Alina Falkenberg, Philosophie, EF 12 Juni 2012 ESSAY „Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse“ (Antoine de Saint-Exupéry) Alina Falkenberg, Philosophie, EF 12 Juni 2012 In diesem Essay möchte ich Stellung zu dem Zitat „Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse“ von Antoine de Saint-Exupéry nehmen und mein Wissen über die Anthropologie soweit wie möglich mit einbeziehen. Zunächst kann man sagen, dass jeder von uns Menschen der Sprache mächtig ist. Aber was ist überhaupt Sprache? Laut René Descartes ist unsere Sprache der einzige Weg, um unsere Gedanken und Gefühle kenntlich zu machen und mit unseren Mitmenschen zu kommunizieren. Sie ist für uns Menschen also unentbehrlich. Die Fähigkeit, sich die Sprache zu Nutze zu machen, bedarf der Vernunft. Descartes leitete aus dem Fakt, dass Menschen und Tiere untereinander nicht kommunizieren können, ab, dass Tiere weder Sprache noch Vernunft besitzen. Er verdeutlichte dies so: „[…] man sieht, dass die Spechte und Papageien ebenso gut Worte hervorbringen können wie wir, und doch können sie nicht ebenso gut wie wir reden, das heißt zugleich deutlich machen, dass sie denken, was sie sagen; während Menschen, die taubstumm geboren wurden und deshalb die Organe, die anderen zum Sprechen dienen, ebenso oder mehr als die Tiere, entbehren, einige Zeichen von selbst zu erfinden pflegen, um sich denen verständlich zu machen, die im täglichen Zusammensein mit ihnen Zeit haben, ihre Sprache zu lernen. Dies beweist nicht nur, dass die Tiere weniger Vernunft als die Menschen, sondern dass sie gar keine haben. Denn wie man sieht, gehört nur sehr wenig dazu, um sprechen zu können.“1 Folglich haben wir nach Descartes im Gegensatz zu Tieren als „stumpfsinnige und dumme Menschen“1 Verstand. Wir denken also automatisch bevor wir handeln oder uns in irgendeiner Weise äußern. Man könnte sagen, wir werden gezwungen zu denken. Gehlens Theorie ‚Der Mensch als Mängelwesen‘ unterstreicht diese Ansicht. Der Mensch hat seiner Meinung nach gegensätzlich zu den Tieren nur noch zwei natürliche Instinkte, welche sich allerdings nur in einem Lebensabschnitt zu erkennen geben: „Jedes Baby weiß sofort, dass es seine Nahrung durch die Brust der Mutter aufzunehmen hat und dass es, damit es geschützt wird, sich an seine Mutter klammern muss.“ 2 Ein weiterer großer Unterschied zwischen ihnen ist, dass der Mensch „weltoffen“2 also „der Umwelt enthoben“2 ist. Dies stellt eine große Belastung durch „Reiz- und Eindrucksoffenheit“2 dar. Trotz der Verbindung dieser zwei Aspekte und unserer organischen Mängel sind wir zur Existenz fähig. Ein Grund dafür ist, dass wir die Informationen, Reize und Eindrücke, die auf uns einprasseln, filtern. Das heißt, es bleibt nur eine bestimmte Menge zurück, die wir verarbeiten müssen und für unsere weiteren Gedankengänge nutzen können. Unser Denken ist also extrem eingeschränkt, da wir alles, was nur teilweise nicht in unser Bild passt, sofort aussortieren. Die Frage, die sich mir jetzt stellt, beschäftigt sich damit, ob sich gerade Erwähntes auch auf unsere Sprache auswirkt. Meiner Meinung nach schon, da sich unsere Sprache aus den Wörtern zusammensetzt, die in unseren Gedanken eine Bedeutung haben. Wir gebrauchen alle die gleichen Wörter, jeder hat allerdings seine eigene Ansicht über den Sinn jedes gesprochenen Wortes. Das heißt, wir versuchen unsere undefinierbaren und unausdrückbaren Gedanken unseren Mitmenschen in übergeordneten Wörtern mitzuteilen. Es wird jedoch niemand außer uns selber das Gesagte so verstehen, wie es verstanden werden soll. _________________ 1 René Descartes: Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Wahrheitsforschung (1637) 2 Kant & Co. im Interview: Fiktive Gespräche mit Philosophen über ihre Theorien (2009) 1 Alina Falkenberg, Philosophie, EF 12 Juni 2012 Dies weitet sich auch auf unsere Gefühle aus. Keiner kann seine Empfindungen genau beschreiben, geschweige denn in Worte fassen, da man sie mit den Gefühlen der Anderen gleichstellen würde obwohl sie individuell sind. Die Beispiele ‚Liebe‘ oder ‚Freundschaft‘ verdeutlichen gerade Umschriebenes gut. Man muss sich nur fragen „Was genau ist Freundschaft für mich?