Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien DISSERTATION der UNIVERSITÄT ST. GALLEN Hochschule für Wirtschafts-, Rechtsund Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Veith Körner aus Deutschland bei Prof. Dr. Beat F. Schmid und Prof. Dr. Torsten Tomczak Dissertation Nr. 2586 Verlag, Ort 2002 Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 11. Dezemberr 2001 Der Rektor: Prof. Dr. Peter Gomez Vorwort Von einer inhaltlichen Einführung möchte ich an dieser Stelle absehen - dazu sei lieber auf die folgenden Seiten verwiesen, die das zweifelsohne sehr interessante Thema „Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien“ beschreiben. Vielmehr möchte ich diese exponierte Stelle der Arbeit nutzen, um der angenehmen Tradition zu folgen und grundsätzlich allen Personen, die an der Erstellung der Dissertation mitgewirkt haben, sehr herzlich zu danken. Zunächst sei erwähnt, dass diese Arbeit im Rahmen des Kompetenzzentrums Elektronische Märkte (CCEM) am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen entstanden ist. Der hohe Praxisanteil der vorliegenden Arbeit war nur durch die enge Zusammenarbeit mit allen Vertretern der Partnerunternehmen des genannten Kompetenzzentrums möglich, so dass es für mich eine willkommene Pflicht ist, ihnen für ihre Unterstützung zu danken. Mein besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang auch Dr. Hans-Dieter Zimmermann, der mich als Leiter des CCEM stets unterstützt und gefördert hat. Besonders hervorheben möchte ich des weiteren, Prof. Dr. Schmid, dem ich sehr für seine wissenschaftliche Betreuung und den mir gewährten Freiraum danke. Ebenso danke ich Prof. Dr. Tomczak herzlich für die Übernahme des Korreferates und die wertvollen Anregungen, die er mir gegeben hat. Mit abgeschlossener Dissertation endet für mich ein sehr schöner und intensiver Lebensabschnitt. Dies habe ich nichtzuletzt meinen netten Kollegen am Institut und an der Universität zu verdanken, wobei ich insbesondere Dr. Christoph Hoffmann, Oliver Sukowski, Martina Klose, Bernd Schopp, Christian Henke und Axel Röpnack herausstellen möchte. Ausserdem möchte ich mich sehr herzlich bei Anna-Lisa Wolters, Karin Möser und Rahel Wendel für die sorgfältige Durchsicht des Manuskriptes bedanken. Mein herzlichster Dank gilt dabei auch insbesondere meiner Freundin Barbara Käs, die mir – nicht nur in der Endphase der Dissertation – hilfreich zur Seite gestanden hat. Von ganzem Herzen danke ich meinen Eltern und meiner Schwester, die mich in Allem unterstützt haben und mir stets den notwendigen Rückhalt gegeben haben, um diese Arbeit zu schreiben. Ihnen widme ich diese Arbeit. St. Gallen, im Februar 2002 Veith Körner Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis VI Abbildungsverzeichnis XI Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Management Abstract XIV XV XVII 1 Einleitung 1 2 Theoretische Grundlagen 29 3 Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 84 4 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 133 5 Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor 281 6 Fazit und Ausblick 309 Anhang A: WWW-Adressen 317 Anhang B: Fragebogen der quantitativen Studie 321 Anhang C: Interviewleitfaden für die Expertenbefragung 329 Anhang D: Liste der Interviewpartner 335 Literaturverzeichnis 336 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1.1 Umfeld und Relevanz der Arbeit 1.1.1 Hintergrund und Umfeld der Arbeit 1.1.2 Relevanz der Thematik 1.2 Forschungsfrage, Zielsetzungen und Adressaten der Arbeit 1.2.1 Forschungsfrage 1.2.2 Ziele und Adressaten der Arbeit 1.3 Vorgehensweise und Aufbau 1.3.1 Forschungsmethodik und Vorgehen 1.3.1.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung der Arbeit 1.3.1.2 Methodisches Vorgehen 1.3.2 Aufbau der Arbeit 1 2 2 7 13 13 15 17 17 17 21 26 2 Theoretische Grundlagen 2.1 Grundlagen des Medien- und Kommunikationsmanagement 2.1.1 Medien- und Kommunikationsmanagement 2.1.2 Medienbegriff und Medienmodell nach Schmid 2.1.3 Geschäftsmedien (Business Media) 2.1.4 Medien-Referenzmodell für Business Media 2.1.5 Kategorisierung elektronischer Geschäftsbeziehungen 2.2 Grundlagen des Marketing 2.2.1 Der aufgabenorientierte Ansatz nach Tomzcak/Reinecke 2.2.2 Wandel vom transaktions- zum beziehungsorientierten Marketing 2.2.3 Definitionen und Begriffsabgrenzungen zum Thema Kundenbeziehung 2.2.4 Theoretische Grundlagen der Kundenbindung 2.2.4.1 Erklärungsansätze aus der Sozialpsychologie 2.2.4.2 Erklärungsansätze aus der Verhaltenswissenschaft 2.2.4.3 Erklärungsansätze aus interaktionsorientierter Perspektive 2.2.4.4 Erklärungsansätze aus transaktionsorientierter Sicht 2.2.5 Determinanten der Kundenbindung 2.2.5.1 Ansatz nach Homburg/Fassnacht 2.2.5.2 Ansatz nach Diller 2.2.5.3 Ansatz nach Weinberg 2.2.5.4 Ansatz nach Peter 29 29 29 33 39 40 44 48 49 54 57 64 64 66 68 69 70 71 72 74 75 VII 2.3 2.2.5.5 Ansatz nach Tomczak/Dittrich Zusammenfassende Betrachtung 77 83 3 Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 84 3.1 Veränderungen durch die neuen Medien 86 3.1.1 Wandel zur Informationsgesellschaft 87 3.1.2 Besonderheiten digitaler Produkte 91 3.1.3 Veränderung der Leistungserstellung 97 3.1.4 Wandel vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement 99 3.1.5 Neue Organisationsformen 102 3.1.6 Aufbruch von Wertschöpfungsketten 103 3.1.7 Rolle des Staates und des Umfeldes 105 3.1.8 Zusammenfassende Betrachtung 106 3.2 Besonderheiten von Interaktionsbeziehungen in den neuen Medien 106 3.2.1 Veränderung der Kommunikation 109 3.2.2 Veränderung der Transaktion 115 3.2.3 Besonderheiten aus Sicht der Nachfrager 118 3.2.4 Besonderheiten aus Sicht der Anbieter 120 3.2.5 Zusammenfassende Betrachtung 121 3.3 Verändertes Konsumentenverhalten 122 3.3.1 Allgemeine Veränderungen des Konsumentenverhaltens 122 3.3.2 Veränderungen des Konsumentenverhaltens in den neuen Medien 128 3.3.3 Zusammenfassende Betrachtung 132 4 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 4.1 Idee des neuen Ansatzes 4.2 Neue Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien 4.2.1 Wettbewerbsinduzierte Determinanten der Kundenbindung 4.2.2 Faktische Determinanten der Kundenbindung 4.2.2.1 Technologische Faktoren 4.2.2.2 Rechtliche Faktoren 4.2.2.3 Ökonomische Faktoren 4.2.3 Situative Determinanten der Kundenbindung 4.2.3.1 Nichtverfügbarkeit 4.2.3.2 Bequemlichkeit 4.2.4 Psychologische Determinanten der Kundenbindung 4.2.4.1 Zufriedenheit 133 133 134 135 137 137 139 141 144 144 146 148 148 VIII Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 4.3 4.4 4.5 4.2.4.2 Vertrauen 4.2.4.3 Commitment 4.2.5 Zusammenfassende Betrachtung Definition des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Ziele des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Vorstellung des MCR-BM-Modells 4.5.1 Designing Customer Interaction 4.5.1.1 Gestaltung der Kommunikationsinhalte 4.5.1.2 Gestaltung der Kommunikationsverfahren 4.5.1.3 Gestaltung der Kommunikationskanäle 4.5.1.4 Zusammenfassende Betrachtung 4.5.2 Creating Added Value for the Customer 4.5.2.1 Generierung von Mehrwert und Zusatznutzen für die Kunden 4.5.2.2 Exkurs: Mass Customization 4.5.2.3 Kreation eines überzeugenden Preis-LeistungsVerhältnisses 4.5.2.4 Zusammenfassende Betrachtung 4.5.3 Customer Profiling 4.5.3.1 Erhebung der relevanten Daten 4.5.3.2 Speicherung der relevanten Daten 4.5.3.3 Auswertung der relevanten Daten 4.5.3.4 Formen von Nutzerprofilen 4.5.3.5 Juristische Beschränkungen 4.5.3.6 Beziehungen zu anderen Building Blocks 4.5.3.7 Zusammenfassende Betrachtung 4.5.4 Creating Trust 4.5.4.1 Nicht-technische Möglichkeiten der Vertrauensbildung 4.5.4.2 Exkurs: Branding 4.5.4.3 Technische Möglichkeiten der Vertrauensbildung 4.5.4.4 Zusammenfassende Betrachtung 4.5.5 Establishing Virtual Communities 4.5.5.1 Kategorien von virtuellen Gemeinschaften 4.5.5.2 Kritische Erfolgsfaktoren 4.5.5.3 Aufbau einer virtuellen Gemeinschaft 4.5.5.4 Nutzen für Anbieter und Nachfrager 152 154 157 158 161 166 169 171 172 183 192 193 193 195 202 206 207 208 211 212 216 219 220 221 222 224 230 235 236 237 240 242 244 247 IX 4.6 5 4.5.5.5 Zusammenfassende Betrachtung 4.5.6 Implementing Processes 4.5.6.1 Interne Prozesse 4.5.6.2 Kundenintegration 4.5.6.3 Externe Prozesse 4.5.6.4 Zusammenfassende Betrachtung 4.5.7 Controlling 4.5.7.1 Wirtschaftlichkeit von MCR-Massnahmen 4.5.7.2 Methoden und Kennziffern zur Berechnung des Kundenwertes 4.5.7.3 Kundensegmentierung 4.5.7.4 Zusammenfassende Betrachtung Zusammenhang zwischen den MCR-Building Blocks und den neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor 5.1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung 5.2 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 5.2.1.1 Ziele von Finanzdienstleistungsunternehmen für das MCR 5.2.1.2 Umsetzungsgrad und Umfang der Strategie 5.2.1.3 Hauptprobleme der Umsetzung 5.3 Wandel im Finanzdienstleistungssektor 5.3.1 Veränderungen des Kundenverhaltens 5.3.1.1 Höhere Wechselbereitschaft der Kunden 5.3.2 Steigender Konkurrenzdruck 5.4 Anwendung des MCR-BM-Modells auf den Finanzdienstleistungssektor 5.4.1 Designing Customer Interaction 5.4.2 Creating Added Value for the Customer 5.4.3 Customer Profiling 5.4.4 Creating Trust 5.4.5 Establishing Virtual Communities 5.4.6 Implementing Processes 5.4.7 Controlling 5.5 Zusammenfassende Betrachtung 248 249 251 253 256 262 263 264 271 274 278 279 281 281 283 283 286 286 288 289 293 294 297 297 299 300 303 304 305 307 308 X 6 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Fazit und Ausblick 309 Anhang A: WWW-Adressen 317 Anhang B: Fragebogen der quantitativen Studie 321 Anhang C: Interviewleitfaden für die Expertenbefragung 329 Anhang D: Liste der Interviewpartner 335 Literaturverzeichnis 336 Abbildungsverzeichnis A BBILDUNG 1-1: A NZAHL UND W ACHSTUM DER INTERNET -HOSTS (WELTWEIT )...........................................................4 A BBILDUNG 1-2: ENTWICKLUNG DER A NZAHL DER W EB-USER ........................................................................................5 A BBILDUNG 1-3: W ELTWEITE ENTWICKLUNG DES UMSATZES IM B-TO-B UND B-T O-C-BEREICH ..............................5 A BBILDUNG 1-4: VERSCHIEDENE B-T O-B UMSATZPROGNOSEN IM E-COMMERCE FÜR DAS JAHR 2000 .....................6 A BBILDUNG 1-5: GRÜNDE FÜR DAS W ACHSTUM DES JÄHRLICHEN GEWINN BEI ANHALTENDER KUNDENBINDUNG .........................................................................................................................8 A BBILDUNG 1-6: W ELTWEITE UMSATZENTWICKLUNG FÜR CRM-SOFTWARE IN M RD. $ ...........................................10 A BBILDUNG 1-7: PROGNOSTIZIERTE ENTWICKLUNG DES EUROP ÄISCHEN CRM-SOFTWARE -M ARKTES...................10 A BBILDUNG 1-8: KUNDENBEZOGENE ZIELE BEI DER EINFÜHRUNG VON CRM -SOFTWARE.........................................11 A BBILDUNG 1-9: FINANZIELLE ZIELE BEI DER EINFÜHRUNG EINER CRM-SOFTWARE .................................................12 A BBILDUNG 1-10: EXPLORATIVER FORSCHUNGSZYKLUS ALS ITERATIVER LERNPROZESS ..........................................20 A BBILDUNG 1-11:DARSTELLUNG DES FORSCHUNGSBEREICHES AUF DER NETA CADEMY ON BUSINESS M EDIA .........................................................................................................................25 A BBILDUNG 1-12: A UFBAU UND GLIEDERUNG DER A RBEIT .............................................................................................26 A BBILDUNG 2-1: EINORDNUNG DES M ANAGEMENT DER KUNDENBEZIEHUNG IN DAS M EDIEN- UND KOMMUNIKATIONSMANAGEMENT..............................................................................................................................31 A BBILDUNG 2-2: M EDIUM ALS SPHÄRE VON A GENTEN.....................................................................................................34 A BBILDUNG 2-3: A RCHITEKTUR EINES M EDIUMS...............................................................................................................36 A BBILDUNG 2-4: M EDIEN-REFERENZMODELL FÜR BUSINESS M EDIA .............................................................................41 A BBILDUNG 2-5: ÜBERBLICK DER KLASSIFIZIERUNG NACH TRANSAKTIONSPARTNERN ..............................................46 A BBILDUNG 2-6: DIE VIER KERNAUFGABEN IM MARKETING GEMÄSS DES AUFGABENORIENTIERTEN A NSATZES.................................................................................................................50 A BBILDUNG 2-7: VERBINDUNG ZWISCHEN BASISORIENTIERUNG UND KERNAUFGABEN; EINORDNUNG DER DISSERTATIONSTHEMATIK...........................................................................................................................................53 A BBILDUNG 2-8; STRUKTURIERUNG VON INHALTEN, DIE MIT DEM KONSTRUKT KUNDENBINDUNG VERBUNDEN WERDEN ..................................................................................................................59 A BBILDUNG 2-9: KONVERSIONSRATEN IM E-COMMERCE .................................................................................................62 A BBILDUNG 2-10: INVESTMENT -M ODELL VON RUSBULT ..................................................................................................65 A BBILDUNG 2-11: DETERMINANTEN DER KUNDENBINDUNG NACH (HOMBURG & FASSNACHT , 1998).....................71 A BBILDUNG 2-12: DETERMINANTEN DER KUNDENBINDUNG NACH (TOMCZAK & DITTRICH, 1997) ........................78 A BBILDUNG 3-1: EINFLÜSSE DER IKT AUF DAS M ANAGEMENT DER KUNDENBEZIEHUNG IN DEN NEUEN GESCHÄFTSMEDIEN ......................................................................................................................................................85 A BBILDUNG 3-2: VERÄNDERUNG DURCH DIE NEUEN M EDIEN ..........................................................................................87 A BBILDUNG 3-3: EXTREME STÜCKKOSTENDEGRESSION BEI DIGITALEN GÜTERN FÜHRT ZU MARKTBEHERRSCHENDER STELLUNG........................................................................................................................93 A BBILDUNG 3-4: SPIRALE DER INDIREKTEN NETZWERKEFFEKTE BEI DIGITALEN GÜTERN..........................................95 A BBILDUNG 3-5: VERÄNDERUNGEN DER LEISTUNGSERSTELLUNG DURCH DIE NEUEN MEDIEN .................................99 A BBILDUNG 3-6: VERSCHIEBUNG VOM PRODUKTIONS- ZUM KOMMUNIKATIONSMANAGEMENT ............................ 101 A BBILDUNG 3-7: ELEMENTE DER INTERAKTIONSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN A NBIETER UND NACHFRAGERN IN DEN NEUEN MEDIEN, DIE EINER VERÄNDERUNG UNTERWORFEN SIND............................. 109 A BBILDUNG 3-8: UNTERPUNKTE DER KOMMUNIKATIONSINHALTE .............................................................................. 112 A BBILDUNG 3-9: VERÄNDERUNGEN IM KONSUMENTENVERHALTEN............................................................................ 128 A BBILDUNG 4-1: IDEE DES NEUEN A NSATZES................................................................................................................... 134 A BBILDUNG 4-2: BINDUNGSDETERMINANTEN NACH (TOMCZAK & DITTRICH, 1997) .............................................. 135 A BBILDUNG 4-3: A USPRÄGUNGEN DER DETERMINANTEN DER KUNDENBINDUNG UND IHRE BEDEUTUNG IN DEN NEUEN M EDIEN.............................................................................................................. 158 A BBILDUNG 4-4: ZIELE DES M ANAGEMENT OF CUSTOMER RELATIONSHIP M ANAGEMENT IN BUSINESS M EDIA........................................................................................................................ 162 A BBILDUNG 4-5: M ASSNAHMENBLÖCKE FÜR DAS M ANAGEMENT OF CUSTOMER RELATIONSHIP IN BUSINESS M EDIA – M ODELL ............................................................................... 167 XII Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien A BBILDUNG 4-6: RELEVANTE FRAGEN, ABGELEITETE MASSNAHMEN UND DIE ENTSPRECHENDEN RESULTATE DES BUILDING BLOCKS „DESIGNING CUSTOMER INTERACTION“......... 171 A BBILDUNG 4-7: PARAMETER BEI DER AUSGESTALTUNG DER UNTERSCHIEDLICHEN KOMMUNIKATIONSVERFAHREN............................................................................................................................... 174 A BBILDUNG 4-8: EINGABEMASKE FÜR „PERSÖNLICHE BLUMENGRUSS-TERMINE“.................................................... 177 A BBILDUNG 4-9: INDIVIDUALISIERTE HOMEPAGE ALS BEISPIEL FÜR DIE VERTEILUNG VON KOMMUNIKATIONSINHALTEN MIT HILFE DES PULL-M ECHANISMUS................................................................. 179 A BBILDUNG 4-10: DER CANDYSTAND ALS EIN BEISPIEL FÜR EIN INFOTAINMENT -ANGEBOT .................................. 181 A BBILDUNG 4-11: GRUNDSÄTZLICH MÖGLICHE KANÄLE ZUR GESTALTUNG DER KOMMUNIKATION ZWISCHEN NACHFRAGERN UND A NBIETERN............................................................................................................................. 183 A BBILDUNG 4-12: RELEVANTE FRAGEN, ABGELEITETE M ASSNAHMEN UND DIE ENTSPRECHENDEN RESULTATE DES BUILDING BLOCKS „CREATING A DDED VALUE FOR THE CUSTOMER“................................ 193 A BBILDUNG 4-13: BEDÜRFNISSORIENTIERTE LEISTUNGSBÜNDELUNG......................................................................... 194 A BBILDUNG 4-14: LOGIK DER M ASS CUSTOMIZATION ................................................................................................... 197 A BBILDUNG 4-15: VORGEHENSWEISE ZUR EINFÜHRUNG DER M ASS CUSTOMIZATION, DIE „A CHTER-FIGUR“ VON (VICTOR ET AL. 1996) .............................................................................................. 199 A BBILDUNG 4-16: SMART -KONFIGURATOR ALS BEISPIEL FÜR EIN DESIGNWERKZEUG............................................. 201 A BBILDUNG 4-17: COUPONS ALS INSTRUMENT DER MENGENABHÄNGIGEN PREISSTRATEGIE .................................. 204 A BBILDUNG 4-18: M ASSNAHMEN UND ENTSPRECHENDE BEISPIELE DES BUILDING BLOCKS „CREATING ADDED VALUE FOR THE CUSTOMER“.............................................................. 207 A BBILDUNG 4-19: RELEVANTE FRAGEN, ABGELEITETE MASSNAHMEN UND DIE ENTSPRECHENDEN RESULTATE DES BUILDING BLOCKS „CUSTOMER PROFILING“................................... 208 A BBILDUNG 4-20: M ÖGLICHE QUELLEN ZUR GEWINNUNG RELEVANTER DATEN...................................................... 211 A BBILDUNG 4-21: CUSTOMER INFORMATION CUBE (CIC) ZUR ERSTELLUNG VON NUTZERPROFILEN................... 217 A BBILDUNG 4-22: BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN BUILDING BLOCKS „CUSTOMER PROFILING“, „CREATING A DDED VALUE FOR THE CUSTOMER“ UND „DESIGNING CUSTOMER INTERACTION “...................................... 221 A BBILDUNG 4-23: KATEGORIEN DER M ASSNAHMEN DES BUILDING BLOCKS „CUSTOMER PROFILING“ DES MCR-BM-M ODELLS ............................................................................................ 222 A BBILDUNG 4-24: RELEVANTE FRAGEN, ABGELEITETE M ASSNAHMEN UND DIE ENTSPRECHENDEN RESULTATE DES BUILDING BLOCKS „CREATING TRUST “........................................... 223 A BBILDUNG 4-25: VERTRAUENSBILDENDE M ASSNAHMEN AM BEISPIEL VON LANDS‘ END .................................... 227 A BBILDUNG 4-26: REFERENZKUNDEN UND DEREN A USSAGE ALS INSTRUMENT ZUR VERTRAUENSBILDUNG...................................................................................................................................... 229 A BBILDUNG 4-27: M ASSNAHMEN DES M ARKENMANAGEMENT..................................................................................... 231 A BBILDUNG 4-28: DIE SICHERHEITSRELEVANTEN BESTANDTEILE EINER VOLLSTÄNDIGEN TRANSAKTION .......... 235 A BBILDUNG 4-29: ÜBERBLICK ÜBER DIE VERTRAUENSBILDENDEN MASSNAHMEN DES BUILDING BLOCKS „CREATING TRUST “ DES MCR-BM -M ODELLS................................................................... 237 A BBILDUNG 4-30: RELEVANTE FRAGEN, ABGELEITETE M ASSNAHMEN UND DIE ENTSPRECHENDEN RESULTATE DES BUILDING BLOCKS „ESTABLISHING VIRTUAL COMMUNITIES“............................................. 238 A BBILDUNG 4-31: KRITISCHE ERFOLGSFAKTOREN FÜR VIRTUELLE GEMEINSCHAFTEN............................................ 244 A BBILDUNG 4-32: BEITRAG DES BUILDING BLOCKS „ESTABLISHING VIRTUAL COMMUNITIES“ ZUM M ANAGEMENT DER KUNDENBEZIEHUNG IN DEN NEUEN GESCHÄFTSMEDIEN ................................................. 249 A BBILDUNG 4-33: RELEVANTE FRAGEN, ABGELEITETE M ASSNAHMEN UND DIE ENTSPRECHENDEN RESULTATE DES BUILDING BLOCKS „IMPLEMETING PROCESSES“ ............................. 250 A BBILDUNG 4-34: UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN INTERNEN UND EXTERNEN MCR-PROZESSEN ............................. 251 A BBILDUNG 4-35: A BGRENZUNG DER UNTERSCHIEDLICHEN FRONT -OFFICE -PROZESSE .......................................... 252 A BBILDUNG 4-36: A NSATZPUNKTE DER INTERNETBASIERTEN KUNDENEINBINDUNG IM NEUPRODUKTENTWICKLUNGSPROZESS .................................................................................................................. 255 A BBILDUNG 4-37: VIRTUELLE BERATERIN BEI DER DEUTSCHEN BANK ZUR UNTERSTÜTZUNG BEI DER NAVIGATION............................................................................................................................................................... 259 XIII A BBILDUNG 4-38: DARSTELLUNG DES BESTELLSTATUS ZUR STEIGERUNG DER TRANSPARENZ DES A BWICKLUNGSPROZESSES ........................................................................................................................................ 261 A BBILDUNG 4-39: RELEVANTE FRAGEN, ABGELEITETE M ASSNAHMEN UND DIE ENTSPRECHENDEN RESULTATE DES BUILDING BLOCKS „CONTROLLING“................................................. 264 A BBILDUNG 4-40: PHASENKONZEPT EINER WIRTSCHAFTLICHKEITSANALYSE FÜR DAS M ANAGEMENT DER KUNDENBEZIEHUNG .................................................................................................................................................. 265 A BBILDUNG 4-41: ERFOLGSKETTE DES KUNDENBEZIEHUNGSMANAGEMENT UND BEEINFLUSSENDE FAKTOREN........................................................................................................................... 268 A BBILDUNG 4-42: EINSATZMÖGLICHKEITEN FÜR DIE KOSTEN-NUTZEN-A NALYSE BEIM M ANAGEMENT DER KUNDENBEZIEHUNG............................................................................................................... 270 A BBILDUNG 4-43: FORMEL ZUR BERECHNUNG DES KUNDENKAPITALWERTES........................................................... 272 A BBILDUNG 4-44: KUNDENPORTFOLIO NACH (HOMBURG & DAUM, 1997)................................................................ 276 A BBILDUNG 4-45: ZUSAMMENHANG ZWISCHEN DEN MCR-BUILIDING BLOCKS UND DEN NEUEN A USPRÄGUNGEN DER DETERMINANTEN DER KUNDENBINDUNG................................................... 280 A BBILDUNG 5-1: STRUKTUR EINER MODERNEN UNIVERSALBANK................................................................................ 282 A BBILDUNG 5-2: ZIELE BEI DER IMPLEMENTATION VON CRM-INITIATIVEN............................................................... 284 A BBILDUNG 5-3: UNTERSUCHUNG ZUR VERÄNDERUNG DER PROFITABILITÄT DURCH DIE EINFÜHRUNG EINER CRM-INITIATIVE ............................................................................................................. 285 A BBILDUNG 5-4: HAUPTPROBLEME BEZÜGLICH DER TECHNISCHEN IMPLEMENTATION (N=56)............................... 287 A BBILDUNG 5-5: EINFLUSSFAKTOREN FÜR DEN W ANDEL IM FINANZDIENSTLEISTUNGSSEKTOR ............................ 289 A BBILDUNG 5-6: W ETTBEWERBSKRÄFTE IM BANKENMARKT GEMÄSS DEM STRUKTURMODELL VON PORTER............................................................................................................................. 295 A BBILDUNG 5-7: CALL BACK A NGEBOT DER FIRMA M ICROLOGICA AG..................................................................... 298 A BBILDUNG 5-8: A TTRAKTIVE LEISTUNGSBÜNDELUNG AM BEISPIEL VON MLP ....................................................... 300 A BBILDUNG 5-9: EINSCHRÄNKUNGEN DER CRM-INITIATIVEN DURCH DIE RICHTLINIEN DES DATENSCHUTZGESETZES .......................................................................................................................................... 301 A BBILDUNG 5-10: UNTERSTÜTZUNG DER RECHTSABTEILUNG BEI DER EINFÜHRUNG VON CRM-INITIATIVEN ..................................................................................................... 302 A BBILDUNG 5-11: BEISPIEL ZUR GESTALTUNG VON DISKUSSIONSFOREN ZUR BILDUNG EINER VIRTUELLEN GEMEINSCHAFT ........................................................................................................................ 304 A BBILDUNG 5-13: BEISPIEL EINER VIRTUELLEN BERATERBANK................................................................................... 306 A BBILDUNG 5-14: STRUKTURIERTE PROZESSKETTE ZUR A BLEITUNG UND DURCHFÜHRUNG VON M ASSNAHMEN IM RAHMEN DES BUILDING BLOCKS „CONTROLLING“..................................................... 308 Tabellenverzeichnis TABELLE 1-1: W ISSENSCHAFTSTHEORETISCHE EINORDNUNG..........................................................................................19 TABELLE 2-1: UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DEM TRANSAKTIONSUND DEM BEZIEHUNGSORIENTIERTEN ANSATZ........................................................................................................56 TABELLE 4-1: A SPEKTE DER WETTBEWERBSINDUZIERTEN DETERMINANTE DER KUNDENBINDUNG IN DEN NEUEN GESCHÄFTSMEDIEN ................................................................................ 136 TABELLE 4-2: A SPEKTE DER TECHNOLOGISCHEN FAKTOREN ALS DETERMINANTE DER KUNDENBINDUNG IN DEN NEUEN GESCHÄFTSMEDIEN................................................................................. 138 TABELLE 4-3: A SPEKTE DER RECHTLICHEN FAKTOREN ALS DETERMINANTE DER KUNDENBINDUNG IN DEN NEUEN GESCHÄFTSMEDIEN................................................................................. 140 TABELLE 4-4:A SPEKTE DER ÖKONOMISCHEN FAKTOREN ALS DETERMINANTE DER KUNDENBINDUNG IN DEN NEUEN GESCHÄFTSMEDIEN................................................................................. 142 TABELLE 4-5: A SPEKTE DER NICHTVERFÜGBARKEIT ALS DETERMINANTE DER KUNDENBINDUNG IN DEN NEUEN GESCHÄFTSMEDIEN................................................................................. 145 TABELLE 4-6: A SPEKTE DER BEQUEMLICHKEIT ALS DETERMINANTE DER KUNDENBINDUNG IN DEN NEUEN GESCHÄFTSMEDIEN................................................................................. 147 TABELLE 4-7: A SPEKTE DER ZUFRIEDENHEIT ALS DETERMINANTE DER KUNDENBINDUNG IN DEN NEUEN GESCHÄFTSMEDIEN................................................................................. 149 TABELLE 4-8: A SPEKTE DES VERTRAUENS ALS DETERMINANTE DER KUNDENBINDUNG IN DEN NEUEN GESCHÄFTSMEDIEN ................................................................................ 153 TABELLE 4-9: A SPEKTE DES COMMITMENT ALS DETERMINANTE DER KUNDENBINDUNG IN DEN NEUEN GESCHÄFTSMEDIEN................................................................................. 155 TABELLE 4-10: KATEGORIEN UND BEISPIELE ZUR GESTALTUNG DER KOMMUNIKATIONSINHALTE UND VERFAHREN................................................................................................................................................................. 182 TABELLE 4-11: TYPISIERUNG MÖGLICHER NUTZERPROFILE .......................................................................................... 218 TABELLE 4-12: PHASENMODELL ZUM A UFBAU EINER VIRTUELLEN GEMEINSCHAFT ................................................. 246 TABELLE 4-13: M ÖGLICHKEITEN ZUR VERBESSERUNG DER KUNDENBEZIEHUNG IM RAHMEN DER EXTERNEN PROZESSE DES BUILDING BLOCKS „IMPLEMENTING PROCESSES“ ..................................................................... 257 TABELLE 4-14: DEFINIERENDE EIGENSCHAFTEN VON A GENTEN................................................................................... 258 TABELLE 4-15: KOSTENVERURSACHENDE BEISPIELAKTIVITÄTEN DER EINZELNEN BUILDING BLOCKS ................. 266 XV Abkürzungsverzeichnis AG Aktiengesellschaft Anz. Anzahl Aufl. Auflage B-to-B Business-to-Business B-to-C Business-to-Consumer BM Business Media oder Business Medium B-to-P Business-to-Private BPR Business Process Reengineering bzw. beziehungsweise ca. circa CAD Computer Aided Design CCEM Competence Center Electronic Markets CRM Customer Relationship Management Diss. Dissertation EC Electronic Commerce ECC Electronic Customer Care ECR Efficient Consumer Response EDI Electronic Data Interchange EDIFACT Electr. Data Interchange for administration, commerce transport EM Elektronische Märkte (Electronic Markets) EMB Electronic Mall Bodensee EM-RM Referenzmodell Elektronischer Märkte EU Europäische Union E-to-E Employee-to-Employee etc. et cetera FTP File Transfer Protocol HSG Universität St. Gallen – Hochschule für Wirtschaft-, Rechts- und Sozialwissenschaft ICT Information- and Communications Technology (vgl. IKT) IKT Informations- und Kommunikationstechnologie IP Internet Protocol IT Informationstechnik (Information Technology) IuK Informations- und Kommunikationssysteme XVI Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien i.d.R. in der Regel i.e.S. im engeren Sinn i.w.S. im weiteren Sinn KM Knowledge Media KMU Kleine und mittelständische Unternehmen MCR-BM Management of Customer Relationship in Business Media Mio. Millionen MKM Medien- und Kommunikationsmanagement PoS Point of Sale PPS Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme RM Reference Model RM-EM Referenzmodell Elektronischer Märkte ROI Return on Investment SET Secure Electronic Transaction SNF Swiss National Foundation u.a. unter anderem u.U. unter Umständen usw. und so weiter TCP Transmission Control Protocol TCP/IP Transmission Control Protocol / Internet Protocol vgl. vergleiche WAP Wireless Application Protocoll Web World Wide Web oder auch WWW WWW World Wide Web z.B. zum Beispiel z.T. zum Teil Management Abstract Die Entwicklung, Gestaltung und Pflege von Kundenbeziehungen bietet gegenüber der Neukundenakquisition eine Reihe von Vorteilen. Es setzt sich dementsprechend die Erkenntnis durch, dass diesem Bereich verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Insbesondere in den neuen Geschäftsmedien (z.B. elektronische Marktplätze) zeigt sich eine steigende Relevanz dieses Themas, so dass die grundsätzliche Idee der Dissertation in der Zusammenführung von Ansätzen aus dem Medien- und Kommunikationsmanagement und grundlegenden Konzepten aus dem Marketing zum Thema Kundenbindung besteht. Daraus wird ein neuer Ansatz des Managements der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien entwickelt, der sowohl den Herausforderungen durch die neuen Geschäftsmedien als auch den veränderten Kundenbedürfnissen gerecht wird. Basierend auf den schon in der Marketingforschung untersuchten Determinanten der Kundenbindung, werden dabei zunächst die sich verändernden neuen Ausprägungen dieser Determinanten in den neuen Geschäftsmedien identifiziert. In diesem Zusammenhang sind die Herausforderungen durch die neuen Medien und das veränderte Konsumentenverhalten als wesentliche Einflussfaktoren analysiert und ausführlich beschrieben worden. Die neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien dienen dabei als Ansatzpunkte zur Entwicklung eines neuen Modells, das konkrete Massnahmen zur erfolgreichen Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien enthält. Kern der vorliegenden Dissertation ist dementsprechend die Beantwortung folgender Frage: Wie können Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern in neuen Geschäftsmedien optimal entwickelt, gestaltet und gepflegt werden ? Die Anwendbarkeit des Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien wird abschliessend anhand eines Business Case aus dem Finanzdienstleistungssektor verdeutlicht. 1 Einleitung Schon in Zeiten, bevor das Internet zu seinem Siegeszug ansetzte, ist erkannt worden, dass es profitabler ist, bestehende Kunden an das Unternehmen zu binden, als ständig mit hohem Einsatz - die Gewinnung neuer Kunden zu forcieren. Insbesondere in Zeiten gesättigter Märkte, fortschreitender Globalisierung und steigender Homogenität der angebotenen Produkte und Dienstleistungen, setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass der bestehende Kundenstamm zum entscheidenden Kapital der Unternehmung wird. Der Aufbau, die Pflege und die Weiterentwicklung von Kundenbeziehungen werden immer mehr zu überlebenswichtigen Erfolgsfaktoren für eine Unternehmung. Vor der Verbreitung der neuen Medien und den damit verbundenen Entwicklungen existierten bereits Konzepte zur erfolgreichen Gestaltung der Kundenbeziehung. Allerdings haben sich durch verschiedene Einflüsse die Herausforderungen ebenso wie die Möglichkeiten in Bezug auf die Gestaltung der ökonomischen Beziehung zum Kunden enorm gewandelt, so dass die bestehenden Konzepte nur noch eine begrenzte Gültigkeit in den neuen Geschäftsmedien (Business Media) haben. Im wesentlichen lassen sich zwei Einflüsse identifizieren, die ein Umdenken in Marketingfragen und somit auch eine neue Betrachtung des Managements der Kundenbeziehung notwendig machen: Zum einen die Entwicklungen der sogenannten Internet-Ökonomie und zum anderen das in den und durch die neuen Geschäftsmedien veränderte Konsumentenverhalten. Im Rahmen der vorliegenden Dissertation werden diese Effekte erörtert, um die grundlegenden Veränderungen und die damit zusammenhängenden neuen Herausforderungen aufzuzeigen. Ziel der Dissertation ist es daher, ein Konzept zum Management der Kundenbeziehung zu entwickeln, das auch den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in den neuen Geschäftsmedien gerecht wird. Im folgenden wird zunächst im Rahmen des einleitenden ersten Kapitels das Umfeld und die Relevanz der Thematik dargestellt (1.1). Dabei wird zum einen auf das Umfeld und den Hintergrund der Arbeit (1.1.1) eingegangen und zum anderen anhand von verschiedenen Studien die Relevanz des Themas (1.1.2) erörtert. Im zweiten Teil des Kapitels (1.2) wird die Forschungsfrage vorgestellt und erläutert, sowie die Ziele und die Adressaten der Dissertation beschrieben. Abschliessend wird in dem Abschnitt „Vorgehensweise und Aufbau“, die Forschungsmethodik (1.3.1) und der Aufbau der Arbeit (1.3.2) verdeutlicht. 2 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 1.1 Umfeld und Relevanz der Arbeit Im folgenden Abschnitt soll einführend das Umfeld und die Relevanz des Themas „Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien“ dargestellt we rden, um zum einen eine thematische Basis für die Dissertation zu legen und zum anderen die Aktualität der Arbeit zu unterstreichen. Im Rahmen der Darstellung des Umfeldes und des Hintergrundes der Arbeit wird dabei auf die Entwicklungen des Internet und die Herausforderungen der sogenannten „Internet-Ökonomie“ eingegangen. Allerdings wird dieser Aspekt in diesem Zusammenhang nur kurz angesprochen, da sich Kapitel 3 noch ausführlicher mit dieser Thematik beschäftigt. Die Relevanz der Arbeit wird im zweiten Abschnitt (1.1.2) anhand von verschiedenen Studien belegt. 1.1.1 Hintergrund und Umfeld der Arbeit Die Ursprünge des Internet, so wie wir es heute kennen, reichen bis in die 60er Jahre zurück. Angetrieben von dem Wunsch des amerikanischen Verteidigungministeriums wichtige militärische Daten an verschieden Orten lagern und auf verschiedenen Wegen wieder auf die gelagerten Informationen zugreifen zu können, wurde 1969 von der Advanced Research Projects Agency (APRA) ein elektronisches Datennetz entwickelt. Jeder angeschlossene Rechner sollte dabei über mehrere Wege mit den anderen angeschlossenen Rechnern kommunizieren können und die Synchronisation der Daten zwischen den einzelnen Rechnern sollte weitgehend automatisch erfolgen. So entstand das sogenannte APRA-Net. Die Tragweite der Idee der vernetzten Rechner wurde auch bald von wissenschaftlichen Einrichtungen erkannt, so dass die Nutzung durch die Wissenschaft stetig zunahm. So kam es, dass Anfang der 80er Jahre das APRA-Net ausschliesslich für die wissenschaftliche Nutzung zur Verfügung stand und das Militär wieder ein eigenes Netz, das Milnet, bekam. Um die unterschiedlichen Voraussetzungen der angeschlossenen Rechner, wie z.B. Computersysteme, Übertragungswege oder Übertragungsgeschwindigkeiten miteinander verbinden zu können, wurde das Datenübertragungsprotokoll TCP/IP entwickelt. Die Anzahl der angeschlossenen Rechner und Netzwerke an das APRA-Net entwickelt sich sprunghaft, so dass sich ein „Netz der Netze“ ergab. Die Bezeichnung dieses „Netz der Netze“ wurde dann in den 80er Jahren in „Internet“ umgetauft (Münz, 2000). Der Durchbruch auf breiter Basis gelang allerdings erst 1990 mit der Entwicklung der grafischen Benutzeroberfläche des World Wide Web (WWW) durch Tim Berners-Lee und andere Wissenschaftler vom Hochenergieforschungszentrum CERN. Entscheidend war dabei die Idee der Hypertextfunktionalität, so dass Dokumente Verweise auf Einleitung 3 beliebige andere Dokumente enthalten konnten. Die Entwicklung des neuen Datenformates HTML (Hypertext Markup Language), des neuen Internet-Protokoll HTTP (Hypertext Transfer Protocol) und der ersten WWW-Browser 1993 bilden somit die Basis für das heutige Internet. Mehr als die Hälfte des Nutzungsaufkommens des Internet wird inzwischen durch das multimediale WWW verursacht. Damit ist das WWW neben der elektronischen Kommunikation (E-Mail) der am häufigsten genutzte Dienst des Internet. Mit der Entwicklung dieser Dienste ist auch die wirtschaftliche Bedeutung des Internet und den entsprechenden Diensten stark gestiegen. Das Jahr 1993 kann demzufolge auch als die Geburtsstunde der „Internet-Ökonomie“ verstanden werden (Zerdick et al. 1999) (S.142). Insofern lässt sich ein Wandel von der ursprünglich wissenschaftlichnichtkommerziellen zu einer wirtschaftlich-kommerziellen Nutzung des Internet erkennen (Fritz, 1999) (S.3). Die Entstehung der sogenannten „Internet-Ökonomie“, in deren Umfeld sich die vorliegende Arbeit einordnen lässt, beeinflusst daher in einer gravierenden Art und Weise sowohl das Privatleben als auch die wesentlichen Grundlagen des Geschäftslebens. Neben der Bezeichnung als Internet-Ökonomie hat sich in der Literatur neben anderen wie z.B. Network Economy (Shapiro & Varian, 1999) oder New Economy (Kelly, 1998), auch der Begriff der „Digitalen Ökonomie“ etabliert. Eine digitale Ökonomie basiert auf der Digitalisierung der Informationen und der entsprechenden Informations- und Kommunikationsinfrastruktur (Körner & Zimmermann, 2000). Allerdings vollzieht sich dieser Wandel zur Digitalen Ökonomie nicht nur auf der technischen Ebene, sondern geht vielmehr darüber hinaus, so dass es auch vollkommen neue Geschäftsmodelle für diesen Bereich geben wird. Zudem verändern sich in der digitalen Ökonomie die Art und Weise der Kommunikation, die Ausgestaltung von Unternehmen und Märkten und damit die ökonomische Leistungserstellung generell (Evans & Wurster, 1998); (Tapscott, 1996); (Tapscott et al. 2000). Teilweise wird in diesem Zusammenhang von einer weiteren Revolution von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft gesprochen (Schmid, 1999). Dieser Wandel wird dabei vielfach mit dem Umbruch, der mit der Entwicklung der Industriegesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert stattgefunden hat, verglichen. Während diese Industrialisierung als die erste industrielle Revolution bezeichnet werden kann, wird im Zusammenhang mit der Entwicklung zur sogenannten Informationsgesellschaft von der zweiten industriellen Revolution gesprochen. Beide Entwicklungen haben gemeinsam, dass sie enorme Veränderungen sowohl in der Wirtschaft als auch in der Gesellschaft hervorgerufen haben. Basis für die Entstehung dieser neuen Epoche ist die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). 4 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Folgendes Zitat unterstreicht die enorme Dynamik dieser Entwicklungen. “Nicht ob sie [die Prinzipen der Internet-Ökonomie] sich durchsetzen werden, ist die zentrale Frage, sondern wie schnell.“ (Zerdick et al. 1999) (S.19). Die Veränderungen durch die neuen Medien werden allerdings in Kapitel 3 nochmals aufgegriffen und vertieft behandelt. Im folgenden soll aber zumindest die rasante Entwicklung des Internet anhand von verschiedenen Studien und Untersuchungen belegt werden, um das Umfeld der Arbeit zu charakterisieren. Zunächst wird dabei in nachstehender Abbildung auf das Wachstum des Internet, gemessen in der Anzahl der Hosts, eingegangen. Abbildung 1-1: Anzahl und Wachstum der Internet-Hosts (weltweit)1 Aus den Ergebnissen der Studie von emarketer ist zu erkennen, dass es ein exponentielles Wachstum der Internet-Hosts gibt. Von 1993 mit einer Anzahl von 1,3 Millionen Internet-Hosts bis zum Januar 2000 hat sich die Anzahl auf 72,4 Millionen explosionsartig vervielfacht. Eine ähnliche Dynamik zeigt sich bei der Betrachtung der Entwicklung der InternetNutzer weltweit von 1995 bis zum September 2000. 1 Quelle: www.emarketer.com 5 Einleitung Anzahl der Web-User in Mill. 378 400 249 300 150 200 101 100 26 36 1995 1996 0 1997 1998 1999 Sep 00 Abbildung 1-2: Entwicklung der Anzahl der Web-User2 Die Zahlen der Internet-User haben sich von 1995 bis zum Jahr 2000 dabei mehr als vervierzehnfacht. Setzt man allerdings die Zahl von der gegenwärtigen Internet-User von 378 Millionen in das Verhältnis zur Gesamtbevölkerung der Welt, so wird offensichtlich, dass das einem Anteil von z.Z. gerade 6,22 % der gesamten Weltbevölkerung entspricht. Mit der steigenden Anzahl der Internet-Nutzer geht auch die verstärkte wirtschaftliche Bedeutung einher, wie die Entwicklung der Umsätze sowohl im Business-to-Business (B-toB) als auch im Business-to-Consumer-Bereich (B-to-C) verdeutlichen. Dieser Trend wird sich gemäss der Untersuchung von Forrester Research sogar noch verstärken. Die erwarteten Umsätze für den B-to-B und den B-to-C-Bereich für die nächsten Jahre sind in der folgenden Abbildung zusammengefasst. 1500 Umsatz in Mrd. $ 1000 Umsatz B-to-C Umsatz B-to-B 500 0 1999 2000 2001 2002 2003 Abbildung 1-3: Weltweite Entwicklung des Umsatzes im B-to-B und B-to-C-Bereich 3 2 Quelle: www.nua.net 6 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Mit einem prognostizierten weltweiten Umsatz im Electronic Commerce von 1330 Mrd. $ im Jahre 2003 nimmt der B-to-B-Bereich gegenüber dem B-to-C-Sektor mit vorhergesagten 110 Mrd. $ Umsatz eine dominierende Stellung ein. Allerdings sind solche Aussagen und Studien grundsätzlich mit Vorsicht zu „geniessen“, wie die folgende Zusammenfassung von verschiedenen Vorhersagen zu einer gleichen Thematik zeigen. Prognostizierter B-to-B Umsatz für das Jahr 2000 300 250 200 Mrd. $ 150 100 50 0 251 134 140 Yankee Group eStats 153 IDC Forrester 98 Abbildung 1-4: Verschiedene B-to-B Umsatzprognosen im E-Commerce für das Jahr 20004 Die Aussagen zum B-to-B Umsatz im Jahre 2000 differieren dabei um über 100 Mrd. $, was z.B. auf unterschiedliche Definitionen des Untersuchungsobjektes oder auf ve rschiedene Erhebungs- und Auswertungsmethoden zurückzuführen ist. Es kann aber trotz der Relativierung der Aussagen solcher Studien festgehalten we rden, dass eine enorme Dynamik bei der Entwicklung des Internet und eine stark steigende Bedeutung für den wirtschaftlichen Bereich zu verzeichnen ist. Die kurz aufgezeigten Veränderungen haben natürlich auch Einfluss auf den Marketing-Bereich der Unternehmungen. So führt das Internet und die verbundenen Dienste zu einer Veränderung des Käuferverhaltens, die Entstehung neuer elektronischer Angebots- und Vertriebsformen wird gefördert und der Markteintritt für potentielle Wettbewerber wird vereinfacht. Diese Entwicklungen tragen insgesamt zur einer Intensi- 3 Quelle: Forrester Research 1999 4 Quelle: eStats 1998 Einleitung 7 vierung des Wettbewerbs bei (Fritz, 1999). Der Aufbau und die Pflege eines Kundenstamms bzw. eine Nutzer-Gemeinde ist neben der Gestaltung einer erfolgreichen Marke und dem technischen Know-How zum wahrscheinlich wichtigsten Gut für im Internet tätige kommerzielle Unternehmungen geworden (Shapiro & Varian, 1999). Damit wird also auch das Marketing vor neue Herausforderungen gestellt, die unter anderem unter 3.2 vertieft behandelt we rden. 1.1.2 Relevanz der Thematik Im folgenden wird nun die Relevanz des Themas „Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien“ beleuchtet. Anhand von verschiedenen Untersuchungen und Studien wird die Aktualität und die grundsätzliche Notwendigkeit zur wissenschaftlichen Betrachtung der Gestaltung der Kundenbeziehung und der entsprechenden Kundenbindung erörtert. Im wesentlichen existieren für die meisten Unternehmungen aus Sicht des Marketing zwei Strategien, um auf die sich ergebenden Veränderungen zu reagieren. Zum einen kann die Neukundengewinnung forciert und zum anderen können Massnahmen ergriffen werden, die bestehenden Kunden an die Unternehmung zu binden. Die Kundenbindung verspricht dabei im Verhältnis zur Strategie der Neukundengewinnung wirtschaftliche Vorteile, wie verschiedene Studien zeigen (Hart et al. 1991); (Stojek, 2000). Als Ergebnis dieser Untersuchungen ist herausgefunden worden, dass es ca. um 600% teurer ist, neue Kunden zu akquirieren als die Beziehung zu bestehenden Kunden zu pflegen. Andere Aussagen gehen in eine ähnliche Richtung, so dass auch (Kunz, 1996) davon ausgeht, dass die Kosten für die Neukundengewinnung ca. fünfbis siebenmal höher liegen als die Kosten der Kundenbindung. Insbesondere unter dem Aspekt der Ökonomie der Aufmerksamkeit (Franck, 1998) wird es in Zukunft immer schwerer, potentielle Kunden in einem ersten Schritt auf das eigene Angebot aufmerksam zu machen, um dann in einem zweiten Schritt die potentiellen Kunden von dem Angebot zu überzeugen. Bei der durch das Internet entfachten Informationsflut wird es demzufolge immer schwieriger und damit auch kostspieliger, die Aufmerksamkeit potentieller Kunden zu wecken. Eine von McKinsey 1999 durchgeführte Studie im Telekommunikationssektor konnte diesen Trend der steigenden Akquisitionskosten bestätigen (Scott et al. 1999). So sind beispielsweise die Kosten für die Gewinnung eines neuen Kunden im USamerikanischen Handy-Markt von 276 $ im Jahre 1996 in einem Zeitraum von vier Jahren auf 343 $ (Stand: 2000) gestiegen. Dieser Überlegung folgend erscheint es eher wahrscheinlich, dass sich durch die Einflüsse der Entwicklungen des Internet das wirtschaftliche Verhältnis noch mehr zu Gunsten der Kundenbindung verlagert. 8 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Die Gründe für dieses günstigere wirtschaftliche Verhältnis sind in verschiedenen Untersuchungen analysiert worden. So haben z.B. (Bernet & Held, 1998) für den Bankenbereich eine solche Untersuchung durchgeführt und ähnliche Ergebnisse wie (Reichheld 1997) erhalten. Exemplarisch zeigt folgende, schematische Abbildung die Untersuchung von (Reichheld 1997), die die Gründe für das jährliche Wachstum der Gewinne bei anhaltender Kundenbindung darstellt. Jährlicher Gewinn pro Kunde Preisprämien Weiterempfehlungen Kosteneinsparungen Umsatzwachstum pro Kunde Basisgewinn Akquisitionskosten Jahre 0 1 2 3 4 5 6 7 Abbildung 1-5: Gründe für das Wachstum des jährlichen Gewinn bei anhaltender Kundenbindung5 Zunächst wird in der Untersuchung von einem Basisgewinn ausgegangen, der über die Jahre konstant bleibt. Zusätzlich zu diesem Basisgewinn stellt sich ein steigender Umsatz pro Kunde ein. Dies lässt sich durch die Nutzung von Cross- und Up-SellingPotentiale und eine verstärkte Kauffrequenz und erhöhte Kaufvolumina begründen. Die gezeigten Kosteneinsparungen, die mit der Dauer der Kundenbeziehung wachsen, lassen sich durch Einsparungen bei der Nutzung der angebotenen Dienste erklären. Erfahrene Kunde kennen die Bestellprozesse, so dass in der Regel weniger Probleme bei der Abwicklung von Transaktionen entstehen, was wiederum geringere Servicekosten verursacht. Je länger die Kunden die angebotenen Dienste einer Unternehmung 5 Quelle: (Reichheld 1997) (S. 54) Einleitung 9 nutzen und je zufriedener sie mit diesen Diensten sind, desto eher werden sie bereit sein, diese Angebote auch an Freunde und Bekannte weiter zu empfehlen. Somit erschliesst sich für die Unternehmung eine weitere Einnahmequelle, die das wirtschaftliche Verhältnis weiter zu Gunsten einer Kundenbindungsstrategie verschiebt. Abschliessend ist zu erwähnen, dass in der Untersuchung ebenso eine sinkende Preissensibilität bei treuen Kunden festgestellt werden konnte, so dass ein weiterer positiver Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit gezeigt wurde. Neben diesen „Rentabilitätseffekten“ ist auch der zeitliche Aspekt von Bedeutung. Je länger ein Anbieter eine Beziehung zu einem Kunden aufrechterhalten kann, desto eher besteht für ihn die Chance die Bedürfnisse des Kunden, auf Grund der Häufigkeit der getätigten Transaktionen, besser zu verstehen und demzufolge auch bessere, da individualisiertere Leistungen, anzubieten. Ebenso sind die Kunden in der Regel eher bereit dem Anbieter mitzuteilen, was sie wirklich wünschen. (Peppers & Rogers, 1997) sprechen in diesem Zusammenhang von der „Learning Relationship“. Allerdings stellt die Abbildung eine verallgemeinerte und eher schematische Sichtwe ise dar, da sich für unterschiedliche Branchen auch verschiedene Entwicklungen zeigen können. So zeigt eine schon 1990 von (Reichheld & Sasser Jr., 1990) durchgeführte Studie grosse Unterschiede bei verschiedenen Branchen. Reichheld und Sasser haben in dieser Studie nachgewiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Anteil der abgesprungenen Stammkunden und dem Unternehmensgewinn gibt. So haben die beiden Autoren in einer Untersuchung in Amerika herausgefunden, dass sich bei einer Verringerung der Kundenabwanderung um 5% je nach Branche eine bis zu 85prozentige Erhöhung des Gewinnes realisieren lässt. So wurde im einzelnen festgestellt, dass eine Verringerung der Kundenmigrationsrate um 5% bei einer amerikanischen Grossbank zu einer 85prozentigen, bei einer Versicherungsagentur zu einer 50prozentigen und bei einer Autokundendienstkette immerhin noch zu einer 30prozentigen Gewinnzunahme führt. Betrachtet man nun des weiteren die Nutzung von Software zur Gestaltung der Kundenbeziehung (CRM-Software) als einen Indikator für die Relevanz dieses Themas, so kann anhand verschiedener Studien die steigende Bedeutung für die nächsten Jahre belegt we rden. Nach einer Studie von AMR Research steigen die Ausgaben für CRMSoftware weltweit bis zum Jahr 2003 um jährlich 49%, so dass für das Jahr 2003 von einem weltweiten Marktvolumen von 16, 8 Mrd. $ ausgegangen werden kann. Folgende Abbildung verdeutlicht eine Prognose für die Entwicklung der Ausgaben von CRM-Software. 10 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 20 16.8 15 11.5 10 5.4 5 2.3 CRMUmsatzentwicklung in Mrd. $ 7.9 3.7 0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Abbildung 1-6: Weltweite Umsatzentwicklung für CRM-Software in Mrd. $ 6 Eine Studie von Frost & Sullivan zeigt einen ähnlichen Trend für den CRM Software in Europa. Innerhalb des Betrachtungszeitraums von 10 Jahren sagen sie eine Steigerung der Ausgaben für CRM-Software um mehr als den Faktor 17 voraus. Damit ergibt sich ein für das Jahr 2005 geschätzter Umsatz von 6,81 Mrd. $ für den europäischen Markt von CRM-Software. 6.81 8 6 3.37 Mrd. $ 4 2 0.38 0.59 0.98 1.75 0 1995 1997 1999 2001 2003 2005 Abbildung 1-7: Prognostizierte Entwicklung des europäischen CRM-SoftwareMarktes7 Diese beiden Studien bestärken somit den Trend, dass sich zur Zeit ein Wandel vom internen zum externen Fokus in der wirtschaftlichen Welt abzeichnet. Waren in der Vergangenheit insbesondere die Software zur internen Produktionsplanung und Pro- 6 Quelle: AMR Research 1999 7 Quelle: Forst & Sullivan 1998 11 Einleitung zessverbesserung gefragt (z.B. ERP-Systeme), wird nun zunehmend der Kunde und die entsprechend notwendige Software in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt (Butler, 2000). Allerdings stellt die Software nur einen Teil einer ganzheitlichen Lösung zum Management der Kundenbeziehung dar, so dass die Software zwar als ein Indikator für die Relevanz des Themas angesehen werden kann, aber schon an dieser Stelle soll darauf hinge wiesen werden, dass es nicht ausreichend ist, nur eine Software-Lösung zu implementieren. Eine im Jahr 2000 durchgeführte Untersuchung von der Katholischen Universität Eichstätt hat unter 148 CRM-Verantwortlichen erfragt, welche Ziele mit einer Einführung einer CRM-Software verbunden seien. Dabei wurden verschiedene Zielsetzungen unterschieden. Folgende Abbildungen zeigen die Ergebnisse der Befragung für die kundenbezogenen und die wirtschaftlichen Zielsetzungen, die mit der Einführung einer CRM-Software verbunden werden. Kundenindividuelle Ansprache 4.43 Gesteigerte Kundenzufriedenheit 4.32 Erhöhung der Kundenbindung 4.26 Imageverbesserung 3.85 Erhöhung der Wiederkaufrate 3.74 Erhöhung CrossSelling 3.62 Reaktivierung von Altkunden 3.62 Generierung von Neukunden 3.32 0 1 2 3 4 5 1 = geringe Bedeutung; 3 = mittlere Bedeutung; 5 = hohe Bedeutung Abbildung 1-8: Kundenbezogene Ziele bei der Einführung von CRM-Software8 8 Quelle: (Frielitz et al. 2000) (S.86) 12 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Gemäss dieser Studie kann gezeigt werden, dass die kundenindividuelle Ansprache, die Erhöhung der Kundenzufriedenheit und die Steigerung der Kundenbindung als wesentliche Ziele zu nennen sind. Die Generierung von Neukunden nimmt mit einer mittleren Bedeutung (Mittelwert von 3,32) den letzten Platz ein. 3.73 Umsatz/ Gewinnsteigerung 3.7 Reduzierung von Streuverlusten 3.02 Kosteneinsparungen 0 1 2 3 4 5 1 = geringe Bedeutung; 3 = mittlere Bedeutung; 5 = hohe Bedeutung Abbildung 1-9: Finanzielle Ziele bei der Einführung einer CRM-Software9 Die drei wesentlichen finanziellen Ziele, die mit der Einführung einer CRM-Software verbunden werden, sind die Steigerung des Gewinns und Umsatzes, die Reduzierung von Streuverlusten sowie die Kosteneinsparungen. Hier zeigt sich ein Zusammenhang zu der weiter oben vorgestellten Studie von (Reichheld 1997). Eine andere Studie von Forrester Research aus dem Jahre 199910 zeigt insbesondere den Wunsch der Unternehmungen nach einer integrierten Sicht auf den Kunden sowohl über die verschiedenen Kommunikationskanäle als auch über die beteiligten Unternehmensbereiche. Bei einer Befragung von 50 Experten aus 25 grossen amerikanischen Unternehmungen sahen 92% der Befragten dieses Ziel als wichtig bis sehr wichtig an. Allerdings gaben nur 2% der interviewten Experten (Stand 1999) an, schon über eine Lösung zur integrierten Sicht auf den Kunden zu verfügen. Für das Jahr 2001 hingegen gaben 38% der Befragten an, ein solches System zur integrierten Sicht auf den Kunden implementiert zu haben. Diese Studie zeigt exemplarisch den Stand der Implementierung und verdeutlicht die Tatsache, dass viele Unternehmungen sich bewusst sind im Bereich Management der Kundenbeziehung aktiv zu werden, allerdings in den meisten Fällen noch nicht gehandelt haben. 9 Quelle: 10 (Frielitz et al. 2000) (S.94) Quelle: www.cyberatlas.internet.com 1999 Einleitung 13 Abschliessend kann festgehalten werden, dass es grundsätzlich ökonomisch sinnvoller ist, bestehende Kundenbeziehungen zu pflegen als ständig neue Kunden gewinnen zu wollen. Diese Aussage wird unter anderem durch die mit dem Phänomen der Ökonomie der Aufmerksamkeit beschriebenen Veränderungen im Internet an Bedeutung eher noch zunehmen. Die derzeitige und prognostizierte Umsatzentwicklung für CRMSoftware kann als Indikator genutzt werden, dass dieser Trend von der Wirtschaft aufgegriffen worden ist und auch in Zukunft die Fokusierung auf die Gestaltung der Kundenbeziehung eine hohe Relevanz besitzt. Die mit der Einführung einer CRMSoftware verknüpften Ziele können allerdings bisher nur in wenigen Fällen erreicht werden, so dass sich ein Handlungsbedarf ergibt. Die Einführung einer Software zur Gestaltung der Kundenbeziehung kann dabei jedoch nur unterstützend tätig sein, da das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien eine sehr komplexe Aufgabe darstellt, die eines ganzheitlichen Konzeptes bedarf, das über eine blosse Software-Einführung weit hinausgeht. 1.2 Forschungsfrage, Zielsetzungen und Adressaten der Arbeit Begriffe wie Relationship Marketing (Berry, 1983) (Berry & Gresham, 1998), Kundenstamm Marketing (Weinhold-Stünzi, 1987), Kundenbindung (Meyer & Oeve rmann, 1995), Kundennähe (Homburg, 1995), Beziehungsmanagement (Diller & Kusterer, 1998), Konzept der Kundenbindung (Bliemel & Eggert, 1998), Management der Geschäftsbeziehung (Belz, 1998), sind zur Zeit sehr häufig in der Literatur zu finden. Diese Konzepte, die teilweise auf die Anfänge der 80er Jahre zurückgehen, haben in letzter Zeit zunehmend an Bedeutung gewonnen. Parallel zu dieser Entwicklung haben sich die neuen Geschäftsmedien (z.B. elektronische Marktplätze) enorm entwickelt. In letzter Zeit wird manchmal der Versuch unternommen, diese beiden Konzepte miteinander zu verbinden, allerdings werden dabei häufig nur die bestehenden Konzepte zum Management der Kundenbeziehung auf die neuen Medien übertragen, ohne die neu entstehenden Herausforderungen zu berücksichtigen und eine entsprechende Anpassung der Konzepte vorzunehmen (Frielitz, Hippner, et al. 2000). An dieser Stelle setzt die vorliegende Dissertation an. Im weiteren Verlauf wird zunächst die Forschungsfrage als Ausgangslage der Dissertation vorgestellt und besprochen, im Anschluss daran werden in diesem Abschnitt die Ziele und die Adressaten der Arbeit erörtert. Abschliessend werden die Vorgehenswe ise und der Aufbau der Arbeit dargestellt. 1.2.1 Forschungsfrage Auf Grundlage der vorgestellten aktuellen Herausforderungen (vgl. 1.1) und der durchgeführten Projekte und Forschungsarbeiten, auf die im Abschnitt 1.3 noch näher 14 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien eingegangen wird, wurde als Ausgangspunkt der Untersuchung folgende Forschungsfrage formuliert: Wie können Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern in neuen Geschäftsmedien optimal entwickelt, gestaltet und gepflegt werden ? Diese Hauptfrage ist durch die Dissertation im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu beantworten. Um die Forschungsfrage weiter auszuführen, werden im folgenden einzelne Aspekte näher beleuchtet. Zunächst wird auf den Begriff der Interaktionsbeziehungen einge gangen. Interaktionsbeziehungen werden im Rahmen dieser Arbeit im weitesten Sinne als Austauschprozesse verstanden. Diese Prozesse umfassen dabei sowohl die Kommunikation, verstanden als Austausch von Informationen, als auch die Transaktion, ve rstanden als Austausch von ökonomischen Werten. Die Betrachtung des Verhältnisses von Anbietern und Nachfragern kann sowohl die Bereiche des Business-to-Business (B-to-B) und des Business-to-Consumer (B-to-C) als auch den Bereich des Consumer-to-Consumer (C-to-C) umfassen, allerdings liegt der Fokus der vorliegenden Untersuchung auf dem B-to-C-Bereich, so dass die Beziehung zwischen eine m Anbieter und einem (potentiellen) Endkunden im Vordergrund steht. Da jedoch die Grenzen zwischen den Bereichen in den neuen Medien teilweise nicht mehr so trennscharf gezogen werden können, ist die Forschungsfrage bewusst weit formuliert. Wie weiter oben schon beschrieben, ist es das Ziel der Dissertation, ein neues Konzept zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien zu entwickeln, daher bezieht sich die Fragestellung insbesondere auf die neuen Geschäftsmedien, wie z.B. elektronische Marktplätze. Der Begriff der Geschäftsmedien, als eine Ausprägung der Medien wie sie im Sinne des Medienmodells nach Schmid zu verstehen sind, wird unter 2.1.3 näher erläutert, um so eine semantische Grundlage für die Dissertation zu legen. Der letzte Aspekt der Forschungsfrage, der an dieser Stelle beleuchtet werden soll, ist die „optimale Entwicklung, Gestaltung und Pflege“ der Kundenbeziehung. Dieser Passus bezieht sich dabei auf die Definition des Begriffs „Management“, wie er von (Ulrich, 1984) (S.11) geprägt wurde. Aus der Forschungsfrage lassen sich des weiteren eine Reihe von Unterfragen formulieren: Einleitung 1. Welchen Herausforderungen und Veränderungen sind durch die neuen Medien zu erwarten? 2. Wie wird sich das Konsumentenverhalten in und durch die neuen Medien verändern? 3. Wie werden die Determinanten der Kundenbindung unter Berücksichtigung dieser Einflüsse in die neuen Geschäftsmedien transformiert? 4. Welche neuen Herausforderungen ergeben sich dadurch für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien? 5. Welches Modell oder welche Massnahmen zum optimalen Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien wird diesen Anforderungen gerecht? 6. Welche Abhängigkeiten zeigen die unterschiedlichen Massnahmen? 7. Wie kann dieses Modell beispielhaft in einer Branche Anwendung finden? 15 Diese Fragen sollen im Rahmen der Untersuchung bearbeitet und möglichst befriedigend beantwortet werden. 1.2.2 Ziele und Adressaten der Arbeit Ziel der Dissertation ist es, Ansätze aus dem Medien- und Kommunikationsmanagement und Konzepte aus dem Marketing (Teilgebiet Kundenbindung) sinnvoll zu ve rknüpfen, um einen neuen Ansatz für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien zu entwickeln. Zu diesem Zweck werden die Veränderungen durch die neuen Medien und durch das veränderte Konsumentenverhalten auf die bisher bekannten Determinanten der Kundenbindung nach Tomczak/Dittrich analysiert, um die relevanten Determinanten in den neuen Geschäftsmedien zu identifizieren. Diese transformierten Determinanten bilden die Grundlage für die Entwicklung eines generischen Modells. Dieses Modell, welches das Hauptziel der Dissertation darstellt, enthält konkrete Massnahmen zur optimalen Gestaltung der Interaktionsbeziehung zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Geschäftsmedien. Das Modell ist branchenübergreifend, allerdings werden zur besseren Darstellung im Finanzdienstleistungssektor branchenspezifische Massnahmen vorgestellt, um anhand dieser Konkretisierung, die Anwendbarkeit des Modells auf die Spezifika einer Branchen herauszustellen. Grundsätzlich strebt die Dissertation einen hohen Praxisbezug an. 16 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Im einzelnen können die Ziele folgendermassen dargestellt we rden: ?? Erarbeitung der theoretischen Grundlagen sowohl aus den relevanten Bereichen des Medien- und Kommunikationsmanagement als auch aus dem Marketing ?? Abgrenzung und Klärung der Begriffsvielfalt im Bereich Management der Kundenbeziehung ?? Ausführungen zum aktuellen Stand der Forschung zum Thema Management der Kundenbeziehung ?? Vorstellung der Determinanten der Kundenbindung und der theoretischen Grundlagen des Konstrukts Kundenbindung ?? Darstellung der Veränderungen durch die neuen Medien und das veränderte Kundenverhalten auf die Anbieter-Nachfrager-Beziehung ?? Untersuchung der Transformation der relevanten Determinanten der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien ?? Entwurf eines neuen Ansatzes zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ?? Entwicklung eines Gestaltungsmodells, das Handlungsanweisung für Anbieter zur Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien enthält ?? Verdeutlichung der Anwendbarkeit des Modells in Form von einem Business Case für den Finanzdienstleistungsbereich Die Dissertation soll sowohl einen Beitrag für die „Scientific Community“ als auch einen Beitrag für die Praxis bieten, so dass Wissenschaftler und Praktiker gleichermassen als Adressaten der Arbeit bezeichnet werden können. Der Beitrag für die Wissenschaft lässt sich in folgenden Punkten ausdrücken: ?? Erläuterung zu Ansätzen des Medien- und Kommunikationsmanagement und Ve rknüpfung mit den für die Thematik relevanten Konzepten des Marketing ?? Darstellung der aus den Veränderungen durch die neuen Medien und des veränderten Konsumentenverhaltens in den neuen Medien resultierenden Herausforderungen für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ?? Aufbereitung des relativ neuen und uneinheitlich gebrauchten Begriffs des Managements der Kundenbeziehung Einleitung 17 ?? Anwendung des Medienreferenzmodells für den Aspekt des Managements der Kundenbeziehung in den neuen Medien ?? Entwicklung eines generischen Modells zur Gestaltung des Managements der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Der Beitrag für die Praxis ergibt sich aus folgenden Punkten: ?? Entwicklung eines praxistauglichen Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ?? Gestaltung von Checklisten für diese Thematik ?? Basis für den Aufbau einer eigenen Geschäftseinheit bzw. einer eigenen Unternehmung Nach der Darstellung des Nutzens für die Adressaten werden im weiteren die Forschungskonzeption und der Aufbau der Dissertation erläutert. 1.3 Vorgehensweise und Aufbau Im folgenden Abschnitt werden zunächst die Forschungskonzeption sowie die ve rwendeten Forschungsmethoden beschrieben. Im zweiten Teil unter 1.3.2 wird der Aufbau der vorliegenden Arbeit vorgestellt. 1.3.1 Forschungsmethodik und Vorgehen Im weiteren Verlauf wird einerseits eine wissenschaftstheoretische Einordnung dieser Arbeit vorgenommen und andererseits das damit zusammenhängende forschungsmethodische Vorgehen erläutert. 1.3.1.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung der Arbeit Die vorliegende Arbeit ist im Bereich der anwendungsorientierten Wissenschaft angesiedelt. Die Forschungskonzeption folgt dabei einer realitätsorientierten, qualitativen und situativen Forschungslogik, die im folgenden näher erläutert wird. Das Verständnis der Betriebswirtschaftslehre als angewandte Sozialwissenschaft ist Basis für die vorliegende Untersuchung. Die Betriebswirtschaftslehre wird dabei als Führungs- oder Managementlehre aufgefasst, die sich mit den Problemen der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung zweckgerichteter sozialer Systeme befasst. In diesem Sinne kann die Betriebswirtschaftslehre auch als systemorientierte Managementlehre bezeichnet werden (Ulrich, 1984) (S. 168). 18 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Konkrete Fragen und in der Praxis identifizierte Probleme und Herausforderungen, wie unter 1.1 gezeigt, waren Ausgangspunkt für die Untersuchung. Das Erkenntnisziel der vorliegenden Arbeit ist ein Lösungsbeitrag in Form eines Gestaltungsmodell für die Veränderung der sozialen Wirklichkeit. Nach (Ulrich, 1984) (S.180) wird ein solches Erkenntnisziel auch häufig als „pragmatisches Wissenschaftsziel“ bezeichnet. Grundsätzlich soll die Arbeit eine hohe Praxisrelevanz aufweisen, wobei unter Praxisrelevanz dabei „die Einsetzbarkeit und der (zumindest potentielle) Nutzen von Forschungsergebnissen sowie Methoden und Modellen für die Praxis relevante Problemstellungen zu verstehen [ist]“ (vgl. Simon 1986, S. 205 zitiert nach (Tomczak, 1992) (S. 77). Der im Rahmen der vorliegenden Arbeit verfolgte Forschungsprozess hat demnach nicht eine Überprüfung theoriegeleiteter Hypothesen an der bestehenden Wirklichkeit im Sinne des deduktiv-nomologischer Forschungsparadigmas zum Ziel, sondern vielmehr die Konstruktion und Weiterentwicklung in der Praxis brauchbarer wissenschaftlicher Aussagensysteme zur Schaffung neuer Realitäten im Sinne einer anwendungsorientierten Wissenschaftstheorie (vgl. (Kromrey, 1991) (S. 20); (Kubicek, 1977) (S. 12 f.); (Ulrich, 1984) (S. 175 ff.)). Folgende Tabelle verdeutlicht die Unterschiede zwischen dem theoretischem und dem anwendungsorientierten Wissenschaftsverständnis. 19 Einleitung Theoretische Wissenschaften Entstehung der Probleme in der Wissenschaft Abgrenzung der Probleme durch Theoriezusammenhang Forschungsziele Anwendungsorientierte Wissenschaften in der Praxis durch Praxiszusammenhang Theorieentwicklung und -prü- Entwerfen möglicher Wirkfung, Erklärung der bestelichkeiten henden Wirklichkeit deskriptiv, wertfrei normativ, wertend Forschungsregulativ Wahrheit Nützlichkeit Fortschrittskriterien Allgemeingültigkeit, Bestätigungsgrad, Erklärungskraft, Prognosekraft von Theorien Praktische Problemlösungskraft von Modellen und Methoden Angestrebte Aussagen Tabelle 1-1: Wissenschaftstheoretische Einordnung11 Die vorliegende Arbeit ist der Betriebswirtschaftslehre und dort im besonderen auch dem Marketingbereich zuzuordnen, daher sind die Ausführungen zur realitätsorientierten Marketingforschung im Rahmen des Dissertationsvorhabens von hoher Relevanz. Nach (Tomczak, 1992) (S.83f.) ergeben sich drei wichtige Punkte, die es bei der realitätsorientierten Forschung zu beachten gilt: 1. „Den Ausgangspunkt bei der Entwicklung eines heuristischen Bezugsrahmens stellt ein theoretisches Problem bzw. ein generelles Phänomen dar, das nicht genügend verstanden bzw. unzureichend beherrscht wird.“ 2. „Ziel der Forschung muss es sein, zur Lösung von wichtigen und vorrangigen Problemstellungen der ökonomischen, sozialen und ökologischen Praxis beizutragen.“ 3. „Im Kern geht es darum, theoretisch geleitete Fragen an die Realität zu stellen. Forschung wird als iterativer Lernprozess begriffen.“ Der Forschungsprozess dieser Arbeit wird demzufolge als ein von theoretischen Absichten geleiteter, auf systematischem Erfahrungswissen basierender, iterativer Lernprozess begriffen, der sowohl die Gewinnung von Erfahrungswissen als auch seine 11 Quelle: (Ulrich 1998) (S.163) 20 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien kreative Umsetzung in theoretische Aussagen umfasst. Anstelle der Prüfung von Hypothesen werden im Sinne der anwendungsorientierten Wissenschaft theoretisch geleitete Fragen an die Realität zum wissenschaftlichen Fortschrittsmedium erklärt. (Kubicek, 1977) (S.14) bezeichnet die „Prüfung tendenziell beliebiger Hypothesen“ als „Umweg des wissenschaftlichen Fortschritts“. Das Bestreben, durch Fragen an die Realität und die theoretische Verarbeitung des dabei gewonnenen Erfahrungswissens zu weiteren Fragen vorzustossen, wird auch „iterative Heuristik“ genannt (Kubicek, 1977) (S.14). Folgende Abbildung gibt einen Überblick zu dem Forschungsprozess. Fragen an die Realität Probleme der Praxis Literaturanalyse Theoretisches (Vor-)Verständnis Sammlung von Daten eigene Konstrukte Differenzierung, Abstraktion, Perspektivenwechsel etc. Kritische Reflexion des gewonnenen Realitätsbildes Phänomene der Praxis Abbildung 1-10: Explorativer Forschungszyklus als iterativer Lernprozess12 Ausgangspunkt der Untersuchung war ein theoretisches (Vor-)Verständnis für die Thematik Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien, welches durch Literaturanalyse und eigene Erfahrungen und Konstrukte, die aus einer früheren Tätigkeit des Verfassers bei einer Unternehmensberatung entstanden sind, gebildet werden konnte. Allerdings muss dabei bedacht werden, dass ein solches Vorgehen eine stark subjektive Komponente aufweist (Tomczak, 1992) (S. 84). Aus diesem subjektiven Grundverständnis haben sich Fragen für den betrachteten Bereich an und aus der Realität ergeben. Das aus der Sammlung von Daten gewonnene Bild der Wirklichkeit wird zyklisch hinterfragt und kritisch reflektiert, um zu einer Differenzierung, Abstraktion oder einem Perspektivenwechsel zu gelangen. Dies hat wiederum einen Einfluss auf das subjektive, theoretische Verständnis, so dass sich ein Kreislauf ergibt, der im Rahmen der vorliegenden Arbeit mehrmals durchlaufen wurde. Insofern sind 12 in Anlehnung an Kubicek (1977), S. 14; Tomczak (1992), S. 84 Einleitung 21 gemäss der realitätsorientierten Marketingsforschung die Forderungen nach einem iterativen Lernprozess, der durch theoretisch geleitete Fragen an die Praxis begonnen wird, erfüllt. Durch die Verfolgung des realitätsorientierten Ansatzes und auf Grund der realen, praxisbezogenen und (äusserst) komplexen Problemstellung des Dissertationsvorhabens wird eine situative Forschung betrieben. Realitätsorientierte Sozialforschung muss insbesondere in Bezug auf die neuen Medien situativ orientiert sein, weil Empfehlungen in dem sich schnell verändernden Umfeld nur eine begrenzte Halbwertzeit haben können. Somit können Fragen nach der Zukunftsfähigkeit nur beschränkt gestellt we rden. Insofern empfiehlt es sich aus pragmatischen Gründen den Forschungsprozess einzufrieren, um den gezeigten iterativen Prozess nicht endlos zu durchlaufen. Allerdings sind die zu dem Zeitpunkt offenen theoretischen Fragen als Teil des Untersuchungsergebnisses aufzuführen (Kubicek, 1977) (S.28). Um die Situationsabhängigkeit bei der Datensammlung mit zu erfassen, sind Laborsituationen zu vermeiden und Forschungssubjekte möglichst in ihrer natürlichen, alltäglichen Umgebung zu untersuchen (Mayring, 1993) (S.9ff.). Die bewusste Interaktion mit der Praxis über die untersuchten Probleme, Inhalte und Erkenntnisse sowie die theoretische Basis (vgl. Kapitel 2) bilden die Grundlagen dieser Forschungsarbeit. 1.3.1.2 Methodisches Vorgehen Für einen anwendungsorientierten Wissenschaftsansatz, wie er für die vorliegende Untersuchung verfolgt wird, ist ein qualitativer Forschungsansatz grundsätzlich vorzuziehen, da die Realität die Forschungsfragen prägt und diese dann die Methodenwahl beeinflussen. Im Gegensatz dazu wird in der quantitative Forschung das Forschungskonzept häufig durch die Methoden bestimmt (Tomczak, 1992) (S.82). Insofern wurden bei der Arbeit und der Beantwortung der Forschungsfrage hauptsächlich qualitative Forschungsmethoden gewählt. Im folgenden wird zunächst kurz der organisatorische Rahmen dargestellt, um anschliessend die verwendeten Forschungsmethoden zu erläutern. Seit dem 1. Mai 1998 existiert der Forschungsbereich „Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien“ am Institut für Medien- und Kommunikati- 22 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien onsmanagement (mcminstitute) an der Universität St. Gallen (HSG) 13. Der zu beschreibende Forschungsbereich lässt sich dabei in das Competence Center Electronic Markets (CCEM)14 des mcminstitute einordnen. Das Competence Center Electronic Markets wurde bereits 1989 gegründet und führt seitdem in enger Zusammenarbeit mit den Partnerunternehmen des CCEM mittlerweile schon in der vierten Phase anwendungsorientierte Forschung durch. Das CCEM4 beschäftigt sich aktuell mit der Gestaltung und dem Management von Geschäftsmedien, verstanden als Austauschplattformen von Gütern (z.B. elektronische Märkte). Desk Research Obwohl der Bereich „Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien“ am Institut eher zu den Jüngeren gehört, sind im Rahmen des CCEM und des Institutes (vormals Institut für Wirtschaftsinformatik 4) schon vor der Gründung dieses Bereiches Aktivitäten im „Marketingumfeld“ zu verzeichnen (Schmid et al. 1995); (Klein & Schubert, 1996); (Schmid, 1997); (Schubert, 1999). Die Sichtung und Auswertung dieser Arbeiten konnten einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung des Bereiches stiften. Im Rahmen der Desk Research sind selbstverständlich im ersten Forschungsabschnitt zusätzlich die forschungsrelevante Literatur aus den Bereichen des Medien- und Kommunikationsmanagement sowie aus dem Marketing aufgearbeitet worden. Dieses intensive Literaturstudium diente u.a. der Bildung des theoretischen Vorverständnisses, das als Basis des beschriebenen Forschungsprozesses notwendig und hilfreich war. Begleitend zu dem Forschungsprozess wurden neben der Fachliteratur auch permanent Dokumente (z.B. Geschäftsberichte, Presseartikel, Unternehmensveröffentlichungen, Präsentation usw.) gesichtet und ausgewertet, um dem geforderten Praxisbezug Rechnung zu tragen. Da die Dissertation eine sehr enge thematische Ve rknüpfung zu den neuen Medien hat, sollen neben der fachbezogenen Literatur zudem Verweise aus anderen Medien (World Wide Web etc.) mit in die Arbeit einbezogen werden. 13 Das mcm institute an der Universität St. Gallen besteht seit dem 1. Januar 1998 und ist aus dem Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI4) hervorgegangen. Weitere Informationen finden sich im Internet unter http://www.mcm.unisg.ch/. 14 Nähere Informationen über das CCEM finden sich unter http://www.netacademy.org bzw. http://www.businessmedia.org erhältlich. Einleitung 23 Aktionsforschung Weitere Grundlagen für diesen neu etablierten Forschungsbereich bilden zum einen persönliche Erfahrungen des Autors durch seine frühere Tätigkeit in einer Unternehmensberatung in dem Bereich „Customer Care“ sowie zum anderen verschiedene Projekte, die im Rahmen des Competence Center Electronic Markets (CCEM) am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement bearbeitet worden sind. Diese Projekte werden im folgenden kurz vorgestellt. ?? Management of Customer Relationship – MCR SNF-Projekt im Rahmen des Schwerpunktprogramms Informations- und Kommunikationssysteme (SPP ICS). Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit Prof. Faltings von der EPFL Lausanne, Dr. Eric Revaz, Pioneers Research & Consulting, Fèchy VD und Dr. André Lang, Inforge HEC, University of Lausanne, durchgeführt. Das Projekt ist am 1. Januar 2000 gestartet und hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Ziel des Projektes ist es u.a. die Gestaltung der Kundenbeziehung sowohl von der Käufer- wie auch von der Verkäuferseite zu betrachten. ?? Electronic Customer Relationship Management– ECReM EU-Projekt im Rahmen des fünften Rahmenprogramms für Forschung und technologische Entwicklung der Europäischen Union (Information Societies Technology Programme). Das Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement, in dem Falle vertreten durch das CCEM, übernimmt innerhalb des Projektes den akademischen Part. Des weiteren sind Partnerunternehmen aus Israel, Frankreich und Spanien an diesem Projekt beteiligt. Start der zweijährigen Laufzeit war am 1. Juli 2000. Ziel dieses Projektes ist es, eine Spezifikation und die entsprechende Software zu entwickeln, die den Ansprüchen eines ganzheitlichen Ansatzes des Managements der Kundenbeziehung genügt. Das CCEM ist dabei für die Aufstellung der Anforderungen und die Durchführung einer Marktstudie verantwortlich. ?? Marktstudie zu dem Thema CRM und e-Business im Schweizer Finanzdienstleistungssektor Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit der ATAG Ernst & Yo ung durchgeführt. Im Laufe des Projektes sind 784 Fragebögen an Schweizer Finanzdienstleistungsunternehmungen verschickt und insgesamt 32 Experten-Interviews geführt worden. Für Sommer 2001 ist die Fertigstellung der Studie und die Präsentation der Ergebnisse im Rahmen eines „MCR-Forums“ geplant. ?? Zukünftige Potentiale zur Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 24 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Das Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Swisscom durchgeführt wurde, hatte zum Ziel, mit Hilfe verschiedener Szenarien, mögliche Potentiale und Tendenzen im Bereich Management der Kundenbeziehung zu eruieren. Es wurden mit Hilfe der Szenariotechnik ein realistisches und ein visionäres Szenario erarbeitet, um die Zielsetzung bestmöglich zu erfüllen. Das Projekt wurde am 1. November 1999 begonnen und konnte Mitte Oktober 2000 erfolgreich abgeschlossen werden. Workshops Im Rahmen der verschiedenen Projekte sind eine Vielzahl von Workshops mit Projektpartnern durchgeführt worden, auf denen innovative Konzepte des Managements der Kundenbeziehung besprochen worden sind, so dass auch hier ein Einfluss auf das entwickelte Modell gegeben ist. Interviews In der weiter oben kurz beschriebenen Marktstudie sind im Finanzdienstleistungsbereich 32 Experteninterviews geführt worden, die bei der Beschreibung der Veränderungen durch die neuen Medien und der Entwicklung des Modells hilfreich waren. Als Grundlage für die Interviews diente ein strukturierter Interviewleitfaden. Schriftliche Befragung Die schon erwähnte Marktstudie umfasste des weiteren auch die Versendung von 784 Fragebögen. Die Auswertung der Ergebnisse zeigt unter anderem die Relevanz des Themas Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien im Finanzdienstleistungssektor. Case Studies Eine weitere qualitative Forschungsmethode für die vorliegende Untersuchung stellten Case Studies bzw. Fallstudien dar. Unter einer Fallstudie wird dabei die Beschreibung einer Managementsituation unter besonderer Betrachtung der kontextualen und temporären Dimension verstanden (Bonoma, 1985) (S. 203). Da dies in der Regel mit einem hohen Aufwand einher geht, sind häufig in der Forschung nur einige Fallstudien machbar. Das Entscheidende ist dann die Auswahl von typischen Fällen, so dass die Aussagekraft der Fallstudie gegeben ist. Die relevante Auswahl der typischen Fälle stellt dabei ein wesentliches Ziel der qualitativen Sozialforschung dar (Lamnek, 1989) (S.22ff.). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit dient die unter Kapitel 5 aufgeführte Fallstudie der Verdeutlichung und der ansatzweisen Validierung des entwickelten Mo- Einleitung 25 dells zur Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien in einer Branche. NetAcademy on Business Media Seit dem Bestehen des Forschungsbereiches „Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien“ ist ein eigener Bereich im Internet unter Verwendung der NetAcademy Plattform15 eingerichtet worden. Dieser Bereich stellt dabei die Umsetzung der Idee des „gläsernen Schreibtisches“ dar. Sinn und Zweck diese Konzeptes ist die Dokumentation und Veröffentlichung des Forschungs- und Entwicklungsprozesses für den jeweiligen darzustellenden Bereich, so dass alle Interessierten aus Wissenschaft und Praxis auf die verwendeten Ressourcen (z.B. Links, Ideeansätze, Literatur etc.) zugreifen können. Der Bereich hat zur Zeit (Stand Dezember 2000) ca. 350 Visits pro Monat. Folge nder Screenshot zeigt den Forschungsbereich auf der NetAcademy. Abbildung 1-11:Darstellung des Forschungsbereiches auf der NetAcademy on Business Media16 15 16 Das NetAcademy Projekt (http://www.netacademy.org) am mcminstitute beschäftigt sich mit dem Aufbau eines globalen, digitalen Wissensmediums. Die Dissertation soll nach Abschluss im Wissensbereich Business Media (http://www.businessmedia.org) im Forschungsbereich Management of Customer Relationship in Business Media zur Verfügung stehen (http://www.businessmedia.org/businessmedia/businessmedia.nsf/pages/mcc_main.html). Quelle: http://www.businessmedia.org/businessmedia/businessmedia.nsf/pages/mcc_main.html 26 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 1.3.2 Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit gliedert sich, wie in folgender Abbildung dargestellt, in sechs Kapitel. Veränderungen durch die neuen Medien 3. Kapitel Einleitung Determinanten der Kundenbindung Neue Determinanten der Kundenbindung Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Business Case Zusammenfassung & Ausblick Verändertes Konsumentenverhalten 3. Kapitel 4. Kapitel 5. Kapitel Theoretische Grundlagen 1. Kapitel 2. Kapitel 6. Kapitel Abbildung 1-12: Aufbau und Gliederung der Arbeit Im einleitenden ersten Kapitel wurde zunächst das Umfeld und die Relevanz der Thematik (1.1) besprochen. Dabei wurde unter anderem kurz auf die Veränderungen der sogenannten Internet-Ökonomie eingegangen. Die Dynamik der damit verbundenen Entwicklung konnte mit Hilfe von verschiedenen Untersuchungen belegt werden. Als Grundlage für diesen Teil diente dabei ein kurzer Blick auf die Entstehung des Internet. Die Relevanz des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien wurde unter 1.1.2 anhand von verschiedenen Studien verdeutlicht. Der Absatz 1.2 enthält die Vorstellung und Erläuterung der Forschungsfrage sowie die Auflistung der Ziele der Dissertation. Ebenso beschreibt dieser Abschnitt, an wen sich die vorliegende Arbeit wendet. Abschliessend werden im 1. Kapitel unter 1.3 die Vorgehensweise und die Forschungsmethodik (1.3.1) sowie der generelle Aufbau der Arbeit (1.3.2) dargestellt. Der Punkt 1.3.1 umfasst die Erläuterung der verwendeten Methodologie (1.3.1.1) und das methodische Vorgehen (1.3.1.2), dabei werden auch die im Rahmen der wissenschaftlichen Mitarbeit am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen durchgeführte Projekte, die als gute Basis für die Erstellung der Dissertation genutzt werden konnten, vo rgestellt. Im zweiten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen für die Dissertation gelegt und die Thematik des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien in diesen Zusammenhang eingeordnet. Dieses Kapitel unterteilt sich gemäss der Einleitung 27 Zielsetzung, zwei unterschiedliche Disziplinen miteinander zu kombinieren, in zwei Abschnitte. Zum einen werden unter 2.1 die Grundlagen des Medien- und Kommunikationsmanagement vorgestellt und zum anderen werden die für die Forschungsfrage relevanten grundlegenden Konzepte des Marketing (2.2) betrachtet. Nach der Darstellung der Grundlage des Medien- und Kommunikationsmanagement unter 2.1.1 wird dabei zunächst der Medienbegriff und das Medienmodell nach Schmid (2.1.2) eingeführt und erläutert. Das Konzept und die Ideen des Medienmodell stellen dabei die Basis für die vorliegenden Arbeit dar. Als eine Ausprägung der Medien werden anschliessend unter 2.1.3 die Geschäftsmedien (Business Media) beschrieben. Im Rahmen der Dissertation sind insbesondere die Geschäftsmedien von Interesse, da sich die Fragestellung der Gestaltung der Kundenbeziehung hauptsächlich auf diese neuen Geschäftsmedien bezieht. Das Medien-Referenzmodell für Business Media (2.1.4) bildet für diesen Abschnitt ein Bezugs- und Ordnungsrahmen für die Gestaltung solcher Geschäftsmedien. Abschliessend werden unter 2.1.5 verschiedene Kategorien elektronischer Geschäftsbeziehungen beschrieben, um in diesem Zusammenhang die Dissertation in die entsprechende Kategorien zu positionieren. Im zweiten Teil des zweiten Kapitels werden Grundlagen des Marketing (2.2), auf welchen die Dissertation aufbaut, beschrieben. Im einzelnen wird unter 2.2.1 zunächst kurz der aufgabenorientierte Ansatz nach Tomczak/Reinecke vorgestellt, um die vo rliegende Arbeit in diesen Ansatz einzuordnen. Darauffolgend wird der grundsätzliche Wandel vom transaktions- zum beziehungsorientierten Marketing (2.2.1) angesprochen. Anschliessend werden unter 2.2.3 verschiedene Definitionen vorgestellt und die Begriffe voneinander abgegrenzt, um eine semantische Basis und ein gemeinsames Verständnis der benutzten Begriffe und Konzepte zu schaffen. Im vierten Teil dieses Abschnittes (2.2.4) wird kurz auf theoretische Grundlagen der Kundenbeziehung eingegangen, um ein besseres Verständnis für das Konstrukt der Kundenbeziehung aufzubauen. Diese theoretischen Grundlagen stellen dabei auch eine Basis für die Identifikation der Determinanten der Kundenbindung dar. Unter 2.2.5 werden verschiedene Ansätze zur Beschreibung der Determinanten der Kundenbindung präsentiert, wobei die Determinanten der Kundenbindung nach Tomczak und Dittrich (2.2.5.5) ausführlich behandelt werden, da sie für die vorliegende Arbeit als relevante Grundlage zur Darstellung der Veränderung durch die neuen Medien angesehen werden. Im dritten Kapitel wird zunächst die Ausgangslage analysiert, um anschliessend aus dem Ergebnis Anforderungen an einen neuen Ansatz zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ableiten zu können. Im einzelnen werden dabei die Einflüsse auf das gesellschaftliche und insbesondere auf das wirtschaftliche Leben durch die neuen Medien in dem Verständnis, wie es in dem Grundlagenteil 28 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien vermitteln wurde, untersucht (3.1). Des weiteren we rden unter 3.2 die aus diesen Entwicklungen resultierende Besonderheiten für die Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Geschäftsmedien aufgezeigt. Abschliessend werden die vielfältigen Veränderungen des Kundenverhalten in und durch die neuen Geschäftsmedien betrachtet und analysiert (3.3). Als Antwort auf diese neuen Herausforderungen wird im vierten Kapitel ein neuer Ansatz des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien vorgestellt. Basierend auf den im dritten Kapitel beschriebenen Veränderungen werden dabei neue Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung (4.2) abgeleitet, die die Grundlage für die Entwicklung eines neuen Ansatzes bilden. Des weiteren wird innerhalb dieses Kapitels auf die Idee (4.1) und ebenso unter 4.3 auf eine Definition des neuen Ansatzes eingegangen. Insbesondere in der Definition wird eine Abgrenzung zu anderen Ansätzen vorgenommen. Anschliessend werden die Ziele, die mit dem neuen Ansatz verfolgt werden, erläutert (4.4). Abschliessend wird im Rahmen des vierten Kapitels, als Hauptinhalt der Dissertation, unter 4.5 ein Modell zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien vorgestellt. Dieses generische Modell setzt sich aus sieben sogenannten Building Blocks, die alle konkrete Massnahmen zur Gestaltung der Kundenbeziehung beinhalten, zusammen. Diese Building Blocks we rden auch anhand von Beispielen ausführlich erklärt. Ebenso werden die Abhängigkeiten, die zwischen den Building Blocks zu erkennen sind, aufgezeigt und besprochen, um damit der Komplexität des Konstruktes der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Rechnung zu tragen. Den Abschluss des vierten Kapitels bildet die die Darstellung der Zusammenhänge zwischen den Building Blocks des neuen Modells und den neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung (4.6), um somit den „logischen Kreis“ zu schliessen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der englische Ausdruck „Management of Customer Relationship in Business Media (MCR-BM)“ synonym mit dem Ausdruck Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien verwendet. Im fünften Kapitel wird das MCR-BM-Modell auf den Finanzdienstleistungsbereich in Form eines Business Case angewendet, um anhand der Konkretisierung eine Validierung des Ansatzes zu ermöglichen. Der Business Case ist dabei folgendermassen aufgebaut: nach einer Begriffsabgrenzung wird einleitend die Entwicklung dieser Branche aufgezeigt, anschliessend werden kurz die sich ergebenden Herausforderungen durch die neuen Medien aufgezeigt, um abschliessend die im Modell allgemein vorgestellten Massnahmen gemäss der Anforderungen des Finanzdienstleistungssektors zu konkretisieren. Dieser Abschnitt enthält des weiteren die Ergebnisse der durchgeführten empi- Theoretische Grundlagen 29 rischen Untersuchung zum Thema „E-Business und CRM im Schweizer Finanzdienstleistungssektor“. Im abschliessenden sechsten Kapitel werden die Kernaussagen der vorliegenden Arbeit zusammengefasst und zusätzlich ein Ausblick auf die mögliche weitere Entwicklung der Thematik gegeben. 2 Theoretische Grundlagen Dieses Kapitel unterteilt sich in zwei Abschnitte. Zum einen werden unter 2.1 die Grundlagen des Medien- und Kommunikationsmanagement vorgestellt und zum anderen werden die für die Dissertation relevanten Konzepte aus dem Gebiet des Marketing zum Thema Kundenbindung (2.2) erörtert. Damit soll ein grundsätzliches Verständnis dieser beiden „Äste“ ermöglicht werden, um so eine Basis für eine sinnvolle Verknüpfung dieser Ansätze zu legen. Des weiteren werden in diesem Kapitel die Thematik der Dissertation in einen Zusammenhang mit den jeweiligen Konzepten gebracht und in die relevanten Ansätze eingeordnet. Folglich bilden diese Konzepte und Rahmenmodelle die Grundlage für die in der Dissertation behandelten Problemstellungen. 2.1 Grundlagen des Medien- und Kommunikationsmanagement Im folgenden Abschnitt (2.1.1) wird zunächst das Medien- und Kommunikationsmanagement einführend beschrieben. Anschliessend werden der Medienbegriff und das entsprechende Medienmodell nach Schmid ausführlicher dargestellt (2.1.2). Eine Ausprägung dieser Medien stellen die sogenannten Geschäftsmedien (Business Media) dar, die unter 2.1.3 erläutert werden. Im Rahmen der Dissertation wird auf diese Medien fokussiert. Zur Gestaltung und Strukturierung dieser neuen Medien wurde am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement ein Medien-Referenzmodell für Business Media entwickelt, das unter 2.1.4 vorgestellt wird. Abschliessend wird in diesem Abschnitt eine Kategorisierung von elektronischen Geschäftsbeziehungen vo rgenommen, um die Dissertation in diesem Zusammenhang einzuordnen (2.1.5). 2.1.1 Medien- und Kommunikationsmanagement Das Medien- und Kommunikationsmanagement beschäftigt sich mit dem Management von Medien- und Kommunikationsbeziehungen. Der Definition des Begriffs Management nach (Ulrich, 1984) folgend, befasst sich das Medien- und Kommunikationsmanagement demgemäss mit der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Kommunikationsbeziehungen zwischen einer Instanz und ihren Partnerinstanzen (Schmid, 1997) 30 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien (S.1). Diese Beziehungen können nach den beteiligten Kommunikationspartnern in Aussen- und Innenbeziehungen unterteilt werden. Die Innenbeziehungen richten sich auf die Kommunikation innerhalb einer Organisation und ihrer Beteiligten. Das Management der innerbetrieblichen Kommunikation wird in letzter Zeit immer stärker in seiner konstitutiven Bedeutung erkannt, da es neben der Gestaltung der internen Kommunikationsprozesse auch ein Management von Wert- und Symbolsystemen umfasst, die einen Austausch von Informationen unter den Mitgliedern der Organisation teilweise überhaupt erst ermöglichen (Schmid, 1997) (S.13). Die Aussenbeziehung beziehen sich im Gegensatz dazu auf das Management der Kommunikationsbeziehungen zu Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern und zu Staat und Gesellschaft. Insofern ergibt sich an dieser Stelle eine Überschneidung zu ve rschiedenen anderen Disziplinen, wie zum Beispiel dem Marketing, da die Kommunikation von Firmenleistungen ebenso in den Bereich der Aussenbeziehungen fällt. Auch hier ist es Ziel des entsprechenden Medien- und Kommunikationsmanagement eine gemeinsame „Wert- und Symbolwelt“ mit Hilfe des passenden Mediums bzw. der passenden Medien zu etablieren, um Kommunikation zwischen den beteiligten Partnern zu ermöglichen. Die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung dieser Beziehungen hat dabei im Verlaufe der Entwicklung der Managementlehre eine immer stärkere Bedeutung erfahren (Schmid, 1997) (S.5). Die Gestaltung der Kommunikationsbeziehung zu den Kunden stellt dabei einen wesentlichen Bestandteil des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien dar und lässt sich demzufolge in diese Art der Kommunikationsbeziehungen einordnen, wie folgende Abbildung verdeutlichen soll. 31 Theoretische Grundlagen Management der Kundenbeziehung E Kunden E Lieferanten E E Organisation E = Employee Innerbetriebliche Kommunikationsbeziehungen Wettbewerber Staat/ Gesellschaft Ausserbetriebliche Kommunikationsbeziehungen Abbildung 2-1: Einordnung des Management der Kundenbeziehung in das Medienund Kommunikationsmanagement Kommunikation wird dabei als ein „Akt des Austausches“ verstanden. Der Austausch erfolgt dabei über ein Medium, das beiden Kommunikationspartnern zugänglich sein muss (Schmid, 1997) (S.10). Auch andere Autoren sehen in der Kommunikation einen wichtigen Prozess, der als wesentlicher Bestandteil des wirtschaftlichen Handels angesehen werden kann. So definieren (Picot & Röntgen, 1993) (S. 1142) Kommunikation als „Prozess der Informationsübertragung zwischen zwei Stellen. Kommunikation ist von zentraler Bedeutung für die Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen und somit auch für jedes wirtschaftliche Handeln. Die ökonomischen Prozesse erfolgen heute fast alle arbeitsteilig. Sie erfordern somit eine Koordination, die wiederum auch einen Informationsaustausch unter den Beteiligten, also Kommunikation, unerlässlich macht.“ Grundsätzlich kann in der Kommunikation neben der Unterteilung in Innen- und Aussenbeziehungen auch nach zwei weiteren Gesichtspunkten unterschieden werden: Zum einen in die eher nachrichtentechnisch orientierte Kommunikation und zum anderen in die soziale Kommunikation (Staehle, 1999) (S. 300). Das Grundmodell der technischen Kommunikation kommt von (Shannon & Weaver, 1949). In ihren Augen ist es die Aufgabe der Informations- und Kommunikationstheo- 32 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien rie, die Probleme der Information und Informationsübermittlung quantitativ zu erfassen und strukturell darzustellen. Soziale Kommunikation meint dagegen die Verständigung zwischen verschiedenen Personen (Gabler, 1997). Dies umfasst den zwischenmenschlichen Austausch von Mitteilungen, Gedanken und Gefühlen (auch nichtverbaler Art), sowie Fähigkeit von Menschen, in Gruppen soziale Beziehungen aufzubauen (Staehle, 1999) (S.301). Nach einer starken Betonung der nachrichtentechnischen Sichtweise der Kommunikation in den 60er Jahren (vgl. z.B. (Steinbruch, 1965)), die zu einer Betrachtung der ganzen Unternehmung als informationelles System führte, hat sich der Fokus in der neueren Zeit geändert. Unter dem Einfluss der neueren sozialwissenschaftlichen Literatur (vgl. (Fittkau, 1983); (Wahren, 1987)) ist die Analyse der sozialen Kommunikation auch für die Managementlehre entdeckt worden. Dabei beziehen sich die meisten Autoren auf die grundlegenden Arbeiten von (Watzlawik et al. 1985). Sie unterscheiden bei der sozialen Kommunikation zwischen einem Inhalts- und einem Beziehungsaspekt. Während der erste Aspekt eher auf den Austausch der Daten, also den zu kommunizierenden Inhalt abhebt, adressiert der zweite Aspekte eher die Art und Weise der Kommunikation, also wie kommuniziert wird. Ausgetauscht werden dabei Mitteilungen, d.h. die Kommunikationspartner teilen etwas miteinander bzw. haben etwas gemeinsam. Daher leitet sich auch der Begriff der Kommunikation aus dem lateinischen Communis = gemeins am ab. Das Gemeinsame ist zunächst der Inhalt der Mitteilung. Auch Wahren unterstreicht den gemeinsamkeitsbildenden Faktor, in dem er den Zweck der Kommunikation wie folgt beschreibt : „Der Zweck des Redens ist nicht die Kommunikation von Informationen, wi e die dabei gebrauchten Symbole nahe zulegen zu scheinen ... , sondern die Herstellung von Gemeinsamkeiten.“ (Wahren, 1987) (S. 68) Zur Beschreibung des Management der Kommunikation wird auf eine Definition von Schmid zurückgegriffen. In dieser Definition wird die Aufgabe des Kommunikationsmanagement explizit um die Darstellung einer Nutzenkomponente erweitert. „Das Kommunikationsmanagement ist eine Funktion, welche die umfassende und systematische Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der Austauschbeziehungen der Organisation mit all ihren Stakeholdern zum Gegenstand hat. Sie muss diese Beziehungen unter Nutzung des internen und externen Wissens, der internen und externen Leistungen im Sinne der Ziele der Organisation so gestalten, dass der Nutzen der Stakeholder maximiert wird. Dabei sind alle Gestaltungsparameter der Kommunikations- Theoretische Grundlagen 33 beziehungen zu berücksichtigen (Partner, Inhalt, Design, Medium, Prozesse). Die Inhalte umfassen Information und Werte.“ (Schmid, 1997) (S.15). Insbesondere das Medium im Schmid’schen Sinne, das unter 2.1.2 genauer erläutert wird, stellt nach dieser Definition für die Kommunikation eine wesentliche Komponente dar. Das Medienmanagement als Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der Medien zur Entwicklung von Kommunikationsräumen, ergibt sich insofern als weiteres Forschungsfeld im Medien- und Kommunikationsmanagement. „Das Medienmanagement muss auf der Basis einer integralen Betrachtung der Austauschbeziehungen für Information und für Güter und Leistungen eine systematische Gestaltung und Pflege der Medien als Kommunikationsräume leisten, die im zwischen- und überbetrieblichen Bereich sowie innerbetrieblich benötigt werden. Es geht dabei von den Gemeinschaften aus, welchen sie als Trägermedien dienen sollen.“ (Schmid, 1997) (S.17). Das Medienmanagement umfasst neben der Gestaltung der Kommunikationskanäle also auch die mediengerechte Mitgestaltung der Semantik, so dass gemeinsame Räume der inner- und ausserorganisationalen Kommunikation entstehen. Dabei ist die Semantik auch an der entsprechende Gemeinschaft auszurichten, in der die Kommunikation stattfinden soll. Als weiteres Forschungsfeld innerhalb des Medien- und Kommunikationsmanagement kann das Management der Medienwirtschaft (vgl. (Küng et al. 1999)) angesehen we rden. Im Rahmen der Dissertation wird dieser Bereich allerdings nicht weiter vertieft. Wie schon angedeutet, soll im folgenden der Medienbegriff und das entsprechende Medienmodell nach Schmid ausführlicher erläutert werden. 2.1.2 Medienbegriff und Medienmodell nach Schmid Das für alle Arbeiten am mcminstitute zu Grunde liegende Konzept ist das von Schmid entwickelte Medienkonzept, das im folgenden erläutert werden soll. Ein Medium wird - im Sinne von Schmid - verstanden als eine Sphäre, bestehend aus einer Gemeinschaft von verteilten autonomen Agenten, einem Multiagentensystem und der Plattform, über welche die Agenten kommunizieren, interagieren und allgemein Information oder andere Objekte, wie Güter und Leistungen, austauschen können (s. Abbildung 2-2) (Schmid, 1997) (Lechner et al. 1999) (Lechner & Schmid, 1999). 34 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Medium Agenten Medium Kommunikation Objekt Abbildung 2-2: Medium als Sphäre von Agenten17 Diese Agenten teilen eine gemeinsame Sprache und Welt, d. h. einen gemeinsamen logischen Raum (Lechner, 1999). Agenten umfassen gemäss der Schmid'schen Medientheorie Menschen, Unternehmen und Softwareagenten gleichermassen (Schubert, 1999). Agenten sind somit Stellvertreter von künstlichen und natürlichen wissensverarbeitenden Entitäten und besitzen die Fähigkeit, Wissen zu speichern, zu verarbeiten und entsprechend ihrem Wissen zu reagieren und zu handeln (Lechner et al. 1998). Sie sind die Hauptakteure der Austauschplattformen und interagieren untereinander. Agenten verfolgen dabei gemeinsame oder komplementäre Interessen und teilen, als Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation und Interaktion, ein gemeinsames Bild von der Welt, eine gemeinsame Sprache sowie ein gemeinsames Regelwerk. Schmid versteht danach „das Medium als einen die Gemeinschaft konstituierenden Raum“ (Schmid, 1999) (S.19). Ein Medium setzt sich dabei aus den folgenden drei Komponenten zusammen (Schmid, 1997);(Schmid, 1999): ?? Kanäle (C): Der Begriff stammt ursprünglich aus der Nachrichtentechnik und entspricht dem herkömmlichen Verständnis von einem Trägermedium. Ein Trägermedium muss in der Lage sein, die zu übermittelnden Informationen aufzunehmen und weiterzuleiten. Im Zusammenhang mit dem Medienkonzept soll ein System von Verbindungen zwischen Agenten, das den Austausch und den Transport von Informationen über Raum und Zeit ermöglicht, als Kanal bezeichnet werden. Beispiele für Kanäle können Übertragungsverbindungen für die Kommunikation in verteilten Systemen, wie z.B. dem Internet sein. Ebenso können physische Objekte wie Papier als Kanal angesehen we rden. 17 Quelle: (Lechner, Schmid, et al. 1999) (S.4) Theoretische Grundlagen 35 ?? Logischer Raum (L): Wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Kommunikation zwischen den Agenten ist eine gemeinsame, allseits akzeptierte und verstandene Syntax und Semantik der ausgetauschten Informationen. Sowohl Sender als auch Empfänger, repräsentiert durch die Agenten in dem logischen Raum, müssen in der Lage sein, die übermittelten Botschaften in der Art zu interpretieren, so dass sie mit der Intention des Senders kompatibel sind, d.h. ein gemeinsames Verständnis der verwendeten Begriffe vorhanden ist. Die ausgetauschten Inhalte werden durch die Syntax und die Semantik einer Strukturierung unterworfen, die allen Beteiligten bekannt sein muss bzw. bekannt gemacht werden muss. Dieser Prozess des Erlernens der gemeinsamen Syntax und Semantik kann teilweise eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, wie zum Beispiel das Erlernen einer fremden Sprache zeigt. Die Syntax ist dabei unter anderem verantwortlich für den Aufbau, d. h. die Grammatik der für die Beschreibung der Informationsobjekte verwendeten Sprache. Weitere syntaktische Regeln finden ihren Ausdruck beispielsweise in der Schrift (z.B. müsste kyrillisch erlernt werden, wenn Russisch gelernt werden soll) oder dem Dokumentenlayout. Die Semantik hat die Aufgabe, den Bezug der einzelnen, nach den Regeln der Syntax gebildeten „Begriffe“ zur realen Welt darzustellen, um so eine übereinstimmende Interpretation der Informationen bei den Agenten zu ermöglichen. Mit Hilfe der Semantik werden gemeinsame Welten und gemeinsame Wertvorstellungen für die Agenten geschaffen. Sollen die Agenten autonom und zielgerichtet im beschriebenen Medium agieren können, ist es notwendig, neben den ausgetauschten Informationen auch das Agentensystem selbst formal zu beschreiben. Dies ermöglicht es, den Agenten über das System zu räsonieren, sich gemäss der festgelegten Regeln zu verhalten und mit anderen Agenten Informationen auszutauschen. ?? Die Organisation (O): Die Gestaltung der Organisationskomponente eines Mediums unterteilt sich in die Beschreibung der Rollen und in die Darstellung der Abläufe innerhalb des Mediums. Bei der Beschreibung der Rollen werden die Rechte und Pflichten der beteiligten Agenten gemäss ihren Fähigkeiten, ihren Wünschen und Zielvorstellungen festgelegt. Neben Käufern und Verkäufern, die als primäre Agenten bezeichnet werden können, können ebenso auch andere Akteure auftreten, die durch ein jeweils spezifisches Aufgabenprofil beschrieben werden. Diese sogenannten sekundären Agenten können z.B. Intermediäre, Vertrauensdienste oder sonstige Dienstleister sein (Schubert, 1999). Diese Aufgabenprofile werden im Zusammenhang mit dem Medienmodell als Rollen verstanden, so dass zu einer Gestaltung eines Mediums somit auch ein System von aufeinander abgestimmten Rollen notwendig ist. Die Beschreibung der Rollen kann folglich auch als Aufbauorganisation eines Mediums verstanden werden. Das Design der Ablauforganisation wird hingegen im Rahmen der Protokolle geregelt. Diese Protokolle beschrei- 36 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ben zum einen die Abläufe, die für eine erfolgreiche Kommunikation zwischen den Agenten notwendig sind. Zum anderen beinhalten die Protokolle auch die Darstellung allgemeiner Regeln, die für die Interaktion zwischen den Agenten notwendig sind und somit das Funktionieren einer Gemeinschaft überhaupt erst möglich machen. Zusammenfassend kann man also ein Medium, gemäss der Bestandteile Kanalsystem (C), Logischer Raum (L) und Organisation (O), definieren als: Medium = C+L+O Dieser Begriff des Mediums beschreibt also nicht mehr – wie im traditionellen Medienbegriff – einen Träger von Informationen, sondern beschreibt vielmehr ein Konzept, wie Informationsobjekte beschrieben, strukturiert und der Austausch dieser zwischen unabhängigen Agenten gestaltet werden kann (Lechner et al. 1998). Logischer Raum Rollen, Protokolle Im p l e m e n t a t i o n Kanäle Aufbauorganisation Ablauforganisation (Kodierung, Prozesse) Kanalsystem Abbildung 2-3: Architektur eines Mediums 18 Das Medienkonzept stellt dabei, wie die Architektur des Mediums zeigt, in dreierlei Hinsicht einen ganzheitlichen Ansatz dar: Erstens betrachtet es technische zur Interaktions- und Kommunikationsplattform gehörende Aspekte (Kanäle). Zweitens werden organisatorische, die Gemeinschaft und deren Ablauf- und Aufbauorganisation betreffende Gesichtspunkte (Organisation) behandelt und drittens werden für die Interaktion 18 Quelle: (Schmid, 1999) (S.34) Theoretische Grundlagen 37 notwendige Fragestellungen, wie die Gestaltung eines logischen Raumes zur Schaffung einer gemeinsamen Syntax und Semantik besprochen. Als weitere Besonderheit des Konzeptes kann genannt werden, dass die Gemeinschaft der Agenten als Ganzes und nicht wie in den meisten bisherigen Ansätzen nur ein Unternehmen isoliert betrachtet wird. Diese Sichtweise wird insbesondere durch die sich bildenden offenen und verteilten Systeme, die steigende Spezialisierung der einzelnen Leistungsanbieter und der daraus folgenden gegenseitigen Abhängigkeit zwischen komplementären Anbietern innerhalb dieser Gemeinschaft unerlässlich. Allerdings soll an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, dass der Begriff des Mediums bzw. der Medien in der betriebswirtschaftlichen Literatur teilweise auch in anderer Form genutzt wird. Im folgenden soll kurz ein Überblick zu verschiedenen Definitionen des Begriffs gegeben werden, um auch andere Sichtweisen darzustellen. Nach (Gabler, 1997) (S. 2581) wird ein Medium als „Einrichtung zur Übertragung von Informationen, Meinungen, etc.“ bezeichnet. Gemeint sind damit insbesondere Funk, Fernsehen und Presse im Sinne von Kommunikationskanälen. In diesem Zusammenhang ist der Plural des Begriffs Medium, Media oder Medien, insbesondere in der Betriebswirtschaftslehre von Bedeutung. Media werden dabei nach (Gabler, 1997) (S. 2578) verstanden als „Werbeträger, d.h. alle Personen oder Dinge, die Werbemittel unter dem Vorgang der Streuung an Zielpersonen (Werbesubjekte, Zielgruppe) herantragen und kommunikative Mittler zwischen Anbietern und Nachfragern sind. Media sind diejenigen Institutionen, die Werbebotschaften der Werbetreibende verbreiten.“ (Picot & Röntgen, 1993) (S. 1436) definieren Medien als „Mittel der Massenkommunikation, wobei zwischen Presse, Funk und Fernsehen unterschieden wird. Als Instrumente für die Informationsübetragung sind sie für die Werbung von Unternehmungen bzw. Organisationen von besonderer Bedeutung. ... In einem weiteren Sinne bezeichnen Medien alle zur Speicherung und Übertragung von Informationen geeigneten Einrichtungen. So wären in diesem Sinne ein Kabel ein Medium zur Übertragung nachrichtentechnischer Signale, der Kommunikationsdienst Teletex ein Medium zur Individualkommunikation und die Bildplatte ein Medium zur Datenspeicherung.“ Im Kontext des Begriffs Medium wird auch häufig das Wort Massenmedien verwe ndet. Massenmedien werden dabei verstanden als „Möglichkeiten der Produktion und Darstellung von Mitteilungen, ihrer Speicherung, Vervielfältigung und Verbreitung an eine Vielzahl anonymer Rezipienten.“ (Gabler, 1997) (S. 2567). Als frühstes Medium wird hier die Schrift gesehen, die eine visuelle Speicherung und Darstellung von Information ermöglicht. 38 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Die mit dem Schlagwort „Neue Medien“ versehenen Kommunikationssysteme sind nach (Schmalen, 1992) (S. 21) „allesamt Weiterentwicklungen bereits vorhandener Kommunikationssysteme: Bildschirmtextsystem, Satelliten- und Kabelfernsehen sowie Videorecorder und Bildplatte.“ Allerdings räumt auch er ein, dass die Botschafts- und Bildschirmeinsatz-Vielfalt stark erweitert wird und damit auch erstmalig eine zweiseitige Kommunikation zwischen einem Kommunikator und einem Rezipienten möglich wird. (Kotler & Bliemel, 1999) (S. 999) sehen für die Entwicklung im Medienbereich ebenso, dass sich „zwischen dem Werbetreibenden und dem Kunden mediale Dialogmöglichkeiten eröffnen.“ Sie fassen allerdings den Begriff der neuen Medien etwas weiter, indem in ihren Augen „elektronische Kommunikationsdienste (Online-Dienste, Internet), Bildübertragungsdienste und Faxabruf, Videotext und Videokonferenzen“ noch dazuzählen. Grundsätzlich sind sie der Meinung, dass sich „die technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen für den Einsatz der neuen Medien zur effizienten Kommunikation zwischen Kunde und Werbetreibendem in grösserem Umfang verbessern werden.“ (Kotler & Bliemel, 1999) (S. 999). Diese Erläuterungen verdeutlichen, dass der Medienbegriff nach Schmid, wie er bereits vorgestellt wurde, eine im Verhältnis weitreichendere Bedeutung hat und nur in einigen Punkten mit dem traditionellen Medienbegriff Parallelen aufzeigt. Im Rahmen der Dissertation wird aus diesem und den weiter oben beschriebenen Gründen der Medienbegriff und das entsprechende Konzept nach Schmid verwendet. Der Begriff des Mediums lässt sich dabei unterteilen in die sogenannten Wissensmedien (Knowledge Media) und in die Geschäftsmedien (Business Media). Wissensmedien werden dabei verstanden als Ganzheiten, bestehend aus verteilten Informationsbeständen und Kommunikationsmedien, die in Wechselwirkung mit der sie nutzenden und neue Information produzierenden Population von Agenten stehen. In Wissensmedien werden nicht nur Datenträger, sondern auch Wissen selbst ausgetauscht (Glossar NetAcademy, 2000). Geschäftsmedien hingegen beschreiben den Austausch von Gütern. Die beiden Medien unterscheiden sich also hauptsächlich in der Art der ausgetauschten Objekte. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konzentriert sich die zu behandelnde Thematik des Managements der Kundenbeziehung auf die Geschäftsmedien. Im folgenden Abschnitt werden daher die Geschäftsmedien näher vorgestellt. Theoretische Grundlagen 39 2.1.3 Geschäftsmedien (Business Media) Medien als Basis der wirtschaftlichen Leistungserstellung werden als Geschäftsmedien bezeichnet. (Schmid & Zimmermann, 1998) (S.6f.) Diese Medien bilden die Grundlage für das Produzieren und den Austausch von Werten zwischen beliebigen Teilnehmern – repräsentiert durch Agenten. Ihr Zweck besteht hauptsächlich darin, als Austauschplattform für Güter und Leistungen, genauer gesagt für diejenigen Informationen, die Güter und Leistungen beschreiben, zur Verfügung zu stehen und die notwendigen Interaktionsprozesse zu unterstützen. Diese neuen Geschäftsme dien können als elektronische Austauschplattformen ve rstanden werden, die Anbieter und Nachfrager unabhängig von Ort und Zeit zusammenbringen. Als Beispiele für Geschäftsmedien können unter anderen elektronische Marktplätze, Electronic Malls, Intermediäre und auch geschlossene B-to-BAnwendungen verstanden werden. In Analogie zur oben vorgestellten Definition, sind die Komponenten eines Mediums auf die Erfüllung dieses Zweckes ausgerichtet. Die Kanäle haben die Aufgabe, die kommunikatorische Grundlage für die Austauschbeziehungen zwischen den beteiligten Agenten zu etablieren. Die für die Interaktion benötigten Informationen müssen von diesen Kanälen aufgenommen und weitergeleitet werden. Ebenso muss die Gestaltung des logischen Raumes eines Geschäftsmediums den Bedürfnissen einer wirtschaftlichen Leistungserstellung angepasst sein. Betrachtet man die Kommunikation zwischen Agenten als wesentliche Voraussetzung der Leistungserstellung, so ist es unabdingbar, dass ein gemeinsamer, allseits akzeptierter und ve rstandener Code (hier verstanden als Syntax und Semantik) innerhalb des Mediums definiert und allen Agenten zugänglich gemacht wird. Electronic Data Interchange (auf der Basis von EDIFACT oder ANSI X.12) kann als ein Beispiel für einen derartigen logischen Raum, wie er im Bereich der Geschäftsmedien vorkommt, genannt we rden. Die Syntax der ausgetauschten Geschäftsdokumente wird in diesem Fall durch den Standard für den Electronic Data Interchange (EDI) definiert. Dieser Standard ist allen Teilnehmern bekannt, so dass ein Austausch problemlos vollzogen werden kann (Schubert, 1999). Weitere Voraussetzung für reibungslose Interaktionen im Sinne eines Geschäftsmediums ist die Beschreibung der Rollen der Agenten und der auf Protokollen basierenden notwendigen Prozesse der Leistungserstellung. Insbesondere in Geschäftsmedien ist des weiteren die Festlegung allgemein gültiger Regeln ein wesentlicher Bestandteil für den Austausch von Gütern, da mit Hilfe der Regeln ein Vertrauensrahmen gesteckt werden kann, der zur Reduktion einer möglichen Unsicherheit der Agenten (in diesem Fall sind hauptsächlich menschliche Agenten gemeint) beitragen kann. Wären diese 40 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Regeln und Möglichkeiten zur Sicherstellung der Einhaltung dieser Regeln zum Beispiel in Form von Sanktionen nicht gegeben, ist es fraglich, ob ein Austausch von Gütern zwischen Agenten überhaupt stattfinden würde. Durch das so gestaltete Medium ist die Bildung einer Geschäftsgemeinschaft, bestehend aus verschiedenen Agenten, die ein ökonomisch motiviertes, gemeinsames Interesse an der Erstellung einer wirtschaftlichen Leistung, möglich (Zimmermann, 1998). Demnach ergibt sich folgende Definition für eine solche Gemeinschaft in den neuen Geschäftsmedien: „Geschäftsgemeinschaften (Business Communities) verfolgen gemeinsame wirtschaftliche Ziele (motiviert durch ein finanzielles Interesse) zur Erstellung und zum Austausch von Gütern und Dienstleistungen. [...] Mitglieder können sowohl Individuen als auch Organisationen umfassen. Sie haben typischerweise ein Reihe differenzierter, komplexer Rollen (z. B. Anbieter – Nachfrager, Zulieferer – Abnehmer, Ei nzelhändler – privater Endkunde) [inne].“ (Schubert, 1999) (S.34) Die sich aus den Geschäftsgemeinschaften ableitenden Bedürfnisse stellen wiederum die Spezifikationen an die Gestaltung des Mediums dar, so dass sich starke Interdependenzen zwischen dem Medium und der es nutzenden Gemeinschaft ergeben. Innerhalb dieser Business Communities ergeben sich unterschiedliche Kategorien von Geschäftsbeziehungen, die unter 2.1.5 näher erläutert werden. Zunächst allerdings wird ein Ordnungsrahmen für die Geschäftsmedien, das Medien-Referenzmodell für Business Media, vorgestellt. Im folgenden wird der Begriff Geschäftsmedien synonym zu dem englischen Begriff Business Media genutzt. 2.1.4 Medien-Referenzmodell für Business Media Nachdem im vorherigen Abschnitt die Geschäftsmedien, als eine mögliche Ausprägung der Medien, vorgestellt worden sind, soll nun ein Ordnungsrahmen (Framework) für den Aufbau und die Entwicklung der Geschäftsmedien aufgezeigt werden. Mit Hilfe dieses Modells sollen sowohl die Analyse als auch der Aufbau neuer Geschäftsmedien und das Redesign bestehender Geschäftsmedien konzeptionell unterstützt werden (Schmid, 1999) (Lindemann & Schmid, 1997) (Schmid & Zimmermann, 1998). Zusätzlich dient dieses Modell als eine Art „Landkarte“, in welche bestehende Systeme und Dienste eingeordnet werden können, um so Lücken bei der Gestaltung von Geschäftsmedien aufzeigen zu können. Somit werden auch Anforderungen an operative Systeme gestellt und Aussagen für die zukünftige einheitliche Gestaltung und Architektur der neuen Geschäftsmedien getroffen (Runge, 1999). 41 Theoretische Grundlagen Dieses Modell wurde im Verlauf der letzten Jahre am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement ständig weiterentwickelt. Entsprechend der unterschiedlichen Entwicklungsstufen haben sich verschiedene Begriffe für diesen Ordnungsrahmen ergeben, so dass sich der Name von ‚Referenzmodell Elektronische Märkte‘ (RM-EM) (Schmid & Lindemann, 1997); (Schmid & Lindemann, 1998) über ‚Business Media Framework‘ (BM-Framework) (Schmid & Zimmermann, 1998); (Zimmermann, 1998) hin zu dem jetzt gültigen Begriff: ‚Medien-Referenzmodell für Business Media‘ (MRM für BM) (Schmid, 1999) veränderte. Im Medien-Referenzmodell für Business Media werden technische, kommunikative, geschäftliche und strategische Aspekte miteinander verbunden, so dass man von einem ganzheitlichen Ansatz sprechen kann. Das Modell besteht aus vier weiter unten zu beschreibenden Phasen der Geschäftstransaktion – Wissens-, Absichts-, Vereinbarungs- und Abwicklungsphase – welche auf der horizontalen Achsen angeordnet sind. In der Vertikalen werden die Geschäftsmedien aus vier verschiedene Sichten betrachtet, die ebenso im folgenden näher erläutert werden. Nachstehende Abbildung gibt einen Überblick über das MedienReferenzmodell für Business Media. Gemeinschaftssicht Geschäftsgemeinschaft (Rollen, Protokolle) Implementierungssicht Prozesse Transaktionssicht Information Infrastruktursicht Planung Kontrakte erstellen Abwicklung IKT- und Transaktionsinfrastruktur Wissen Absicht Vereinbarung Abwicklung Abbildung 2-4: Medien-Referenzmodell für Business Media19 Im folgenden werden zuerst die Sichten und dann die verschiedenen Phasen beschrieben. 42 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien In der Geschäfts- bzw. Gemeinschaftssicht wird zunächst die Geschäftsgemeinschaft (Business Community) und die in ihr aktiven Agenten und ihre entsprechenden Rollen und Aufgaben definiert. „Die Agenten dieser Business Community teilen ein gemeinsames, wirtschaftlich motiviertes Interesse und sie kommunizieren in einem gemeinsamen semantischen Raum miteinander.“ (Zimmermann, 1998) (S.7). Hier werden neben der gemeinsamen Sprache und der gemeinsamen Wertvorstellungen, die langfristigen und strategischen Ziele der Business Community festgelegt. Dies beinhaltet unter anderem auch die Festlegung der Geschäftspolitik und der Geschäftsstrategie, z.B. in Form eines Geschäftsplans. Anhand dieser Parameter werden die Anforderungen an das als Austauschplattform verwendete Medium bestimmt. Zur weiteren Organisation der Kommunikation zwischen den Agenten werden Rollen (Anforderungen an Agenten, Rechte und Pflichten von Agenten, z.B. Käufer und Verkäufer) verteilt und Protokolle (Beschreibung der Abläufe) modelliert. In der Gemeinschaftssicht sind somit die Normen und Spielregeln definiert, welche die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit des Mediums ermöglichen sollen. In der Implementierungssicht werden die Geschäftsprozesse zwischen den verschiedenen Agenten entlang des geplanten Wertschöpfungsprozesses definiert, indem die aufgestellten Beschreibungen der Abläufe (Protokolle) zu Prozessen konkretisiert werden. Diese Prozesse ermöglichen die Umsetzung, der in der Gemeinschaftssicht festgelegten Konzepte. Die Erfüllung der an die entsprechenden Agenten vergebenen Rollen wird mit Hilfe der Dienste aus der Transaktionssicht ermöglicht, so dass die konkretisierten Rollen implementiert werden können. Die konkrete Ausgestaltung dieser Dienste in der Transaktionssicht hängt vom jewe iligen Business Medium und dem damit verfolgten Zweck ab. Die Transaktionsdienste, die häufig modularen Charakter haben, können nach verschiedenen Transaktionsphasen untergliedert werden, so dass die konkrete Ausgestaltung dieser Dienste von der jeweiligen Phase abhängt. So ist zum Beispiel in der Abwicklungsphase in vielen Fällen ein Logistik-Dienst notwendig, um den Zweck der Geschäftsgemeinschaft erfüllen zu können. Wichtig bei diesen modularen, generischen Diensten („SteckdosenLösungen“) ist, dass sie untereinander abgestimmt sind, um einen konsistenten Ablauf der Transaktion durch die einzelnen Phasen zu unterstützen (Lindemann, 2000) (S.122). 19 Quelle: (Hoffmann, 2000) (S.83) Theoretische Grundlagen 43 In der untersten Sicht des Medien-Referenzmodells für Business Media, der Infrastruktursicht, werden schliesslich die für IT-Systeme notwendigen technischen Protokolle oder Standards, die für die Realisierung der Geschäftsprozesse aus technischer Sicht notwendig sind, bereitgestellt. In dieser Sicht werden die für die Umsetzung der generischen Dienste der Transaktionssicht benötigten Dienstleistungen zur Kommunikation angeboten und sämtliche relevanten Aspekte der Informations- und Kommunikationsstruktur eines Geschäftsmediums betrachtet. Nachdem die verschiedenen Sichten erläutert worden sind, soll nun auf die einzelnen Phasen innerhalb des Business Media Framework eingegangen werden. Die über die vier Sichten gelegten Phasen symbolisieren die zur Abwicklung einer Transaktion notwendigen logischen Schritte (Schmid, 1999). In der Wissensphase tauschen die Agenten relevante Informationen aus, wodurch sich ihr (Wissens-) Zustand verändert. Vorher allerdings muss sich der Agent über sein Bedürfnis, das er im Rahmen der Transaktion befriedigen möchte, im Klaren sein. Auch bei diesem Prozess kann dem informationsuchenden Agenten Hilfe angeboten werden. Beispiele für solche Dienste, die einen entsprechenden Service der Informationsve rsorgung bieten, sind heute schon im WWW zahlreich anzutreffen. Zu ihnen zählen unter anderem elektronische Kataloge, Werbung, Push- und Pulldienste sowie Intermediäre und Suchdienste (Schmid, 1999) (S.18). In Bezug auf das weiter oben beschriebene Medienmodell können hier die Intermediäre eine wichtige Aufgabe übernehmen, in dem sie einen gemeinsamen logischen Raum schaffen, so dass die angebotenen Informationen sowohl im semantischen als auch im syntaktischen Sinn für alle beteiligten Agenten gleichermassen verständlich sind (Schmid, 2000) (S.61). Ziel dieser Phase ist es demzufolge, die Marktteilnehmer bzw. die Agenten mit den notwendigen Informationen zu versorgen. In dieser Phase geht es um Informationen wie z.B. Preise, Produktspezifikationen oder rechtliche Fr agen. Die nachfolgende Absichtsphase beinhaltet auf Grund der gewonnen Informationen konkrete Tauschabsichten der Agenten. Diese werden in Form einer konkreten Nachfrage oder eines konkreten Angebots kund getan. In dieser Phase sind Verkaufsgespräche oder elektronische Produktkataloge als Instrumente zu nennen. Als Ergebnis resultieren Gebote in Form von Nachfragen oder Angeboten, die notwendige Daten zum Abschliessen eines elektronischen Kontraktes (z.B. die Identifikation des Käufers, Ort und Zeit der Lieferung etc.) beinhalten. Dabei unterscheidet sich allerdings die Unterstützung für die Anbieter- und Nachfragerseite erheblich. Bisher existieren zwar auf der Angebotsseite zahlreiche Softwareprodukte, allerdings wird die Beschreibung der Wünsche der Nachfrager bisher kaum unterstützt (Schmid, 1999) (S.20). 44 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien In der Vereinbarungsungsphase finden auf Grund der ausgetauschten Angebote die Verhandlungen statt, die im Erfolgsfall zum Vertrag führen. Dafür werden die detaillierten Vertragsbedingungen zwischen den Agenten verhandelt, formalisiert und festgehalten. Ziel dieser Phase ist es, gültige und sichere Verträge auf Basis der Dienste der Transaktionssicht zu erstellen. Wünschenswert ist dabei, dass die Umsetzung des konkreten Angebots als Ergebnis der Absichtsphase in möglichst automatischer und generischer Form in einen elektronischen Kontrakt überführt werden kann. Die Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit der Verträge könnte dabei z.B. durch Dienste von Trusted Third Parties gewährleistet werden. Die mögliche Automatisierung der Kontrakterstellung und die erstrebenswerte Reduktion der Unsicherheit hätten zur Folge, dass die Kosten der Vertragsaushandlung enorm sinken würden (Schmid, 1999) (S.20). Schliesslich werden in der Abwicklungsphase gemäss des verhandelten Kontraktes die vereinbarten Leistungen erbracht. Dies umschliesst neben anderen auch die Abwicklung der anfallenden Zahlungen ebenso wie die Gewährleistung der benötigten logistischen Leistungen. In den neuen Geschäftsmedien sind teilweise schon entsprechende Dienste vorhanden (Schmid, 2000) (S.63). Abschliessend kann festgehalten werden, dass das vorgestellte Medienkonzept und das erläuterte Medien-Referenzmodell für Business Media einen Bezugsrahmen für die Dissertation darstellt und für die Entwicklung des Modells des Management of Customer Relationship in Business Media (MCR-BM) eine gute Hilfestellung bietet. 2.1.5 Kategorisierung elektronischer Geschäftsbeziehungen Nachdem im vorherigen Kapitel unter anderem gezeigt wurde, wie eine Markttransaktion grundsätzlich nach dem zeitlichen Ablauf in vier verschiedene Phasen (Wissen, Absicht, Vereinbarung und Abwicklung) eingeteilt werden kann, wird nun eine weitere mögliche Art zur Einteilung von Transaktionen in elektronischen Medien vorgestellt. Wie weiter oben schon angedeutet, finden in Geschäftsgemeinschaften verschiedene Arten von Transaktion statt. Mögliche Klassifizierungen können dabei die Einteilung der Geschäftsbeziehungen nach Transaktionshäufigkeit, Markteintrittsverhältnis und -grösse, Güterart, Zutrittsmöglichkeiten und Trägerschaft der Transaktionsplattform sowie nach Art der Marktteilnehmer vorgenommen werden. Diese Aufzählung erhebt dabei allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere mögliche Ansätze der Klassifizierung werden in (Illik, 1999) (S.55ff.) beschrieben. Im folgenden soll nun exemplarisch die Einteilung der Geschäftsbeziehungen nach Transaktionspartner als eine Möglichkeit der Kategorisierung von elektronischen Ge- Theoretische Grundlagen 45 schäftsbeziehungen gezeigt werden, um im weiteren Verlauf das Thema der Dissertation in diesen Zusammenhang einzuordnen. Insgesamt finden sich in der Literatur fünf verschiedene Kategorien, die die Geschäftsbeziehungen nach der Art der beteiligten Marktteilnehmern darstellen ((Kalakota & Whinston, 1996); (Schubert, 1999); (Haertsch, 2000); (Hoffmann, 2000); (Booz-Allen & Hamilton, 1997)): 1. Consumer-to-Consumer (C-to-C) 2. Business-to-Consumer (B-to-C) 3. Business-to-Business (B-to-B) 4. Business-to-Employee (B-to-E) und Employee-to-Employee (E-to-E): zwischen Organisation und Mitarbeitern bzw. unter Mitarbeitern 5. Business-to-Administration (B-to-A) und Consumer-to-Administration (Cto-A) Folgende Abbildung gibt einen Überblick zu den vorgestellten Kategorien von elektronischen Geschäftsbeziehungen nach der Art der Transaktionspartner. 46 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Management der Kundenbeziehung B-to-C B-to-A Business Consumer C-to-C B-to-B Business Consumer Administration C-to-A Consumer B-to-E Employee Employee E-to-E Abbildung 2-5: Überblick der Klassifizierung nach Transaktionspartnern20 Im folgenden werden die verschiedenen Arten der Geschäftsbeziehungen kurz erläutert. Elektronische Geschäftsbeziehungen in der Kategorie „Consumer-to-Consumer“ sind durch Transaktionen zwischen Privatpersonen bzw. Privathaushalten untereinander gekennzeichnet. Als Beispiel können hier die Austauschplattformen wie e-Bay (www.ebay.com) genannt werden. Business-to-Consumer (B-to-C) beschreibt den ökonomisch motivierten Austausch zwischen einem Produzent oder Händler und einem Endkunden. Die Endkunden we rden dabei als private Endabnehmer, die die Produkte zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse erwerben, angesehen (Kotler, 1982) (S.136). Neben Privatpersonen und haushalten können aber auch Unternehmen Endkunden sein, wenn die bezogenen Produkte nicht direkt in die Produktion einfliessen. (Schubert, 1999) (S. 35 ff.) nimmt folglich innerhalb dieser Kategorie noch eine weitere Unterteilung vor, in dem sie den Business-to-Private (B-to-P) von dem Business-to-Consumer-Bereich abgrenzt. Unternehmungen als Endkunden sind somit aus dem Business-to-Private-Sektor ausgeschlossen. Im Rahmen dieser Arbeit wird allerdings der Business-to-ConsumerBereich in seiner weiteren Auslegung verwendet, d.h. mit den Unternehmungen als möglichen Endkunden. 20 in Anlehnung an (Haertsch, 2000) (S.31) und (European Commission, 1998) (S.3). Theoretische Grundlagen 47 Die Kategorie der elektronischen Geschäftsbeziehung, basierend auf der Transaktion zwischen Unternehmen (Business-to-Business), nimmt auf Grund verschiedener Umsatzprognosen (vgl. 1.1.2) in den neuen Geschäftsmedien eine bedeutende Position ein. Dieser Bereich umfasst dabei alle der Wertschöpfung dienenden Transaktionen, die zwische n Unternehmen ablaufen und die auf die Leistungserstellung bezogen sind. Neben Gütern können in diesem Zusammenhang auch Dienstleistungen als Transaktionsobjekte betrachtet werden, die ebenso einen Beitrag zur Wertschöpfung liefern. Mögliche Wertschöpfungsstufen sind in diesem Zusammenhang die Eingangs- und Ausgangslogistik, die Produktion, der Betrieb, das Marketing und der Vertrieb sowie die Wertschöpfungsstufe des Kundendienstes (Haertsch, 2000) (S.39). Diese Austauschprozesse zwischen Unternehmen werden häufig durch Computer-zu-ComputerKommunikation unterstützt (Kalakota & Whinston, 1996) (S.220). Als vierte Kategorie sind die intraorganisatorischen Geschäftsbeziehungen zu nennen. Es handelt sich dabei um Transaktionsprozesse, die zwischen einer Unternehmung und den entsprechenden Mitarbeitern (Business-to-Employee) vollzogen werden bzw. um den Austausch von Waren und Gütern zwischen den Mitarbeitern (Employee-toEmployee). Diese Transaktionen werden durch den Einsatz von Intranets, verstanden als Anwendung der Web- und Internettechnologie innerhalb eines Unternehmens zum Zweck des internen Austausches, stark unterstützt. Mit Hilfe des Intranets werden ve rschiedene Ziele, wie beispielsweise die Verbesserung der unternehmensinternen Kommunikation, Vereinfachung des Zugriffs auf relevante Informationen und auf bestehendes internes Wissen und die Verbesserung von Prozessen, verfolgt (Kalakota & Whinston, 1996); (Kambil 1997); (Keen & Ballance, 1997). Die fünfte Kategorie, Business-to-Administration bzw. Consumer-to-Administration, umfasst die elektronischen Geschäftsbeziehungen, die zwischen Unternehmen und staatlichen Institutionen bzw. zwischen Privatpersonen und staatlichen Institutionen vollzogen werden. Dieser Bereich befindet sich in den meisten Fällen allerdings erst im Aufbau (Haertsch, 2000). Nachdem die verschiedenen Kategorien vorgestellt worden sind, wird nun die Dissertation in diese Kategorien eingeordnet. Das Thema Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien bezieht sich im Rahmen dieser Arbeit hauptsächlich auf den Business-to-Consumer-Sektor, da sich in den Augen des Autors in diesem Bereich eine Vielzahl von interessanten Entwicklungsmöglichkeiten ergeben werden. Allerdings sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung insbesondere zwischen dem B-to-C und B-to-B-Bereich nicht mehr klar gezogen werden kann, so dass sich insbesondere aus Sicht der zu entwickelnden Massnahmen zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien eine Vi elzahl von Über- 48 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien schneidungen ergeben. Demzufolge könnten die entwickelten Massnahmen ebenso mit gewissen Modifikationen (Berücksichtigung von rechtlichen und marktlichen Faktoren) in dem Business-to-Administration bzw. Consumer-to-Administration-Bereich Anwendung finden, da die Bedürfnisse der Marktteilnehmer auch in diesen Bereichen nicht gross von den Wünschen der Transaktionspartner in anderen Bereichen abwe ichen. Beispiele im Rahmen dieser Arbeit beziehen sich aber hauptsächlich auf den Bto-C-Sektor. Die Dissertation lässt sich dementsprechend grundsätzlich unter den Gesichtspunkten des Medien- und Kommunikationsmanagement in die Gestaltung der aussenorganisatorischen Kommunikationsbeziehungen einordnen. Im Rahmen des Medienmodells wird bei dem Management der Kundenbeziehung auf die Geschäftsmedien, als eine Ausprägung der Medien fokussiert. Das vorgestellte Medien-Referenzmodell für Business Media bildet dabei eine gute Hilfestellung für die Entwicklung des Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien. Wie auch bereits gezeigt wurde, stehen bei der vorliegenden Arbeit die B-to-C-Geschäftsbeziehungen im Vordergrund. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird nun ebenso eine Einordnung der Thematik der Dissertation in das Marketing vo rgenommen. Zusätzlich werden in diesem Abschnitt die relevanten Konzepte des Marketing zum Thema Kundenbeziehungsmanagement vorgestellt, um so die weiteren theoretischen Grundlagen zu legen. 2.2 Grundlagen des Marketing Im folgenden Abschnitt werden die relevanten Grundlagen des Marketing vorgestellt und erläutert, um eine inhaltliche Basis für das weitere Vorgehen zu legen. Zu diesem Zweck wird zunächst kurz der aufgabenorientierte Ansatz nach (Tomczak & Reinecke 1996) als neue Perspektive für das Marketing-Management beschrieben (2.2.1). Die Thematik der Dissertation wird dabei in diesen Zusammenhang eingeordnet. Unter 2.2.2 wird die wachsende Bedeutung der Gestaltung der Kundenbeziehung durch den Wandel vom transaktions- zum beziehungsorientierten Marketing hervorgehoben. Im darauf folgenden Abschnitt werden Definitionen und Begriffsabgrenzungen zum Thema Kundenbeziehung (2.2.3) vorgestellt, um so die semantischen Grundlagen für die Dissertation zu legen. Anschliessend werden unter 2.2.4 verschiedene theoretische Erklärungsansätze für das Konstrukt Kundenbindung beschrieben. Aufbauend auf diesen Theorien werden des weiteren in diesem Abschnitt unter 2.2.5 verschiedene Ansätze zur Entwicklung von Determinanten der Kundenbindung besprochen. Dabei wird insbesondere auf die Determinanten nach Tomczak/Dittrich eingegangen (2.2.5.5). Anhand dieses Ansatzes wird im weiteren Verlauf der Arbeit die Transformation der Determinanten der Kundenbindung durch die neuen Medien und die entsprechenden Theoretische Grundlagen 49 Veränderungen, die im 3. Kapitel ausführlich beschrieben werden, verdeutlicht. Die transformierten Determinanten der Kundenbindung, die unter 4.2 vorgestellt werden, dienen dabei als Grundlage für die Entwicklung des Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien. 2.2.1 Der aufgabenorientierte Ansatz nach Tomzcak/Reinecke Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf einen Ansatz, der am Institut für Absatz und Handel von Tomczak und Reinecke entwickelt wurde (Tomczak & Reinecke, 1996); (Tomczak & Reinecke, 1999); (Tomczak, Reinecke, et al. 2001). In der Literatur finden sich häufig kritische Stimmen zu dem bisherigen Konzept des Marketing-Mix (4 P’s von McCarthy) als zentraler Bestandteil der Marketingplanung. Diese Kritik umfasst unter anderen die Anzahl und Abgrenzung der Marketinginstrumente, den Vorwurf, dass das Konzept an sich produkt- und nicht kundenorientiert sei und demnach der Marketing-Mix den heutigen Marktanforderungen nicht mehr genügen würde (Tomczak & Reinecke 1996) (S.1). Ausgehend von dieser Situation wurde ein innovativer Ansatz entwickelt, der die Marketingplanung in vier Kernaufgaben einteilt: Kundenakquisition, Kundenbindung, Leistungsinnovation und Leistungspflege. Diese Aufgaben leiten sich dabei aus verschiedenen sogenannten Wachstums- und Ertragsgeneratoren ab. Diese Quellen für die Steigerung des Wachstums und des Ertrages sind einerseits die bestehenden bzw. zu entwickelnden Leistungen und andererseits die vorhandenen bzw. die zu gewinnenden Kunden. Unternehmungen können dementsprechend ihre Wachstums- und Ertragsziele erreichen, in dem sie: ?? bestehende Leistungen pflegen ?? neue Leistungen gemäss der Kundenbedürfnisse entwickeln ?? die bestehenden Kunden an die Unternehmung binden ?? neue Kunden hinzugewi nnen Folgende Abbildung verdeutlicht die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Erfüllung der gesetzten Ziele. 50 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Neue Kunden Kundenakquisition Kundenbindung Bestehende Kunden Neue Leistungen Leistungsinnovation Leistungspflege Bestehende Leistungen Abbildung 2-6: Die vier Kernaufgaben im Marketing gemäss des aufgabenorientierten Ansatzes21 Die Kundenakquisition hat dabei die Aufgabe neue Kunden zu gewinnen und umfasst alle Massnahmen, die dazu führen, dass ein Kunde erstmals eine ökonomisch motivierte Transaktion mit dem Anbieter durchführt. Die Kundenbindung hat gemäss des aufgabenorientierten Ansatzes zum Ziel die bestehenden Kunden an die Unternehmung zu binden, in dem sämtliche Tätigkeiten des Anbieters, die zu Wieder-, Zusatz- und Folgekäufen führen bzw. verhindern, dass der Kunden den Anbieter wechselt, durchgeführt werden. Sämtliche Massnahmen zur Entwicklung neuer Angebote und zur Einführung dieser Angebote in den Markt werden in der Aufgabe der Leistungsinnovation zusammengefasst. Ein Angebot ist dabei als neu zu erachten, wenn es sich massgeblich von schon bestehenden Leistungen der Unternehmung unterscheidet. Die Leistungspflege bezieht sich auf die bestehenden Angebote und umfasst sämtliche Massnahmen, die zu einer möglichst langandauernden und erfolgreichen Marktpräsenz führen. Grundsätzliches Ziel dieses neuen innovativen aufgabenorientierten Ansatzes ist es, „ein Rahmenmodell zu entwickeln, welches durch einen konsistenten roten Faden von der Marketingstrategie bis zur Marketingrealisierung geprägt ist und somit Umsetzungsaspekte betont.“ (Tomczak & Reinecke, 1996) (S.2). Insofern soll durch diesen neuen Ansatz ein integriertes Marketing-Management ermöglicht werden, das ebenso die Methoden des klassischen Marketing-Mixes beinhaltet. 21 Quelle: (Tomczak & Reinecke, 1996) (S.6) Theoretische Grundlagen 51 (Tomczak & Reinecke, 1996) (S.6f.) sehen fünf Vorteile dieses neuen aufgabenorientierten Ansatzes: ?? Erweiterung der hauptsächlich produktorientierten Sichtweise des MarketingMixes durch die zusätzliche Betrachtung der Kunden (Kundenorientierung durch die Kernaufgaben Kundenakquisition und –bindung). Das Kundenmanagement nimmt eine immer bedeutendere Stellung im Unternehmen ein22. ?? Der aufgabenorientierte Ansatz zeichnet sich durch eine höhere Dynamik aus, da sowohl der klassische Produktlebenszyklus (Kernaufgaben: Leistungspflege und – innovation) als auch der Customer Buying Cycle (Kernaufgaben: Kundenakquisition und – bindung) in die Überlegungen einbezogen werden. ?? Die prozessorientierte Sichtweise tritt bei dem neuen Ansatz in den Vordergrund. Allerdings wird im Rahmen des neuen Ansatzes von allgemeingültigen Kernaufgaben gesprochen, da die Beschreibung von Prozessen häufig von einer Branche oder einer Unternehmenssituation (die Einfluss auf die Prozesse hätten) abhängig ist. ?? Der aufgabenorientierte Ansatz und die mit ihm verbundenen Kernauf gaben entsprechen der Denkweise des Top-Management in Ertrags- und Wachstumszielen. Somit kann der Sinn und Zweck von Marketing-Aufwendungen häufig besser kommuniziert werden. ?? Häufig fokussieren Marketing-Konzepte auf die Gewinnung von neuen Kunden oder auf die Entwicklung neuer Leistungen und missachten die schon bestehenden Beziehungen zu Stammkunden (vgl. Wandel vom transaktionsorientierten zum beziehungsorientierten Marketing unter 2.2.2) und die Potentiale der bestehenden Angebote. Der aufgabenorientierte Ansatz bezieht diese Aspekte explizit mit in die Marketing-Plannung ein und unterscheidet sich somit von anderen Ansätzen. Untersuchungen zum aufgabenorientierten Ansatz (Tomczak et al. 1998) mit einer Grundgesamtheit von 1874 Befragten bzgl. der gegenwärtigen und zukünftigen Gewichtung der Kernaufgaben haben ergeben, dass die Kernaufgabe der Kundenbindung mit 32% den ersten Platz einnimmt. Insbesondere für die Branchen Dienstleister und 22 Ebenso sieht auch (Schmid, 1999) eine Verschiebung der Gewichte zwischen Produktions- und Kommunikationsmanagements zu Gunsten des Kommunikationsmanagement. Kommunikationsmanagement wird hierbei verstanden als die Gestaltung jeglicher Austauschprozesse mit den Kunden, insofern zeigen sich Parallelen zwischen den Begriffen Kundenmanagement und Kommunikationsmanagement nach Schmid. 52 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Händler wird die Bedeutung der Kundenbindung auch in Zukunft weiter zunehmen, so dass die Relevanz der Thematik in Ergänzung zu den unter 1.1.2 gemachten Aussagen auch an dieser Stelle noch einmal betont werden kann. Weiterentwicklungen dieses Ansatzes (Tomczak & Reinecke, 1999) (S.301 ff.) beziehen eine wettbewerbsorientierte Sichtweise mit ein, in dem der Auf- und Ausbau von Wettbewerbsvorteilen durch das Erschliessen und Ausschöpfen von Ressourcen- und Marktpotentialen berücksichtigt wird. Aus diesen Überlegungen lassen sich sogenannte Basisorientierungen ableiten, die im folgenden kurz erläutert werden sollen (Dittrich, 2000) (S.49f.). Ressourcenorientierung: Bereitstellung überlegener Ressourcen und Fähigkeiten durch die Unternehmung und/oder Externer Kundenorientierung: Identifikation der relevanten Wünsche und Erwartungen der potentiellen und bestehenden Kunden Innovationsorientierung: Erschliessung neuer Potentiale z.B. zur Entwicklung neuer Leistungen Persistenzorientierung: Ausschöpfung bestehender Potentiale Durch eine relativ zu den Wettbewerbern bessere Ausrichtung auf diese Basisorientierungen hat eine Unternehmung die Möglichkeit Wettbewerbsvorteile zu erlangen, d.h. z.B. je kundenorientierter eine Unternehmung im Wettbewerb wahrgenommen wird, desto grösser ist die Möglichkeit bestehende Potentiale optimaler auszunutzen. Folgende Abbildung soll den Zusammenhang zwischen den vorgestellten Kernaufgaben und den sogenannten Basisorientierung verdeutlichen. Des weiteren dient diese Abbildung zur Darstellung der Einordnung der Thematik der Dissertation. 53 Theoretische Grundlagen Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Kundenorientierung Kundenakquisition Innovationsorientierung Kundenbindung Streben nach Wettbewerbsvorteilen Leistungsinnovation Persistenzorientierung Leistungspflege Ressourcenorientierung Abbildung 2-7: Verbindung zwischen Basisorientierung und Kernaufgaben; Einordnung der Dissertationsthematik23 Das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien lässt sich dabei hauptsächlich der Kernaufgabe „Kundenbindung“ und den Basisorientierungen „Kunden- und Persistenzorientierung“ zuordnen. Zusätzlich bezieht sich die Thematik allerdings auch auf einen Teil der Kundenakquisition, der im folgenden als passive Neukundengewinnung bezeichnet wird. Gemeint ist dabei, dass durch die vorzustellenden Massnahmen des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien auch potentielle Kunden bewogen werden sollen, erstmalig eine ökonomisch motivierte Transaktion mit dem Anbieter durchzuführen. Insofern kann im Rahmen des neuen Ansatzes des Management der Kundenbeziehung keine klare Abgrenzung gezogen werden, ob die entwickelten Massnahmen ausschliesslich der Kundenbindung dienen oder auch dazu beitragen, neue Kunden für den Anbieter zu gewinnen. Dieser Punkt wird bei der Erläuterung der Definition des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien unter 4.3 aufgegriffen und vertieft behandelt. Des we iteren ist zu erwähnen, dass die Thematik der Dissertation ebenso andere Kernaufgaben (Leistungsentwicklung und -pflege) wie auch die anderen Basisorientierungen (Innovationsund Ressourcenorientierung) berücksichtigt, allerdings liegt der Schwerpunkt auf der oben erwähnten Kernaufgabe und den entsprechenden Basisorientierungen. 23 in Anlehnung an (Tomczak & Reinecke, 1999) (S. 305); (Dittrich, 2000) (S.50) 54 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 2.2.2 Wandel vom transaktions- zum beziehungsorientierten Marketing Zu Zeiten des generellen Marktwachstums in den sechziger Jahren war es die Hauptaufgabe des Marketing, dem Kunden zu vermitteln, dass das entwickelte Produkt genau seinen Bedürfnissen entspricht, ohne dass der Anbieter die wirklich „wahren“ Bedürfnisse gekannt hätte. Für die Entwicklungsarbeit eines neuen Produktes wurden einfach die angeblichen Bedürfnisse der Kunden unternehmensintern simuliert. Nach der Fertigstellung hatten die Kunden dann die Wahl, das Produkt zu kaufen oder nicht, je nachdem wie es zufällig zu ihren Bedürfnissen passte. Im schlechtesten Fall konnte der Anbieter mit einer gezielten Werbestrategie und dem damit verbundenen Aufwand ein „Bedürfnis“ schaffen, so dass zumindest über diesen „Umweg“ die Absatzziele erreicht werden konnten. Diese klassische Marketingstrategie kann als Massenmarketing charakterisiert werden und wurde (und wird zum Teil immer noch) von vielen Unternehmen angewandt. Diese Strategie zielt auf eine undifferenzierte (standardisierte) Marktabdeckung ab, wie sie für viele Bereiche des Konsumgütersektors typisch ist (Becker, 1998) (S. 238 ff.). Bei diesem eher traditionellen Ansatz steht die Transaktion klar im Vordergrund. Typisch für diese Zeit ist eine Definition des Begriffs Marketing von Alderson aus dem Jahre 1957. Er sieht Marketing als „exchange which takes place between consuming goods and supplying goods.“ (Alderson, 1957) (S. 5). Heutzutage sind die Konsumenten deutlich anspruchsvoller geworden und die Märkte und demzufolge ebenso die Absatzzahlen expandieren in den meisten Fällen nicht mehr so stark bzw. häufig gar nicht mehr oder sind sogar rückläufig. Zusätzlich we rden die Produkte häufig immer homogener, so dass eine Differenzierung alleine über die Qualität der Produkte für die Anbieter zunehmend schwieriger wird. Vielerorts setzt sich somit die Erkenntnis durch, dass ein Marketingkonzept, das sich auf die Betrachtung von Einzeltransaktionen beschränkt, zu kurz greift. Zweckmässiger erscheint es heute, das Marketing stärker auf die Entwicklung längerfristiger Beziehungen auszurichten und den einzelnen Kunden mit seinen individuellen Bedürfnissen und Wünschen stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Unter dem Gesichtspunkt der ständig steigenden Akquisitionskosten, die nicht zuletzt auch auf das Phänomen der Ökonomie der Aufmerksamkeit (vgl. (Franck, 1998)) und dem entsprechend abnehmenden Grenznutzen der Werbung zurückzuführen sind und den durch (Reichheld & Sasser Jr., 1990) unter 1.1.2 bereits beschriebenen potentiellen Rentabilitätssteigerungen durch Kundenbindung, erscheint es unvermeidlich, nicht mehr auf den einzelnen Kaufabschluss fixiert zu sein, sondern zu jedem Geschäftspartner eine intensive, langfristige Beziehung aufzubauen. Damit zeichnet sich eine Trendwende von der „transaction economy“ zur „relationship economy“ ab (Dichtl & Schneider, 1994). Theoretische Grundlagen 55 Auch (Tomczak & Dittrich, 1997) (S.9) fordern „Nicht isolierte, zeitpunktbezogene Transaktionen, sondern die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden über den gesamten Kundenlebenszyklus bzw. „Buying Cycle“ müssen im Mittelpunkt der Marketinganstrengungen stehen.“ und unterstützen so die Trendwende von einem transaktionsorientierten- zu einem beziehungsorientierten Marketingansatz. Eine Definition des Begriffs Marketing aus dem Jahre 1990 von (Grönroos 1990) verdeutlicht des weiteren den Trend in diese Richtung: „Marketing is to establish, maintain, and enhance (...) relationships with customers and other partners, at a profit, so that the objectives of the parties involved are met. This is achieve d by a mutual exchange and fulfillment of promises.“ (Grönroos, 1990) (S. 5). In dieser Definition ist der Beziehungsaspekt sogar explizit enthalten. (Grönroos, 1990) spricht daher auch bei dem Trend vom transaktions- zum beziehungsorientierten Marketing von einem Paradigmenwechsel. Aufgebracht wurde dieser beziehungsorientierte Ansatz, der als Beziehungsmarketing bzw. Beziehungsmanagement bezeichnet werden kann, im angelsächsischen Raum allerdings schon in den achtziger Jahren (vgl. (Berry, 1983) (Berry & Gresham, 1998) (Gummesson, 1987)). Abschliessend sollen in einer Tabelle die wesentlichen Unterschiede der beiden Ansätze zusammengefasst werden. Es werden dabei die verschiedenen Parameter betrachtet, die die grundsätzlich unterschiedliche Ausrichtung der beiden Ansätze verdeutlichen. 56 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Transaktionsorientierter Ansatz Ziel Abschluss einer Transaktion (Verkauf als Abschluss) Kundengewinnung Marktanteil Beziehungsorientierter Ansatz Aufbau einer Beziehung (Ve rkauf als Beginn) Kundenbindung Kundenanteil Kundenverständnis Anonymer Kunde Gleichwertiger Partner Kundenkontakt „notwendiges Übel“ gute Gelegenheit, um Kundeninformationen zu sammeln Bewertung Bewertung des Segments Bewertung des Kunden Kommunikation One-way-Kommunikation (von einem Anbeiter zu einer Vielzahl von Nachfragern Individualisierter Dialog (von einem Anbieter zu einem einzelnen Nachfrager Leistungserstellung Massenproduktion (Fokus auf den Produkten) Customized Marketing / Mass Customization (Fokus auf der Problemlösung für den Kunden) Marktsicht Fokus hauptsächlich auf Ne u- Fokus auf Pflege und Auswe ikundengewinnung tung des Kunde nstamms Relevanz in den neuen Medien Eher gering Eher hoch Tabelle 2-1: Unterschiede zwischen dem transaktionsund dem beziehungsorientierten Ansatz24 Der beziehungsorientierte Ansatz wird hier bewusst weit gefasst, so dass sowohl die individuelle Gestaltung der Beziehung zum Kunden (Beziehungsmanagement) als auch die individualisierte Leistungserstellung (Customized Marketing) berücksichtigt werden. (Kotler & Bliemel, 1999) (S. 424) verstehen dabei „Customized Marketing“ als „die Fähigkeit, in grossem Umfang individuell gestaltete Produkte herzustellen, die den Erfordernissen des einzelnen Kunden entsprechen“. In dem Zusammenhang sind 24 in Anlehnung an (Kotler and Bliemel, 1999)(S.424) Theoretische Grundlagen 57 auch die Konzepte der Mass Customization (vgl. (Piller, 1998)) zu nennen, die auch in dem weiter unten vorzustellenden Modell des Managements der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Eingang finden. Diese weite Auslegung des beziehungsorientierten Ansatzes erscheint insbesondere im Zusammenhang mit der Relevanz in den neuen Medien dem Autor sinnvoll, da so die Kundenbedürfnisse, bestehend aus dem Bedürfnis nach einer individuellen Beziehung und zusätzlich auch nach einer individualisierten Problemlösung, in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden. Insofern lässt sich auch das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien eindeutig dem beziehungsorientierten Ansatz zuordnen. 2.2.3 Definitionen und Begriffsabgrenzungen zum Thema Kundenbeziehung In diesem Abschnitt sollen die im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendeten Begriffe erläutert und voneinander abgegrenzt werden. Zunächst soll dabei auf den Begriff der Kundenbindung eingegangen werden. Des weiteren werden für die Geschäftsbeziehung und das Management der Geschäftsbeziehungen Definitionen vorgestellt, um den Ansatz des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien mit den bestehenden Begriffen in Zusammenhang zu setzen und entsprechend einzuordnen. Der Begriff der Kundenbindung findet in der Literatur in vielfältiger Weise Verwe ndung. Grundsätzlich beschreibt das Konstrukt der Kundenbindung die Intensität einer Geschäftsbeziehung zwischen einem Anbieter und einem Kunden. Dabei lassen sich im wesentlichen zwei unterschiedliche Sichtweisen erkennen. Zum einen wird die Kundenbindung aus Sicht der Kunden betrachtet und zum anderen wird eher von einer Anbietersicht ausgegangen. Aus Sicht der Kunden lässt sich nach Diller „Kundenbindung im weiteren Sinne als Einstellung eines Kunden zur Geschäftsbeziehung mit einem Anbieter definieren, die sich in der Bereitschaft zu Folgetransaktionen (Wiederkauf, Intensivierung der Geschäftsbeziehung, Cross-Buying, Referenzen) niederschlägt.“ (Diller & Müllner, 1997) (S. 5). (Meyer & Oevermann, 1995) erweitern den Begriff der Kundenbindung auch um die ex-post Betrachtung des Verhaltens des Kunden, indem sie auch das bisherige Verhalten in die Definition mit einbeziehen: „Die aktuelle Kundenbindung umfasst einerseits das bisherige Kauf- und Weiterempfehlungsverhalten und andererseits die zukünftigen Wiederkauf-, Zusatzkauf (Cross-Selling) und Weiterempfehlungsabsichten (Goodwill) eines Kunden gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen“ (Meyer & Oeve rmann, 1995) (Sp. 1341f.). 58 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Eine andere Definition, die wiederum einen neuen Aspekt in die Betrachtung des Begriffs Kundenbindung bringt, wird von To mczak/Dittrich vertreten: „Kundenbindung spiegelt die objektiven oder vom Kunden (subjektiv) wahrgenommenen Wechselbarrieren wider. Je grösser diese Wechselbarrieren sind, desto höher ist die Kundenbindung.“ (Tomczak & Dittrich, 1997) (S. 13) In dieser Definition wird der zeitliche Aspekt nicht berücksichtigt, dafür wird explizit auf die Gründe für eine Kundenbindung eingegangen. Die Wechselbarrieren, die von den Anbietern beeinflusst werden können, gelten dabei als Masstab für die Intensität der Kundenbindung. Auf diesen Sachverhalt wird im Rahmen der Dissertation noch intensiver eingegangen. Eine sehr umfassende Übersicht zur Präzisierung und zur Abgrenzung des Begriffes der Kundenbindung, sowie eine interessante Strukturierung von Inhalten zum Konstrukt der Kundenbindung, findet sich bei (Gerpott, 2000). Er unterteilt das Konstrukt der Kundenbindung in eine input- und in eine outputorientierte Sicht. Die Beschreibung der Voraussetzungen für die Kundenbindung werden dabei als die inputorientierte Sichtweise verstanden, wohingegen die outputorientierte Sichtweise des Konstruktes Kundenbindung die beobachtbaren Verhaltensmuster, in denen sich die Kundenbindung widerspiegelt, darstellt. Folgende Abbildung gibt einen Überblick über die identifizierten Arten der Kundenbindungsansätze. 