52
VO (EG) 58/1997 über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, Novel Food
VO
20
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II.3.5.6
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
einer pharmakologisch wirksamen Menge führen kann. 53 Grundsätzlich ist aber bei der Beurteilung der Wirkung eines Erzeugnisses stets auf dessen normale Verwendung, d. h. Verwendung
gemäß Verzehrsempfehlung, abzustellen. 54 Die von einem Erzeugnis ausgehende Gesundheitsgefahr ist dabei grundsätzlich
kein relevantes Abgrenzungskriterium.55
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II.3.5.7
Auswirkungen von Zulassungen gemäß VO
Als neuer Faktor bei der Abgrenzungsproblematik ist zu sehen,
dass gemäß VO Stoffe beurteilt wurden, die mit gesundheitsbezogenen Angaben beworben werden können, die nach nationaler
Auffassung als Arzneimittel einzustufen wären (wobei hier die
Dosierung, wie bereits ausgeführt, eine entscheidende Rolle spielt).
56
Zulassung von
Stoffen
Angesichts unterschiedlicher Produkttraditionen in Europa
hinsichtlich Pflanzen und Pflanzenextrakten in Lebensmitteln,
Kräutertees, pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln und/oder
Arzneimitteln wurde die Bewertung von Pflanzenstoffen durch die
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) von der
Kommission zurückgestellt. Der erste Teil der Gemeinschaftsliste
gemäß Art. 13 Abs. 3 VO (VO (EU) 432/12) der zugelassenen
gesundheitsbezogenen Angaben erfasst diese nicht. Inwieweit eine
Neuregelung der VO vergleichbar der zu traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln56 im Hinblick auf unterschiedliche Traditionen
bei der Verwendung von Pflanzenstoffen in den Mitgliedsstaaten
erfolgen wird, ist zurzeit offen.
57
Produkttraditionen für
Pflanzen
53
BGH, Urteil vom 01.07.2010, I ZR 19/08 – „Ginkgo“, WRP 2010, 1243 = ZLR 2010,
613
54
EuGH, Urteil vom 30.05.2009, Rs. C-27/08 – „Bios“, ZLR 2009, 483; BVerwG, Urteil
vom 26.05.2009, Az. 3 C 5.09 – „Red Rice Kapseln“
55
so EuGH, Urteil vom 30.04.2009, Rs. C-27/08; „Bios“, ZLR 2009, 483; BGH, Urteil
vom 14.01.2010, Az. I ZR 138/07 „Zimtpräparat“, ZLR 2010, 211
56
Zu dieser Problematik bereits Meisterernst, ZLR 2004, 43
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
21
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
58
EuGH „HLH“
Zwar hat der EuGH in der Entscheidung „HLH Warenvertrieb“ 57 die Auffassung vertreten, dass es nach wie vor „möglich“ bzw. nicht zu vermeiden sei, dass eine unterschiedliche Qualifizierung von Erzeugnissen in den Mitgliedstaaten erfolgt. Da
aber zugleich der Arzneimittelbegriff nach der Rechtsprechung
des EuGH harmonisiert ist,58 ist an sich nur schwer vorstellbar,
dass die Verwendung eines Stoffs in einer bestimmten Dosierung
in dem einen Mitgliedstaat objektiv zutreffend pharmakologische
Eigenschaften des jeweiligen Erzeugnisses begründet, in einem
anderen hingegen nicht.
59
Befugnisse
der Mitgliedstaaten
Dessen ungeachtet hat der Unionsgesetzgeber bei Verabschiedung
des ersten Teils der Gemeinschaftsliste (siehe hierzu die Kommentierung bei Art. 28, Rnr. 20 ff.) „klarstellend“ in Erwägungsgrund 17 59 zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidung über
eine gesundheitsbezogene Angabe und insbesondere die Aufnahme
in die Liste zulässiger Angaben „nicht gleichbedeutend mit einer
Zulassung für das Inverkehrbringen des Stoffs, auf den sich die
Angabe bezieht, eine Entscheidung darüber, ob der Stoff in Lebensmitteln verwendet werden darf, bzw. eine Einstufung eines
bestimmten Produkts als Lebensmittel“ ist.
57
EuGH, „HLH Warenvertrieb“ u. a., WRP 2005, 863
58
EuGH, „HLH Warenvertrieb“ u. a., WRP 2005, 863; ebenso BGH, „L-Carnitin II“, Urteil
vom 26.06.2008, I ZR 61/05; ZLR 2008, 679 = GRUR 2008, 830; BGH, „HMB-Kapseln“,
Urteil vom 26.06.2008, I ZR 111/05; GRUR 2008, 834; BGH, Urteil vom 14.01.2010, Az.:
I ZR 138/07 „Zimtpräparat“
59
„Für den Zusatz von Stoffen zu Lebensmitteln bzw. ihre Verwendung in Lebensmitteln
wie auch für die Einstufung von Produkten als Lebensmittel oder Arzneimittel gelten
spezifische EU- und einzelstaatliche Rechtsvorschriften. Eine gemäß der Verordnung
(EG) Nr. 1924/2006 getroffene Entscheidung über eine gesundheitsbezogene Angabe,
wie die Aufnahme in die Liste zulässiger Angaben gemäß Artikel 13 Absatz 3 der genannten Verordnung, ist nicht gleichbedeutend mit einer Zulassung für das Inverkehrbringen des Stoffes, auf den sich die Angabe bezieht, einer Entscheidung darüber, ob
der Stoff in Lebensmitteln verwendet werden darf, bzw. einer Einstufung eines bestimmten Produkts als Lebensmittel.“
22
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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Artikel 1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
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Artikel 1
Dies ist zwar formal zutreffend. Dennoch ist der Zulassung einer
gesundheitsbezogenen Angabe für Lebensmittel zu entnehmen,
dass der betreffende Stoff/das Lebensmittel bei den in der Zulassung vorgesehenen Verwendungsbedingungen, insbesondere einer
dort festgelegten Dosierung, in einem oder einigen Mitgliedstaaten
als Lebensmittel eingestuft wird. Wären nämlich alle Mitgliedstaaten der Auffassung, dass der Stoff in einer bestimmten Dosierung ausschließlich als Arzneimittel Verwendung finden könne,
wäre eine Zulassung nicht erfolgt.
60
Bedeutung der
Zulassung
einer gesundheitsbezogenen Angabe
Soweit Angaben auf die Behandlung von Krankheiten zielten,
wurden sie jedenfalls abgelehnt.60
61
Behandlung
von Krankheiten
Spielraum für eine abweichende Entscheidung der Mitgliedstaaten
scheint daher im Wesentlichen hinsichtlich der Einstufung als
„Präsentationsarzneimittel“ zu bestehen. Die Tatbestandsmerkmale dieser Fallgruppe eröffnen Raum für den Einbezug kultureller Unterschiede, die zu voneinander abweichenden Ergebnissen
führen können.