“ oder „Mit welchem explizitem Gefühl bringe ich den Satz ‚Ich liebe dich.‘ in Verbindung?“. Eine Antwort mit den Worten zu formulieren, die man kennt, ist unmöglich, wenn man seine Gedanken exakt ausdrücken möchte. Daraus lässt sich folgern, dass unsere Sprache, mit der wir uns ohne Probleme verständigen sollten, uns täuscht. Wir Menschen sind durch sie eingeschränkt, da wir für jedes Wort eine individuelle Bedeutung abgespeichert haben und von dieser nicht loskommen. Wir sind also nicht so frei, dass wir darüber nachdenken, ob unser Gegenüber jedes Wort so verstanden hat, wie es von uns gemeint war. Stattdessen genügt es uns in den meisten Fällen oberflächlich verstanden zu werden. In mitreißenden Konversationen bemühen wir uns den Anderen genau zu verstehen und bilden uns ein, dass wir dies tun. Meines Erachtens gelingt uns dies allerdings nicht. Der Grund besteht darin, dass wir nicht auf die anderen Bedeutungen der uns bekannten Wörter eingehen, sondern alles was jemand sagt so umstrukturieren, dass wir unsere Vorstellungen behalten können. Wir sind also vollkommen auf uns selber fixiert. Wenn uns allerdings klar werden würde, dass wir mit einer Illusion leben, weil wir das Streben nach Verstehen mit dem Verständnis verwechseln, würde man sein Umfeld anders wahrnehmen und die vielen Missverständnisse erkennen, die unter uns entstehen. Meiner Meinung nach würde man ab diesem Moment anfangen, sich zu viele Gedanken über die Missverständnisse in unserer Welt zu machen, weil alles, was wir sagen prinzipiell missverstanden wird. Um auf Descartes zurückzukommen: Er würde folglich behaupten, dass nur wir Menschen durch Sprache Missverständnisse erleiden und Tiere davon verschont bleiben. Ich sehe es allerdings im Gegensatz dazu so, dass Tiere eine andere Sprache haben, die wir nicht verstehen können. Ich glaube, dass das Verstehen von Tieren über unsere menschliche Vorstellungskraft geht, diese allerdings die gleichen Probleme haben wie wir. Des Weiteren denke ich, dass es nicht vorgesehen ist, dass sich die Tiere uns „als ihresgleichen verständlich machen können“1 oder andersherum. Wir wären vermutlich einer so großen Reizüberflutung ausgesetzt, dass wir als Menschen, so wie wir momentan existieren, der Belastung nicht standhalten könnten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass meiner Ansicht nach jegliche Kommunikation durch Sprache Missverständnisse beinhaltet, da keiner von jemandem richtig verstanden wird. Der Grund ist, dass wir so eingeschränkt sind, dass wir unsere Gedankenwelt nicht weiter ausbauen können, da wir die vielen Eindrücke nicht verarbeiten könnten. Wir leben also in unserer eigenen Welt die emotional so gesteuert wird, dass unsere Empfindungen die Bedeutung unserer Sprache so beeinflusst, dass jeder auf seiner eigenen Gefühlsebene kommuniziert. Uns bleibt auf Grund dessen keine andere Möglichkeit als mit Oberbegriffen zu kommunizieren und uns damit abzufinden, dass wir uns auf keiner tiefgründigen Ebene verständigen können. Daher wird es durch die Sprache immer wieder zu Missverständnissen kommen. _________________ 1 René Descartes: Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Wahrheitsforschung (1637) 2 Kant & Co. im Interview: Fiktive Gespräche mit Philosophen über ihre Theorien (2009) 2