59 Theoretische Grundlagen Kundenbindungs konstrukt Hervorhebung von Voraussetzungen für Kundenbindung Hervorhebung beobachtbarer Verhaltensmuster, in denen sich die Kundenbindung widerspiegelt inputorientierte Sichtweise outputorientierte Sichtweise Anbieterseitige Voraussetzungen (Kundenbindungs management) Nachfragerseitige Voraussetzungen (Verhaltensabsicht, Einstellungen) Einzelleistungs bezogenes Wiederkaufverhalten Auf Unternehmensleistungen bezogenes Wiederkaufverhalten Abbildung 2-8; Strukturierung von Inhalten, die mit dem Konstrukt Kundenbindung verbunden werden25 Im Rahmen der inputorientierten Sichtweise kann die Gestaltung der Kundenbindung aus Sicht der Anbieter auch als Kundenbindungsmanagement bezeichnet werden. Da sich das zu entwickelnde Modell in die inputorientierte Sichtweise und im besonderen in die anbieterseitigen Voraussetzungen einordnen lässt, wird im folgenden auf diesen Bereich fokussiert. Beim Kundenbindungsmanagement wird in diesem Zusammenhang allerdings explizit von dem aktuellen Kundenstamm gesprochen, so dass alle „Nichtkunden“, z.B. auch im Sinne von Interessenten und potentiellen Kunden, von vorne herein aus der Definition ausgeschlossen sind. Der neue Ansatz hat hingegen eine breitere Zielgruppe, so dass ebenso potentielle Kunden im Sinne von Interessenten, Adressaten der adäquaten Massnahmen sein können. Es wird infolgedessen der Begriff Kundenbeziehungs- anstatt Kundenbindungsmanagement verwendet, der wie im folgenden hergeleitet wird, die Thematik in den Augen des Autors besser beschreibt. Zunächst soll allerdings exemplarisch eine Definition von (Homburg & Bruhn, 1999) (S. 8) zum Kundenbindungsmanagement vorgestellt we rden: „Kundenbindungsmanagement ist die systematische Analyse, Planung, Durchführung sowie Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteter Massnahmen 25 in Anlehnung an (Gerpott, 2000) (S.25) 60 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien mit dem Ziel, dass diese Kunden auch in Zukunft die Geschäftsbeziehung aufrechterhalten oder intensiver pflegen.“ Ähnlich argumentiert auch (Weinhold-Stünzi, 1987), der den Begriff KundenstammMarketing schon 1987 eingeführt hat. In seinen Augen kann der Begriff definiert we rden als „Gesamtheit aller Marketing-Entscheidungen und Umsetzungen im Kundenstamm-Markt [...] Zum Kundenstamm gehören alle Käufer, welche mit dem Anbieter bereits früher Kaufkontakte vollzogen“ haben (Weinhold-Stünzi, 1987) (S.499ff.). Seine Definition impliziert allerdings dabei, dass alle Marketing-Massnahmen gemäss der Differenzierung, ob sich die Entscheidung auf den Kundenstamm bezieht oder nicht, geplant und durchgeführt werden sollten. Wie eingangs erwähnt wurde, bezieht sich die Kundenbindung auf die Intensität der Geschäftsbeziehung zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager. Daher soll im folgenden der Begriff der Geschäftsbeziehung näher verdeutlicht we rden. Erstmals fand in Bezug auf das Marketing der Begriff der Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager von (Alexander et al. 1967) (S.8ff.) im Jahre 1956 eine gewisse Beachtung. Sie unterteilen dabei Geschäftsbeziehungen in Beziehungen mit formellem und informellem Charakter. Zu den formellen Beziehungen zählen beispielsweise Kauf- und Franchiseverträge, wohingegen Loyalität und Zufriedenheit als informelle Beziehungsfaktoren gesehen werden. Im Laufe der Jahre wurde dem Begriff der Beziehung und dem entsprechenden beziehungsorientierten Ansatz, wie unter 2.2.2 gezeigt wurde, eine immer grössere Bedeutung beigemessen. Ebenso verdeutlicht die Vielzahl der Definitionen in der relevanten Fachliteratur die steigende Aufmerksamkeit, die dieser Thematik gewidmet wird. Im folgenden werden exemplarisch einige Definitionen vorgestellt. So sieht (Plinke, 1997) (S. 23) eine Geschäftsbeziehung als „eine Folge von Markttransaktionen zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager, die nicht zufällig ist.“. „Nicht zufällig“ beschreibt dabei den Umstand, dass sowohl von Anbieter- als auch von Nachfragerseite eine bestimmte Intention mit dieser Markttransaktion verbunden ist. Zusätzlich ist die Auswahl der Partner dieser Tr ansaktion nicht zufällig, vielmehr kann man davon ausgehen, dass eine Art Verbindung zwischen den Partnern einer Geschäftsbeziehung oder zwischen dem Kunden und dem Produkt existiert. (Plinke, 1989) spricht in diesem Zusammenhang von der „inneren Verbindung“. Diese Verbindung kann in drei verschiedene Arten (Sachbezug, Personenbezug oder Unternehmensbezug) unterteilt werden. Ein Beispiel für den Sachbezug innerhalb einer Geschäftsbeziehung wäre die Markentreue, die Kunden gegenüber einer Marke empfinden. Der Personenbezug beschreibt die persönliche Beziehung zwischen dem Käufer und Verkäufer als wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen einer Ge- Theoretische Grundlagen 61 schäftsbeziehung. Der Unternehmensbezug kann sich in einer von Kunden empfundener Lieferantentreue ausdrücken (Plinke, 1997). (Diller, 1994) (S. 1) definiert Geschäftsbeziehungen als „von ökonomischen Zielen geleitete Interaktionsprozesse mit personalen Kontakten, langfristigen Geschäftsperspektiven und damit verbunden einer investiven Komponente.“ Im Gegensatz zur ersten vorgestellten Definition werden hierbei nicht die Beteiligten einer Geschäftsbeziehung explizit angesprochen. Allerdings wird bei dieser Definition ausdrücklich auf die ökonomischen Ziele, der investiven Komponente und die damit verbundene Langfristigkeit einer Geschäftsbeziehung hingewiesen. Des weiteren ist interessant, dass die stattfindenden Interaktionsprozesse zwischen den Geschäftspartnern hervorgehoben werden. Im Gegensatz zu den vorherigen Definitionen entsteht nach (Webster, 1979) (S.50ff.) eine Geschäftsbeziehung schon in der Phase der Kaufverhandlungen und – entscheidung. Diese Geschäftsbeziehung kann sich in seinen Augen in der Nachkaufphase beispielsweise durch Inanspruchnahme von Serviceleistungen bis hin zu Nachbestellungen vertiefen. Entscheidend bei dieser Definition ist daher, dass sich auch schon zu potentiellen Kunden Beziehungen ergeben, die optimal gemanagt werden müssen, um die Möglichkeit zur Entwicklung einer langfristigen Geschäftsbeziehung zu nutzen. Dieser Definition folgt auch der Ansatz des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien, der sich im Gegensatz zum „klassischen“ Kundenbindungsmanagement ebenso auch auf potentielle Kunden im Sinne von Interessenten bezieht. Im Rahmen der Arbeit grenzt sich der Begriff der potentiellen Kunden insofern von dem Begriff der Kunden ab, als dass potentielle Kunden noch keine ökonomisch motivierte Transaktion mit dem entsprechenden Anbieter vollzogen haben. Der Terminus Nachfrager umfasst dabei Kunden und potentielle Kunden gleichermassen, so dass es demnach eigentlich Nachfragerbeziehungsmanagement heissen müsste. Allerdings wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit doch der gebräuchlichere Begriff des Kundenbeziehungsmanagement gewählt, wobei jedoch die Entwickl ung, Gestaltung und Pflege einer Beziehung zu bestehenden sowie zu potentiellen Kunden gemeint ist. Die Massnahmen des neuen Konzeptes sollen folglich sowohl potentielle Kunden im Sinne der beschriebenen passiven Neukundenakquisition zu einer ersten Transaktion bewegen, als auch bestehende Kunden weiterhin an das Unternehmen binden. Die Beziehung zu den Nachfragern im Sinne des neuen Ansatzes, die es zu managen gilt, beginnt somit bei der ersten Kontaktaufnahme zwischen Anbieter und Nachfrager. Folgende Abbildung, die eine Untersuchung von (Loos 1998) zeigt, soll diese weite Definition des Begriffs „Kundenbeziehung“ verdeutlichen und rechtfertigen. 62 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 100 % Nur jeder hundertste Besucher wird zum Stammkunden 3% 1% Besucher „Tester“ „Stammkunde“ Abbildung 2-9: Konversionsraten im E-Commerce 26 Ansatzpunkt und Ziel des neuen Konzeptes ist es zum einen die Konversionsrate von „Besucher“, d.h Nachfragern nach der ersten Kontaktaufnahme mit dem Anbieter, zu „Tester“ zu erhöhen und zum anderen aus der Gruppe der „Tester“ eine möglichst hohe Anzahl von „Stammkunden“ zu machen, um so das bestehende Verhältnis zwischen „Besuchern“ und „Stammkunden“ zu verbessern. Allerdings umfassen die entwickelten Massnahmen ausschliesslich Instrumente und Methoden, die ein Einverständnis vom Kunden voraussetzen, so dass der Kommunikations- und Transaktionsprozess vom Nachfrager angestossen werden muss. Dieser Sachverhalt ist bei der Einordnung der Thematik der Dissertation in dem aufgabenorientierten Ansatz als passive Neukundengewinnung beschrieben worden. Abschliessend werden nun in diesem Abschnitt verschiedene Definitionen zu dem Begriff „Beziehungsmanagement“, welcher in der vorliegenden Arbeit synonym mit dem Begriff „Geschäftsbeziehungsmanagement“ bzw. mit dem englischen Ausdruck „Relationship Management“ verwendet wird, vorgestellt. Das Konzept des Beziehungsmarketing bzw. Relationship Management geht auf (Berry, 1983) zurück. Er beschreibt Relationship Marketing als „attracting, maintain- 26 in Anlehnung an (Loos, 1998) Theoretische Grundlagen 63 ing and (...) enhancing customer relationships.“ (Berry, 1983) (S. 25). Eine andere Definition aus dem englischsprachigen Raum, die noch genauer auf die Aufgaben des Relationship Marketing eingeht, kommt von (Stone et al. 1996) (S. 675): „Relationship Marketing is the use of a wide range of marketing, sales, communication, service and customer care approaches to: ?? Identify a company’s individual customers ?? Create relationships between the company and its customers that stretches over many transactions ?? Manage that relationship to the benefit of the customers and the company.“ Hervorzuheben bei dieser Definition ist zum einen die Verknüpfung zwischen den traditionell häufig getrennten Bereichen „marketing, sales, communication, service and customer care“. Die Aufgaben des Relationship Marketing lassen sich demzufolge nicht auf nur eine Abteilung in einem Unternehmen begrenzen, sondern sollten vielmehr zumindest von den Unternehmensbereichen, die direkten Kundenkontakt haben, gemeinsam zum Wohle der Kunden gelöst werden. Zum anderen ist die Erkenntnis, dass Beziehungsmarketing nur funktionieren kann, wenn sowohl für die Anbieter als auch für die Kunden ein Nutzengewinn zu verzeichnen ist, es sich also um eine „WinWin-Situation“ handelt, sehr interessant. An diesem Punkt schliesst sich auch eine prozessorientierte Definition aus dem deutschsprachigen Raum an. (Plinke, 1997) (S. 42) sieht im Geschäftsbeziehungsmanagement „ein Prozess, der in der planmässigen Ausrichtung der kundenorientierten Aktivitäten eines Anbieters auf die Erfahrungen und Erwartungen eines bestimmten Kunden besteht. Sein Ziel ist es, wechselseitige Vorteile zu generieren: für den Kunden Leistungssteigerung und Kostensenkung zu ermöglichen und für den Anbieter selbst die Sicherheit des Erlösstroms von diesem Kunden zu erhöhen, d.h. sich an ihn zu binden.“ Bei der Vorstellung des Ansatzes des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien wird unter 4.3 eine eigene Definition vorgestellt, die eine Basis für die vorliegende Arbeit und auch für die Dissertation darstellt. Im folgenden werden verschiedene Ansätze, die die theoretischen Grundlagen für das Konstrukt der Kundenbindung darstellen, besprochen, um eine Fundierung der Thematik und eine Verknüpfung des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien zu bestehenden theoretischen Konzepten zu ermöglichen. 64 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 2.2.4 Theoretische Grundlagen der Kundenbindung Im wesentlichen ergeben sich vier verschiedene theoretische Ansätze, die zur Erklärung des Konstruktes der Kundenbindung herangezogen werden können. Im einzelnen sind dies sozialpsychologische, verhaltenswissenschaftliche, interaktionsorientierte sowie transaktionsorientierte Ansätze. Diese Grundlagen werden allerdings im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur kurz vorgestellt, da der Fokus der Arbeit vielmehr auf dem Management der Kundenbeziehung, als auf der Erklärung des Konstruktes der Kundenbindung liegt. Nichtsdestotrotz stellen diese Ansätze eine wertvolle Basis für das Verständnis der Kundenbindung dar, die ohne Zweifel für die Entwicklung von Massnahmen zum Management der Kundenbeziehung notwendig ist. So lassen sich ein Grossteil der unter 2.2.5 vorzustellenden Determinanten der Kundenbindung auf diese theoretischen Ansätze zurückführen. Die Vielzahl der möglichen Ansätze zur Erklärung des Konstruktes der Kundenbindung ist dabei auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Marketinglehre eine interdisziplinäre Wissenschaft darstellt, so dass sich eine Reihe von Schnittstellen zu benachbarten Disziplinen ergeben. Im folgenden sollen die unterschiedlichen Ansätze kurz vorgestellt werden, um somit die theoretische Grundlage für das Verständnis der Kundenbindung zu legen. 2.2.4.1 Erklärungsansätze aus der Sozialpsychologie Die Ansätze der Sozialpsychologie lassen sich grundsätzlich in zwei Äste aufteilen. Zum einen in die soziale Austauschlehre und zum anderen in die daraus entstandene soziale Beziehungslehre. Die soziale Austauschtheorie geht dabei auf die Arbeiten von (Thibaut & Kelley, 1959); (Blau, 1964); (Homans, 1968) zurück. Sie kann als erster Erklärungsansatz für die Kundenbindung angesehen werden (Homburg & Bruhn, 1999) (S.12). Im Rahmen dieser Theorie soll die Frage beantwortet werden, wovon die Fortsetzung einer Interaktion zwischen zwei Parteien abhängt. Dabei wird unterstellt, dass die Akteure anstreben, ihren positiven Nutzen, der durch eine Transaktion oder Handlung im allgemeinen Sinne hervorgerufen wird, zu maximieren. Gleichzeitig sind sie als rational handelnde Wesen darauf bedacht, negative Effekte zu minimieren. Die Fortführung der Beziehung hängt nun von der durch die Handlung entstandenen Zufriedenheit der Beteiligten ab. Gemäss (Thibaut & Kelley, 1959) ergibt sich diese Zufriedenheit aus dem Vergleich des subjektiv wahrgenommen Nettoergebnisses und einem individuellen Vergleichsniveau. Ist der Saldo für die Beteiligten positiv, wird die Beziehung fortgesetzt. Ent- 65 Theoretische Grundlagen scheidende Determinanten sind dabei die Qualität, die auf das wahrgenommene Ergebnis Einfluss nimmt und die daraus resultierende Zufriedenheit. Es wird davon ausgegangen, dass eine Korrelation zwischen der Höhe des Saldos und der Intensität der Kundenbindung existiert. Je höher dieser Saldo ausfällt, desto intensiver ist die Bindung. Dieser Zusammenhang wird bei der Beschreibung der Determinanten der Kundenbindung nach Diller unter 2.2.5.2 nochmals aufgegriffen und ausführlicher behandelt. Die soziale Austauschtheorie umfasst des weiteren auch den Vergangenheitsaspekt, da davon ausgegangen wird, dass in der Vergangenheit getätigte Transaktionen oder Handlungen mit in den Beurteilungsprozess einfliessen. Die soziale Beziehungslehre, als Weiterentwicklung der sozialen Austauschlehre, untersucht dagegen eher die Determinanten, die verantwortlich für die Bindung in zwischenmenschlichen Beziehungen sind. Neben den Determinanten Qualität und Zufriedenheit, wie sie in der sozialen Austauschtheorie beschrieben sind, werden hier nun weitere Determinanten wie soziale, emotionale und rechtliche Parameter in die Betrachtung einbezogen. In dem von (Rusbult, 1980) entwickelten, sogenannten Investmentmodell werden die Bindung und die entsprechenden Gründe für das Entstehen dieser Bindung erklärt. COM = SAT + INV - CLalt COM = Bindung SAT = Zufriedenheit INV = Investitionen CLalt = Vergleichsniveau für Alternativen Abbildung 2-10: Investment-Modell von Rusbult27 Gemäss dieses Modells ergibt sich die Kundenbindung (COM) aus den Grössen Zufriedenheit (SAT), Investition (INV) und dem Vergleichsniveau für attraktive Alternativen (Cl alt ). Je höher die Zufriedenheit, je höher die getätigten Investitionen und je niedriger die Attraktivität der Alternativen, desto intensiver ist die Kundenbindung. Danach ist es nicht ausreichend für die Intensivierung einer Kundenbindung nur auf die Zufriedenheit der Kunden zu fokussieren, da auch durch niedrige Investitionen und attraktive Alternativen, trotz der vorhandenen Zufriedenheit, ein Wechsel zu einem anderen Anbieter wahrscheinlich werden kann. Gemäss dieses Modells entsteht die 27 Quelle: (Rusbult, 1983) (S.102) 66 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Bindung ebenso durch beziehungsspezifische Investitionen in Form von sozialen, emotionalen und legalen Wechselkosten (Rusbult, 1980). Dies entspricht den unter 2.2.5.4 vorzustellenden emotionalen Wechselbarrieren nach (Peter, 1997). Aus diesem Modell lassen sich infolgedessen direkt Determinanten der Bindung ableiten. Die Aussagekraft des Modells konnte anhand einer empirischen Studie bzgl. zwischenmenschlichen Verhaltens, Freundschaften und Geschäftsbeziehungen nachgewiesen werden (Rusbult, 1983) (S.103f.). Die beiden kurz vorgestellten Ansätze der Sozialpsychologie unterscheiden sich durch ihr Abstraktionsniveau, auf dem sie menschliches Verhalten untersuchen. Die soziale Austauschtheorie untersucht in erster Linie die Gestaltung einzelner Interaktionen, wohingegen sich die soziale Beziehungslehre mit der zeitlichen Aneinanderreihung mehrerer Interaktionen mit den selben Beteiligten beschäftigt. Der zeitliche Horizont kann also als wesentliches Unterscheidungskriterium gesehen werden. 2.2.4.2 Erklärungsansätze aus der Verhaltenswissenschaft Die Ansätze des Konsumentenverhaltens bzw. der Konsumentenforschung, als Teilgebiet der Verhaltenswissenschaften, lassen sich auf die Mitte der sechziger Jahre datieren. Damals konnte sich die empirische Marketingforschung etablieren und die Erforschung des Konsumentenverhaltens wurde immer mehr zum Gegenstand der Marketingforschung (Kroeber-Riel & Weinberg, 1996) (S.4). Insbesondere für das Konsumgütermarketing spielt die Theorie des Konsumentenverhaltens eine entscheidende Rolle, da sie sich mit der Analyse von Kaufentscheidungsprozessen von Konsumenten beschäftigt. Damit liefert sie wertvolle Hinweise für die Wirkung von Marketingmassnahmen seitens der Anbieter. Im folgenden soll dabei unter Konsumentenverhalten, das „Verhalten privater Haushalte in ihrer Rolle als Nachfrager auf dem Markt“ ve rstanden werden (Trommsdorff, 1998) (S.17). Dieses Verhalten wird von Determinanten bestimmt, die auch den Ausgangspunkt der Konsumentenforschung darstellen. Diese Determinanten lassen sich in psychische und soziale Determinanten einteilen, wobei die psychischen Determinanten neben den kognitiven Prozessen auch die sogenannten aktivierenden Prozesse umfassen. Die aktivierenden Prozesse beziehen sich dabei auf die innere Erregung und Spannung, die massgeblich das Verhalten beeinflussen. Die Kenntnis von der eigenen Umwelt und die Kontrolle des eigenen Verhaltens wird durch die kognitiven Prozesse beschrieben. Der Einfluss der näheren und der weiteren Umwelt, d.h. die Beeinflussung des Individuums durch das soziale Umfeld, wird in den sozialen Determinanten zusammengefasst. Theoretische Grundlagen 67 Die Lerntheorie, die Risikotheorie und die Dissonanztheorie als wesentliche Ve rtreter der verhaltenswissenschaftlichen Ansätze, haben sich als besonders hilfreich für die Analyse der Determinanten der Kundenbindung herausgestellt, so dass sie im folgenden kurz angesprochen werden (Wiechmann, 1995) (S.167ff.). Die systematische Veränderung des Verhaltens durch Erfahrungen wird in der Lerntheorie als Lernen bezeichnet (Meffert, 1986) (S.154). Bezogen auf die Kundenbeziehung bedeutet das, dass die Fortführung der Beziehung abhängig von den in der Ve rgangenheit stattgefundenen Interaktionen und den mit ihnen verbundenen Nutzengewinnen ist. Insofern liefert die Lerntheorie Erkenntnisse zum Wiederkaufverhalten, indem sie die bisherigen Erfahrungen eines Konsumenten mit einem Produkt oder einer Dienstleistung eines Anbieters mit dem zukünftigen Kaufverhalten des Konsumenten in Beziehung setzt. Die Risikotheorie, als zweiter verhaltenswissenschaftlicher Ansatz, beschreibt die durch den Konsumenten empfundene Unsicherheit in einer Kaufsituation. Diese Unsicherheit besteht dabei aus zwei Elementen, zum einen aus der Summe der Bewertung der Kauffolgen nach ihrer Wichtigkeit, d.h. die möglicherweise negative n Konsequenzen einer Fehlentscheidung und der entsprechenden Eintrittswahrscheinlichkeit. Zum anderen aus dem grundsätzlichen Risiko, ob der Anbieter in der Lage und willens ist, dem Kunden eine für ihn optimale Problemlösung anzubieten. Insbesondere in einer Erstkaufsituation ist das vom Konsumenten empfundene Risiko besonders hoch, da auf keine Erfahrungen zurückgegriffen werden kann (Kuhlmann, 1987) (S.522f.). Um dieses Risiko zu minimieren, kann ein Konsument zu Risikominimierungsstrategien, im Sinne von Garantien oder sonstigen Rückgaberechten, greifen oder durch eine umfassende Informationssammlung bzgl. des gewünschten Produktes seine Unsicherheit reduzieren. Weitere Möglichkeiten der Unsicherheitsreduktion können zum Beispiel die Befragung von Käufern sein, die das Produkt schon erworben haben und insofern Erfahrungen sammeln konnten. Die Auskünfte unabhängiger Dritter, wie zum Beispiel Stiftung Warentest, können ebenso zur Unsicherheitsreduktion beitragen. Diese Erkenntnisse sind insbesondere für die Entwicklung des Modells des Managements der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien sehr wertvoll und werden dort dementsprechend auch wieder aufgegriffen. Die Dissonanztheorie (vgl. (Festinger, 1978)) geht davon aus, dass Widersprüche in den Kognitionen, verstanden als „Bewusstseinsinhalte des Menschen wie Wissen, Erfahrungen, Ansichten und Handlungen“ (Berndt, 1992) (S.52) zu als unangenehm empfundenen psychischen Spannungen eines Individuums führen. Diese Widersprüche, die vor und hauptsächlich nach dem Kauf anzusiedeln sind, können als Dissonanzen beschrieben werden. „Dissonanzen nach Kaufentscheidungen kommen dadurch 68 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien zustande, dass der Kauf inkonsistentes Wissen hinterlässt: Es ist das Wissen, durch die Entscheidung die Nachteile der gewählten Alternative hinzunehmen und nicht in den Genuss der ausgeschlagenen Alternativen zu kommen.“ (Kroeber-Riel & Weinberg, 1996) (S. 184). Im Rahmen dieser Theorie wird nun angenommen, dass es Ziel der Individuen ist, ein dauerhaftes Gleichgewicht des kognitiven Systems anzustreben. Demzufolge ergeben sich dissonanzreduzierende Aktivitäten, die sich bei den Individuen, zum Beispiel in einer Umbewertung, Ergänzung oder auch Verdrängung von Informationen, äussern (Kroeber-Riel & Weinberg, 1996). Ebenso können auch die Anbieter eines Produktes dem Konsumenten dissonanzreduzierende Massnahmen anbieten bzw. selbst durchführen. So ist zum Beispiel die Betreuung nach dem Kauf in der sogenannten After-Sales-Phase eine Möglichkeit, positiv auf unter Umständen beim Konsumenten vorhandene Dissonanzen einzuwirken. Reduzieren sich die Dissonanzen bei jedem Wiederholungskauf, kann die Dissonanztheorie auch als ein Erklärungsbeitrag für das Entstehen langfristiger Beziehungen und Markentreue verstanden werden, da mit der Dauer der Beziehung die vom Konsumenten empfundenen Dissonanzen immer geringer werden und somit das Individuum seinem Ziel, der Ausgeglichenheit des kognitiven Systems, immer näher kommt (Homburg & Bruhn, 1999) (S.14). Einen weiteren Erklärungsansatz liefert die Dissonanztheorie bei der Beschreibung der Zufriedenheit als Determinante der Kundenbindung, wenn Nachkaufdissonanzen als Unzufriedenheit bei einer Kaufentscheidung gedeutet werden, da diese Unzufriedenheit bzw. die Nachkaufdissonanzen zum Abbruch der Beziehung führen können. 2.2.4.3 Erklärungsansätze aus interaktionsorientierter Perspektive Die Erkenntnisse der Verhaltenswissenschaft können als Grundlage für die Entwicklung der Interaktionsansätze gesehen werden. Diese sehen den Verkaufsvorgang als einen sozialen Interaktionsprozess, bei dem sowohl der Käufer als auch der Verkäufer berücksichtigt wird. Ein Ergebnis dieser Ansätze war zum Beispiel, dass der Ve rkaufserfolg von der vom Käufer subjektiv wahrgenommenen Ähnlichkeit zum Ve rkäufer abhängt (Wiechmann, 1995) (S.194ff.). Es werden also grundsätzlich bei den Interaktionsansätzen sowohl Absatz- wie auch Beschaffungsentscheidungen in die Betrachtungen mit einbezogen, nicht zuletzt auch deshalb, um gegenseitige Abhängigkeiten zwischen Lieferanten und Kunden deutlich herausarbeiten zu können. Im Vordergrund steht dabei auch die Betrachtung sozialpychologischer Konstrukte wie Vertrauen, Zufriedenheit und Commitment (Backhaus & Baumeister, 1999). Die Interaktionsansätze lassen sich grundsätzlich in Prozess- und Strukturmodelle unterscheiden, wobei die Prozessmodelle mit ihrer Betrachtung der Veränderung der Beziehung im Laufe der Zeit eher für die Erklärung des Konstruktes der Bindung geeignet erscheinen. Zu einer Aufzählung der relevanten Prozessmodelle im Rahmen der Interaktionsansät- Theoretische Grundlagen 69 ze sei an dieser Stelle auf (Homburg & Bruhn, 1999) verwiesen. Eine we itere Unterteilung dieser Ansätze wird häufig in die sogenannten Total- und Partialmodelle vorgenommen. Die Totalmodelle beziehen sich dabei auf den Versuch, alle relevanten Determinanten der Geschäftsbeziehung zu erfassen. Diese Modelle können als multidimensionale Modelle charakterisiert werden, die sowohl einzelne Transkations- episoden als auch den Beziehungsaspekt gleichzeitig berücksichtigen. Des weiteren ist diesen Modellen zu eigen, dass sie strukturelle und prozessuale Aspekte gemeinsam betrachten. Das bekannteste Modell dieser Kategorie wurde von der Industrial Marketing and Purchasing Group (Hakansson, 1982) entwickelt. Partialmodelle hingegen beziehen sich nur auf einzelne Determinanten einer AnbieterNachfrager-Beziehung. Dabei können drei verschiedene Aspekte unterteilt werden: erstens können die Beziehungsstrukturen betrachtet werden, zweitens können die Phasen der Beziehungsentwicklung untersucht werden, und drittens kann grundsätzlich die Entstehung von Kundenbindung analysiert werden. Der Ansatz von (Wind, 1970) kann als ein Beispiel für die Untersuchung der Beziehungsstrukturen genommen werden, der Ansatz von (Ford, 1980) beschreibt die Beziehungsphasen und Beziehungsfaktoren und der Ansatz von (Metcalf et al. 1990) soll exemplarisch für die Analyse der Bindungsbeschreibung genannt werden. Diese Modelle können an dieser Stelle allerdings nicht ausführlicher behandelt werden, da dies den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. 2.2.4.4 Erklärungsansätze aus transaktionsorientierter Sicht Als vierten Erklärungsansatz für das Konstrukt der Kundenbindung soll im folgenden Abschnitt kurz auf den Transaktionskostenansatz eingegangen werden. Diese Theorie ist in den dreissiger Jahren von (Coase, 1937) entwickelt worden, allerdings gelang dieser Theorie erst durch Williamson der Durchbruch in der betriebswirtschaftlichen Fachwelt (Williamson, 1975). Die Transaktionskostentheorie, als Teilbereich der neuen institutionellen Ökonomie, geht der Frage nach, wie mit Hilfe der geeigneten Auswahl einer Koordinationsform eine sozioökonomische Austauschbeziehung optimal gestaltet werden kann. Entscheidende Annahme in diesem Zusammenhang ist, dass der Gebrauch des Preismechanismus mit Kosten, den sogenannten Transaktionskosten, einher geht. Diese Kosten können als Kosten der Anbahnung, Abwicklung, Kontrolle, Anpassung und Auflösung von Verträgen und den Opportunitätskosten aufgefasst werden. Gemäss Transaktionskostentheorie weisen diese Kosten einen überproportional positiven Zusammenhang mit dem Grad der Unsicherheit, der Spezifizität und der Häufigkeit einer Transaktion auf. Wenn eine gewisse Schwe lle dieser Parameter überschritten ist, geht 70 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien (Williamson, 1991) davon aus, dass eine Geschäftsbeziehung unter dem Gesichtspunkt der Transaktionskosten der Organisationsform des Marktes vorzuziehen ist. Der Faktor der Unsicherheit ist weiter oben schon besprochen worden. Die Spezifizität kann als ein Mass für die eingeengte Verwendbarkeit, beispielsweise einer Maschine, angesehen werden. Diese sogenannte Faktorspezifität gibt an, wie stark die Beteiligten dauerhafte Investitionen zum Beispiel in eine proprietäre Technologie zur Unterstützung der Transaktione n getätigt haben. Die Bindung entsteht nun in diesem Fall durch die starke Abhängigkeit zu dieser Technologie, da ein Abwenden von dieser Lösung einem Vernichten der getätigten Investitionen gleich kommen würde (Williamson, 1990) (S. 61). Die Häufigkeit der Transaktion hat nur mittelbar Einfluss auf die Wahl der entsprechenden Koordinationsform. Es wird davon ausgegangen, dass bei sich häufig wiederholenden Transaktionen die Kosten für die Beherrschungs- und Überwachungssytemen am ehesten möglichst gering gehalten werden können (Williamson, 1990) (S. 69). Abschliessend bleibt festzuhalten, dass die Transaktionskostentheorie insofern geeignet für die Erklärung des Konstruktes Kundenbeziehung ist, als dass anhand der Transaktionskosten eine Geschäftsbeziehung als optimale Koordinationsform beurteilt werden kann. Die vorgestellten theoretischen Erklärungsansätze bilden dabei unter anderem die Basis für die Ableitung von sogenannten Determinanten, welche die Kundenbindung beschreiben. Im nächsten Abschnitt wird näher auf diese Determinanten der Kundenbindung eingegangen. 2.2.5 Determinanten der Kundenbindung In der einschlägigen Literatur findet sich eine Reihe von Ansätzen zur Beschreibung der Determinanten der Kundenbindung. Im wesentlichen kann man fünf verschiedene Ansätze voneinander unterscheiden, wobei alle Ansätze Erklärungsversuche für das Konstrukt der Kundenbindung geben wollen. Gemein haben diese Ansätze des weiteren, dass der Sinn und Zweck dieser Determinanten zum einen in der Darstellung des Grades bzw. der Qualität der Kundenbindung, zum anderen in der Erkennung von Ansatzpunkten zur Steigerung der Kundenbindung anhand dieser Determinanten besteht. Im folgenden werden die ersten vier Ansätze kurz erläutert, um dann unter 2.2.5.5 den Ansatz von Tomczak und Dittrich zur Beschreibung der Determinanten der Kundenbindung ausführlicher vorzustellen. Anhand dieses Ansatzes soll im weiteren Verlauf die Transformation der Determinanten durch die neuen Medien und die Veränderungen des Konsumentenverhaltens, die im 3. Kapitel umfassend vorgestellt werden, ve rdeutlicht werden. Die transformierten Determinanten der Kundenbindung stellen dabei 71 Theoretische Grundlagen den Ausgangspunkt für die Entwicklung des Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien dar. 2.2.5.1 Ansatz nach Homburg/Fassnacht (Homburg & Fassnacht, 1998) (S.415 f.) beschreiben das Konstrukt der Kundenbindung in Anlehnung an (Meyer & Oevermann, 1995) durch die beiden Determinanten des bisherigen Verhaltens und der Verhaltensabsicht. Das bisherige Verhalten des Konsumenten umfasst dabei die vollzogenen Wiederkäufe, die getätigten Zusatzkäufe (Cross-Buying) und die tatsächlich ausgesprochenen Weiterempfehlungen. Diese Determinante des bisherigen Verhaltens ist insofern vergangenheits- bzw. gegenwartsorientiert. Im Gegensatz dazu kennzeichnet die zweite Determinante des Konstruktes der Kundenbindung in den Augen von (Homburg & Fassnacht, 1998) die Verhaltensabsicht der Kunden und ist somit in die Zukunft gerichtet. Folgende Abbildung verdeutlicht diesen Zusammenhang. Kundenbindung Zukünftiges Verhalten Bisheriges Verhalten Wiederkauf Weiterempfehlung Wiederkaufabsicht Zusatzkaufabsicht Weiterempfehlungsabsicht Abbildung 2-11: Determinanten der Kundenbindung nach (Homburg & Fassnacht, 1998)28 Eine ähnliche Konzeptualisierung des Konstruktes Kundenbindung durch eine ex postund ex ante-Zeitebene sieht auch (Bruhn, 1999). Die Absichten der Kunden werden dabei häufig als Indikator für die Kundenbindung angesehen (Bruhn, 1999) (S.111). Ebenso konnte eine Studie im pharmazeutischen Markt die positive Verbindung zwischen der Kundenbindung und dem Wiederkauf- und Weiterempfehlungsverhalten, 28 Quelle: (Homburg & Fassnacht, 1998) (S.415) 72 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien also die ex post-Dimension der Kundenbindung, belegen. Aus den gewonnenen Ergebnissen der Untersuchung konnten des weiteren Ansatzpunkte für ein effektives Kundenbindungsmanagement identifiziert werden (Hujer et al. 1999), das allerdings an dieser Stelle nicht vertieft werden soll, da auf diesen Zusammenhang im weiteren Verlauf der Arbeit noch intensiver eingegangen wird. 2.2.5.2 Ansatz nach Diller Der zweite Ansatz zur Beschreibung der Determinanten der Kundenbindung lässt sich auf (Diller, 1995) (S.16ff.) zurückführen. Aus den Ansätzen zur Typologisierung der Kundenbindung leiten sich Determinanten zur Beschreibung dieses Konstruktes ab. Er versucht das vielschichtige Phänomen des Konstruktes der Kundenbindung durch die Determinanten: ?? Zufriedenheit ?? Vertrauen ?? Commitment und ?? Involvement zu erfassen. Insbesondere die Kundenzufriedenheit stellt dabei eine besonders wichtige Determinante dar, da sie unmittelbar vom Anbieter beeinflusst werden kann. Nach (Eckert, 1994) setzt sich die „Kundenbindung aus der Kundenzufriedenheit und mehr“ zusammen. Kundenzufriedenheit bildet sich seiner Meinung nach wiederum aus der Erfüllung des Leistungsversprechens und der Qualität der Interaktion mit dem Kunden. Gewisse Versprechen, die der Anbieter gegenüber dem Kunden abgibt, wecken potentielle Erwartungen, deren Erfüllung beim Konsumenten Zufriedenheit verursacht. Diese Zufriedenheit ist die Basis für weitere Massnahmen zur Etablierung einer Kundenbeziehung, da eine nicht zufriedenstellende Kern- und Nebenleistung keine Kunden binden wird und demzufolge weitere Massnahmen sinnlos erscheinen liesse. Leistungsversprechen müssen erfüllt sein, wenn Zufriedenheit beim Kunden hervorgerufen werden soll. Ebenso beschreiben (Bliemel & Eggert, 1998) Zufriedenheit als wichtigen Parameter für die Kundenbindung. In ihren Augen entsteht Zufriedenheit bei den Kunden „wenn sie den empfangenen Nettonutzen aus einer Austauschbeziehung mit ihren Erwartungen abgleichen und der Saldo positiv ausfällt.“ (Bliemel & Eggert, 1998) (S.39). Theoretische Grundlagen 73 Aus dieser Erkenntnis lassen sich zwei grundsätzliche Ansatzpunkte für die Aktivitäten zur Steigerung der Zufriedenheit und damit zur Intensivierung der Kundenbindung ableiten. Zum einen muss der vom Kunden (subjektive) wahrgenomme Nutzen gesteigert werden und zum anderen müssen die Erwartungshaltung der Kunden auf ein realistisches Niveau gebracht werden, damit bei der Saldenbildung der Betrag möglichst gross ausfällt. Der Nettonutzen an sich lässt sich wiederum durch zwei Kriterien gestalten. Zum einen sollte erreicht werden, dass die Nutzensumme gesteigert wird und parallel dazu die Aufwandsumme gesenkt wird. Gelingt es, diese beiden Kriterien zu beeinflussen, ist es möglich den Nettonutzen zu steigern. Im Gegensatz zu den oben vorgestellten Autoren bezweifeln einige andere Autoren (z.B. (Stauss & Neuhaus, 1996); (Henning, 1996)) den positiven Zusammenhang zwischen der Kundenbindung und der Zufriedenheit. Auch bei Tomczak/Dittrich werden Faktoren vorgestellt (2.2.5.5), die für eine Kundenabwanderung trotz Zufriedenheit verantwortlich gemacht werden. Hier zeigt sich die Verbindung zum Investitionsmodell von (Rusbult 1983), das ebenso neben der Zufriedenheit weitere Parameter, wie die getätigen Investitionen in eine Beziehung und die Existenz von attraktiven Alternativangeboten, für den Grad der Kundenbindung verantwortlich macht. Die Vertrauenswerbung sieht (Diller, 1995) (S.24) des weiteren als wichtiges Begleitziel der Kundenbindung, um den sogenannten Echo-Effekt, d.h. Vertrauen stellt Harmonie und Stabilität her, da es selbst wiederum Vertrauen bewirkt, nutzen zu können. Kundenbindung basierend auf Vertrauen ist folglich der Kundenbindung ohne Ve rtrauen überlegen, da sich in ihr die selbstverstärkenden Kräfte des Echo-Effektes besser entfalten können. Vertrauen wird in diesem Sinne nach (Luhmann, 1973) (S.23f.) als „Problem der riskanten Vorleistung“ und als „Strategie des Menschen, sich vor Überforderungen durch die Komplexität der Umwelt zu schützen, um überhaupt handlungsfähig zu sein“, definiert. Ziel der Vertrauenswerbung, wie sie (Diller, 1995) fordert, ist dementsprechend eine Reduktion der Unsicherheit. In diesem Zusammenhang zeigt sich die Verbindung zu den verhaltenswissenschaftlichen Erklärungsansätzen der Kundenbindung, namentlich der Risikotheorie (vgl. (v.Rosenstiel & Ewald, 1979) (S.92f.)). Als dritten Punkt sieht (Diller, 1995) (S.19f.) eine Verbindung zwischen der Kundenbindung und dem Commitment. Das Konstrukt „Commitment“ wird in der Literatur nicht einheitlich definiert (Söllner, 1993) (S.92ff.). Commitment wird in diesem Zusammenhang als verhaltenswissenschaftliches Konstrukt verstanden, das die innere Verpflichtung einer Person gegenüber einem Bezugsobjekt beschreibt und den Wunsch nach Entwicklung stabiler Geschäftsbeziehungen, die Bereitschaft kurzfristige Opfer zu erbringen und Vertrauen in die Stabilität der Beziehung, beinhaltet (Diller, 74 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 1995) (S.20). (Dwyer et al. 1987) (S.19) beschreiben den Begriff Commitment allgemeiner als „an implicit or explicit pledge of relational continuity between exchange partners.“ Diese innere Verpflichtung gegenüber einem Anbieter kann dabei beispielsweise das Ergebnis von grosszügigen Kulanzleistungen sein, die beim Endkunden ein moralisch-ethisch begründetes Dankbarkeitsempfinden auslösen, so dass der grosszügig behandelte Kunde ein gewisses Commitment gegenüber dem Anbieter empfindet (Tomczak & Dittrich, 1997) (S.22). Involvement als weitere Determinante zur Beschreibung der Kundenbindung hat einen wesentlichen Einfluss auf das Kauf- und Informationsverhalten (Krugman, 1965). Involvement kann dabei als „Aktivierungsgrad bzw. Motivstärke zur objektgerichteten Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und –speicherung“ verstanden werden (Trommsdorff, 1998) (S.50). Das Konstrukt des Involvement zeigt somit starke Ve rbindung zu dem jeweilig individuellen Wertesystem des einzelnen Kunden auf. Je nach Stärke des Involvement unterscheidet (Diller, 1995) nach einer „heissen“ und „kalten“ Kundenbindung. Es ergeben sich dabei Möglichkeiten für die Anbieter, den Grad des Involvement zu beeinflussen (Diller, 1995) (S.18f.). (Trommsdorff, 1998) (S.52ff.) hat fünf wesentliche Determinanten des Involvement identifiziert: Person, Situation, Produkt, Medium und Botschaft, wobei die letzten drei Determinanten stimulusspezifische Faktoren darstellen. So ergeben sich z.B. für das Produktinvolvement verschiedene Faktoren, auf die Einfluss genommen werden kann (Kapferer & Laurent, 1985). Durch die explizite Beschreibung des Involvement als eine Determinante der Kundenbindung hebt sich der Ansatz von (Diller, 1995) von anderen, ähnlichen Ansätzen hervor. Die Ansätze von (Bliemel & Eggert, 1998) und (Bauer et al. 1998) umfassen dabei beispielsweise zwar auch die Determinanten der Zufriedenheit, des Vertrauens und des Commitment, lassen allerdings den Aspekt des Involvement, der auch die Wertvorstellungen der Kunden miteinbezieht, ausser Acht. 2.2.5.3 Ansatz nach Weinberg Nach (Weinberg, 1999) (S.44) basiert das psychische Konstrukt der Kundenbindung zumeist auf dem Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Integration im Sinne von Ve rpflichtung und Verbundenheit. (Kroeber-Riel & Weinberg, 1996) (S.141ff.) ergänzen, dass das Bindungsbedürfnis, das mit einer Handlungsorientierung verbunden sein kann, auf einer allgemeinen menschlichen Antriebskraft beruht. (Weinberg, 1999) sieht die wesentlichen Determinanten zur Beschreibung der Kundenbindung in der Einstellung und Werteorientierung der Kunden. Durch diese verhaltenswissenschaftliche Sichtweise wird somit beispielsweise die Kundenzufriedenheit als eine Determinante der Kundenbindung ausgeklammert, da sie als Grundlage für die Kundenbin- Theoretische Grundlagen 75 dung vorausgesetzt wird. Begründet wird die Fokussierung auf die genannten Determinanten durch die Suche der Kunden nach Interaktionsdimensionen, die das persönliche Werte- und Selbsterlebnisgefühl ausdrücken. Insbesondere durch die immer austauschbarer werdenden angebotenen Leistungen auf Märkten mit Sättigungserscheinungen, werden nur die Anbieter langfristig Kunden an sich binden können, die es schaffen, das Wertesystem und die Einstellung der Kunden zu verstehen und mit den entsprechenden Leistungen zu befriedigen. Einstellungen werden dabei als „die subjektiv wahrgenommene Eignung von Objekten (dazu zählen auch Personen und Institutionen) zur Befriedigung eigener Motivationen (wie persönlich und ökonomisch erfolgreiche Geschäftsbeziehungen) umschrieben. Sie drücken also subjektiv, emotional und kognitiv fundierte Urteile aus.“ (Weinberg, 1999) (S.44). Allerdings werden diese Einstellungen bei den Konsumenten häufig durch Werte, wie die Erlebnisorientierung, überlagert, so dass es entscheidend ist, nicht nur die Einstellung der Kunden zu kennen und zu berücksichtigen, sondern ebenso auch den entsprechenden Wertewandel in die Überlegungen zur Gestaltung der Kundenbeziehung miteinzubeziehen. 2.2.5.4 Ansatz nach Peter Als vierter Ansatz zur Beschreibung des Konstruktes Kundenbindung wird ein Konzept von (Peter, 1997) vorgestellt. Im Gegensatz zum vorherigen Ansatz wird die Zufriedenheit als wesentliche Determinante zur Beschreibung der Kundenbindung explizit berücksichtigt. Zusätzlich spricht sie von sogenannten ökonomischen, psychologischen und sozialen Wechselbarrieren, die den Grad der Kundenbindung je nach Ausprägung positiv beeinflussen. Wechselbarrieren lassen sich grundsätzlich als „Hemmnisse jedweder Art definieren, welche aus Sicht des Kunden die Abwanderung zu einem anderen Anbieter erschweren oder gar unmöglich machen.“ (Peter, 1997) (S.117). Die ökonomischen Wechselbarrieren werden dabei durch das Vorhandensein von Wechselkosten errichtet. Diese Wechselkosten entstehen durch Rabatte, Kosten des Lieferantenwechsels und dem zeitlichen Aufwand für die Vertragsverhandlungen mit einem möglichen neuen Anbieter (Peter, 1998) (S.78). Ähnlich sieht auch (Meffert, 1999) in einer Erhöhung der Wechselkosten die Möglichkeit zur Steigerung der Kundenbindung. „Bei der ökonomischen Kundenbindung wird die Geschäftsbeziehung derart gestaltet, dass ein Wechsel für den Kunden auf Grund tatsächlicher oder wahrgenommener Wechselkosten unvorteilhaft wird.“ (Meffert, 1999) (S.128). (Plinke, 1997) (S.35) versteht unter den Wechselkosten die direkten Kosten, die Opportunitätskosten und die versunkenen Kosten. Direkte Kosten umfassen dabei die Kosten der Suche, der Anbahnung und der Vereinbarung einer neuen Geschäftsbezie- 76 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien hung. Opportunitätskosten beschreiben den entgangenen Nutzen einer Andersverwe ndung von Ressourcen, was dem Verzicht auf den Nettonutzen einer bisherigen Beziehung entspricht. Die versunkenen Kosten oder auch sunk costs stellen die in der Ve rgangenheit angefallenen Kosten oder Investitionen in eine Beziehung dar, die im Regelfall so spezifisch sind, das sie nach Beendigung einer Beziehung nicht weiter genutzt werden können. Diese Investitionen entsprechen den unter 2.2.4.1 beschriebenen Investitionen des Investment-Modells nach Rusbult, so dass sich auch an dieser Stelle eine enge Verknüpfung zwischen den theoretischen Grundlagen und den abgeleiteten Determinanten ergibt. Neben den ökonomischen Wechselbarrieren sind nach (Peter, 1998) ebenso psychische und soziale Wechselbarrieren verantwortlich für die Kundenbindung. Die psychischen Wechselbarrieren beziehen sich dabei auf immaterielle und nicht monetäre Vorteile für die Kunden in Form einer positiven emotionalen Empfindung gegenüber dem Transaktionspartner. Vertrauen und gewachsene Werte nehmen dabei eine entscheidende Rolle ein. Gewachsene Werte können unterschiedliche Aspekte, wie beispielsweise eingespielte Kommunikations- und Verhaltensmuster, gemeinsame Wertevorstellungen, Image etc. umfassen. Insofern ergibt sich hier eine Beziehung zu den psychischen Determinanten der Kundenbindung nach dem Ansatz von (Weinberg, 1999). Soziale Wechselbarrieren entstehen durch unterschiedliche Arten der Integration der Kunden in das Unternehmensgeschehen und sollen ein „Wir-Gefühl“ erzeugen. „Die soziale Einbindung kann dabei ein breites Spektrum von Ausprägungsformen annehmen, wie z.B. die Einladung von Schlüsselkunden zu Unternehmensstrategiesitzungen, die Etablierung von Kundenbeiräten sowie die Beteiligung von Abnehmern an Forschungs- und Entwicklungsaufgaben.“ (Peter, 1997) (S. 122). Die psychischen und sozialen Wechselbarrieren können als emotionale Wechselbarrieren zusammengefasst werden. Allerdings weist sie auch daraufhin, dass kaum eine klare Grenze zwischen den sozialen und psychischen Wechselbarrieren gezogen werden, da sich eine Vielzahl von Überschneidungen ergeben. Beide Wechselbarrieren haben nichtsdestotrotz gemein, dass sie einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Kundenbindung haben. Der Begriff der Wechselbarrieren wird allerdings in der Literatur unterschiedlich genutzt (Peter, 1997) (S.15). So verwendet beispielsweise auch (Ping, 1990) (S.86) den Begriff der Wechselbarrieren, gebraucht ihn allerdings in leicht abgeänderter Form. Bezogen auf Geschäftsbeziehungen zwischen PC-Händlern und ihren Zulieferern definiert er Wechselbarrieren als alle Aufwendungen eines Abnehmers, die mit der Abwanderung zu einem anderen Anbieter anfallen. Diese Wechselbarrieren nach (Ping, Theoretische Grundlagen 77 1990) (S.186ff.) lassen sich dabei in die Kategorien Beendigungskosten, Set-upKosten, Verlust der materiellen und immateriellen Vorteile bei Beendigung der Beziehung und die Risiken, die mit einer neuen Geschäftsbeziehung verbunden sind, einteilen. In dieser Definition sind zwar ebenso neben den ökonomischen Faktoren auch die nichtökonomischen Faktoren enthalten, allerdings werden die psychologischen und sozialen Wechselbarrieren nicht in die Betrachtung mit einbezogen. Des weiteren erwähnt (Peter, 1997) in ihrem Ansatz auch zwei Faktoren, die negativ auf den Grad der Kundenbindung einwirken. Zum einen kann das Bedürfnis nach Abwechslung (Variety Seeking) genannt werden, und zum anderen kann sich durch die Attraktivität von Konkurrenzangeboten bei den Konsumenten auch der Wunsch nach einem Anbieterwechsel ergeben. In dem folgenden Ansatz werden diese Punkte aufgegriffen und erweitert. 2.2.5.5 Ansatz nach Tomczak/Dittrich Im folgenden werden die Determinanten der Kundenbindung nach Tomczak/Dittrich ausführlicher vorgestellt (Tomczak & Dittrich, 1997). In diesem Ansatz werden vier verschiedene Determinantengruppen, die ihrerseits wiederum einzelne Determinanten enthalten, unterschieden. Diese Determinantengruppen umfassen dabei die schon vo rgestellten Determinanten und ergänzen diese um weitere Faktoren, so dass dieser Ansatz als der Umfangreichste zur Beschreibung der Kundenbindung angesehen werden kann. Daher wird auch unter 4.2 anhand dieser Determinanten der Kundenbindung die Transformation durch die neuen Medien und durch das veränderte Konsumentenve rhalten verdeutlicht, um darauf aufbauend Ansatzpunkte für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien abzuleiten. Folgende Abbildung soll einen Überblick zu den Determinanten nach (Tomczak & Dittrich, 1997) geben. 78 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Wettbewerbsinduzierte (Quasi) Alleinanbieter Psychologische Zufriedenheit Vertrauen Commitment Faktische Bindungs determinanten technologische Faktoren rechtliche Faktoren ökonomische Faktoren Situative Nichtverfügbarkeit Bequemlichkeit Abbildung 2-12: Determinanten der Kundenbindung nach (Tomczak & Dittrich, 1997)29 Die wettbewerbsinduzierten Determinanten der Kundenbindung beschreiben die Situation, dass keine ökonomisch sinnvollen Alternativen zu dem bestehenden Anbieter existieren bzw. von den Kunden, beispielsweise auf Grund prohibitiver Transaktionskosten, erkannt werden. Interessant ist bei diesem Punkt auch die Verbindung zu der Transaktionskostentheorie, wi e sie unter 2.2.4.4 als theoretischer Erklärungsansatz zur Kundenbindung eingeführt wurde. Sind die Transaktionskosten der Suche, Vertragsvereinbarung etc. unverhältnismässig hoch, ergibt sich dadurch auch wiederum eine Wechselbarriere. Es handelt sich um ein Quasi-Monopol, das durch die QuasiAlleinstellung des Anbieters zu einer gewissen Kundenbindung führt. Es kann dementsprechend vorkommen, dass trotz extremer Unzufriedenheit der Kunden, diese bei gleichbleibenden Bedürfnissen immer wieder die Angebote des einen Anbieters nutzen müssen. Wenn die Kunden eine derartige Beziehung nicht fortführen wollen, bleibt ihnen nur der Ausweg entweder das benötigte Gut selbst zu erstellen oder ihre Bedürfnisse derart zu verändern, dass sich Ersatzbefriedigungen finden lassen. Insbesondere diese Determinante der Kundenbindung kann im Gegensatz zu den weiter oben vorgestellten Konzepten als neu erachtet werden, da sich die anderen Ansätze zur Erklärung der Kundenbindung hauptsächlich auf die verhaltenstechnischen Aspekte der Anbieter-Kunden-Beziehung beziehen und marktliche Aspekte, wie die Betrachtung der 29 Quelle: (Tomczak & Dittrich, 1997) (S. 13) Theoretische Grundlagen 79 Wettbewerbssituation, aussen vorlassen. Mangelnder Wettbewerb kann über die entsprechend eingeschränkte Auswahl an ökonomisch sinnvollen Al ternativen in diesem Sinne ebenso zur einer Art Kundenbindung beitragen. Die faktischen Bindungsdeterminanten, welche die technologischen, rechtlichen und ökonomischen Faktoren umfassen, beziehen sich vor allen Dingen auf das AnbieterKunden-Verhältnis. Diese Art der Bindungsdeterminanten werden auch als „harte“ Faktoren der Bindung bezeichnet. Die technologische Kundenbindung basiert auf technologisch-funktionalen Kriterien, wie beispielsweise proprietären technischen Standards, die es unmöglich machen, Produkte oder Leistungen von anderen Anbietern zu nutzen. Wenn sich ein Kunde einmal für ein bestimmtes System entscheidet, muss er häufig schon im Sinne des Investitionsschutzes bei diesem Anbieter bleiben. Für den Anbieter ergeben sich daraus Möglichkeiten, Wiederholungskäufe beim Nachfrager zu induzieren und Zusatzleistungen anzubieten, die ein anbieterspezifisches Know-How voraussetzen. So kann der Wartungs- und Reparaturservice als Beispiel für eine durch technisch-funktionale Kriterien bedingte Zusatzleistung genannt werden. Die beim Konsument induzierten Wiederholungskäufe beziehen sich zum Beispiel auf die Beschaffung von notwendigen Ersatzteilen oder Erweiterungskäufen in Form von Software-Updates. Allerdings muss man bedenken, dass sich solche Faktoren auch negativ auf die Kaufentscheidung des Kunden auswirken können, da die Kunden ihre Wahlfreiheit verlieren. Vielen Kunden ist die Wahlfreiheit, beispielsweise auch Module von anderen Anbietern nutzen zu können sehr wichtig, insofern ist es durchaus möglich, dass sie sich dann gegen diesen Anbieter entscheiden. Haben sie sich allerdings einmal für einen Anbieter solch proprietärer Systeme entschieden, ist der Grad der Kundenbindung relativ hoch. Bei (Tomczak & Dittrich, 1997) werden des weiteren auch die rechtlichen Faktoren erwähnt, die ebenso zur Steigerung der Kundenbindung beitragen können. So sind zum Beispiel Garantie- oder Wartungsverträge vertraglich vereinbarte Zusatzleistungen, die den Grad der Kundenbindung erhöhen. Ebenso können vertraglich vereinbarte Wiederholungskäufe, wie beispielsweise bei einem Abonnement, Mindestbezugsve reinbarungen oder Versicherungsverträge mit fest vereinbarten, regelmässigen Zahlungen, auch zu einer Art Kundenbindung beitragen, weil der Kunden immer wieder per Vertrag Leistungen bei diesem Anbieter abnehmen bzw. Zahlungen leisten muss. Ein Ausstieg aus den Verträgen und damit aus der Kundenbeziehung ist teilweise gar nicht oder nur über gewisse vertraglich vereinbarte Sanktionen, wie zum Beispiel Austrittsgebühren, möglich. Bei den ökonomischen Determinanten der Kundenbindung, als eine Ausprägung der faktischen Determinanten, handelt es sich um eine übergeordnete Kategorie der Bin- 80 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien dungsdeterminanten, da die individuelle Abschätzung des Kosten-NutzenVerhältnisses durch die einzelnen Kunden die Basis für Wiederholungskäufe und somit für die Kundenbindung darstellt. Ökonomische Faktoren als Determinanten zur Kundenbindung liegen demzufolge vor, wenn das Produkt oder die Leistung durch ein überzeugendes Preis/Leistungsverhältnis und einem deutlichen Mehrwert die Kunden immer wieder zu einem Wiederholungskauf veranlasst. Um Wechselbarrieren in diesem Bereich aufzubauen, sollte man zum einen im Verlauf der Beziehung die Qualität z. B. durch Zusatzangebote für Stammkunden steigern und zum anderen die Kosten zum Beispiel in Form von Rabattsystemen reduzieren, um so den Grad und auch die Qualität der Kundenbindung zu steigern (Olbermann et al. 2000). Ausserdem kann durch die Erhöhung der Wechselkosten, z.B. in Form von Austrittsgebühren, Verlust von Vorteilen beim Austritt etc., die Kundenbindung erhöht werden. Allerdings zeigen sich hier Überschneidungen zu den rechtlichen Faktoren, so dass insbesondere bei der Erhöhung der Wechselkosten in vielen Fällen zunächst eine rechtliche Grundlage z.B. für Austrittsgebühren geschaffen werden muss. Wenn die Kundenbindung auf Grund der Bequemlichkeit der Kunden zustande kommt bzw. auf Grund der Nichtverfügbarkeit eines Produktes nicht aufgebaut werden kann, wird von situativen Faktoren gesprochen. Die Nichtverfügbarkeit beschreibt dabei die Situation, dass ein Kunde den Anbieter wechseln muss, weil sein bisheriger Anbieter das gewünschte Produkt oder die gewünschte Leistung - aus welchen Gründen auch immer – nicht anbieten kann. In dem Sinne wirkt die Nichtverfügbarkeit in einer konkreten Kaufsituation negativ auf den Grad der Kundenbindung, insofern lässt sich daraus für den Anbieter die Anforderung ableiten, die gewünschte Leistung vorrätig zu haben, um die Kunden nicht zu einem Wettbewerber abwandern zu lassen. Umgekehrt kann die mangelnde Erwerbsmöglichkeit auch durch die Kunden verursacht sein, wenn sich das Zeit- und/oder Geldbudget der bisherigen Kunden verändert, so dass beispielsweise keine Leistungen mehr erworben werden können bzw. andere Leistungen nun mit erhöhtem Budget gekauft werden können. Anbieter sollten in der Lage sein, diese Veränderungen zu erkennen und entsprechend budgetadäquate Angebote im Sinne des Up- oder Down-Selling anzubieten, um die Beziehung zu den Kunden nicht zu verlieren. Der zweite Punkt der situativen Determinanten der Kundenbindung spricht die Bequemlichkeit der Kunden an. So kann es zum Beispiel zu einer Kundenbindung kommen, wenn die Kunden verschiedene Bedürfnisse auf einmal und in einer für sie sehr bequemen Art decken können. So kann zum Beispiel die Bindung zu einem Bäcker, der auf dem Weg zur Arbeit liegt, sehr hoch sein, weil man sowieso jeden Morgen dort vorbei kommt. Ohne nun auf besondere Produkt- oder Leistungseigenschaften zu Theoretische Grundlagen 81 schauen, entsteht trotzdem auf Grund der Bequemlichkeit für die Kunden eine Beziehung zu diesem Anbieter. In diesem Zusammenhang kann des weiteren auch das Phänomen einer gewissen Vertrautheit und Gewöhnung der Kunden in die notwendigen Transaktionsprozesse, in die situativen Faktoren eingeordnet werden, das dann eine zusätzliche Steigerung der Kundenbindung bewirkt. Die psychologischen Determinanten der Kundenbindung fassen die Konstrukte der Zufriedenheit, des Vertrauens und des Commitment zusammen. Diese psychologischen Faktoren können auch als „Softfacts“ bezeichnet we rden. Auf den Zusammenhang zwischen der Kundenbindung und der Zufriedenheit ist we iter oben schon intensiv eingegangen worden, so dass an dieser Stelle nur kurz die Sichtweise zu der Thematik von (Tomczak & Dittrich, 1997) wieder gegeben werden soll. Auch sie heben die positive Verbindung zwischen Zufriedenheit und Kundenbindung hervor, allerdings führen sie auch vier Gründe an, die veranschaulichen, warum Zufriedenheit nicht zwangsläufig zu einer Kundenbindung führen muss. Zunächst wird auf die „wahre“ Intensität der Kundenzufriedenheit verwiesen, da es je nach Untersuchungsmethodik und – design zu unterschiedlich interpretierbaren Ergebnissen kommen kann. Zwischen „zufriedenen“ und „sehr zufriedenen“ Kunden lässt sich entsprechend auch ein unterschiedlich hoher Grad der Kundenbindung feststellen. „Zufriedene“ Kunden werden eher zu einem Anbieterwechsel neigen als „sehr zufriedene“ Kunden. Neben der Intensität der Zufriedenheit führen (Stauss & Neuhaus, 1996) verschiedene (Un)Zufriedenheitstypen an, die wiederum ihrerseits unterschiedlich ausgeprägte Gr ade der Kundenbindung haben. Als weitere Ursache für die Abwanderung der Kunden trotz Zufriedenheit erwähnen (Tomczak & Dittrich, 1997), wie beispielsweise auch (Peter, 1997), das sogenannte Variety-Seeking-Motiv. Dieses Motiv wird dabei als Folge des Bedürfnisses nach Abwechslung verstanden und ist abhängig von verschiedenen Parametern, wie der Anzahl der verfügbaren Alternativen, der Kürze der Kauffrequenz, dem empfundenen Involvement zu verschiedenen Gütern etc. Ebenso ist das wahrgenommene Risiko eine Ursache für das Variety-Seeking. Je geringer das empfundene Risiko beim Wechsel des Anbieters ist, desto eher besteht die Bereitschaft den Wechsel zu wagen (Bänsch, 1995), (Helmig, 1997). Als vierten und letzten Punkt zur Betrachtung des Verhältnisses zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung wird von (Tomczak & Dittrich, 1997) das Angebot von attraktiven Konkurrenzleistungen gesehen, das ebenso einen Einfluss auf die Wechselbereitschaft der Kunden hat. Die Attraktivität des Konkurrenzangebotes ist von mehreren Faktoren abhängig: Zum einen spielen die Leistungsmerkmale wie Service, Garantien und Design eine große Rolle. Genauso kann auch das herausragende 82 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Image eines Anbieters ausschlaggebend sein. Das Ausmaß der Attraktivität wird bestimmt von der subjektiven Bedeutung der einzelnen Leistungsmerkmale für den Abnehmer. Als Basis für die Einschätzung des Konkurrenzangebots dient letztendlich die Leistung des momentanen Lieferanten (Hildebrandt, 1998) (S.69). In einer Untersuchung von (Jones & Sasser Jr., 1995) konnte der branchenspezifische Zusammenhang zwischen der Kundenbindung und der Zufriedenheit nachgewiesen werden. So war bei lokalen Telefongesellschaften die Kundenbindung trotz einer sehr geringen Zufriedenheit sehr hoch, wohingegen sich für den Automobilsektor ein umgekehrtes Bild ergab, trotz zufriedener Kunden, war der Grad der Kundenbindung eher gering. Zurückzuführen könnte dies auf den Grad der Wettbewerbsintensität und die entsprechende Käuferdominanz in den Märkten sein. So ergibt sich bei einer lokalen Telefongesellschaft eher eine wettbewerbsinduzierte Kundenbindung, da es sich um eine QuasiMonopolstellung handeln könnte. Neben der Kundenzufriedenheit wird bei (Tomczak & Dittrich, 1997), wie auch bei den meisten anderen vorgestellten Ansätzen, das Vertrauen als weitere, wesentliche Determinante zur Gestaltung der Kundenbindung betrachtet. Jede Kaufsituation bedeutet, eine Entscheidung zu treffen, die mit einem gewissen Risiko behaftet ist. Für die Kunden stellt sich die Frage, ob das erworbene Produkt die gewünschte Problemlösung ermöglicht und wenn nicht, ob sich daraus negative Folgen ergeben und wie die negativen Folgen empfunden werden. Durch eine umfangreiche Informationssuche und – bewertung, die durch das gegebene Zeit- und Kostenbudget beschränkt ist, können die Kunden versuchen ihr Risiko zu minimieren. Auf der anderen Seite kann der Anbieter durch Zertifikate von unabhängigen Dritten (z.B. Stiftung Warentest), umfangreiche vertragliche Absicherungen (z.B. Rückgaberecht) etc. versuchen, seine Kompetenz nachzuweisen und das Risiko für den Kunden zu reduzieren. Je höher grundsätzlich das Vertrauen der Kunden in den Anbieter ist, desto geringer ist das empfundene Risiko, so dass die Kunden im Falle einer Stärkung des Vertrauens an den entsprechenden Anbieter gebunden werden. Dieses Vertrauen basiert dabei auf subjektiven, positiven Erfahrungen und ist mit der Hoffnung verbunden, dass der Anbieter auch in Zukunft nicht opportunistisch handelt. Vertrauen beruht folglich auf Erfahrungen, ist aber in die Zukunft gerichtet und kann so den Grad der Kundenbindung beeinflussen. Die gemachten Erfahrung zeigen dabei im Sinne der vorgestellten Lerntheorie einen Zusammenhang zu dem Konstrukt der Zufriedenheit, unterscheiden sich allerdings insofern, als dass für die Zufriedenheit die Nutzung des angebotenen Produktes Voraussetzung ist, wohingegen Vertrauen nicht unbedingt eine Nutzung voraussetzt, sondern z.B. auch durch ein entsprechendes Image hervorgerufen werden kann. Insofern ergibt sich ein Zusammenhang zu Erklärung des Konstruktes der Kundenbindung durch den unter 2.2.4.2 vorgestellten verhaltenswi ssenschaftlichen Ansatz. Theoretische Grundlagen 83 Als letzter Punkt der psychischen Determinanten wird die Kundenbindung durch Commitment beschrieben. Dieses Konstrukt ist unter 2.2.5.2 schon ausführlicher behandelt worden und wird infolgedessen hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. 2.3 Zusammenfassende Betrachtung Abschliessend bleibt zu erwähnen, dass sowohl die Ansätze des Medien- und Kommunikationsmanagement als auch die Konzepte des Marketing zum Thema Kundenbindung eine gute Grundlage zur Entwicklung eines neuen Ansatzes zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien bilden. Im Rahmen des Medien- und Kommunikationsmanagement bot insbesondere die Gestaltung der ausserbetrieblichen Kommunikationsbeziehungen (vgl. 2.1.1) eine geeignete theoretische Grundlage, in die sich die vorliegende Arbeit thematisch einordnen lässt. Des weiteren ist dabei das Medienkonzept nach Schmid hervorzuheben (2.1.2), das wertvolle Hinweise für die Gestaltung von Kommunikationsbeziehungen dieser Art enthält. Die Untersuchung fokussiert dabei auf die Geschäftsmedien (Business Media), als eine Ausprägung der beschriebenen Medien (2.1.3). Das unter 2.1.4 vorgestellte Medien-Referenzmodell für Business Media präsentierte sich als sinnvoller Ordnungsrahmen für die Gestaltung dieser neuen Medien, so dass auch dieser Ansatz in der Arbeit erläutert wurde und im weiteren Verlauf, insbesondere bei der Entwicklung des Modells, immer wieder aufgegriffen wird. Die unter 2.1.5 vorgenommene Betrachtung verschiedener Kategorien von elektronischen Geschäftsbeziehungen diente der Einreihung der Dissertation im Bereich B-to-C, allerdings ist ebenso gezeigt worden, dass der Ansatz auch in anderen Bereichen (B-to-B, etc.) Anwendung finden kann. Aus Sicht des Marketing kann die Thematik der Dissertation im Rahmen des beschriebenen aufgabenorientierten Ansatzes nach Tomczak und Reinecke (2.2.1) den Kernaufgaben Kundenbindung und teilweise auch der Kundengewinnung zugeordnet we rden. Des weiteren werden die Basisorientierungen der Kunden- und Persistenzorientierung als massgeblich für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien angesehen. Der unter 2.2.2 beschriebene Wandel vom transaktionszum beziehungsorientierten Marketing unterstreicht die schon in der Einleitung gezeigte Relevanz des Themas, ebenso wie die Vielzahl der verschiedenen Definitionen zum Thema Kundenbeziehung (2.2.3) die steigende Bedeutung dieses Themas ve rdeutlicht. Die Vorstellung und Abgrenzung von verschiedenen Definitionen hatte dabei des weiteren die Aufgabe, eine semantische Grundlage für die vorliegende Arbeit zu legen, so dass ein gemeinsames Verständnis der relevanten Begriffe erzeugt werden konnte. Die Darstellung der theoretischen Grundlagen der Kundenbindung (2.2.4) gab einen Überblick zu verschiedenen Erklärungsansätzen des komplexen Konstruktes der 84 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Kundenbeziehungen. Diese Erläuterungen liessen sich dabei bei den verschiedenen unter 2.2.5 vorgestellten Ansätzen zur Beschreibung der Determinanten der Kundenbindung wiederfinden, so dass sich ein deutlicher Zusammenhang erkennen lässt. Aus den gezeigten fünf verschiedenen Erklärungsansätzen der Determinanten der Kundenbindung wurde auf Grund seines Umfanges und seiner Relevanz für die vorliegende Arbeit der Ansatz von (Tomczak & Dittrich 1997) ausgewählt, um anhand dieses Ansatzes die Veränderungen der Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung durch die neuen Medien und durch das veränderte Konsumentenverhalten zu ve ranschaulichen. Diese transformierten Ausprägungen dienen dabei als Ansatzpunkte für das zu entwickelnde Modell zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien. Im folgenden Kapitel werden die Veränderungen durch die neuen Medien und das ve ränderte Verhalten der Konsumenten, als die hauptsächlichen Einflussfaktoren der Transformation, ausführlicher besprochen. 3 Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten Basierend auf den bereits dargestellten Grundlagen wird in diesem Kapitel die momentane Ausgangslage betrachtet und analysiert, welchen Einfluss die neuen Medien und das veränderte Konsumentenverhalten auf das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben haben. Dabei wird bei der Beschreibung der eher allgemeinen Veränderungen durch die neuen Medien (3.1) davon ausgegangen, dass die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) als ein wesentlicher Treiber der Veränderungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens angesehen werden können. Die durch die Entwicklung der IKT ermöglichten Veränderungen, erfordern unter anderem einen neuen Ansatz für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien. Dieser neue Ansatz wird dabei wiederum zum grossen Teil auch erst durch die neuen Entwicklungen der IKT ermöglicht, wie in folgender Abbildung verdeutlicht wird. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 85 Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ermöglicht ermöglicht Veränderungen in Wirtschaft erfordern Veränderungen in der Gesellschaft ermöglicht erfordern Neue Ansätze für das Management der Kundenbeziehung Abbildung 3-1: Einflüsse der IKT auf das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien30 Ebenso wirken diese technischen Entwicklungen auf die Interaktionsbeziehungen zwischen Nachfragern und Anbietern, so dass sich des weiteren Besonderheiten in diesem Bereich zeigen, die unter 3.2 besprochen we rden. Neben dem technischen Fortschritt lassen sich auch andere Gründe für die Transformation in der gesamten Gesellschaft und bei den in ihr lebenden Individuen feststellen. Um auch diesen Aspekt zu berücksichtigen, wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit unter 3.3 das veränderte Verhalten der Konsumenten, soweit wie möglich unabhängig von den technischen Entwicklungen, beschrieben. Nach Meinung des Autors ist allerdings eine strikte Trennung der Ursachen und Wirkungen der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung nicht möglich, da sich beide gegenseitig beeinflussen. Der Frage nach der Ursache-Wirkungs-Relation, ob nun der technische Fortschritt die Entwicklung der Gesellschaft überhaupt erst ermöglicht oder ob die Anforderungen durch die Gesellschaft erst die Erfindung neuer Techniken notwendig gemacht haben, soll daher in dieser Arbeit nicht weiter nachgegangen werden. Die Darstellung der Veränderungen dient hier vielmehr zur Verdeutlichung der neuen Herausforderungen, denen sich insbesondere auch das Marketing in Zukunft stellen muss. In diesem Kapitel soll demzufolge, in der in diesem Zusammenhang sinnvoll erscheinenden Tiefe, zum einen eine gewisse Sensibilität und ein Verständnis für die 30 Quelle: (Körner & Zimmermann, 2000) (S.3) 86 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien sich abzeichnenden Umwälzungsprozesse vermittelt werden. Zum anderen wird die Notwendigkeit einer Neubetrachtung der Fragestellung, wie Anbieter in und durch die neuen Medien die Beziehung zu ihren Kunden optimal entwickeln, gestalten und pflegen können, dargestellt. Dieses Kapitel beschreibt insofern die Einflüsse, die auf die Determinanten der Kundenbindung (2.2.5.5) einwirken und bildet somit eine wesentliche Voraussetzung für die Darstellung der Transformation dieser Determinanten in den neuen Medien (4.2). 3.1 Veränderungen durch die neuen Medien Im folgenden Abschnitt werden die Einflüsse, die auf Grund der Veränderungen durch die neuen Medien zu erkennen sind, dargestellt. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, werden allerdings diese Auswirkungen nur kurz besprochen, damit ein grundsätzliches Verständnis für diese Veränderungen erzeugt werden kann. Die beschriebenen Einflüsse erheben auf Grund der Komplexität der Thematik daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zunächst wird unter 3.1.1 der Wandel zur Informationsgesellschaft beschrieben und die steigende Bedeutung des Produktionsfaktors Information hervorgehoben. Unter 3.1.2 wird auf die Besonderheiten digitaler Güter eingegangen, da sich insbesondere anhand der digitalen Güter der Wandel ökonomischer Grundregeln gut aufzeigen lässt. Diese Besonderheiten erfordern neue Formen der Leistungserstellung, die unter 3.1.3 beschrieben werden. Auch bei den Veränderungen der Leistungserstellung wird der unterstützende Charakter der Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie deutlich. Grundsätzlich lässt sich zur Zeit eine Verschiebung der Bedeutung vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement erkennen, so dass die Kommunikation in den neuen Medien eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Diese Entwicklung wird kurz unter 3.1.4 aufgezeigt. Dies bedingt auch eine Veränderung der internen Or ganisation der Anbieter. Im Abschnitt 3.1.5 werden daher kurz neue Organisationsformen vorgestellt, die den neuen Anforderungen Rechnung tragen sollen. Die Veränderungen durch die neuen Medien beziehen sich aber nicht nur auf die interne Leistungserstellung, sondern gehen vielmehr darüber hinaus, so dass ganze Branchen von diesem Wandel betroffen sind bzw. sein werden. Der Aufbruch der Wertschöpfungskette und die Bildung neuer Geschäftsmodelle wird daher unter 3.1.6 kurz angesprochen. Abschliessend wird unter 3.1.7 die Rolle des Staates dargestellt, indem verschiedene Herausforderungen, die auf den Staat zu kommen, angerissen werden. Folgende Abbildung verdeutlicht die verschiedenen, betrachteten Veränderungen durch die neuen Medien. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten Besonderheiten digitaler Güter Wandel zur Informationsgesellschaft Rolle des Staates / Umfeldes 87 Veränderungen der Leistungserstellung Veränderungen durch die neuen Medien Aufbruch von Wertschöpfungsketten Wandel zum Kommunikationsmanagement Neue Organisationsformen Abbildung 3-2: Veränderung durch die neuen Medien 3.1.1 Wandel zur Informationsgesellschaft In der Fachliteratur (vgl. (Schmid, 1995); (Schmid, 2000); (Shapiro & Varian, 1999);(Zerdick et al. 1999), (Kelly, 1998); (Zimmermann, 1998); (Evans & Wurster, 1998)) finden sich zahlreiche Beschreibungen des Wandels von der Industrie- zur Informationsgesellschaft sowie eine Vielzahl von Bezeichnungen zur Beschreibung dieses Phänomens. Die verschiedenen Ansätze unterscheiden sich dabei hauptsächlich im Grad der Radikalität der bevorstehenden Veränderungen. So glaubt beispielsweise (Kelly, 1998), dass die „New Economy“ eine neue ökonomische Ordnung mit sich bringt, in der der traditionelle, produzierende Sektor vollkommen an Bedeutung ve rliert. (Shapiro & Varian, 1999) behaupten hingegen, dass die „New Economy“, die sie ebenfalls wie andere Autoren mit den Innovationsschüben Ende des 19. Jahrhunderts (Elektrizität, Telekommunikation) vergleichen, gar nicht so revolutionär sei. Ihrer Meinung nach reichen die bekannten ökonomischen Regeln aus, um die „New Economy“ zu erklären. Ihre Kernthese lautet vereinfacht: Die Technologie verändert sich, die ökonomischen Gesetze ändern sich nicht. Nach (Schmid, 2000) sind dabei der interaktive Informationsträger Computer und das rasche Wachstum maschinenlesbarer Informationen, die mehr und mehr in global einheitlichen Sprachen abgefasst sind, und die entsprechende Vernetzung dieser Informationen, der Kern der Transformation zur Informationsgesellschaft. 88 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Ähnlich beschreibt auch (Klotz, 2001) drei technische Innovationen, die zur Entwicklung der Informationsgesellschaft beigetragen haben: ?? Enorme Beschleunigung der Entwicklung der Leistungsfähigkeit von Mikroprozessoren, die fortschreitende Miniaturisierung und ständig sinkende Preise, die zu dementsprechend leistungsfähigeren Computern führen, die wiederum auch immer grösseren Kreisen der Bevö lkerung zur Verfügung stehen ?? Vereinfachung der Computerbenutzung durch grafische und objektorientierte Software, so dass ebenso immer mehr Personen die neuen Techniken verstehen und nutzen können ?? Netzwerktechniken und einheitliche Standards (z.B. TCP/IP), die eine plattformübergreifende Verbindung von digitalen Systemen aller Art ermöglichen Des weiteren sehen auch (Hermanns & Sauter, 1999) neben anderen (vgl. (Schmid, 1997), (Zerdick et al. 1999), (Kelly, 1998), (Shapiro & Varian, 1999), (Tapscott, 1996)) in den Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien den Motor für die grundlegenden Veränderungen. So betonen (Hermanns & Sauter, 1999) (S.850), dass es sich ein Unternehmen nicht leisten kann, „die neuen Technologien – allen voran das Internet – und die damit verbundenen Möglichkeiten zu ignorieren, will es seine Zukunftsfähigkeit im weltweiten Wettbewerb nicht ernsthaft gefährden.“ Der Unterschied zu den damaligen Innovationen (z.B. Elektrizität, Telekommunikation) beim Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft und den damit zusammenhängenden Veränderungen zeigt sich unter anderem im Faktor Zeit. So ist die Verbreitung und die Möglichkeit zur Nutzung bei keiner anderen Innovation so schnell und mit einer so enormen Reichweite von statten gegangen, wie bei der Innovation des Internet und den damit verbundenen Diensten. Die Erfindung der Schrift, des Buchdrucks, des Radios und des Fernsehens hatten ähnlich einschneidende Wirkungen, allerdings ist die Entwicklung in der Informationsgesellschaft und das rasante Wachstum des Internet deutlich schneller als alle vorherigen Entwicklungen (Schmid, 2000). Durch das Auftauchen von allgemeingültigen Kommunikationsstandards (z.B. TCP/IP) ist es nun quasi zum Nulltarif möglich, dass jeder zu jeder Zeit mit jedem an jedem Ort kommunizieren kann. Dies hat zur Folge, dass auch Zugangsbarrieren, wie eine physische Ladenkette etc. an Bedeutung verlieren, da die Informationen teilweise auch über offene Systeme verteilt und ausgetauscht werden können. Durch die weltweite Vernetzung und Nutzung des Informationsträgers Computer ist es des weiteren möglich geworden, digitalisierte Signale von ihrem materiellen Träger zu trennen, so dass in zunehmenderem Masse Güterströme durch Datenströme ersetzt Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 89 werden können. (Nora & Minc, 1979) redeten schon 1979 in diesem Zusammenhang von der „Informatisierung“ von Produkten und Prozessen. Insofern nimmt die Information einen immer grösseren Stellenwert im wirtschaftlichen Leben ein. Um im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein einheitliches Verständnis der zentralen Begriffe Daten, Informationen und Wissen zu etablieren, werden an dieser Stelle vorab die Begriffe kurz definiert und voneinander abgegrenzt. (v.Krogh & Roos, 1994) gehen bei ihrer Unterscheidung zwischen Daten, Informationen und Wissen davon aus, dass Information als Interpretationsvorgang bzw. als Prozess zur Schaffung von Wissen wirkt, insoweit also als eine Art Bindeglied zwischen einem Ausgangsprodukt „Daten“ und einem Endprodukt „Wissen“ in einer Kette der Wissensgenerierung dient. Nach diesem Ansatz sind Bücher, Memos, usw. Träger von Daten und Eingangsgrössen des wissenserzeugenden Interpretationsprozesses. Diesem Ansatz ist die Auffassung von (Nonaka & Tackeuchi, 1995) ähnlich, wobei Information als notwendiges Material oder Medium zum Entlocken und zum Schaffen von Wissen gesehen wird, d.h. Information als Fluss und Wissen als das Ergebnis dieses Flusses. Man kann allerdings Wissen und Information dadurch unterscheiden, dass Wissen – im Gegensatz zur Information – einen Bezug zu den Werten der Individuen aufweist: „[The] active, subjective nature of knowledge represented by such terms as commitment and belief, that are deeply rooted in an individual‘ s value system.“ (S.67). Diesen Definitionen folgend werden in der vorliegenden Arbeit Daten als Abbildungen von Betrachtungen von verschiedenen Zuständen der Wirklichkeit bezeichnet. Aus diesen Daten können Informationen gewonnen werden, die zweckorientierte Anwendung dieser Informationen führt dann zu Wissen, das im Gegensatz zu Informationen personenge bunden ist. Auch (Schmid, 1998) (S.1) unterstreicht, dass „der Faktor Information in der heutigen Informationsgesellschaft zur bedeutendsten Ressource und zum primären Produktionsfaktor der ‚Information based Economy‘ gewo rden [ist].