Es bleibt Aufgabe der Rechtsprechung, die Friktionen bei Anwendung der VO – soweit dies möglich ist – behutsam aufzulösen.
Eine Annäherung der Rechtsanwendungsbindungspraxis in den
Mitgliedstaaten wäre wünschenswert. Hinsichtlich der Einstufung
als Funktionsarzneimittel wäre eine weitere Harmonisierung des
Unionsrechts hilfreich. Nachdem unterschiedliche Einstufungen
nationaler Behörden und Gerichte aber meist auf der Grundlage
voneinander abweichender Tatsachenbeurteilungen erfolgen, würde dies Kompetenzen einer unionsweit zuständigen Instanz voraussetzen.
62
verbleibende
Spielräume
63
Ausblick
60
siehe EFSA Journal 2010; 8 (10): 1746 bezüglich der Angabe „treatment of cold sores
and herpes“. „The panel considers that the claim does not comply with the criteria laid
down in Regulation (EC) no. 1924/2006”
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
23
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
Übersicht Abgrenzung Lebensmittel –
Arzneimittel
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II.3.5.8
24
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
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II.3.6
Abgabe an den Endverbraucher
Der Begriff des Endverbrauchers ergibt sich bereits aus der VO
(EG) 178/2002 (Art. 3 Ziff. 18). Diese Definition wird überflüssigerweise auch noch in Art. 2 Ziff. 1 a VO wiederholend in Bezug genommen. Die betreffenden Lebensmittel müssen zur Abgabe an den Endverbraucher bestimmt sein. Hierzu gehören regelmäßig Lebensmittel in Fertigverpackungen im Sinne des § 6 Abs.
1 EichG. Danach sind Fertigpackungen „Erzeugnisse in Verpackungen beliebiger Art, die in Abwesenheit des Käufers abgepackt
und verschlossen werden, wobei die Menge des darin enthaltenen
Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche Änderung der Verpackung nicht verändert werden kann“. Bei unverpackten Lebensmitteln gelten bei Abgabe an den Endverbraucher besondere Regelungen.
64
Begriff Endverbraucher
Die weitere Gleichstellung, dass die Verordnung auch für Lebensmittel, die in Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung wie
Restaurants, Krankenhäusern, Schulen, Kantinen etc. gelten soll,
korrespondiert mit dem Begriff des „Einzelhandels“ gemäß Art. 13
Ziff. 7 VO (EG) 178/2002.
65
gleichgestellte
Abnehmer
Die Vorschrift ist an die Regelung des Art. 1 RL 2000/13/EG
(Etikettierungs-Richtlinie) angelehnt. Auch dort wird im Anwendungsbereich darauf abgestellt, dass Lebensmittel „ohne weitere Verarbeitung an den Endverbraucher abgegeben werden sollen“. Aus der hier gewählten Formulierung „als solche an
Endverbraucher abgegeben werden sollen“ ist jedenfalls zu entnehmen, dass die Vorschrift beim Vertrieb an gewerbliche Weiterverarbeitungsbetriebe – mit Ausnahme der, wie vorstehend dargelegt, gleichgestellten Abnehmer – nicht gelten soll. So fällt z. B.
der Vertrieb von Backmischungen an Bäckereibetriebe nicht in den
Anwendungsbereich der VO.
66
gewerbliche
Abnehmer
Fraglich ist allerdings, ob die VO grundsätzlich auch für Angaben
gegenüber anderen Personen gilt, wenn diese nicht als Endverbraucher angesprochen werden, wie z. B. Ärzte, Apotheker oder
Ernährungsberater (Nicht-Verbraucher). Der wesentliche Begriff
der „kommerziellen Mitteilung” nimmt den Adressaten einer
nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angabe nicht in Bezug und
67
NichtVerbraucher
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
25
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
trägt daher zur Beantwortung der Frage, ob die Verordnung auch
auf Nicht-Verbraucher anwendbar ist, zunächst nicht bei.
69
Aufmachung
und
Etikettierung
70
Nur
Verbraucher
soll geschützt
werden
Für eine Anwendbarkeit der VO spricht der Wortlaut der Vorschrift, die nicht darauf abstellt, ob die jeweiligen Lebensmittel an
den Verbraucher abgegeben werden, sondern darauf, ob sie an den
Verbraucher abgegeben werden sollen61. Werbung gegenüber z. B.
Fachkreisen für Produkte, die letztendlich für den Endverbraucher bestimmt sind, würde gemäß dem Wortlaut in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Damit könnte ein stärkerer
Schutz der Verbraucher davor erzielt werden, dass unzutreffende
Informationen von fachkundigen Personen weitergegeben werden.
Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 VO ist allerdings nur vermeintlich eindeutig. Die Vorschrift deckt sowohl die Aufmachung
und Etikettierung als auch die Werbung ab. Für den Bereich der
Aufmachung und Etikettierung, also der Angaben die sich auf oder
in räumlicher Nähe zu dem Produkt finden, ist es völlig unstreitig,
dass darauf abzustellen ist, ob die Produkte an den Endverbraucher
abgegeben werden sollen (anders bei gewerblichen Weiterverarbeitern, siehe oben Rdnr. 66). Nur bei werbenden Angaben außerhalb der Verpackung stellt sich die Frage der Anwendung auf
Nicht-Verbraucher und ob der Wortlaut streng auszulegen ist.
Gegen eine Anwendung auch auf Werbeangaben gegenüber
Nicht-Verbrauchen spricht die primäre Zielrichtung der Verordnung, der Verbraucherschutz. Die VO zielt darauf ab, ein hohes
Schutzniveau für Verbraucher und ein Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten (siehe Erwägungsgrund 1, Art. 1 VO).
Diese Ziele können zwar grundsätzlich unabhängig davon erreicht
werden, ob Nicht-Verbraucher dem Anwendungsbereich unterliegen sollen oder nicht. Grundlegende Vorschriften der VO (z. B. Art.
5 Abs. 2, 13 Abs. 1 ii VO, Erwägungsgrund 16) nehmen jedoch
ausdrücklich auf den Verbraucher und seine Vorstellung Bezug.
Die Anwendung auf andere Parteien ist offensichtlich nicht vorgesehen. Hinzuweisen ist auch noch auf Erwägungsgrund 3 der VO,
61
26
So noch unsere Auffassung in der 5. Aktualisierungslieferung 08/08.