“ Insbesondere auch durch die immer leistungsfähigere Informations- und Kommunikationstechnologie und der damit verbundenen Automatisierung der Routinetätigkeiten steigt der Anteil der Informationsarbeit weiter an, so dass zunehmend Fähigkeiten, wie Informationen verstehen und verarbeiten, wichtig werden. Immaterielle Werte, wie Informationen, Dienstleistungen und Beziehungen, werden einen immer grösseren Anteil an der gesamten Wertschöpfung übernehmen. Bereits jetzt lebt in den hochentwickelten Industrienationen, bzw. müsste es folglich „Informationsnationen“ heissen, 90 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien mehr als jeder zweiter Arbeitnehmer von Tätigkeiten, deren Rohstoff, deren Instrumente und deren Ergebnisse Informationen sind. Dieser Trend zur Informationsarbeit wird sich auch in naher Zukunft weiter fortsetzen, so dass ein Grossteil der gesamten Wertschöpfung aus stark informationsbezogenen Tätigkeiten, wie Beraten, Entwickeln, Forschen, Informieren, Organisieren, Vernetzen, Recherchieren, Gestalten und Präsentieren bestehen wird (Klotz, 2001). (Negroponte, 1995) (S.11ff.) postuliert sogar einen Paradigmenwechsel von Atomen zu Bits und unterstreicht somit ebenso die Bedeutung dieser Entwicklung. Durch die immense Menge von Informationen, die durch die aufgezeigten Entwicklungen zur Verfügung stehen und die auf die Mitglieder einer Gesellschaft wirken, ergibt sich eine grosse Herausforderung für die neue Gesellschaftsform. Die Kapazität zur Aufnahme und die Fähigkeit zur Verarbeitung aller Informationen wird immer mehr zum entscheidenden Faktor in der Informationsgesellschaft, da der Wert der Information auch danach bemessen wird, wieviel Aufmerksamkeit dieser Information geschenkt wird. Information, die keine Beachtung findet, hat auch keinen ökonomischen Wert, insofern wird die Aufmerksamkeit zum knappsten Faktor in der Informationsgesellschaft. Der Faktor der Aufmerksamkeit kann, wie die Zeit, nicht vermehrt werden. (Franck, 1998) spricht in diesem Zusammenhang von der Ökonomie der Aufmerksamkeit. (Noam, 1997) (S.43f.) verweist dabei auf den Umstand, dass sich langfristig, je nach sozioökonomischer Herkunft, unterschiedliche Preise für die Aufmerksamkeit entwi ckeln werden. Die aktuelle Herausforderung für die Informationsgesellschaft besteht infolgedessen in der Aufgabe, die Aufmerksamkeit der Rezipienten zu gewinnen, sie zu einer ersten ökonomischen Transaktion zu bewegen und die neu gewonnenen Kunden langfristig an den Anbieter zu binden. Grundsätzlich kann zunächst festgehalten werden, dass die Informationsgesellschaft sich deutlich von der Industriegesellschaft unterscheidet und neue Regeln, Strukturen und Verhaltensmuster mit sich bringen wird. Verschiedene Autoren beschreiben diesen Wandel und die damit einhergehenden Veränderungen auf recht plakative Art und Weise. So kann bei (Zerdick et al. 1999) auf Seite 13 nachgelesen werden, dass „Gesetze der klassischen Ökonomie scheinen nicht mehr zu gelten“, (Arthur, 1996) (S.100) spricht von „Increasing Returns ... The concept has revolutionized economics. Business is next.“ oder (Kelly, 1998) schreibt von der „Kompetenz auf dem Gebiet der Zerstörung des Erbauten“, um im sich beschleunigenden technologischen Wandel mithalten zu können. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 91 Im weiteren Verlauf des Kapitels wird ein genauerer Blick auf unterschiedliche Facetten dieser vorhergesagten Veränderungen geworfen, um die Nachvollziehbarkeit und das Verständnis für die Entstehung dieser Aussagen zu gewährleisten. Die Frage, die es zu klären gilt, ist, inwieweit sich durch die neuen Medien Veränderungen ergeben, die einen Einfluss auf die Thematik des Management der Kundenbeziehung haben. Eine erste, wesentliche Unterscheidung zwischen der bisherigen Ökonomie und der Informationsgesellschaft lässt sich in den Besonderheiten der digitalen Werte und den damit verbundenen Regeln vermuten. Auf diese Umstände wird im nächsten Abschnitt eingegangen. 3.1.2 Besonderheiten digitaler Produkte Im Gegensatz zur materiellen Produktion, bei der im Erstellungsprozess Produktionsfaktoren wie Arbeit, Rohstoffe und Kapital entscheidend sind, ist bei der Erstellung digitaler Güter die Ressource Wissen ein wesentlicher Faktor. Die klassischen Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital und Rohstoffe) unterscheiden sich von dem Produktionsfaktor Wissen insofern, als dass sie verbraucht werden, d.h. je mehr materielle Güter ein Produzent produzieren möchte, desto mehr Produktionsfaktoren muss er zur Verfügung stellen bzw. werden verbraucht. Im Gegensatz dazu ist Wissen eine Ressource, die sich nicht erschöpft, sondern durch den Gebrauch noch vermehrt wird. Digitale Güter können transferiert, verschenkt, verkauft und getauscht werden, ohne dass sie den ursprünglichen Besitzer verlassen. Sie können verkauft und gleichzeitig behalten werden, da Original und Kopie auf Grund der digitalen Form nicht voneinander unterschieden werden können. Ein digitales Produkt ist dabei nach (Meier, 2001) „die Gesamtheit der Produktdaten, welche in der Primärentwicklung erzeugt, konsistent verwaltet und über den Lebenszyklus laufend ergänzt werden und das reale Produkt hinreichend genau repräsentieren, um von Unternehmensprozessen mittels Diensten genutzt zu werden.“ In dieser Definition spiegelt sich auch die Notwendigkeit wider, dass Kunden und alle an den wertschöpfenden Handlungen teilnehmenden Partnern mit in die Entwicklung des digitalen Produktes einbezogen werden müssen, um den Anforderungen dieser Partner gerecht zu werden. Ein digitales Produkt ist demzufolge nach (Meier, 2001) kein finales Produkt, sondern ist etwas „Lebendiges“, das ständig wächst und weiterentwickelt wird. Die Daten zu dem Produkt bzw. Dienst sind ständig sowohl für den Kunden als auch für den Produzenten online verfügbar, so dass das Produkt bzw. der Dienst ständig aktualisiert und weiterentwickelt werden kann. 92 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Eine nicht ganz so weite Definition wird von (Stelzer, 2000) vertreten. „Unter digitalen Gütern versteht man immaterielle Mittel zur Bedürfnisbefriedigung, die sich mit Hilfe von Informationssystemen entwickeln, vertreiben oder anwenden lassen. Es sind Produkte oder Dienstleistungen, die in Form von Binärdaten dargestellt, übertragen und verarbeitet werden können.“ (Stelzer, 2000) (S.836) Als Beispiele für digitale Güter können Anwendungssoftware, Informationen zu Wertpapierkurse, digitale Fernsehprogramme und grundsätzlich alle Informationsdienstleistungen, wie beispielsweise Dienste von Suchmaschinen, genannt werden. Die immateriellen Güter nehmen einen immer grösseren Stellenwert in der Informationsgesellschaft ein (Danner, 2000), so dass im folgenden Besonderheiten dieser Güter vorgestellt werden. Zunächst wird dabei auf die extreme Stückkostendegression bei digitalen Gütern eingegangen, anschliessend werden die direkten und die indirekten Netzwerkeffekte als Besonderheit dargestellt. Als dritter Punkt werden die Wechselkosten und der sogenannte Lock-In-Effekt besprochen. Im Anschluss daran wird kurz der Zeitwettbe werb bei digitalen Gütern als Besonderheit angesprochen. Abschliessend wird auf das sogenannte Versioning von Digitalen Produkten eingegangen. Eine der wesentlichen Besonderheiten der digitalen Güter zeigt sich in dem Verhältnis von fixen zu variablen Kosten. Digitale Güter müssen nur ein einziges Mal entwickelt werden, so dass zwar teilweise hohe fixe Entwicklungskosten anfallen, allerdings die variablen Kosten für die Reproduktion und die Distribution im Verhältnis dazu sehr gering sind. So erläutert (Arthur, 1996) (S.103) in einem Beispiel, dass die Entwicklung des Betriebssystems Windows 3.1 bei Microsoft ca. 50 Mill. $ gekostet hat, wohingegen Produktion, Verpackung und Versand der Software auf physischen Speichermedien nur ca. 3 $ pro Einheit variable Kosten verursacht haben. Insbesondere wenn die Dienste des Internet für die Distribution von vollkommenen digitalen Gütern, d.h. ohne physische Speichermedien, genutzt werden, tendieren die Grenzkosten gegen Null, da sich jede weitere Einheit in gleichbleibender Qualität durch Kopieren herstellen lässt und abgesehen von den Kosten des Internetzugangs kostenlos vertrieben werden kann (Bakos & Brynjolfson, 1996). Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zur Produktion von materiellen Gütern dar, weil dort der Ressourcenverbrauch von Produktionsfaktoren und die entsprechenden variablen Kosten deutlich höher sind als bei der kostengünstigen Reproduktion digitaler Güter durch Kopieren. Mit jeder zusätzlich produzierten Einheit sinken demnach die Stückkosten, die sich aus der Summe der fixen und variablen Kosten dividiert durch die Anzahl der produzierten Güter ergeben. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 93 Insofern hat die Digitalisierung in einem erheblichen Umfang dazu beigetragen, dass sich für digitale Güter eine extreme Stückkostendegression ergeben hat. Bemerkenswert ist dabei, dass je höher das Verhältnis zwischen fixen und variablen Kosten ist, desto schneller sinken die Stückkosten bei steigender Absatzmenge. Als Konsequenz ergibt sich, dass die Stückkosten eines Anbieters, der einen dominierenden Marktanteil erreicht hat, mit steigender Absatzmenge schneller sinken als bei Wettbewerbern, so dass sich aus der Marktstellung und der Stückkostendegression Wettbewerbsvorteile ergeben (Stelzer, 2000). Die Anbieter haben dann die Option, die Preise auf Grund der geringeren Stückkosten weiter zu senken, so dass der Marktanteil entsprechend erhöht werden kann. Insofern ergibt sich ein Kreislauf, der als positive Feedback-Effekte (Zerdick et al. 1999) oder als „Increasing returns“ (Arthur, 1996) bezeichnet wird. Die folgende Abbildung verdeutlicht diesen Kreislauf. Steigende Verkaufszahlen Preise können schneller gesenkt werden Steigender Marktanteil Sinkende Stückkosten Abbildung 3-3: Extreme Stückkostendegression bei digitalen Gütern führt zu marktbeherrschender Stellung Es sei darauf hinge wiesen, dass sich die gezeigten Skaleneffekte (Economies of scale) auch bei materiellen Gütern finden lassen, allerdings sind die Stückkostendegressionen in dieser extremen Form hauptsäc hlich bei digitalen Gütern zu erkennen. Des weiteren gibt es digitale Güter, bei denen diese Annahmen nur im begrenzten Umfang zutreffen. So folgt beispielsweise die Entwicklung einer Individualsoftware keiner Stückkostendegression, da dieses Produkt nur in sehr geringen Menge abgesetzt werden kann oder ein Unikat ist (Stelzer, 2000). Neben dem Verhältnis von fixen zu variablen Kosten ergibt sich für digitale Produkte eine Besonderheit aus den sogenannten Netzwerkeffekten. Im Gegensatz zum Wert 94 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien von materiellen Gütern, der sich hauptsächlich aus seiner Knappheit ergibt, nimmt der Wert eines digitalen Gutes zu, je häufiger es ihn gibt. Je schneller sich beispielsweise eine Software am Markt etablieren kann und so einen De-Facto-Standard schafft, desto höher sind die Erfolgsaussichten für lukrative Folgegeschäfte. Insofern wirken in diesem Zusammenhang die sogenannten Netzwerkeffekte, da der Wert eines Gutes mit jeder installierten Einheit steigt. Nach (Shapiro & Varian, 1999) (S.45) treten Netzwerkeffekte auf, wenn der Nutzen eines Gutes davon abhängt, wieviel andere Konsumenten dieses Gut ebenfalls nutzen. Diese Netzwerkeffekte können dabei in direkte und indirekte Netzwerkeffekte eingeteilt we rden. Direkte Netzwerkeffekte bedeuten, dass der Wert des Netzwerkes mit der Zahl ihrer Nutzer steigt. Gemäss dem Gesetz von Metcalfe ist dieses Verhältnis quadratischer Art (Zerdick et al. 1999) (S.155). Als Beispiele werden in diesem Zusammenhang häufig das Telefonnetz genannt, das um so interessanter für die Teilnehmer wird, je mehr Personen beteiligt sind. Insofern kaufen die Teilnehmer in diesem Beispiel primär nicht nur ein Telefon, sondern eher den Zugang zu dem für sie interessanten Netzwerk. Ebenso kann auch ein digitales Gut, wie eine Software, als ein solches Netzwerk mit entsprechend positiven Effekten angesehen werden. Entscheidend für den Wert eines digitalen Gutes in den neuen Medien ist demnach die Verbreitung, in Form von Anzahl und Ve rfügbarkeit des Gutes. Im Gegensatz zu den direkten Netzwerkeffekten zeichnet sich der Wert eines Gutes bei den indirekten Netzwerkeffekten durch das Angebot von Komplementärleistungen aus. (Stelzer, 2000) spricht in diesem Zusammenhang auch von Systemwettbewerb, da er die Meinung vertritt, dass nicht einzelne Güter im Wettbewerb stehen, sondern ganze Systeme. Ein System ist in diesem Kontext „ein Bündel von komplementären und untereinander kompatiblen Gütern, welche in einem Verwendungszusammenhang stehen und von den Kunden bei der Kaufentscheidung gemeinsam berücksichtigt werden.“ (Stelzer, 2000) (S.838). Ein Betriebssystem wird beispielsweise für Kunden interessanter, je mehr Anwendungen es für dieses System gibt. Insofern werden sich die Kunden im Zweifel eher für das Betriebssystem entscheiden, das eine umfangreichere Applikationenauswahl zur Verfügung stellen kann. Auch hier zeigt sich wieder ein Kreislauf, da die gesteigerte Nachfrage nach dem jeweiligen Betriebssystem die Entwickler von Anwendungen motiviert, für dieses System weitere Applikationen zu entwickeln, was wiederum als zusätzlicher Kaufanreiz dient. Die beschriebenen Zusammenhänge sind in folgender Abbildung dargestellt. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 95 Ausweitung der Absatzmenge des Systems Grössere Attraktivität des Systems für Nachfrager Steigende Attraktivität des Systems für weitere Anbieter Steigende Anzahl angebotener Anwendungen für das System Abbildung 3-4: Spirale der indirekten Netzwerkeffekte bei digitalen Gütern Wird bei der Verbreitung des digitalen Gutes (direkte Netzwerkeffekte) und den komplementären Leistungen (indirekte Netzwerkeffekte) eine „bestimmte Grössenordnung“ überschritten, so kann der Anbieter ein De-Facto-Standard am Markt durchsetzen, der ihn in die Position eines natürlichen Monopols bringen kann (Evans & Wurster, 1998) (S.60). Die beschriebenen Kreisläufe können somit die Grundlage für die Existenz natürlicher Monopole bilden (Zerdick et al. 1999) (S.159). Allerdings entstehen diese natürlichen Monopole nur, wenn es sich um proprietäre Standards handelt, die ausschliesslich vom Anbieter oder anderen Ausgewählten bestimmt werden können. Ein sehr häufig genanntes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die dominierende Stellung von Microsoft im Markt für Betriebssysteme und Bürosoftware, die mit Hilfe der Schaffung eines De-Facto-Standards für ihr System diese Position erreichen konnten. Entscheiden sich die Konsumenten für ein solches System, besteht allerdings die Gefahr des sogenannten „Lock-In-Effekts“. Bei einem Wechsel zu einem anderen System würden Wechselkosten anfallen, die teilweise so hoch sein können, dass das alte System weitergenutzt werden muss, so dass die Anwender an ihr System gebunden sind. Bei den Determinanten der Kundenbindung nach Tomczak/Dittrich (2.2.5.5) sind diese Situationen als technologische Bindungsdeterminanten beschrieben worden, so dass sich auch hier die Relevanz der Determinanten der Kundenbindung zeigt. Allerdings verändert sich die Ausprägung dieser Determinanten in den neuen Geschäftsmedien, wie unter 4.2.2.1 verdeutlicht werden wird. 96 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Netzwerkeffekte und die LockIn-Effekte dazu führen, dass marktbeherrschende Unternehmungen, die es verstanden haben mit proprietären Systemen Standards zu setzen, durch diese Effekte noch dominierender werden können und insbesondere digitale Güter durch die aufwandsminimale Reproduktion und Distribution dazu geeignet sind, diese Effekte wirken zu lassen. Eine vierte Besonderheit für den Wert von digitalen Gütern ergibt sich durch den Zeitwettbewerb. Nicht die Information an sich, da sie ohnehin beliebig reproduziert werden kann, sondern ihre Aktualität, ihre Fähigkeit zur individuellen Bedürfnisbefriedigung und ihre Exklusivität bestimmen den Preis der Information. Ein Zeitvo rsprung von wenigen Minuten kann dabei einen enormen Wert darstellen, wie Beispiele von den Kapitalmärkten (Reuters, PAWWS etc.) zeigen. Aus diesen Überlegungen ergibt sich auch das Versioning als weitere Besonderheit von digitalen Gütern. Durch die digitale Form der Güter, können sie ohne grösseren Aufwand in ihrem Umfang begrenzt werden und so unterschiedliche Kundenbedürfnisse erfüllen. Des weiteren können von den Anbietern durch die verschiedenen Versionen eines Produktes unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der Kunden genutzt werden. Premium-Produkte mit bestimmten, relativ hochwertigeren Produkteigenschaften sind dann entsprechend teurer als Standardprodukte. Mögliche Ansätze zum Versioning können dabei Produkteigenschaften wie Aktualität, Funktionsumfang, Geschwindigkeit oder Zusatznut zen sein (Zerdick et al. 1999) (S.187). So ist es beispielsweise relativ einfach möglich, den Zugriff auf eine Datenbank einzuschränken und infolgedessen den Funktionsumfang abhängig von der Zahlungsbereitschaft der Kunden zu gestalten. Der Begriff des Versioning wurde dabei von (Shapiro & Varian, 1999) (S.39 ff.) aufgebracht. Versioning lässt sich mit der Produktdifferenzierung, wie sie aus den Investitions- und Konsumgütermärkten bekannt ist, vergleichen. Auch bei digitalen Gütern soll das Angebot von unterschiedlichen Ausprägungen eines Produktes zu Wettbewerbsvorteilen führen. Im Gegensatz zu materiellen Gütern ist die Realisierung dieser Wettbewerbsvorteile durch Versioning bei digitalen Gütern allerdings weitaus einfacher zu ve rwirklichen. Abschliessend kann festgehalten werden, dass die besonderen Kennzeichen der digitalen Güter zu einem Teil auch die Besonderheiten der Informationsgesellschaft symbolisieren und charakterisieren. Die aufgezeigten Besonderheiten der digitalen Güter bedingen dabei neben anderen Gründen auch eine neue Form der Leistungserstellung, die im folgenden Abschnitt erläutert wird. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 97 3.1.3 Veränderung der Leistungserstellung Wie schon besprochen, zeigen sich eine Reihe von Veränderungen, die auch vor der Leistungserstellung in der Informationsgesellschaft nicht Halt machen. Die zu beschreibende Leistungserstellung bezieht sich dabei zum einen auf die notwendigen Prozesse zur Produktion und Abwicklung von Aufträgen, deren Unterstützung durch die Entwicklungen der IKT und die damit einhergehenden Produktivitätssteigerungen. Zum anderen werden die sich verändernden Formen der Arbeitserbringung und die neu entstehenden Berufsbilder mit den neuen Arbeitsinhalten unter dem Punkt Leistungserstellung subsumiert. Insofern wird in diesem Abschnitt auf unternehmensinterne Belange fokussiert. Zunächst soll dabei ein Blick auf die Durchlauf- und Abwicklungszeiten der Produktion geworfen werden. Durch die Entwicklungen der IKT können diese Zeiten enorm reduziert werden, da die benötigten Informationen in einem standardisierten, digitalen Format vorliegen, so dass sie problemlos weiterverarbeitet und ohne Zeitverlust we itergegeben werden können (Hermanns & Sauter, 1999) (S.854). Ebenso kann eine Reduktion der Fehlerrate bei der Abwicklung von Aufträgen erreicht werden. „Internetbased procedure makes it possible to reduce errors dramatically, ensure compliance with organizational norms, and speed processing ... time reductions are often as important as monetary savings: firms report cutting the time needed to process purchase orders by 50 to 96%“ (OECD, 1998). Insbesondere auch im Bereich der Produktentwicklung sind neue Möglichkeiten der Parallelarbeit entstanden, so dass heute beispielsweise rund um die Uhr in verschiedenen Kontinenten an einem zu entwickelnden Produkt gearbeitet werden kann. Als Beispiel für digitale Güter, bei denen die Produktivitätssteigerungen besonders deutlich sind, können hier CAD-Zeichnungen genannt werden, die mit Hilfe von vernetzten Informationsträgern orts- und zeitlos zur Verfügung gestellt werden kö nnen. Das Bedürfnis nach individuell zugeschnittenen Problemlösungen, als zweite Veränderung im Bereich der Leistungserstellung, wird insbesondere in der Informationsgesellschaft immer deutlicher. So ist es nun möglich geworden, massgeschneiderte Massenprodukte zu fertigen, die diesen Wünschen entsprechen. Die Konzepte der sogenannten Mass Customization (vgl. (Pine, 1994), (Piller, 1998) und 4.5.2) kommen durch die neuen Entwicklungen nun zum Tragen. Unter Umständen kann die kundenindividuelle Produktion sogar kostengünstiger als die Massenfertigung sein. Betrachtet man das Beispiel Books on Demand (www.bod.com) wird deutlich, dass es teurer sein kann, grosse Auflagen zu produzieren und diese dann lagern zu müssen, als die Bücher gemäss der einzelnen Bestellungen zu drucken und zu verschicken. Dadurch wird es möglich, hohe fixe Produktionskosten und Lagerkosten zu vermeiden. 98 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Dies wird insbesondere relevant, wenn das Buch nicht den gewünschten Erfolg bringt, so dass eine Vielzahl nicht zu verkaufender Bücher produziert worden ist und diese dann zu entsprechenden Kosten gelagert oder vernichtet werden müssen. Neben den Veränderungen, die sich auf die interne Leistungserstellung beziehen, ve rändert sich die Art und Weise, wie die Arbeit in der Informationsgesellschaft verrichtet wird. So ist beispielsweise abzusehen, dass die Telearbeit einen immer höheren Stellenwert einnehmen wird. (vgl. (Flüter-Hoffmann et al. 1999); (Kreis-Engelhardt et al. 1999). Mit diesen Entwicklungen einhergehend verändert sich auch die Form des Arbeitsve rhältnisses, so dass davon ausgegangen werden kann, dass in Zukunft nur noch knapp zwei Drittel aller Arbeitsverhältnisse sogenannte „Normalarbeitsverhältnisse“ sein werden (Flüter-Hoffmann et al. 1999). Insbesondere der Anteil der freien Mitarbeiter wird sich in Zukunft erhöhen, da die notwendigen Anforderungen der Informationsgesellschaft, wie erhöhte Flexibilität und projektbezogene Teamarbeit, durch diese Berufsgruppe am besten erfüllt werden können. (Malone & Laubacher, 1998) prägten in diesem Zusammenhang den Begriff der „e -lance-Economy“. In ihren Augen werden Netzwerke von elektronisch verbundenen Freelancern das Rückgrat einer neuen Wirtschafts- und Arbeitsweise sein (Malone & Laubacher, 1998). Neben den Formen der Arbeit werden sich auch die Inhalte der Arbeit und die entsprechenden Berufsfelder verändern. Im Gegensatz zur Industriegesellschaft verändern sich die entscheidenden Parameter, die die Gestalt und den Output von digitalen Gütern bestimmen. Konnte in der Industriegesellschaft durch einen verstärkten Ressourceneinsatz die Outputmenge gefördert werden, so ist dies in der Informationsgesellschaft nicht mehr möglich, da bei Informationsprodukten, wie z.B. Software, die Qualität der eingeflossenen Ideen und nicht die aufgewendete Arbeitszeit entscheidend ist. Die „Köpfe der Mitarbeiter“ werden daher zu den wichtigsten Produktionsmitteln in der Informationsgesellschaft. McKinsey hat diesen Trend, dass die Kreativität und Motivation der Mitarbeiter einen sehr wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten kann, ebenso erkannt und 1998 den „war of talents“ ausgerufen (Chancen.net, 2001). Insofern ergibt sich neben der Herausforderung, die Aufmerksamkeit der Nachfrager zu gewinnen, sie zu einer ersten Transaktion zu bewegen und langfristig eine Beziehung aufzubauen, ebenso die Notwendigkeit, die besten „Köpfe“ zu engagieren. Folgende Abbildung fasst die wesentlichen Veränderungen der Leistungserstellung in den neuen Medien zusammen. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 99 Steigerung der Produktivität Neue Formen der Arbeit, z.B. Telearbeit Veränderungen der Leistungserstellung durch Einsatz der neuen Medien Abgebot von indiviNeue Berufsfelder duellen Problemlösungen z.B. Web-Designer Abbildung 3-5: Veränderungen der Leistungserstellung durch die neuen Medien 3.1.4 Wandel vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement Neben den bisher geschilderten Veränderungen, lässt sich in den neuen Medien des weiteren ein Wandel vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement feststellen. Dieser Wandel drückt sich insbesondere in der Gestaltung der Produkte aus. Demzufolge wird zunächst auf das Design der Produkte eingegangen, um im folgenden die sich verschiebende Bedeutung vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement zu verdeutlichen. Ein Produkt soll im folgenden als eine Problemlösung bzw. eine Bedürfnisbefriedigung für die Kunden verstanden werden. Die Entwicklung des Produktes bedarf daher eines Design, das die Bedürfnisse der Kunden berücksichtigt und den Ansprüchen der Kunden gerecht wird. Durch die Entwicklung der IKT wird ein wesentlich kommunikativeres Umfeld geschaffen, so dass sich die Kunden immer stärker in den Designprozess integrieren können. Der Designer muss die Wünsche der Kunden kennen und die Lösung kommunizieren können, allerdings muss er auch die in der Unterne hmung vorhandenen Ressourcen kennen, um das gewünschte Design realisieren zu können. Um die Kommunikation mit den Kunden zu ermöglichen, ist es notwendig, einen gemeinsamen logischen Raum mit den potentiellen Kunden des zu entwerfenden Produktes zu teilen. Dem unter 2.1.2 beschriebenen Medienmodell folgend, muss die Komponente der gemeinsamen und zumindest zwischen Anbieter und Nachfrager akzeptierten Semantik und Syntax als konstituierendes Merkmal für den logischen Raum, gegeben sein. Des we iteren muss für die neuen Medien das entsprechende Kanalsystem ausgewählt werden, um die technische Basis für die Kommunikation zu legen. Die so identifizierten „wahren“ Wünsche der Kunden müssen durch die technische Entwicklung der Produktidee realisiert werden. Schmid spricht in diesem Zusammenhang von dem „ingenieursmässigen Design“ (Schmid, 2000) (S. 8). Die Ergänzung durch betriebswirtschaftliche Elemente, wie Abläufe etc., kann als organisationales Design 100 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien bezeichnet werden. Bezogen auf das Medienmodell kann man von der organisatorischen Komponente reden. Auch andere Autoren fassen die Beschreibung des Designprozesses weiter als im traditionellen Verständnis der Industriegesellschaft, wo sich das Design hauptsächlich auf die Form- und Farbgebung des Produktes bezogen hat. Nach (Wirth, 2000)(S. 165) hat Design in der heutigen Zeit verschiedene Bedeutungen: „Design has many meanings in this world. (...) Design can be defined as a noun or verb. (...) The process of Design being the creation of an idea or object as a result of a need, want or desire.“ Das Design ist demnach eher als Ergebnis eines Gestaltungsprozesses, in den verschiedene Parameter wie die Ergonomie und die Semiotik einfliessen, zu verstehen. Die Semiotik – als Lehre von den Zeichen – wird hierbei als „Produktsprache“ verstanden und sehr stark mit dem Kommunikationsprozess in Verbindung gebracht. Ebenso argumentierte auch Bürdek schon 1991: „ ... in der Einführung in die ‚Grundlagen einer Theorie der Produktsprache‘ (Gros 1983) wurde gesagt, dass der spezielle Erkenntnisgegenstand der Designtheorie (...) die Produktsprache sei. Darunter werden diejenigen Mensch/Produktbeziehungen verstanden, die über die Sinne vermittelt we rden. Diese Produktsprache wird dann in formalästhetische Funktionen, die Anzeichenfunktionen und die Symbolfunktionen weiter unterteilt.“ (Bürdek, 1991) (S. 15). Die Aufgabe des Designers ist es somit, „die verschiedenen Funktionen eines Produktes so in Zeichen zu übersetzen, dass sie vom potentiellen Benutzer verstanden werden können.“ (Bürdek, 1991) ( S. 135). Ist der Designprozess für ein Produkt abgeschlossen, erfolgt eine doppelte Implementation des Designs. Zum einen auf der Produktionsseite und zum anderen beim Kunden. Die Implementation des Produktdesigns auf der Produktionsseite setzt technisches und organisationales Wissen, wie es auf Ingenieurs- und Managementschulen gelehrt wird, voraus. Die dafür notwendigen Methoden können unter dem Begriff Produktionsmanagement zusammengefasst werden (Schmid, 2000). Die zweite Implementation in den „Köpfen der Kunden“ beschreibt die Kommunikation der Problemlösung gegenüber dem Kunden. (Schmid, 2000) (S. 8) spricht hierbei von der „Programmierung der Gehirne“. In Analogie zum Produktionsmanagement wird die zweite Implementation als Kommunikationsmanagement beschrieben. In letzter Zeit wird ein Wandel vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement deutlich. So liessen sich in der Vergangenheit die meisten Unternehmungen durch einen eher internen Fokus kennzeichnen. Das Hauptanliegen bestand in der Optimierung und Effizienzsteigerung der internen Produktions- und Organisationsprozesse. Diese Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 101 „Welle“ des Business Process Reengineering (vgl. (Hammer & Champy, 1994)) scheint nun zurückgegangen zu sein, da in vielen Fällen diese Optimierung im wesentlichen abgeschlossen ist. Ebenso ist zu erkennen, dass die meisten angebotenen Produkte eine immer höhere Homogenität bzgl. ihrer Eigenschaften (z.B. Qualität, Funktionalitäten, etc.) aufweisen, so dass diese Unterscheidungsmerkmale gegenüber Wettbewerbern immer mehr an Bedeutung verlieren. Dies ist auch nicht zuletzt auf die immer kürzeren Entwicklungszeiten für diese Produkte (vgl. 3.1.3) zurückzuführen. Auf Grund dieser Veränderungen beginnt nun wieder der Kunde und die Kommunikation mit dem Kunden immer mehr in den Fokus der Unternehmungen zu rücken, um dort die Möglichkeit der Differenzierung wahrzunehmen. „Die Fähigkeit zur erfolgreichen Kommunikation einer Produktidee in die Kundenmärkte hinein, das Erlangen von genügend Aufmerksamkeit und das Schaffen eines Brandname werden zu geschäftsentscheidenden Faktoren.“ (Schmid, 2000) (S.10). Es lässt sich also deutlich ein Trend von dem Produktionsmanagement zum Kommunikationsmanagement feststellen. Folgende Abbildung gibt diesen Sachve rhalt wieder. Design Produktion Kunde Produktionsmanagement Kommunikationsmanagement Abbildung 3-6: Verschiebung vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement31 Wichtig in diesem Zusammenhang ist dabei auch die Tatsache, dass die Menschen in Gemeinschaften leben und sich auch untereinander viel einfacher austauschen können, so dass das Kommunikationsmanagement nicht nur die Gestaltung der Kommunikationsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern betrifft, sondern ebenso die Kommunikation der Nachfrager untereinander umfasst. Insbesondere durch die neuen Möglichkeiten der IKT können Informationen, zum Beispiel über Produkte, sehr viel 31 Quelle: (Schmid, 2000) (S.10) 102 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien besser, auch über Zeit und Raum, ausgetauscht werden, so dass die Transparenz diesbezüglich zunimmt. Abschliessend bleibt festzuhalten, dass die Gestaltung der (Interaktions-)Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Geschäftsmedien folglich eine neue Dimension einnimmt. Infolgedessen erscheint es notwendig, diese Thematik neu zu betrachten und Lösungsvorschläge für das Management der Kundenbeziehung in den Geschäftsmedien anzubieten. 3.1.5 Neue Organisationsformen Die beschriebenen Herausforderungen in der Informationsgesellschaft im allgemeinen und die Veränderungen der Leistungserstellung im besonderen, verlangen nach neuen Formen der Organisationen, die diesen Anforderungen gewachsen sind. Daher ergibt sich auch für die Aufgabe und den Aufbau von Organisationen ein Wandel. Die Hauptaufgabe der Organisationen in der Informationsgesellschaft besteht in der Förderung von Ideen zur Entwicklung neuer Produkte, der schnelleren Einführung dieser Produkte und der Fähigkeit, flexibel auf Veränderungen reagieren zu können. Ein Kennzeichen der Informationsgesellschaft ist somit die Abkehr von der tayloristisch geprägten funktionalen Organisation, die die beschriebenen Aufgaben nur noch sehr begrenzt erfüllen kann. Ebenso werden sich die Aufgaben der Arbeit insofern verändern, als dass immer weniger routinemässige Tätigkeiten verlangt werden und im Gegenzug die flexible Projektarbeit enorm an Bedeutung gewinnen wird. Folglich werden, anstatt grosser Abteilungen, die nur schwerfällig auf Veränderungen reagieren können, kleine, untereinander vernetzte Organisationseinheiten, die sich je nach Aufgabe zusammensetzen, gebraucht. Diese Einheiten können dabei sowohl unternehmensinterne Teams als auch eigenständige Unternehmen sein, die sich auf bestimmte Kernkompetenzen fokussieren. In diesem Zusammenhang wurde in den achtziger Jahren am Massachusetts Institute of Technology (MIT) diese Organisation in Form von netzwerkartigen Wertschöpfungsgemeinschaften mit dem Begriff „virtuelles Unternehmen“ als mögliche Antort auf die neuen Herausforderungen belegt (Malone & Laubacher, 1998). Das moderne Unternehmen wird infolgedessen oftmals nur noch ein Kern von wenigen festangestellten Mitarbeitern sein, die unabhängig von ihrem physischen Standort und mit Hilfe der IKT Kontakte zu Lieferanten und externen Spezialisten entwickeln und pflegen, um diese dann zu einem Netz zu vereinen, das ein gemeinsames Produkt herstellt bzw. einen gemeinsamen Dienst anbietet. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 103 In der Fachliteratur finden sich eine Reihe von Definitionen zum Begriff des virtuellen Unternehmens (vgl. die Aufzählung bei (Schräder, 1996) (S.23ff.)). Exemplarisch soll an dieser Stelle eine Definition von Scholz vorgestellt werden. Nach (Scholz, 1997) (S.5) sind virtuelle Unternehmen „künstliche Gebilde, die (im Hinblick auf einen maximalen Kundennutzen) basierend auf individuellen Kernkompetenzen eine Integration unabhängiger Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette realisieren, ohne dass ein entsprechender zusätzlicher Koordinationsaufwand durch das Einrichten einer besonderen organisatorischen Koordinationsstelle notwendig wird und ohne dass den Kunden diese Virtualität beeinträchtigt." Die Unternehmen können dabei auch in Form von Selbständigen bzw. freien Mitarbeitern, wie sie unter 3.1.3 beschrieben worden sind, auftreten. 3.1.6 Aufbruch von Wertschöpfungsketten Nachdem im vorherigen Abschnitt die notwendigen Veränderungen der Organisationsformen in der Informationsgesellschaft besprochen worden sind, soll nun ein Blick auf die Transformationen der Wertschöpfungskette geworfen werden. (Evans & Wurster, 1998) (S.54) sehen einen dramatischen Wandel, in dem sie die Meinung vertreten, dass „die etablierten Werteketten in vielen Bereichen der Wirtschaft zerreissen“ we rden. Aus der Perspektive der einzelnen Unternehmung ist die Wertekette ein Instrument der wettbewerbsorientierten Unternehmensanalyse. Um zum einen das Kostenverhalten der Produktions- und Transaktionskosten und zum anderen das Zusammenwirken der Kompetenzen zu verstehen, gliedert die Wertekette ein Unternehmen in verschiedene strategisch relevante Tätigkeiten bzw. Wertekettenglieder (Porter, 1995). Die Wertekette des einzelnen Unternehmens ist in einen komplexen Strom von vorund nachgelagerten Wertschöpfungsketten anderer Unternehmen wie z.B. den der direkten Lieferanten als auch der direkten Kunden eingebettet. Zusammen bilden sie das Wertekettensystem eines Produktes oder einer Branche. Da die Betrachtung der internen Wertschöpfungskette zur Erstellung eines Produktes schon unter 3.1.3 erfolgt ist, wird nun die Veränderung ganzer Branchen betrachtet. Im wesentlichen lassen sich zwei Arten von Transformationen erkennen (Schmid, 2000) (S.5ff.). Zum einen spricht er von der evolutionären Entwicklung und meint damit, dass nur ein Teil der Wertschöpfungskette verändert wird und der Kern des Geschäftsmodells erhalten bleibt. „Wird dagegen die ganze Wertschöpfungskette oder grosse Teile von ihr durch solche Transformationsprozesse erfasst, so fällt das bisheri- 104 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ge Geschäftsmodell in sich zusammen und wir können von einer revolutionären Transformation sprechen.“ (Schmid, 2000) (S.5). Der Begriff des Geschäftsmodells wird dabei in dieser Arbeit im Sinne von (Timmers 1998) (S.4) verwendet. Er definiert ein Geschäftsmodell in drei Punkten als: ?? „An architecture for the product, service and information flows, including a description of the various business actors and their roles; and ?? a description of the potential benefits for the various actors; and ?? a description of the sources of revenues.“ Als Beispiel für die evolutionären Entwicklungen nennt (Schmid, 2000), ebenso wie (Evans & Wurster, 1998), die Entwicklung im Bankensektor, wo beispielsweise die Einführung von elektronischen Börsen, Privatanlegern den Zugang zu den Börsen ermöglichte und somit eine extrem kostengünstige Transaktionsmöglichkeit für Privatkunden geschaffen hat. Allerdings bleiben die wesentlichen Strukturen und Leistungen der Branchen und somit auch der Kern der Geschäftsmodelle bestehen. Die Transformation beispielsweise in der Musikbranche kann hingegen als revolutionär betrachtet werden. Mit der Erfindung des MP3-Formates ist es möglich geworden, Musik in digitaler Form mit guter Qualität und gut transportierbaren Datenvolumina herzustellen. Das Produzieren, das Samplen und auch die Distribution ist somit im Vergleich zur traditionellen Branche enorm kostengünstig geworden, so dass Künstler z.B. im WWW direkt zu Kunden Kontakt aufnehmen können, ohne auf die Mithilfe von Musikverlagen angewiesen zu sein. Die Autoren können so bis zu 85% der Einnahmen aus den produzierten Musikstücken für sich verbuchen, da ein Grossteil der teuren Unterstützung durch die Verlage wegfällt. Insofern hat sich das Geschäftsmodell in dieser Branche komplett ve rändert. Grundsätzlich kann demzufolge ein Aufbruch und eine Veränderung der Wertschöpfungsketten festgestellt werden. Darüber, wie sich nun diese Rekonfigurationen von Werteketten äussern werden, gibt es, neben der oben geschilderten Einteilung, grundsätzlich zwei Ausprägungen. Zum einen wird eine Reduktion von Intermediären (DisIntermediation) erwartet und zum anderen wird das Entstehen neuartiger Intermediäre (Re-Intermediation) vorhergesehen. Tendenzen in beide Richtungen lassen sich auch empirisch beobachten. So findet man – als Beispiel für Dis-Intermediation – den Service Books on Demand (www.bod.de.) der unter Umgehung von klassischen Buchverlagen, Bücher von Autoren direkt über das Internet vertreibt und erst bei Bestellung produziert oder auch wie am Beispiel der Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 105 Musikindustrie dargestellt, dass Künstler direkt Kontakt zu den Kunden aufnehmen (www.davidbowie.com). Andererseits sind – als Beispiel neuer Intermediationsformen – Suchdienste im Internet, wie beispielsweise www.yahoo.com oder www.excite.com, entstanden, die auf physischen Märkten nicht in dieser Form zu finden sind. 3.1.7 Rolle des Staates und des Umfeldes Als abschliessende Veränderungen durch die neuen Medien wird in diesem Abschnitt kurz auf die Rolle des Staates und des Umfeldes eingegangen. Das Umfeld umfasst dabei ebenso die Entwicklung in der Gesellschaft und der in ihr lebenden Mitglieder, wie auch beispielsweise die Entwicklung der Finanzmärkte durch die neuen Medien und die dadurch entstandenen Möglichkeiten, wie z.B. die Beschaffung von Venture Capital. Um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu sprengen wird dieser Aspekt, der sicherlich auch als wesentlicher Faktor der dynamischen Entwicklung gesehen werden kann, allerdings nicht weiterbesprochen. Ebenso werden die Veränderungen der Konsumenten unter 3.3 explizit erläutert, so dass ihnen an dieser Stelle zunächst keine Beachtung geschenkt wird. Insofern wird im folgenden Abschnitt ausschliesslich die Rolle des Staates in der neuen Informationsgesellschaft betrachtet. Im wesentlichen lassen sich nach (Schmid, 1998) vier gravierende Einflüsse auf den Staat in der Informationsgesellschaft feststellen: ?? Die Möglichkeiten, öffentlichen Druck auf den Staat auszuüben, steigen an, da die verschiedenen Interessengruppen mit Hilfe der neuen Medien für ihre speziellen Interessen werben können. (Schmid, 1998) spricht sogar von der Entstehung ganzer „Betroffenheitsindustrien“, wie zum Beispiel die Ökologiebewe gung mit all ihren Verzweigungen. ?? Durch die Entwicklungen der IKT sind Bewohner eines Staates heutzutage in der Lage, in vielen verschiedenen Interessengemeinschaften, die dabei allerdings häufig über Ländergrenzen hinausgehen, zu sein, so dass die Beziehung zwischen den Bürgern und dem Staat immer mehr an Bedeutung verliert. Dies kann zu einer mangelnden Identifikation der Bürger mit „ihrem“ Staat führen. ?? Unternehmen beispielsweise lernen immer mehr, Staaten hauptsächlich als Standortalternativen zu betrac hten. Verstärkt wird dieser Trend durch die zunehmende Mobilität der Arbeitnehmer. Wie unter 3.1.3 gezeigt wurde, verliert der Ort der Arbeit durch die neuen Formen der Leistungserstellung, wie z.B. der Telearbeit, an Bedeutung, so dass auch die Arbeitskräfte ohne grossen Aufwand den Unternehmen bei einem Wechsel folgen könnten. 106 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ?? Ein weiterer Punkt, der sich aus der globalen Leistungserstellung ergibt, ist die Erhebung von Steuern und Zöllen. Insbesondere beim Austausch von digitalen Gütern lassen sich die entsprechenden Warenströme nicht oder nur noch mit grossem Aufwand nachvollziehen, so dass die Grundlagen für die vom Staat geforderten Abgaben wie Steuern und Zölle immer schwieriger zu bemessen und zu erheben sind. Dies könnte je nach Entwicklung des online-Umsatzes zu einer massiven Reduzierung der Einnahmen für den Staat führen. 3.1.8 Zusammenfassende Betrachtung Grundsätzlich kann für die Herausforderungen durch die neuen Medien gesagt werden, dass sie einen enormen Einfluss auf das gesellschaftliche und insbesondere auf das wirtschaftliche Leben haben. Im Rahmen dieses Abschnittes sind sieben verschiedene Bereiche vorgestellt worden, in denen sich gegenwärtig ein Wandel vollzieht bzw. vollziehen kann. Im einzelnen sind der Wandel zur Informationsgesellschaft, die Besonderheiten digitaler Produkte, die Veränderung der Leistungserstellung, der Wandel vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement, die neuen Organisationsformen, der Aufbruch der Wertschöpfungsketten sowie die Rolle des Staates betrachtet und kurz umrissen worden. Es ist dabei deutlich geworden, dass viele Bereiche von diesen Veränderungen ergriffen werden, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sich ihr Erscheinungsbild teilweise stark verändern wird. Dieser Prozess wird sich nach Meinung des Autors dabei jedoch nicht so schnell und so spektakulär vollziehen, wie von einigen anderen Autoren postuliert wird. Dennoch werden viele Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens von dieser Entwicklung betroffen sein, so dass diese Veränderungen berücksichtigt werden müssen. Zu bedenken ist des weiteren, dass die in diesem Kapitel aufgeführten Entwicklungen allerdings in vielen Punkten „futuristische Idealansichten“ darstellen, deren Realisierung von vielen Faktoren abhängig ist. Diese Faktoren sind allerdings nicht im Rahmen dieses Abschnittes behandelt worden, vielmehr war es Ziel, eine gewisse Sensibilität für die Entwicklung der neuen Medien zu schaffen, um so einen Einblick auf die schon bestehenden Veränderungen, aber auch auf die möglicherweise zu erwartenden Transformationen zu geben. Damit soll die Notwendigkeit zu einer neuen Betrachtung des Management der Kundenbeziehung unterstrichen werden. 3.2 Besonderheiten von Interaktionsbeziehungen in den neuen Medien Nachdem im vorherigen Abschnitt die Herausforderungen durch die neuen Medien in allgemeiner Art gezeigt worden sind, werden nun gemäss der vorgestellten Forschungsfrage die Besonderheiten, die sich für die Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Geschäftsmedien ergeben, betrachtet. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 107 Interaktionen, verstanden als Austauschprozesse jeglicher Art, umfassen dabei sowohl die Kommunikation als auch die Transaktion. Die Kommunikation beinhaltet den Austausch von - zumindest für die Nachfrager - kostenlosen Informationen, wohingegen sich die Transaktion auf den Austausch von ökonomischen Werten, wie Waren und Dienstleistungen, bezieht. Kostenpflichtige Informationen, wie beispielsweise aktuelle Börsenkurse oder spezifische Wetterdaten, werden in diesem Sinne als Dienstleistungen verstanden und können somit in die Gruppe der Transaktion eingeordnet werden. Häufig geht beim Aufbau einer Beziehung zu den Kunden die Kommunikation einer ökonomisch motivierten Transaktion voraus und macht diese somit erst möglich. Die Gestaltung und die Pflege von den Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragen zeigen gewisse Überschneidungen zu den vier Kernaufgaben (Kundengewinnung, Kundenbindung, Leistungsinnovation und Leistungspflege) nach Tomczak, wie sie unter 2.2.1 vorgestellt worden sind. Diese Kernaufgaben können dieser Schematik zugeordnet werden, da die genannten Kernaufgaben ebenso sowohl teilweise Kommunikations- als auch Transaktionsaspekte umfassen. So beinhalten die Kernaufgaben Kundengewinnung und –bindung zur Identifikation der Kundenbedürfnisse zum einen die Kommunikation mit den Kunden und zur Befriedigung dieser Bedürfnisse zum anderen die Aspkete der Transaktion, so dass sowohl die Gewinnung als auch die Bindung von Kunden adressiert wird. Ebenso werden bei den beiden Kernaufgaben der Leistungsinnovation und der –pflege sowohl kommunikatorische als auch transaktorische Aspekte berücksichtigt, beispielsweise in Form einer Intergration der Kunden in den Entwicklungsprozess. Die Gestaltung und Pflege von Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern kann somit als Teilmenge des Marketing gesehen werden. Demnach führen diese Veränderungen auch zu Implikationen auf das Marketing, die ebenso besprochen we rden. Zu diesem Zweck werden zunächst verschiedene Definitionen und Beschreibungen des Marketing in den neuen Medien vorgestellt. Anschliessend werden grundsätzliche Unterschiede zwischen der bisherigen Gestaltung von Interaktionsbeziehungen und den veränderten Möglichkeiten des Management von Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern herausgearbeitet. Um die Veränderungen auch von einer anderen Perspektive zu betrachten, werden abschliessend die sich ergebenden Vorteile für Nachfrager und Anbieter zusammengefasst. In der Literatur findet sich bisher keine allseits anerkannte Definition für das Marketing in und durch neue Medien. Im folgenden werden daher verschiedene Definitionen vorgestellt und voneinander abgegrenzt. (Huly & Raake, 1995) verwenden beispielsweise als eine der ersten den Begriff „Electronic Marketing“. In ihren Augen umfasst ‚Electronic Marketing‘ „alle Bereiche 108 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien des Marketing, die durch Datenverarbeitung und/oder Telekommunikation erst möglich oder unterstützt werden.“(Huly & Raake, 1995) (S.12). „Marketing mit interaktiven Medien“ (vgl . (Albers et al. 1999) stellt die zwe iseitige Kommunikation innerhalb eines Mediums, das die „wahre Interaktivität“ ermöglicht, in den Vordergrund der Betrachtung. Insofern werden bei diesem sehr breiten Ansatz sämtliche Medien, die einen Rückkanal bieten, für das Marketing genutzt. Neben den Möglichkeiten des Internet und den entsprechenden Diensten wäre auch das interaktive Fernsehen in diesem Sinne ein Medium für das „Marketing mit interaktiven Medien“. Ein etwas engerer Ansatz wird von (Fritz, 1999) in die Diskussion eingebracht. Unter dem von ihm vorgeschlagenen Begriff ‚Internet-Marketing‘ „wird die systematische Nutzung der Internet-Dienste für die Zwecke des Marketing verstanden.“ (Fritz, 1999) (S.4). Die in seinen Augen relevanten Internet-Dienste sind das World Wide Web, EMail, File Transfer Protocol (FTP), Newsgroups und Internet Relay Chat (IRC). Noch enger definiert (Krause, 2000) den Begriff ‚online-Marketing‘. Er sieht onlineMarketing als „eine Form der interaktiven, kommerziellen Kommunikation. onlineMarketing benutzt überwiegend das World Wide Web, den multimedialen Dienst des Internet.“ (Krause, 2000) (S.337). Bei diesem Ansatz wird insofern hauptsächlich ein einzelner Dienst des Internet in die Betrachtung mit einbezogen. Da dies allerdings aus Sicht des Autors zu kurz greift, soll in der folgenden Arbeit der Definition von (Fritz, 1999) gefolgt werden. Die Begriffe online-Marketing und Internet-Marketing werden allerdings im Rahmen der Arbeit synonym verwendet, wobei die Definition von (Fritz, 1999) zu Grunde gelegt wird. Betrachtet man nun die Veränderungen, die sich auf das Management der Interaktionsbeziehungen in den neuen Medien auswirken, kann erkannt werden, dass sich sowohl für die Kommunikation als auch für die Transaktion eine Vielzahl von Besonderheiten ergibt. Folgendes Schaubild fasst die Veränderungen zusammen. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 109 Interaktion in den neuen Medien Kommunikation (Information) Richtung Form Inhalt Transaktion (Leistungen) Individualisierung Ubiquität Erlösquelle Partner Abwicklung Abbildung 3-7: Elemente der Interaktionsbeziehungen zwischen Anbieter und Nachfragern in den neuen Medien, die einer Veränderung unterworfen sind Die beiden Kategorien Kommunikation und Transaktion sind dabei auch als Strukturierungshilfe zu verstehen, um den komplexen Sachverhalt der Transformation der Interaktionsbeziehung zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Medien so anschaulich wie möglich darzustellen. Teilweise ergeben sich deswegen bei den unterschiedlichen Kategorien gewisse Überschneidungen, die aber aus Sicht des Autors dem Erkenntnisprozess nicht abträglich sind. 3.2.1 Veränderung der Kommunikation Diese Kategorie unterteilt sich in fünf weitere Abschnitte. Zunächst wird der Wandel der Kommunikationsrichtung beschrieben, anschliessend werden die durch die Interaktivität des Internet möglich gewordenen neuen Formen der Kommunikation z. B. der direkte Dialog zwischen Anbieter und Nachfrage erläutert. Als drittes wird auf den sich verändernden Inhalt der Kommunikation eingegangen. Die Individualisierung und die Ubiquität, als weitere Besonderheiten der Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern, beziehen sich sowohl auf die Kommunikation als auch auf die Transaktion. Aus all diesen Veränderungen leiten sich Implikationen für das Marketing in den neuen Medien ab. ?? Richtung der Kommunikation Grundsätzlich kann in den neuen Medien aus Sicht des Marketing von einer Umkehrung der Kommunikationsrichtung gesprochen werden (Fritz, 1999) (S.6). Die Initiative zum Kommunikationsprozess geht nicht mehr wie in früheren Zeiten des Massenmarketing hauptsächlich vom Anbieter aus, sondern die Kunden haben im Rahmen der Entwicklungen der neuen Medien in grösserem Masse die Möglichkeit für sie relevante Informationen zu selektieren. Dadurch erhalten die Kunden eine neue Machtpositi- 110 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien on, wie sie in der Form bisher nicht gegeben war. Die Nachfrager entscheiden selbst, was sie sehen wollen und was nicht. (Gräf & Tomczak, 1997) sprechen in diesem Zusammenhang von einem Wandel vom Market-push zum Market-pull und meinen damit, dass der „Konsument die dargebotenen Informationen individuell und je nach Intention selbst selektieren [kann].“ (Gräf & Tomczak, 1997) (S.12). Ähnlich beurteilen auch (Zerdick et al. 1999) (S. 197) den Wandel vom Push- zum Pull-Marketing. Der Pull-Ansatz verdeutlicht dabei die neue Souveränität des Nachfragers, wohingegen der Push-Ansatz – verstanden als eine Übertragung der Broadcasting-Idee auf das Internet – z. B. in Form von allgemeinen elektronischen Newsletter immer seltener zu finden ist. Zu beachten ist allerdings, dass auch der Push-Ansatz z.B. in Form von individualisierten elektronischen Newslettern ebenso zur Befriedigung der Kundenbedürfnisse beitragen kann. Grundsätzlich nimmt aber der Pull-Ansatz eine immer grössere Bedeutung ein. (Zerdick et al. 1999) leiten daraus die Anforderung an das Marketing in den neuen Medien ab, dass von den Anbietern „verstärkt Angebote zur Nutzung gemacht werden müssen.“ (Zerdick et al. 1999) (S.197). Insofern besteht eine wesentliche Voraussetzung für diesen Selektionsprozess durch den Nachfrager darin, dass die gewünschten Informationen überhaupt von den Anbietern angeboten werden. Ein anschauliches Beispiel soll abschliessend den Unterschied zwischen Market-Pull und Market-Push verdeutlichen. In diesem Zusammenhang wird von dem Schlauchversus-Pool-Vergleich gesprochen (Krause, 2000) (S.338). Wenn man den Market-Push-Ansatz mit einem Schlauch vergleicht, so ist es das Ziel, mit dem Schlauch möglichst viele Passanten nass zu spritzen, d.h. mit Informationen zu versorgen. Dazu ist es notwendig, dass man in der Reichweite der Passanten ist und je grösser der Schlauch ist, desto mehr Passanten können nass gespritzt werden. Allerdings lässt sich in der Regel keiner so gerne freiwillig nass spritzen, so dass die Trefferquote nicht sehr hoch sein wird. Beim Market-Pull-Ansatz geht es nun darum, den Passanten einen Pool zur Verfügung zu stellen. Dieser Pool sollte entsprechend attraktiv gestaltet sein, damit die Passanten in den Pool steigen. Allerdings entscheiden die Passanten autonom, ob sie in den Pool steigen, wann sie einsteigen, wie lange sie in dem Pool bleiben oder ob sie erst gar nicht den Pool nutzen wollen. Es ist sicherlich nicht einfach, die Pa ssanten dazu zu bewegen in den Pool zu springen, wenn sie allerdings einmal drin sind, sind sie dafür auch richtig nass. Ein guter Market-Pull-Ansatz schafft dementsprechend attraktive Pools. ?? Form der Kommunikation Eine weitere wesentliche Besonderheit, die in die Kategorie „Kommunikation“ eingeteilt werden kann, ist der durch die Interaktivität möglich gewordene Dialog zwischen Anbietern und Nachfragern. Bezog sich der erste Punkt eher auf die Richtung der Kommunikation, werden nun die sich verändernden Ausprägungen der bestehenden Formen der Kommunikation betrac htet. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 111 Im Rahmen der neuen technischen Möglichkeiten z.B. durch die Einrichtung von Kontaktmöglichkeiten auf der Webpage, können die Nachfrager in einer für sie weniger aufwendigen Art sowohl Sender als auch Empfänger von Informationen sein. Insofern können die Nachfrager als aktive Partner im Kommunikationsprozess angesehen werden (Fritz, 1999) (S.7); (Gräf & Tomczak, 1997) (S.13). In diesem Zusammenhang zeigt sich hier auch die unter 3.3 beschriebene Entwicklung vom unmündigen zum kritischen Verbraucher. Der Unterschied zwischen der alten Ökonomie und der Informationsgesellschaft besteht also nicht in der Kommunikationsform an sich, beispielsweise war die One-to-One-Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager auch schon in früheren Zeiten möglich, sondern eher in der Ausprägung, d.h. in der Aktivität der Kommunikationspartner und in der Reaktionszeit der ausgetauschten Informationen. Es zeigt sich somit ein Wandel von der Massen- zur Individualkommunikation. Um einen echten Dialog mit den Nachfragern und Kunden aufzubauen, ist es allerdings notwendig, dafür die entsprechenden Kapazitäten zur Verfügung zu stellen. Insbesondere in den neuen Medien ist die Erwartungshaltung der Kunden besonders hoch (vgl. 3.3), so dass die Reaktionszeit auf Anfragen sehr kurz sein muss. Dieser Punkt wird bei der Vorstellung des neuen Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien nochmals aufgegriffen und vertieft behandelt werden. Nicht nur die Ausprägungen der Kommunikation zwischen den Anbietern und den Nachfragern in Form der One-to-One-Kommunikation verändern sich, sondern auch die Kommunikation der Internet-User untereinander, so dass sich hier vollkommen neue Optionen der Many-to-Many-Kommunikation ergeben (Gräf & Tomczak, 1997). Die Vielzahl der entstandenen virtuellen Gemeinschaften, die eine Ausprägung der Many-to-Many-Kommunikation darstellen, unterstreicht dabei eindrucksvoll diese Entwicklung. Meinungsplattformen, wie beispielsweise Ciao.com (www.ciao.com), in denen Nachfrager ihre Erfahrungen mit verschiedenen Anbietern preisgeben können, konnte nur durch die technische Entwicklungen und die neuartige Ausprägung der Many-to-Many-Kommunikation entstehen. Das Peer-to-Peer-Computing (P-to-P), verstanden als der Datenaustausch unter Gleichgesinnten, kann dabei ebenso als eine interessante Ausprägung der Many-to-Many-Kommunikation genannt werden. Bei diesem Ansatz fallen die Intermediäre, die zwischen Angebot und Nachfrage vermitteln, weg, da die Konsumenten die gewünschte Ware direkt untereinander austauschen, wie es beispielsweise bei der Musikaustauschbörse Napster (www.napster.com) gezeigt wird. Des weiteren wird dadurch die Bildung von virtuellen Gemeinschaften, die beispielsweise ein gemeinsames Interesse verfolgen, ermöglicht. Dieser Aspekt wird unter 4.5.5 ausführlich behandelt. ?? Inhalte der Kommunikation 112 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Neben der veränderten Ausprägung der Formen der Kommunikation ergeben sich auch Besonderheiten für die Inhalte der Kommunikation. Dieser Punkt kann dabei in die drei Unterpunkte Qualität, Quantität und Gestaltung & Vermittlung aufgeschlüsselt werden. Folgende Abbildung ordnet diese Unterteilung in den Zusammenhang der Besonderheiten der Interaktionsbeziehungen zwischen Nachfragern und Anbietern in den neuen Medien ein. Transaktion K o m m unikation Inhalt Qualität Quantität Gestaltung& Vermittlung Abbildung 3-8: Unterpunkte der Kommunikationsinhalte Um einen echten Dialog mit Nachfragern und Kunden aufzubauen ist es notwendig, einen Anreiz für die angestrebte Kommunikation zu bieten. Die Inhalte der klassischen Werbung, in denen die Vorzüge der zum Verkauf stehenden Ware von den Anbietern angepriesen werden, folgen häufig den Ideen der traditionellen one-to-manyKommunikation zwischen einem Anbieter und einer Vielzahl von Nachfragern. Diese Inhalte bieten jedoch in den seltensten Fällen einen Mehrwert für Nachfrager, insofern wird es immer wichtiger, anstatt Werbung mehrwertgenerierende Inhalte für die Nachfrager bereitzustellen (Zerdick et al. 1999) (S.199). Beispiele für solche Inhalte können die Bereitstellung von Produktberichten aus Fachzeitschriften, angebotene Preisvergleiche, Demoversionen von Software etc. sein (Kotler & Bliemel, 1999) (S.1129). Diese Kommunikationsinhalte unterstützen dabei auch die unter 3.3 angesprochene Reduktion der Unsicherheit der Konsumenten. Ein weiterer Aspekt, der beachtet we rden sollte, ist die Aktualität der zur Verfügung gestellten Informationen. So belegen Studien, dass die Aktualität der Informationen für die Kunden höchste Bedeutung bei der Bewertung von online-Angeboten hat (Werner & Stephan, 1997) (S.76). Neben der reinen fachlichen Information lässt sich auch immer mehr ein Trend zum sogenannten Infotainment, also die Verbindung zwischen Information und Unterhaltung, als weitere Besonderheit der Interaktionsbeziehungen in den neuen Medien, erkennen (Rist, 1998). Auch (Krause, 2000) (S.338) unterstreicht, dass die Kommunika- Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 113 tion zwischen Anbietern und Nachfragern eine Unterhaltungskomponente beinhalten sollte, um so die Erfüllung des Wunsches nach dem „Erlebnisshopping“ und der entsprechenden Erlebnisorientierung, wie sie unter 3.3 als Trend im Konsumentenverhalten vorgestellt wird, zu unterstützen. Im Rahmen der Kommunikationsinhalte kann des weiteren neben den Veränderungen der Qualität gegenwärtig eine stark zunehmende Informationsfülle beobachtet werden (Evans & Wurster, 2000), was mit der Quantität der Kommunikationsinhalte beschrieben werden kann. Die Nachfrager sind durch die technischen Entwicklungen in der Lage, auf eine Vielzahl von relevanten Informationen und entsprechenden Angeboten von verschiedenen Anbietern zuzugreifen, so dass von einer steigenden Markttransparenz ausgegangen werden kann. Auf der anderen Seite kann diese „Informationsflut“ auch zu einer Verunsicherung führen, da die Nachfrager nicht mehr entscheiden können, was für sie wichtig ist. Dieser sogenannte „Information-overload“ kann somit zu einer gewissen Orientierungslosigkeit der Nachfrager führen. Des weiteren ist zu erwähnen, dass mit der steigenden Anzahl der Angebote und der damit verbunden Multioptionalität auch die Wechselbereitschaft der Konsumenten (vgl. 3.3) weiter gefördert wird. Um die Inhalte der Kommunikation vermitteln zu können, wird es auch immer wichtiger, auf die entsprechenden Wünsche und Rahmenbedingungen (Art der zu verwe ndenden Sprache, Wertvorstellungen etc.) der Kommunikationspartner einzugehen. Insofern ist im Sinne des unter 2.1.2 vorgestellten Medienmodells nicht nur der Aufbau eines Kanalsystems gemäss der Bedürfnisse der Nachfrager, sondern auch die Gestaltung eines logische n Raumes für eine erfolgreiche Kommunikation notwendig. Insbesondere im World Wide Web ergeben sich ein Vielzahl von Möglichkeiten, wie z.B. Audio, Video, Text, Bild und Grafik, zur Kommunikationsgestaltung. Die multimodale (d.h. mehrere Sinne ansprechende) Interaktivität des WWW erlaubt es, Information und Produkte visuell und akustisch zu präsentieren. Auch an dieser Stelle zeigen sich Verbindungen zu den unter 3.3 zu beschreibenden Konsumententrends, so tragen bessere Produktpräsentationen und einfachere Navigation zu einer Zeitersparnis und einer Unsicherheitsreduktion bei. Zur Zeit sind allerdings die Möglichkeiten dieser multimedialen Gestaltungsmöglichkeiten auf Grund der teilweise vorhandenen Probleme bei der Übertragungskapazität noch nicht voll entfaltet (Fritz, 1999) (S.8). Für die Zukunft ergeben sich in diesem Feld eine Vielzahl von Perspektiven, die im weiteren Verlauf der Dissertation intensiver betrachtet werden. Die Gestaltung der Kommunikationskanäle und der Inhalte der Kommunikation in den neuen Medien wird als ein Bestandteil des Modells zum Management der Kundenbe- 114 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ziehung in den neuen Geschäftsmedien unter dem Building Block „Designing Customer Interaction“ (vgl. 4.5.1) ausführlicher besprochen. ?? Individualisierung der Kommunikation Als vierte Besonderheit der Kommunikation kann die Individualisierung genannt we rden. Auf den Kunden angepasste Information kann sowohl im Sinne des Push- als auch beim Pull-Ansatz Verwendung finden. Individualisierte elektronische Newsletter, die für den Kunden relevante Informationen enthalten, können dabei dem Push-Ansatz zugeordnet werden. Die nach persönlichen Wünschen und Vorstellungen gestaltete Webpage eines Anbieters, wie zum Beispiel MyYahoo!, bietet den Nachfragern die Chance, nur die Informationen, die für sie von Interesse sind, auf der Webpage zu zeigen. Dieses Verfahren entspricht dabei dem Pull-Ansatz. Durch den direkten Kontakt zu den Kunden in Form der One-to-One-Kommunikation ergibt sich vielfach überhaupt erst die Möglichkeit, die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Kunden, unter anderem auch durch die Analyse der vorherigen Interaktionen, besser kennenzulernen, so dass die angebotenen Informationen auf diese Bedürfnisse zugeschnitten werden können. Die Inhalte, die von den Anbietern angeboten werden, sollten demzufolge spezifisch auf jeden einzelnen Kunden angepasst sein, um dem Kunden einen individuellen Mehrwert zu bieten. Durch neue technische Möglichkeiten, wie zum Beispiel dem Collaborative Filtering und Content Managementsystemen (vgl. 4.5.3), ist die Individualisierung der Kommunikationsinhalte auch für einen Massenmarkt möglich geworden. ?? Ubiquität der Kommunikation Abschliessend ist als fünfte Besonderheit der Kommunikationsbeziehungen die ortsund zeitlose Verfügbarkeit von Informationen zu erwähnen. Für Interessenten ist es durch die technischen Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie mittlerweile möglich jederzeit und theoretisch von jedem Ort auf eine Vielzahl von Informationen zuzugreifen. War es in früheren Zeiten für Nachfrager häufig sehr schwer an relevante Informationen heranzukommen, so ist nun eine immense Menge von Informationen ubiquitär abrufbar. Grundsätzlich kann dementprechend festgehalten werden, dass die Kommunikation, verstanden als Austauschprozess von Informationen, viele neue Ausprägungen von bereits bestehenden Kategorien aufweist. Die Veränderungen der Ausprägungen können dabei zum grossen Teil auf die Entwicklungen der neuen Medien zurückgeführt werden. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 115 3.2.2 Veränderung der Transaktion Ebenso wie die Kommunikationsprozesse erfahren auch die Transaktionsprozesse eine Transformation durch die neuen Medien. Diese Transformation spiegelt sich in fünf Kategorien wieder, die im folgenden besprochen werden. ?? Individualisierung der Tr ansaktion Neben der Gestaltung einer auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittenen Kommunikation eröffnen sich auf Grund der geäusserten Kundenwünsche des weiteren auch Chancen zur Leistungsindividualisierung. (Gräf & Tomczak, 1997) (S.23) unterstreichen dabei, dass „je besser die Kommunikation zwischen den Konsumenten und dem Produzenten angepasst werden kann, desto individueller können Produkte auf die Bedürfnisse des Kunden abgestimmt werden.“ Die Kunden können durch die angebotenen Dialogmöglichkeiten frühzeitig in den Wertschöpfungsprozess einbezogen werden und somit einen gewissen Teil zu dem gewünschten Ergebnis selbst beisteuern (Fritz, 1999) (S. 7), so dass dem Trend vom Konsumenten zum Prosumenten Rechnung getragen werden kann. Konzepte wie die Mass Customization, verstanden als massgeschneiderte Massenfertigung, verschaffen Anbietern die Möglichkeiten, auch auf Massenmärkten gemäss der artikulierten Kundenwünsche individualisierte Leistungen gemäss des Trends zur Individualisierung zur Verfügung zu stellen. Dieses Konzept und die individualisierte Leistungserstellung werden unter 4.5.2 (Building Block „Creating Added value for the customer“) vertieft behandelt. Ebenso können sich durch die gesteigerten Möglichkeiten der Kommunikation und die idealerweise daraus resultierende One-to-One-Beziehung eine Veränderung der Gestaltung der Preise ergeben. Gemäss eines erstellten Userprofils könnten bestimmten Nachfragern individuelle Preise angeboten werden, um sie zum Beispiel durch einen Preisabschlag von 10% zu einem Erstkauf zu bewegen. Die unterschiedlichen Möglichkeiten der Preisbildung in den neuen Medien werden ebenso unter 4.5.2 angesprochen. ?? Ubiquität der Transaktion Durch die neuen Medien können, sofern ein Zugang zum Internet, die entsprechende Technik und das notwendige Wissen vorhanden sind, Transaktionen unabhängig von Ort und Zeit durchgeführt werden. Infolgedessen ergeben sich insbesondere für kleinund mittelständische Unternehmen neben dem entsprechenden Angebot an Informationen auch durch die Möglichkeiten zur ubiquitären Abwicklung von Transaktionen neue Chancen für einen internationalen und globalen Auftritt, so dass (Illik, 1999) (S.25); (Krause, 2000) (S.337) grundsätzlich von einem verbesserten Marktzugang sprechen. 116 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Neben der möglichen Ausweitung des Marktes durch die erweiterten Transaktionsmöglichkeiten sehen (Gräf & Tomczak, 1997) (S.13) auch eine gewisse „Gleichberechtigung aller Unternehmungen im ‚gobal village‘“, da die Unternehmungen relativ gleichberechtigt, unabhängig von der Grösse, Macht, Landesgrenzen und Einfluss in der traditionellen Wirtschaftswelt sind. Grundsätzlich kann dieser Aussage zugestimmt werden, da auch kleinere Unternehmungen einen ansprechenden Web-Auftritt gestalten können bzw. auch die Möglichkeit haben, sich zu präsentieren. Allerdings muss auch gesehen werden, dass ein solcher Auftritt in aller Regel mit entsprechenden Ressourcen verbunden ist, die eher von grösseren Unternehmungen bereitgestellt werden können. ?? Erlösquellen der Transaktion Als dritter Punkt wird im Rahmen der Veränderungen der Transaktionsprozesse ein Blick auf die sich verändernden Erlösquellen geworfen. Grundsätzlich können vier verschiedene Erlösquellen betrachtet werden (Schneider & Schnetkamp, 2000) (S.112f.): ??Mitgliedsbeiträge oder Teilnahmegebühren ??Transaktionsgebühren oder Provisionen ??Werbe- und Sponsoringeinnahmen ??Verkauf von Kundeninformationen Die Erhebung von Mitglieds- oder Teilnahmegebühren hat sich allerdings als schwierig herausgestellt, da Internet-Nutzer in der Regel nicht bereit sind, für eine Mitgliedschaft, ausser sie hat einen sehr exklusiven Charakter, zu zahlen. Ebenso sind auch Transaktionsgebühren gegenwärtig schwer zu realisieren, was unter anderem auf Sicherheitsbedenken zurückzuführen ist (Hagen & Zagler, 1998) (S.217ff.). Einen Durchbruch im Bereich der Transaktionsgebühren könnte die Einführung von sicheren, kostengünstigen Mikropayment-Verfahren bedeuten, da die Anbieter damit auch kleine Beiträge, wie beispielsweise für die Bereitstellung einer Kurzinformation, abrechnen könnten. Als weitere Erlösquelle dient die Vermietung von Banner-Werbeflächen. Allerdings hat sich die Hoffnung einer fokussierte Mediaplanung noch nicht erfüllt (Bauer, 1998) (S.9f.). Die Entwicklung von Software, die automatisch elektronische Anzeigen herausfiltert und unterdrückt, wie beispielsweise der WebWasher von Siemens Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 117 (www.siemens.de/servers/webwasher)32, erschwert dabei die Idee der fokussierten Mediaplanung. Eine weitere Erlösquelle ergibt sich durch die Vermarktung von Benutzer- bzw. Kundeninformationen. Durch die getätigen Transaktionen ist es in der Regel möglich ein sehr genaues Profil jedes einzelnen Nutzers anzulegen (Schubert, 1999), da dies unter anderem für Direct-Marketing-Zwecke von höchstem Interesse ist, kann man diese Informationen gut veräussern. In der Vergangenheit trugen die beiden ersten Quellen den grössten Beitrag zu den Einnahmen bei. Mittlerweile ist ein Rückgang der Bedeutung der Abonnementengebühren als Erlösquelle zu erkennen, so dass nun die Einnahmen aus Werbung, Sponsoring und der Verkauf von Kundeninformationen zu den Hauptquellen avanciert sind (Schneider & Schnetkamp, 2000). Ebenso unterstreicht auch (Escher, 1999) (S.235), dass die Gebühren-Zahlungsbereitschaft der Internet-Nutzer gering ist, so dass sich in den neuen Medien eine Veränderung der Erlösquellen zeigt. ?? Partner der Transaktion Neben den Transformationen bei den Erlösquellen sind auch, als vierter Punkt, Veränderungen bei der Anzahl der potentiellen Transaktionspartner zu beobachten, so dass sich durch die globale Reichweite und der Netzartigkeit des Internet und seiner Dienste eine weitere Besonderheit bei den Transaktionsprozessen ergibt. Wie bei der Beschreibung des Umfelds und der Relevanz unter 1.1 gezeigt wurde, nimmt die Zahl der Internet-Nutzer weltweit ständig zu, so dass sich zumindest theoretisch der Kreis der potentiellen Kunden permanent erweitert. Allerdings gilt dabei auch zu bedenken, dass, wenn potentielle Kunden global angesprochen werden sollen, die Marketingkonzepte entsprechend international zu entwickeln sind. Insbesondere sind neben den sprachlichen Unterschieden auch auf die Besonderheiten der verschiedenen Kulturen zu achten. Auch in diesem Zusammenhang erweist sich die Gestaltung des jeweiligen logischen Raumes im Sinne des Medienmodells als entscheidend für eine erfolgreiche Kommunikation. Schwierigkeiten können sich allerdings bei der genauen Identifikation dieser Transaktionspartner ergeben, so dass insbesondere bei Erstkontakten häufig eine gewissen Unsicherheit bei den Transaktionspartnern besteht. ?? Abwicklung der Transaktion 32 (Stand 12.Februar 2001) 118 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Abschliessend verdeutlicht die mögliche Neugestaltung der Abwicklung der Transaktion die Besonderheiten der Interaktionsbeziehung zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Medien. Hierbei steht die Bequemlichkeit bei der Nutzung der Angebote im Vordergrund. Die Prozesse zur Transaktionsabwicklung können im Ve rhältnis zu den bisherigen Möglichkeiten relativ einfach gestaltet werden. Die Durchführung der Transaktion an sich und die entsprechende Bezahlung können in den neuen Medien sinnvoll unterstützt werden. Als Beispiel für eine komplikationslose Abwicklung einer Transaktion kann das One-Click-Shopping genannt werden. Bei diesem Verfahren kann nach einer einmaligen Eingabe aller transaktionsrelevanten Daten, wie Zahlungsverfahren, Lieferadresse etc., die Transaktion ohne viel Aufwand vollzogen werden (Fehrlin, 1999). Allgemein ist durch die vereinfachte Suche des passenden Produktes, die enorme Auswahl und die einfache Abwicklung einer Transaktion auch die Gefahr der Abwanderung der Kunden gegeben. So ist ein Anbieterwechsel auf Grund der bequemen Transaktionsabwicklung schon mit relativ geringem Aufwand möglich. Abschliessend kann zu den aufgeführten Punkten festgehalten werden, dass sowohl die veränderte Kommunikation und Transaktion, der Trend zur Individualisierung, als auch die globale und netzartige Struktur des Internet Einfluss auf das Marketing haben, so dass sich deutliche Unterschiede zwischen den bisherigen Interaktionsaktionsbeziehungen und den Beziehungen in den neuen Medien ergeben. Ähnlich zeigt auch eine Untersuchung von (Dholakia et al. 1999), dass die Systematik der 4 P’s (Product, Place, Price, Promotion) als traditionelles Marketing-Instrumentarium nur im begrenzten Umfang auf die neuen Medien angewendet werden kann. Aus den geschilderten Besonderheiten der Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Medien ergeben sich des weiteren sowohl für die Kunden als auch für die Anbieter Besonderheiten, die im folgenden kurz aufgelistet werden sollen, um die Veränderungen auch aus diesen Blickwinkeln zu betrachten. 3.2.3 Besonderheiten aus Sicht der Nachfrager In der Literatur (z.B. (Kotler & Bliemel, 1999); (Krause, 2000)) finden sich verschiedene Besonderheiten, die kurz dargestellt we rden sollen: ?? Bequemlichkeit: Das Angebot ist für die Nachfrager von jedem Ort der Welt, vo rausgesetzt es existiert ein Zugang zum Internet, das entsprechende Equipment und das notwendige Know How, und zu jedem Zeitpunkt erreichbar. Die Konsumenten sind somit nicht an Ladenöffnungszeiten ge bunden. Der Einkaufsprozess in den neuen Medien kann insgesamt als „mühelos“ bezeichnet werden (Kotler & Blie- Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 119 mel, 1999). Allerdings klaffen in diesem Fall noch häufig Anspruch und Realität auseinander, wie beispielsweise der schlechte online-Service vieler Anbieter zeigt. So wurden laut einer Umfrage von Datamonitor drei von vier online-Transaktionen während einer Bestellung wieder abgebrochen. Hauptgrund dafür waren, neben Problemen mit der Lieferbarkeit oder dem Preis, ein schlechter Service (o.V., 2000). Grundsätzlich ist allerdings die neue Souveränität der Nachfrager sicherlich ein Vorteil, da die Ko nsumenten frei entscheiden können, wann sie welche Informationen, wie benutzen wollen. (Kotler & Bliemel, 1999) (S.1129) sprechen in diesem Zusammenhang von einer „geringen Aufdringlichkeit“ durch die Anbieter. ?? Informationsvergleiche: Aktuelle Informationen sind, wann immer es die Nachfrager wünschen, in einer umfassenden Art verfügbar. Somit ist auch die Möglichkeit, verschiedene Angebote bequem miteinander beispielsweise bzgl. Preis, Verfügbarkeit, Extraleistungen etc. zu vergleichen, gegeben. ?? Preisvorteil: Durch die globale Reichweite wird teilweise auch von einer gesteigerten Markttransparenz ausgegangen, die neben den geringeren Kosten für die Distribution zu günstigeren Preisen in den neuen Medien führen (Krause, 2000) (S.338). Auch (Bakos, 1997) argumentiert, dass durch die geringeren Suchkosten in den neuen Medien die Preise niedriger seien. Andere Untersuchungen hingegen zeigen genau das Gegenteil. So zeigen (Smith et al. 2001) in einer interessanten Auflistung von empirischen Studien zur Höhe der Preise im Vergleich zu konventionellen Märkten, dass die Preise in den neuen Medien häufig nicht niedriger waren. Ebenso fanden sie heraus, dass die Preisspanne, in der identische Güter angeboten wurden, teilweise bis zu 50% ausmachte. Insofern ist fraglich, ob die Preise für in den neuen Medien angebotene Waren wirklich niedriger sind. Ausser Frage steht allerdings, dass der Vergleich der Preise zwischen verschiedenen Anbietern in den neuen Medien häufig deutlich bequemer als auf herkömmlichen Märkten ist. ?? Unterhaltung: Die multimediale Präsentation von Waren und die damit verknüpften Angebote zur Unterhaltung tragen dem unter 3.3 zu zeigenden Trend zur „Erlebnisorientierung“ Rechnung. Die Verknüpfung zwischen Information und Unterhaltung kann dabei, wie oben beschrieben, als Infotainment bezeichnet werden (Rist, 1998). ?? Individualisierung: Die veränderte Kommunikation führt zu einer direkteren und gezielteren Ansprache, so dass den Konsumenten zu einem relevante Nachrichten angeboten werden (Individualisierung der Kommunikation) und zum anderen auch individuelle Waren offeriert werden (Individualisierung der Leistung). 