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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68
Wortlaut
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
der direkt auf die Kennzeichnungsrichtlinie 2000/13/EG und Käufer – regelmäßig Verbraucher – von Produkten, die nicht irregeführt werden sollen, verweist.
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Darüber hinaus ist zu beachten, dass Art. 11 und 12 der VO spezifische Vorschriften für Angaben festlegt, die von Nicht-Verbrauchern, nämlich in diesem Falle Fachkreisen, getätigt werden. Der
Gesetzgeber hat demnach durchaus die Situation erkannt, dass ggf.
gesundheitsbezogene Angaben von Angehörigen der Fachkreise
getätigt werden können. Hätte er auch die umgekehrte Situation
der Werbung gegenüber Fachkreisen erfassen wollen, hätte nahe
gelegen, dies auch ausdrücklich festzulegen. Dabei ist in die Betrachtung einzubeziehen, dass die unterschiedliche Behandlung
gegenüber Verbrauchern und anderen Parteien mittlerweile in der
Rechtsetzung der Europäischen Union zum Standard gehört62.
Das durchschlagende Argument liegt allerdings darin, dass es
nach der VO keine Möglichkeit gibt, Angaben für sonstige Personen mit einem vom normalen Verbraucherverständnis abweichenden Empfängerhorizont zuzulassen. Wenn der Unionsgesetzgeber gewollt hätte, dass auch gesundheitsbezogene Angaben
gegenüber z. B. Fachkreisen der Verordnung unterliegen sollten,
müsste auch die Möglichkeit bestehen, dem speziellen Informationsbedürfnis sowie vorgebildetem Verständnis dieser Personengruppe durch die Zulassung entsprechend detaillierter und naturwissenschaftlich geprägter Angaben zu genügen. Nachdem die VO
aber kein Verfahren vorsieht, in dem Angaben gegenüber Fachkreisen zugelassen werden könnten, wären gem. Art. 10 VO auch
wissenschaftlich zutreffende Angaben gegenüber dieser Personengruppe deshalb unzulässig, da sie gemessen am Maßstab des Art. 5
Abs. 2, 13 Abs. 1 ii VO vom Verbraucher nicht verstanden werden.
Dies kann nicht richtig sein und würde überdies gegen die unionsrechtlich anerkannten Grundrechte der Meinungs- und Informati-
62
70a
Spezifische
Regelungen
für Angaben
von Fachkreisen
70b
Keine
Zulassungsmöglichkeit
für Angaben
gegenüber
Fachkreisen
Siehe z. B. die Richtlinien 2006/114/EG sowie 2005/29/EG.
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
27
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
70c
Anwendung
nur auf
Werbung
gegenüber
Endverbrauchern
Für eine Anwendung der VO ausschließlich auf die Bewerbung
gegenüber Endverbrauchern sprechen demnach die besseren Argumente. Letztendlich wird die Rechtsprechung diese Frage klären
müssen. Es wäre wünschenswert gewesen, dass der Unionsgesetzgeber sich bei Erlass der Verordnung diesbezüglich eindeutig
geäußert hätte, nachdem dieser Problematik erhebliche praktische
Relevanz bei der Bewerbung von Gesundheitsprodukten zukommt.
70d
diätetische
Lebensmittel
In Art. 6 Abs. 2 RL 89/398/EWG ist eine Ausnahme für zweckdienliche Angaben oder Empfehlungen, die ausschließlich für
qualifizierte Personen auf dem Gebiet der Medizin, der Ernährung
und der Arzneimittel bestimmt sind, vorgesehen, die allerdings nur
für diätetische Lebensmittel gilt, siehe hierzu die Kommentierung
bei Art. 1 Rn. 86.
II.3.7
71
Frischprodukte
Unverpackte Lebensmittel
Für nicht vorverpackte Lebensmittel gelten einige Bestimmungen
der Verordnung nicht. Der Anwendungsbereich ist insoweit in Art.
1 Abs. 2 Satz 2 VO auf Betreiben des Europäischen Parlaments
entgegen den ursprünglichen Plänen der Kommission eingeschränkt worden. Beispielhaft nennt die Verordnung Frischprodukte wie Obst, Gemüse oder Brot. Die Vorschrift erfasst auch alle
Lebensmittel, die an der Verkaufsstelle auf Wunsch des Käufers
verpackt oder im Hinblick auf den sofortigen Verkauf fertig ver-
63
Siehe hierzu BGH, Beschluss vom 13. Januar 2011, WRP 2011, 344, Rz. 10, sowie
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23. September 2010, WRP 2011, 103 ff., Rz.
14, unter zusätzlichem Hinweis auf die Berufsfreiheit (Art. 15 Abs. 1) und die Unternehmerfreiheit (Art. 16) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; das Verbot der
Bewerbung alkoholischer Getränke gem. Art. 4 Abs. 3 VO ist kein Verstoß gegen Grundrechte, EuGH, Urteil vom 6. September 2012, Rs. C-544/10, „Deutsches Weintor“, ZLR
2012, 602 = WRP 2012, 1368.
28
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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onsfreiheit gem. Art. 6 Abs. 3 AEUV i. V. m. Art. 10 EMRK verstoßen63 (siehe hierzu auch Art. 2 Rnr. 24).
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
packt werden. Hierzu gehören beispielsweise Fisch, Fleisch, Käse,
Kaffee oder Tee in offenen Gebinden.
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Weitere Voraussetzung ist, dass die betreffenden nicht fertig verpackten Lebensmittel dem Endverbraucher und/oder Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung zum Kauf angeboten werden
(siehe hierzu 3.6).
Auf diese so definierten Erzeugnisse sind die Regelungen des
Art. 7 VO – obligatorische Nährwertkennzeichnung bei gesundheitsbezogenen Angaben – sowie die gemäß Art. 10 Abs. 2
Buchst. a und b VO obligatorischen Hinweise auf die Bedeutung
einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und
einer gesunden Lebensweise sowie bezüglich Informationen zur
Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich
sind, überhaupt eine positive Wirkung zu erzielen, nicht anwendbar.
72
nicht
anwendbare
Regelungen
Die Regelung des Art. 1 Abs. 2 Satz 3 VO, die mit der Neuregelung des vorhergehenden Satz 2 in den Absatz eingefügt wurde,
sieht vor, dass einzelstaatliche Bestimmungen angewandt werden
können, bis ggf. nach den in Art. 25 Abs. 2 genannten Verfahren
Unionsmaßnahmen erlassen werden. Diese Ausnahmebestimmung
bezieht sich nach der Entstehungsgeschichte nur auf die in Art. 1
Abs. 2 Satz 2 VO geregelten nicht fertig verpackten Lebensmittel sowie die weiteren dort genannten Fallgruppen. Sie kann sich
insbesondere nicht auf die Regelung des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 VO
beziehen, die allgemein die Anwendbarkeit der Verordnung auf
nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben festlegt. Anderenfalls wäre der Regelungszweck der Verordnung, eine einheitliche
europäische Regelung für gesundheitsbezogene und nährwertbezogene Etikettierung und Bewerbung zu schaffen, völlig fehlgeschlagen.
73
einzelstaatliche Bestimmungen
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
29
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
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Artikel 1
II.4
Anwendung auf Marken
II.4.1
Privilegien für Marken
Ob und inwieweit die Regelungen der Health-Claims-Verordnung
auch für Marken gelten sollten, war im Gesetzgebungsverfahren
umstritten. Nach dem Vorschlag der Kommission sollte die Verordnung uneingeschränkt auf Marken anwendbar sein, während
nach Auffassung des Europäischen Parlaments Marken vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen werden sollten.
Im Rahmen der Kompromissfindung wurden die Übergangsfristen
für bereits vor dem 1. Januar 2005 bestehende Handelsmarken
oder Markennamen (aber nicht Phantasiebezeichnungen!) von 10
auf 15 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung verlängert (siehe
hierzu die eingehende Kommentierung bei Art. 28 Abs. 2 VO). Die
als Kompromiss gefundene Regelung des Art. 1 Abs. 3 VO unterwirft Kennzeichen und Phantasiebezeichnungen den Regelungen
der Verordnung, gewährt aber Ausnahmen, sofern eine zugelassene nährwert- bzw. gesundheitsbezogene Angabe „beigefügt“ ist
(so genannte „Koppelungslösung“). 1 Marken werden insoweit
privilegiert.
74
Gesetzgebungsverfahren
Die Regelung erfasst Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen, also nicht nur eingetragene Marken, sondern
auch bloße Namen im Sinne des § 12 BGB sowie sonstige markenmäßige Kennzeichnungen und gattungsmäßige Bezeichnungen
wie z. B. „Hustenbonbon“ oder „Digestiv“. Letzteres ergibt sich
im Umkehrschluss aus der Regelung des Art. 1 Abs. 4 VO.
74a
Reichweite
1
siehe hierzu auch Epping/Greifeneder, WRP 2006, 830, 832; Loosen, ZLR 2006, 527;
Hauer, EFFL 2006, 356
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
Diese Bezeichnungen müssen „in der Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung für ein Lebensmittel“ verwendet werden
(siehe bezüglich dieser Begriffe die Kommentierung unter 3.3).
Verschiedene Kategorien von Marken
74b
Inhalt maßgeblich
Erfasst werden allerdings nur Handelsmarken, Markennamen oder
Phantasiebezeichnungen, die als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden können. Wie sich dem nachstehenden Halbsatz entnehmen lässt, sollen diese „ohne das in
dieser Verordnung vorgesehene Zulassungsverfahren verwendet
werden“ dürfen, soweit die weiteren Voraussetzungen eingehalten
sind. Der Gesetzgeber unterstellt somit, dass es sich um Angaben
handeln muss, die an sich entweder als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe zulassungspflichtig wären. Ansonsten wäre
eine Umgehung der Zulassungserfordernisse der Art. 10 Abs. 1, 8
Abs. 1 VO leicht möglich.
74c
Grundsatz
Hieraus ergibt sich auch, dass die beizufügende Angabe mit dem
jeweils suggerierten oder mittelbar zum Ausdruck gebrachten
Sinngehalt der Angabe im Zusammenhang stehen muss. Dies
erfordert, dass ein Kennzeichen, das als nährwertbezogene Angabe zu verstehen ist, auch mit einer zugelassenen nährwertbezogenen Angabe zu versehen ist,2 sowie eine gesundheitsbezogene Angabe bei Kennzeichen, die einen Gesundheitsbezug
suggerieren, beizufügen ist.
74d
unkonkrete
Kennzeichen
Soweit Marken nur einen undifferenzierten Bedeutungsgehalt
zum Ausdruck bringen, kann der inhaltliche Zusammenhang
entsprechend schwach sein.
2
2
z.B. die Angabe „Vitamin C-Quelle“ für „Hohes C“
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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II.4.2
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
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Artikel 1
Kennzeichen oder Phantasiebezeichnungen, die so konkret ausgestaltet sind, dass sie eine spezifische Angabe im Sinne der Art. 13
Abs. 1, 14 Abs. 1 VO beinhalten, muss eine spezifische Angabe
beigefügt werden, die den Bedeutungsgehalt voll abdeckt. In einem
solchen Fall bedarf die mit dem Kennzeichen kommunizierte spezifische gesundheitsbezogene Angabe einer Zulassung, d. h. das Kennzeichen stellt im Grunde nur eine vom Wortlaut der Zulassung
abgedeckte Variante der jeweiligen gesundheits- oder nährwertbezogenen Angabe dar.
75
Kennzeichen
als spezifische
health claims
In den meisten Fällen werden sich Kennzeichen aber als unspezifische gesundheitsbezogene Angaben3 (siehe hierzu die Kommentierung bei Art. 2 Rrn. 25) oder als nährwertbezogene Angabe darstellen. Auch dann muss ein inhaltlicher Bezug zwischen beigefügter
Angabe und dem Bedeutungsgehalt des Kennzeichens bestehen.
76
unspezifische
Claims
Bei Kennzeichen mit einem sehr schwachen Bedeutungsgehalt sind
die Anforderungen noch geringer. Denn worin sollte der spezifische
inhaltliche Zusammenhang zwischen einer Marke wie z. B. „Gesundform“ und einem beigefügten Claim bestehen. Ein ausreichender
Zusammenhang ist dann bereits anzunehmen, wenn die beigefügte
Angabe die ggf. auch nur assoziierte Aussage der Marke unterstützt.
77
nicht immer
inhaltlicher
Zusammenhang erforderlich
II.4.3
Strengeres Verbraucherleitbild als bei Art. 10
Abs. 3 VO
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Regelungen der Art. 1
Abs. 3 VO und 10 Abs. 3 VO besteht allerdings. Während Art. 10
Abs. 3 VO darauf abstellt, ob unspezifische gesundheitsbezogene
Angaben, die auf die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden abstellen, verwendet werden, erfasst Art.
1 Abs. 3 VO alle Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen, die als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe
„aufgefasst werden können“. Es kommt demnach bei einer kenn3
78
anders als Art.