120 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 3.2.4 Besonderheiten aus Sicht der Anbieter Auch aus Sicht der Anbieter ergeben sich durch die Besonderheiten der Interaktionsbeziehungen in den neuen Medien ebenso eine Reihe von neuen Möglichkeiten, die im folgenden kurz beschrieben werden (Kotler & Bliemel, 1999); (Krause, 2000); (Krause, 1998); (Wallbrecht & Clasen, 1997): ?? Umfassender Informationsvorsprung: Durch die Möglichkeit zur sofortigen Präsentation von Neuigkeiten kann ein Anbieter schnell und umfangreich auf Veränderungen reagieren. Die Reaktionszeiten zur Marktanpassung (z.B. Veränderung von Preisen, Produktbeschreibungen etc.) sind im Verhältnis zur traditionellen Verbreitung von Informationen relativ kurz. Dies bedingt folglich auch einen höheren Druck auf die Anbieter, da sie die gewünschten Informationen jederzeit aktuell halten müssen, was mit einem entsprechenden Aufwand verbunden ist. ?? Darstellung von Produkten: Durch die Nutzung der multimedialen Möglichkeiten des World Wide Web können Waren und Leistungen ansprechend dargestellt we rden. Die multimodale Interaktivität des WWW erlaubt, Güter und Dienstleistungen akustisch und visuell zu präsentieren. Insbesondere auch die Möglichkeiten der vi rtuellen Realität sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen (Waehlert, 1997). Allerdings stehen diese Möglichkeiten erst am Anfang, nicht zuletzt auch wegen der bisher nur unzureichend vorhandenen Bandbreite (Fritz, 1999) (S.8). ?? Kostengünstige Werbung: Durch eine gezielte und direkte Ansprache der potentiellen Kunden kann davon ausgegangen werden, dass die Streuverluste der Werbung im Verhältnis zum herkömmlichen Marketing geringer und infolgedessen auch die Kosten für die Werbung relativ günstiger sind. Teilweise werden auch die Kosten für die Erstellung und Verbreitung der Werbung (z.B. Vertrieb von digitalen Produktkatalogen vs. Versand durch Post) als geringer angesehen (Kotler & Bliemel, 1999) (S.1129). Zusätzlich gibt es in Bezug auf den Umfang der Kommunikation (z.B. Umfang des Auftritts im WWW) keine einengenden Beschränkungen, wie beispielsweise die Anzahl der verfügbaren Seiten bzw. Werbeminuten (Krause, 1998). ?? Geringere Kosten für den Ver- und Betrieb: Wenn Güter und Dienstleistungen ausschliesslich über die neuen Medien vertrieben werden, fallen die Kosten für den Aufbau und den Betrieb von physischen Verkaufsstätten weg. Ebenso sind die Kosten für Transaktionen, die über die neuen Medien abgewickelt werden, in der Regel sehr viel kostengünstiger als konventionelle Transaktionen (OECD, 1998). ?? Besserer Marktzugang: Grundsätzlich kann durch die globale Reichweite des Internet und der entsprechenden Dienste, von einem besseren Zugang zum Markt ge- Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 121 sprochen werden. Es können – zumindest theoretisch – mehr potentielle Kunden angesprochen werden. ?? Besserer Zugang zu den einzelnen Kunden: Durch die Möglichkeiten eine One-toOne-Kommunikation mit einzelnen Kunden aufzubauen, können Kundenwünsche individuell erfasst und bearbeitet werden. Die Beziehungen zu den Kunden können dadurch viel intensiver und auch langanhaltender werden. Durch Verfahren wie das Collaborative Filtering (vgl. 4.5.3) können das Kundenverhalten und die daraus abzuleitenden Wünsche und Bedürfnisse besser aufgenommen, analysiert und abgeleitet werden. Ebenso kann die Kontaktmessung, d.h. wieviel Besucher z.B. auf der Webpage waren, wofür sie sich interessiert haben etc., viel direkter erfolgen. Basierend auf entsprechenden Auswertungen kann das Angebot von Seiten der Anbieter permanent verbessert werden. 3.2.5 Zusammenfassende Betrachtung Die Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Medien zeigen eine Reihe von Besonderheiten, die in verschiedene Kategorien eingeteilt werden können. Grundsätzlich ist im Rahmen dieses Abschnittes eine Unterteilung in die Kommunikation und in die Transaktion vorgenommen worden. Die Ausgestaltung der Kommunikation innerhalb der Interaktionsbeziehungen zeigt dabei Besonderheiten in Richtung, Form und Inhalt der Kommunikation. So lässt sich bei der Kommunikationsrichtung ein Wandel vom Market-Push zum Market-Pull erkennen. Des weiteren ergeben sich neue Ausprägungen der bestehenden Kommunikationsformen, beispielsweise die Möglichkeit zur Neugestaltung der One-to-One-Kommunikation. Ebenso ergeben sich bei dem Inhalt der Kommunikation eine Reihe von Veränderungen, die sich auf Qualität, Quantität sowie Gestaltung und Vermittlung der Leistungen bezieht. So steht beispielsweise die Vermittlung mehrwertgenerierender Informationen für diesen Bereich im Vordergrund. Weitere Besonderheiten drücken sich in der Individualisierung und der Ubiquität aus, allerdings beziehen sich diese beiden Punkte sowohl auf die Kommunikation als auch auf die Transaktion. Neben diesen Aspekten lassen sich des weiteren die Punkte Erlösquellen, Partner und Abwicklung als Besonderheiten bei der Gestaltung der Transaktion identifizieren. Alle genannten Besonderheiten haben dabei einen wesentlichen Einfluss auf das Marketing in den neuen Medien. Ausserdem kann festgehalten werden, dass die vorgestellten Besonderheiten für die Interaktionsbeziehung zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Medien sowohl für die Kunden als auch für die Anbieter eine Vielzahl von potentiellen Vorteilen beinhalten. Um die Potentiale dieser Vorteile voll nutzen und um den Anforderungen 122 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien in und durch die neuen Medien genügen zu können, wird im 4. Kapitel ein Ansatz vorgestellt, der das optimale Manage ment der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien zum Ziel hat. 3.3 Verändertes Konsumentenverhalten Nachdem in den vorherigen Abschnitten die Veränderungen durch die neuen Medien und die Besonderheiten der Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern in den Medien umrissen worden sind, wird nun in diesem Abschnitt zunächst allgemein auf das veränderte Konsumentenverhalten eingegangen. Dieses Verhalten zeigt dabei eine nicht zu vernachlässigende Verbindung zu gesellschaftlichen Werten, die ebenso im Laufe der Zeit einem Wandel unterworfen sind. Im Anschluss daran werden verschiedene Kategorien von Käufern in den neuen Medien dargestellt, aus denen sich erste grobe Strategien zur Beabeitung dieser Segmente ableiten lassen. In der Fachliteratur (Vgl. (Kuss & Tomczak, 2000), (Trommsdorff, 1998), (KroeberRiel & Weinberg, 1996)) finden sich eine Vielzahl von Beschreibungen zu den Phänomenen des Konsumentenverhaltens. So verdeutlichen beispielsweise (Kuss & To mczak, 2000) (S.1ff.), dass sich bei der Erforschung des Käuferverhalten eine starke Entwicklung vollzogen hat und sich aus der Pluralität der verschiedenen Entwicklungen eine methodische Vielfalt der Käuferverhaltensforschung ergeben hat. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der Begriff des Konsumentenverhaltens nach Kroeber-Riel verstanden, der das Konsumentenverhalten im engeren und im weiteren Sinne definiert: „Von Kons umentenverhalten i.e.S. wird gesprochen, wenn es um das Verhalten der Menschen beim Kauf und Konsum von wirtschaftlichen Gütern geht. Konsumentenverhalten i.w.S. ist ganz allgemein das Verhalten der „Letztverbraucher“ von materiellen und immateriellen Gütern, also auch das Verhalten der Kirchgänger, Wähler, Patienten usw.“ (Kroeber-Riel & Weinberg, 1996) (S.3). 3.3.1 Allgemeine Veränderungen des Konsumentenverhaltens Im folgenden werden zwölf Trends im Bereich des Konsumentenverhaltens vorgestellt. Trends werden dabei als komplexe Phänomene in der Gesellschaft, die weite Bevölkerungskreise umfassen und Werte, Verhaltensweisen, Kaufverhalten etc. nachhaltig verändern, verstanden. Die sich daraus ableitende Trendforschung versucht, diese Veränderungen zu erfassen und somit den hybriden Konsumenten, der zunehmend seinen Konsumstil für seine Verortung innerhalb der Gesellschaft nutzt, und dessen zukünftiges Konsumentenverhalten einzuschätzen. Allerdings muss auch beachtet werden, dass Trends häufig auch „Gegen-Trends“ hervorrufen können, so dass immer nur höchstens Tendenzen der Entwicklung vorhergesagt werden können. Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 123 Ein Teil der folgenden Ausführungen lehnt sich an die Kernaussagen der Arbeit von (Wiswede, 1991) an, um den Grundrahmen zu verdeutlichen, in dem sich eine Veränderung des Konsumentenverhaltens entwickeln könnte bzw. teilweise schon entwickelt hat. ?? Steigende Erlebnisorientierung Grundsätzlich ist festzustellen, dass sich eine Abkehr vom früher vorherrschenden puritanischen Ethos zu einem hedonistischen Konsumstil abzeichnet. Dieser Konsumstil ist dabei insbesondere durch die Gegenwarts- und Genussorientierung gekennzeichnet. Die Planung der Zukunft tritt hinter die Möglichkeiten des Genusses in der Gegenwart zurück, so dass der Aspekt der Altersvorsorge, der in früheren Generationen einen hohen Stellenwert inne hatte, immer mehr an Bedeutung verliert. Die Genussorientierung verbunden mit dem relativen Wohlstand und der Verkürzung der Arbeitszeit in den meisten Industrienationen hat zu einer starken Freizeitorientierung mit dem entsprechenden Konsum von Freizeitartikeln geführt. Dieser Freizeitund Erlebniskonsum prägt das Konsumverhalten und wird auch in Zukunft weiterhin entscheidend auf das Verhalten Einfluss nehmen (Opaschowski, 1991) (S.111ff.). ?? Vermehrte Kundenintegration Neben der Erlebnis- und Genussorientierung wird sich der Trend zu aktiven Konsumenten weiterentwickeln. Die vormals passiven Konsumenten werden zu Nachfragern, die sich durch einen aktiven, schöpferischen und kreativen Konsumstil auszeichnen. Sie wollen immer intensiver und frühzeitiger in die Entwicklungsprozesse von Produkten eingebunden werden, um ihre Vorstellungen in das Design der Produkte einfliessen zu lassen. Durch die Integration der Kunden in den Wertschöpfungsprozess wird aus einem passiven Käufer ein aktiver Konsument, der sogenannte Prosument (Beyering, 1987) (S.113). Ein Prosument ist „ein Konsument, der seine Rolle nicht mehr passiv wahrnimmt, sondern gestaltend und produktiv im wirtschaftlichen Prozess mitwirkt und dabei eben auch kreative, schöpferische Aspekte einzubringen vermag. Hier we rden Handlungsräume erschlossen, die dem formellen Arbeitsbereich längst verloren gegangen sind: nämlich Spielräume bei der Selbstentfaltung und Selbstdarstellung, also durchaus Sinnerfüllung durch Arbeit, aber eben einer Art von Arbeit, die freiwi llig ist und autonome Gestaltung zu lässt.“ (Wiswede, 1991) (S.29). Insbesondere durch die neu entstandenen Möglichkeiten der IKT wird sich dieser Trend in Zukunft weiter verstär ken. Dieser Trend nach intensiverer Einbindung äussert sich auch in dem ve rstärkten Wunsch nach Selbstbedienung bzw. in der Abwicklung einfacher Aufgaben wie z.B. Durchführung einer Überweisung etc. durch die Kunden. 124 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ?? Steigende Bedeutung immaterieller Werte Auf Grund der in den Industrienationen vorhandenen hohen Ausstattung mit Wohlstandsgütern verlieren materielle Werte immer mehr an Bedeutung (Wiswede, 1991). Dies kann insbesondere darauf zurückgeführt werden, dass die heutigen Generationen mit einer gewissen Selbstverständlichkeit dieser Wohlstandsgüter aufgewachsen sind, so dass ihnen nur noch eine geringere Bedeutung beigemessen wird. An die Stelle des materiellen Konsums tritt die Suche nach alternativen Einkaufsmöglichkeiten, die eine gewisse Natürlichkeit, Originalität und Authentizität darstellen und ohne künstliche Zusätze auskommen. Die steigende Relevanz ökologisch angebauter Produkte kann hierbei als Beispiel dienen. Diese als Transmaterialismus bezeichnete Te ndenz beinhaltet insofern auch eine Veränderung der Erfüllung der Bedürfnisstruktur. Ebenso kann in den heutigen Generationen der steigende Wunsch nach immateriellen Werten wie Gesundheit und Wellness erkannt werden (Eggert, 2000). ?? Wertewandel In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg war das Konsumentenverhalten durch die Zielsetzung, einen gewissen Lebensstandard zu erreichen, geprägt. Dieser Lebensstandard äusserte sich in der quantitativen Grösse der Kaufkraft, die aus dem zur Verfügung stehenden Einkommen resultiert. In letzter Zeit nimmt die Entwicklung des Lebensstils, verstanden als die Beschreibung der qualitativen Verwendungsseite im Sinne der Verteilung des Einkommens auf bestimmte Güter, eine bedeutendere Stellung ein. Die unterschiedliche Einkommensverwendung führt dazu, dass bei gleicher Einkommenshöhe unterschiedliche Lebensstile realisiert werden können. (Wiswede, 1991) (S.23) bezeichnet dieses Phänomen als „Differenzierung im Verwendungsverhalten“. Dies führt zu einer Heterogenisierung des Konsums und des entsprechenden Konsumve rhaltens, so dass grundsätzlich von einem Wertewandel gesprochen werden kann. ?? Hybridität führt zu einer steigenden Wechselbereitschaft Demonstrative Konsumgüter, die früher Zeichen von Wohlstand waren, werden immer intensiver von individuellen und erlebnisorientierten Gütern verdrängt. Durch das ständig wachsende Angebot von Produkten zeigt sich eine Spaltung des Kaufverhaltens. Auf der einen Seite werden extrem hochwertige Produkte gekauft, auf der anderen Seite allerdings wird sehr sparsam mit dem zur Verfügung stehenden Einkommen umgegangen. Die Konsumenten in der heutigen Zeit können infolgedessen allgemein durch ein multioptionales und hybrides Verhalten gekennzeichnet werden. Dieses wechselhafte Verhalten bezieht sich auf der einen Seite auf den Konsum von hochwe rtigen Markenprodukten, auf der anderen Seite werden Produkte beim Discount-Markt erworben. Der Konsument „trägt Armani-Klamotten, fährt auch Porsche, kauft seinen Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 125 Champagner aber bei Aldi und die Babykost bei Schlecker“ (Backhaus, 1998) (S.2). (Eggert, 2000) beschreibt dementsprechend auch den Konsumenten als Chamäleon, da sich seine Verhaltensmuster relativ schnell verändern können, so dass auch für die Zukunft von einer mangelnden Loyalität gegenüber Produkten und Anbietern ausgegangen werden muss. Der Trend der steigenden Wechselbereitschaft stellt auch das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien vor neue Herausforderungen, die es zu bedenken gilt. ?? Individualisierung Der Trend zur Individualisierung in Form von differenzierten und auf die Wünsche der Kunden zugeschnittenen Produkte wird auch in Zukunft immer mehr an Relevanz gewinnen und die bestehende Nachfrage nach standardisierten Massenprodukten in den Hintergrund drängen. Gemäss der gehobenen Ansprüche wollen die Konsumenten nicht mehr mit billiger Massenware „von der Stange“ vorlieb nehmen, sondern individuelle Befriedigung ihrer Bedürfnisse erleben. Der Wunsch nach Individualität schlägt sich auch in einem veränderten Kommunikationsverhalten nieder. Die Konsumenten in der Informationsgesellschaft reagieren verstärkt mit mentaler Ablehnung auf die Massenkommunikation, wie sie in den vorherigen Zeiten üblich war (Kinnebrock, 1994) (S.13 f.) Die zunehmende Bedeutung der Kommunikation wird auch bei der Gewichtung innerhalb des Nutzenbündels sichtbar. Der Produktkern ist nur noch ein Bestandteil in dem individualisierten Nutze nbündel, die Kommunikation von Zusatznutzen wird immer entscheidender, um den Konsumenten das Gefühl zu geben, ein individuelles und emotional ansprechendes Produkt zu erhalten. Des weiteren ist diese Entwicklung auch in der Verschiebung der Wertigkeit innerhalb des Wertesystems zu erkennen, was sich in einem grundsätzlichen Streben nach Individualität und Hervorheben aus der Masse charakterisieren lässt. „Die Motive dieser neuen Abhebungstendenzen sind wieder mit dem Wertewandel verbunden: Prestige und soziale Signalisierung durch aussergewöhnliches Verhalten, Selbstverwirklichung und Expressivität durch den Hang zum Besonderen, Hedonismus und Kennerschaft durch Abweichung vom Üblichen.“ (Wiswede, 1991) (S.36). ?? Zunehmende Bequemlichkeit / Zeitersparnis Mit dem Trend zur Individualisierung ist ebenso zu erkennen, dass die Serviceleistungen, die ein Produkt zu einem sinnvollen Produktbündel ergänzen, immer entscheidender werden. Dies ist auch auf die Tatsache der zunehmenden objektiven und subjektiv empfundenen Zeitknappheit zurückzuführen. Wie schon unter 3.1 beschrieben, 126 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien werden Zeit und Aufmerksamkeit der Konsumenten zu sehr knappen Gütern in der Informationsgesellschaft, insofern wird der Anteil der Convenience-Leistungen, d.h. Erfüllung der Anforderungen nach Bequemlichkeit, Verfügbarkeit, Freundlichkeit und zusätzlichem Service, zu nehmen (Eggert, 2000). Für die Konsumenten wird somit immer entscheidender, die Transaktionen schnell und unkompliziert abwickeln zu können, um eine maximale Zeitersparnis zu erreichen. Für Deutschland unterstreicht der (Prognos Deutschland Report, 1998), der die Zukunft Deutschlands bis zum Jahre 2020 prognostiziert, dass das Bedürfnis nach Bequemlichkeit an Bedeutung gewinnen wird. ?? Steigendes Selbstbewusstsein der Verbraucher Auf Grund der immer besseren Ausbildung eines Grossteils der Bevölkerung sind die Verbraucher in der Regel immer selbstbewusster und fordernder. Sie entwickeln ein ausgeprägtes Anspruchsdenken und Qualitätsbewusstsein. Durch die neuen Möglichkeiten der IKT stehen ihnen eine breitere Palette an relevanten Informationen zur Ve rfügung, so dass sie eine grössere Urteilsfähigkeit erlangen. So sieht auch (Wiswede, 1991) (S.37), dass die Konsumenten „immer kritischer, selbstbewusster, selektiver, problembewusster, skeptischer, resistenter, preisbewusster, qualitätsbewusster und markenuntreuer“ werden. Dies führt neben den bereits geschilderten Gründen zusätzlich zu einer sinkenden Loyalität. Die neue, emanzipierte Rolle der Frau trägt ebenso zu diesem Trend des kritischeren Konsumenten bei (Eggert, 2000). ?? Wunsch nach Interaktion Durch das steigende Selbstbewusstsein und die neu gewonnene Souveränität der Konsumenten wächst auch der Wunsch nach Interaktion mit dem Anbieter. Die Nachfrager wollen ihre Wünsche und Bedürfnisse kommunizieren und auf Fragen zu Produkten und Leistungen Antworten haben. Insbesondere durch die Entwicklungen der IKT ergeben sich, wie unter 3.2.1 besprochen, neue Möglichkeiten der Gestaltung der Kommunikationsform und –richtung. Ebenso unterstreicht auch der unter 3.1.4 beschriebene Wandel vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement die wachsende Bedeutung der Interaktion zwischen Nachfragern und Anbietern. Zusätzlich ist der Wunsch nach Interaktion auch zwischen den Nachfragern zu erkennen. ?? Cocooning In Ergänzung zu den genannten Entwicklungen des Konsumentenverhaltens kann in letzter Zeit des weiteren der Trend zu einem „Rückzug in ein Umfeld des Vertrauens“ beobachtet werden (Eggert, 2000). Insbesondere in einer immer schneller und globaler werdenden Welt mit einer enormen Informationsvielfalt entsteht die Sehnsucht nach Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 127 einem gewissen Halt für die Konsumenten. (Glotz, 1999) fordert in diesem Zusammenhang daher auch eine „Entschleunigung der Gesellschaft“. Es zeigt sich somit der Wunsch eines Rückzugs in das Überschau- und Kontrollierbare. In letzter Zeit ist insbesondere bei Jugendlichen zunehmend eine Abschottung von der Aussenwelt zu erkennen. Ziel dieses „Lebens im Kokon“ ist dabei die Vermeidung von störenden Ausseneinflüssen, um das eigene Weltbild nicht zu gefährden (Tiedtke, 1998) (S.78). Auch hier wird der hybride Charakter des neuen Ko nsumenten deutlich. Auf der einen Seite erscheint in der Informationsgesellschaft eine Offenheit für neue technische Entwicklungen und eine steigende Kommunikationsbereitschaft dringend notwendig und auf der anderen Seite entsteht durch die Sorge der Informationsüberflutung und der damit verbundenen Überforderung bis hin zur möglichen Orientierungslosigkeit der Wunsch nach „geordneten Verhältnissen". Insbesondere auch durch die neuen technischen Möglichkeiten im Bereich der Virtuellen Realität wird es in Zukunft immer mehr Möglichkeiten für die Konsumenten geben, sich ihre eigene, individuelle Welt mit den entsprechenden Werten zu konstruieren, so dass die Abschottung gegenüber der realen Welt an Bedeutung zunehmen kann. ?? „Free-Lunch-Mentalität“ Abschliessend soll noch auf den insbesondere im Internet sehr wichtigen Trend der „Free-Lunch-Mentalität“ hingewiesen werden. Die Internet-Nutzer sind aus den Anfängen des Internet daran gewöhnt, für die Nutzung bestimmter Angebote nichts zu bezahlen ("Free-Lunch-Mentalität"), was bis auf weiteres die Einführung kostenpflichtiger Angebote in manchen Bereichen erschwert (z. B. bei aktuellen Nachrichten) (Gabler Online Wirtschaftslexikon, 2001). Ebenso verweist auch (Wirtz, 2000) auf die mit dieser Mentalität ve rbundenen Risiken. Der Übersicht halber sind die erläuterten Veränderungen im Konsumentenverhalten in der folgenden Abbildung zusammengefasst dargestellt. 128 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Bequemlichkeit Individualisierung Zeitersparnis Lebensstil „Free-lunch“-Mentalität Cocooning Veränderungen im Konsumententverhalten Transmaterialismus Wechselbereitschaft Kundenintegration Erlebnisorientierung Selbstbewusstsein Interaktion Abbildung 3-9: Veränderungen im Konsumentenverhalten Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Konsumenten nicht mehr klar und eindeutig in homogene Zielgruppen gefasst werden können. Die Veränderung des Verhaltens hat dabei auch einen bedeutenden Einfluss auf die Gestaltung und Pflege der Beziehung zu den Konsumenten. 3.3.2 Veränderungen des Konsumentenverhaltens in den neuen Medien Die kurz vorgestellten Trends beschreiben allerdings das Verhalten der Konsumenten eher in einer allgemeinen Form, da aber der Fokus der vorliegenden Arbeit auf den neuen Medien liegt, soll nun im folgenden der Versuch einer Beschreibung des Verhaltens von Konsumenten in den neuen Medien unternommen werden. Allerdings sei an dieser Stelle erwähnt, dass die oben dargestellten Entwicklungen grösstenteils ebenso für die online-Nutzer gelten. Insofern ist auch hier eine strikte Trennung zwischen den verschiedenen Einkaufsgewohnheiten bei Online-Nutzern und Konsumenten, die nicht das WWW zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse nutzen, nicht möglich. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass sich eine Vielzahl von zumindest ähnlichen Verhaltenswe isen im Lauf der Entwicklung zeigen wird. Auf der anderen Seite ermöglicht das WWW und grundsätzlich die entstehenden neuen technischen Möglichkeiten die Umsetzung neuer Verhaltensstrukturen, so ist beispielsweise ein Wech- Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 129 sel von einem Anbieter zum nächsten in den neuen Medien weitaus schneller zu vollziehen als in der realen Welt. (Bellman et al. 1999) haben herausgefunden, dass auf Grund der zunehmenden Zeitknappheit die Zeitersparnis und die Bequemlichkeit beim Kauf in den neuen Medien wesentliche Gründe für die Nutzung dieser Medien sind und sagen für die Entwicklung der Kaufgewohnheiten von online-Nutzern voraus, dass diese Faktoren auch in Zukunft weiterhin an Bedeutung gewinnen werden. „The prototypical Web Consumer leads a wired lifestyle and is time starved. So it seems that web consumers shop online or use online services to save time.“ (Bellman et al. 1999) (S.38). Insofern lässt sich auch in Analogie zu den weiter oben dargestellten Entwicklungen in den neuen Medien der Trend zur Bequemlichkeit erkennen. Des weiteren ziehen sie aus diesen Aussagen Schlüsse für die Gestaltung der Einkaufsmöglichkeiten in den neuen Medien. „This result suggests several implications for the design of online shopping environments: ?? Sites should make it more convenient to buy standard or repeat-purchase items (such as one-click-to-purchase approach at amazon.com and at 1-800-flowers, www.1800flowers.com); ?? Customization should provide the information needed to make a purchase decision; and ?? The checkout process should be easy for the consumer.“ (Bellman et al. 1999) (S.38) Ebenso stellen beispielsweise auch (Kuss & Tomczak, 2000) dar, dass sich die Kundenbedürfnisse, in dem Fall der Wunsch nach Zeitersparniss und Bequemlichkeit, und die Erwartungen der Nutzer das Kaufverhalten bestimmen. Sie beziehen sich dabei auf unterschiedliche Phasen, die ein Internet-Nutzer durchläuft und beschreiben in Anlehnung an ein Modell von Beck/Leutenegger, dass die unterschiedlichen Phasen auch unterschiedliche Verhaltensweisen beinhalten. Im einzelnen werden die Phasen eleisure, e-information, e-contact, e-shopping und e-service voneinander unterschieden. Auch sie leiten daraus Besonderheiten für das Marketing ab, die es zu beachten gilt (Kuss & Tomczak, 2000) (S.159 ff.). Ein Vorschlag zur Einteilung von online-Konsumenten in verschiedene Kategorien, die im folgenden kurz erläutert werden, kommt von (Cuthberth, 2000). Sie leitet aus den verschiedenen Verhaltensmustern ausserdem allgemeine, nicht sehr tiefgehende Empfehlungen ab, die sich auf die jeweilige Käufergruppe beziehen. Diese Empfeh- 130 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien lungen zeigen allerdings schon erste Ansatzpunkte zur Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien. (Cuthberth, 2000) unterteilt sechs verschiedene Basistypen von online-Konsumenten, anhand derer das unterschiedliche Konsumentenverhalten verdeutlicht werden soll: ?? „The New to the Net Shopper“ Diese Kategorie von Käufern kann auf keine grossen Erfahrungen im Umgang mit den neuen Medien zurückgreifen und verhält sich infolgedessen vorsichtig. In erster Linie wird versucht, die verschiedenen angebotenen Möglichkeiten kennenzulernen, um ein gewisses Vertrauen aufzubauen. Typischerweise nutzen die „New to the Net Shopper“ die neuen Medien für kleinere Einkäufe, um erste Erfahrungen zu sammeln. Um die Bedürfnisse dieser Kons umentengruppe zu erfüllen, ist es wichtig, dass von Anbieterseite eine leichtverständliche Benutzeroberfläche, einfache „Check-out“Prozesse und umfangreiche Produktpräsentationen angeboten werden. Ebenso kann die vom Anbieter geschaffene Möglichkeit zum Austausch von Informationen zwischen Käufern einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der Unsicherheit leisten. ?? „The Reluctant Shopper“ Das Hauptanliegen dieser eher „unwilligen“ Konsumenten sind die Sicherheitsaspekte und die entsprechenden Datenschutzvorkehr ungen. Ihre Befürchtungen liegen darin begründet, dass die Daten, die bei einem Kauf preisgegeben werden müssten, missbraucht werden könnten. Diese Konsumentengruppe nutzt die neuen Medien daher hauptsächlich zur Informationsgewinnung, der eigentliche Kauf wird allerdings häufig doch nicht in den neuen Medien getätigt. Die für die Anbieter daraus resultierenden Herausforderungen sind die klare Kommunikation von den sogenannten „Privacy Policies“, um den Kunden die Sorgen bezüglich eines Datenmissbrauches zu nehmen. Die absolute Zusicherung der Privatsphäre kann somit dazu beitragen, dass diese „unwilligen“ Käufer zu „willigen“ Käufern we rden. ?? „The Bargain Shopper“ Diese Kategorie der online-Konsumenten legt besonders grossen Wert auf die Möglichkeit, unterschiedliche Güter vergleichen zu können, um so das passende Produkt zu finden. Das Hauptkriterium für diesen Entscheidungsprozess ist dabei der Preis. Wenn Anbieter Konsumenten dieser Kategorie für sich gewinnen und eine Beziehung zu diesen Käufern aufbauen wollen, müssen sie die Käufer überzeugen, dass sie bei Herausforderungen durch die neuen Medien und durch ein verändertes Konsumentenverhalten 131 diesem Anbieter am preiswertesten einkaufen können. Sowohl eine attraktive und individuelle Preisgestaltung als auch das Angebot von Leistungsbündeln, die den eigentlichen Preis verschleiern können, dienen in diesem Zusammenhang als mögliche Lösungen für diese Käufergruppe. ?? „The Surgical Shopper“ Im Gegensatz zum ziellosen Surfen, zeichnet sich die Gruppe der „Surgical Shopper“ durch ein sehr zielgerichtetes Verhalten aus. Die Käufer dieser Kategorie sind sich im Klaren darüber, welche Produkte sie kaufen wollen und nach welchen Kriterien sie diese Güter aussuchen und bewerten wollen. Wenn sie Produkte gefunden haben, die ihren Ansprüchen entsprechen, kaufen sie ohne Bedenken online. Die Anforderungen dieser Gruppe können am ehesten erfüllt werden, wenn Produktkonfiguratoren online zur Verfügung gestellt werden, so dass die potentiellen Käufer die Deckung ihrer individuellen Bedürfnisse anhand verschiedener Produktversionen prüfen können. Ebenso kann die Bestätigung von anderen Konsumenten, dass das angebotene Produkt die entsprechenden Bedürfnisse befriedigt, zu einer positiven Kaufentscheidung führen. ?? „The Enthusiast Shopper“ Der enthusiastische Käufer hat einen starken Hang zum erlebnisorientierten Kaufen. Kaufen bedeutet für die Mitglieder dieser Konsumentengemeinschaft nicht nur die Befriedigung essentieller Bedürfnisse, sondern auch einen Lustgewinn durch den Kauf-akt an sich. Diese Konsumenten können daher als sehr experimentierfreudig eingeschätzt werden. Durch eine regelmässige Nutzung von online-Angeboten zeichnen sie sich in der Regel durch umfangreiche Erfahrungen beim Kaufen in den neuen Medien aus. Das Angebot von Infotainment steht demnach bei dieser Konsumenten-kategorie im Vordergrund. Im einzelnen kann dies bedeuten, dass Spiele oder Möglichkeiten zur Teilnahme an einer Gemeinschaft angeboten werden, um den Kauf so erlebnisreich wie möglich zu gestalten. ?? „The Power Shopper“ Als letzte Gruppe der online-Konsumenten kann der „Power Shopper“ genannt we rden. Das Ziel der Käufer in dieser Kategorie besteht darin, durch die Nutzung der neuen Medien Zeit beim notwendigen Einkaufen zu sparen. Im Gegensatz zum „Enthusiast Shopper“ ist also in diesem Fall der Zeitgewinn entscheidend. Käufer dieser Gruppe sind erfahren im Umgang mit den Einkaufsmöglichkeiten in den neuen Me- 132 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien dien und haben folglich häufig die adäquate Einkaufsstrategien, um möglichst zeitsparend einkaufen zu können. Um die Bedürfnisse dieser Gruppe möglichst gut zu erfüllen, sollten die Angebote so gestaltet sein, dass die Navigation sehr einfach und intuitiv ist. Zusätzlich sollte das Informationsangebot umfangreich und gut strukturiert sein, um potentiellen Käufern die Möglichkeit zu bieten, die gesuchten Informationen schnell zu finden. Diese Informationen können dabei ebenso auch die Meinung anderer Kunden umfassen und so zu einer raschen Kaufentscheidung beitragen. 3.3.3 Zusammenfassende Betrachtung Im einzelnen konnten bei einer eher allgemeineren Betrachtung zwölf Trends erkannt werden, die die Veränderungen des Konsumentenverhaltens offenbaren. Eine Übersicht der verschiedenen Entwicklungen findet sich in Abbildung 3-9. Grundsätzlich ergibt sich durch die steigende Multioptionalität, die enormen Veränderungen in der Soziodemographie und die wachsende kulturelle Vielfalt eine Vielzahl von möglichen Verhaltensweisen des einzelnen Konsumenten. Die Verbraucher werden immer selbstbewusster, hybrider und wechseln von einem Verhalten zum nächsten, so dass grundsätzliche Voraussagen zum Konsumentenverhalten und die Einordnung in starre Kundenkategorien immer schwieriger werden. Mit dieser Entwicklung geht auch das Phänomen der sinkenden Loyalität gegenüber Marken und Anbietern einher. Weitere Trends neben dem beschriebenen Wertewandel sind die Individualisierung, die Erlebnisorientierung, die Bequemlichkeit und Zeitersparnis sowie der verstärkte Wunsch nach Interaktion. Diese Trends zeigen sich dabei in ähnlicher Form auch in den neuen Medien, allerdings erweitern hier noch die „Free-Lunch-Mentalität“ und das Cocooning das Spektrum der möglichen Verhaltensweisen der Nachfrager. Aus der vorgestellten Einteilung der Nachfrager in den neuen Medien haben sich sechs verschiedene Konsumentengruppen herauskristallisiert, die jeweils unterschiedliche Verhaltensweisen aufwi esen. Anhand der unterschiedlichen Intentionen und Bedürfnisse liessen sich erste Hinweise für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ableiten. Sowohl durch die geschilderten Entwicklungen des Konsumentenverhaltens als auch durch die beschriebenen Herausforderungen durch die neuen Medien, inklusive der Besonderheiten der Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Medien, ergeben sich somit neue Herausforderungen für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien. Als Antwort auf diese neuen Herausforderungen wird im folgenden Kapitel ein neuer Ansatz zum Management der Kundenbeziehung in den ne uen Geschäftsmedien vorgestellt. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 133 4 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien In diesem Kapitel, das als Hauptkapitel der Dissertation angesehen werden kann, wird der neue Ansatz zur Entwicklung, Gestaltung und Pflege der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien hergeleitet und erläutert. Zu diesem Zweck wird zunächst unter 4.1 die Idee des neuen Ansatzes vorgestellt. Im Anschluss daran werden die sich aus den beschriebenen Veränderungen (vgl. 3. Kapitel) ergebenden neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung und ihre Bedeutung in den neuen Geschäftsmedien im Punkt 4.2 herausgearbeitet. Unter 4.3 wird dann der neue Ansatz erläutert und definiert. Die damit verfolgten Ziele werden unter 4.4 beschrieben, um anschliessend ein Modell zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien unter 4.5 einzuführen. Dieses Modell besteht aus verschiedenen, sogenannten Building Blocks, die jeweils konkrete Massnahmen zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien enthalten. Die Entwicklung dieses Modells und der einzelnen Building Blocks fusst dabei ebenso auf den neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung. Um diesen Punkt zu veranschaulichen, wird abschliessend unter 4.6 explizit der Zusammenhang zwischen den Building Blocks und den neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung verdeutlicht. 4.1 Idee des neuen Ansatzes Wie schon in den vorherigen Kapiteln beschrieben, findet zur Zeit ein struktureller und fundamentaler Wandel auf den meisten Märkten statt. Dies ist zum einen auf die Entwicklung der IKT und die damit verbundenen Veränderungen im Rahmen der neuen Medien, wie sie unter 3.1 schon beschrieben worden sind, und auf die Besonderheiten der Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Medien (3.2) zurückzuführen. Zum anderen haben sich die Bedürfnisse und das Verhalten der Kunden, wie unter 3.3 gezeigt, deutlich verändert. Idee des neuen Ansatzes ist es nun, ausgehend von den bisher bekannten Determinanten der Kundenbindung nach (Tomczak & Dittrich, 1997), die relevanten Determinanten bzw. die neuen Ausprägungen der bekannten Determinanten in den neuen Geschäftsmedien zu identifizieren. Dazu wird untersucht, welchen Einfluss die geschilderten Entwicklungen auf die Determinanten der Kundenbindung haben und inwieweit sie dadurch transformiert wurden. Die veränderten Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung dienen somit als Ansatzpunkte für die Entwicklung eines Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien (4.5). Folgendes Schaubild beschreibt noch einmal die grundsätzliche Idee des neuen Ansatzes. 134 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Veränderungen durch die neuen Medien Determinanten der Kundenbindung Neue Determinanten der Kundenbindung Management der Kundenbeziehung in neuen Geschäftsmedien Verändertes Konsumentenverhalten Abbildung 4-1: Idee des neuen Ansatzes Die Veränderungen durch die neuen Medien sind dabei hauptsächlich dem Medienund Kommunikationsmanagement zuzuordnen, wohingegen die Determinanten der Kundenbindung aus dem Fachgebiet des Marketing entnommen sind. Die Veränderungen des Konsumentenverhaltens lassen sich sowohl dem Medien- und Kommunikationsmanagement als auch dem Marketing zuweisen. Das eingangs aufgebrachte Ziel, Ansätze des Medien- und Kommunikationsmanagement mit den relevanten Konzepten des Marketing zu verknüpfen, wird durch diese Herleitung möglich. Ebenso muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass sich auf Grund der Entwicklungen der IKT auch die Möglichkeiten zur Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien gewandelt haben. Im folgenden Abschnitt wird nun zunächst auf die neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindungen in den neuen Geschäftsmedien eingegangen. 4.2 Neue Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien Nachdem unter 2.2.5.5 die Determinanten der Kundenbindung nach Tomczak und Dittrich vorgestellt worden sind, sollen nun die durch die dargestellten Einflüsse transformierten Determinanten und ihre entsprechende Bedeutung in den neuen Geschäftsmedien besprochen werden. Grundsätzlich ist vorab festzuhalten, dass die Determinanten nach Tomczak und Dittrich auch in den neuen Medien ihre Gültigkeit bewahren. Allerdings verändern sich die Ausprägungen dieser Determinanten teilweise erheblich, so dass auch - aus der subjektiven Sicht des Autors - eine unterschiedliche Bedeutung der Determinanten in den neuen Medien zu erkennen ist. Durch die Verschiebung der Bedeutung ergeben sich somit neue Ansatzpunkte zur Gestaltung einer Beziehung zwischen Nachfrager und Anbietern in den neuen Medien. 135 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Zur Erinnerung werden in folgender Abbildung nochmals die Determinanten der Kundenbindung nach Tomczak und Dittrich gezeigt. Wettbewerbsinduzierte (Quasi) Alleinanbieter Psychologische Zufriedenheit Vertrauen Commitment Faktische Bindungsdeterminanten technologische Faktoren rechtliche Faktoren ökonomische Faktoren Situative Nichtverfügbarkeit Bequemlichkeit Abbildung 4-2: Bindungsdeterminanten nach (Tomczak & Dittrich, 1997)33 Im folgenden werden die relevanten Einflüsse durch die Veränderungen der neuen Medien, inklusive der Besonderheiten der Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern, und die damit verbundenen Entwicklungen des Konsumentenverhaltens auf die einzelnen Determinanten untersucht. 4.2.1 Wettbewerbsinduzierte Determinanten der Kundenbindung Wenn entweder keine Alternativen zu den gewünschten Produkten bestehen oder wenn die Kunden möglicherweise existierende Produkte oder Leistungen von anderen Anbietern nicht kennen, wird dies als wettbewerbsinduzierter Faktor bezeichnet. Es handelt sich sozusagen um einen Quasi-Monopolisten, da den Kunden keine ökonomisch sinnvolle Alternative bekannt ist, so dass sich aus diesem Umstand eine zwangsläufige Kundenbindung ergibt. Folgende Tabelle gibt nun einen Überblick über die Einflüsse auf die beschriebene Determinante und die daraus resultierende Bedeutung in den neuen Medien. Das „+“ 33 Quelle: (Tomczak & Dittrich, 1997) (S.13) 136 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien bzw. das „? “ hinter dem jeweiligen Punkt stellt dabei den entweder steigenden bzw. den sinkenden Einfluss auf die Bedeutung in den neuen Medien dar. Bisherige Ausprägung ?? Quasi-Alleinanbieter Einflüsse durch Veränderungen der Bedeutung in den neuen Medien neuen Medien Konsumententrends ?? Vielzahl von An- ?? Wachsendes Selbstbewusstsein geboten (? ) (? ) ?? Kommunikationsform (? ) ?? Zunehmende Bequemlichkeit (? ) ?? Kommunikationsrichtung (? ) ?? Steigende Wechselbereitschaft (? ) ?? Vermehrte Kundenintegration ( ? ) Tabelle 4-1: Aspekte der wettbewerbsinduzierten Determinante der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien Auf Seiten der neuen Medien ergeben sich verschiedene Einflüsse, die die wettbewerbsinduzierte Determinante in ihrer Bedeutung beeinträchtigen. So wird durch die zunehmende Transparenz der Märkte und die Vielzahl der Angebote, auf die mit Hilfe der neuen IKT zugegriffen werden kann, eine Quasi-Alleinanbieter-Stellung immer unwahrscheinlicher. Im Gegenteil, es ergibt sich teilweise durch die rasche Zunahme von Anbietern bzw. durch die Kenntnisnahme dieser Anbieter durch Nachfrager, ein Informationsüberangebot, das durch die Nachfrager nur schwer zu verarbeiten ist. Dabei stellt sich die Frage, ob die zusätzlich wahrgenommenen Anbieter in der Lage sind, die gewünschte Problemlösung zu erbringen, so dass sich für die Nachfrager unter Umständen durch die gestiegene Anzahl von Anbietern eine Erhöhung des Kaufrisikos ergibt. Auf der anderen Seite wiederum ist zu bedenken, dass sich allerdings grundsätzlich durch die verbesserten Vergleichsmöglichkeiten im Rahmen der Kommunikationsinhalte, wie z.B. ausführliche Produktbeschreibung, Testberichte etc. eine Verringerung der Unsicherheit ergibt. Durch die sich verändernden Ausprägungen der Kommunikationsformen und die damit verbundene steigende Bedeutung der One-to-One-Kommunikation eröffnen sich Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 137 des weiteren neue Möglichkeiten zur direkten Adressierung des entsprechenden Bedürfnisses der Nachfrager in dem Sinne, als dass durch die Interaktion andere Anbieter ermuntert werden könnten, eine Alternative zu dem bestehenden Angebot zu schaffen und somit die Quasi-Alleinanbieter-Position aufzulösen. Damit einher geht neben dem Wandel vom Market-Push zum Market-Pull (Kommunikationsrichtung) und der ve ränderten Machtposition der Konsumenten (3.2.1), auch der Trend des wachsenden Selbstbewusstseins, so dass die Konsumenten aus einer neuen, souveränen Position eher in der Lage sind Forderungen an andere Anbieter zu stellen. Eine gewisse Relevanz für die Bedeutung der wettbewerbsinduzierten Determinante ist ausserdem in der zunehmenden Bequemlichkeit und der steigenden Wechselbereitschaft zu erkennen. Der Prozess der Suche nach möglichen weiteren Anbietern wird im Sinne der Bequemlichkeit und auch der damit verbundenen Suchkosten auf ein Minimum reduziert, so dass, wenn möglich, auf das entsprechende Produkt des QuasiAlleinanbieters verzichtet wird und ein Alternativprodukt, was in ähnlichem Masse die jeweiligen Bedürfnisse erfüllt, gewählt wird. Die Wechselbereitschaft zeigt sich in dem Fall einer adäquaten Bedürfnisbefriedigung als extrem hoch, so dass die Bindung zu dem Quasi-Monopolisten verloren geht. Eine andere Alternative für die Kunden ergibt sich aus der Möglichkeit, das gewünschte Produkt selbst oder durch andere Produzenten fertigen zu lassen. Durch den Trend zur vermehrten Kundenintegration ergibt sich unter Umständen die Option in Zusammenarbeit mit einem anderen Anbieter das benötigte Produkt selbst zu erstellen und somit die Abhängigkeit von dem Quasi-Alleinanbieter aufgeben zu können. Hilfreich sind dabei bestehende Beziehungen zu anderen Leistungserstellern, die das notwendige Wissen und die Bereitschaft zur Produktion haben. Auf Grund der geschilderten Einflüsse kann demzufolge von einer sinkenden Bedeutung in den neuen Medien ausgegangen werden, so dass sich daraus wiederum neue Herausforderungen für die Anbieter, die in das Modell zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien einfliessen, ergeben. 4.2.2 Faktische Determinanten der Kundenbindung Die faktischen Bindungsdeterminanten teilen sich in technologische, rechtliche und ökonomische Aspekte auf. Im folgenden werden diese Faktoren näher untersucht. 4.2.2.1 Technologische Faktoren Bei den bisherigen Ausprägungen der technologischen Faktoren geht es beispielsweise um nahezu proprietäre Technikstandards, die den Kunden auf Grund von technisch- 138 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien funktionalen Kriterien kaum die Möglichkeit geben, den Anbieter zu wechseln. Ein Wechsel zu einem anderen Anbieter ist häufig mit hohen Kosten verbunden, so dass durch die Höhe der Wechselkosten eine Bindung zwischen Anbieter und Nachfrager erreicht wird. Durch das anbieterspezifische Wissen ergeben sich für den Produzenten des weiteren Möglichkeiten, zusätzliche Leistungen anzubieten. Die verschiedenen relevanten Einflüsse und die sich ergebende Bedeutung der technologischen Faktoren sind in der folgenden Tabelle dargestellt und werden im weiteren Verlauf ausführlicher erläutert. Die folgenden Ausführungen beziehen sich dabei hauptsächlich auf digitale Produkte. Bisherige Ausprägung ?? Technischfunktionale Kriterien Einflüsse durch Veränderungen der Bedeutung in den neuen Medien neuen Medien Konsumententrends ?? Schaffung von De- ?? Steigende WechFacto-Standards (+) selbereitschaft (? ) ?? Direkte und indirekte Netzwerkeffekte (+) ?? Trends zu offenen Systemen (? ) Tabelle 4-2: Aspekte der technologischen Faktoren als Determinante der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien Bei der Beschreibung der Besonderheiten der digitalen Güter wurden unter 3.1.2 die Etablierung von De-Facto-Standards und die direkten sowie die indirekten Netzwerkeffekte besprochen. Diese Entwicklungen zeigen insofern einen gemässigten Einfluss auf diese Determinante, als dass die technisch-funktionalen Kriterien in den neuen Geschäftsmedien ebenso zu einer Art Kundenbindung beitragen können. Gelingt es einem Anbieter, einen De-Facto-Standard im Markt durchzusetzen und die entsprechenden direkten und indirekten Netzwerkeffekte zu nutzen, ergibt sich eine nachwievor wesentliche Bedeutung dieser technologischen Determinante der Kundenbindung. Der Trend zur steigenden Wechselbereitschaft spricht dem allerdings entgegen, da gemäss dieser Entwicklung die Bereitschaft, sich fest an einen Anbieter zu binden, immer geringer wird. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 139 Des weiteren ist auf der anderen Seite ein entgegengesetzter Trend bei der technischen Entwicklung zu erkennen. In offenen, verteilten Netzen wie zum Beispiel dem Internet, ist die Kompatibilität der verwendeten Module von enormer Wichtigkeit. Die Erfinder des Betriebssystems LINUX haben beispielsweise den gesamten Quellcode des Programms frei ve rfügbar gemacht, so dass u.a. die Berücksichtigung von technischen Schnittstellen frühzeitig in den Entwicklungsprozess neuer Software auch anderer Anbieter einfliessen kann. Dadurch verliert die technologische Bindungsdeterminante unter dem Einfluss der Entwicklung der neuen Medien an Gewicht. Ebenso sind Tendenzen zu erkennen, dass zu grosse Konzentration von technologischer Marktmacht in der heutigen Zeit, wie der Fall Microsoft in den U.S.A. zeigt, von staatlicher Seite, wie auch Seitens der Wettbewerber aktiv bekämpft wird (o.V., 1998). Die Bedeutung der technologischen Determinante der Kundenbindung in den neuen Determinanten ist somit diametral und abhängig von der Offenheit des Systems. Besitzt ein Anbieter die Möglichkeit und Marktmacht, einen proprietären Standard im Markt einzuführen, hat diese Determinante nachwievor einen starken Einfluss auf den Grad der Kundenbindung, wie z.B. die aktuelle Entwicklung bei den sogenannten Handheld-Betriebssytemen zeigt. So ist es für Palm auf Grund der Marktführerschaft möglich, die proprietäre Software Palm OS im Markt zu etablieren und somit Kunden an dieses System zu binden (Karg & Kuhn, 2001). Handelt es sich allerdings um ein offenes System, verliert diese Determinante in den neuen Medien enorm an Bedeutung. 4.2.2.2 Rechtliche Faktoren Die Kundenbindung durch vertragliche Vereinbarungen spiegelt sich in den rechtlichen Faktoren, als ein Aspekt der faktischen Determinanten der Kundenbindung, wider. Der Grad der Kundenbindung kann grundsätzlich durch vertraglich vereinbarte Zusatzleistungen oder Wiederholungskäufe wie zum Beispiel Garantie- oder Wartungsverträge und Abonnements erhöht werden. Ein Ausstieg aus den vertraglichen Vereinbarungen ist dann teilweise gar nicht oder nur über vertraglich vereinbarte Sanktionen, wie zum Beispiel Austrittsgebühren, möglich. Auch die rechtlichen Faktoren der Kundenbindung zeigen unter den Ei nflüssen der neuen Medien und den Entwicklungen der Konsumententrends eine veränderte Bedeutung in den neuen Geschäftsmedien. Folgende Tabelle gibt zunächst einen Überblick über die möglichen Transformationen. 140 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Bisherige Ausprägung Einflüsse durch Veränderungen der Bedeutung in den neuen Medien neuen Medien Konsumententrends ?? Vertraglich ?? Andere Erlösquel- ?? Free-Lunchvereinbarte Zulen (? ) Mentalität (? ) satzleistungen ?? Stärkere Bedürfund Wiederhonisbefriedigung lungskäufe (+) ?? Steigende Wechselbereitschaft (?) Tabelle 4-3: Aspekte der rechtlichen Faktoren als Determinante der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien In den neuen Medien ist zu beobachten, dass die Relevanz vertraglicher Vereinbarungen zwischen Anbietern und Nachfragern grundsätzlich eher abnimmt. Dies lässt sich auf verschiedene Gründe zurückführen. Auf Seiten der Konsumententrends ist die sogenannte Free-Lunch-Mentalität ein wesentlicher Einflussfaktor. Internet-Nutzer sind es seit der Gründung des Internet und den entsprechenden Diensten gewöhnt, eine Vielzahl der angebotenen Leistungen kostenlos zu erhalten. Diese Mentalität zeigt sich nun auch in der Gegenwart, so dass es Anbietern grundsätzlich schwer fällt, kostenpflichtige Angebote zu etablieren, wie das Beispiel der online-Ausgabe der New York Times (www.nyt.com) zeigt. In diesem Fall hat die Erhebung einer AbonnementenGebühr für das online-Angebot die Nutzer-Zahlen auf ein Viertel reduziert, so dass das Angebot nun wieder kostenlos ist. Allerdings müssen sich jetzt die User registrieren lassen und einige Frage beantworten, bevor sie das Angebot nutzen können. Hier zeigt sich, wie unter 3.2.2 beschrieben, eine Veränderung der Bedeutung der unterschiedlichen Erlösquellen in den neuen Medien, so dass die abgefragten Kundeninformationen ebenso einen ökonomischen Wert darstellen. In Verbindung mit der Free-LunchMentalität kann demnach davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung vertraglicher Vereinbarungen zur regelmässigen Nutzung eines Angebots abnehmen wird. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass im Gegensatz zur Nutzung von regelmässigen Informationsangeboten, der Einsatz proprietärer Systeme häufig die Möglichkeit zum Verkauf von Zusatzleistungen, z.B. in Form von Software-Updates oder die Durchführung von Wartungsarbeiten bietet. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 141 Durch den Trend zu einer stärkeren Bedürfnisbefriedigung, d.h. einem Komplettangebot zur Befriedigung des Bedürfnisses aus einer Hand, gewinnen wiederum die ve rtraglich vereinbarten Zusatzleistungen an Bedeutung. Die Nachfrager bekommen ihr Problem durch einen einzigen Anbieter gelöst, so dass infolgedessen Suchkosten zur Identifikation von anderen Service-Anbietern vermieden werden können. Auf der anderen Seite beeinflusst allerdings die steigende Wechselbereitschaft und die mit ihr verbundene Aversion vieler Konsumenten, sich fest an einen Anbieter zu binden, ebenso die rechtliche Determinante der Kundenbindung. Der Schritt, eine langfristige, vertragliche Beziehung mit einem Anbieter einzugehen, erfordert insbesondere von den Endkonsumenten in den neuen Medien eine grössere Überwindung. Demzufolge hat dieser Trend einen mindernden Einfluss auf die Bedeutung dieser Determinante. Zusammenfassend ergibt sich aus den verschiedenen geschilderten Einflüssen, dass die rechtlichen Faktoren als eine mögliche Ausprägung der faktischen Determinanten der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien an Bedeutung verlieren. Dies allerdings nur in einem moderaten Mass, so dass vertraglich vereinbarte Zusatzleistungen und Wiederholungskäufe nachwievor eine gewisse Relevanz in den neuen Medien besitzen. 4.2.2.3 Ökonomische Faktoren Durch ein überzeugendes Preis/Leistungsverhältnis der angebotenen Leistungen und einem überragenden Mehrwert für die Konsumenten kann ebenso eine Bindung zwischen Anbieter und Nachfrager aufgebaut werden, da durch die ökonomischen Vorteile die Kunden zu Wiederholungskäufen animiert werden. In diesem Fall spricht man von den ökonomischen Faktoren, deren Bedeutung sich allerdings ebenso unter den beschriebenen Einflüssen verändert. Folgende Tabelle erläutert einführend die relevante Transformationen und die mögliche Veränderung der Bedeutung dieser ökonomischen Aspekte. 142 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Bisherige Ausprägung Einfl üsse durch Veränderungen der Bedeutung in den neuen Medien neuen Medien Konsumententrends ?? Beurteilung ?? Individuelle Leis- ?? Wunsch nach Indes Kosten / tungserstellung (+) dividualisierung Nutzen(+) Verhältnisses ?? Zunehmende Be?? Individuelle quemlichkeit (+) Preise (+) ?? Kommunikationsinhalt (+) ?? Grössere Zeitersparnis (+) ?? Vermehrte Kun?? Wandel vom Prodenintegration (+) duktionszum Kommunikations- ?? Steigende Bedürfmanagement (+) nisbefriedigung (+) ?? Kommunikationsform (+) ?? Transaktionsabwicklung (+) Tabelle 4-4:Aspekte der ökonomischen Faktoren als Determinante der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien Wie die Tabelle zeigt, gibt es eine Vielzahl von Einflüssen auf diese Determinante der Kundenbindung. Im folgenden werden die verschiedenen Trends und ihre Verbindungen zueinander besprochen. Der Wunsch nach Individualisierung, als ein markanter Konsumententrend, und die entsprechenden Möglichkeiten in den neuen Medien, diesem Wunsch nachzukommen, können als einer der wesentlichen Einflüsse auf diese Determinante genannt werden. So sind die individuelle Leistungserstellung und die individuelle Gestaltung der Preise im Rahmen der Transaktionsprozesse sowie das Angebot von individuellen Kommunikationsinhalten in Bezug auf die Kommunikationsprozesse entscheidende Parameter bei der Gestaltung des Preis- / Leistungsverhältnisses. Durch massgeschneiderte An- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 143 gebote ergibt sich für die Kunden ein enormer Mehrwert, der zu einer positiven Beurteilung des Angebots führt und somit im Bedarfsfalle zu Wiederholungskäufen anregt. So erfüllt die ökonomische Bindungsdeterminante in den neuen Geschäftsmedien am ehesten ihren Zweck, wenn die angebotenen Leistungen individuell auf die Kundenwünsche zugeschnitten sind und eine attraktive Leistungsbündelung vom Anbieter offeriert wird. Die individuelle Gestaltung der Preise eröffnet für Anbieter neue Möglichkeiten, zum einen, um bestehende Stammkunden durch individuelle Preisabschläge immer stärker an das Unternehmen zu binden und zum anderen durch die Senkung der Preisschwelle potentielle Kunden zu einem Erstkauf zu animieren. Im B-to-B-Sektor kennt man solche individuellen Preisabschläge schon seit langer Zeit, nun ergeben sich allerdings in den neuen Medien ähnliche Möglichkeiten, ebenso für den B-to-C-Sektor, so dass private Stammkunden beispielsweise auch mit einem Treuerabatt belohnt werden können. Die Idee der Treuerabatte an sich ist nicht neu, so dass es sich bei Anbietern wie we bmiles (www.webmiles.de) oder payback (www.payback.de) eher um eine Transformation einer bestehenden Idee in die neue Medien handelt, allerdings zeigt sich auch hier wieder der Unterschied in der Ausprägung. Waren bisher die Möglichkeiten, Treueprämien zu sammeln auf einen oder wenige Anbieter beschränkt, erhöht sich nun die Anzahl der Partnerunternehmen, bei denen Prämien für den Kauf bestimmter Leistungen vergeben werden. So finden sich beispielsweise gegenwärtig34 50 Partnerunternehmen in dem „Prämien-Netzwerk“ von webmiles.de. Neben der schon beschriebenen individuellen Leistungserstellung gewinnt der Faktor der Information immer stärker an Bedeutung. Waren es in früheren Zeiten hauptsächlich die Eigenschaften des Produktes, wird es in der heutigen Zeit immer relevanter, auch in der Wissens- und Absichtsphase die potentiellen Kunden durch ein überragendes Informationsangebot zu begeistern und so zum Kauf bzw. zum Wiederholungskauf zu animieren. Insofern spielt neben der individuellen Gestaltung der Information auch der unter 3.1.4 beschriebene Shift vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement an dieser Stelle eine Rolle. Des weiteren kann durch den Inhalt und die Form der Kommunikation Mehrwert für die Nachfrager generiert werden. So ist durch die veränderte Ausprägung der One-toOne-Kommunikation, als eine Form der Kommunikation, zum einen überhaupt erst die Möglichkeit für die individuelle Leistungserstellung geschaffen worden und zum an- 34 Stand: 19.März 2001 144 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien deren entspricht diese Kommunikationsform dem Wunsch der Konsumenten nach mehr Bequemlichkeit, da sie einen direkten Kontakt zu dem Anbieter aufbauen können und so ihre Wünsche und Bedürfnisse direkt adressieren können. Somit ergibt sich für die Anbieter die Möglichkeit, die Bedürfnisse individuell zu erfüllen und der steigenden Bedürfnisbefriedigung der Konsumenten Rechnung zu tragen. Ebenso eröffnen sich durch den direkten Dialog auch Möglichkeiten, die Kunden immer intensiver in die Produktion des Anbieters zu integrieren. Durch das sinnvolle und übersichtliche Angebot von Kommunikationsinhalten in den neuen Medien, z.B. in Form von ansprechenden Produktpräsentationen und den entsprechenden Erläuterungen, kann der Aufwand für die Suche nach der passenden Leistung minimiert werden. Eine ähnliche Wirkung zeigt auch die komplikationslose Abwicklung von Transkationen als weitere Veränderungen in den neuen Medien. Durch Vereinfachungen, wie beispielsweise das sogenannte One-Click-Shopping (Fehrlin, 1999), kann dem Wunsch nach einer zeiteffizienten Abwicklung der Transaktionen nachgekommen werden. Abschliessend kann demnach festgehalten werden, dass die Bedeutung der ökonomischen Faktoren der faktischen Determinante der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien nachwievor relevant ist und aus Sicht des Autors an Bedeutung zunehmen wird. Dieses Ergebnis dient dabei unter anderem als Grundlage für die Entwicklung des Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien, das unter 4.5 vorgestellt wird. 4.2.3 Situative Determinanten der Kundenbindung Die Bequemlichkeit und die Nichtverfügbarkeit von Produkten können als we itere Bindungsdeterminanten unter dem Begriff der situativen Faktoren zusammengefasst werden. 4.2.3.1 Nichtverfügbarkeit Die Nichtverfügbarkeit teilt sich wie unter 2.2.5.5 beschrieben in zwei Unterpunkte auf. Zum einen gibt es eine Nichtverfügbarkeit seitens der Anbieter und zum anderen seitens der Nachfrager. In beiden Fällen wird die Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager zumindest gestört, wenn nicht gar zerstört. Die Nichtverfügbarkeit, ve rstanden als mangelnde Erwerbsmöglichkeit bestimmter Leistungen bei bestimmten Anbietern, unterscheidet sich somit von der wettbewerbsinduzierten Determinante, da es in diesem Fall nur einen adäquaten Anbieter gibt, der die Leistung erfüllen kann. 145 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Auch der Aspekt der Nichtverfügbarkeit unterliegt den Einflüssen durch die neuen Medien und den Veränderungen durch die Konsumententrends, die in folgender Tabelle aufgelistet sind. In Analogie zu den anderen untersuchten Determinanten der Kundenbindung enthält die Tabelle ebenso die abgeleitete Bedeutung in den neuen Medien. Bisherige Ausprägung ?? Mangelnde Erwerbsmöglichkeit Einflüsse durch Veränderungen der Bedeutung in den neuen Medien neuen Medien Konsumententrends ?? Distribution bei ?? Steigende Wechdigitalen Gütern (? ) selbereitschaft (? ) ?? Leistungserstellung (? ) ?? Zunehmende Bequemlichkeit (? ) ?? Transaktionsabwicklung ( ? ) ?? Grössere Zeitersparnis (? ) ?? Vielzahl von Angeboten ( ? ) Tabelle 4-5: Aspekte der Nichtverfügbarkeit als Determinante der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien In Abhängigkeit von dem Grad der Digitalisierung der gewünschten Leistungen ergeben sich erhebliche Veränderungen in der Bedeutung dieser Determinante. Handelt es sich um ein vollkommen digitales Produkt (vgl. 3.1.2), ist die Reproduktion und die Distribution problemlos, so dass jeder Zeit an jedem Ort die Möglichkeit besteht, auf die gewünschte Leistung zugreifen zu können bzw. der Anbieter nie in die Verlegenheit kommt, eine Leistung nicht erfüllen zu können. Mit abnehmendem Grad der Digitalisierung steigt die Relevanz dieses Aspektes allerdings wieder, so dass sich nur eine leichte Abnahme der Bedeutung dieser Determinante in den neuen Medien ve rmuten lässt. Ebenso ist unter 3.1.3 gezeigt worden, dass sich die Leistungserstellung auch insofern verändert, als dass die gewünschten Produkte, wie z.B. bei Books on demand, erst bei der Bestellung gefertigt werden, so dass auch in diesem Fall der Anbieter in der Lage ist, die gewünschte Leistung zu erbringen. Bei vollkommen digitalen Gütern fällt des weiteren in diesem Zusammenhang die Distributionsproblematik weg. 146 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Insofern wird der Aspekt der Nichtverfügbarkeit in den neuen Geschäftsmedien ausgeweitet, so dass es nicht mehr nur Kriterium ist, ob die Ware vorhanden ist oder nicht, sondern es kommen noch Kriterien, wie die gewünschten Lieferbedingungen, Serviceangebot, Zahlungsweise, spezielle Produkteigenschaften usw. hinzu, so dass die Bedeutung der Transaktionsabwicklung auch in diesem Fall steigt. Sind diese Kriterien ebenfalls erfüllt und kann der Kunde in der gewünschten Zeit und im gewünschten Umfang über das Produkt verfügen, kann dies einen positiven Einfluss auf die Beziehung zu dem Anbieter haben. Sind diese Kriterien nicht gemäss der Vorstellungen der Kunden erfüllt, wechseln die Kunden zu dem Anbieter, der ihre Forderungen am ehesten erfüllt. Durch die Vielzahl der vorhandenen Wettbewerber ist die Chance, ein adäquates Alternativangebot zu finden relativ gross, so dass ein möglicher Wechsel schnell und ohne grossen Suchaufwand vollzogen werden kann. Insofern hat auch der Trend der zunehmenden Bequemlichkeit und der Trend zur grösseren Zeitersparnis, da sowohl die Suche nach einem neuen Anbieter, als auch der Wechsel in minimaler Zeit durchgeführt werden können, einen Einfluss auf diese Determinante. Erschwerend kommt für die Anbieter hinzu, dass durch die neuen Möglichkeiten der IKT dieser Wechsel zwischen den verschiedenen Anbietern enorm erleichtert wird und somit auch die steigende Wechselbereitschaft, die in den Bereich des veränderten Kundenverhaltens eingeordnet werden kann, weiter gefördert wird. Zusammenfassend kann folglich dem Aspekt der Nichtverfügbarkeit als Determinante der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien, abhängig von dem Grad der Digitalisierung, eine leicht abnehmende Bedeutung attestiert werden. 4.2.3.2 Bequemlichkeit Auch die Bequemlichkeit, als zweiter Aspekt der situativen Faktoren der Kundenbindung, kann zu einer Kundenbindung führen, da die Kunden ihre Bedürfnisse in einer zufriedenstellenden und bequemen Art und Weise erfüllen können. Insofern steht bei dieser Determinante die komplikationslose Abwicklung der Transaktion im Vordergrund. Insbesondere durch den unter 3.3 beschriebenen Trend der zunehmenden Bequemlichkeit zeigt sich ein verändertes Bild für diese Determinante. Neben diesem Trend sind weitere Einflüsse durch Veränderungen der neuen Medien und auch anderen Konsumententrends zu erkennen. Einen Überblick über die einzelnen Veränderungen gibt folgende Tabelle. 147 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Bisherige Ausprägung Einflüsse durch Veränderungen der Bedeutung in den neuen Medien neuen Medien Konsumententrends ?? Bequeme Be- ?? Vielzahl von An- ?? Zunehmende Befriedigung der geboten (+) quemlichkeit (+) Bedürfnisse ?? Transaktionsmög- ?? Grössere Zeiterlichkeit (+) sparnis (+) ?? Transaktionsabwicklung (+) ?? Genussorientierter Lebensstil (+) ?? Individualisierung der Leistung (+) ?? Steigende Bedürfnisbefriedigung (+) ?? Wunsch nach Individualisierung (+) Tabelle 4-6: Aspekte der Bequemlichkeit als Determinante der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien Auf Seiten der neuen Medien zeigen sich Veränderungen durch die Kommunikationsinhalte in Form der Vielzahl der Angebote, durch die umfangreicheren Transaktionsmöglichkeiten, die bequemeren Transaktionsabwicklungen und durch die Individualisierung der Leistungserstellung. Durch die Vielzahl der Angebote erhöht sich die Auswahl beträchtlich, so dass die vorhandenen Bedürfnisse ohne grosse Suchaufwendungen erfüllt werden können. Somit besteht die Möglichkeit, dass die Internet-Nutzer im Rahmen der Veränderungen der Kommunikationsinhalte, beispielsweise durch die verbesserten Präsentationen der Produkte und das Angebot von Vergleichsmöglichkeiten, bequem die gewünschte Leistung finden. In den neuen Geschäftsmedien kann sich diese Bequemlichkeit zum Beispiel auch durch die Gestaltung des Web-Auftritts ergeben. Finden die online-Kunden sehr schnell, wonach sie suchen und ist die Navigation durch das Angebot einfach zu verstehen, kann sich ebenso Kundenbindung einstellen. Je vertrauter die Kunden mit dem online-Auftritt werden, desto leichter finden sie sich zurecht und können so auch ihre Bedürfnisse in einer adäquaten Zeit befriedigen. Über einen längeren Zeitraum kann unter Umständen eine Verbindung zwischen den Kunden und dem Anbieter auf- 148 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien dem Anbieter aufgebaut werden, da den Kunden das online-Angebot und das Bewegen in diesem Angebot immer vertrauter erscheint. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Lerntheorie, wie sie unter 2.2.4.2 kurz vorgestellt wurde, verwiesen. Ebenso ergeben sich durch die umfangreicheren Transaktionsmöglichkeiten in Form der ubiquitären Verfügbarkeit der Angebote neue Dimensionen der Bequemlichkeit für die Nachfrager. So ist es in den neuen Medien möglich, rund-um die-Uhr Transaktionen zu erledigen, ohne an Ladenöffnungszeiten gebunden zu sein. Ein weiterer Aspekt der Bequemlichkeit kommt durch den Umstand zustande, dass die Nachfrager von jedem beliebigen Ort, also auch von zu Hause, auf die angebotenen Leistungen zugreifen können. Des weiteren tragen die verbesserten Möglichkeiten der Abwicklung von Transaktionen, wie beispielsweise das schon genannte One-Click-Shopping oder die bequeme Bezahlung per Kreditkarte, zur Berücksichtigung des Trends zu einer grösseren Zeitersparnis und einer zunehmenden Bequemlichkeit bei. Als vierte Veränderung durch die neuen Medien ist die Individualisierung der Leistungserstellung zu nennen. Nachfrager müssen demzufolge nicht lange nach möglichst passenden Lösungen für ihre Probleme suchen, sondern haben durch die neuen Entwicklungen der IKT die Möglichkeit, ohne umständliche Such- und Abwicklungsprozesse, individuelle Leistungen gemäss ihrer Bedürfnisse zu erhalten, so dass somit auch in einem gewissen Masse dem Trend zu einem genussorientierten Lebensstil und dem Wunsch nach Individualisierung Rechnung getragen werden kann. Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass der Aspekt der Bequemlichkeit in den neuen Medien eine zunehmend wichtigere Rolle bei der Gestaltung einer langfristigen Kundenbeziehung spielen wird. 4.2.4 Psychologische Determinanten der Kundenbindung Die psychologischen Faktoren umfassen die Zufriedenheit, das Vertrauen und das Commitment. Im folgenden werden die verschiedenen Einflüsse auf diese Determinanten dargestellt. 4.2.4.1 Zufriedenheit Grundsätzlich ist zu erwähnen, dass bei dem Grad der Kundenbindung dem Faktor der Zufriedenheit auch in den neuen Geschäftsmedien eine hohe Bedeutung beigemessen werden kann. Allerdings verändern sich auf Grund der verschiedenen Einflüsse die Faktoren, die zur Zufriedenheit der Kunden führen. Nachwievor kann aber grundsätz- 149 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien lich von einem positiven Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Kundenbindung in den neuen Medien ausgegangen werden. (Tomczak & Dittrich, 1997), die ebenso die positive Korrelation zwischen der Zufriedenheit und dem Grad der Kundenbindung hervorheben, haben in ihren Untersuchungen zu dem Aspekt der Zufriedenheit des weiteren verschiedene Gründe aufgezeigt, die trotz einer Zufriedenheit zu einer Abwanderung der Kunden führen können. Neben den Faktoren, die in den neuen Geschäftsmedien Zufriedenheit bei den Kunden auslösen, wird des weiteren die Bedeutung der Abwanderungsgründe trotz Zufriedenheit unter den beschrieben Einflüssen untersucht. Folgende Tabelle gibt einen Überblick zu den verschiedenen Faktoren und Ausprägungen, die betrachtet werden. Bisherige Ausprägung Einflüsse durch Veränderungen der neuen Medien ?? Zusammen?? Kommunikationshang zwischen inhalte (+ /?) Zufriedenheit ?? Kommunikationsund Kundenform (+) bindung ?? Kommunikations?? Unterschiedlirichtung (+) che Zufrieden?? Individuelle Inforheitstypen mationen (+) ?? VarietySeeking-Motiv ?? Individuelle Leistungserstellung (+) ?? Attraktivität von Konkur- ?? Individuelle Preisgestaltung (+) renzleistungen ?? Transaktionsmöglichkeit (+) ?? Transaktionsabwicklung (+) Bedeutung in den neuen Medien Konsumententrends ?? Steigende Wechselbereitschaft (? ) ?? Wunsch nach Interaktion (+) ?? Erlebnisorientierung (+) ?? Wunsch nach Individualisierung (+) ?? Vermehrte Kundenintegration (+) ?? Genussorientierter Lebensstil (+) ?? Steigende Bedürfnisbefriedigung (+) ?? Zunehmende Bequemlichkeit (+) Tabelle 4-7: Aspekte der Zufriedenheit als Determinante der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien 150 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Zunächst werden die Transformationen der Faktoren, die zur Zufriedenheit der Kunden führen, beschrieben, um dann im weiteren Verlauf auf die Veränderungen der Abwanderungsgründe trotz Zufriedenheit einzugehen. Wie die Tabelle verdeutlicht, wirkt eine Vielzahl von Einflüssen auf den Faktor der Zufriedenheit ein. So sind ein Grossteil der Besonderheiten der Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Medien, die grundsätzlich zum Ziel haben, einen Mehrwert für die Kunden zu generieren und diesen auch zu kommunizieren, als Einflüsse wiederzuerkennen. Die Veränderungen der Inhalte der Kommunikation, beispielsweise in Form einer ve rbesserten Darstellung der Produkte, der steigenden Anzahl der angebotenen Leistungen oder in Richtung des sogenannten Infotainments, führen dementsprechend ebenso zu einer grösseren Zufriedenheit bei den Kunden, wie die neuen Ausprägungen der Kommunikationsformen und der Kommunikationsrichtung. So wird beispielswe ise dem Wunsch nach verstärkter Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager durch eine One-to-One-Kommunikation, wie sie häufig erst durch die Entwicklungen der IKT möglich geworden ist, Rechnung getragen. Die stärkere Betonung des Infotainment, im Rahmen der Veränderungen der Kommunikationsinhalte, bezieht sich dabei auf den Konsumententrend der Erlebnisorientierung. Die Kommunikation in den neuen Medien muss nicht nur die Eigenschaften eines Produktes darstellen, sondern sollte vielmehr darüber hinaus auch einen emotionalen Mehrwert bieten, um so das angebotene Produkt gegenüber homogenen Alternativprodukten hervorzuheben. Ebenso trägt auch der Wandel vom Market-Push zum Market-Pull im Rahmen der veränderten Kommunikationsrichtung in gewissem Masse zur Zufriedenheit der Kunden bei, da sie die Informationen gemäss ihres individuellen Nutzerprofils selektieren können und somit eher qualitativ hochwertige und extrem relevante Informationen bekommen, anstatt im Sinne des Massenmarketing mit wenig bis gar nicht relevanten Informationen zugeschüttet zu werden. Insofern ergibt sich aus der individuellen Gestaltung der Information, als weitere Besonderheit der Interaktionsbeziehungen in den neuen Medien, ein zusätzlicher Zufriedenheitsfaktor, der erst durch die technischen Entwicklungen im Rahmen der neuen Medien zur vollen Geltung gelangen kann. Neben der individuellen Gestaltung der Information erfüllt insbesondere auch die massgeschneiderte Leistungserstellung den Wunsch der Konsumenten nach Individualisierung. Durch Konzepte, wie die Mass Customization (vgl. 4.5.2), werden in grossem Masse die Leistungen so weit wie möglich gemäss der einzelnen Kundenwünsche gefertigt. Voraussetzung für eine solche Fertigung ist die intensive und direkte Kommunikation mit den Kunden, so dass sich auch an dieser Stelle die Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Faktoren, in Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 151 diesem Fall zwischen den Veränderungen der Formen der Kommunikation und der individuellen Leistungserstellung, zeigen. Des weiteren ist eine Beziehung zu dem Trend der vermehrten Kundenintegration zu erkennen, da durch die intensivere Kommunikation zwischen Anbietern und Nachfragern auch eher die Möglichkeit für die Kunden gegeben ist, sich und ihre entsprechenden Wünsche einzubringen. Nichtzuletzt auch die individuelle Gestaltung des Preises eröffnet neue Möglichkeiten, positiven Einfluss auf die Zufriedenheit der Kunden zu nehmen. Mit den dargestellten Entwicklungen in Bezug auf die Individualität und die entstandenen Möglichkeiten zur Erfüllung dieses Bedürfnisses, werden auch andere Trends im Bereich des Konsumentenverhaltens angesprochen. So ist ein genussorientierter Lebensstil durch die Nutzung von individuellen Leistungen weitaus einfacher zu erreichen als es bisher der Fall war. Dies ist auf den Umstand zurückzuführen, dass der Wunsch nach individuellen Gütern in der Regel (z.B. bei einem Massanzug) mit sehr hohen Kosten verbunden war. Auf Grund der neue Technologien ist es nun möglich geworden, den eigenen Stil auch zu erschwinglichen Preisen erwerben zu können. Ebenso kann auch beispielsweise die individuelle Zusammenstellung eines Produktbündels genannt werden, die der steigenden Bedürfnisbefriedigung entgegenkommt. Ein weiterer Trend, der in Bezug auf die Zufriedenheit eine wesentliche Rolle spielt, ist die zunehmende Bequemlichkeit, so dass diese mit den Veränderungen der Transaktionsmöglichkeiten und – abwicklungen korrespondiert und dies dann wiederum auch in den neuen Medien zu einem steigenden Grad der Kundenbindung führt. Unterstellt man nun einen positiven Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit der Kunden und dem Grad der Bindung, kann infolgedessen eine steigende Bedeutung dieses Faktors in den neuen Medien ausgemacht werden. Auf der anderen Seite werden nun die Veränderungen der Abwanderungsgründe trotz Zufriedenheit in den neuen Medien analysiert, um so zu prüfen, ob die steigende Bedeutung des Faktors Zufriedenheit auch dann noch Bestand hat. Wie unter 2.2.5.5 besprochen wurde, zeigen unterschiedliche Zufriedenheitstypen ve rschiedene Intensitäten der Kundenbindung, so dass bisher gelten konnte, dass auch zufriedene Kunden den Anbieter gewechselt haben. Die Vermutung liegt nahe, dass auf Grund der tendenziell eher hohen Wechselbereitschaft auch in den neuen Medien nur wirklich sehr zufriedene Kunden eine starke Loyalität gegenüber ihrem Anbieter empfinden. Eine fundierte Aussage lässt sich allerdings wegen der leider bisher recht dürftigen Forschungsergebnisse in diesem Bereich nur schwer treffen, so dass sich an dieser Stelle Raum für weiteren Forschungsbedarf aufzeigen lässt. 152 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Ebenso ist davon auszugehen, dass durch die Vielzahl der Angebote und der vorhandenen Wechselbereitschaft das Variety-Seeking-Motiv an Bedeutung gewinnen wird. Für die Nachfrager ist ausserdem durch die neuen Möglichkeiten der Transaktionsabwicklung ein Wechsel von einem Anbieter zum nächsten in der Regel sehr einfach zu vollziehen, so dass sich daraus neue Herausforderungen für das Management der Kundenbeziehung in neuen Geschäftsmedien ergeben. Die bei (Tomczak & Dittrich, 1997) beschriebene Attraktivität von Konkurrenzleistungen, die ebenso trotz Zufriedenheit zu einem Wechsel des Anbieters führen kann, geht dabei in eine ähnliche Richtung wie das Variety-Seeking-Motiv. Insofern kann auch für diesen Aspekt auf eine steigende Bedeutung hingewiesen werden. Zu beachten ist allerdings, dass ein Wechsel eines Anbieters grundsätzlich mit einem gewissen Risiko verbunden ist. Dieses Risiko kann, wie im weiteren Verlauf dieses Kapitels beschrieben wird, in den neuen Medien höher als bisher erachtet werden, so dass diese Entwicklung einem häufigen Anbieterwechsel entgegenspricht. Des weiteren ist zu bedenken, dass Kunden, die die Transaktionsprozesse eines Anbieters kennen, ungern neue Abläufe erlernen wollen, so dass durch die Gewohnheit und die Kenntnis der Abwicklung der Transaktion einer möglichen Abwanderung entgegen gewirkt wird. Resumierend kann festgehalten werden, dass die Abwanderungsgründe trotz Zufriedenheit in den neuen Medien zu einem gewissen Mass an Relevanz gewinnen, allerdings wird diese Tendenz durch weitere Besonderheiten, wie Vertrauen und Gewohnheit, eingeschränkt. Wiegt man nun die beiden geschilderten Entwicklungen, positive Korrelation zwischen Zufriedenheit und Kundenbindung und die Abwanderungsgründe trotz Zufriedenheit, gegeneinander auf, kommt man aus Sicht des Autors zu dem Ergebnis, dass die Bedeutung der Determinanten in den neuen Geschäftsmedien an Bedeutung gewinnt, da die positive Korrelation zwischen Zufriedenheit und Kundenbindung ein deutlich grös-seres Gewicht hat. Allerdings verändern sich die Faktoren, die zu einer Zufriedenheit führen. Dieses Ergebnis beinhaltet insofern wiederum wertvolle Hinwe ise, die in die Entwicklung des Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien einfliessen. 4.2.4.2 Vertrauen Als weiterer Faktor, der positiv auf den Grad der Kundenbindung einwirkt, kann das Vertrauen in den jeweiligen Anbieter, wie es unter 2.2.5.5 erläutert wurde, genannt werden. Bei dem Kauf eines Gutes besteht grundsätzlich eine gewisse Informationsasymmetrie, insofern als dass der Käufer ex ante nie sicher sein kann, ob das erworbene Gut auch wirklich die Bedürfnisse erfüllt. 153 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Insbesondere in den neuen Medien erfährt diese Determinante eine zunehmende Bedeutung, da zum einen der direkte persönliche Kontakt in Form einer Face-to-FaceKommunikation und zum anderen der physische Zugriff auf den Anbieter nicht gegeben ist (Einwiller et al. 2001); (Kollock, 2001). Folgende Tabelle zeigt die verschiedenen Einflüsse, die auf diese Determinante der Kundenbindung in den neuen Medien einwirken. Bisherige Ausprägung Einflüsse durch Veränderungen der neuen Medien ?? Zusammen?? Besonderheiten hang zwischen digitaler Güter (+) Vertrauen und ?? KommunikationsKundenbininhalte (+) dung Bedeutung in den neuen Medien Konsumententrends ?? Cocooning (+) ?? Wunsch nach Individualisierung (+) ?? Transaktionspartner (+) ?? Transaktionsabwicklung (+) ?? Individualisierung der Leistung (+) Tabelle 4-8: Aspekte des Vertrauens als Determinante der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien Durch die Besonderheiten der digitalen Güter und die erweiterten Transaktionsmöglichkeiten ist die Distribution und der Zugriff auf die gewünschten Güter von jedem Ort mit entsprechendem Zugang zum Internet mö glich, so dass auch die Anbieter von „irgendwo“ im Internet die Leistungen anbieten können. Sollte ein über die neuen Medien erworbenes Gut nicht den Anforderungen der Kunden entsprechen, so stellt sich, neben den logistischen Problemen der Rücksendung des gekauften Produktes, der Regressanspruch oder der Umtausch des gekauften Gutes häufig als sehr schwer dar, weil der Verbraucherschutz noch nicht einheitlich geregelt ist (Wilhelmsen, 2001). Daraus resultiert eine gewisse Unsicherheit für die Konsumenten, die von Seiten der Anbieter reduziert werden muss. Auf die Möglichkeiten, die Anbieter zur Reduktion der Unsicherheit haben, wird unter 4.5.4 (Building Block „Creating Trust“) genauer eingegan- 154 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien gen. Zusätzlich wird die Unsicherheit durch die stark zunehmende Anzahl von Angeboten und die entsprechende Informationsflut im Rahmen der Veränderungen der Kommunikationsinhalte ve rgrössert. Durch die nicht genau mögliche Identifikation der Transaktionspartner kann allerdings auch ein Vorteil entstehen, da auch der Nutzer der Angebote seine Identität nicht preisgeben muss. Insbesondere bei dem als Cocooning bezeichneten Trend des Konsumentenverhaltens kann sich eine solche Anonymität als förderlich erweisen, da der Kunde „seine“ Welt nicht verlassen muss. Bei Transaktionen, die in den neuen Medien durchgeführt werden, ist es in der Regel notwendig, dass vertrauliche Informationen, wie beispielsweise die Kreditkartennummer, übertragen werden müssen. Laut einer online-Umfrage der Unternehmensberatung Mummert & Partner bei insgesamt 1523 Interneteinkäufern zweifeln 29% der Nutzer die sichere und missbrauchsfreie Übertragung der sensiblen Daten an (o.V., 2001), so dass die sichere Gestaltung der Transaktionsabwicklung ebenso einen Einfluss auf die Bedeutung dieser Determinante der Kundenbindung hat. Um die weiter oben angesprochene Informationsassymetrie zu reduzieren, könnte die individuelle Gestaltung der Leistungserstellung (vgl. Building Block „Creating Added Value for the Customer“ unter 4.5.2) hilfreich sein. Gleichzeitig könnte somit dem Wunsch nach Individualisierung Folge geleistet werden, so dass auch dieser Trend des Konsumentenverhaltens die Bedeutung des Aspektes des Vertrauens tangiert. Das Vertrauen nimmt somit eine enorm wichtige Position beim Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ein und es kann von einer steigenden Bedeutung ausgegangen werden. Der Aspekt des Vertrauens wird infolgedessen bei der Entwicklung des Modells zur Gestaltung der Kundenbeziehung Berücksichtigung finden. 4.2.4.3 Commitment Commitment, als weiterer Aspekt der psychologischen Determinante der Kundenbindung, wird in diesem Zusammenhang als verhaltenswissenschaftliches Konstrukt ve rstanden, das die innere Verpflichtung einer Person gegenüber einem Bezugsobjekt beschreibt und den Wunsch nach Entwicklung stabiler Geschäftsbeziehungen, die Bereitschaft kurzfristige Opfer zu erbringen und Vertrauen in die Stabilität der Beziehung, beinhaltet (Diller, 1995) (S.20). (Tomczak & Dittrich, 1997) unterstreichen in ihren Ausführungen allerdings den freiwilligen Charakter der Beziehung, so dass in ihren Augen unter Commitment „die 155 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien freiwillige innere Verpflichtung zu einem Produkt oder einer Leistung“ (Tomczak & Dittrich, 1997) (S. 21) verstanden werden kann. Auch dieser Aspekt unterliegt gewissen Veränderungen, die in der folgenden Tabelle dargestellt sind. Bisherige Ausprägung Einflüsse durch Veränderungen der Bedeutung in den neuen Medien neuen Medien Konsumententrends ?? Innere Ve r- ?? Kommunikations- ?? Wunsch nach Inpflichtung geform (+) teraktion (+) genüber einem Anbieter bzw. ?? Wandel vom Pro- ?? Vermehrte Kunduktionszum denintegration (+) einer Leistung Kommunikations?? Wunsch nach Inmanagement (+) dividualisierung (+) ?? Transaktionsabwicklung (+) ?? Steigendes Selbstbewusstsein (+) ?? Individuelle Leistungserstellung (+) ?? Steigende Wech?? Individuelle Preisselbereitschaft (? ) gestaltung (+) ?? „Free-LunchMentalität“ ( ? ) Tabelle 4-9: Aspekte des Commitment als Determinante der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien Grundsätzlich kann wegen der verbesserten Möglichkeiten zur individuellen und persönlicheren Gestaltung der Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern für diese Determinante von einer leicht steigenden Bedeutung in den neuen Medien ausgegangen werden. Insbesondere durch die neuen Ausprägungen der Kommunikationsformen, wie z.B. die One-to-One-Kommunikation, kann diese Entwicklung unterstützt werden und somit durch die gestiegenen Dialogmöglichkeiten auch der Wunsch der Konsumenten nach mehr Interaktion erfüllt werden. Es liegt nahe, dass eine intensivere Beziehung auch zu 156 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien einer grösseren inneren Verpflichtung führen kann, so dass auch der Grad der Kundenbindung erhöht wird. Grundsätzlich ist an dieser Stelle auch der Trend vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement zu erwähnen, da die Kommunikation der Leistungen eine immer entscheidendere Rolle in den neuen Medien einnimmt und sich insofern durch entsprechende Inhalte der Kommunikation auch ein Einfluss auf die innere Verpflichtung ergeben kann. Ebenso kann eine grosszügige und kulante Abwicklung von Transaktionen, z.B. im Rahmen eines Beschwerdemanagements, zu einer solchen Empfindung bei den Kunden führen. Allerdings ist dies keine Besonderheit der neuen Medien, da dieses Phänomen auch schon bisher Gültigkeit besass. Der Trend zu einer vermehrten Kundenintegration hingegen stellt eher eine Besonderheit dar, weil durch die Entwicklungen der IKT eine verstärkte Einbindung der Kunden möglich geworden ist. Es ist zu vermuten, dass durch eine intensivere Zusammenarbeit dem Wunsch nach der Entwicklung stabiler Geschäftsbeziehungen Folge geleistet wird, so dass sich eine positive Wirkung auf das Commitment einstellen könnte. Des weiteren besteht die Möglichkeit, dass die individuelle Leistungserstellung und die individuelle Preisgestaltung die innere Verpflichtung fördern, da die Leistungen gemäss der Kundenwünsche gefertigt worden sind bzw. auf die individuelle Situation der Kunden bei der Preisgestaltung Rücksicht genommen wurde. Durch diese Art der individuellen Gestaltung der Beziehung wird auch dem Wunsch nach Individualisierung und dem gestiegenen Selbstbewusstsein der Konsumenten Rechnung getragen, so dass diese beiden Trends des Kundenverhalten auch bei diesem Aspekt einen positiven Einfluss ausüben können. Dämpfend auf die Bedeutung des Commitment als Determinante der Kundenbindung in den neuen Medien wirken hingegen der Trend zu einer steigenden Wechselbereitschaft und die sogenannte „Free-Lunch-Mentalität“. Der grundsätzlich geringere Bindungswille in den neuen Medien und die sinkende Loyalität erschweren den Aufbau und die Gestaltung einer langfristigen Beziehung, so dass überhaupt erst die Entstehung des Commitment sich schon als schwierig erweisen kann. Zusätzlich sind die Internet-Nutzer gewohnt, einen Grossteil der angebotenen Leistung kostenlos zu bekommen, was dazu führt, dass eine innere Verpflichtung nur schwer aufgebaut werden kann, da z.B. bei einer Kulanzregelung finanzielle Aspekte, d.h. die finanziell vorteilhafte Abwicklung für den Kunden, bei der kostenlosen Vergabe der Produkte obsolet werden würde. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 157 4.2.5 Zusammenfassende Betrachtung Die gemachten Aussagen spieglen hierbei die subjektive Meinung des Autors wider, so dass sich auch anderen Verknüpfungen zwischen den Trends und den verschiedenen Determinanten hätten ergeben können, die wiederum u.U. zu unterschiedlichen Resultaten hätte führen können. Gemäss des situtiven Forschungsansatzes wurde bewusst die betrachtete Situation eingefroren, so dass die getroffenen Aussagen nur auf die beschriebene Situation Anwendung finden. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die Determinanten der Kundenbindung nach (Tomczak & Dittrich 1997) auch in den neuen Medien unter den aufgezeigten Einflüssen ihre Gültigkeit behalten, allerdings verändern sich teilweise ihre Ausprägungen und ihre Bedeutung. Insbesondere die faktischen und psychologischen Determinanten sowie die Determinante der Bequemlichkeit werden an Relevanz zunehmen. Innerhalb der faktischen Determinanten ist bei den ökonomischen Faktoren die grösste Steigerung der Bedeutung zu vermuten, wohingegen die rechtlichen Faktoren eine nicht mehr entscheidende Rolle übernehmen. Bei der Beschreibung der technischen Faktoren ist der Grad der Offenheit des betrachteten Systems ausschlaggebend für die Bedeutung dieser Determinante. In der Gruppe der psychologischen Determinanten ist bei der Zufriedenheit und dem Vertrauen von einer steigenden Relevanz auszugehen. Die Aspe kte des Commitment deuten ebenso auf eine leicht steigende Bedeutung hin. Die wettbewerbsinduzierte Determinante hingegen scheint auf Grund der beschriebenen Entwicklungen an Bedeutung zu verlieren. Folgende Abbildung fasst die ve rschiedenen neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung zusammen. Die Schriftgrösse sowie der Umfang des entsprechenden Kreises stellen dabei die steigende bzw. sinkende Bedeutung dar. 158 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Wettbewerbsinduzierte (Quasi) Alleinanbieter Psychologische Zufriedenheit Vertrauen Commitment Ausprägungen der Bindungsdeterminanten in den neuen Medien Faktische Techn. Faktoren Rechtl. Faktoren Ökon. Faktoren Situative Nichtverfügbarkeit Bequemlichkeit Abbildung 4-3: Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung und ihre Bedeutung in den neuen Medien Im Vergleich zu den unter 2.2.5.5 vorgestellten Determinanten der Kundenbindung ist deutlich geworden, dass die Determinanten in den neuen Geschäftsmedien durch die geschilderten Veränderungen – aus der subjektiven Sicht des Autors – neue Herausforderungen an ein Management der Kundenbeziehung stellen. Die weiterentwickelten Bindungsdeterminanten stellen daher Ansatzpunkte dar, an denen verschiedene Strategien zur Steigerung der Kundenbindung in den neuen Geschäftsmedien ansetzen können. Diese Punkte werden in dem Modell zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien, das unter 4.5 vorgestellt wird, aufgegriffen. 4.3 Definition des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Wie unter 2.2.3 und unter 3.2 beschrieben, gibt es in der Literatur eine Vielzahl von Definitionen zu den Themen Kundenbeziehung und Internet-Marketing. Häufig findet man an Stelle des Begriffs Management der Kundenbeziehung synonym die Begriffe Beziehungsmanagement (Diller & Kusterer, 1998), Konzept der Kundenbindung (Bliemel & Eggert, 1998), Kundenbindung (Meyer & Oevermann, 1995), Management der Geschäftsbeziehung (Belz, 1998) und Kundennähe (Homburg, 1995), die Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 159 sich allerdings nicht auf die neuen Medien beziehen. Ebenso ist die Definition von Marketing in den neuen Medien nicht einheitlich und weist in den meisten Fällen keinen direkten Bezug zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien auf (vgl. 3.2). Da keine der bekannten Definitionen aus den beiden Bereichen den Begriff des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien genügend gut beschreibt, wurde eine eigene Definition entwickelt, um diese beiden Bereiche zu verbinden. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien umfasst die Entwicklung, Gestaltung und den Einsatz von ganzheitlichen Konzepten zur erfolgreichen Gestaltung von Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und attraktiven Nachfragern in und mit Hilfe der neuen Medien. Im Rahmen der Arbeit wird dabei der deutsche Ausdruck „Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien“ und der englische Ausdruck „Management of Customer Relationship in Business Media (MCR-BM)“ synonym verwendet. Im folgenden sollen verschiedene Teilbereiche dieser Definition näher betrachtet we rden, um die unterschiedlichen Aspekte besser verdeutlichen zu können. Management, verstanden als Gestalten, Lenken und Entwickeln (Ulrich, 1984) (S. 11), umfasst gemäss der oben genannten Definition nicht nur den Einsatz, sondern ebenso die Entwicklung von Massnahmen, um die geforderten Ziele erfüllen zu können. Damit soll der Tatsache Folge geleistet werden, dass auch die Konzepte zum Management der Kundenbeziehung einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen sein sollen. Die Umfeldbedingungen auf vielen Märkten ändern sich in einem zunehmend schnelleren Tempo, so dass sich die Entwicklung und Gestaltung der Massnahmen dieser Geschwindigkeit anpassen muss. Insofern ist in dieser Definition auch der Entwicklungs- bzw. der Weiterentwicklungsaspekt explizit enthalten. Neben der Entwicklung bezieht sich der erwähnte Einsatz auf die Umsetzung der Massnahmen. Die Erfahrung (vgl. (Bach & Österle, 2000)) zeigt, dass insbesondere bei der Umsetzung der Konzepte grosse Schwierigkeiten auftreten können, daher ist dieser Punkt ausdrücklich in der Definition enthalten. Dies schliesst ebenso bei der Entwicklung ein, dass die erdachten Konzepte anwendbar sein müssen und sich auch im praktischen Einsatz beweisen. Aus dem Einsatz der verschiedenen Massnahmen wiederum können sich verschiedenartigste, wertvolle Hinweise für die Entwicklung ergeben. Insofern sollen die im Rahmen dieser Definition entwickelten Lösungskonzepte einen iterativen Weiterentwicklungsprozess durchlaufen und dabei Anregungen 160 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien aus dem praktischen Einsatz in die Entwicklung und Gestaltung der Massnahmen einfliessen lassen. Es handelt sich somit um einen dynamischen Ansatz. Der Aspekt der Ganzheitlichkeit beschreibt den Umstand, dass sich das Management der Kundenbeziehung sowohl auf verschiedene Bereiche (Personal, Organisation, Technik) als auch auf die verschiedenen Phasen einer Transaktion (Wissens-, Absichts-, Vereinbarungs-, Abwicklungs- und After-Sales-Phase) bzw. einer Beziehung bezieht. Insbesondere das Zusammenspiel der verschiedenen Bereiche ist von entscheidender Bedeutung für die erfolgreiche Gestaltung der Kundenbeziehung (Körner & Zimmermann, 2000). Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass die Bedürfnisse der Kunden und das Angebot von adäquaten Lösungsmöglichkeiten im Vordergrund der Betrachtung stehen. Die entwickelten Massnahmen und Konzepte beziehen sich dabei auf die bereits vo rgestellten neuen Geschäftsmedien und den damit verbundenen Herausforderungen. Der Punkt der erfolgreichen Gestaltung spricht im wesentlichen den ControllingAspekt an. Die in die Kundenbeziehung investierten Aufwendungen müssen sich amortisieren. Auch wenn es häufig sehr schwierig scheint, sollten trotzalledem Massnahmen, die im Rahmen des Management der Kundenbeziehung eingesetzt werden, auf ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden. Abschliessend soll noch kurz auf die Passage der “attraktiven Nachfrager” eingegangen werden. Massnahmen zur Gestaltung der Interaktionsbeziehung zu diesen Nachfragern sind in aller Regel mit einem Kostenaufwand verbunden, daher ergibt sich die Frage, welche Nachfrager mit welchem Aufwand an das Unternehmen gebunden we rden sollen. Fokus des neuen Ansatzes ist daher der Aufbau und die Pflege von Beziehungen zu ökonomisch wertvollen Nachfragern. Nachfrager umfassen dabei, wie bereits unter 2.2.3 beschrieben, sowohl bestehende als auch potentielle Kunden. Insofern richtet sich dieser Ansatz im Gegensatz zum Kundenbindungsmanagement nicht ausschliesslich an schon bestehende Kunden, sondern umfasst ebenso potentielle Kunden, die im Sinne der passiven Neukundenakquisition zu einem Erstkauf animiert werden sollen. Die erste Transaktion bildet dann die Basis für den weiteren Aufbau und Pflege einer Beziehung zu den Kunden. Die Kundenbeziehung wird im Zusammenhang dieser Arbeit infolgedessen als eine Beziehung zu Kunden als auch zu potentiellen Kunden ve rstanden. Die Kundenbeziehung, wie sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit verstanden wird, fängt somit bei der ersten Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager an und endet erst nach der Durchführung ökonomisch sinnvoller Nachfassaktionen mit dem kompletten Abbruch der Beziehung. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 161 Wichtig bei diesem Ansatz ist, dass das Interesse zur Transaktion von den Nachfragern ausgeht und dass ihnen bei vorhandenen Kaufabsichten Möglichkeiten gegeben we rden, in einer für sie optimalen Art und Weise ihre Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Die Erstellung eines individuellen Angebots kann daher auch als eine Massnahme des Managements der Kundenbeziehung angesehen werden. In diesem Zusammenhang kann von einer passiven Neukundengewinnung gesprochen werden, da der erste Schritt vom Kunden ausgeht. Abzugrenzen ist dabei die aktive Neukundengewinnung, die mit Massnahmen wie Direct Mailing, Outbound-Telefonaktionen etc. aktiv auf mögliche Kunden zugeht und ein mögliches Interesse der Angesprochenen voraussetzt. In diesem Sinne umfasst der Ansatz des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien zum einen Massnahmen für die passive Neukundengewinnung und zum anderen Massnahmen zur Pflege der Beziehung zu bestehenden Kunden. 4.4 Ziele des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Im folgenden werden die verschiedenen Ziele, die im Rahmen des neuen Ansatzes ve rfolgt werden, in eine Struktur gebracht. Durch die Vielzahl der verfolgten Ziele und den starken Abhängigkeiten der Ziele untereinander erscheint es sinnvoll, diese Struktur relativ einfach zu gestalten. Das Hauptziel der Massnahmen des Managements der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ist die Erhöhung der Kundenbindung, die ihrerseits direkt oder indirekt zur Steigerung des Gewinns beitragen soll (vgl. vorgestellte Untersuchungen unter 1.1.2). Die verschiedenen Ziele können demnach grob in zwei Kategorien eingeteilt werden. Zum einen in die Ziele, die direkt auf die Steigerung des Gewinns einwirken und zum anderen in die Ziele, die indirekten Einfluss auf die Steigerung des Ge winns haben. Folgendes Schaubild soll diesen Zusammenhang verdeutlichen. 162 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Erhöhung der Kundenbindung Steigerung des Gewinns Ziele, die direkt auf den Gewinn wirken • Höhere Kaufvolumina • Gesteigerte Kauffrequenz • Cross-Selling • Kosteneinsparungen • Erlössteigerung durch abnehmende Elastizität Ziele, die nicht direkt auf den Gewinn wirken • Offenes Feedback • Gesteigertes Vertrauen • Erhöhung der Kundenzufriedenheit • Weiterempfehlungsabsichten • Steigerung der Attraktivität des Anbieters • Steigerung des Commitment Abbildung 4-4: Ziele des Management of Customer Relationship Management in Business Media Die verschiedenen Ziele werden im folgenden kurz erläutert. ?? Höhere Kaufvolumina / Kauffrequenz Ziele des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien, die unter diesen Punkt fallen, sind die Steigerung der Kaufhäufigkeit und der Kaufintensität. Gemeint ist damit, dass die Kunden animiert werden sollen, häufiger und mehr von einem Produkt zu kaufen. Wichtig ist auch dabei das Vertrauen, das sich durch die mehrmalige Durchführung einer Transaktion einstellt. Wenn die Kunden mit dem gekauften Produkt zufrieden sind und ihre Erwartungen erfüllt worden sind, werden die Konsumenten bereit sein, dieses Produkt wieder zu kaufen und dann vielleicht sogar häufiger und in grösseren Volumina. ?? Cross- und Up-Selling Ein weiteres Ziel des Management of Customer Relationship in Business Media, das sich direkt auf den Gewinn auswirkt, ist das Cross- und Up-Selling. Im Gegensatz zur erwähnten Steigerung der Kaufintensität und Kaufhäufigkeit, geht es beim Cross- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 163 Selling nicht um den Verkauf von gleichen, sondern komplementären Produkten, die logisch zusammenpassen und sich sinnvoll ergänzen. Das Up-Selling beschreibt dabei die Möglichkeit, den bestehenden Kunden höherwertige Produkte anzubieten. In diesem Zusammenhang ist also entscheidend, dass erkannt wird, welche Produkte sinnvoll das Bedürfnis der Kunden befriedigen. Insofern zeigt sich auch hier der Zusammenhang zu dem Wunsch nach Bedürfnisbefriedigung, wie er im Rahmen der Beschreibung des veränderten Konsumentenverhaltens unter 3.3 besprochen wurde. ?? Kosteneinsparung Wie schon eingangs erwähnt, werden die Kosten für die Neukundengewinnung immer höher, insofern kann man die Opportunitätskosten der Kundengewinnung als ein Ziel des Managements der Kundenbeziehung sehen. Bei guter Gestaltung der Kundenbeziehung können des weiteren im Sinne der verbesserten Möglichkeiten der Transaktionsabwicklung, wie sie unter 3.2.2 besprochen wurde, auch effizientere Orderverfahren gestaltet werden, so dass auch hier Kostensenkungspotentiale realisiert werden können. Diese Potentiale ergeben sich dabei hauptsächlich aus einer geringeren Fehlerquote bei der Nutzung der Angebote. Erfahrene Kunden, mit einer entsprechend langen Beziehung zu den Anbietern, sind in der Regel eher mit dem Angebot vertraut, so dass sie Transaktionen häufig komplikationsloser als Neukunden durchführen können. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass mit steigender Dauer der Beziehung die notwendigen Servicekosten sinken (Reichheld 1997). Ein weiterer Punkt aus Marketingsicht sind die geringeren Streuverluste, da die Kunden auf Grund der bestehenden Beziehung gezielter angesprochen werden können. ?? Erlössteigerung durch abnehmende Preiselastizität Des weiteren ist zu vermuten, dass die Preiselastizität mit steigender Kundenbindung abnimmt, so dass die Kunden eher bereit sind, für eine vertraute und für gut befundene Leistung einen höheren Preis zu bezahlen (Diller, 1995) (S.49). Die zweite Gruppe der Ziele wirkt nur indirekt auf den Gewinn, trotzdem ist auch sie enorm wichtig für das erfolgreiche Gestalten der Beziehungen zu Kunden in den neuen Geschäftsmedien. ?? Mehr Vertrauen Ein wesentliches Ziel beim Management der Kundenbeziehung ist der Aufbau von Vertrauen. Insbesondere in den neuen Medien spielt das Vertrauen, wie unter 4.2.4.2 anhand der entsprechenden Ausprägung der Determinante der Kundenbindung gezeigt wurde, eine entscheidende Rolle. Ziel ist es daher, durch das Management von Kundenbeziehungen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, das die vorhandene Unsicher- 164 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien heit auf ein Minimum reduziert und so den potentiellen Käufer zum Kauf bzw. den bestehenden Kunden zum Wiederholungskauf bewegt. ?? Mehr Feedback Grundsätzlich geht es um den Aufbau einer funktionierenden Kommunikationsbeziehung, in der sowohl Nachfrager als auch Anbieter gleichberechtigte Kommunikationspartner sind. Insbesondere die Nachfrager sollen in diesem Zusammenhang zur Kommunikation ihrer Wünsche oder auch Probleme ermuntert werden. Kunden, die in einer positiven Beziehung zum Unternehmen stehen, sind in der Regel eher bereit, beispielsweise bei einer Beschwerde diese auch kundzutun. Häufig ist es der Fall, dass enttäuschte Kunden dem Unternehmen ohne erkennbaren Grund den Rücken zukehren (Tax & Brown, 2000), so dass diese Kunden verloren gehen und zu einem anderen Anbieter abwandern. Insofern ist die gesteigerte Beschwerdebereitschaft ein Ziel, das es zu erreichen gilt. Zum anderen werden die Kunden im Rahmen einer guten Beziehung eher bereit sein, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu äussern, was dann wiederum die Erfüllung dieser Kundenwünsche extrem vereinfacht. Ebenso kann unter dem Punkt “Mehr Feedback” subsumiert werden, dass eine höhere Bereitschaft zur Mitarbeit, zum Beispiel bei der Neuentwicklung von Produkten, existiert. In diesem Fall zeigen sich wieder Überschneidungen zu den besprochenen Veränderungen des Kundenverhaltens (3.3), so ist der Wunsch nach einer verstärkten Kundenintegration in diesen Zusammenhang einzuordnen. Wesentliche Voraussetzung sind dabei die neuen Ausprägungen der Kommunikationsformen, wie beispielsweise der individuellen Gestaltung eines Dialogs zwischen Nachfrager und Anbieter, die unter 3.2.1 besprochen worden sind. ?? Steigerung der Kundenzufriedenheit Zufriedenheit der Kunden ist die Basis für weitere Massnahmen zur Etablierung einer Kundenbeziehung, da eine nicht zufriedenstellende Kern- und Nebenleistung keine Kunden binden wird und infolgedessen weitere Massnahmen sinnlos erscheinen liesse. Die Determinante der Zufriedenheit nimmt, wie unter 4.2.4.1 verdeutlicht, in den neuen Geschäftsmedien eine wesentliche Position ein und stellt somit eines der Hauptziele des neuen Ansatzes dar. Trotz der unter 2.2.5.5 und 4.2.4.1 dargestellten Abwanderungsgründe wird im Rahmen dieser Arbeit grundsätzlich von einer positiven Korrelation zwischen der Kundenzufriedenheit und der Kundenbindung ausgegangen. Dieser Annahme folgend, zielen ein grosser Teil der vorzustellenden Massnahmen des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien auf die Steigerung der Kundenzufriedenheit. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 165 ?? Weiterempfehlungsabsichten Wenn es gelingt, den Kunden eine Leistung zu bieten, die ihren Anforderungen im vollem Masse entspricht oder gar die Erwartungen übertrifft, besteht die Möglichkeit, bei den Kunden eine Art Begeisterung und einen „Aha-Effekt “ hervorzurufen. Diese begeisterten Kunden machen dann häufig positive Mund-zu-Mund-Werbung, die sich dann wiederum absatzsteigernd auswirken kann. Insbesondere auch durch die neuen Ausprägungen der Formen der Kommunikation, wie die Many-to-ManyKommunikation, ergeben sich umfangreiche Möglichkeiten, die Weiterempfehlungsabsichten zu gestalten. So können produktbezogene Erfahrungen, positive wie negative, innerhalb einer Gemeinschaft sehr schnell ausgetauscht werden. Dieses Verhalten stellt die Grundlage für das sogenannte „Viral Marketing“ dar. Die Idee dieses Konzeptes in den neuen Medien ist es, dass sich eine Information wie ein Virus in der Gemeinschaft ausbreitet und möglichst viele Mitglieder der Gemeinschaft „ansteckt“ (Anonymous 2000). Diesen Ausbreitungsprozess zu steuern stellt eine grosse Herausforderung an das Kommunikationsmanagement dar. Als weiterer Punkt ist zu erwähnen, dass zufriedene Kunden eher bereit sein werden, als Referenz zur Verfügung zu stehen. ?? Steigerung des Commitment Weiteres Ziel des neuen Ansatzes ist es, eine “innere Verpflichtung” gegenüber der angebotenen Leistung und eine Kundenloyalität zu erreichen. Wie unter 4.2.4.3 gezeigt wurde, ist davon auszugehen, dass der Aspekt des Commitment in den neuen Medien leicht an Bedeutung gewinnen wird. ?? Steigerung der Attraktivität des Anbieters Dieses Ziel des Management of Customer Relationship in Business Media umfasst im weitesten Sinne die Darstellung des Unternehmens gegenüber der gesellschaftlichen Umwelt. Dies beinhaltet zum einen das allgemeine Image des Anbieters und zum anderen die Aufbereitung und Gestaltung von für den Verkaufsprozess relevanten Informationen. Insbesondere das Branding, das unter 4.5.4 vertieft behandelt wird, stellt dabei ein Instrument zur Beeinflussung des Image dar. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die kurz vorgestellten Ziele nicht sehr stark von den bisher bekannten Zielen des Kundenbindungsmanagement (vgl. (Diller 1995)) abweichen. Wohingegen sich die Möglichkeiten, diese Ziele auch in den neuen Geschäftsmedien zu erreichen, deutlich von den bisherigen Ansätzen und Möglichkeiten unterscheiden. Im folgenden Abschnitt wird ein Modell, das diese Möglichkeiten 166 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien der Gestaltung der Kundenbeziehung auch in den neuen Geschäftsmedien darstellt, präsentiert. 4.5 Vorstellung des MCR-BM-Modells Nachdem in den vorherigen Abschnitten die neuen Ausprägungen der Determinanten für die Gestaltung der Kundenbeziehung, die Idee, die Definition und die Ziele des neuen Ansatzes verdeutlicht worden sind, soll nun im folgenden ein Modell zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien entwickelt werden. Ziel dieses Gestaltungsmodells ist es, die der vorliegenden Arbeit zugrundeliegende Forschungsfrage, wie Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern auch in den neuen Geschäftsmedien optimal entwickelt, gestaltet und gepflegt werden können, zu beantworten. Das Modell leitet sich dabei aus den neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung (4.2) ab. Das Modell des Management of Customer Relation in Business Media (MCR-BMModell) besteht aus sieben verschiedenen Massnahmenblöcken, die alle inhaltlich miteinander in Verbindung stehen. Ein einzelner Massnahmenblock enthält verschiedene, konkrete Massnahmen und praktische Hinweise, die die optimale Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ermöglichen sollen. Die vorzustellenden Massnahmen beschreiben dabei Möglichkeiten für Anbieter, um die Beziehung zu den Nachfragern in den neuen Medien optimal gestalten zu können. Es wird dementsprechend eine Anbietersicht eingenommen. Die verschiedenen Massnahmen für die Anbieter orientieren sich dabei sehr stark an den Bedürfnissen der Nachfrager, so dass die Bedürfnisse der Kunden nachwievor im Kern der Betrachtung stehen. Es handelt sich somit um eine anbieterseitige Sichtweise, die allerdings stark kundengetrieben ist. Folgendes Schaubild soll zunächst einen Überblick über das entwickelte Modell geben. 167 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Designing Customer Interaction Creating Trust Customer Profiling Creating Added Value for the customer Establishing Virtual Communities Implementing Processes Controlling Abbildung 4-5: Massnahmenblöcke für das Management of Customer Relationship in Business Media – Modell Die beiden Massnahmenblöcke “Implementing Processes” und “Controlling” sind als übergeordnete Massnahmenblöcke zu verstehen, da sie sich in allen anderen Massnahmen wieder finden. So ist zum Beispiel im Massnahmenblock “Establishing Virtual Communities” ebenso die Gestaltung von Prozessen notwendig, wie im Block “Designing Customer Interaction” beispielsweise auch ein Controlling sinnvoll erscheint. Neben diesen übergeordneten Funktionen nehmen diese beiden Massnahmenblöcke auch andere Aufgaben wahr, die im weiteren Verlauf erläutert werden. Die Auswahl und der Einsatz der notwendigen Massnahmen hängen von verschiedenen Parametern ab. So ist zum Beispiel die Art der angebotenen Güter und Dienstleistungen oder der Reifegrad des Marktes entscheidend. Sind beispielsweise die Wettbewerber in einer bestimmten Branche sehr weit fortgeschritten bei den Aktivitäten zur Gestaltung der Kundenbeziehung, sollten andere Massnahmen ergriffen werden, als dass bei einem jungen Markt mit einem niedrigen Reifegrad der Fall ist. Die Spezifika der jeweiligen Situation müssen also unbedingt bei der Auswahl und dem Einsatz der jeweiligen Massnahme bedacht werden. Ebenso sind natürlich die von den Kunden geäusserten Wünsche ein wichtiger Parameter bei der Auswahl der verschiedenen Massnahmen. Insofern soll das Modell als Rahmen für verschiedene Massnahmen zum 168 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien gesehen werden, so dass es als generisches Gestaltungsmodell charakterisiert werden kann. Grundsätzlich ist allerdings wichtig zu erwähnen, dass alle vorgestellten Massnahmenblöcke, im folgenden auch Building Blocks genannt, zumindest betrachtet werden sollten, bevor im konkreten Anwendungsfall verschiedene Massnahmen ausgewählt werden. Insbesondere auf Grund der hohen Interdependenzen der vorzustellenden Massnahmen und der enormen Komplexität der Gestaltung einer Kundenbeziehung erscheint ein ganzheitlicher Ansatz als unbedingt notwendig. Durch die im 3. Kapitel dargestellten Veränderungen und die sich daraus ableitenden neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung reicht es nicht mehr aus, sich nur auf einzelne Komponenten, wie zum Beispiel die Gestaltung der Schnittstellen zum Kunden, zu konzentrieren. Was nutzt es beispielsweise den Kunden, wenn sie auf der Webpage eines Anbieters das Versprechen lesen, dass das gewünschte Gut innerhalb von zwei Tagen bei ihnen ist, allerdings der Versand auf Grund von internen Schwierigkeiten zwei Wochen anstatt zwei Tage dauert? Wenn die Kunden erfolgreich an das Unternehmen gebunden werden sollen, müssen alle Massnahmenblöcke, unabhängig davon welche im konkreten Anwendungsfall umgesetzt werden, betrachtet werden. Insofern kann dieses Modell auch als eine Art Checkliste verstanden werden, in der alle relevanten Aspekte zur optimalen Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Medien enthalten sind. Insbesondere durch diese ganzheitliche Betrachtung des Management der Kundenbeziehung unterscheidet sich dieser Ansatz von bisher bekannten Ansätzen. Zu berücksichtigen ist des weiteren die horizontale und die vertikale Integration des Modells. Wie bereits angedeutet, zeigen die einzelnen Building Blocks untereinander Abhängigkeiten. Dies kann als horizontale Integration bezeichnet werden und beschreibt, dass sich die Massnahmen gegenseitig in ihrer Wirkung unterstützen bzw. überhaupt erst ermöglichen. So ist zum Beispiel der Building Block „Customer Profiling“ eine wesentliche Basis für die Erstellung eines individuellen Angebots im Rahmen des Massnahmenbündels „Creating Added Value for the Customer“. Diese Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Massnahmen werden im weiteren Verlauf bei der Vorstellung der einzelnen Building Blocks aufgegriffen und vertieft behandelt, um die Komplexität der Thematik zu ve rdeutlichen. Die vertikale Integration hingegen bezieht sich auf die Verbindung zu den bisherigen Massnahmen zur Gestaltung der Kundenbeziehung, die sich nicht explizit auf die neuen Geschäftsmedien beziehen. Diese Massnahmen werden im folgenden vereinfacht als „offline-Massnahmen“ bezeichnet. Erfolgreiche Strategien und Konzepte zur Gestaltung der Kundenbeziehung inner- und ausserhalb der neuen Geschäftsmedien soll- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 169 ten aus einem Mix der Möglichkeiten, also sowohl „online“- als auch „offlineMassnahmen“, zusammengesetzt werden, da die Kunden ihre Bedürfnisse sowohl in den neuen Medien, aber sicherlich immer auch in der realen Welt erfüllen werden. Insofern ist die strikte Trennung dieser beiden Bereiche nicht sinnvoll, vielmehr stellt die gegenseitige Ergänzung von „online“- und „offline-Massnahmen“ zur Gestaltung der Kundenbeziehung ein wesentliches Erfolgskriterium dar. Im Rahmen der Arbeit werden zwar auch vereinzelt Verweise auf „offline-Massnahmen“ gegeben, allerdings beziehen sich die vorliegenden Ausführungen hauptsächlich auf die Massnahmen zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien. Allerdings kann auf Grund der Breite dieses Ansatzes in der vorliegenden Arbeit nicht erschöpfend auf die einzelnen Massnahmen der jeweiligen Building Blocks eingegangen werden. Da die ganzheitliche Betrachtung der Themenstellung und nicht die Fokussierung auf einzelne Möglichkeiten im Vordergrund steht, ist es im Rahmen der Arbeit und des entwickelten Modells vielmehr Sinn und Zweck, erste Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen und einen Überblick über relevante Ansatzpunkte zur optimalen Gestaltung des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien zu geben, um somit einen Rahmen für die verschiedenen Möglichkeiten zu setzen. Durch die Positionierung dieses Modells auf einer eher abstrakten Ebene kann insofern von einem generischen Modell gesprochen werden, das durch die im konkreten Fall abschliessende Spezifizierung in verschiedenen Bereichen Anwendung finden kann. Um eine bessere Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, werden allerdings auch schon bei der Vorstellung der generischen Masssnahmenblöcke Beispiele aus verschiedenen Branchen gezeigt. Durch die in Kapitel 5 vollzogene Betrachtung des Finanzdienstleistungssektors in Form eines Business Case und die Übertragung dieses Modells auf die entsprechenden Anforderungen dieser Branche, werden die genannten Massnahmen anhand von spezifischen Beispielen konkretisiert. Im folgenden we rden nun zunächst die verschiedenen generischen Massnahmenblöcke mit ihren jeweiligen Massnahmen erläutert. 4.5.1 Designing Customer Interaction Wie weiter oben schon angesprochen, spielt die Kommunikation zwischen Anbietern und Nachfragern eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Medien. Die Qualität der gesamten Kommunikation wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor in den neuen Geschäftsmedien (Kramer, 1998). Nicht zuletzt auch deshalb stellt die Kommunikation einen wesentlichen Beitrag zur Zufriedenheit als eine der Determinante der Kundenbindung dar. Durch die neuen Technologien werden 170 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien die Kommunikationsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern revolutioniert: einerseits bieten die neuen Medien innovative Kommunikationswege, die individuelle und interaktive Dialoge ermöglichen, und andererseits gelangen Anbieter in die Lage, umfangreiche Informationen über die Kunden zu gewinnen, die die Anbieter wiederum sinnvoll für eine optimale Gestaltung der Kundenbeziehung einsetzen können (Busch & Belz, 2000). Die Kommunikation nimmt also eine wesentliche Rolle beim Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ein. Demzufolge werden in diesem Massnahmenblock verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Kommunikation in den neuen Medien mit den Kunden gestaltet und verbessert werden kann, so dass die gezeigten Herausforderungen erfüllt werden können und dem Wunsch nach Interaktion, wie er unter 3.3 bei der Darstellung des veränderten Konsumentenverhaltens beschrieben wurde, Rechnung getragen werden kann. Der Definition des neuen Ansatzes folgend wird allerdings vorausgesetzt, dass der erste Schritt dabei vom Nachfrager ausgeht, so dass im Rahmen des Building Blocks „Designing Customer Interaction“ beispielsweise keine Spammails, verstanden als der Versand von unerwünschten und nicht angeforderten Informationen, oder andere vom Nachfrager nicht erwünschte Nachrichten, enthalten sind. Die Massnahmen, die im neuen Ansatz zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien zum Einsatz kommen, unterteilen sich dabei in die Inhalte der Kommunikation, in das Kommunikationsverfahren und in die angebotenen Kommunikationskanäle. Die angebotenen Kommunikationskanäle bilden die Basis des Building Blocks „Designing Customer Interaction“ und betrachten technische Aspekte, d.h. welche Möglichkeiten der Verteilung der Informationen und der Gestaltung der Kommunikationskanäle existieren. Diese Massnahmen beziehen sich daher auf die Frage „Wo“, d.h., auf welchen Kanälen die Kommunikation stattfinden soll. Ziel dabei ist, den Kunden die Kanäle ihrer Wahl anzubieten und auf dem jeweiligen Kanal, den der Kunde wünscht, zu kommunizieren. Die Verfahren der Kommunikation richten sich nach den Bedürfnissen der Kunden und beantworten die Frage, „Wie“ die angebotenen Inhalte, ob im Push- oder im Pull-Verfahren, abgefragt werden sollen. Die angebotenen Inhalte der Kommunikation adressieren den subjektiven Informationsdeckungsgrad der Kunden (Grebe, 1997) und haben zum Ziel, einen überragenden Mehrwert für die Kunden zu generieren. Insofern wird bei diesen Massnahmen die Frage „Was“ kommuniziert werden soll, beantwortet. Die Fragen nach dem „Wer“ und „Wann“ erübrigen sich, da durch die Ubiquität in den neuen Medien das „Wann“ obsolet wird und durch die Tatsache, dass die Nachfrager autark entscheiden, welche Angebote sie nutzen, kann das „Wer“ nur schwer von den Anbietern bestimmt werden. 171 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Folgende Abbildung zeigt die unterschiedlichen Kategorien der Massnahmen des Building Blocks „Designing Customer Interaction“ und setzt sie mit den jeweiligen Fragestellungen und den entsprechenden Zielen in einen Zusammenhang. Was soll kommuniziert werden ? Kommunikationsinhalte Den Kunden überragenden Mehrwert bieten Wie soll kommuniziert werden ? Kommunikationsverfahren Auf Kundenbedürfnisse abgestimmtes Verfahren Push Wo soll kommuniziert werden ? Pull Kommunikationskanäle Angebotener Kanal gemäss Kundenwunsch Abbildung 4-6: Relevante Fragen, abgeleitete Massnahmen und die entsprechenden Resultate des Building Blocks „Designing Customer Interaction“ Durch die vorhandenen Abhängigkeiten dieser Kategorien untereinander ergeben sich Überschneidungen, so dass diese Einteilung als Strukturierungshilfe zu verstehen ist. Beispielsweise verändern sich teilweise mit den Verfahren der Kommunikation auch die Inhalte der Kommunikation, so dass bei der Beschreibung der Push- und PullMechanismen ebenso die damit verbundenen Informationsangebote besprochen we rden. Im weiteren Verlauf dieses Abschnittes werden die verschiedenen Kategorien und ihre Abhängigkeiten untereinander besprochen. 4.5.1.1 Gestaltung der Kommunikationsinhalte Bei der Gestaltung der Inhalte der Kommunikation bietet sich prinzipiell die Möglichkeit über individualisierte Informationen einen Mehrwert für die Kunden zu schaffen. Durch das Angebot qualitativ wertvoller Informationen werden die Kunden an das Unternehmen gebunden, da sie ihr Informationsbedürfnis bei diesem Anbieter am besten befriedigen können und gegebenenfalls auch bestehende Unsicherheiten bei der Kaufentscheidung oder subjektiv empfundene Nachkaufdissonanzen reduziert werden können. Individuell gestaltete Kommunikationsinhalte leisten infolgedessen einen vertrauens- und zufriedenheitsfördernden Beitrag. Grundsätzliche Hinweise zur Gestaltung der Kommunikationsinhalte finden sich beispielsweise unter www.schneidertext.de/Sieben_Ideen.html. Der Profitexter Gerhard Schneider hat sieben Tipps zusammengestellt, die aus seiner langjährigen Praxiserfahrung im Zusammenhang mit Kundenzeitschriften und Newslettern stammen. Im folgenden eine Zusammenfassung seiner Anregungen: 172 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ?? „Loben Sie nicht sich selbst und Ihre Leistungen. Lassen Sie dies Ihre Kunden tun. In Form von Erfolgsstorys und Anwendungsbeispielen. Der Leser kann sich dadurch leichter mit der Geschichte identifizieren und lernt von erfolgreichen Menschen. ?? Liefern Sie konkrete Tipps und Tricks. Zum Beispiel in Form einer Checkliste, wie der Leser die Erkenntnisse der Erfolgsstory auf seine eigene Situation ummünzen kann. ?? Bieten Sie Gratisleistungen für die Leser an. Ihre Abonnenten werden begierig die neueste Ausgabe Ihres Newsletters lesen, wenn sie wissen, dass dort regelmässig nützliche kostenlose Dinge warten. ?? Liefern Sie Fakten, Fakten, Fakten. Dies sind keine nullachtfünfzehn Nachrichten aus Ihrem Unternehmen. Sondern Neuigkeiten, Nachrichten und auch Klatsch aus Ihrer Branche. Wie kommen Sie an die Infos? Werten Sie regelmässig die Fachpresse und sonstige Publikationen - die Sie sowieso lesen - danach aus. ?? Offerieren Sie andere hilfreiche Infoquellen. Dies können interessante InternetAngebote, Adressen von spezialisierten Dienstleistern oder zum Beispiel Hinweise auf Infobroschüren von Banken oder aus staatlicher Hand sein. ?? Veröffentlichen Sie Gastbeiträge von prominenten Autoren. Es ist gar nicht so schwierig, deren Mitarbeit zu gewinnen. Eine Hand wäscht dabei die andere. Der Prominente erhöht durch die Veröffentlichung seinen Bekanntheitsgrad und Sie geniessen die erhöhte Aufmerksamkeit Ihrer Publikation. ?? Weisen Sie auf wertvolle Bücher und Seminare hin. Ergänzen Sie Buchempfehlungen durch eine kurze Kommentierung. Ebenso verfahren Sie mit Seminaren, von deren Preis-Leistungs-Verhältnis Sie überzeugt sind.“ Weitere Beispiele zur Gestaltung der Inhalte der Kommunikation werden bei den Ve rfahren der Kommunikation vorgestellt, da die angebotenen Informationen teilweise abhängig von der Art und Weise der Informationsübermittlung sind. 4.5.1.2 Gestaltung der Kommunikationsverfahren Im wesentlichen gibt es im Rahmen der Kommunikationsverfahren zwei unterschiedliche Arten, wie diese Informationen von Seiten der Anbieter bereitgestellt werden können, zum einen über Push- und zum andern über Pull-Mechanismen (vgl. (Riedl, 1998)). Die jeweiligen Verfahren bedingen dabei auch unterschiedliche Inhalte der Kommunikation, die ebenso in Ergänzung zu 4.5.1.1 erläutert werden. Die Verbindung zwischen den Inhalten und den entsprechenden Verfahren der Kommunikation wird am Ende dieses Abschnittes in Form einer Tabelle mit relevanten Beispielen zusam- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 173 menfassend dargestellt. Zunächst werden allerdings die verschiedenen Verfahren beschrieben. Bei Push-Mechanismen wird die vom Nachfrager geforderte Information von der Unternehmung z.B. per E-Mail an den Nachfrager gesendet, d.h. die Information wird vom Anbieter in Richtung Nachfrager geschickt. Das entscheidende Charakteristikum der Push-Technologie ist folglich der automatische Nachrichten- bzw. Informationsversand mit teilweise individuellem Inhalt in meistens festgelegten Intervallen bzw. bei besonderen Anlässen gemäss der vorher durch den Nutzer festgelegten Ereignissen. Die Push-Technologie richtet sich somit an eine Zielgruppe, die zu bestimmten Themen in regelmässigen Abständen Informationen zugeschickt bekommen will (Horstmann & Timm, 1998). Wesentliche Voraussetzung für den Versand der Informationen ist die Kenntnis der Informationsbedürfnisse des Nachfragers, um die entsprechenden Wünsche erfüllen zu können. Prinzipiell ergeben sich wiederum zwei verschiedene Wege, um diese Bedürfnisse identifizieren zu können. Entweder der Nachfrager bekundet vorher sein spezifisches Interesse und gibt die Erlaubnis zur Sendung von Informationen. In diesem Zusammenhang wird häufig von dem sogenannten Permission Marketing gesprochen (Godin, 1999), da der Wunsch nach Informationen von den Kunden ausgeht und durch die Erlaubnis somit auch der Empfang der Informationen erwünscht ist. Die Kunden geben in diesem Fall ihre Wünsche nach Informationen wissentlich und direkt an den Anbieter. Eine zweite Möglichkeit, um die von den Nachfragern als relevant erachteten Information identifizieren zu können, besteht in der Analyse des Verhaltens der Nutzer und der Ableitung entsprechender Informationsbedürfnisse. Als ein Beispiel dieser Art kann das Collaborative Filtering genannt werden. Diese Massnahmen, sowohl die direkte als auch die indirekte Erhebung der Informationsbedürfnisse sind im Building Block „Customer Profiling“ unter 4.5.3 beschrieben, insofern zeigt sich auch an dieser Stelle die enge Abhängigkeit der einzelnen Massnahmenblöcke und die Notwendigkeit der horizontalen Integration. Ergebnis dieser Massnahmen ist ein individuelles Nutzerprofil, so dass es aus Sicht der Anbieter möglich ist, auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittene und von ihm auch als wertvoll empfundene Informationen zu verschicken. Dieses spezielle Angebot an Informationen gibt dem Rezipienten das Gefühl, exklusive Nachrichten und Angebote zu erhalten. Damit wird dem Wunsch der Nachfrager Rechnung getragen, als Individuen behandelt und nach persönlichem Bedarf informiert zu werden (Stolpmann, 2000) (S.96). 174 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Es sind zur Zeit eine Vielzahl von verschiedenen Ausprägungen sowohl bei den Pushals auch bei den Pull-Mechanismen zu erkennen. Wesentliche Parameter sind dabei der Grad der Individualisierung der Informationen, der Umfang und die Aktualität sowie die Intention und der jeweilige Inhalt der gesendeten Informationen, wie die folgende Graphik ve rdeutlicht. Kommunikationsverfahren PushVerfahren Grad der Individualisierung PullVerfahren Umfang und Aktualität Verfolgte Intention Abbildung 4-7: Parameter bei der Ausgestaltung der unterschiedlichen Kommunikationsverfahren Im folgenden werden zunächst die Ausprägungen dieser Parameter für das PushVerfahren besprochen. ?? Grad der Individualisierung Die Differenzierungsmöglichkeiten des Individualisierungsgrades reichen von einer Versendung von Standardinformationen, wie sie beispielsweise bei dem elektronischen Newsletter vom Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ (www.spiegel.de/dertag) angeboten wird, über die persönliche Ansprache mit standardisierten Informationen bis zur inhaltlichen Individualisierung der angebotenen Nachrichten. Eine Besonderheit bei dem angebotenen Service des „Spiegel“ besteht in der Wahlmöglichkeit für die Nutzer des Newsletters, wann die Nachrichten geschickt werden sollen. Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit bei der Gestaltung der verschickten Informationen besteht in der persönlichen Ansprache. So werden beispielsweise die Kunden bei dem von der Peppers and Rogers Group (www.1to1.com) verschickten Newsletter zwar namentlich angesprochen, allerdings fehlt die Möglichkeit, die angebotenen Informationen auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen. Hingegen besteht zwar bei dem Last-Minute-Newsletter von L’Tur (www.ltur.de) insofern die Möglichkeit zur Individualisierung, als dass die Kunden die bevorzugte Abflugregion wählen können, allerdings werden sie in diesem Fall nicht namentlich angesprochen. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 175 ?? Umfang und Aktualität Neben dem Grad der Individualisierung der Informationen stellen der Umfang und die Aktualität der verschickten Informationen eine weitere Kategorie zur Einteilung der verschiedenen Kommunikationsverfahren und den entsprechenden Inhalten dar. Häufig sind beispielsweise in elektronischen Newslettern nur Links auf den kompletten Artikel enthalten, so dass die Nutzer über einen Webbrowser auf das Angebot zugreifen müssen. Dies bedeutet für die Rezipienten einen Nachteil, da dies einen zusätzlichen Aufwand verursacht. Für die Anbieter beinhaltet es hingegen die Chance, das Nutzerverhalten auf der Webpage, auf der der vollständige Artikel gezeigt wird, zu analysieren, um darauf aufbaue nd weitergehende Angebote machen zu können. So bietet beispielsweise der amerikanische Anbieter Channelseven (www.channelseven.com), der sich selbst als umfangreiche Informationsquelle für Internet-Marketing und Werbetreibende in den neuen Medien bezeichnet, einen elektronische Newsletter in Form eines E-Mails, das ausser einem Link keine weiteren Informationen enthält. Das Informationsangebot vom CRM-Forum (www.crmforum.com) hingegen beschreitet einen komplett anderen Weg, da in diesem Fall alle Informationen in der verschickten Mail enthalten sind, so dass der Nutzer nicht erst über einen Link zu den relevanten Information gelangen muss. Insofern unterscheidet sich der Umfang der angebotenen Informationen im Rahmen dieser Push-Möglichkeit. Ebenso ergibt sich eine Unterscheidung in den zeitlichen Perioden, in denen Nachrichten verschickt werden. Insbesondere für den Finanzdienstleistungssektor, in dem die Aktualität der Informationen eine wesentliche Rolle spielt, erscheint es sinnvoll, aktuell und anlassbezogen zu berichten. Beispielsweise könnten aktuelle Nachrichten von Unternehmen, dessen Aktien sich im Portfolio des Kunden befinden, im Sinne eines Push-Mechanismus zeitnah und somit aperiodisch an den Kunden weitergeleitet we rden, da diese Informationen in einem wöchentlichen Newsletter schon längst ve raltet wären. Beispielhaft kann hier das für Nachfrager kostenlose Angebot der Financial AG (www.financial.de) genannt werden, bei dem die Nachfrager nach einer Registrierung auswählen können, zu welchen verschiedenen Themenbereichen sie aktuelle Informationen per Mail zugeschickt bekommen wollen. Die angebotenen Bereiche beziehen sich dabei hauptsächlich auf Finanzdaten und reichen von spezifischen Unternehmensdaten bis hin zu eher allgemeinen Nachrichten, beispielsweise zur Entwicklung des Dax. Es zeigt sich also auch hier, dass die Aktualität der Informationen einen Mehrwert für die Kunden bedeuten und somit ebenso zur Gestaltung der Kundenbeziehung beitragen kann. 176 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ?? Verfolgte Intention Der dritte Parameter zur Beschreibung der Gestaltung des Kommunikationsverfahrens und der entsprechenden Inhalte im Rahmen des Push-Mechanismus ist die Intention der Information, d.h. welchem Zweck die versendeten Informationen dienen sollen. Informationen, die von einem Anbieter an interessierte Nachfrager verschickt werden, sollen verschiedene Bedürfnisse erfüllen. Neben der schon angesprochenen Versendung von aktuellen Nachrichten, kann auch des weiteren ein Erinnerungsservice Bestandteil der Kommunikationsinhalte sein. Bei Informationen dieser Art erscheint eine Verteilung der Informationen gemäss Push-Mechanismus sehr sinnvoll, so dass sich auch hier wieder die Verknüpfung zwischen den Inhalten der Kommunikation und dem adäquaten Kommunikationsverfahren zeigt. Beispielswe ise ist es bei dem Blumenhändler Fleurop (www.fleurop.de) möglich, wichtige Termine in einen Kalender einzutragen und dann je nach eigener Wahl eine gewisse Zeit vorher per E-Mail an diesen Anlass erinnert zu werden. Für die Anbieter ergibt sich daraus die Möglichkeit, ein zu dem Anlass passendes Geschenk vorzuschlagen, so dass z.B. bei Fleurop ein Blumengruss geschickt wird. In unten stehender Abbildung ist die Eingabemaske für die persönlichen Termine, an die der Kunde erinnert werden möchte, gezeigt. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 177 Abbildung 4-8: Eingabemaske für „Persönliche Blumengruss-Termine“35 Es handelt sich somit um einen exklusiven Informationsdienst, der sowohl für die Nachfrager als auch für die Anbieter Vorteile beinhaltet. Neben anderen Anbietern bietet beispielsweise der Süsswarenhersteller Milka (www.milka.de) einen vergleichbaren Erinnerungsservice an, allerdings mit dem Unterschied, dass dann anstatt Blumengrüsse „süsse“ Grüsse verschickt werden können. Grundsätzlich ist die Idee allerdings identisch, denn es geht im Endeffekt darum, den Kunden einen Extraservice im Rahmen der Kommunikationsinhalte und den damit verbundenen Kommunikationsverfahren zu bieten, um somit einen positiven Beitrag zur Gestaltung der Kundenbeziehung zu leisten. Im Gegensatz zu den Push-Mechanismen werden bei den Pull-Mechanismen, als zwe ite Möglichkeit der Kommunikationsverfahren, zwar auch die gewünschten Informationen bereitgestellt, allerdings muss sich der Kunde die spezifischen Informationen selbst „abholen”. Im Sinne der neuen Medien ist die Pull-Technologie bekannt als das klassische „Surfen“ im WWW. Der Nutzer tritt hierbei über seinen Browser mit dem WWW-Server des Anbieters in Kontakt, um beispielsweise dessen HTML-Seiten darstellen zu können (Horstmann & Timm, 1998). Der Vorteil dieser Art der Gestaltung 35 Quelle: www.fleurop.de 178 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien des Kommunikationsverfahrens besteht in der Möglichkeit, die gewünschten Informationen zu einem beliebigen Zeitpunkt abzufragen. Ebenso kann der Kunde womöglich genauer nach seinen spezifischen Interessen suchen. Auf der anderen Seite hat dieser Mechanismus den Nachteil, dass der Kunde regelmässig das Informationsangebot anschauen muss, damit er keine für ihn wertvolle Information verpasst. Des weiteren führt das ständig steigende Angebot von Informationen im Web zu einer gewissen Unübersichtlichkeit, so dass die Nachfrager teilweise Schwierigkeiten haben, die gesuchten Informationen aus der Vielzahl der Angebote herauszufinden. Auch die mit Hilfe der Pull-Mechanismen von Seiten der Anbieter angebotenen Informationen können in Analogie zu den Push-Mechanismen in die gleichen Kategorien, d.h. Grad der Individualisierung, Aktualität und Umfang der Informationen und Intention, eingeteilt werden. Durch die Nutzung der gleichen Kategorien ergibt sich somit eine Vergleichsmöglichkeit zwischen den beiden Kommunikationsverfahren und den damit verbundenen Möglichkeiten der Gestaltung der Kommunikationsinhalte. ?? Grad der Individualisierung Der Grad der Individualisierung unterscheidet sich bei den verschiedenen PullMechanismen nur marginal voneinander, ähnlich wie bei den Push-Mechanismen ergeben sich Unterschiede insofern, als dass teilweise die Angebote mit dem Namen der Nutzer verknüpft werden. Basis der angebotenen Informationen im Sinne des PullMechanismus ist beispielsweise eine Standard Homepage, auf der sich zwar eine Vielzahl von Informationen befinden können, allerdings ergeben sich keinerlei Möglichkeiten zur Individualisierung. Ein Beispiel für ein solches Informationsangebot stellt die Homepage der Stadt St. Gallen dar, die unter www.stgallen.ch begutachtet werden kann. Einen höheren Grad der Individualisierung weisen online-Angebote, wie beispielswe ise die Seite der Deutsche Bank AG (www.deutschebank.de) auf. Neben der Deutschen Bank gehen mittlerweile viele Unternehmungen dazu über, ihre Webpräsenz gemäss der unterschiedlichen Zielgruppen, wie beispielsweise Investoren, Kunden, Partnern etc., zu gestalten, um zielgruppengerechtere Informationen anbieten zu können. Die Startseite bietet für die unterschiedlichen Zielgruppen den jeweils passenden Einstieg, so dass die Informationssuchenden schnell die gewünschten Informationen bekommen. Der höchste Grad der Individualisierung im Rahmen der Pull-Mechanismen und den damit verbundenen Kommunikationsinhalten ergibt sich für die Nutzer durch die Möglichkeit, die angebotenen Informationen nach ihren Wünschen zusammenzustellen, um auf diese Art und Weise eine eigene, individuelle Informationsquelle zu erhalten. Als Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 179 Beispiel können hier die individualisierten Homepages (MyYahoo etc.) genannt we rden, die in folgender Abbildung gezeigt wird. Abbildung 4-9: Individualisierte Homepage als Beispiel für die Verteilung von Kommunikationsinhalten mit Hilfe des Pull-Mechanismus36 Dieses Beispiel veranschaulicht die verschiedenen Möglichkeiten der Individualisierung. So können die Nutzer zwischen verschiedenen inhaltlichen Bereichen, wie Politik, Wirtschaft, Sport etc., die für sie relevanten Themen aussuchen. Der Vorteil für die Nutzer besteht darin, dass sie auf einen Blick die in ihren Augen relevanten Nachrichten bekommen. Hier zeigt sich wieder eine interessante Verbindung zu dem unter 3.3 vorgestellten Konsumententrend nach dem Wunsch nach Zeitersparnis. Durch die individuelle Gestaltung der Inhalte ist es für die Nutzer nun möglich geworden, sehr schnell die gesuchten Informationen zu erhalten und somit Zeit für eine aufwendige Suche nach den gewünschten Informationen zu sparen. 36 Quelle: www.de.my.yahoo.com 180 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ?? Aktualität und Umfang Die Aktualität und der Umfang der angebotenen Informationen im Sinne des PullVerfahrens kann an Hand eines Newstickers verdeutlicht werden. Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) bietet auf seiner Webpage die Möglichkeit einen Newsticker herunterzuladen und für eigene Bedürfnisse, z.B. als Newsticker auf der eigenen Webpage, zu nutzen. Der ZDF.MSNBC Newsticker “holt” sich dabei die aktuellen Nachrichten aus dem Internetangebot der ZDF.MSNBC-Redaktion. Der Vorteil dieses Ve rfahrens, auch insbesondere gegenüber periodischen Newslettern, liegt in der sehr aktuellen Berichterstattung. Allerdings besteht nicht die Möglichkeit, die Informationen dieses Newstickers zu filtern, so dass nur bestimmte Nachrichten aus ausgewählten Themenbereichen gezeigt werden, insofern existieren bei dem gezeigten Beispiel keine Individualisierungsmöglichkeiten. Als weitere Möglichkeit, den Umfang im Rahmen des Pull-Verfahrens zu beschreiben, kann das Angebot von Suchfunktionen genannt werden. Durch dieses Angebot wird es für die Nachfrager erleichtert, die gesuchten Informationen auf den Webpages des Anbieters zu finden. Dies gilt dabei sowohl für kommerzielle als auch für nichtkommerzielle Anbieter von Informationen. So bietet beispielsweise die nichtkommerzielle Wissenschaftsplattform NetAcademy on Business Media (www.businessmedia.org) vielfältige Suchmöglichkeiten, um die gewünschten Informationen schnell zu finden. ?? Intention der Information Bezogen auf den Aspekt der Intention ergeben sich im Rahmen der Pull-Mechanismen eine Reihe von verschiedenen Möglichkeiten. Ebenso wie bei den Push-Verfahren ergeben sich auch für die Pull-Verfahren Möglichkeiten, individuelle Empfehlungen für die Nachfrager bereitzustellen. Unter Mybol.de (www.bol.de) können beispielsweise die Nutzer ihre jeweiligen Präferenzen angeben und erhalten dann beim nächsten Besuch der Webpage des Anbieters individuelle Angebote. Diese Angebote basieren dabei auf dem jeweiligen Käuferverhalten der Vergangenheit, was zu irritierenden Angeboten führen kann, was unter 4.5.3.4 bei der Beschreibung von Nutzerprofilen behandelt wird. Nichtsdestotrotz beinhalten diese Vorschläge teilweise auch wertvolle Informationen, so dass den Kunden ein Mehrwert geboten werden kann und Anbieter mögliche Cross- oder Up-Selling-Potentiale ausnutzen können. Bei den Möglichkeiten zur Gestaltung der Kommunikationsverfahren und der entsprechenden Inhalte zeigt sich des weiteren auch eine Verbindung zu den unter 3.3 beschriebenen Veränderungen des Konsumentenverhaltens. So kann beispielsweise dem vorgestellten Trend zum Infotainment durch das Angebot von online-Spielen Rech- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 181 nung getragen werden. Für die Anbieter entsteht dadurch die Möglichkeit, ihre Produkte auf „spielerische“ Art den Nachfragern näher zu bringen. Insofern werden die Nachfrager zum einen über die angebotenen Produkte informiert und zum anderen werden sie auch unterhalten. Ein Beispiel für die Verknüpfung von Information und Unterhaltung bietet der amerikanische Süsswarenproduzent Nabisco mit dem Angebot des sogenannten Candystand (www.candystand.com). Im Rahmen dieses Angebotes werden verschiedene Spiele, die jeweils die verschiedenen Produkte von Nabisco mit einbeziehen, angeboten. Die Palette der Spiele reicht von Golf bis zu Abenteuerspielen, so dass für fast jeden Geschmack etwas dabei sein dürfte. Mit Hilfe dieser Verbindung zwischen Spiel und Information kann es ebenso gelingen, eine positive Beziehung zwischen den Produkten und den Nachfragern aufzubauen. Folgende Abbildung zeigt den Candystand des Anbieters Nabisco. Abbildung 4-10: Der Candystand als ein Beispiel für ein Infotainment-Angebot37 Abschliessend fasst folgende Tabelle die verschiedenen Ansatzpunkte zur Verbesserung von Kommunikationsinhalten und den jeweiligen Möglichkeiten der Verteilung zusammen und illustriert die Einteilung anhand von Beispielen. 182 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Kommunikationsverfahren Kategorien Grad der Individualisierung der Informationen Push-Verfahren (am Beispiel Newsletter) Pull-Verfahren (am Beispiel Homepage) ?? Standard Newsletter (www.spiegel.de) ?? Standard Homepage (www.stgallen.ch) ?? Personalisierter Newsletter (www.1to1.com) ?? Zielgruppengerechte Homepage (www.deutschebank.de) ?? Individualisierter Newsletter (www.ltur.de) ?? Individualisierte Homepage (www.myyahoo.com) Aktualität und Funktio- ?? Periodischer Newsletter nalität der Informationen (www.wiwo.de) ?? Aperiodischer, topaktueller Newsletter (www.financial.de) ?? Newsticker (www.zdf.msnbc.de) ?? Angebot von Suchfunktionen (www.businessmedia.org) ?? Newsletter enthält nur ?? Modularisierte InformatiLinks onsangebote (www.channelseven.com) (www.mygalileo.de.) Intention der Informationen ?? Informationen zu individuellen Angeboten (www.nrs.ch) ?? Informationen zu individuellen Angeboten (www.mybol.com) ?? Reminder-Service (www.fleurop.de) ?? Infotainment (www.candystand.com) Tabelle 4-10: Kategorien und Beispiele zur Gestaltung der Kommunikationsinhalte und -verfahren 37 Quelle: www.candystand.com 183 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Generell bleibt festzuhalten, dass die bereitgestellten Informationen auf einem qualitativ hochwertigen Niveau sein müssen, um die Informationsbedürfnisse befriedigen zu können. Nur wenn der subjektiv empfundene Deckungsgrad zwischen den Informationsbedürfnissen und den durch die Unternehmung angebotenen Informationen hoch ist, kann über die Gestaltung der Kommunikation das Ziel der Kundenbindung erreicht werden. Durch die Möglichkeit, die Informationen auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden masszuschneidern, kann die Qualität der Kommunikationsinhalte enorm gesteigert werden (Harding, 1998). 4.5.1.3 Gestaltung der Kommunikationskanäle Neben den Inhalten der Kommunikation ist auch die Gestaltung der Kommunikationskanäle, auf denen gemäss der Medientheorie die Informationen zwischen unabhängigen Agenten ausgetauscht werden sollen, von entscheidender Bedeutung. Das Angebot der Kommunikationskanäle, verstanden als Techniken der Informationsübermittlung, zum Beispiel Brief, Telefon, Fax, E-Mail etc., sollte auf alle Fälle auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt sein. Ziel muss es folglich sein, für die Nachfrager die Kontaktaufnahme so einfach wie möglich zu gestalten, um durch die Kommunikation einen Beitrag zur Gestaltung der Kundenbeziehung zu liefern. Insbesondere in den neuen Medien ergeben sich eine Vielzahl von Optionen, verschiedene Kanäle zur Kommunikation zwischen den Anbietern und Nachfragern zu gestalten. Folgende Abbildung stellt die möglichen Kommunikationskanäle, die zwischen den Anbietern und Nachfragern realisiert we rden können, dar. Nachfrager E-Mail Chat OnlineMedien Telefonie InterVideoactive TV conferencing Klassische Medien Fax / Brief ServiceAutomaten Face-toFace Anbieter Abbildung 4-11: Grundsätzlich mögliche Kanäle zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Nachfragern und Anbietern 184 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Die schon lange im Einsatz stehenden Kommunikationsinstrumente, wie die klassischen Medien (z.B. Radio, analoges Fernsehen, Print, Plakat etc.), Fax/Brief, Serviceautomaten und Face-to-Face-Kommunikation sind hier übersichtshalber erwähnt, we rden jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht näher erläutert. Im folgenden wird allerdings jeweils kurz auf die verschiedenen anderen Kanäle eingegangen, um einen groben Überblick über die verschiedenen neuen Möglichkeiten zu erhalten. 4.5.1.3.1 E-Mail Electronic Mail, abgekürzt E-Mail, bildet die Funktionen der physischen Post in Rechnernetzen nach und ermöglicht so den „papierlosen“ Austausch der verschiedensten Nachrichtenarten (Hansen, 1997) (S.326). Die Versendung elektronischer Post kann mittlerweile, neben dem WWW, als wichtigster Dienst des Internet angesehen werden (Fritz, 1999) (S.6). Laut einer Studie von Forrester Research werden 2004 weltweit mehr als 200 Milliarden E-Mails von Unternehmen versendet, um Fragen zu beantworten, Kunden zu gewinnen oder zu binden (Hein-Behrens, 2000). Einige Autoren (vgl. (Handley, 2000); (Kruse, 2000)) sehen demzufolge in der Nutzung von E-Mails eine neue interessante Form des Marketing, so dass sie von E-Mail-Marketing und dem entsprechenden E-Mail-Management sprechen. Wie schon bei der Vorstellung der Push-Verfahren gezeigt, bietet die Versendung von Informationen in Form eines EMails in der Tat eine Reihe von Vorteilen für die Anbieter. Auf der anderen Seite erleichtern sie auch den Nachfragern die schnelle und direkte Kontaktaufnahme zu den Anbietern, da eine E-Mail weniger aufwendig als beispielsweise das Verfassen eines Briefes ist und eine Anfrage per E-Mail zu jeder Tageszeit, unabhängig von der telefonischen Erreichbarkeit des Anbieters oder den Ladenöffnungszeiten, geschrieben we rden kann. Allerdings handelt es sich bei der Kommunikation via E-Mail um eine asynchrone Kommunikation, so dass der Nachfrager nur mit einer gewissen Zeitverzögerung die gewünschte Antwort bekommt. Für die Anbieter ergibt sich daraus die Herausforderung, die eingehenden E-Mails schnell und kompetent zu beantworten, um so einen positiven Beitrag zur Gestaltung der Kundenbeziehung zu leisten. Allerdings zeigt die Praxis häufig ein anderes Bild. So ergab eine von der Zeitschrift Net Business durchgeführte Studie, dass bei 60 deutschen, börsennotierten Unternehmen, die befragt worden sind, 29% der E-Mails auch nach vier Tagen noch nicht einmal in Kurzform beantwortet waren. Jeweils 14% der E-Mails wurden innerhalb eines Arbeitstages oder nach mehr als zwei Tagen beantwortet und nur 43% wurden innerhalb eines Arbeitstages beantwortet. Prinzipiell ist davon auszugehen, dass der zur Zeit noch eher geringe Kommunikationsanteil von E-Mails in Zukunft vermehrt an Bedeutung gewinnen wird, so dass auch Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 185 das Management von E-Mails eine zunehmend wichtige Rolle bei der Gestaltung der Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern einnehmen wird (Kruse, 2000). 4.5.1.3.2 Chat Ein weiterer Kommunikationskanal, bei dem von einer steigenden Bedeutung für die Zukunft ausgegangen werden kann, ist der Chat. Im Gegensatz zu den E-MailDiensten erlaubt der Internet Relay Chat (IRC) allerdings eine zeitgleiche Kommunikation zwischen Internet-Nutzern in sogenannten Chatrooms (Fritz, 1999) (S.4). Grundsätzlich kann die Kommunikation in einem Chat aber auch asynchron sein, wie z. B. bei einer „elektronischen Pinnwand“, auf welcher die Teilnehmer ihre Informationen plazieren und abrufen können. Eine weitere Besonderheit ergibt sich durch den multilateralen Charakter, da im Chat typischerweise nicht nur zwei Personen, wie es beim E-Mail-Kontakt oder einem Telefongespräch üblich ist, sondern eine Vielzahl von Personen miteinander in Kontakt treten können (Filinski, 1998). Chats bieten, wie der englische Ausdruck Chat (= „ungezwungene Konversation mit Freizeitcharakter“) zeigt, Möglichkeiten zur lockeren und unterhaltsamen Kommunikation, ohne dass ein bestimmte Intention verfolgt werden muss. Nichtsdestotrotz können verschiedene Zielsetzungen eines Chats erkannt werden, die einige grundsätzliche Entscheidungen verlangen. So ergibt sich die Frage nach der Erlaubnis des Zugangs zu den Chatrooms. Zu unterscheiden ist zwischen einer komplett offenen und einer beschränkten Zutrittsmöglichkeit, wobei letztere entsprechende Zugangskontrollen notwendig macht. Für die Anbieter des Chatrooms bieten die Kontrollen eine Möglichkeit Daten der Kunden zu erfassen und für marketingtechnische Zwecke zu nutzen. Auf der anderen Seite bedeuten diese Kontrollen für die Nutzer eine Verminderung der Anonymität. Eine zweite konzeptionelle Entscheidung bei der Gestaltung eines Chats stellt die zeitliche Öffnung dar, d.h. soll der Chat permanent oder zeitlich beschränkt zugänglich sein. Des weiteren gilt es die Frage zu beantwo rten, ob der Chat moderiert werden soll und wenn ja, welches Ausmass die Moderation haben soll, d.h. werden die Beiträge in einem gewissen Masse zensiert oder nicht. Ebenso ist die thematische Eingrenzung ein Punkt, der geklärt werden muss, um den Teilnehmern durch eine inhaltliche Fokussierung einen Mehrwert zu bieten (Diller & Negelmann 1998). Die Beteiligung an und die aktive Nutzung der jeweiligen Chats ist eine der wesentlichen Erfolgsfaktoren für dieses Kommunikationsinstrument. Ein Chat ohne Teilnehmer oder ohne entsprechenden Informationsaustausch wirkt auf die meisten InternetNutzer abschreckend. Daher müssen die Betreiber von Chats versuchen, durch aktivierende Begleitstimuli das Interesse der potentiellen Chat-Teilnehmer zu wecken. 186 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Es kann festgehalten werden, dass online-Chats ein durchaus effektives Instrument für die Gestaltung der Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern sind, da sie dem Wunsch nach Interaktion Rechnung tragen und auch durch den Informationsaustausch zwischen Nachfragern eine vertrauenssteigendere Wirkung besitzen. 4.5.1.3.3 Online-Medien Als online-Medien werden normalerweise das Internet bzw. der multimediale Dienst World Wide Web (WWW) sowie die kommerziellen online-Dienste (z.B. AOL, TOnline) verstanden (Riedl, 1999) (S.263). Die Unterschiede zwischen den geschlossenen, zentral verwalteten und properietären Netzwerken der online-Dienste und den offenen, dezentralen Strukturen des WWW sind prinzipiell auch für die Entscheidung über deren Einsatz von Bedeutung, allerdings werden diese beiden Kommunikationsdienste hier zusammen betrachtet, da deren Gemeinsamkeiten, insbesondere in Abgrenzung zu den klassischen Kommunikationsmedien wie Radio, Fernsehen, Print, Plakat etc. überwiegen. Das World Wide Web als der multimediale Dienst des Internet kann neben der Versendung von E-Mails und dem Chat als wichtigster Dienst des Internet angesehen werden (Fritz, 1999). Insbesondere das WWW bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, Interessenten mit Informationen zu versorgen und einen schnellen und direkten Informationsaustausch zwischen Anbietern und Nachfragern zu gewährleisten. Da die Besonderheiten des WWW schon an verschiedenen anderen Stellen der Arbeit herausgearbeitet worden sind, wird dieser Aspekt nicht weiter vertieft. An dieser Stelle soll vielmehr auf eine interessante Entwicklung, die IP-Telefonie, hingewiesen werden. Bei der IP-Telefonie, verstanden als Sprachtelefonie über IPbasierte Netze, wird das Internet-Protocoll (IP) zur Übermittlung von Sprachdaten genutzt. Die IP-Telefonie, auch als Voice over IP bezeichnet, bietet insbesondere für Unternehmungen, die über einen festen Zugang zum Internet verfügen, enorme Kosteneinsparungspotentiale. Das IP-Telefon wandelt analoge Sprachdaten in das notwendige digitale Format um. Anschliessend werden die digitalen Daten in IP-Pakete verpackt und über ein lokales Netz an den Empfänger vermittelt. Nach dem Eingang der digitalisierten Sprachdaten in Form von IP Paketen beim Empfänger, übersetzt das Telefon beim Empfänger (auch als Computer möglich) die Informationen zurück in das analoge Format (o.V. 1998). Eine interessante Entwicklung stellen dabei die sogenannten „Call-me-Button“ dar, da sie die verschiedenen Kommunikationskanäle Web und Telefonie miteinander verbinden und so den gewünschten Dialog zwischen Anbieter und Nachfrager vereinfachen können. Die Anbindung des Internet an ein Call Center, in dem bisher ein Grossteil der Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 187 telefonischen Kommunikation abgewickelt wurde, bietet generell zwei Realisierungsmöglichkeiten. Zum einen können Interessenten per E-Mail direkt von der Webpage, zu der weitere Informationen gewünscht werden, ein Zeitfenster mitteilen, in dem sie per Telefon von dem Anbieter kontaktiert werden wollen. Ein Call Center Agent ruft dann den Interessenten zu der vorgeschlagenen Zeit zurück, um zusätzliche Informationen zu den Produkten oder Dienstleistungen zu geben und bei Bedarf anfallende Fragen zu klären (Keller & Lisi, 1999). Ein Problem besteht dabei darin, dass eine Vielzahl der Internet-Nutzer analoge Anschlüsse haben, so dass gleichzeitiges Surfen im Web und Telefonieren unmöglich ist. Infolgedessen ergibt sich als zweite Realisierungsmöglichkeit, via IP-Telefonie mit den Kunden in Kontakt zu treten, da sich somit das Problem der besetzten Leitung erübrigen würde. Wiederum ausgehend von der entsprechenden Webpage kann der Anwender ein Gespräch mit einem Agenten des Call Centers initiieren. Neben dem Vorteil, dass bei dieser Variante sowohl Telefonie als auch das Web über nur eine Leitung möglich sind, eröffnen sich mit dem WWW weiterführende Möglichkeiten. Bei einem Click auf den „Call-me-Button“ wird dann sofort via Voice over IP eine Leitung zu einem Call Center Agent aufgebaut und die vom Anwender betrachtete Webpage erscheint ebenso auf dem Bildschirm des Agenten, so dass beide gemeinsam durch das Angebot im WWW surfen und auftretende Frage sofort gelöst werden können (o.V., 1997). Bei in Zukunft zu erwartender standardmässiger Ausrüstung der Computer mit Headsets und Web-Cams ist es sogar denkbar, dass auch ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht möglich wird, so dass sich die Kommunikation in den neuen Medien immer stärker der Face-to-FaceKommunikation annähern wird. Durch technische Entwicklungen dieser Art bieten somit diese Kommunikationskanäle vielfältige Optionen, den Dialog zwischen Anbietern und Nachfragern zu intensivieren und so grundsätzlich einen positiven Beitrag zur Gestaltung der Kundenbeziehung zu leisten. 4.5.1.3.4 Telefonie Die in diesem Rahmen angebotenen Kommunikationskanäle können grob in die Festnetztelefonie und die Mobilfunktelefonie eingeteilt werden. Vorab ist zu erwähnen, dass bei den elektronischen Kommunikationskanälen gegenwärtig die Telefonie den Hauptanteil ausmacht (Rössel, 2001). Im folgenden wird auf den schon im vorherigen Abschnitt angesprochenen Begriff des Call Centers eingegangen. Anschliessend werden kurz Möglichkeiten im Rahmen der Mobiltelefonie besprochen. Die Call Center-Thematik erfreut sich in der Literatur einer immer grösseren Bedeutung (vgl. (Schuler & Henn, 1999); (Tescher, 2000); (Nippa, 1999)). Nach (Kruse, 1996) (S.15) sind Call Center „Organisationseinheiten, deren Aufgabe darin besteht, einen serviceorientierten und effizienten telefonischen Dialog mit Kunden und Interes- 188 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien senten durch Einsatz modernster IKT unter Wahrung von qualitativen und quantitativen Unternehmens- und Marketingzielen zu ermöglichen. Unter qualitativen Unternehmens- und Marketingzielen wird z.B. Kundenorientierung/Kundenzufriedenheit, unter quantitativen z.B. Kostensenkung, Marktanteilssteigerung oder Umsat zsteigerung verstanden.