10 Abs. 3 VO
siehe auch Meisterernst, ZLR 2012, 652, 655
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
3
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
zeichenmäßigen Angabe nur darauf an, ob Verbraucher das verwendete Kennzeichen möglicherweise in diesem Sinne verstehen.
79
Beifügen im
jeweiligen
Medium
79a
räumliche
Anordnung
Beifügen
Auch hinsichtlich des „Beifügens“ weicht die Vorschrift des Art. 1
Abs. 3 VO von der des Art. 10 Abs. 3 VO ab. Bei der Verwendung
von Markennamen, Handelsmarken oder Phantasiebezeichnungen
müssen die zugelassenen nährwert- oder gesundheitsbezogenen
Angaben jeweils in dem gleichen Medium beigefügt werden, in dem
die betreffenden Kennzeichen verwendet werden. Ausdrücklich sieht
Art. 1 Abs. 3 VO nämlich vor, dass das Beifügen in „der betreffenden Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung“ zu erfolgen hat.
Dementsprechend ist bei Verwendung von Marken mit Gesundheitsbezug z. B. in der TV-Werbung die zugelassene gesundheitsbezogene
Angabe, die den Gebrauch der Marke rechtfertigt, beizufügen. Dies
kann in Ton oder durch Einblendung eines Texts erfolgen. Gleiches
gilt bei Marken, die als nährwertbezogene Angabe verstanden werden können.
Wie der Begriff des „Beifügens“ auszulegen ist, ist nicht weiter
geregelt. Eine bestimmte räumliche Beziehung zwischen der Handelsmarke, Marke oder Phantasiebezeichnung und der beigefügten
Angabe bei Verwenden auf einer Packung wie z. B. Anbringen im
gleichen Sichtfeld ist nicht vorgeschrieben. In einem Durchführungsbeschluss der Kommission vom 24. Januar 20134 wurde zwar für die
Regelung des Art. 10 Abs. 3 HCV die Leitlinie aufgestellt, dass das
Beifügen „neben oder unter“ der jeweiligen Angabe erfolgen soll.
Dies ist jedoch auf die Verwendung von Kennzeichen nicht übertragbar.
4
Durchführungsbeschluss der Kommission vom 24. Januar 2013 zur Annahme von
Leitlinien zur Umsetzung der in Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des
Europäischen Parlaments und des Rates dargelegten speziellen Bedingungen für
gesundheitsbezogene Angaben, ABl. L 22 vom 25.1.2013, S. 25 ff.
4
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
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II.4.4
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
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II.5
Ausnahme für allgemeine
Bezeichnungen
Art. 1 Abs. 4 VO enthält besondere Vorschriften für allgemeine
Bezeichnungen, die herkömmlicherweise zur Angabe einer Eigenschaft, einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränke verwendet werden, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit
haben können1. Die Regelung ist auf Betreiben des Europäischen
Parlaments in den ursprünglichen Entwurf eingeführt worden.
Korrespondierend ist Erwägungsgrund Nr. 5 aufgenommen worden, der den Zweck der Regelung näher erläutert. Danach handelt
es sich bei den allgemeinen Bezeichnungen, die mit der Vorschrift
gemeint sind, um traditionelle Angaben mit Gesundheitsbezug wie
z.B. „Digestiv“ oder „Hustenbonbon“. Die Regelung bezieht sich
unmittelbar nur darauf, dass Abs. 3 für derartige Angaben nicht
anwendbar ist; dementsprechend könnte eine derartige Bezeichnung auch ohne beigefügte zugelassene Angabe verwendet werden.
Faktisch ist aber der Ausschluss aus dem Anwendungsbereich der
VO gewollt.2
80
traditionelle
Angaben
Im Umkehrschluss ergibt sich aus der Regelung, dass diese allgemeinen Bezeichnungen unter den Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe fallen können (siehe hierzu die Kommentierung bei
Art. 2 Ziff. 5 VO).
Ob allerdings die angeführten Beispiele gut gewählt waren, muss
bezweifelt werden. Denn die Bezeichnung als „Hustenbonbon“ wäre als Verkehrsbezeichnung im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 1
LMKV vom Begriff der Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Ziff. 1 VO
nicht umfasst und würde mithin an sich dem Anwendungsbereich
der Verordnung nicht unterliegen. Ob eine Bezeichnung als „Digestiv“ eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Ziff.
1 1
2
Siehe hierzu ausführlich Hüttebräuker, PharmaR Sonderheft 2012, 25 ff.
so auch Loosen, ZLR 2006, 521, 528
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 21. Akt-Lfg. 11/13
1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
Für solche eine Gattung kennzeichnende Angaben kann dennoch –
unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für eine Aufnahme in
die Liste gemäß Art. 13 VO oder auch für die einzelne Zulassung
gemäß Art. 15 ff. VO bestehen – eine Ausnahme von Art. 1 Abs. 3
VO vorgesehen werden. Ein diesbezüglicher Antrag kann von
jedermann, insbesondere Unternehmen oder Verbänden gestellt
werden, nachdem diesbezüglich Einschränkungen bei der Antragstellung nicht geregelt sind oder bestehen. Der Antrag ist gemäß
Art. 1 Abs. 4 Satz 2 VO an die zuständige nationale Behörde eines
Mitgliedstaats zu richten, die den Antrag an die Kommission weiterleitet. Die Entscheidung über den Antrag erfolgt im Verfahren
des Art. 25.
81
ergänzende
Regelung
Zur Durchführung hat die Kommission gemäß Art. 1 Abs. 4 VO
die VO (EU) Nr. 907/2013 zur Festlegung von Regeln für Anträge
auf Verwendung allgemeiner Bezeichnungen erlassen (abgedruckt
in A I 1.4).
3
So EuGH, U.v. 6. September 2012, Rs. C-544/10, ZLR 2012, 602 sowie BVerwG, U.v.
14. Februar 2013, 3 C 23.12, LRE 65, 208.
2
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 21. Akt-Lfg. 11/13
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5 VO darstellt, ist gleichfalls fraglich (siehe hierzu die dortige
Kommentierung). Wäre diese Angabe etwa ebenso wie „bekömmlich“ 3 oder „die Verdauung fördernd“ zu verstehen, wäre sie als
unspezifische gesundheitsbezogene Angabe (siehe hierzu die
Kommentierung bei Art. 10 Rn. 22 ff.) für alkoholische Getränke
gemäß Art. 4 Abs 3 VO verboten.