“ Call Center haben sich mittlerweile für viele Unternehmungen zur wichtigsten Schnittstelle zum Kunden entwickelt. Für die Kunden bedeutet die Einrichtung eines Call Centers, eine zentrale Telefonnummer zu haben, mit der jederzeit Kontakt zum Unternehmen aufgenommen werden kann und lästiges Hin- und Herverbinden zum richtigen Ansprechpartner wegfällt. Für die Anbieter wird das Call Center die Zentralstelle, an der alle direkten Kundenkontakte, häufig auch per Fax, E-Mail, Brief etc. zusammenlaufen. Der Zugriff der Call Center-Mitarbeiter auf alle entsprechenden Kundendaten ermöglicht eine schnelle und kostengünstige Erledigung aller Anfragen (Tescher, 2000). Aus dieser Entwicklung ergeben sich unterschiedliche Einsatzgebiete für Call Center. Im wesentlichen lassen sich drei verschiede Bereiche unterscheiden (Schmitt, 1999). Als erstes kann die Verbesserung der Erreichbarkeit für informationssuchende Interessenten genannt werden. Call Center kanalisieren den Informationsfluss und tragen dafür Sorge, dass Fragen von Anrufern schnell und kompetent beantwortet werden. Dabei ist in vielen Fällen die Kontaktaufnahme rund um die Uhr möglich, so dass der Beginn eines Dialoges zwischen Anbietern und Nachfragern enorm vereinfacht wird und nicht an zu engen Geschäftszeiten scheitern muss. Des weiteren bieten Call Center – als zweite Komponente – die Möglichkeit zum Aufbau von Services bzw. Dienstleistungen, die für die Kunden einen echten Mehrwert bieten und so das Angebot durch zusätzliche begleitende Services noch interessanter machen. Beispiele sind etwa die Support- bzw. Servicehotlines, die insgesamt die Servicequalität erhöhen. Insofern zeigt sich hier die Überschneidung zwischen den Inhalten der Kommunikation, den Kommunikationskanälen und dem angebotenen Mehrwert, der beim Building Block „Creating Added Value for the Customer“ beschrieben wird. Das dritte Einsatzgebiet bezieht sich auf den Marketing- bzw. Vertriebsgedanken, da sowohl die Unterstützung bestehender Distributionskanäle als auch – je nach Produkt und der jeweiligen Branche – deren vollständige Substitution möglich sind. Gemeint sind damit die sogenannten outbound-Aktivitäten eines Call Centers, d.h. die Initiierung ausgehender Anrufe zu Marketingzwecken, wohingegen die beiden ersten Aspek- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 189 te hauptsächlich inbound-Aktivitäten, d.h. die Beantwortung von eingehenden Anrufen, umfassen. Um die verschiedenen Aufgaben der jeweiligen Einsatzgebiete adäquat erfüllen zu können, ist es ebenso wichtig, die jeweiligen Prozesse in einem Call Center zu organisieren (Lehner, 2000). Insofern zeigt sich hier die Verbindung zu dem Building Block „Implementing Processes“, der unter 4.5.6 näher erläutert wird. Die Anfragen der Kunden gelangen über verschiedene Kommunikationswege, wie z.B. Telefon, Fax, Internet etc. zu den Kundenberatern. Zunächst gelangen diese Fragen zu einem Call Center Agent im sogenannten First Level Support, der versucht, eine befriedigende Antwort auf die Frage des Anrufes zu geben. Gelingt dem Mitarbeiter dies nicht, wird der Anrufer mit seiner Frage an den sogenannten Second Level Support weitergeleitet. In dieser Stufe stehen unternehmensinterne Spezialisten bereit, um eine Lösung zu finden. Sollte es auch diesen Spezialisten nicht gelingen, eine zufriedenstellende Antwort zu finden, wird im Rahmen des sogenannten Third Level Support die Hilfe von externen Spezialisten in Anspruch genommen. Es zeigt sich, dass verschiedene Eskalationsstufen bei der organisationalen Gestaltung eines Call Centers berücksichtigt we rden sollten, um – abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen – alle Anfragen der Interessenten optimal beantworten zu können. Um die steigende Informationsflut in den Griff zu bekommen, geht der Trend in diesem Bereich in die Richtung von sogenannten Communication oder Customer Interaction Centern. Diese Einrichtungen bündeln alle von der Unternehmung angebotenen Kommunikationskanäle und haben Zugriff auf alle relevanten Informationen, die für die Beantwortung von Kundenanfragen notwendig sind (Meili, 1998). Neben der Festnetztelefonie bietet auch die Mobilfunktelefonie eine Reihe von Möglichkeiten, um im Rahmen der Gestaltung der Kommunikationskanäle die Anforderungen des Building Block „Designing Customer Interaction“ erfüllen zu können. Diese werden anhand von drei Beispielen im folgenden kurz dargestellt. Zunächst wird kurz das WAP-Handy als Kommunikationskanal vorgestellt, anschliessend wird auf den neuen Mobilfunkstandard GRPS (General Packet Radio Service) eingegangen und abschliessend soll ein Beispiel zur Nutzung von SMS (Short Message System) die Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen des Kundenbeziehungsmanagement verdeutlichen. Die Besonderheit des WAP -Handys besteht in der direkten Zugriffsmöglichkeit auf Dienste des Internet. WAP steht dabei für Wireless Application Protocoll und beinhaltet ein speziell für den Mobilfunk entworfenes Protokoll auf der gleichen Ebene wie HTTP. Die Anwendungssprache, das Pendant zu HTML, wird WML (Wireless Markup Language) genannt. Diese Sprache berücksichtigt dabei Besonderheiten des Han- 190 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien dys, wie beispielsweise kleine Displays mit teilweise weniger als 4 Zeilen je 25 Zeichen. WAP -Anwendungen haben den mobilen Nutzer als Zielgruppe, dem es um den reinen Informationswert geht (Krause, 2000) (S.234f.). Anders als beim klassischen Mobilfunk werden bei GRPS die Daten in Pakete zerlegt und gesendet, wenn ausreichend Platz auf einer Leitung vorhanden ist. Insofern ist es möglich, dass die Nutzer immer online bleiben, da sie im Endeffekt nur die verschickten Datenmengen in Rechnung gestellt bekommen. Zusätzlich ergibt sich der Vorteil, dass zumindest theoretisch Übertragungsraten von bis zu 171,2 Kbit/sec möglich sind, was die bisherige Übertragungsrate von 9,6 Kbit/sec um ein Vielfaches übersteigt. Allerdings ergibt sich das Problem, dass es durch die Zerlegung und neuerliche Zusammensetzung der Daten beim Empfänger zu Verzögerungen und Unterbrechungen kommen kann. Demnach eignet sich GRPS hauptsächlich für Anwendungen wie EMails oder WAP, bei denen minimale Pausen in der Datenübertragung nicht stören. Ein weiterer Hinderungsgrund, der zur Zeit noch den Durchbruch dieses Standards verzögert, sind gegenwärtig die Endgeräte, die den möglichen Datenübertragungsspielraum von 171,2 Kbit/sec nur zu einem kleinen Teil ausreizen können und häufig auch noch gar nicht auf dem Markt sind (Feldt, 2001). Durch die neuen Entwicklungen im Mobilfunkbereich werden sich eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten ergeben, wie Anbieter auch unter Nutzung dieses Kommunikationskanals, die Beziehung zu den Kunden durch das Angebot von wertvollen und für die Nachfrager nützlichen Inhalten optimieren können. Ebenso können auch SMS im Sinne der Push-Verfahren genutzt werden, um den Kunden einen Mehrwert zu bieten, wie das folgende Beispiel zeigen sollen. Der Radiosender SWR3 (www.swr3.de) bietet in Zusammenarbeit mit Beamgate (www.beamgate.de) seit kurzem einen neuen und komfortablen Service zur Recherche von Liedern an, die im Verlauf der Sendungen gespielt werden. Wenn die Hörer dieses Senders ein Lied hören, von dem sie weder den Titel noch den Interpreten kennen, können sie an eine vorher festgelegte Nummern eine SMS mit dem Inhalt „SWR3“ schicken und bekommen umgehend den Namen des Interpreten und den Titel des aktuell gespielten Liedes per SMS zurück. Des weiteren besteht die Option durch Eingabe von „SWR3-1“ Informationen zu dem letzten Titel, bei Eingabe von „SWR3-2“ Informationen zu dem vorletzten Titel usw. zu erhalten. Diese Anwendung beeindruckt dabei durch ihre bedarfsorientierte Gestaltung, da insbesondere die SMSTechnik hervorragend geeignet ist, Bedürfnisse dieser Art zu erfüllen. 4.5.1.3.5 Interactive TV Der Begriff Interactive TV als weiterer Kommunikationskanal bedeutet, dass der Zuschauer sowohl den Zeitpunkt der Nutzung bestimmen kann (z.B. beim Video-on- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 191 Demand), als auch die Möglichkeit hat, aktiv in die Beiträge (z. B. bei Spielshows) eingreifen zu können. Die wesentliche Erneuerung beim interaktiven Fernsehen ist somit die veränderte Rolle der Konsumenten (Krause, 1998) (S.157). Sie erhalten die Möglichkeit, aus ihrer bisherigen Passivität auszubrechen und aktiv am Geschehen mitzuwirken. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit die Zuschauer in der Lage und willens sind, eine aktive Rolle beim Fernsehen zu übernehmen. Eine weitere Schwi erigkeit ergibt sich aus den bisher noch nicht ausreichenden, technischen Rahmenbedingungen. So erkennt (Keil, 1999) (S.34), dass „bis zur Realisierung und Verbreitung Interaktiven Fernsehens wird sicher noch einige Zeit vergehen, da die Voraussetzungen, z.B. die breite Verfügbarkeit digitalen Fernsehens und darauf aufbauend die technische Realisierung, noch nicht verwirklicht sind.“ Zum heutigen Zeitpunkt können drei verschiedene Richtungen des interaktiven Fernsehens beobachtet werden. Erstens ergeben sich durch technische Innovationen neue Möglichkeiten, bisher schon existierende Inhalte auf eine neue Art und Weise zu empfangen. Des weiteren eröffnet das interaktive TV neue Wege zur Erstellung von Inhalten und drittens zeigt sich eine Entwicklung, die mit dem Schlagwort Dienstebündelung umschrieben werden kann. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Option, Merchandising-Produkte im Sinne des Teleshoppings anzubieten. Das Angebot könnte sogar, je nach der genutzten Technik direkt in eine Fernsehsendung integriert werden, so dass mit der Fernbedienung auf einen „Hot Spot“ auf dem Bildschirm gezeigt we rden könnte, um so Informationen zu dem jeweiligen Produkt zu erhalten (Keil, 1999) (S.44). Über einen entsprechenden Rückkanal könnte dann zusätzlich das im Fernsehen erspähte Produkt sofort gekauft werden. Insofern könnte dieser Kommunikationskanal ebenso einen Beitrag zur Optimierung der Beziehung zwischen Anbieter und Nachfragern leisten. 4.5.1.3.6 Video-Conferencing Das Video-Conferencing kann als weiterer möglicher Kommunikationskanal im Rahmen des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien angesehen werden. Ein bisher häufig genanntes Ziel bei der Einführung solcher Systeme war die Einsparung von Reisezeiten und –kosten für Besprechungen von Teilnehmern, die an verschiedenen Orten tätig sind. Als weitere Einsatzfelder sind in letzter Zeit auch der Fernunterricht, der Kundendienst und die Vertriebsunterstützung erkannt worden. Videokonferenzsysteme decken insofern ein breites Aufgabenspektrum ab. Sie „können neben bewegten Videobildern auch stehende Rasterbilder (Festbilder) mit mehrfacher Auflösung übertragen, um beispielsweise Texte, Konstruktionszeichnungen oder Fotos in hoher Qualität zu übermitteln. Es gibt Funktionen zur Steuerung der Kamera (Schwenken, Zoomen etc.) zur Abspeicherung von Videos in Filmdateien, zur Abspei- 192 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien cherung von Festbildern in der Zwischenablage und in Dateien, zum Anhalten von Filmen, zur Betrachtung einzelner Bilder und zur Farbeinstellung.“ (Hansen, 1997) (S.340). Grundsätzlich können festinstallierte und PC-basierte Video-Conferencing-Systeme unterschieden werden. Durch die immer mehr zum Standard werdende Ausstattung von PCs mit Soundkarten, Headset und Web-Cam, steigt die Bedeutung der PCbasierten Systeme an und ermöglicht so auch eine Nutzung von Videokonferenzsystemen ohne grossen Aufwand (Pott, 1999) (S.104ff.). Mit diesen Entwicklungen eröffnen sich neue Möglichkeiten, eine von-Angesicht-zuAngesicht-Kommunikation zu gestalten, so dass auch eine Beratung, ohne physisch am gleichen Ort sein zu müssen, möglich wird. So ergeben sich beispielsweise durch den hohen Anteil von beratungsintensiven Produkten in der Finanzdienstleistungsbranche interessante Anwendungen (vgl.(Reichardt, 2000)) in diesem Bereich, auf die bei der Beschreibung des Business Case im 5. Kapitel näher eingegangen wird. Demzufolge kann festgehalten werden, dass der Durchbruch von Video-ConferencingSystemen zur Zeit noch auf sich warten lässt, allerdings bieten die mittlerweile relativ preisgünstigen PC-basierten Systeme einer breiten Masse die Möglichkeit, diese Systeme zu nutzen. Somit ergeben sich auch für Anbieter neue Optionen, die Kommunikation zu den Nachfragern durch eine Augen-zu-Augen-Kommunikation zu intensivi eren. 4.5.1.4 Zusammenfassende Betrachtung Zusammenfassend kann für den gesamten Building Block „Designing Customer Interaction“ hervorgehoben werden, dass sich in den neuen Medien eine Vielzahl von interessanten Möglichkeiten, sowohl seitens der Kommunikationsinhalte in Verbindung mit den entsprechenden Kommunikationsverfahren als auch seitens der angebotenen Kommunikationskanäle, ergibt, die zu einer Verbesserung des Dialogs zwischen Nachfragern und Anbietern führen können. Somit kann den im 3. Kapitel gezeigten Trends im Konsumentenverhalten (z.B. Wunsch nach Interaktion, Individualisierung, Bequemlichkeit etc.) sowie generell den Veränderungen der Interaktionsbeziehungen, insbesondere den dargestellten Veränderungen der Kommunikation, Folge geleistet werden. Darüber hinaus kann hiermit der unter 3.1.4 postulierte Wandel vom Produktions- zum Kommunikationsmanagement unterstrichen we rden. Der Building Block „Designing Customer Interaction“ bezieht sich somit, wie unter 4.6 explizit verdeutlicht wird, auf alle neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung in den neuen Medien. 193 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 4.5.2 Creating Added Value for the Customer Dieser Massnahmenblock des MCR-BM-Modells unterteilt sich in zwei Unterpunkte. Zum einen in die Generierung von Mehrwert für die Kunden durch die besondere Gestaltung von Produkten bzw. Dienstleistungen und zum anderen in die Kreation eines überzeugenden Preis-Leistungs-Verhältnisses. Bei der Generierung von Mehrwert wird das Konzept der Mass Customization in Form eines Exkurses ausführlicher erläutert, um einen Einblick in mögliche Produktionsverfahren zu geben. Folgende Abbildung fasst die relevanten Fragestellungen, die mit Hilfe des Building Blocks „Creating Added Value for the Customer“ beantwortet werden sollen, zusammen. Was soll produziert werden ? Generierung von Mehrwert Mehrwert und Zusatznutzen für die Kunden Wie soll produziert werden ? Exkurs: Mass Customization Individualisierte Leistungen Preisgestaltung Faires PreisLeistungsverhältnis Welchen Preis soll die Leistung haben ? Abbildung 4-12: Relevante Fragen, abgeleitete Massnahmen und die entsprechenden Resultate des Building Blocks „Creating Added Value for the Customer“ 4.5.2.1 Generierung von Mehrwert und Zusatznutzen für die Kunden Um die Kunden erfolgreich an die Unternehmung zu binden, ist es absolut notwendig, die Anforderungen der Kunden zu erfüllen. Um diesen Kundenwünschen zu entsprechen, ist neben der Erfüllung der geforderten Qualität, auch die Individualisierung der Leistung eine gute Möglichkeit zur Steigerung der Zufriedenheit. Insofern liegen diesem Massnahmenblock die psychologischen Bindungsdeterminanten, wie zum Beispiel die Kundenzufriedenheit, zu Grunde und tragen der gestiegenen Bedeutung dieser Determinante in den neuen Medien (vgl. 4.2.4) Rechnung. Ebenso kann somit der unter 3.3 beschriebene Wunsch nach Individualisierung erfüllt werden. Beim Massnahmenblock “Creating Added Value for the Customer” ist es des we iteren entscheidend, dem Kunden einen Mehrwert zu bieten, der ihn immer wieder veranlasst, zu diesem Anbieter zurückzukehren. Ein solcher Mehrwert kann durch eine attraktive Leistungsbündelung entstehen, so dass die Kunden die gewünschten Produkte in einem auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Paket erhalten. Dabei sollte diese Lösung auch unternehmensfremde Leistungen einschliessen. Die Hauptsache dabei ist, 194 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien dass der Kunde sein Bedürfnis befriedigt sieht und nicht verschiedene Anbieter miteinander koordinieren muss, um das gewünschte Endresultat zu erhalten. Dieser Service des Zusammenstellens verschiedener Leistungen entspricht in dem Sinne den Aufgaben eines Intermediärs, wie sie durch den Wandel des Wertschöpfungssystems in den neuen Geschäftsmedien notwe ndig werden. Ziel muss es daher sein, die Bedürfnisse des Kunden genau zu erkennen (vgl. unter 4.5.3 Building Block „Customer Profiling“) und ihm dann die entsprechende Lösung für sein Bedürfnis zu bieten. Ein Beispiel in diesem Zusammenhang ist die von der Credit Suisse angebotene Lösung „Your Home“ (Credit Suisse, 2000). Folgende Abbildung zeigt einen Screenshot von diesem Angebot, welches in einer umfassenden Art und Weise die Bedürfnisse zum Thema „Wohnen“ abdeckt. Abbildung 4-13: Bedürfnissorientierte Leistungsbündelung38 Dieses Angebot beinhaltet eine Vielzahl von relevanten Informationen, von der Suche eines passenden Objektes bis zur Finanzierung des entsprechenden Objektes und deckt somit einen sehr grossen Te il der mit der Thematik „Wohnen“ im Zusammenhang ste- 38 Quelle: www.yourhome.creditsuisse.ch Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 195 henden Bedürfnisse. Auch dies ist ein Beispiel dafür, dass die Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden und nicht „nur“ der Verkauf von Produkten eine Art von Begeisterung bei den Kunden hervorruft. Andere Ansätze mit denen Begeisterung geschaffen werden kann, sind exklusive Ve ranstaltungen für besonders gute Kunden. Diese Veranstaltungen, beispielsweise Konzertveranstaltungen oder Kunstausstellungen, stehen nur einem ausgewählten Kundenkreis zur Verfügung. Die ausgewählten Kunden werden somit aus einer anonymen Masse herausgehoben und erhalten auf diese Art und Weise einen besonderen Stellenwert. Auf diesem Wege erfüllt das Unternehmen den Wunsch der Kunden nach Anerkennung durch exklusive Angebote. Exempl arisch für die Schaffung von Mehrwert für die Kunden wird im folgenden das Konzept der Mass Customization ausführlicher vorgestellt. 4.5.2.2 Exkurs: Mass Customization Viele Unternehmen stehen heute durch die Globalisierung und die beschriebenen Ve ränderungen durch die neuen Medien (vgl. 3. Kapitel) immensen Herausforderungen gegenüber. Eine Konzentration auf besonders hohe Qualität, schnelle Lieferfähigkeit bzw. grosse Varietät auf der einen oder die niedrigsten Kosten einer Branche auf der anderen Seite reicht nicht mehr aus, um dauerhaft im Markt bestehen zu können. Ähnliche Kostenstrukturen der Unternehmen einer Branche lassen auf Grund ausgereifter Prozesstechnologien keinen Raum für signifikante neue Kostensenkungspotentiale, da kein Anbieter einen relativen Kostenvorteil gegenüber allen anderen Wettbewerbern erreichen kann. Einer reinen Preisstrategie (Kostenführerschaft) fehlt somit langfristig die Erfolgsgrundlage. Andererseits versagt auch eine reine Differenzierungsstrategie. Viele Branchen haben sich von Verkäufermärkten zu Käufermärkten mit ausgeprägter Verhandlungsmacht der Abnehmer gewandelt. Die Abnehmer stellen nicht nur relativ hohe Ansprüche an Qualität, Service, Varietät oder Funktionalität eines Produkts (hohe Differenzierung), sondern auch gewisse Mindestanforderungen an dessen Preisgestaltung. Zusätzlich stehen heute viele Unternehmen vor der Herausforderung einer stetig steigenden Variantenvielfalt. Die Segmentierung der Absatzmärkte nimmt auf Grund einer steigenden Heterogenität der Nachfrage und des Wunsches nach individuellen Produkten und qualitativ hochwertigen Waren immer mehr zu. Der Trend zum Erlebniseinkauf, eine steigende Zahl an Single-Haushalten und vor allem ein neues Qualitäts- und Funktionalitätsbewusstsein, das langlebige und verlässliche Produkte fordert, die genau den spezifischen Vorstellungen eines Abnehmers entsprechen, sind die Ursache. Auch versu- 196 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien chen gerade junge, konsumkräftige Konsumenten immer mehr, ihre Persönlichkeit durch eine individuelle Produktwahl zu demonstrieren. Das Konzept der kundenindividuellen Massenproduktion oder Mass Customization ist eine adäquate Möglichkeit, diesen neuen Ansprüchen zu begegnen. Diese Strategie stellt für jeden Kunden genau das Produkt bereit, welches er wünscht - zum Preis eines vergleichbaren Standardprodukts. So können die Vorteile einer massenhaften Produktion mit denen einer kundenindividuellen Einzelfertigung verbunden werden. Mass Customization hat somit zum Ziel, die Wettbewerbsstrategie der Kostenführerschaft mit der Differenzierungsstrategie zu verbinden. Dies wird durch die intelligente Ve rbindung moderner Produktionstechnologien mit der Konzeption der neuen Medien erreicht. Der Ausdruck Mass Customization ist dabei ein Oxymoron, das die an sich gegensätzlichen Begriffe „Mass Production" und „Customization" verbindet. Der Begriff wurde 1987 von Stanley Davis in seinem Buch „Future Perfect" geprägt, der ausgehend von einem Beispiel der Bekleidungsindustrie das Phänomen der individuellen Massenproduktion zum ersten Mal beschrieben hat. Mass Customization heisst nach Davis, dass „jedes [individuelle Hemd] genauso schnell hergestellt wird wie identische Hemden, und zwar ohne zusätzliche Kosten." (Davis, 1988) (S.166). Aus wissenschaftlichem Blickwinkel wurde das Konzept der Mass Customization zum erstenmal von B. Joseph Pine in einer Forschungsarbeit am MIT (Massachusetts Institute of Technology) ausführlich untersucht. Pine stellte seine Ergebnisse einem breiten Adressatenkreis mit seinem Buch Mass Customization (Pine, 1994) vor. Er kann als der eigentliche geistige Vater der Mass Customization angesehen werden und ist heute einer der prominentesten Vertreter dieses Konzepts. Als deutsche Übersetzung von Mass Customization wird oft der Begriff „massgeschneiderte Massenproduktion" (Pine, 1994) verwendet. Dieser Begriff assoziiert in den Augen des Autors allerdings zu stark den Bezug zur Textilfertigung. Zwar kommen aus diesem Bereich einige der Pioniere der Mass Customization, jedoch ist Mass Customization auch in allen anderen Branchen möglich. Andere deutsche Übersetzungen sind Massenindividualisierung (Kotler & Bliemel, 1999), Massendifferenzierung (Büttgen & Ludwig, 1997) oder Massen-Massfertigung (Mertens, 1995). Teilweise wird auch in letzter Zeit auf Grund der Digitalisierung der Produktion und der damit möglich gewordenen Individualisierung von e-Manufacturing (Dürand & Kroker, 2001) gesprochen. In Anlehnung an (Piller, 1998) trifft allerdings in den Augen des Autors der Ausdruck kundenindividuelle Massenproduktion den Sachverhalt am prägnantesten. Im Rahmen 197 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien dieser Arbeit wird der Originalbegriff Mass Customization synonym mit dem Begriff kundenindividuelle Massenfertigung gebraucht. (Piller, 1998) definiert den Begriff Mass Customization wie folgt: „Mass Customization (kundenindividuelle Massenfertigung) ist die Produktion von Gütern und Leistungen für einen (relativ) grossen Absatzmarkt, welche die unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers dieser Produkte treffen, zu Kosten, die ungefähr de nen einer massenhaften Produktion vergleichbarer Standardgüter entsprechen. Die Informationen, die im Zuge des Individualisierungsprozesses erhoben werden, dienen dem Aufbau einer dauerhaften und langfristigen Beziehung zu jedem Abnehmer.“ (Piller, 1998) (S.65). Anhand dieser Definition zeigt sich die Relevanz des Ansat zes auch für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien, da ebenso der Aufbau einer dauerhaften und langfristigen Beziehung angestrebt wird. Folgende Graphik gibt nun einen Überblick zur Logik der Mass Customization. Differenzierungsoption der Mass Customization Steigerung der potentiellen Absatzmenge Erhöhung der Kundenbindung Erhöhung der Absatzmenge Erhöhung der Varietät und Komplexität Zusätzliche Kosten der Mass Customization Effizienzvorteile Sinkende Kosten durch Mass Customization Kostenoption der Mass Customization Umsatz Kosten Gewinn Wettbewerbsvorteile durch M a s s Customization Abbildung 4-14: Logik der Mass Customization39 39 Quelle: (Piller, 1998) (S.125) 198 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Beide Optionen, sowohl die Kosten- als auch die Differenzierungsoption setzen sich aus verschiedenen Aspekten zusammen, die im weiteren Verlauf kurz erläutert we rden. Die Differenzierungsoption der Mass Customization setzt an der Produktion nach individuellen Kundenanforderungen an. Durch die Erfüllung der kundenspezifischen Wünsche wird bei diesen Produkten und Leistungen eine höhere Attraktivität für die Abnehmer erreicht, weil sie nicht einen Kompromiss bzgl. ihrer Wünsche eingehen müssen, sondern genau das Produkt oder die Leistung bekommen, die ihre individuellen Wünsche berücksichtigt. Daraus resultiert auch ein gewisser preispolitischer Spielraum, weil die Kunden eher bereit sind, für ein für sie optimales Produkt einen bestimmten Preisaufschlag zu zahlen. Des weiteren kann die Kundenbindung durch die verschiedenen Massnahmen verstärkt werden, was dann wiederum zu einer Steigerung des Absatzes führt. Insbesondere durch die intensive Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager zur Erhebung der Individualisierungsdaten, besteht die Gelegenheit, eine gute Beziehung zum Kunden aufzubauen. Weiterhin ist auch das in den individuellen Produkten enthaltene Begeisterungspotential eine gute Möglichkeit, den Kunden an das Unternehmen zu binden. Ein weiterer Aspekt der Differenzierungsoption liegt in den Effizienzvorteilen. Da im Konzept der Mass Customization erst produziert wird, wenn ein Auftrag vorliegt, besteht die Möglichkeit, über den Abbau von Distributionslagerhaltung und besseren Planungsbedingungen direkt auf die Kosten einzuwirken. So konnte beispielsweise der Siemens Geschäftsbereich Automatisierungs- und Antriebstechnik durch die Einführung eines Mass CustomizationKonzeptes den Lagerbestand um 25% senken und somit erhebliche Kosten einsparen (Dürand & Kroker, 2001). Ebenso fallen beim Konzept der Mass Customization aufwendige Sonderverkaufsaktionen weg, weil nur nach Bedarf produziert wird und so „Ladenhüter“ vermieden werden können. Die Kostenoption der kundenindividuellen Massenfertigung beinhaltet zum einen den Aspekt der Kostensenkungspotentiale und zum anderen den Aspekt der durch das Konzept verursachten zusätzlichen Kosten. Diese zusätzlichen Kosten entstehen durch die Steigerung der internen Varietät und der damit verbundenen steigenden Komplexität aller Unternehmensprozesse. Insbesondere auch der durch die extreme Losgrösse 1 verursachte notwendige Koordinationsbedarf wirkt sich dabei auf die Kostensteigerung aus. Auf der anderen Seite ergeben sich aus diesem Konzept auch direkte Kostensenkungspotentiale. Sinkende Kosten können ihren Ursprung entweder in einer Variation der Menge (Economies of Scale und Learning) und in einer Variation der Fähigkeiten (Economies of Scope) haben. Diese beiden Punkte werden wiederum direkt durch die absatzfördernden Aspekte der Differenzierungsoption beeinflusst. Nur wenn die individualisierungsbedingten zusätzlichen Kosten durch die bereits angedeuteten 199 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Kostensenkungspotentiale ausgeglichen werden, ist die Idee der kundenindividuellen Massenproduktion erreicht. Um die Umsetzung dieses Konzeptes zu beschreiben, wird auf die sogenannte „Achter-Figur“ von (Victor et al. 1996) zurückgegriffen, anhand derer die einzelnen Schritte zum Erreichen der Mass Customization dargestellt werden sollen. Nachstehende Abbildung verdeutlicht die Vorgehensweise zur Einführung der Mass Customization. Hoch (dynamisch) Mass Customization Erneuerung Invention 1 4 Änderungsrate der Produkte Entwicklung (Stabilisierung) Massenproduktion Modularisierung Verbindung 2 Niedrig (stabil) Continuous Improvment 3 Niedrig (stabil) Hoch (dynamisch) Änderungsrate der Prozesse Abbildung 4-15: Vorgehensweise zur Einführung der Mass Customization, die „Achter-Figur“ von (Victor et al. 1996)40 In dieser Abbildung sind verschiedene Wettbewerbsstrategien vorgestellt, die im we iteren Verlauf jeweils knapp erläutert werden sollen. Zunächst sollen allerdings vorher noch die Achsenbezeichnungen erklärt werden. Die Änderungsrate der Produkte beschreibt die Häufigkeit mit der die Produkte oder Leistungen in einem bestimmten Zeitablauf oder für einen bestimmten Kunden geändert werden. Ist die Änderungsrate niedrig, kann von standardisierten Produkten gesprochen werden, die eine grosse Stabilität aufweisen. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den dynamischen Produkten oder Leistungen, um solche mit einer relativ grossen Wechselrate, insofern als dass sie sich oft unvorhersehbar und teilweise auch revolutionär verändern. 40 Quelle: (Victor et al. 1996) (S.76) 200 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Ähnliches gilt für die Änderungsrate der Prozesse, die beschreibt, mit welcher Häufigkeit die Prozesse geändert werden. Entsprechend können in Analogie zu den Produkten auch die Prozesse dynamisch oder stabil sein. Im folgenden werden nun die einzelnen Schritte zur Erreichung des Konzeptes der Mass Customization dargestellt (Piller, 1998) (S.5ff.). Der erste Schritt – von der Invention zur Massenproduktion – besteht in der Entwicklung von stabilen Prozessen und stabilen Produkten. Hier müssen neue Produkte und Leistungen entworfen und dann stabilisiert werden, damit sie für eine massenhafte und kostengünstige Produktion wiederholbar sind. Die hieraus resultierende Massenproduktion geht häufig mit einer streng hierarchischen und bürokratischen Organisationsstruktur einher. Die Informationsflüsse zwischen den einzelnen Unternehmensteilen beschränken sich in vielen Fällen auf ein Minimum. Um die Prozesse des Unternehmens kontinuierlich zu verbessern, müssen genau diese Grenzen aufgehoben werden. Die einzelnen Teile des Unternehmens müssen durch funktionsübergreifende Teams, Informationsaustausch und eine horizontale Prozessfokussierung miteinander ve rbunden werden. Der zweite Schritte auf dem Weg zur Mass Customization kann also als „Verbinden“ bezeichnet werden. Der darauffolgende Schritt verlangt, dass die Produkte und Leistungen modularisiert werden. Eine modulare Struktur des Leistungsprogramms ermöglicht es, dem Kunden seine individuellen Wünsche zu erfüllen, obwohl die Prozesse an sich stabil bleiben. Diese Architektur bestimmt einerseits, wie weit das gesamte Produktspektrum sämtlicher möglicher Variante ist und andererseits welche spezifischen Ausprägungen das Produkt für einen konkreten Kunden annehmen kann. Diese beiden Dimensionen we rden durch die Zahl und die Gestaltung der Module und ihrer Schnittstellen und Ve rbindungen untereinander festgelegt. Die Kombination der Module zum fertigen Produkt vollzieht sich dabei durch definierte und standardisierte Prozesse, die ebenfalls in einer Art Modulssystem miteinander kombiniert werden können. Als sehr gutes Beispiel kann hier das Lego-System angeführt werden. Die einzelnen Bausteine sind klar modularisiert, so dass man mit diesen Bausteinen viele mögliche Objekte zusammenstecken kann. Ebenso ist die Art und Weise des Zusammensteckens bzw. des Zusammenbaus der Legosteine fest vorgegeben und beschränkt sich dabei auf wenige Prozesse. Um mit der angebotenen Vielfalt der Produkte die Kunden nicht zu überfordern, ist des weiteren eine umfangreiche Beratung bei der Zusammenstellung der Module notwendig. Man kann in diesem Zusammenhang von einem Designwerkzeug sprechen, das die Aufgabe hat, die Wünsche des Kunden mit den Fähigkeiten des Unternehmens Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 201 in Einklang zu bringen. Insbesondere ist hierbei das einfache Handling dieses Designwerkzeuges von entscheidender Bedeutung, da sonst die eigentlichen Vorteile der Mass Customization in das Gegenteil umgekehrt werden können, wenn die Kunden auf Grund der vielfältigen Möglichkeiten der Produktzusammenstellung überfordert sind. Ein gutes Beispiel für ein solches Designwerkzeug ist der Smart-Konfigurator (www.smart.com), der in der folgenden Abbildung gezeigt wird. Abbildung 4-16: Smart-Konfigurator als Beispiel für ein Designwerkzeug41 Ohne ein solches Werkzeug werden die Kunden (bzw. ihre Vertreter in Form des Handels und Vertriebs) mit so vielen Grundformen und Verbindungsmöglichkeiten konfrontiert, dass sie auf Grund einer viel zu hohen Komplexität nicht ihre gewünschte Lösung finden. Der letzte Schritt kann fast wieder als ein Schritt rückwärts bezeichnet werden. Hier geht es nun darum, nicht bei dem Konzept der Mass Customization stehen zu bleiben. Marktanforderungen sowie die Kundenwünsche und - bedürfnisse ändern sich, inso- 41 Quelle: www.smart.com 202 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien fern ist es auch für ein Mass Customizer ein entscheidendes Kriterium immer wieder selbst in Forschung und Entwicklung aktiv zu werden. Daher muss also die Kette der Schritte weiter in Richtung Inventionsmodell geführt werden. Die neuentwickelten Produkte und Prozesse müssen dann wieder die einzelnen beschriebenen Phasen durchlaufen, um im Endeffekt den Status der Mass Customization mit den genannten Vorteilen erreichen zu können. Es ist also von enormer Wichtigkeit, dass man immer wieder die einzelnen Phasen durchläuft und nicht an dem Punkt der Mass Customization stehen bleibt. Diese von (Victor et al. 1996) als „Achter-Figur“ beschriebene Vo rgehensweise stellt mithin einen ständigen Kreislauf dar, der immer wieder durchschritten werden muss. Prinzipiell kann davon ausgegangen werden, dass sich alle Produkte für die kundenindividuelle Massenproduktion eignen (Piller, 1998) (S.221f.). Allerdings ergibt sich eine Einschränkung sicherlich dadurch, dass bei den Kunden nicht für alle Produkte ein Wunsch nach einer individuellen Lösung existiert. Wichtigste Voraussetzung dafür, dass sich ein Produkt für eine Mass Customization überhaupt erst eignet, ist, dass ein Varietätswunsch bei den Abnehmern besteht bzw. geweckt werden kann. Solange die Kunden nicht den Vorteil einer Individualisierung erkennen, kann die Mass Customization ihre wichtigste Wettbewerbsoption nicht entfalten. Den Exkurs zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Konzept der Mass Customization durch die Erfüllung individueller Wünsche und die intensive Kommunikation zur Identifikation der individuellen Bedürfnisse, positiv auf die Gestaltung der Beziehung zwischen Anbietern und Kunden in den neuen Geschäftsmedien einwirkt und insofern als wichtiges Instrument zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien angesehen werden kann. 4.5.2.3 Kreation eines überzeugenden Preis-Leistungs-Verhältnisses Neben der Erfüllung der Leistungsversprechen ist ein überzeugendes Preis-LeistungsVerhältnis eine gute Möglichkeit, die Beziehung zu den Kunden zu verbessern. Der Preis ist nach wie vor ein wesentliches Kriterium bei der Kaufentscheidung, insofern sollte die Qualität der angebotenen Produkte mit dem entsprechenden Preis versehen werden. Der Preis als klassisches Marketinginstrument spielt hier ebenfalls eine entscheidende Rolle. Allerdings geht es im Zusammenhang mit dem Modell des Management of Customer Relationship nicht um kurzfristige Preissenkungen, um den Umsatz nach oben zu treiben, vielmehr geht es in diesem Ansatz um eine langfristig angelegte Preis-Leistungs-Strategie, die den Kunden vermittelt, dass es sich um ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis handelt. Insofern wird in diesem Unterpunkt des Massnahmenblockes „Creating Added Value for the Customer“ insbesondere der gestiege- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 203 nen Bedeutung der ökonomischen Determinante der Kundenbindung in den neuen Medien (vgl. 4.2.2.3) Rechnung getragen. Im wesentlichen lassen sich fünf verschiedene Strategien der Preisgestaltung zu Steigerung der Kundenbindung unterscheiden (Simon et al. 1998): Mengenabhängige, zeit- und loyalitätsabhängige Preissetzung, Mehrprodukt- sowie Mehrpersonenpreissetzung und Verträge und Garantien. Im folgenden werden die verschiedenen Strategien, beginnend mit der mengenabhängigen Preispolitik, jeweils knapp erläutert. ?? Mengenabhängige Preissetzung Die Strategie der mengenabhängigen Preissetzung umfasst Mengen- und Umsatzrabatte, zweiteilige Tarife und andere Formen der nichtlinearen Preisbildung (Dolan & Simon, 1996). Ziel dieser Politik ist es, die Kunden dazu zu bewegen, während einer bestimmten Periode mehr von einem Produkt zu erwerben oder grundsätzlich den Kunden eine Preisdifferenzierung nach der gekauften Menge zu bieten. Zum einen kann so beispielsweise ein bestimmter Zeitraum für Transaktionen besonders attraktiv gestaltet werden und zum anderen können über einen Mengenrabatt, die Verkaufsvolumina gesteigert werden. Auch in den neuen Medien wird der Gedanke der mengenabhängigen Preisbildung eingesetzt, allerdings ist die Nutzung der Vorteile häufig an eine Mitgliedschaft gebunden, wie es beispielsweise bei www.rabattclub.de der Fall ist. Zu bedenken ist dabei, dass – zumindest in Deutschland – das Rabattgesetz, das ebenso für online-Angebote gilt, die Rabatte auf drei Prozent beschränkt. Das antiquierte deutsche Rabattgesetz aus dem Jahre 1933, weltweit einmalig, steht jedoch vor dem Aus. So kann davon ausgegangen werden, dass dieses Gesetz schon im Sommer 2001 reformiert oder gar komplett aufgehoben wird (Olbermann et al. 2000). Das Angebot von Coupons ist eine weitere Möglichkeit, die unter der Kategorie der mengenabhängigen Preissetzung subsumiert werden kann. Coupons können dabei als Gutscheine verstanden werden, die zu Vergünstigungen beim Einkauf führen. In den neuen Medien ergibt sich die Möglichkeit, die Coupons per E-Mail zu verschicken, um so die Kunden zu einem Erst- oder Wiederholungskauf zu animieren. Insofern ist diese Massnahme sowohl zur Kundengewinnung als auch zur Kundenbindung geeignet. Diese E-Mails enthalten dann entweder einen speziellen Code, der bei der nächsten Bestellung bei dem jeweiligen Anbieter angegeben werden muss, oder einen Link der direkt zur Bestellmöglichkeit der vergünstigten Ware führt. Der Vorteil für Anbieter solcher elektronischen Coupons besteht, neben den bereits erwähnten Gründen, auch 204 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien in dem besseren Monitoring der versendeten Coupons. So ist es technisch möglich für jeden Kunden einen individuellen Coupon zu erstellen, so dass genau nachvollzogen werden kann, welcher Kunde, welchen Coupon, wie genutzt hat (Stolpmann, 2000) (S.58ff.). Insbesondere in den neuen Medien zeigen sich auch verschiedene Websites, wie beispielsweise www.coupon.net oder www.raba.tt, die Coupons von verschiedenen Anbietern zur Verfügung stellen. Allerdings muss sich die Einlösung nicht nur auf die neuen Medien beziehen, vielmehr zeigt z.B. das Angebot von www.coupon.com, dass auch bei dieser Möglichkeit der Kundenbindung im Sinne der unter 4.5 beschriebenen vertikalen Integration „online“- und „offline-Massnahmen“ sehr gut miteinander harmonieren können. In diesem Fall können die Kunden auch die Coupons aus verschiedenen Bereichen ausdrucken und zum Einkaufen in den Läden des jeweiligen Anbieters nutzen. Folgende Abbildung zeigt dieses Angebot. Abbildung 4-17: Coupons als Instrument der mengenabhängigen Preisstrategie42 ?? Zeit- und loyalitätsabhängige Preissetzung 42 Quelle: www.coupon.com Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 205 Neben der mengenabhängigen Preispolitik spielt die zeit-, nutzungs- und loyalitätsabhängige Preisbildung eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Medien. Idee dieser Strategie ist die Gewährung von Preisvergünstigungen in Abhängigkeit von der Dauer und dem Grad der Kundenbeziehung sowie der Intensität, mit der das Angebot genutzt wird. Dementsprechend erhält ein langjähriger, loyaler Kunde einen besseren Preis als ein sporadischer Käufer. Der Stammkunde wird somit für seine Treue finanziell belohnt, so dass ein Anreiz geschaffen werden soll, nicht ständig den Lieferanten zu wechseln. Beispielsweise enthalten auch Bonusprogramme, wie Lufthansa Miles & More, eine Nutzungs- und Zeitkomponente. Die Übertragung dieser Idee in die neuen Medien zeigt sich an Beispielen wie www.bonus.net oder webmiles.de. Online-Kunden können mit Hilfe dieser Systeme Bonuspunkte bei verschiedenen Tätigkeiten, z.B. Einkaufen, Anklicken von Werbebannern etc., sammeln, die sie dann gegen eine Prämie eintauschen können. Dementsprechend werden diese Massnahmen auch häufig als Prämiensysteme bezeichnet (Stolpmann, 2000). Die Bonuspunkte bilden sozusagen eine eigene Währung. Die Kunden werden so animiert, innerhalb dieses Netzwerkes Leistungen in Anspruch zu nehmen, um in den Genuss dieser “Währung” zu gelangen. Damit erklärt sich auch die Einordnung dieser Massnahme in das Preis-Leistungs-Verhältnis, da diese Massnahmen den realen Preis senken. Reizvoll werden diese Systeme durch das Netzwerk der angeschlossenen Unternehmen. Je grösser dieses Netzwerk ist, desto eher ergeben sich Möglichkeiten Punkte zu sammeln, um sie dann wieder für interessante Prämien einzutauschen. Der Anbieter www.webmiles.de hat inzwischen schon 50 Partnerunternehmen (Stand 01.04.01) in seinem Netzwerk, so dass sich die Kunden im Zweifelsfall für den Anbieter entscheiden, bei dem sie gleichzeitig ihr Punktekonto auffüllen können. Die Abwicklung der Vorgänge „Punkte sammeln“ und „Punkte eintauschen“ wird dabei durch den Einsatz entsprechender Software enorm vereinfacht, so dass dadurch keine Hemmschwelle zur Benutzung aufgebaut wird (Branscum, 1998). Die drei anderen Preisstrategien, Mehrprodukt-, Mehrpersonen-Preissetzung und Ve rträge und Garantien, haben zumindest zur Zeit noch keine sehr grosse Relevanz, so dass sie hier nur der Vollständigkeit halber kurz erläutert we rden. Bei der Mehrprodukt-Preissetzung wird durch eine Bündelung von Leistungen ein Paketpreis ermöglicht, der in der Regel günstiger ist, als die Leistungen jeweils einzeln u.U. bei verschiedenen Anbietern zu kaufen. Der Käufer konzentriert also seinen Bedarf an verschiedenen Produkten auf einen einzigen Anbieter, so dass die Bindung zu diesem Unternehmen erhöht wird. Die preispolitische Variante der Mehrpersonen-Preissetzung beabsichtigt durch ein preisgünstiges Zusatzangebot nicht nur die „Hauptperson“ selbst als Kunden zu ge- 206 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien winnen, sondern ebenso auch weitere Personen im Umfeld der Hauptperson von den Leistungen des Anbieters profitieren zu lassen. So bieten beispielsweise Fluggesellschaften häufig die Möglichkeit, dass Begleitpersonen nur die Hälfte des normalen Flugpreises (Beispiel: Lufthansa) zahlen oder gar kostenlos fliegen, wie z.B. beim Programm „Freunde fliegen kostenlos“ bei der Southwest Airlines (Simon et al. 1998) (S.99). Bei Verträgen und Garantien als weiterer Strategie zur Preisgestaltung, geht es in erster Linie um langfristige Lieferverträge, die die Kunden an den Anbieter binden sollen. Allerdings nimmt die Bedeutung dieser rechtlichen Determinante der Kundenbindung in den neuen Medien, wie unter 4.2.2.2 gezeigt werden konnte, ab, so dass diese Massnahme des Building Blocks „Creating Added Value for the Customer“ nur in Ausnahmefällen geeignet erscheint, die Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Medien zu gestalten. Eine Möglichkeit der extremen Preisgestaltung stellt die kostenlose Verteilung der Güter dar. So findet man häufig in der Literatur (vgl. (Zerdick et al. 1999); (Stelzer, 2000), (Skiera, 1999) und 3.1.2) den Hinweis, dass digitale Produkte kostenlos vertrieben werden sollten, wie es zum Beispiel Network Associates (ehemals McAfee) mit einer Software zum Schutz vor Computerviren gemacht hat, um eine hohe Verbreitung in den neuen Geschäftsmedien anzustreben und somit die Potentiale der Netzwerkeffekte der digitalen Produkte ausschöpfen zu können. Allerdings muss die kostenlose Verteilung der Produkte, häufig auch als „Follow-the-free-Strategie“ bezeichnet (Shapiro & Varian, 1999), ökonomisch insofern Sinn machen, als dass eine Kompensation der Kosten und ein Gewinn über andere Einnahmequellen möglich wird. 4.5.2.4 Zusammenfassende Betrachtung Abschliessend bleibt für diesen Massnahmenblock “Creating Added Value for the Customer” festzuhalten, dass es notwendig ist, sowohl die Leistungsversprechen zu erfüllen und die Erwartungen der Kunden, wenn möglich gar zu übertreffen, um Begeisterung hervorzurufen, als auch die Gestaltung eines fairen Preis-LeistungsVerhältnisses zu erreichen. Der Exkurs der Mass Customization, verstanden als kundenindividuelle Massenproduktion, konnte beispielhaft neue, durch die Entwicklung der IKT möglich gewordene, produktionstechnische Verfahren verdeutlichen, die zur Erfüllung der individuellen Kundenwünsche in den neuen Medien einen wesentlichen Beitrag leisten. Somit ergeben sich innerhalb des Building Blocks „Creating Added Value for the Customer“ des MCR-BM-Modells drei Kategorien von Massnahmen, die in folgender Abbildung mit jeweils einem Beispiel dargestellt sind. 207 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Creating Added Value for the Customer Massnahme Beispiel Generierung von Mehrwert und Zusatznutzen Mass Customization Kreation eines fairen PreisLeistung-Verhältnisses Attraktive Leistungsbündelung www.yourhome.ch Individuelle Erfüllung der Kundenwünsche www.smart.de Realisierung verschiedener Preisstrategien www.coupon.com Abbildung 4-18: Massnahmen und entsprechende Beispiele des Building Blocks „Creating Added Value for the Customer“ 4.5.3 Customer Profiling Bei der Interaktion mit Nachfragern fallen eine Vielzahl von Informationen an, die bisher nur von wenigen Anbietern konsequent zur Verbesserung der Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern genutzt werden. Obwohl gerade auch in den vorherigen Abschnitten deutlich geworden ist, dass es notwendig ist, die Bedürfnisse der Kunden genau zu kennen, um die entsprechenden Leistungen und die gewünschten Informationen anbieten zu können. Die im Massnahmenblock “Customer Profiling” enthaltenen Massnahmen haben dementsprechend als oberstes Ziel, aus der beim Anbieter vorhandenen Datenmenge, Profile der Nachfrager zu identifizieren und die entsprechenden Massnahmen daraus abzuleiten, um den richtigen Kunden zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Produkte mit den richtigen Argumenten anzubieten. Durch aktuelle informationstechnologische Entwicklungen werden in diesem Bereich neue Wege und Möglichkeiten eröffnet. Der Massnahmenblock „Customer Profiling“ umfasst vier Kategorien, die im folgenden näher erläutert werden. Die Einteilung in diese Kategorien lässt sich dabei auf ve rschiedene relevante Fragen, die im Zuge der entsprechenden Massnahmen beantwortet werden sollen, zurückführen. Die folgende Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen den Fragen, den verschiedenen Kategorien und den enthaltenen Aktionen. 208 Was wünschen die Kunden ? Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Ableitung von Massnahmen Erfüllte Bedürfnisse gem. Kundenprofil Wie werden die Daten ausgewertet ? Analyseverfahren Individuelle Kundenprofile Wo werden die Daten gesammelt? Datawarehousing Aufbereitete, gespeicherte, relevante Daten Wie werden die Daten erhoben ? Relevante Daten Abbildung 4-19: Relevante Fragen, abgeleitete Massnahmen und die entsprechenden Resultate des Building Blocks „Customer Profiling“ Gemäss dieser Übersicht wird zunächst auf die Massnahmen der Datenerhebung eingegangen. Anschliessend werden die Möglichkeiten zur Speicherung der relevanten Daten in einem Data Warehouse besprochen. Aus den gespeicherten Daten werden mit Hilfe von Analyseverfahren Informationen gewonnen, die unter anderem zur Erstellung von Nutzerprofilen verwendet werden können. Abschliessend werden die unterschiedlichen Datentypen, die in ein Nutzerprofil einfliessen charakterisiert, des weiteren wird eine Idee des Customer Information Cubes (CIC) vorgestellt. Bezogen auf das Medien-Referenzmodell für Business Media, das unter 2.1.4 erläutert wurde, lässt sich der Building Block „Customer Profiling“ in die Transaktionssicht einordnen. Über den gesamten Transaktionsprozess, von der Wissens- bis zur Abwicklungsphase, können Dienste zur Verfügung gestellt werden, die es ermöglichen, die relevanten Daten zu sammeln und auszuwerten. 4.5.3.1 Erhebung der relevanten Daten Zunächst ist die Frage zu klären, welche Daten möglicherweise für die Erfüllung der Zielsetzung des Building Blocks „Customer Profiling“ relevant sind. Grundsätzlich kann man dabei interne Daten, die mit dem Anbieter direkt in Bezug stehen, und externe Daten, die den Anbieter nur mittelbar betreffen, unterscheiden. Die Gewinnung von externen Daten, wie z.B. allgemeine Marktdaten, kann durch Zukauf von Informationsdienstleistern wie Nielsen, Prognos etc. vollzogen werden, wohingegen sich die Erhebung der internen Daten, auf die sich die folgenden Ausführungen beziehen, in vielfältiger Art und Weise bewerkstelligen lässt. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 209 Zur Ermittlung dieser Daten können verschiedene unternehmensinterne Datenquellen, wie beispielsweise bestehende Kundendateien, Informationen aus dem Rechnungswesen, Kontakthistorien, Daten über Aussendienstaktivitäten, genutzt werden (Ruhland, 1999). Ebenso bilden die im Rahmen der Massnahmen des Building Blocks „Designing Customer Interaction“ gewonnenen Informationen, eine gute Datenbasis für die Erstellung von Nutzerprofilen. Diese Arten von unternehmensinternen Daten we rden dementsprechend zum überwiegenden Teil aus den operationalen DV-Systemen gewonnen. Teilweise tritt allerdings in dieser Phase das Problem auf, dass nicht alle diese Daten ohne weiteres für die Identifikation von Kundenprofilen verwendet we rden können, da sie nicht explizit für Marketingzwecke gesammelt wurden und ihnen daher manchmal der Bezug zu den relevanten Problemstellungen fehlt. Dementsprechend erscheint ein Zukauf von externen Daten in einige Fällen sinnvoll. Eine weitere für Anbieter interessante Datenquelle zur Erhebung von Nutzungsdaten hat sich, neben den anderen unter 4.5.1 beschriebenen Kommunikationskanälen, durch das Internet, im besonderen durch den multimedialen Dienst des WWW, ergeben. Die Möglichkeiten zur Ermittlung der relevanten Nutzerdaten lassen sich in folgende drei Bereiche aufteilen (Guba & Kargl, 1999) (S.345f.): ?? Protokolldateien (Logfiles) Die auch als Logfiles bezeichneten Protokolldateien beinhalten Daten zu der IPAdresse des auf das jeweilige WWW-Angebot zugreifenden Computers, den Zeitpunkt des Zugriffs sowie die übertragenen Daten. Allerdings besteht durch diesen Ansatz keine Möglichkeit, den Nutzer genau zu bestimmen oder wiederzuerke nnen. Insofern liefern Protokolldateien in erster Linie nur Informationen, wie das jeweilige WWW-Angebot generell genutzt wird. Die Analyse dieser Daten kann allerdings ebenso einen Beitrag zu einer Optimierung der angebotenen Informationen leisten. ?? Browserregistrierungen (Cookies) Bei einer Browserregistrierung werden Informationen (Cookies) durch den jeweils angesprochenen Webserver auf der lokalen Festplatte des Benutzers gespeichert. Anhand dieser Informationen kann nun bei jedem Besuch der entsprechenden Web-Site zumindest der entsprechende Browser identifiziert werden. Allerdings lässt das nur bedingt Rückschlüsse auf den jeweiligen Nutzer zu, da ein Browser bzw. der dazugehörige Computer auch von mehreren Personen genutzt werden kann, insofern handelt es sich eher um eine browser-orientierte denn um eine nutzer-orientierte Technik. Der schlechte Ruf der Cookies rührt vor allem von der für 210 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien die Nutzer schlecht nachvollziehbaren Funktionalität, so dass im Zweifelsfall die Frage nach der Einrichtung eines Cookies verneint wird. ?? Benutzerregistrierung Eine weitere Möglichkeit relevante Daten zu erheben, die sich in letzter Zeit immer stärker durchsetzt, besteht in der unverbindlichen Registrierung der Nutzer. Durch die freiwillige Angabe nutzerspezifischer Informationen (z.B. in Form eines online-Fragebogens) erhält der Nutzer einen Benutzernamen und ein Passwort, die er beim Besuch der jeweiligen WWW-Site angeben muss, um das entsprechende Angebot nutzen zu können. In Verbindung mit den entsprechenden Logfiles lassen sich die jeweiligen Besuche umfangreich auswerten, so dass beispielsweise auf Grund der getätigen Transaktionen ein relativ genaues Bild der Kunden erstellt werden kann. Allerdings ergeben sich auch bei dieser Möglichkeit der Datenerhebung einige Fallstricke. So muss der Anbieter zunächst die Hürde überwinden, dass sich der Nutzer überhaupt registrieren lässt, denn die Internet-User werden nur bereit sein, personenbezogene Daten preiszugeben, wenn sie dafür auch einen adäquaten Wert in Form von nutzenstiftenden Informationen oder Sachwerten erhalten. So werden zum Beispiel teilweise Quiz‘ angeboten, um Daten der Teilnehmer zu gewinnen (Levine, 1999). Das mittlerweile in Konkurs gegangene Unternehmen FreePC.com (www.freepc.com) hat als weiteren Anreiz den Gewinn eines hochwertigen PC bei der Angabe personenbezogener Daten in Aussicht gestellt, um so eine Vielzahl von Nutzerprofilen, die später verkauft wurden, zu generieren. Eine weitere Schwierigkeit bei der Benutzerregistrierung ergibt sich aus der Notwendigkeit, dass die Nutzer ihren Benutzernamen und das entsprechende Passwort zur Hand haben, wenn sie das WWW-Angebot nutzen wollen. Durch die Vielzahl der notwendigen Registrierungen ergibt sich häufig - gesetz dem Fall die Angaben variieren aus Sicherheitsgründen - eine fast unüberschaubare Menge von verschiedenen Benutzernamen pro Person, so dass viele Nutzer ihren Nutzernamen und Passwort vergessen. Dies hindert sie wiederum an der Nutzung des Angebots, was nicht im Interesse des Anbieters liegen kann. Ausweg bietet in dem Fall die Beantwortung einer persönlichen Frage, wie z.B. welches ist Ihr liebster Sportverein ? Bei der richtigen Antwort bekommt der Nutzer sein Benutzernamen und sein Passwort per E-Mail zu gesendet. Prinzipiell kann aber festgehalten werden, dass die freiwillige Registrierung der Nutzer zur Zeit die erfolgsversprechenste Möglichkeit im WWW ist, um relevante interne Daten der Nachfrager zu erheben. Neben der Erhebung von internen Daten, bietet das WWW auch für die Gewinnung von externen Daten neue Möglichkeiten. Da für Dokumente aus dem Internet bereits 211 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Standardformate, wie beispielsweise HTML, Anwendung finden, ist es in der Regel ohne grössere Schwierigkeiten möglich, derart strukturierte Daten in das Data Warehouse zu übernehmen. Das sogenannte Web Farming beschreibt dabei ein Verfahren zur systematischen Auffindung und Einbindung der gefundenen externen Daten in das Data Warehouse (Bolder Technology, 1999). Folgende Abbildung fasst die möglichen Quellen zur Gewinnung von relevanten Daten zusammen. Quellen zur Gewinnung relevanter Daten Interne Quellen Operative DV-Systeme Call Center Logfiles Externe Quellen Kommunikations systeme Marktforschungsinstitute WWW Angebot ...... ... Cookies Registrierung WebFarming Abbildung 4-20: Mögliche Quellen zur Gewinnung relevanter Daten Im folgenden wird auf die Aufbereitung und Speicherung der gewonnen Daten eingegangen. 4.5.3.2 Speicherung der relevanten Daten Grundlage für die erfolgreiche Durchführung eines Customer Profilings ist das Vo rhandensein oder der Aufbau einer Datenbank, die dem Konzept einer integrierten Kundendatenbank Rechnung trägt und in der die erhobenen Daten in sinnvoller Art und Weise abgelegt und gespeichert werden können. Die Lagerung und die Auswahl der relevanten Daten werden in dem Konzept des Data Warehouse zusammengefasst. 212 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Der mittlerweile häufig genutzte Begriff des Data Warehouse wurde vor allem durch den amerikanischen Berater W.H. Inmon geprägt (Inmon, 1996). Das Data Warehouse ist dementsprechend „eine Datenbasis, die durch Integration ve rschiedener operativer Datenbestände gebildet wird. Bei der Integration werden durch Selektion, Aggregation und Transformation nur solche Daten mit einbezogen, die für die betrieblichen Aufgabenstellungen relevant sind." (Scheer, 1996) (S. 74 f). Die zu integrierenden Daten liegen dabei in unterschiedlichster Form, z.B. als Zahlen häufig allerdings auch als Texte, Graphiken, Bilder sowie Ton- oder Videosequenzen vor. Insbesondere für die letzteren ergeben sich teilweise Schwierigkeiten bei der Einbindung in traditionelle Datenbanksysteme, so dass sich in diesem Fall je nach Nutzungshäufigkeit und dem Datenvolume n zwei Alternativen zur Speicherung dieser Daten anbieten. Zum einen können sie entweder in digitalisierter Form als separates Dokument gespeichert werden oder zum anderen ohne Umwandlung in ihrer ursprünglichen Form in geeigneten Archiven abgelegt werden (Muksch & Behme, 2000) (S.19). 4.5.3.3 Auswertung der relevanten Daten Sind alle im Rahmen zur Erstellung von Nutzerprofilen relevanten Daten in einem Data Warehouse gesammelt und entsprechend aufbereitet, stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, um die Daten in mehrdimensionalen Modellen nach interessanten Fragestellungen auszuwerten. Im folgenden wird kurz auf das Online Analytic Processing (OLAP), das Data Mining, das Knowledge Discovery in Databases (KDD) und auf das sogenannte Collaborative Filtering eingegangen, um einen Überblick zu verschiedenen Analyseverfahren zu geben (Chamoni & Gluchowski, 1999). ?? Online Analytic Processing (OLAP) Dieser Ansatz geht auf den Entwickler des relationalen Datenbankmodells, E.F. Codd, zurück. Er stellte 12 Regeln zur Handhabung von Daten vor, aus denen der neue Ansatz resultierte (Codd et al. 1993). OLAP beschreibt eine Software-Technologie, die es Führungskräften ermöglicht bzw. erleichtert, Einblick in unternehmensrelevante Informationszusammenhänge zu erhalten. Die zu analysierenden Daten können mit unterschiedlichen Funktionen, wie Drill Down, Roll Up, Slicing (Rotation), und Data Dising (Ranging), von verschiedenen Blickwinkeln aus und auf verschiedenen Aggregationsstufen betrachtet werden. Es handelt sich also um einen Wechsel von Dimensionen und Verdichtungsstufen, d.h. um eine Navigation im mehrdimensionalen Datenraum (Muksch & Behme, 2000) (S.30). Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 213 OLAP kann dementsprechend als multidimensionales Analyseinstrument von Unternehmensdaten und nicht nur als neues Datenbankkonzept angesehen werden (Gluchowski et al. 1997) (S.282). OLAP-Instrumente arbeiten gemäss dem Top-Down-Ansatz und werden dann angewandt, wenn man eine Hypothese hat, die anhand von Daten verifiziert oder verworfen werden soll. Der Benutzer ist dementsprechend in der Lage, Daten abzufragen und zu analysieren, allerdings liefert die Software keine Lösungsvorschläge, die Interpretation der Datenergebnisse bleibt somit jedem Endanwender selbst überlassen (Holthuis, 1999) (S.49ff.). Das Verfahren ist daher nicht fähig, neue Hypothesen zu entdecken, unbekannte Strukturen zu erkennen oder Trends aufzuspüren. Dementsprechend ist das eigentliche Hauptanwendungsgebiet des OLAP im Controlling-Bereich anzusiedeln, da es hier eher um das Erkennen von Abweichungen, als um die Entdeckung von neuen Zusammenhängen geht (Muksch & Behme, 2000) (S.31). ?? Data Mining Im Gegensatz zum OLAP wird Data Mining als Prozess zum Entdecken und Extrahieren unbekannter, nicht trivialer und wichtiger Informationen aus umfangreichen Datenbanken aufgefasst (Fayyad et al. 1996) (S.6ff.). Die Vorgehensweise ist beim Data Mining also eher „Bottom-up“, d.h. die Hypothesen bzw. die Zusammenhänge können vom System selbstständig entdeckt werden. Die Durchführung einer Data MiningUntersuchung beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Anwendung eines Algorithmus auf eine Datenmenge, sondern es handelt sich vielmehr um einen sehr aufwendigen Prozess (Knobloch & Weidner, 2000) (S.347). Grundsätzlich verfolgt der Data Mining-Ansatz zwei Ziele: zum einen wird die zuve rlässige Prognose zukünftiger oder unbekannter Entwicklungen angepeilt, zum anderen wird zum Zweck der Erkennung interessanter Datenmuster eine Analyse einer umfangreichen Datenmenge durchgeführt. Ein typischer Anwendungsfall für das Data Mining im Rahmen des Building Blocks „Customer Profiling“ besteht darin, Kunden auf Grund ihrer Eigenschaften und ihres Verhaltens in Gruppen zusammenzufassen, um dann eine gezielte Ansprache durch Vertrieb und Marketing zu ermöglichen. Streuverluste, die dadurch entstehen, dass kaufunwillige Kunden mit kostenaufwendigen Marketing-Massnahmen umworben werden, können so minimiert werden. Techniken des Data Mining sind neben den traditionellen statistischen Verfahren (z.B. Korrelationsanalyse etc.) auch Verfahren, die aus der informationstheoretischen Ky- 214 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien bernetik (z.B. Neuronale Netze etc.) kommen. Der Grund für die erneute Betrachtung dieser Verfahren im Rahmen des Data Mining ist darin zu sehen, dass zum einen die verbesserten Möglichkeiten zur Analyse und im Umgang mit grossen Datenmengen auf Grund hochleistungsfähiger Informationstechnologie hinzugekommen sind und zum anderen den durch die Kombination mehrerer Verfahren zur Lösung komplexer Aufgabenstellungen gewonnen Spielraum bei der Untersuchung grosser Datenvolumina (Muksch & Behme, 2000) (S.31f.). ?? Knowledge Discovery in Database (KDD) Die mit Hilfe der Data Mining Verfahren entdeckten Zusammenhänge stellen allerdings per se noch kein Wissen dar. Erst durch zusätzliche Massnahmen der Bewertung und der Interpretation kann beurteilt werden, ob es sich um tatsächlich interessante Informationen, im Sinne von gültigen, neuartigen, nützlichen und verständlichen Informationen handelt. Des weiteren sind Selektions-, Vorverarbeitungs- und Transformationsprozesse notwendig, um die Qualität des gefundenen Wissens sicherzustellen (Fayyad et al. 1996) (S.9). Der Prozess des KDD vereint diese vor- und nachgelagerten Aktivitäten mit dem eigentlichen Data Mining in einem Lösungsverfahren zur Wissensentdeckung. Genau genommen stellt somit das Data Mining, das teilweise gerne als Schlagwort genutzt wird, nur einen Teilbereich des KDD-Prozesses dar (Muksch & Behme, 2000) (S.32). Im einzelnen können fünf Schritte ausgemacht werden, die für die Wissensentdeckung aus grossen Datenmengen notwendig sind. Die einzelnen KDD-Phasen werden in Anlehnung an (Knobloch & Weidner, 2000) (S.349) im folgenden kurz stichpunktartig erläutert. ?? „Selektion der Daten: Lokalisierung geeigneter Datenquellen; Auswahl von Datensätzen und Attributen; Stichprobenbildung ?? Exploration der Daten: Kennenlernen der Struktur des Datenmaterials und seiner Mängel ?? Manipulation der Daten: Beseitigung von Datenmängeln und Transformation der Datendarstellung ?? Analyse der Daten: Durchführung der Data Mining-Untersuchung ?? Interpretation der Daten: Bewertung der gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich ihrer Interessantheit und Interpretation ihrer Bedeutung“ Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 215 Nachdem dieser Prozess durchlaufen wurde, sollte das entdeckte Wissen soweit wie möglich an die entsprechenden betroffenen Stellen kommuniziert werden, um in die Entscheidungen einfliessen zu können und die notwendigen Massnahmen, wie zum Beispiel die individuelle Ansprache gemäss der identifizierten Kundenwünsche, zu veranlassen. Bezogen auf den Building Block „Designing Customer Interaction“ ergeben sich als Ergebnis die Nutzerprofile. ?? Collaborative Filtering Eine weitere Möglichkeit Profile der Nutzer zu erhalten und entsprechende Massnahmen daraus abzuleiten, ergibt sich durch das Collaborative Filtering. Idee der bereits vorgestellten Verfahren ist es, aus vorherigen Transaktionen der Kunden mögliche, individuelle Präferenzen zu extrapolieren, die dann als Basis von individuellen Angeboten genutzt werden können. Das Konzept des kollaborativen Filtern geht allerdings noch weiter, indem es eine Möglichkeit schafft, die eigenen Präferenzen in Abhängigkeit zu Präferenzen anderer zu setzen. Auf Grund der Ähnlichkeit von Präferenzmustern bei verschiedenen Kunden werden Empfehlungen für die jeweiligen Kunden ausgesprochen. Bei der Musik-Site MyLaunch beispielsweise, wird jeder User aufgefordert, mindestens 10 seiner Lieblings-CDs anzugeben. Diese Angaben werden dann mit einer Vielzahl von anderen User-Präferenzen verglichen, bei ähnlichen Präferenzmustern kann von einem in grossen Teilen gleichen Musikgeschmack ausgegangen we rden, so dass dem Kunden weitere, nicht selbstgenannte CDs vorgeschlagen we rden, die von den anderen Usern mit ähnlichem Geschmack als gut bewertet worden sind. Neben MyLaunch nutzen auch andere Anbieter, wie Amazon oder Barnes & Noble, diese Systeme, um ihre Kunden zu binden (Kelly, 1998) (S.120). Der Reiz der Systeme des Collaborative Filtering liegt in dem Aufbau von „Geschmacks-Gemeinschaften“, die eine starke Bindung zu dem jeweiligen Anbieter hervorrufen können (Zerdick et al. 1999) (S.196) und in den optimierten und auf den individuellen Präferenzen basierenden Angeboten für die Kunden. Eine weitere, interessante Besonderheit ergibt sich aus dem Aufwand, den die Kunden betreiben müssen, um ihre individuellen Präferenzen anzugeben. Im Sinne des unter 2.2.4.1 vorgestellten Investment-Modells handelt es sich hierbei um Investitionen, die sich positiv auf den Grad der Kundenbindung auswirken. Entscheiden sich die Kunden für einen Anbieter, werden sie ungern den Aufwand auf sich nehmen, auch noch bei einem anderen Anbieter die persönlichen Wünsche anzugeben, so dass sich eine LockIn-Situation ergeben kann. 216 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 4.5.3.4 Formen von Nutzerprofilen Im folgenden werden die im Rahmen der Datenanalyse erstellten Nutzerprofile und ihre entsprechenden Dimensionen genauer betrachtet. Ein Nutzerprofil wird in der vo rliegenden Arbeit als zeitraumbezogene Beschreibung verschiedener marketingrelevanter Merkmale eines einzelnen aktuellen oder potentiellen Kunden, aus der sich individuelle Bedürfnisse und zukünftiges Verhalten ableiten lassen, verstanden. Prinzipiell können verschiedene Datentypen, die ein Nutzerprofil bilden, unterschieden werden ((Link, 2000) (S.195ff.); (Glazer, 2000)): ?? Soziodemographische Daten Diese Daten sind unabhängig von dem Verhältnis zu einem Anbieter und der entsprechenden Beziehung. Beispiele für Daten dieser Art sind der Name, Alter, Geschlecht, Wohnort etc. ?? Aktionsdaten Die Kategorie dieser Daten enthält Informationen zum bisherigen Kaufverhalten der einzelnen Kunden. Es werden die durchgeführten Interaktionen, z.B. Aufträge, Anfragen, Reklamationen etc. abgebildet. Kurz: Was kauft der Kunde, wann, wo, wie und warum? Diese Daten stellen insofern die Basis für die Erhebung der Reaktionsdaten dar. ?? Reaktionsdaten Reaktionsdaten umfassen Informationen des jeweiligen Kunden auf bisherige Marketingaktivitäten, d.h., hat sich beispielsweise das Einkaufsverhalten (beschrieben durch die Aktionsdaten) auf Grund eines individualisierten Angebots verändert. Die Reaktionsdaten spiegeln somit eine gewisse Resonanz auf die durchgeführten Massnahmen wieder und bilden eine Art Feedback auf die jeweilige Massnahme. Es geht also darum, wie der einzelne Kunde auf ve rschiedene Marketing-Aktivitäten reagiert. ?? Potentialdaten Die Kunden werden zum einen bzgl. ihrer aktuellen Kaufkraft bewertet und selektiert, zum anderen spielen allerdings auch Daten zu der potentiellen Entwicklung des einzelnen Kunden (z.B. die Kaufkraftentwicklung von Studenten) eine wichtige Rolle bei der Beschreibung des Kunden. Diese Daten bestimmen häufig die „Investitionswürdigkeit“ des einzelnen Kunden. 217 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Aus all diesen Daten entsteht im Laufe der Zeit für jeden einzelnen Kunden ein Profil, das eine Vielzahl von Merkmalen enthalten kann. Für einen Anbieter mit einer Vielzahl von Kunden bedeutet das, dass ein Datenwürfel entsteht, aus dem die jeweiligen Nutzerprofile gewonnen werden können. Dieser Würfel kann dabei als Customer Information Cube (CIC) bezeichnet werden. Folgende Abbildung verdeutlicht den Zusammenhang der verschiedenen Datenkategorien, der zeitlichen Entwicklung und der jeweiligen Kunden. Nutzerprofil des Kunden n Periode n Periode 3 Periode 2 Periode 1 Kunde n Potentialdaten des Kunden 1 in der Periode 1 Kunde 3 Kunde 2 Kunde 1 Merkmale Aktionsdaten Reaktions- Potentialdaten daten Abbildung 4-21: Customer Information Cube (CIC) zur Erstellung von Nutzerprofilen Durch den Aufbau einer umfassenden Kundendatenbank können zahlreiche Informationen in Form von Nutzerprofilen gewonnen werden, die zur einer Verbesserung der Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern beitragen. Eine weitere, interessante Unterscheidung in verschiedene Profiltypen findet sich bei (Lechner et al. 1998) (S.5). Folgende Tabelle gibt einen Überblick zu den identifizierten Nutzerprofilen. 218 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Profiltyp Eigenschaft Systemprofil Benutzer-ID, Rechte und durchgeführte Aktivitäten (Login-Zeiten, Dateizugriffe, verbrauchte Ressourcen, etc.) Sessionprofil Zustandsinformationen während einer ununterbrochenen Sitzung (Zugriffspfad, "clickstream", Status, etc.) Benutzerprofil Selbstkategorisierung seitens des Kunden in vordefinierte Kategorien (Alter, Geschlecht, Hobbys, etc.) Inhaltsprofil Selbstauswahl von angebotenen Präferenzkategorien (bei Büchern z.B. Science Fiction, Computer, Business) Transaktionsprofil Summe der aufgezeichneten Zugriffe auf vordefinierten Kategorien, die ein vermeintliches Interesse widerspiegeln (Politik, Computer, Weltgeschehen, Börse, etc.) Community Profil Typisierung anhand vordefinierter Schablonen für eine Zuordnung zu Gemeinschaftsgruppen und das anschliessende "Matching" von Präferenzen (Buchkategorie, Sänger, etc.) Fall-basiertes Profil Aufzeichnung verzweigender Abfragestrukturen, durch die der Benutzer hi ndurchnavigiert Tabelle 4-11: Typisierung möglicher Nutzerprofile43 43 Quelle: (Lechner et al. 1998) (S.5) Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 219 Ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil in der Erstellung von Nutzerprofilen liegt in der Tatsache begründet, dass diese Profile nur sehr schwer kopierbar sind. Wie bereits angedeutet, steigt die Qualität der Kundenprofile mit der Anzahl der Transaktionen (Pine et al. 1995). Ein Anbieter lernt seine Kunden immer besser kennen und kann sich ein immer genaueres Bild von deren Bedürfnissen machen. Je länger also eine Beziehung zwischen Kunden und Anbieter anhält, desto genauere Profile der Kunden können erstellt werden. Basierend auf diesen Profilen können dem Kunden individuellere Angebote gemacht werden, so dass der Kunde auf Grund der passenden Produkte noch zufriedener wird und auch andere Produkte des Anbieters nutzt. Insofern kann sich ein positiver Wirkungskreis ergeben, da durch die vermehrten Transaktionen auch das Kundenprofil wiederum verbessert werden kann. Der enorme Wert der Kundenprofile liegt neben den besseren und individuelleren Angeboten insbesondere in der Tatsache begründet, dass individuelle Kundenprofile nicht kopiert werden können, da sie ein Ergebnis mehrmaliger Transaktionen zwischen Anbieter und Kunden sind. Die genaue und individuelle Identifikation der Bedürfnisse der Kunden in Form der Nutzerprofile stellt somit eine Möglichkeit dar, Wechselbarrieren aufzubauen. Gekaufte Kundenprofile haben im Gegensatz dazu nicht die gleiche Qualität wie selbst erstellte, da sie in der Regel eher allgemein gehalten sind und somit nur schwer als Basis für Produktvorschläge dienen können. Allerdings stellt sich die Frage, ob wirklich ein Profil pro Kunde ausreichend ist, da ein Kunde auch verschiedene Rollen übernehmen kann, die ein sinnvollen Vorschlag für diesen Kunden erschweren können. So kann der Kunde beispielsweise in einem Fall als Familienvater auftreten, der sich für Kinderbücher interessiert, und in einem anderen Fall zeigt der gleiche Kunde grosses Interesse an dem Thema e-Business. Für die zur Zeit verfügbaren Softwarelösungen zum Customer Profiling ergibt sich in dem Fall der Vorschlag für den Kauf eines neuen Buches aus der Schnittmenge der Bücher, die sowohl Informationen zum e-Business als auch Kindergeschichten enthalten. Auf Grund der zusammengeführten unterschiedlichen Profile wird sich kaum ein geeigneter Vorschlag finden lassen. Insofern wäre zu überlegen, inwieweit es Möglichkeiten gibt, dass der Kunde in seiner Rolle erkannt wird, so dass der Anbieter ihm gemäss seinem rollenspezifischen Interesse (in dem Fall Familienvater, der Interesse an Kinderbüchern hat) sinnvolle Vorschläge unterbreiten kann. 4.5.3.5 Juristische Beschränkungen Die jeweils relevanten juristischen Beschränkungen sind von den verschiedenen Gesetzen der jeweilige Ländern abhängig und in vielen Fällen gegenwärtig einem Wandel unterworfen. In der Bundesrepublik Deutschland beispielsweise gibt es seit den 70er Jahren das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), das auch im Rechtsbereich zwi- 220 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien schen Anbietern und Nachfragern Anwendung findet. Nach diesem Gesetz ist beispielsweise das Erstellen von Kundenprofilen zu Werbe- oder Marketingzwecken bei Reiseunternehmen oder Kreditinstituten unzulässig. Auch das 1997 verabschiedete Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (IuKDG) enthält Vorschriften zum Schutz vor Erhebung und Nutzung persönlicher Daten. Im Jahre 2000 neu hinzugekommen ist das Fernabsatzgesetz (FernAbsG), das am 30. Juni nach mühevollen Verhandlungen verabschiedet wurde. Es bietet dem Verbraucher einen umfangreichen Schutz beim online-Kauf. Das Gesetz stellt dabei eine Umsetzung der EU-Richtlinie 97 / 7 / EG dar (Krause, 2000) (S.108 ff.). Allerdings wird dieses Thema im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht vertieft behandelt, so dass an dieser Stelle auf die entsprechende Literatur (vgl. (Wittig, 1997), (Krause, 2000)) verwiesen wird. Grundsätzlich ist dennoch festzuhalten, dass die juristischen Rahmenbedingungen bei der Erstellung und Nutzung von Kundenprofilen unbedingt im Vorfeld abzuklären sind, um etwaige spätere Überraschungen zu vermeiden. 4.5.3.6 Beziehungen zu anderen Building Blocks Interessant ist hier auch die Verknüpfung zwischen den Massnahmenblöcken “Creating Added Value for the Customer” und „Designing Customer Interaction“ auf der einen Seite und “Customer Profiling” auf der anderen Seite, da nur auf Grund von genauer Kenntnis der Bedürfnisse der Kunden die passenden Produkte bzw. die entsprechenden Informationen angeboten werden können. Folgendes Schaubild verdeutlicht diesen Zusammenhang. 221 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Designing Customer Interaction Data Warehousing Creating Added Value for Customer Analyse der Daten Nutzerprofile Customer Profiling Weitere Quellen Abbildung 4-22: Beziehungen zwischen den Building Blocks „Customer Profiling“, „Creating Added Value for the Customer“ und „Designing Customer Interaction“ Es wird deutlich, dass neben den anderen Datenquellen, wie sie unter 4.5.3.1 beschrieben worden sind, auch der Building Block „Designing Customer Interaction“ relevante Informationen beisteuern kann. Die erhobenen Daten durchlaufen den Prozess des Customer Profiling, so dass sich als Ergebnis das individuelle Nutzerprofil ergibt. Dieses Profil dient wiederum als Basis für die Ableitung von entsprechenden Massnahmen. Zum einen kann im Rahmen des Building Blocks „Designing Customer Interaction“ die Kommunikation mit dem Nachfrager auf seine individuellen Bedürfnisse abgestimmt werden und zum anderen können die Daten des Nutzerprofils bei der Individualisierung der angebotenen Leistung („Creating Added Value for the Customer“) hilfreich sein. Ebenso stehen die beiden Building Blocks selbst zueinander in Beziehung, da beispielsweise auch die individualisierte Leistung kundengerecht kommuniziert werden muss. Es zeigt sich somit die Entstehung eines Wirkungskreislaufes, der mit jeder positiv durchlaufenen Schleife die Intensität der Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager stärker werden lässt. 4.5.3.7 Zusammenfassende Betrachtung Ziel der Massnahmen des Building Blocks „Customer Profiling“ ist es, Nutzerprofile zu generieren, um so die individuellen Kundenbedürfnisse erfüllen zu können. Die Massnahmen lassen sich grob in vier Kategorien (Datenerhebung, -aufbereitung, auswertung und Ableitung der entsprechenden Massnahmen) aufteilen, wie folgende Abbildung verdeutlicht. 222 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Datenerhebung Juristische Beschränkungen Datenquellen Datenaufbereitung Data Warehouse OLAP Data Mining KDD Collaborative Filtering Datenauswertung Nutzerprofile Ableitung entsprechender Massnahmen Abbildung 4-23: Kategorien der Massnahmen des Building Blocks „Customer Profiling“ des MCR-BM-Modells Bei der Durchführung der Massnahmen sind sowohl die juristischen Beschränkungen des jeweiligen Landes als auch die Sorge der Nutzer vor Datenmissbrauch zu beachten. Das Ergebnis dieses Massnahmenblocks stellt unter anderem die Grundlage für die Building Blocks „Designing Customer Interaction“ und „Creating Added Value for the Customer“ dar, so dass sich auch an dieser Stelle wieder die engen Verknüpfungen zu den anderen Building Blocks zeigen. 