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
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II.6
Verhältnis zu weiteren Bestimmungen
des Gemeinschaftsrechts
Die Verordnung gilt „unbeschadet“ der in Buchst. a bis c des Art. 1
Abs. 5 VO genannten Vorschriften, nämlich der RL 89/398/EWG1
und der auf dieser Grundlage erlassenen Richtlinien („diätetische
Lebensmittel“), der RL 80/777/EWG („Mineralwasser“), der RL
98/83/EG („Wasser für den menschlichen Gebrauch“) sowie der
RL 2002/46/EG („Nahrungsergänzungsmittel“). Mit der Formulierung, dass die Verordnung „unbeschadet“ dieser Bestimmungen
gelten soll, meint der europäische Gesetzgeber regelmäßig, dass
die Verordnung auf die von den genannten Richtlinien erfassten
Produkte grundsätzlich anwendbar ist, soweit dort nicht spezielle
Tatbestände geregelt sind.2 Soweit demnach die genannten Richtlinien Bestimmungen über nährwert- und gesundheitsbezogene
Angaben enthalten, sind die dortigen Regelungen vorrangig.3
82
„unbeschadet“
Nicht angesprochen ist in Art. 1 Abs. 4 VO das Verhältnis zwischen den Bestimmungen der Verordnung und weiteren Vorschriften der VO (EG) 178/2002 („Basisverordnung“), der VO (EG)
258/97 sowie der VO (EG) 1829/2003 und VO (EG) 1830/2003
(„Rückverfolgbarkeit, Zulassung und Kennzeichnung von GVO“),
der VO (EWG) 2092/91 („ökologischer Landbau“) sowie der RL
2000/13/EG („Etikettierung“) sowie weiterer spezifischer Etikettierungsvorschriften wie z.B. der VO (EG) 608/2004 über die
Etikettierung von Lebensmitteln mit Phytosterinen und Phytostanolen. Auch das Verhältnis zur RL 90/496/EWG über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln ist - erstaunlicherweise nicht geregelt.
83
nicht genannte Vorschriften
1
Zwischenzeitlich neu gefasst durch RL 2009/39/EG
2
so auch Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 111, Art. 1 Rnr. 26
3
so jetzt auch das „Guidance Document“ des ständigen Lebensmittelausschusses,
abgedruckt in „Empfehlungen und Materialien“
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 13. Akt-Lfg. 04/11
1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
84
gemäß RL
erforderliche
Angaben
RL 89/398/EWG und Richtlinien, die über Lebensmittel erlassen werden, die für besondere Ernährungszwecke bestimmt sind
Ausdrücklich genannt ist die EWG-Richtlinie für Lebensmittel zur
besonderen Ernährung4, die zwischenzeitlich durch RL 2009/39/EG
neu gefasst wurde. Zu den aufgrund dieser Rahmen-Richtlinie erlassenen weiteren Richtlinien gehört die Richtlinie über kalorienarme
Lebensmittel RL 96/8/EG, die EG-Säuglingsnahrungs-Richtlinie
RL 2006/141/EG, die Beikost-Richtlinie RL 2006/125/EG, die Richtlinie über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische
Zwecke RL 1999/21/EG sowie die EG-Richtlinie über Nährstoffe
zu besonderen Ernährungszwecken RL 2001/15/EG. Soweit dort
spezielle Regelungen bezüglich der Bewerbung oder Kennzeichnung von diätetischen Lebensmitteln getroffen wurden, gehen sie
den Vorschriften der Verordnung vor. Dies gilt insbesondere für
die Kennzeichnung als diätetisches Lebensmittel gemäß Art. 2 RL
2009/39/EG sowie für die Angaben gemäß Art. 7 Abs. 2 bis 4 RL
2009/39/EG über die Angabe der besonderen nutritiven Eigenschaften des diätetischen Lebensmittels sowie die verschiedenen
spezifischen Bestimmungen der auf der Grundlage der RahmenRichtlinie erlassenen Einzelrichtlinien5 (siehe hierzu nachfolgend
Rn. 91, 91a). Die Angaben des Anhangs bezüglich nährwertbezogener Angaben und der Bedingungen für ihre Verwendung gelten auch
für diätetische Lebensmittel, soweit hierfür spezifische Bestimmungen in den Richtlinien fehlen. Soweit z. B. Art. 5 RL 2009/39/EG für
den Natriumgehalt sowie die Glutenfreiheit spezielle Vorschriften
vorsieht, gehen diese vor. Dies ergibt sich auch aus Erwägungsgrund 22.
4
siehe hierzu allgemein Mettke, ZLR 2007, 661
5
so heißt es hierzu auch im Guidance Document, abgedruckt in „Empfehlungen und
Materialien” „Mandatory elements in the labelling, the presentation or the advertising of
foods for special dietary uses required by Directive 89/398/EEC or by the specific
PARNUTS Directives adopted on the basis of Directive 89/398/EEC, to describe the
particular nutritional characteristics of these foods ort he purpose for which they are
intended are of course outside the scope of Regulation 1924/2006.“
2
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 13. Akt-Lfg. 04/11
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II.6.1
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
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Die Regelung des Art. 1 Abs. 5 VO nimmt Bezug auf europäische
Richtlinien, die noch der Umsetzung in nationales Recht bedurften.
Nachdem den Richtlinien an sich keine unmittelbare Wirkung in
den Mitgliedstaaten zukommt, ist die Bezugnahme auf diese Regelungen in einer unmittelbar geltenden europäischen Verordnung
dogmatisch nicht geglückt. Im Ergebnis soll damit auf die jeweiligen nationalen Vorschriften, die der Umsetzung der in Bezug
genommenen Richtlinien dienen, verwiesen werden. Dementsprechend sind die speziellen Vorschriften der DiätV vorrangig, soweit
diese der Umsetzung der in Bezug genommenen europäischen
Richtlinien dienen.
85
RL oder DiätV
Da sowohl die Rahmen-RL 2009/39/EG als auch die weiter genannten Einzelrichtlinien teilweise sehr spezifische Bestimmungen hinsichtlich der Zusammensetzung, aber auch Bewerbung/Kennzeichnung der jeweilige Lebensmittel treffen, ist das
Verhältnis zwischen den Regelungen der Verordnung und den
Vorschriften über diätetische Lebensmittel komplex.
Wie bereits dargelegt (Rnr. 70c) gilt die VO wohl nicht für Angaben gegenüber Fachkreisen im Sinne des § 12 Abs. 2 LFGB. Das
allgemeine Verbot krankheitsbezogener Bewerbung von Lebensmitteln ergibt sich aus Art. 2 Abs. 3 RL 2001/13/EG („Etikettierungs-Richtlinie“). Diese Vorschrift gilt allerdings nicht für Lebensmittel für besondere Ernährungszwecke. Das Verbot der
krankheitsbezogenen Bewerbung von diätetischen Lebensmitteln
ergab sich aus der wesentlich älteren Vorschrift des Art. 6 Abs. 1
RL 89/398/EWG (jetzt Art. 8 Abs. 1 RL 2009/39/EG), die bezüglich der Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung regelt, dass
einem diätetischen Produkt keine Eigenschaften zur Vorbeugung,
Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zugeschrieben oder auf diese Eigenschaften hingewiesen werden darf.
86
Verbot krankheitsbezogener Werbung
In einer Ausnahme hiervon sieht Art. 8 Abs. 2 RL 2009/39/EG vor,
dass dieses Verbot bestimmten Angaben nicht entgegensteht, nämlich „zweckdienlichen Angaben oder Empfehlungen, die ausschließlich für qualifizierte Personen auf dem Gebiet der Medizin, der Ernährung und der Arzneimittel bestimmt sind“.
Die Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 RL 2009/39/EG ist somit eine
spezielle Regelung und vorrangig gegenüber den Vorschriften der
87
Ausnahme des
Art. 8 Abs. 2
RL 2009/39/EG
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt.-Lfg. 02/13
3
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
88
zweckdienliche Angaben
gegenüber
Fachkreisen
Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich auch aus einer weiteren Verweisungskette. Die Verordnung selbst regelt den Bereich
der krankheitsbezogenen Bewerbung nicht, soweit sie nicht bezüglich der Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos
einen Teilbereich der bislang verbotenen krankheitsbezogenen
Werbung unter bestimmten Voraussetzungen nach einem Zulassungsverfahren erlaubt. Wie Art. 14 Abs. 1 VO zeigt, werden
derartige Angaben grundsätzlich ungeachtet des weiterhin vorrangigen Verbots der krankheitsbezogenen Bewerbung aus der
RL 2000/13/EG zugelassen, d. h. der Gesetzgeber geht insoweit
davon aus, dass es grundsätzlich bei dem Verbot der krankheitsbezogenen Bewerbung aus Art. 2 RL 2001/13/EG verbleibt. Eine
Bezugnahme auf die RL 2009/39/EG findet sich in der Vorschrift
des Art. 14 Abs. 1 VO hingegen nicht. Nachdem für den Bereich
der krankheitsbezogenen Bewerbung mit Ausnahme der Angaben
über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos es demnach bei den
weiteren Regelungen verbleibt und insoweit die Ausnahme des
Art. 8 Abs. 2 der RL 2009/39/EG eingreift, sind diesbezügliche
zweckdienliche Angaben oder Empfehlungen gegenüber Fachkreisen unabhängig von der weiteren Frage der generellen
Anwendbarkeit der VO auf Werbung gegenüber Nichtverbrauchern (siehe hierzu Rnr. 64 ff.) zulässig. Ein Beispiel wäre
hier die Angabe „zur Behandlung von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises“ als Werbung für eine ergänzende bilanzierte
Diät in einer Fachzeitschrift für Apotheker. Wenn aber derartige
krankheitsbezogene Angaben im engeren Sinne, die regelmäßig
wesentlich stärkere Aussagen enthalten, als bloße Angaben bezüglich der Reduzierung eines Krankheitsrisikos, gegenüber Fachkreisen erlaubt sind, würde es einen Wertungswiderspruch darstellen,
die zweckdienliche Angabe oder Empfehlung bezüglich der Reduzierung eines Krankheitsrisikos oder weitere gesundheitsbezogene
Angaben gegenüber Fachkreisen bei diätetischen Lebensmitteln
6
4
so auch Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 111, Art. 1 Rnr. 26
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Akt-Lfg. 02/13
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Verordnung, 6 allerdings lediglich hinsichtlich „zweckdienlichen
Angaben oder Empfehlungen“ gegenüber Fachkreisen.
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
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nicht zu erlauben. Zweckdienliche gesundheitsbezogene Angaben gegenüber Fachkreisen unterliegen demnach bei diätetischen Lebensmitteln keinesfalls der VO.
Als weitere spezifische Vorschrift, die den Regelungen der Verordnung vorgeht, ist insbesondere die Vorschrift des Art. 1 Abs. 2
Buchst. a RL 2009/39/EG zu nennen. Danach müssen Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, sich „aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen
Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des
allgemeinen Verzehrs unterscheiden“, „sich für den angegebenen
Ernährungszweck eignen“ und „mit dem Hinweis darauf in den
Verkehr gebracht werden, dass sie für diesen Zweck geeignet
sind“. Angaben bezüglich des besonderen Ernährungszwecks eines
diätetischen Lebensmittels (wie z.B. „für Diabetiker geeignet“)
unterliegen daher nicht den Vorschriften der Verordnung.7
89
besonderer
Ernährungszweck
Entsprechendes gilt für spezielle Etikettierungsvorschriften gemäß
§ 21 DiätV wie z. B. bezüglich der Etikettierung von vollständigen
und ergänzenden bilanzierten Diäten.
90
Etikettierungsvorschriften
Bei der Beurteilung der Frage, ob die vorstehend beispielhaft
genannten speziellen Vorschriften für diätetische Lebensmittel den
Regelungen der Verordnung vorgehen, ist aber jeweils in Betracht
zu ziehen, ob es sich bei den zu beurteilenden Angaben auf der
Verpackung, in der Aufmachung oder der Bewerbung tatsächlich
um Angaben im Sinne der jeweiligen speziellen Vorschrift handelt,
oder um darüber hinausgehende, allgemeine Werbeaussagen und anpreisungen.
Allerdings ist für die Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung diätetischer Produkte von einem größeren Spielraum auszugehen. Darstellungen des besonderen Ernährungszwecks sind nicht
als dem Anwendungsbereich der VO unterliegende Werbeaussagen
einzustufen. Denn gesetzlich vorgeschriebene Angaben sind bereits als „obligatorisch“ vom Begriff der Angabe gem. Art. 2 Abs.
7
91
gesetzlich
vorgeschriebene
Angaben?
91a
zweckdienliche
Angaben
so auch Loosen, ZLR 2006, 521, Mettke ZLR 2007, 661
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 13. Akt-Lfg. 04/11
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Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
II.6.2
92
Mineralwasser
6
RL 80/777/EWG
Hinsichtlich des grundsätzlichen Verhältnisses der Vorschriften der
Verordnung zu der Richtlinie über die Gewinnung von und der
Behandlung mit natürlichen Mineralwässern wird auf die vorstehenden Ausführungen unter Rnr. 82 verwiesen. Soweit in der
dortigen Richtlinie bzw. in den bundesdeutschen Umsetzungsakten,
nämlich der Mineral- und Tafelwasserverordnung spezielle Vorschriften für gesundheitsbezogene und nährwertbezogene Angaben
bestehen, gehen diese den Vorschriften der Verordnung vor. Dies
betrifft insbesondere die Bezeichnung als „Mineralwasser“ gemäß
Art. 1 Abs. 1 RL, den Angaben bezüglich der Zusammensetzung
gemäß Art. 7 Abs. 2 a RL und speziellen krankheitsbezogenen
Angaben gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. c RL. Als speziell anzusehen sind auch Angaben über die Eignung als natürliche Mineralwasser für die Säuglingsernährung gemäß Art. 9 Abs. 3 RL sowie
die Angaben gemäß Anhang 3 zur RL 80/777/EWG. Ergänzend
wird auf die Kommentierung bei Art. 8 VO verwiesen.
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 13. Akt-Lfg. 04/11
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2 Ziff. 1 VO (siehe hierzu die Kommentierung bei Art. 2 Rn. 13)
ausgenommen. Hätte der Gesetzgeber nur Pflichtangaben vom
Anwendungsbereich der VO ausnehmen wollen, wäre die Nennung der Rahmenrichtlinie 2009/39/EG in Art. 1 Abs. 5 der VO
überflüssig gewesen. Diese Regelung sollte daher offenbar auch
Angaben, die keine Pflichtangaben sind, aber der Erläuterung der
diätetischen Zweckbestimmung dienen, vom Anwendungsbereich
der HCV ausnehmen. Zur Abgrenzung kann im Einzelfall der
Begriff der zweckdienlichen Angabe gem. Art. 8 Abs. 2 RL
2009/39/EG zur Abgrenzung herangezogen werden, d. h. derartige
zweckdienliche Angaben sollten nicht dem Anwendungsbereich
der VO unterliegen (siehe hierzu Rnr. 88).
Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
II.6.3
RL 98/83/EG
Die RL 98/83/EG über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch wurde mit der Trinkwasserverordnung in bundesdeutsches Recht umgesetzt. Hinsichtlich des grundsätzlichen Verhältnisses zwischen der Verordnung sowie den nationalen
Rechtsvorschriften wird auf die oben stehenden Ausführungen unter
Rnr. 82 verwiesen. Grundsätzlich sind die Bestimmungen der bundesdeutschen Trinkwasserverordnung vorrangig, soweit diese auf
der Regelung der Richtlinie beruhen.
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II.6.4
RL 2002/46/EG
Die Vorschriften der Verordnung gelten unbeschadet der RL
2002/46/EG. Bezüglich des grundsätzlichen Verhältnisses, siehe die
vorstehenden Rnr. 82. Im Ergebnis bedeutet dies jedenfalls, dass die
Vorschriften der bundesdeutschen NemV vorrangig sind, soweit sie
auf den Vorschriften der RL 2002/46/EG beruhen und spezielle
Regelungen bezüglich nährwertbezogenen und/oder gesundheitsbezogenen Angaben enthalten. Dies gilt insbesondere für die Kennzeichnungsvorschriften des Art. 6 RL, der Mengenangaben und
Beschreibung der Angaben gemäß Art. 8 und 9 RL. Soweit nach
Art. 5 RL zukünftig Höchstmengen und Mindestmengen für Nährstoffe festgesetzt werden, wären diese gleichfalls vorrangig.
II.6.5
93
Trinkwasser
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Nahrungsergänzungsmittel
Weitere Bestimmungen
Das Verhältnis der Verordnung zu einer Reihe weiterer Vorschriften
wird in Art. 1 Abs. 5 nicht weiter behandelt, insbesondere auch nicht
zur VO (EG) 258/97 (Novel-Food-VO – NVO). Dies ist insbesondere auffällig, da in einem Verfahren auf Zulassung von Phytosterolen
gemäß NFV in Streichfetten letztendlich die Anforderungen an die
Zulassung einer im Grenzbereich zwischen gesundheits- und krankheitsbezogen angesiedelten Angabe erstmals durchexerziert wurde.
Der in diesem Verfahren an den Antragsteller mit Entscheidung
Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 13. Akt-Lfg. 04/11
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Novel-FoodVerordnung
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Kapitel 1 – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
96
VO (EG)
608/2004 Phytosterole
Mittlerweile ist die Etikettierung von Produkten mit Phytosterolen,
Phytosterinester, Phytostanol und Phytostanolester in der VO (EG)
608/2004 eigens geregelt. Die dort in Art. 2 aufgenommene Etikettierungsvorschriften sind auch als speziell gegenüber den Vorschriften
der Verordnung anzusehen.
97
Parallelverfahren
Dementsprechend sollte es möglich sein, gleichzeitig mit der Antragstellung auf Zulassung eines Stoffes als Novel Food zugleich Angaben bezüglich der besonderen Nährstoffeigenschaften oder der gesundheitlichen Wirkungen des Stoffes zur Genehmigung zu stellen.
Auch die Kommission geht bislang gemäß den Ausführungen im
„Guidance Document“8 von einer parallelen Anwendbarkeit beider
Zulassungsverfahren aus.
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zwingende
Angaben
Bei der Beurteilung des Verhältnisses zwischen den Regelungen der
VO und anderen Vorschriften ist dabei stets zu beachten, dass gemäß
Art. 2 Abs. 2 Ziff. 1 nur diejenigen Angaben den Vorschriften der
Verordnung unterliegen, die nach dem Gemeinschaftsrecht und den
nationalen Vorschriften nicht obligatorisch sind. Zwingende Etikettierungsvorschriften im Sinne der VO (EG) 608/2004 sind demnach
keine Angaben im Sinne der Verordnung und unterliegen den dortigen weiteren Bedingungen nicht. Das Gleiche gilt für die zwingende
Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln gemäß RL 90/496/EWG
bzw. deren Umsetzung in der Nährwert-Kennzeichnungsverordnung
sowie weitere zwingende Vorschriften der VO (EWG) 2092/91 über
den ökologischen Landbau sowie die allgemeinen Etikettierungsvorschriften der RL 2000/13/EG (siehe die weitere Kommentierung bei
Art. 2 Abs. 2 Ziff. 1 VO).
8
„Request for authorisation of novel foods shall be submitted through Regulation (EC)
No. 258/97. Any request for a claim relating to a novel food for wish or request for
authorisation has been submitted shall be made separately and in accordance with the
provisions of Regulation (EC) No. 1924/2006 on claims.”
8
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2000/500/EG als Auflage festgesetzte Pflichthinweis, dass das Produkt für Personen bestimmt ist, die den Cholesterinspiegel im Blut
senken wollen, wurde aufgrund der vom Antragsteller vorgelegten
wissenschaftlichen Nachweise in die Entscheidung aufgenommen.
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