4.5.4 Creating Trust Das Vertrauen der Nachfrager in die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft des Anbieters bildet eine wesentliche Basis für die Gestaltung einer Austauschbeziehung zwischen den jeweiligen Transaktionspartnern. Neben der grundsätzlich vorhandenen Unsicherheit in Kaufsituationen, ob die Wünsche des jeweiligen Kunden auch wirklich erfüllt werden (vgl. 2.2.4.2), erfährt diese Determinante insbesondere in den neuen Medien, wie unter 4.2.4.2 herausgearbeitet wurde, eine steigende Bedeutung, so dass der Aufbau und die Pflege von Vertrauen als Hauptziel der Massnahmen des Building Blocks „Creating Trust“ bezeichnet werden kann. 223 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien In Analogie zu den anderen Building Blocks werden an dieser Stelle die relevanten Fragen, die jeweiligen Massnahmen und die entsprechenden Resultate des Building Blocks „Creating Trust“ in der folgenden Abbildung dargestellt. Was ist Vertrauen ? Wie kann Vertrauen aufgebaut werden ? Definition Nutzen für Nachfrager und Anbieter Vertrauensbildende Mass. Gesteigertes Vertrauen Nicht-techn. Welche Bedeutung hat die Marke ? Techn. Exkurs: Branding Erhöhter Markenwert Abbildung 4-24: Relevante Fragen, abgeleitete Massnahmen und die entsprechenden Resultate des Building Blocks „Creating Trust“ Nach (Winand & Pohl, 1998) (S. 248) ist Vertrauen „eine soziale Grunddisposition gegenüber anderen Menschen oder Institutionen mit individuell unterschiedlicher Ausprägung. Vertrauen befähigt, die Komplexität und Kontingenz menschlichen (und organisationalen) Handelns zu mindern. Vertrauen stärkt so die Handlungsfähigkeit von Akteuren und Institutionen.“ Vertrauen hat somit eine subjektive Komponente, die durch die gemachten Erfahrungen geprägt wird. Deme ntsprechend spielt die Wahrnehmung des Vertrauens durch die einzelnen Kunden eine wesentliche Rolle beim Aufbau und der Pflege von Vertrauen. Daraus folgert der Schluss, dass vertrauensbildende Massnahmen in der Art kommuniziert werden müssen, dass sie von den Nachfragern wahrgenommen und verstanden werden können. Beispielsweise können vom technischen Standpunkt aus betrachtet sichere und verschlüsselte Transaktionen auf Grund mangelnden Verständnisses bei den Nutzern nicht als vertrauensbildende Massnahme verstanden werden. Welcher Nutzer kennt sich schon genau mit den unterschiedlichen Verschlüsselungstechnologien aus? Des weiteren muss in diesem Kontext betrachtet werden, dass Vertrauen eine sehr fragile Ressource darstellt. Der Aufbau von Vertrauen ist in der Regel ein langwieriger Prozess, der mehrere als positiv empfundene, gemachte Erfahrungen voraussetzt, so dass der Vertrauensaufbau Nachhaltigkeit, Stetigkeit und Zuverlässigkeit erfordert. Der Verlust des entsprechenden Vertrauens hingegen kann sich relativ schnell vollzie- 224 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien hen, so dass neben dem Aufbau auch der Pflege des Vertrauens Beachtung geschenkt werden muss (Kollock, 2001). Die Massnahmen des Building Blocks „Creating Trust“, die im folgenden vorgestellt werden, erfüllen sowohl die Funktion, Vertrauen aufzubauen, als auch das gewonnene Vertrauen zu pflegen. Prinzipiell können die Massnahmen in nicht-technische und technische Möglichkeiten unterschieden werden. Die technischen Massnahmen der Vertrauensbildung beziehen sich dabei auf die Gewährleistung sicherer Transaktionen und die damit zusammenhängenden Bereiche, wie beispielsweise Identifikation der Transaktionspartner etc. Die nicht-technischen Massnahmen beinhalten vertrauensbildende Möglichkeiten, die die Signalisierung von Leistungsfähigkeit und – willen in Form von Trans-parenz, Gütesiegeln, Garantien, Berichten von unabhängigen Dritten, Privacy Policy und Branding umfassen. Da das Branding als ein wesentliches Instrument zur Etablierung von Vertrauen in den neuen Medien angesehen werden kann, ist diesem Thema ein Exkurs gewidmet, der diesen Bereich ausführlicher erläutert. 4.5.4.1 Nicht-technische Möglichkeiten der Vertrauensbildung Im folgenden werden fünf nicht-technische Instrumente der Vertrauensbildung beschrieben. ?? Schaffung von Transparenz Wie unter 4.2.4.2 bereits beschrieben, fehlt in den neuen Medien häufig der direkte physische Zugriff auf den Anbieter, so dass sich Reklamationen teilweise nur schwer durchsetzen lassen. Um bei einem ersten Kontakt Vertrauen aufzubauen, ist es daher sinnvoll, sich dem Interessenten beispielsweise in Form eines Unternehmensprofils vorzustellen und zu kommunizieren, wie der Anbieter auch über andere Kanäle (z.B. Telefon, Filiale) erreicht werden kann. Das Unternehmensprofil sollte dabei Fakten, wie die Grösse, Umsatz, Geschichte etc. aufzeigen, die diesen Anbieter als vertrauenswürdig erscheinen lassen und dem Interessenten die Möglichkeit geben, sich ein Bild von dem Anbieter zu machen. Diese Transparenz muss sich auch auf die Gestaltung der Preise beziehen, so dass den Nachfragern klare Preise, d.h. inklusive aller Nebenkosten, angeboten werden, so dass die Kunden wissen, was sie kostenmässig zu erwarten haben (Rothe, 2001). Ebenso muss die Transaktion an sich transparent sein. Der potentielle Kunde muss in der Lage sein, jederzeit den Inhalt seines elektronischen Warenkorbes beim Einkaufen zu prüfen und im Zweifelsfall wieder zurücksetzen zu können. Der elektronische Wa- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 225 renkorb muss die Preise und Mengen aller bestellten Waren enthalten. Den Ausdruck kann der Kunden dann als Beleg aufbewahren (Stolpmann, 2000) (S.163). Des weiteren wirkt es vertrauensfördernd, wenn konkrete Ansprechpartner genannt werden, die im Reklamationsfall direkt angesprochen werden können. Teilweise we rden sogar Bilder von Mitarbeitern auf den entsprechenden Websites gezeigt, um zum einen eine „persönlichere“ Atmosphäre zu erzeugen und zum anderen um direkt einen Ansprechpartner vorzustellen (Krause, 2000) (S.367ff.). ?? Gütesiegel Es stellt sich allerdings die Frage inwieweit ein Interessent den Angaben des Anbieters Glauben schenken kann oder will, so dass eine Prüfung der Angaben durch unabhängige Instanzen den Vertrauensbildungsprozess mit hoher Wahrscheinlichkeit fördert. Diese Prüfung der Seriosität des Anbieters wird häufig mit einem Gütesiegel dokumentiert. Durch derartige Gütesiegel wird den damit gekennzeichneten Leistungen ein Mindestmass an Qualität bescheinigt (Kuhlmann, 1990) (S.151 ff.). Die Gütesiegel erfüllen dabei den Zweck, dass die Interessenten sich bei der Auswahl der Produkte an diesen Qualitätsversprechen orientieren können, so dass ihnen ein Teil der Unsicherheit beim Kauf genommen wird, insofern kann ein Gütesiegel auch als Qualitätssignal ve rstanden werden. Allerdings führen diese Überlegungen insbesondere in den neuen Medien zu einer Inflation der Gütezeichen, so dass die Anzahl von allein in Deutschland verwendeten Gütezeichen bereits 1996 auf über 1000 geschätzt wurde (Böhmer & Schnitzler, 1996) (S.31). Der Wert eines Gütesiegels bestimmt sich gemäss des Sorting Rule Modell von (Cox, 1967) aus dem Informationswert, der sich aus dem Vorhersage- und Sicherheitswert des Siegels ergibt. Der Sicherheitswert hängt dabei von der Glaubwürdigkeit der Prüfinstanz ab, d.h. hat der Nachfrager gegenüber der Institution, die ein Siegel vergibt, überhaupt Vertrauen. Der Vorhersagewert ist das Ausmass, in dem der Interessent von einem Signal mit hohem Sicherheitswert annimmt, von diesem Siegel auf die Qualität der Leistung schliessen zu können. Ob externe Qualitätssiegel glaubwürdige Signale darstellen, hängt insofern stark von der Reputation, Bekanntheit und Verbreitung des Qualitätskennzeichens ab, denn auch mit Informationen dieser Art geht ein Qualitätsrisiko einher (Kaas, 1994). Eine Untersuchung von (Gierl & Winkler, 2000) belegt, dass ein Gütesiegel einen ve rgleichsweisen hohen Informationswert ausweist, wenn die Interessenten häufig mit dem Siegel in Ko ntakt kommen. 226 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Als Beispiel für ein Gütesiegel für online-Shops kann das vom deutschen Einzelhandelsverband und den grossen Handelskonzernen getragene Euro-Handelsinstitut (www.ehi.org) vergebene Prüfsiegel genannt werden. Bevor ein online-Shop das EHI-Logo „Geprüfter online-Shop“ tragen darf, müssen eine Reihe von Anforderungen und Kriterien erfüllt werden, die durch einen Fachbeirat geprüft werden. Entspricht der Shop den Anforderungen, wird ein Vertrag geschlossen, in dem sich der geprüfte Shop verpflichtet, für die Dauer des Vertrages die geforderten Kriterien einzuhalten. Die zehn Kriterien des EHI-Gütesiegels umfassen: ?? Allgemeine Geschäftsbedingungen ?? Mindestanforderungen bei der Datentransaktion ?? Einhaltung der Datenschutzbestimmungen ?? Gesetzliche Vertriebsbeschränkungen und Jugendschutz ?? Verbindliche Preisangaben ?? Abbuchungszeitpunkt bei elektronischen Zahlungsverfahren ?? Transparenter Warenkorb ?? Feedback bei Bestellungen ?? Verbindliche Lieferaussagen ?? Rückgaberecht Wird eines der Kriterien nicht eingehalten, haben die Kunden die Möglichkeit, sich mittels Feedback-Formular an das Euro-Handelsinstitut zu wenden, um die Versäumnisse des jeweiligen Anbieters anzuzeigen. Das EHI tritt dann, nach Prüfung der Sachlage, mit dem jeweiligen Anbieter in Kontakt, damit die beanstandeten Mängel behoben werden. Sollte dies nicht der Fall sein, wird dem entsprechenden Anbieter das Logo entzogen, so dass sich somit eine Sanktionsmöglichkeit ergibt, die den Wert des Gütesiegels positiv beeinflusst. ?? Garantien Die Zusicherung von Garantien stellt des weiteren eine gute Möglichkeit dar, Vertrauen aufzubauen und zu pflegen, da sie die Unsicherheit der Konsumenten beim Kauf reduzieren. Insofern können Garantien als weitere Risikominimierungsstrategie, wie sie unter 2.2.4.2 beschrieben worden sind, angesehen werden. 227 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Garantien können als Umtauschrechte, Geld-zurück-Garantien oder auch Qualitätsund Haltbarkeitsgarantien ausgestaltet sein (Gabler, 2000) (S.1178). Auch diese Zusicherungen seitens der Anbieter können als Qualitätssignale verstanden werden, da der Anbieter von der Qualität seiner Leistungen überzeugt sein muss, da es ansonsten ökonomisch betrachtet keinen Sinn ergeben würde, Garantien zu geben. Selbst wenn der Garantiefall eintreten sollte, ergibt sich für den Anbieter immer noch der Vorteil, dass sich der Kunde in der Regel aus eigenem Interesse an das Unternehmen wendet, so dass der Anbieter die Möglichkeit hat, die Abwanderung des Kunden durch eine kulante Garantieregelung zu verhindern. Allerdings kann eine aus Nachfragersicht höchstwahrscheinlich willkommene Garantieregelung, teilweise auch an rechtliche Grenzen stossen, wie der spektakuläre Fall von Lands‘ End zeigt. Die von dem amerikanischen Hersteller angebotene lebenslange Garantie ist in Deutschland auf Grund des Wettbewerbsrechtes abgemahnt worden (Stolpmann, 2000) (S.170), da in Deutschland Garantiezusagen zeitlich nur in den Grenzen der §§ 225 S.1, 195 BGB zulässig sind, äussertenfalls also auf die Dauer von 30 Jahren (Gabler, 2000) (S.1899). Folgende Abbildung zeigt die Auffassung dieses Anbieters zum Thema Garantie und Risikoreduktion. Abbildung 4-25: Vertrauensbildende Massnahmen am Beispiel von Lands‘ End44 44 Quelle: www.landsend.com 228 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Weitere Ausprägungen von Garantien können auch in Form von Best-Price-, Sofortschutz, Best-Service- und Sicherheitsgarantien existieren, wie sie unter anderem von dem Versicherungsmakler Insurance City AG aus Frankfurt am Main (www.insurancecity.de) angeboten werden. Idee der Best-Price-Garantie beispielswe ise ist es, dass die Kunden ihr Geld zurückbekommen und der bestehende Vertrag aufgelöst wird, wenn sie einen anderen Anbieter finden, der eine adäquate Leistung preiswerter anbietet. Es handelt sich also dementsprechend für den Kunden um eine Absicherung in den jeweiligen Aspekten, wie Preis, Service etc., das beste Angebot zu erhalten. Anbietern, die solche umfangreichen Garantien bieten, wird in der Regel Vertrauen geschenkt, so dass somit ein positiver Beitrag zur Gestaltung der Kundenbeziehung geleistet werden kann. ?? Berichte von unabhängigen Dritten In der Regel vertrauen Interessenten bei der Suche nach dem passenden Produkt lieber unabhängigen Personen oder Institutionen, die keine direkte Abhängigkeit von dem entsprechenden Anbieter aufzeigen, als beispielsweise dem Verkaufspersonal des jeweiligen Anbieters. Insofern ergeben sich für Anbieter durch die Darstellung von objektiven Testberichten zu den angebotenen Leistungen von unabhängigen Instituten, wie beispielsweise der Stiftung Warentest (www.warentest.de) Möglichkeiten, Ve rtrauen aufzubauen. Ebenso können auf den anbietereigenen Websites bestehende Kunden ihre Meinungen zu angebotenen Produkten und Leistungen in entsprechenden Foren kund tun, wie dies beispielsweise bei online-Buchläden in Form von Leserrezensionen häufig geschieht. Dies hat im wesentlichen zwei Vorteile für die Anbieter, zum einen erfahren sie direkt aus erster Hand, wenn Kunden unzufrieden sind und zum anderen gibt man Kunden über die Möglichkeit, eine eigene Bewertung zu schreiben und auf den Websites des Anbieters veröffentlichen zu können, das Gefühl, dass sie sich als Kunden ernst genommen fühlen können und etwas „Besonderes“ sind. Allerdings können Nachfrager auch ohne Beteiligung des entsprechenden Unternehmens ihre Meinung zu den Leistungen veröffentlichen, wie die Meinungsplattformen www.ciao.com, www.vocatus.de, etc. verdeutlichen. Dieser Aspekt soll hier jedoch nicht weiter vertieft werden, sondern wird vielmehr im Building Block „Establishing Virtual Communities“ unter 4.5.5 ausführlicher behandelt. Insofern zeigen sich auch an diesem Beispiel wieder die engen Verknüpfungen und Abhängigkeiten der Building Blocks untereinander. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 229 Als weitere Möglichkeit im Rahmen der Berichte durch unabhängige Dritte, kann die Vorstellung von zufriedenen Referenzkunden und der entsprechenden Kundenaussagen auf der Website genannt werden. Des weiteren bieten sich aktuelle Kundenlisten, Success-Stories und Verweise auf Referenzanwendungen an, um das Vertrauen der Interessenten zu gewinnen (Stolpmann, 2000) (S.172). Nachfolgende Abbildung zeigt exemplarisch eine der genannten Optionen. Abbildung 4-26: Referenzkunden und deren Aussage als Instrument zur Vertrauensbildung45 ?? Privacy Policy Eine weitere vertrauensbildende Massnahme ist die Gestaltung, Kommunikation und Durchsetzung einer Privacy Policy (McGraw, 1999). Diese Privacy Policy hat den Sinn und Zweck, die Privatsphäre der Kunden zu schützen. Privacy kann dabei als „the right to be let alone and is related to solitude, secrecy, and autonomy“ (Wang et al. 1998) (S. 64) beschrieben werden. Bezogen auf die Anbieter-Nachfrager-Beziehung bedeutet das, dass „privacy usually refers to personal information and the invasion of 45 Quelle: www.informationsobjects.com 230 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien privacy is usually interpreted as the unauthorized collection, disclosure, or other use of personal information as a direct result of electronic commerce transaction.“ (Wang et al. 1998) (S. 64). Den Kunden muss daher klar kommuniziert werden, wie die erhobenen Daten genutzt werden, da sonst der Verdacht eines Datenmissbrauchs die Beziehung zwischen dem Anbieter und den Kunden belasten könnte. Zum Beispiel kann die Vorgehensweise bei der Sammlung und Auswertung der Daten auf der Webpage gezeigt werden. Ebenso kann auf diesem Weg die Intention, warum die Daten gesammelt und ausgewertet werden sollen, klar verdeutlicht werden. Insofern zeigt sich hier ein intensiver Bezug zu dem Building Block „Customer Profiling“. 4.5.4.2 Exkurs: Branding Das Thema Branding bzw. Markenmanagement als deutsche Übersetzung, erfreut sich in letzter Zeit einer immer grösseren Beliebtheit. Es gibt dabei verschiedene Motive für das rege Interesse an den Brands bzw. Marken. Zum einen hat so manches Unternehmen eine sehr grosse Summe zum Kauf einer Marke aufwenden müssen, weil die Entwicklung neuer Markennamen als Alternative von vornherein ausschied oder an den hohen Kosten zum Aufbau einer eigenen Marke gescheitert ist. Zum anderen setzt sich bei Marketingfachleuten immer mehr die Erkenntnis durch, dass neben den klassischen Marketingmassnahmen, wie zum Beispiel die Produkt- und Preisgestaltung, der Markenname als wichtiges Kriterium zur Differenzierung gegenüber anderen Angeboten von Wettbewerbern und zur erfolgreichen Gestaltung der Kundenbeziehung hinzugenommen werden kann, um einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil zu erreichen (Aaker 1996). Insbesondere parallel zu den Entwicklungen des Electronic Commerce rückt dieses Thema immer häufiger in den Vordergrund der Diskussionen. Die Brand hatte zwar schon immer eine gewisse Bedeutung, allerdings war sie durch ihren eher langfristig orientierten Ansatz nur schwer mit den Forderungen nach kurzfristigen Erfolgen der Shareholder in Einklang zu bringen. In der heutigen Zeit wird allerdings die Bedeutung der Marke immer entscheidender, da insbesondere in den neuen Geschäftsmedien die Brand mehr und mehr eine vertrauensschaffende Funktion übernimmt. Mit Hilfe eines erfolgreichen Markenmanagement sollen die Unsicherheiten in einer Kaufsituation, zum Beispiel auf elektronischen Märkten, abgebaut werden, um wirtschaftliche Transaktionen zu ermöglichen. Darüber hinaus soll angestrebt werden, den Kunden langfristig an das Unternehmen zu binden. Bei der Beschreibung des Begriffes Marke bzw. Brand kann man aus verschiedenen Blickwinkeln eine Definition finden. 231 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Aus Sicht der Produktpolitik ergibt sich Marke als "... bestimmtes produktbezogenes Merkmal und/oder Identifikations- und Differenzierungsmittel, welches ein Name, ein Zeichen, ein Design oder eine Kombination dieser Elemente sein kann." (Meffert & Bruhn, 1984) (S.26). Auch aus psychologischer Sicht lassen sich verschiedene Definitionen und Erläuterungen ableiten: "Die Marke ist eine durch besondere Produkt-, Angebots-, Preis- und Kommunikationsfaszination gekennzeichnete wiedererkennbare Ganzheit" (Köhler, 1993) (S.342). Im Rahmen dieser Arbeit soll Marke in Anlehnung an die „American Marketing Association (AMA)“ als „ein Name, ein Begriff, ein Zeichen, ein Symbol oder Design oder Kombination dieser Elemente, die dazu dienen, die Produkte oder Dienstleistungen eines Anbieters oder einer Anbietergruppe identifizierbar zu machen und sie von der Konkurrenz abzuheben" (American Marketing Association, 1994) (S.3) verstanden werden. Im folgenden werden nun sieben verschiedene Instrumente zum Markenmanagement vorgestellt, wobei sich eine Reihe von Überschneidungen zu den Massnahmen des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ergeben, was wi ederum die enge Verbundenheit dieser beiden Themen unterstreicht. Der Übersichtlichkeit halber sind die verschiedenen Massnahmen des Branding in der folgenden Graphik zusammengefasst. Massnahmen des Markenmanagement Klass. Werbung Preispolitik Distributionspolitik Produktionspolitik Promotions Garantien Externe Berichte Abbildung 4-27: Massnahmen des Markenmanagement ?? Klassische Werbung Klassische Werbung, verstanden als Werbung in den klassischen Medien (Print, TV und Radio) wird vor allem von der markenwertorientierten Literatur als das zentrale Instrument der Markenbildung betrachtet (Aaker, 1996). Der Aufstieg von Marken wie 232 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien zum Beispiel Coca-Cola, Marlboro, Nescafé, Nivea, etc. ist sicherlich auch zu einem grossen Teil durch Werbung verursacht worden. Dieses Instrument bietet sich im Gegensatz zu anderen Formen der Informationsübertragung als relativ kostengünstige Möglichkeit für den Anbieter an, den Markennamen bekannt zu machen und mit einer Produktkategorie zu verknüpfen. Werbung hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe, de n Nachfrager auf eine Marke aufmerksam zu machen, die unter Umständen sein Bedürfnis besser erfüllen kann als schon auf dem Markt bestehende Angebote. Unterstellt man der Werbung zumindest kurzfristig absatzsteigernde Wirkung, so hat der Einsatz von Werbung auch einen positiven Effekt auf die Markenverbreitung und auf die Markenreputation (Meffert & Bruhn, 1984). ?? Preispolitik Mit Hilfe des Preises können im wesentlichen zwei verschiedene markenpolitische Ziele erreicht werden. Zum einen kann der Preis als Qualitätsindikator gesehen werden und zum anderen kann über den Preis die Reputation der Marke beeinflusst werden. In diesem Zusammenhang wird die Überschneidung zu dem Aspekt des fairen PreisLeistungsverhältnisses des Building Block „Creating Added Value for the Customer“, der unter 4.5.2.3 beschrieben wurde, sichtbar, allerdings steht bei der Betrachtung an dieser Stelle die Funktion des Preises als Qualitätssignal im Vordergrund. Neben der Funktion als Qualitätsindikator hat der Preis einen Einfluss auf die Reputation einer Marke. Wird das Produkt zu einem vom Markt als fair empfundenes PreisLeistungs-Verhältnis angeboten, fördert das die Reputation der Marke (Kapferer, 1998). ?? Distributionspolitik Distributionspolitische Massnahmen zielen darauf ab, die physische Verfügbarkeit der Produkte zu sichern. In Bezug auf die im Rahmen der situativen Determinanten der Kundenbindung beschriebene Nichtverfügbarkeit (vgl. 4.2.3.1) ergibt sich auch eine direkte Verbindung zur Gestaltung der Kundenbeziehung, so dass auch hier Überschneidungen offensichtlich werden. Bei distributionspolitischen Entscheidungen geht es dementsprechend um die physische Auslieferung der Produkte, so dass der richtige Kunde das richtige Produkt zur richtigen Zeit an den richtigen Ort geliefert bekommt. Es geht hierbei also um Entscheidungen über Transportmittel und –wege, Standorte, Lagerhaltung, etc. Diese Entscheidungen haben auch Einfluss auf die Markenbekanntheit. So wird ein hoher Dist- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 233 ributionsgrad bei Massengütern positive kommunikative Effekte haben, weil die Kunden bei der Suche nach dem adäquaten Angebot regelmäßig mit einer bestimmten Marke Kontakt haben (Haedrich & Tomczak, 1990). Dementsprechend kann auch von einer Steigerung der Markenverbreitung ausgegangen werden. Wenn die Produkte eine hohe Markenbekanntheit haben, werden sich die Kunden häufiger für das Produkt mit der hohen Bekanntheit entscheiden, als eine unbekannte Alternative zu wählen. Insofern zeigt sich die unsicherheitsreduzierende Wirkung der Marke. ?? Produktpolitik Voraussetzung der natürlichen Markenbildung ist eine hervorragende Produktqualität (Domizlaff, 1982). Die angesprochenen non-funktionalen Zusatznutzen sind zwar für den Markterfolg an sich unverzichtbar, allerdings stellen sie keinen Ersatz für die funktionalen Produkteigenschaften dar (vgl. 4.5.2). Insofern kann die Produktpolitik ebenso neben einer Massnahme zur Gestaltung der Kundenbeziehung auch als markenpolitisches Instrument bezeichnet werden. Hervo rragende funktionale Qualität der Produkte wird sich positiv auf die Markenbekanntheit auswirken, da sich Informationen zu qualitativ hochwertigen Produkten schnell am Markt verbreiten. ?? Promotions Promotions werden im Rahmen dieser Arbeit als Verkaufsförderung verstanden und können als weiteres Instrument des Markenmanagement beschrieben werden. „Ve rkaufsförderung beinhaltet eine Vielzahl, meist kurzfristiger Anreize zur Stimulation schnellerer bzw. umfangreicherer Käufe bestimmter Produkte oder Dienstleistungen durch den Verbraucher oder den Handel“ (Kotler & Bliemel, 1999) (S. 10f.). Promotions sind eine Kombination aus produkt- und preispolitischen, kommunikativen sowie distributionspolitischen Massnahmen von zeitlich begrenzter Dauer. Während andere Instrumente dauerhaft zur Markenbildung eingesetzt werden, sind Verkaufsförderungsaktionen wie Sonderpreise, Produktproben oder Preisausschreiben in der Regel lediglich für einen kurzen Zeitraum am Markt wirksam und präsent. Promotions stellen insofern eine Möglichkeit dar, kurzfristig die Marktpräsenz zu steigern und die Attraktivität der Marke zu erhöhen. Diese Aktivitäten können sowohl im herkömmlichen Sinne als auch in den neuen Medien Verwendung finden. ?? Garantien Die vorletzte Möglichkeit aus der Palette der Markenmanagement-Instrumente ist die Vergabe von Garantien, wie sie bereits erläutert wurde. 234 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Garantien haben nur dann einen Effekt auf die Markenbekanntheit und –verbreitung, wenn sie auch dementsprechend kommuniziert werden. Allerdings haben sie natürlich eine nicht zu unterschätzende Signalling-Wirkung. Durch die Demonstration des Leistungswillens hat dieses Instrument einen insgesamt positiven Einfluss auf die Bindung der Kunden an das Unternehmen. Ebenso kann durch die Garantie die Reputation der Marke verbessert werden, da der Anbieter das Versagensrisiko übernimmt, das ohne Garantie nach dem Kauf auf den Kunden übergegangen wäre (Bennett, 1995). ?? Unternehmensexterne Instrumente der Informationsübertragung Neben den unternehmensinternen Qualitätssiegeln, wie zum Beispiel der Garantie, gibt es für Kunden die Möglichkeit, in einer Kaufsituation unternehmensexterne Qualitätssiegel, wie sie weiter oben schon besprochen worden sind, zu Rate zu ziehen. Auch diese Massnahme hat einen positiven Effekt auf den Markenwert und somit auch mittelbar auf die Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Medien. Den Exkurs abschliessend bleibt festzuhalten, dass die genannten Massnahmen abhängig von dem jeweiligen Gut und der Marktsituation in einer angemessenen Art und Weise miteinander kombiniert werden sollten, um eine erfolgreiche Marke aufzubauen und erhalten zu können. Die Markenführung in den neuen Geschäftsmedien und die traditionelle Markenführung weisen dabei deutliche Parallelen auf. Allerdings ergeben sich in der steigenden Interaktivität zwischen Anbieter und Nachfrager und in der zunehmenden Geschwindigkeit Unterschiede, grundlegende Regeln behalten aber ihre Gültigkeit (Esch et al. 2000). „Aus Sicht der Konsumenten und der Markenführung kann man bereits jetzt sagen: Was die Wahrnehmungs- , Informationsverarbeitungsund Speicherungsprozesse der Konsumenten sowie deren Gefühle, Motive und Einstellungen angeht, so laufen diese im Internet ähnlich ab, wie sonst auch. Es kommt allerdings die Möglichkeit der Interaktion und der aktiven Gestaltung im Internet hinzu. Was den Markenaufbau und die Markenführung angeht, so ändern sich die grundlegenden Regeln ebenfalls nicht, allenfalls die Geschwindigkeit und die Durchsetzung.“ (Esch et al. 2000) (S. 10). Durch die aufgezeigten Überschneidungen ko nnte die enge Verknüpfung der Thematik des Markenmanagement und dem Bereich des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien verdeutlicht werden und somit die herausragende Stellung des Branding als Massnahme zur Bildung von Vertrauen unterstrichen werden. 235 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 4.5.4.3 Technische Möglichkeiten der Vertrauensbildung Durch die steigende Nutzung von offenen Systemen, nimmt auch der Stellenwert der Sicherheit in diesen Systemen im Rahmen der Informationsgesellschaft eine immer bedeutendere Position ein (Winkel, 1999) (S.193). Grundsätzlich können zwei relevante Bereiche der elektronischen Sicherheit unterschieden werden, zum einen die Verhinderung des ungewollten Zugriffs auf interne Daten und zum anderen die Sicherstellung der geschützten Übertragung von Transaktionsdaten. Sichere Zugriffstechnologien reichen dabei von Passwortschutz über Firewall-Systeme bis hin zu Angriffssimulationen, um die Zuverlässigkeit dieser Systeme zu testen. Um die Berechtigung des Zugangs zu einem geschützten Angebot zu prüfen, gibt es generell drei Mechanismen (Krause, 2000) (S.145): ?? Überprüfung personengebundener Kriterien, wie Unterschrift, Fingerabdruck, Netzhautscanning, Stimmerkennung etc. ?? Hardwarebasierte, inhaberbezogene Merkmale wie der Besitz einer Chip-Karte, EC-Karte etc. ?? Inhaberbezogenes Wissen, wie Passwörter, PIN- oder TAN-Nummern etc. Bei der Durchführung einer Transaktion, als zweiten relevanten sicherheitstechnischen Bereich, sind verschiedene Aspekte zu betrachten, die in folgender Abbildung dargestellt sind. Autorisierung Vertraulichkeit Nicht-Abstreitbarkeit Sicherheitstechnische Aspekte bei Transaktionen Integrität Identität Abbildung 4-28: Die sicherheitsrelevanten Bestandteile einer vollständigen Transaktion46 46 in Anlehnung an (Krause, 2000) (S.144) 236 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Damit die Beteiligten des Transaktionsprozesses die Transaktion als rechtsgültig ansehen, muss im Rahmen der Autorisierung sichergestellt werden, dass beide Parteien die entsprechenden Rechte zur Durchführung der Austauschaktion haben. Bei der NichtAbstreitbarkeit wird die Frage beantwortet, ob die Transaktion wirklich erfolgt ist, so dass keiner der Transaktionspartner im nachhinein die Transaktion für nichtig erklären und/oder rückgängig machen kann. Des weiteren ist die Identität der Beteiligten festzustellen, so dass im juristischen Sinne in ihrem Namen gehandelt wird. Ausserdem muss die Integrität, d.h. dass der Inhalt der Nachricht nicht verändert wurde bzw. durch anderen Inhalt ersetzt wurde, gewährleistet werden. Dies schliesst ebenso die fehlerfreie und der Bestellung entsprechende Lieferung mit ein. Die Vertraulichkeit bezieht sich auf die Sicherheit des Übertragungsweges, insofern, als dass die übermittelten Informationen während des Datentransportes vor unbefugtem Zugriff gesichert sind (Herrmann & Pernul, 1997) (S.217 ff.). Insbesondere die beiden letztgenannten Anforderungen können mit Hilfe von Ve rschlüsselungsmethoden erfüllt werden. Sie werden häufig auch als kryptische Verfahren bezeichnet, wobei die Bezeichnung Kryptographie aus dem griechischen stammt und sich aus Krupto = Geheimnis und Graph = Sprache zusammensetzt (Fochler, 1998) (S.269). Diese Verfahren beruhen häufig auf dem gleichen Prinzip: Durch Anwendung einer Schlüsselfunktion (in der Regel mathematische Algorithmen) auf die zu übertragenen Daten werden die Nachrichten für den Transport über öffentliche Datenleitung unkenntlich gemacht. Dementsprechend besteht Verschlüsselungssoftware immer aus zwei Teilen, einer Möglichkeit die Nachricht zu codieren und der entsprechenden Option die verschlüsselte Nachricht wieder zu decodieren. Es gibt verschiedene Arten von Verschlüsselungsverfahren, die sich hinsichtlich der Nutzerfreundlichkeit, Sicherheitsstufe und Performance voneinander unterscheiden (Krause, 2000) (S.175 ff.). Diese Thematik wird allerdings im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter ve rtieft, für weiterführende Informationen zu diesem Thema wird an dieser Stelle auf die entsprechende Fachliteratur (vgl. (Fochler, 1998), (Lynch & Lundquist, 1997), (Pfitzmann, 2000)) verwiesen. 4.5.4.4 Zusammenfassende Betrachtung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sowohl die technischen als auch die nicht-technischen Massnahmen des Building Blocks „Creating Trust“ von enormer Wichtigkeit für die positive Gestaltung einer Kundenbeziehung in den neuen Medien sind. Dies lässt sich insbesondere mit der steigenden Bedeutung der Kundenbindungsdeterminante des Vertrauens in den neuen Medien, wie unter 4.2.4.2 herausgearbeitet 237 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien wurde, belegen. Vertrauen stellt dementsprechend einen der wesentlichen Faktoren für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien dar, so dass dieser Thematik die entsprechende Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Folgende Abbildung gibt abschliessend einen Überblick zu den vorgestellten Massnahmen. Transparenz Branding Gütesiegel Berichte v. unabh. Dritten Privacy Policies Garantien Nicht-technische Möglichkeiten Vertrauensbildende Massnahmen Technische Möglichkeiten Verhinderung d. ungewollten Zugriffs Sicherstellung d. geschützten Übertragung Abbildung 4-29: Überblick über die vertrauensbildenden Massnahmen des Building Blocks „Creating Trust“ des MCR-BM-Modells 4.5.5 Establishing Virtual Communities Der Building Block „Establishing Virtual Communities“ beinhaltet verschiedene Instrumente zum Aufbau und zum Management von Virtual Communities (VC). Diese online-Gemeinschaften können einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung der Beziehungen zwischen Nachfragern und Anbietern in den neuen Medien leisten. Bevor dieser Zusammenhang vertieft wird, werden zunächst verschiedene Definitionen zu dem Thema „Virtual Communities“ besprochen, um so ein gemeinsames Verständnis für diesen mittlerweile sehr häufig gebrauchten Begriff aufzubauen. Im Anschluss werden verschiedene Arten von Gemeinschaften unterschieden, wobei nur die im Rahmen der vorliegenden Arbeit relevant erscheinenden Gemeinschaftstypen näher erläutert we rden. Um den Aufbau einer solchen Gemeinschaft verstehen zu können, werden des weiteren kritische Erfolgsfaktoren für das Management von virtuellen Gemeinschaften vorgestellt. Konkrete Hinweise zur Gestaltung einer Virtual Community runden dabei 238 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien das Bild ab. Das Management einer Virtual Community bietet sowohl für Anbieter als auch für Nachfrager eine Reihe von Vorteilen, die im weiteren Verlauf diskutiert we rden. Abschliessend wird der Building Block „Establishing Virtual Communities“ mit anderen Building Blocks in Beziehung gesetzt, um so wiederum die Abhängigkeiten und Verflechtungen der verschiedenen Building Blocks des MCR-BM-Modells zu verdeutlichen. Was ist eine VC, welche Arten gibt es ? Definition/ Kategorisierung Nutzen für Nachfrager und Anbieter Was macht eine VC erfolgreich ? Identifikation kritischer Erfolgsfaktoren Erfolgreiche Virtual Community Wie kann eine VC aufgebaut werden ? Phasenmodell zum Aufbau Virtual Community Abbildung 4-30: Relevante Fragen, abgeleitete Massnahmen und die entsprechenden Resultate des Building Blocks „Establishing Virtual Communities“ Der Massnahmenblock „Establishing Virtual Communities“ bezieht sich dabei auf die Gemeinschaftssicht des Medien-Referenzmodell für Business Media, wie es unter 2.1.4 beschrieben wurde. Ziel ist es daher, gemeinsame Werte und Wertvorstellung zu schaffen, die eine Gemeinschaft etablieren und so ein Verbundenheitsgefühl erzeugen. Wesentliche Voraussetzung dafür ist die Gestaltung eines logischen Raumes im Sinne des Medienmodell und die Bereitstellung von entsprechenden Kommunikationskanälen, wie in dem Massnahmenblock „Designing Customer Interaction“ (4.5.1) gezeigt wurde. Der englische Begriff der Virtual Community kann dabei als virtuelle Gemeinschaft ins Deutsche übersetzt werden (vgl. (Frenko, 1999)). In der vorliegenden Arbeit we rden beide Begriffe synonym verwendet. Es finden sich in der Literatur verschiedene Definitionen, die im folgenden aufgeführt werden. Eine sehr weite Definition wird von (Lechner et al. 1998) (S.3) vorgeschlagen: „Virtuelle Gemeinschaften beschreiben den Zusammenschluss von Agenten, die eine gemeinsame Sprache und Welt, sowie gleiche Werte und Interessen teilen und die über elektronische Medien, orts- und (teilweise auch) zeitungebunden in Rollen und Erscheinungsformen (Avataren) miteinander in Verbindung treten (kommunizieren)“. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 239 Interessant bei dieser Definition ist der Hinweis, dass in Zukunft möglicherweise auch Agenten in unterschiedlichen Erscheinungsformen, also auch beispielsweise Softwareagenten oder Avatare, miteinander in Verbindung treten, um eine Gemeinschaft zu bilden. Diese Definition bezieht sich dabei also auf das schon unter 2.1.2 besprochene Medienmodell nach Schmid und kann daher als sehr weitgehende Definition erachtet werden. (Rheingold, 1994) hingegen stellt die menschlichen Beziehungen in den Vordergrund seiner Betrachtung. In seinen Augen sind virtuelle Gemeinschaften „sozi ale Zusammenschlüsse, die dann im Netz entstehen, wenn genug Leute diese öffentlichen Diskussionen (Kommunikation) lange genug führen und dabei ihre Gefühle einbringen, so dass im Cyberspace ein Geflecht persönlicher Beziehungen entsteht“ (Rheingold, 1994) (S.16). Hervorzuheben bei dieser Definition sind, neben der Betonung der persönlichen und menschlichen Aspekte, die notwendigen Bedingungen zur Bildung einer virtuellen Gemeinschaft. Seiner Meinung nach kann sich eine solche Gemeinschaft nur dann bilden, wenn genügend Personen, genügend lange miteinander kommunizieren, so dass sich die persönlichen Beziehungen im Laufe der Zeit überhaupt erst ausprägen können. Im Gegensatz zu den persönlichen und menschlichen Aspekten einer virtuellen Gemeinschaft unterstreichen (Hagel & Armstrong, 1997) zusätzlich den kommerziellen Aspekt. "Virtual communities are groups of people with common interests and needs who come together online. Most are drawn by the opportunity to share a sense community with like-minded strangers, regardless of where they live. But virtual communities are more than just a social phenomenon. What starts off with a group drawn together by common interests ends up as a group with a critical mass of purchasing power, partly thanks to the fact that communities allow members to exchange information on such things as a product's price and quality." (Hagel & Armstrong, 1997) (S.144). Die genannten Definitionen zeigen naturgemäss gewisse Überschneidungen. Um allerdings eine eindeutig Position zu beziehen, wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit die vorgestellte Definition von (Hagel & Armstrong, 1997) als massgeblich erachtet. Die Idee der virtuellen Gemeinschaften ist jedoch nicht neu. In den 70er Jahren gab es bereits Mailboxsysteme, in denen sich Interessierte über „virtuelle schwarze Bretter“ zu einem bestimmten Thema austauschen konnten und somit ebenso eine Art virtueller Gemeinschaft bildeten. Diese sogenannten Bulletin Board Systems (BBS) basierten auf Wählleitungen direkt zu einem Computer, der die entsprechenden „Anschläge am 240 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien virtuellen schwarzen Brett“ bereitgehalten hat. Unter anderem startete beispielsweise auch die bekannte Virtual Community „The Well“ 1985 als BBS (Browder et al. 1997). Durch die Entwicklung der neuen Medien haben sich jedoch die möglichen Gestaltungsformen und ihre Ausprägungen von virtuellen Gemeinschaften enorm verändert. So ist neben der Reduktion des Aufwandes zum Aufbau einer Virtual Community ebenso das Fehlen einer Hierarchie oder Ordnungsmacht innerhalb dieser Gemeinschaften massgeblich für die rasante Verbreitung von solchen Gemeinschaften verantwortlich. Dies bedeutet allerdings auch, dass eine Entwicklung einer Community nicht vorhersehbar ist. Wenn der Aufbau und die Gestaltung einer virtuellen Gemeinschaft als Massnahme zur Gestaltung des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien gesehen wird, gilt es zu bedenken, dass auf Grund der Dynamik einer solchen Gemeinschaft, Zielkonflikte zwischen den Interessen des CommunityOrganisators (in dem Falle der Anbieter) und den Wünschen der Mitglieder (in dem Falle die Nachfrager) entstehen können (Abseits, 1999). Trotz dieser Bedenken, ist die Etablierung direkter Kontakte zwischen den Nachfragern in Form einer virtuellen Gemeinschaft von enormer Wichtigkeit, da die Besucher durch den Aufbau von persönlichen Beziehungen innerhalb dieser Gemeinschaft zu loyalen Mitgliedern werden und somit auch die Beziehung zum entsprechenden Anbieter positiv beeinflusst werden kann (Frenko, 1999). 4.5.5.1 Kategorien von virtuellen Gemeinschaften Es gibt diverse Möglichkeiten, virtuelle Gemeinschaften zu kategorisieren. (Schubert, 1999) (S.31ff.) stellt beispielsweise eine sehr detaillierte Aufschlüsselung verschiedener Gemeinschaftstypen dar, die allerdings über das im Rahmen der Arbeit notwendige Mass hinausgehen, so dass im folgenden der Einteilung nach (Armstrong & Hagel, 1996) (S.135ff.) gefolgt wird. Dabei werden vier Arten von Communities unterschieden: ?? ?? ?? ?? Communities of Interest (Interessengemeinschaften) Communities of Transaction (Transaktionsgemeinschaften) Communities of Fantasy (Phantasiegemeinschaften) Communities of Relationship (Beziehungsgemeinschaften) Im Kontext der vorliegenden Arbeit erscheinen nach Meinung des Autors insbesondere die Interessen- und Transaktionsgemeinschaft relevant, so dass nur diese beiden Arten der virtuellen Gemeinschaften näher betrachtet werden. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 241 ?? Interessengemeinschaft (Communities of Interest) Die Interessengemeinschaft kann als die verbreitetste Art der virtuellen Gemeinschaften angesehen werden (Lechner et al. 1998) (S.4). Im Zentrum dieser Gemeinschaft steht ein von allen Mitgliedern der Gemeinschaft geteiltes Interesse an einem bestimmten Thema. Interessengemeinschaften sind dynamischen Prozessen unterworfen, da sich durch eine veränderte Mitgliederstruktur auch die diskutierten Inhalte verändern können, so dass in einigen Fällen eine hohe Mitgliederfluktuation festgestellt werden kann (vgl. (Erickson, 1997)). Dabei können sich Interessengemeinschaften neu bilden, sich auflösen oder sich wiederum in spezialisierte Gemeinschaften mit einem engeren Themenfokus aufteilen (Schubert, 1999) (S.33). Beispiele für Interessengemeinschaften lassen sich auf Grund der hohen Verbreitung leicht finden. Exemplarisch werden an dieser Stelle die Gemeinschaften von der Marketing-Informationliste Imafdi (www.imafdi.de), GardenWeb (www.gardenweb.com) oder der Informationsliste zu Finanzfragen The Motley Fool.com (www.fool.com) aufgeführt. ?? Transaktionsgemeinschaft (Communities of Transaction) Die Transaktionsgemeinschaft kann als eine Weiterentwicklung der Interessengemeinschaft angesehen werden, da sie sich nicht nur durch ein gemeinsames Interesse, sondern zusätzlich durch ein zielgerichtetes, wirtschaftlich motiviertes Interesse der Gemeinschaftsmitglieder auszeichnet (Lechner et al. 1998) (S.7). Trans aktionsgemeinschaften sind zwar ebenso themenorientiert, allerdings hauptsächlich auf Produkte oder Leistungen bezogen. Im Vordergrund steht daher der Austausch von Diensten und Produkten, sowie der aktive Informationsaustausch bzgl. der gemachten Erfahrungen mit den entsprechenden Leistungen eines Anbieters (Armstrong & Hagel, 1996) (S.135). Insbesondere die Weitergabe von Erfahrungen ist dabei entscheidend bei der Gestaltung der Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern, da der Meinungsaustausch mit Mitgliedern der entsprechenden virtuellen Gemeinschaft die Unsicherheit reduzieren kann, weil Nachfrager in der Regel anderen Kunden mehr trauen als dem Anbieter der Ware, so dass der Gemeinschaft eine unsicherheitsreduzierende Funktion zugeschrieben werden kann. Insofern dienen virtuelle Gemeinschaften durch den intensiven Austausch von Gleichgesinnten auch zum Aufbau und zur Pflege von Ve rtrauen (vgl. (Iacono & Weisband, 1997); (Erickson, 1997); (Schubert, 1999)). Als Beispiele für wirtschaftlich motivierte Austauschplattformen können Amazon (www.amazon.com), der Autohändler (www.autoscout24.de), die online-Bank Comdi- 242 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien rect (www.comdirect.de) etc. genannt werden. Innerhalb dieser Gemeinschaften haben die Besucher die Möglichkeit, zum einen sich untereinander auszutauschen und zum anderen Transaktionen abzuwickeln. Grundsätzlich ist es sowohl für Transaktions- als auch für Interessengemeinschaften die Aufgabe des Community-Betreibers, eine interaktive Plattform, geordnete Strukturen und benutzerfreundliche Hilfsmittel für die Mitglieder der Gemeinschaft zur Ve rfügung zu stellen. Diese Dienste, die zum Aufbau und zur Pflege einer virtuellen Gemeinschaft notwendig sind, lassen sich dabei in Grund- und Zusatzdienste einteilen (Actores Project, 1999). 4.5.5.2 Kritische Erfolgsfaktoren Um die Frage zu beantworten, was eine Virtual Community, unabhängig von der Kategorie, erfolgreich macht, werden im folgenden verschiedene Erfolgskriterien aufgelistet (vgl. (Herzog, 1999) (S.17ff.); (Figallo, 1998); (McDonough 1999)): ?? Mitglieder Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist in der Art und in der Struktur der Teilnehmer zu sehen. Zum einen ist es notwendig, relativ schnell eine kritische Masse an Teilnehmern zu gewinnen (Arthur, 1996), so dass sich durch entsprechende Inhalte und Beiträge die Teilnahme an der entsprechenden Gemeinschaft für die einzelnen Mitglieder lohnt. Zum anderen ist neben der Quantität der Mitglieder auch die Qualität in Form der Bereitschaft, wertvolle und kompetente Beiträge für die Gemeinschaft zu erbringen, von entscheidender Bedeutung. Nach einer Untersuchung von (Christopher, 1999) beteiligen sich nur etwa 15% der Mitglieder aktiv an der Bereitstellung von Inhalten, ca. 3% der Beiträge stammen von Motivatoren bzw. den Community-Moderatoren und etwa 0,5% werden von den Community-Betreibern selbst erstellt. Dementsprechend sind durchschnittlich mehr als 80% der Mitglieder passiv. Generell kann davon ausgegangen werden, dass je höher der Grad der aktiven Teilnehmer ist, desto erfolgreicher ist eine virtuelle Gemeinschaft. Insofern ergibt sich für die Community-Betreiber auch die Funktion der Identifikation von „Talent Scouts“, um „wertvolle“ Gemeinschaftsmitglieder aufzuspüren und im Sinne der Community mit in die Gestaltung und Entwicklung einzubi nden (Figallo, 1998) (S.108ff.). ?? Anwenderfreundlichkeit Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor von virtuellen Gemeinschaften ist das Handling von den angebotenen Community-Tools. Die Handhabung dieser Instrumente muss einfach und nachvollziehbar sein und darf keine Hemmschwelle zur Beteiligung an der Gemeinschaft darstellen. Der Einsatz von Hilfsmitteln, ebenso wie die Bereit- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 243 stellung von Navigations- und Suchwerkzeugen, ist dementsprechend dringend geboten (Figallo, 1998) (S.147ff.). ?? Attraktivität Um die Forderung nach dem Erreichen einer kritischen Masse an Mitgliedern erfüllen zu können, ist es unerlässlich, die Gemeinschaft attraktiv zu gestalten. Die Attraktivität wird dabei hauptsächlich über interessante und wertvolle Inhalte geschaffen. Zusätzlich können potentielle Teilnehmer durch angebotene Dienste von der Attraktivität der virtuellen Gemeinschaft überzeugt werden. ?? Transparenz Wie schon beim Building Block „Creating Trust“ unter 4.5.4 besprochen wurde, müssen die Teilnehmer auf einen sorgsamen Umgang mit den anfallenden Kundendaten vertrauen können. Insofern sind auch im Rahmen des Community-Management die Instrumente zur Vertrauensbildung, wie beispielsweise die Kommunikation der Privacy Policies, relevant. ?? Organisation Je nach Grösse der virtuellen Gemeinschaft ist eine gewisse Organisation von Nöten (McDonough, 1999). Diese Organisation umfasst dabei sowohl die Festlegung der Rollen der Mitglieder, als auch die Prozesse innerhalb der Gemeinschaft, so dass sich an dieser Stelle wiederum der Bezug zu dem Medien-Referenzmodell für Business Media (2.1.4) ergibt. Die Organisation wird dabei teilweise durch die Mitglieder und ihre entsprechenden Transaktionsprozesse selbst geprägt (Lechner et al. 1998) (S.3), teilweise aber auch konkret durch den Community-Betreiber und seine entsprechenden Interessen fest vorgegeben. Zu bedenken ist dabei, dass die Festlegung von Regeln für die Gemeinschaft durch den Betreiber auf ein Minimum beschränkt werden sollte, um die dynamische Entwicklung nicht zu gefährden und den Mitgliedern zu einem gewissen Teil nicht den Eindruck zu nehmen, dass die Gemeinschaft ihnen „gehöre“. Die Gemeinschaftsmitglieder müssen sich mit „ihrer“ virtuellen Gemeinschaft identifizieren können, so dass ein zu starres Regelkorsett hinderlich für den freien Informationsaustausch wirken würde. Die Rolle des Betreibers und der Mitglieder hingegen muss klar geregelt sein, so dass z.B. feststeht, dass die Schaffung und Aufrechterhaltung der notwendigen Infrastruktur in den Verantwortungsbereich des Betreibers fällt. Grundsätzlich sollte der Organisator einer virtuellen Gemeinschaft die Rolle eines toleranten Gastgebers übernehmen (Figallo, 1998) (S.78). 244 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ?? Akzente Abschliessend wird noch auf de n Erfolgsfaktor der Unterscheidung und Abgrenzung zu anderen Virtual Communities hingewiesen. Für jede virtuelle Gemeinschaft ist es wichtig, einen eindeutigen Themenschwerpunkt zu haben, mit dem sich zumindest eine Vielzahl der beteiligten Mitglieder identifizieren kann, denn erst durch das gemeinsame Interesse an einem Thema bildet sich das für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien wichtige Gemeinschaftsgefühl. Insofern ist es entscheidend, dass Akzente gesetzt werden, so dass die Gemeinschaft von den Mitgliedern als einmaliger und besonderer Treffpunkt empfunden wird. Die Herausforderung für das Management von Virtual Communities besteht dabei darin, die sich mit der Zeit verändernden Wünsche und Interessen der Mitglieder zu erkennen und dieser Dynamik durch moderate Veränderungen der Ausrichtung der Gemeinschaft Rechnung zu tragen (Herzog, 1999) (S.18). Zusammenfassend gibt die folgende Abbildung einen Überblick zu den kritischen Erfolgsfaktoren von virtuellen Gemeinschaften. Teilnehmer Akzente Attraktivität Erfolgsfaktoren für virtuelle Gemeinschaften Organisation Transparenz Anwenderfreundlichkeit Abbildung 4-31: Kritische Erfolgsfaktoren für virtuelle Gemeinschaften47 4.5.5.3 Aufbau einer virtuellen Gemeinschaft Nachdem die Erfolgsfaktoren für virtuelle Gemeinschaften vorgestellt worden sind, soll nun der Frage nachgegangen werden, wie sich eine solche Gemeinschaft entwi- 47 in Anlehnung an (Herzog, 1999) (S.19) Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 245 ckelt bzw. aufgebaut werden kann, um die unterstützende Funktion beim Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien voll entfalten zu können. Zu diesem Zweck werden kurz zwei Ansichten beschrieben, die allerdings gewisse Überschneidungen zeigen. Zunächst wird ein Vorschlag von (Hagel & Armstrong, 1997) (S.59ff.) betrachtet, in dem vier verschiedene Stufen für die Entwicklung einer virtuellen Gemeinschaft beschrieben we rden. Durch das Angebot von attraktiven Informationen, das bei den Teilnehmern einen Mehrwert generieren soll, wird in der ersten Stufe die Gewinnung von Nachfragern als Mitglieder der Gemeinschaft erreicht. In einer zweiten Stufe müssen dann diese Informationen mit einem Unterhaltungsangebot erweitert werden, so dass die aktive Beteiligung der Mitglieder verstärkt wird. Nach (Hagel & Armstrong, 1997) beinhaltet dann die dritte Stufe zur Entwicklung einer virtuellen Community, dass die Kommunikation weiter gefördert wird und bestehende Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden, sowie die Identifikation weiterer, möglicher gemeinsamer Interessen der Mitglieder hergeleitet wird. In der abschliessenden vierten Entwicklungsstufe können sich Möglichkeiten für Transaktionen sowie gezieltes und individuelles Marketing ergeben. (Frenko, 1999) schlägt ein Phasenmodell mit ebenso vier Stufen zum Aufbau einer virtuellen Gemeinschaft vor, das starke Ähnlichkeiten zu der bereits beschriebenen Darstellung von (Hagel & Armstrong, 1997) zeigt, allerdings auf Grund der konkreteren Beschreibung der Aufgaben in der jeweiligen Entwicklungsstufe an dieser Stelle doch Erwähnung findet. Folgende Abbildung stellt das Phasenmodell mit den entsprechenden Aufgabenschwerpunkten dar. 246 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Traffic erzeugen Stufe 1: Mitglieder anlocken ??"Aggressives" Marketing in möglichst vielen Medien (Internet, Fernsehen, Radio etc.) ??Attraktiven Inhalt bereitstellen ??Mitgliedschaft gratis, keine Mitglieds- und Benut zergebühren erheben ??Auf Grunddienste beschränken, diese aber überzeugend und technisch einwandfrei umsetzen ??Kooperationen und Allianzen mit starken Partnern suchen Traffic konzentrieren Stufe 2: Beteiligung fördern ??Event-Marketing ??Mitglieder zur Erstellung eigener Inhalte anregen ??Gastredner, Persönlichkeiten engagieren ??Funktionalitäten durch weitere Dienste erweitern ??Benutzerdaten erfassen ??Kooperationen und Allianzen verstärken und ausbauen Traffic aufrechterhalten Stufe 3: Loyalität aufbauen ??Beziehungen zwischen den Mitgliedern fördern ??Beziehungen zwischen den Mitgliedern und dem Organisator der Community fördern ??Individualisierung durch kundenspezifische Interaktion ermöglichen Stufe 4: Profit einfahren ??Geschäftsmöglichkeiten entwickeln bzw. realisieren ??Transaktionsdienste aufbauen ??Gezielte Werbung ??Einnahmen- bzw. Gebührenmodelle anwenden und verfeinern ??Benutzerdaten und Individualisierung kultivieren ??Austrittsbarrieren systematisch erhöhen Tabelle 4-12: Phasenmodell zum Aufbau einer virtuellen Gemeinschaft48 48 in Anlehnung an (Frenko, 1999) Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 247 Aus den vier Stufen wird deutlich, dass erst eine Kombination von zwei Faktoren, zum einen der Fähigkeit, Geselligkeit zu pflegen (sociability) und zum anderen der Fähigkeit, gemeinsame Ziele zu erreichen (solidarity), zu einer erfolgreichen Entwicklung einer virtuellen Gemeinschaft führt (Goffee & Gareth, 1996) (S.137). 4.5.5.4 Nutzen für Anbieter und Nachfrager Der Aufbau einer Virtual Community bietet sowohl den Anbietern als auch den Nachfragern eine Reihe von Vorteilen, die im folgenden kurz beleuchtet werden. Wie weiter oben schon angesprochen wurde, bietet die Einrichtung einer Virtual Community für die Nachfrager die Möglichkeit zur Reduktion der Unsicherheit. Ein weiterer Vorteil für die Nachfrager ergibt sich durch die generell verbesserte Informationsversorgung und der damit korrespondierenden Verschiebung der Machtposition zugunsten der Nachfrager (Lechner et al. 1998) (S.7). Des weiteren kann durch die direkte Kommunikation zwischen den Nachfragern der Austausch von Erfahrungen und Tips ermöglicht werden, so dass in der Gemeinschaft auftretende Fragen von den Mitgliedern gelöst werden und somit ein inneres Verbundenheitsgefühl gefördert wird (Körner & Zimmermann, 2000). Neben der Nützlichkeit für die Anwender bieten virtuelle Gemeinschaften auch für die Anbieter Vorteile. So kann beispielsweise ein Teil der Kosten der Serviceabteilung gespart werden, da sich die Mitglieder einer virtuellen Gemeinschaft vielfach untereinander selbst weiterhelfen können. Durch die praktisch kostenlose Archivierung typischer Fragen samt mustergültiger Antworten von den Mitgliedern, kann eine virtuelle Gemeinschaft zu einer wertvollen Informationsquelle werden, die die Serviceabteilung des jeweiligen Anbieters dementsprechend entlastet (Runte & Paul, 2000) (S.127). Wenn sich eine solche Gemeinschaft etabliert hat, ergibt sich für den Betreiber ein weiterer Vorteil. So kann zum Beispiel bei der Einführung von neuen Produkten innerhalb dieser Gemeinschaft sehr schnell ein Feedback eingeholt werden, was ein gutes Stimmungsbarometer bei der Markteinführung von neuen Produkten sein könnte. Insofern könnte durch die Einrichtung und die Pflege einer virtuellen Gemeinschaft die Marktforschung (MaFo) sinnvoll ergänzt werden (Armstrong & Hagel, 1996) (S.145). Zusätzlich können natürlich auch Fehler bei bestehenden Produkten viel leichter erkannt werden, da sie häufig in solchen Gemeinschaftsforen diskutiert werden. Teilwe ise findet man auch in den gleichen Diskussionen der Teilnehmer wertvolle Hinweise auf die Lösung oder die Verbesserung der Produkte. Insofern kann durch einen Anbie- 248 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ter eine Plattform für Kunden und Interessierte zur Verfügung gestellt werden, um einen „direkten Draht“ zu den Kunden zu haben und so auch dem unter 3.3 beschriebenen Konsumententrend des Wunsches nach Interaktion Rechnung getragen werden kann. Ausserdem eröffnen sich für den Betreiber einer virtuellen Gemeinschaft z.B. durch die Pflicht zur Registrierung der Teilnehmer, Möglichkeiten zur Datenerhebung (vgl. Building Block „Customer Profiling“ unter 4.5.3), insofern zeigen sich auch an dieser Stelle Abhängigkeiten zu anderen Building Blocks. Ähnlich argumentiert auch (Bakos, 1998) (S. 38): „Establishing a dialogue and a sense of community among customers can create value by enabling the sharing of experiences, problems and solutions, but also allows the collection of important information about individual consumers.“ Ebenso zeigt sich eine Beziehung zu dem Building Block “Creating Trust” (4.5.4), da – wie gezeigt wurde – auch der Aufbau einer virtuellen Gemeinschaft zu Reduktion der Unsicherheit und somit auch zu einer Stärkung der Vertrauensbeziehung zwischen Anbietern und Nachfragern führen kann. Ohne die unter 4.5.1 beschriebenen Kommunikationsmöglichkeiten des Building Blocks “Designing Customer Interaction” wäre der Aufbau einer Virtual Community unmöglich, so dass sich auch hier Interdependenzen aufzeigen lassen. 4.5.5.5 Zusammenfassende Betrachtung Zusammenfassend kann für den Building Block “Establishing Virtual Communities” festgehalten werden, dass der Aufbau und die Pflege einer solchen Gemeinschaft ein wesentliches Instrument beim Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ist, da sowohl für die Nachfrager als auch für die Betreiber eine Vielzahl von Vorteilen existieren, wie folgende Abbildung veranschaulicht. 249 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Bessere Info-Versorgung Reduktion der Unsicherheit Etablierung „Wir-Gefühl“ Virtual Community als Instrument des MCR Reduktion der Servicekosten Unterstützung der MaFo „Direkter Draht“ Abbildung 4-32: Beitrag des Building Blocks „Establishing Virtual Communities“ zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Um diese Potentiale durch den Aufbau und die Pflege einer Virtual Community nut zen zu können, sind zwei Phasenmodelle sowie kritische Erfolgsfaktoren für das Management von virtuellen Gemeinschaften vorgestellt worden. Allerdings muss auch an dieser Stelle auf mögliche Gefahren, wie die teilweise nur schwer zu kontrollierende Dynamik sowie der schwer zu kalkulierende Aufwand beim Aufbau, hingewiesen we rden. Des weiteren bietet sich die Einrichtung einer virtuellen Gemeinschaft nicht uneingeschränkt für alle Produkte und Leistungen an, so dass im Einzelfall über den Einsatz dieser Möglichkeit entschieden werden muss. 4.5.6 Implementing Processes Dieser Building Block beschreibt die Gestaltung von Prozessen, die im Rahmen des neuen Ansatzes für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien notwendig sind. Da es für die „Funktionsfähigkeit“ aller bisher vorgestellten Massnahmen notwendig ist, die entsprechenden Prozesse zu implementieren, nimmt dieser Massnahmenblock eine übergreifende Position ein. Die konsequente Ausrichtung der Prozesse auf die Erfüllung der Bedürfnisse der Kunden steht dabei im Vo rdergrund, so dass somit die Einbindung des Management der Kundenbeziehung in die Unternehmensstruktur unterstützt wird. In Analogie zur Beschreibung der anderen Building Blocks wird auch an dieser Stelle zunächst ein Blick auf die relevanten Fragen und die abgeleiteten Massnahmen gewo r- 250 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien fen. Die nachstehende Abbildung gibt einen Überblick zu dem Building Block „Implementing Processes“. Was ist ein Prozess ? Welche Arten von Prozessen gibt es ? Definition/ Einordnung Aufteilung in interne Wie können Prozesse gestaltet werden ? externe Referenzprozesse Beispiele Zusammenhang zum MCR-Thema Erfolgreiche Abstimmung der Prozesse Erfolgreiche Gestaltung der Prozesse Abbildung 4-33: Relevante Fragen, abgeleitete Massnahmen und die entsprechenden Resultate des Building Blocks „Implemeting Processes“ Zunächst wird in diesem Abschnitt definiert, was unter einem Prozess zu verstehen ist und wie sich dieser Building Block in das Medien-Referenzmodell für Business Media einordnen lässt. Des weiteren wird der Frage nachgegangen, welche Arten von Prozessen im Zusammenhang mit der Thematik der Kundenbeziehung existieren. Dabei wird in interne und externe Prozesse unterschieden, die jeweils einen Beitrag zur Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien leisten können. Abschliessend werden verschiedene Möglichkeiten zur Gestaltung dieser Prozesse vorgeschlagen. Ausserdem wird auch wiederum der Bezug zu anderen Massnahmenblöcken dargestellt, um die bestehenden Abhängigkeiten ve rdeutlichen zu können. In Rahmen der vorliegenden Arbeit wird ein Prozess verstanden als „eine Abfolge von Aufgaben, die über verschiedene organisatorische Einheiten verteilt sein können. [...] Ein Prozess produziert und konsumiert dabei Leistungen." (Österle, 1995) (S.19). Der Building Block mit seinen Massnahmen lässt sich in die Implementierungssicht des Medien-Referenzmodells für Business Media, das unter 2.1.4 beschrieben wurde, einordnen, da dort die relevanten Prozesse für die Gestaltung von Geschäftsmedien festgelegt werden. Prinzipiell lassen sich die Prozesse, die im Zusammenhang mit dem Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien relevant sind, in interne und externe Prozesse aufteilen. Interne Prozesse umfassen dabei die anbieterseitigen Prozesse, wohingegen die externen Prozesse sich auf die kundenseitigen Prozesse beziehen, die hauptsächlich die Bequemlichkeit der Transaktionsabwicklung adressieren. Die Einteilung in interne und externe Prozesse kann dabei auch mit Hilfe der im Rahmen des 251 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Medien-Referenzmodells für Business Media vorgestellten Phase einer Transaktion (vgl. 2.1.4) vorgenommen werden, so werden in der Wissens- und Absichtsphase die externen Prozesse angesprochen, in der Vereinbarungsphase sind sowohl die internen als auch die externen Prozesse beteiligt, wohingegen in der Abwicklungsphase hauptsächlich die internen Prozesse involviert sind. Folgende Abbildung verdeutlicht die Einteilung und gibt einen ersten Eindruck von den jeweiligen Prozessen. MCRProzesse Interne Prozesse BackOffice FrontOffice Anbieterseitige Prozesse Externe Prozesse KundenIntegration Navigation Transaktion Kundenseitige Prozesse Abbildung 4-34: Unterscheidung zwischen internen und externen MCR-Prozessen Beide Arten von Prozessen verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen, die mit Hilfe von verschiedenen Massnahmen realisiert werden kö nnen. Sowohl die Zielsetzungen als auch die entsprechenden Massnahmen werden im folgenden besprochen. Da sich im Zusammenhang mit den neuen Medien allerdings insbesondere im Bereich der externen Prozesse eine Vielzahl von relevanten Veränderungen ergeben hat, wird der Bereich der internen Prozesse, die bereits häufiger Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchung waren (vgl. (Bruhn, 1999), (Bach & Österle, 2000)) weniger ausführlich besprochen. 4.5.6.1 Interne Prozesse Ziel der internen, anbieterseitigen Prozesse, d.h. ohne nennenswerte Beteiligung der Kunden, ist die Erfüllung der Kundenbedürfnisse, die unternehmensintern abgewickelt werden. Diese Prozesse können des weiteren in die Back-Office und Front-OfficeProzesse unterschieden werden. 252 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Die Front-Office-Prozesse umfassen alle Prozesse, die zu einem Kundenkontakt führen können, insofern sind diese Prozesse hauptsächlich den Abteilungen Marketing, Verkauf und Service zuzuordnen (Bach & Österle, 2000) (S.24f.). Die Unterscheidung zwischen den einzelnen Abteilungen basiert dabei auf den unterschiedlichen Zielgruppen der Prozessaktivitäten, allerdings ist nicht immer eine eindeutige Zuordnung möglich, da sich teilweise Überschneidungen zwischen den verschiedenen Abteilungen ergeben. Grundsätzlich kann aber davon ausgegangen werden, dass Marketingprozesse den gesamten Markt als Zielgruppe haben, die Prozesse der Verkaufsabteilung hauptsächlich auf Interessenten zielen und die bestehenden Kunden von der Serviceabteilung und den entsprechenden Prozessen betreut werden. Folgende Abbildung fasst diese Aussagen zusammen. Front-Office Prozesse Ziel gruppen Marketing Markt Verkauf Interessent Service Kunde Abbildung 4-35: Abgrenzung der unterschiedlichen Front-Office-Prozesse49 Eine Konzentration auf lediglich drei Bereiche einer Unternehmung ist im Kontext des Management der Kundenbeziehung jedoch nicht ausreichend, so dass ebenso die sogenannten Back-Office-Prozesse in die Betrachtung miteinbezogen werden. Obwohl diese Prozesse, im Gegensatz zu den Front-Office-Prozessen, keinen direkten Kundenkontakt haben, sind sie ebenso für die Gestaltung der Kundenbeziehung relevant, da auch sie zur Leistungserfüllung beitragen und somit auch der Erfüllung der Kundenbedürfnisse dienen. So ist beispielsweise insbesondere in den neuen Medien die Logistik von herausragender Bedeutung. Da allerdings dieser Aspekt im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht vertieft werden kann, wird auf die entsprechende Fac hliteratur verwiesen (vgl. (Hoffmann, 2000)). Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 253 Weitere Beispiele für Prozesse des Back-Office sind der Einkauf, die Produktentwicklung, Qualitätsmanagement etc., wie sie auch im Building Block „Creating Added Value for the Customer“ unter 4.5.2 kurz angesprochen worden sind. Entscheidend ist hierbei, dass die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Prozessen klar geregelt sind, so dass keine Informationsbrüche bestehen. Beispielsweise sind für den Marketingbereich alle relevanten Informationen aus der Produktentwicklung notwendig, um die entsprechenden Aufgaben erfüllen zu können (Bach & Österle, 2000) (S.24f.). Als Hilfestellung zur Realisierung optimaler interner Prozesse können generell Referenzprozesse dienen. An diesen „Idealprozessen“ kann sich ein Anbieter orientieren und die eigenen Prozesse entsprechend daran ausrichten (Lang, 1997). Insbesondere in diesem Punkt wird auch die intensive Einbeziehung in die Organisation des Anbieters deutlich. Nur wenn der „MCR-Gedanke“ auch in der Aufbau- und Ablauforganisation verankert ist, wird es dem Anbieter gelingen, seine Kunden langfristig an sich zu binden und somit die aufgezeigten Potentiale realisieren zu können. 4.5.6.2 Kundenintegration Die Kundenintegration lässt sich aus Sicht des MCR-Ansatzes zwischen den internen und externen Prozesse einordnen, da sowohl anbieterseitige als auch kundenseitige Aspekte betrachtet werden. Die Integration der Kunden in die Wertschöpfungsprozesse des Anbieters ist dabei keine Besonderheit der neuen Medien, da auch schon in früheren Zeiten die Kunden zu einem gewissen Teil an der Leistungserstellung beteiligt waren. Allerdings ergeben sich durch die Entwicklungen der IKT wiederum neue Möglichkeiten, die Kunden in die Produktion miteinzubeziehen. Bevor ein Beispiel aus dem Bereich der Neuproduktentwicklung dies verdeutlicht, wird zunächst das Thema Kundenintegration allgemein beschrieben, um einen Überblick zu erhalten. „Der Begriff der Kundenintegration steht für die Tatsache, dass Nachfrager durch die von ihnen zur Verfügung zu stellenden sog. externen Faktoren in betriebliche Leistungserstellungsprozesse eingreifen und diese mitgestalten.“ (Kleinaltenkamp, 1997) (S.350). Das Spektrum der externen Faktoren, die seitens der Nachfrager in den Leistungserstellungsprozess eingebracht werden können, reicht dabei von der Bereitstellung einzelner Personen (z.B. Mitarbeiter bei Schulungen) über sachliche Objekte (z.B. zu reinigendes Gebäude) bis hin zu Informationen (z.B. Rechnungswesendaten für eine 49 in Anlehnung an (Bach & Österle, 2000) 254 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Wirtschaftsprüfungsgesellschaft). Charakteristikum der externen Faktoren ist somit, dass sie für die eigentliche Leistungserstellung unabdingbar sind (Corsten, 1985) (S. 127ff.). Der Erfolg der Leistungserstellung hängt somit auch von dem Grad der Bereitschaft der Nachfrager ab, die externen Faktoren zur Verfügung zu stellen, so dass sich für die Anbieter die Herausforderung ergibt, die Nachfrager zur aktiven Beteiligung zu motivieren, um für beide Seiten den Nutzen zu erhöhen. Für den Anbieter bietet die intensivere Integration der Kunden eine gute Möglichkeit, die Beziehung zu diesen Kunden zu verbessern, da durch die aktive Beteiligung ein Vertrauen geschaffen werden kann, das einen positiven Einfluss auf die Beziehung haben kann. Des weiteren wird damit dem Wunsch nach einer verstärkten Interaktion und der zunehmenden Individualisierung (vgl. Konsumententrends unter 3.3) Rechnung getragen, da davon ausgegangen werden kann, dass die Leistungen, die mit Hilfe der Kunden entstanden sind, in einem höheren Masse den individuellen Bedürfnissen entsprechen. Bei der Kundenintegration bringt sich also sowohl der Nachfrager mit seinen spezifischen Fähigkeiten als auch der Anbieter mit den entsprechenden Ressourcen ein, um das Ergebnis der Leistungserstellung für beide Seiten attraktiver zu gestalten. Die optimale Gestaltung der Schnittstellen zwischen Anbieter und Nachfragern ist dabei enorm wichtig, um die Einbindung in den entsprechenden Wertschöpfungsprozess ohne grosse Probleme realisieren zu können. Eine Vielzahl technischer Hilfsmittel, wie beispielsweise gemeinsam mit den Kunden genutzte CAD-Programme, können bei der Bewältigung dieser Schnittstellenproblematik hilfreich sein. Grundsätzlich stellt aber auch in diesem Zusammenhang die Kommunikation die notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration der Kunden in den Leistungserstellungsprozess dar, so dass an dieser Stelle wiederum intensive Verbindungen zu dem Building Block „Designing Customer Interaction“, der unter 4.5.1 besprochen wurde, deutlich werden. Ein weiterer Vorteil ergibt sich durch die im Rahmen der Kundenintegration notwe ndige, intensive und direkte Kommunikation zu den Kunden. Neben den bereits besprochenen Möglichkeiten (vgl. Building Block „Establishing Virtual Communities“ unter 4.5.5) zeichnen sich dadurch weitere Optionen ab, die Wünsche und Ideen der Nachfrager zu erfahren. Ein dritter Vorteil durch die Kundenintegration, die Steigerung des Vertrauens, ist bereits angesprochen worden, so dass an dieser Stelle nur der Hinweis auf den Building Block „Creating Trust“ (vgl. 4.5.4) die Abhängigkeiten innerhalb des MCR-Modells veranschaulichen soll. 255 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Diese Potentiale der Kundenintegration können in den neuen Medien teilweise noch stärker genutzt werden, wie das folgende Beispiel demonstrieren soll. Durch die Entwicklungen der IKT werden neue Ansatzpunkte der Kundeneinbindung im Neuproduktentwicklungsprozess sichtbar. Folgende Abbildung zeigt exemplarisch verschiedene Punkte, wo mit Hilfe der neuen Techniken die Integration der Kunden verbessert werden kann. Online-Ideenwettbewerb Ideenfindung Rapid-Prototyping mit den Kunden Ideenbewertung / - auswahl Entwicklung Bewertung durch eine Virtual Community Newsletter zum neuen Produkt Produkttest Markteinführung Test von Prototypen Abbildung 4-36: Ansatzpunkte der internetbasierten Kundeneinbindung im Neuproduktentwicklungsprozess50 Insbesondere in den ersten beiden Schritten des Neuproduktentwicklungsprozesses kann die unter 4.5.5 beschriebene virtuelle Gemeinschaft sinnvolle Dienste erweisen, da die unter den Kunden geführten Diskussionen wertvolle Anregungen für Verbesserungen oder Neuentwicklungen von Produkten liefern können. Des weiteren bietet sich die Möglichkeit, diese Anregungen im Kreis der Community-Mitglieder zu bewerten, so dass der Grad der Kundenintegration als sehr hoch angesehen werden kann. Mit Hilfe des Rapid-Prototyping kann die eigentliche Entwicklungszeit enorm verkürzt werden, so dass der gesamte Prozess der Neuproduktentwicklung deutlich schneller durchlaufen werden kann. Im Rahmen des Produkttests zeigen sich für die neuen Medien insofern Veränderungen, als dass digitale Produkte vor der kompletten Markteinführung von sogenannten Beta-Testern auf Fehler und Unstimmigkeiten geprüft we rden. Diesen Personen wird die Möglichkeit geboten, kostenlos eine Betaversion eines neu entwickelten Produktes zu nutzen, allerdings mit der Auflage, Kommentare zu dem entsprechenden Produkt zu geben. Durch die Entwicklung in den neuen Medien 50 in Anlehnung an (Ernst & Rüdiger, 2001) 256 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien kann insofern auch bei diesem Schritt eine verstärkte Integration der Kunden beobachtet werden. Abschliessend, in der Phase der Markteinführung, können beispielswe ise mit Hilfe eines E-Mail-Verteilers, wie er im Sinne der Push-Dienste des Building Blocks „Designing Customer Interaction“ unter 4.5.1 vorgestellt wurde, potentiell Interessierte schnell und kostengünstig über die Neuentwicklung informiert werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Integration der Kunden in den Wertschöpfungsprozess des Anbieters durch die beschriebene Steigerung des Vertrauens und die individuellere Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden, insofern auch eine Möglichkeit verkörpert, positiv auf die Beziehung zwischen Anbieter und Nachfragern in den neuen Geschäftsmedien einzuwirken. Durch die aufgezeigten Verknüpfungen zu den anderen Building Blocks konnte des weiteren die übergreifende Position des Building Blocks „Implementing Processes“ verdeutlicht werden. 4.5.6.3 Externe Prozesse Bei den externen Prozessen, als weiterer Bereich des Building Blocks „Designing Processes“, geht es in erster Linie um die kundenseitigen Prozesse. Ziel ist es dabei, den Aufwand für die Kunden zu minimieren, so dass sie schnell und bequem die gewünschte Transaktion durchführen können. Somit zeigt sich auch hier die Verknüpfung zu den unter 3.3 beschriebenen Konsumententrends der Bequemlichkeit und der Zeitersparnis. Im weiteren werden beispielhaft verschiedene Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen, vorgestellt. Um die verschiedenen Massnahmen in eine Struktur zu bringen, orientiert sich der Aufbau des folgenden Abschnittes an den Interaktionsphasen Pre-Sales, Sales und After-Sales (Hünerberg & Mann, 2000). Die nachstehende Tabelle fasst die entsprechenden Aufgaben und Bedürfnisse der Kunden, Beispiele für Verbesserungsmöglichkeiten und den damit bezweckten Nutzen zusammen. 257 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Phase des Interaktionsprozesses Pre-Sales Sales Aufgaben / Bedürfnisse aus Kundensicht ?? Wünsche identi- ?? Verhandeln fizieren bestellen Beispiele für Verbesserungsmöglichkeiten ?? Agenten Bezweckter Nutzen ?? Reduktion des Suchaufwandes ?? Informieren vergleichen After-Sales & ?? Serviceangebote nutzen & ?? Bestellung ent- ?? Mögl. Mängel der gegennehmen Leistung aufzeigen ?? Webgestaltung, Navigation ?? One-ClickShopping ?? Online Kundenservice ?? Tracing & Tra- ?? Beschwerdecking management ?? Vereinfachung der Transaktion ?? Genauere Spezi- ?? Steigerung der fikation der BeTransparenz dürfnisse ?? Förderung des Dialogs ?? Gestaltung der Kundenbeziehung Tabelle 4-13: Möglichkeiten zur Verbesserung der Kundenbeziehung im Rahmen der externen Prozesse des Building Blocks „Implementing Processes“ In der Pre-Sales-Phase, als erstem Schritt in einem Interaktionsprozess, erkennen die Kunden ihre Bedürfnisse und suchen nach entsprechenden Lösungen. Wurden ve rschiedene Lösungen gefunden, werden diese miteinander verglichen und untereinander abgewogen. Dementsprechend ist es in dieser Phase entscheidend, den Kunden die Möglichkeit zu bieten, sich schnell und komplikationslos über die eigenen Wünsche im Klaren zu werden sowie die entsprechende Unterstützung bei der Informationssuche zur Verfügung zu stellen. Hilfestellung bei der Suche nach dem passenden und preiswertesten Produkt bieten beispielsweise sogenannte Preisagenten, die das in den neuen Medien zur Verfügung stehende Angebot nach vorher vo m Benutzer festgelegten Kriterien durchsuchen (Clement & Runte, 1998) (S.264). Exemplarisch für einen Preisagenten kann hier das Angebot von „The Bargain Finder“ (www.cdrom-guide.com/bargainfinder) genannt werden. Der Begriff „Agent“ bietet auf Grund seiner etymologischen Wurzel (lat. agere = tun, handeln) eine Vielzahl von Interpretationsmöglichkeiten, so dass an dieser 258 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Stelle nur kurz auf die definierenden Eigenschaften von Agenten eingegangen werden soll. Autonomie Agenten handeln selbständig, ohne dass ein direkter Eingriff von aussen notwendig ist, und können in gewissem Sinne über ihre Aktionen entscheiden Soziale Fähi gkeiten Agenten sind zur Interaktion mit anderen Agenten (ggfs. auch Menschen) fähig, wozu sie eine entsprechende Sprache nutzen Reaktionsfähigkeit Agenten können ihre Umwelt (physische und/oder virtuelle Umwelt) wahrnehmen und auf dort stattfindende Veränderungen innerhalb bestimmter Zeit reagieren Initiative Agenten arbeiten nicht nur reagierend, sondern sind in der Lage, mit eigener Initiative ein bestimmtes Ziel zu verfolgen Tabelle 4-14: Definierende Eigenschaften von Agenten51 Wie die Übersicht zeigt, ergeben sich eine Reihe von verschiedenen, möglichen Aufgaben und potentielle Einsatzmöglichkeiten für Agenten, die die Nachfrager von einer Vielzahl von Standardaufgaben entlasten können, so dass für sie der komplette Transaktionsprozess bequem und komplikationslos vollzogen werden kann. Das Angebot von entsprechenden Agenten zur Unterstützung der Kunden kann somit ebenso zu einer positiven Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Medien beitragen. Eine weitere Verbesserungsmöglichkeit in der Pre-Sales-Phase ist die Gestaltung des online-Auftritts. Sie bestimmt massgeblich, wie leicht sich die User zurecht finden und wie effizient das Angebot genutzt werden kann. Daraus ergibt sich, ob die Besucher den Wunsch verspüren, dieses Angebot nochmals zu nutzen. Insofern leistet auch die Gestaltung der Internet-Präsenz einen wesentlichen Beitrag zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien. Entscheidend bei einem solchen Auftritt ist prinzipiell die Bequemlichkeit der Nutzung und die entsprechende Navigation, die bestimmt, wie schnell ein Benutzer die von ihm gesuchte Information findet. Eine gute Unterstützung bieten dabei auch lokale, möglichst wissensbasierte Suchmaschinen, die allerdings mittlerweile schon fast als Standard angesehen werden können. 51 Quelle: (Woolridge & Jennings, 2000) Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 259 Zu bedenken bei der Gestaltung des online-Auftritts ist auch, dass die Benutzer unterschiedliche Rollen annehmen können, wie bereits unter 4.5.3.4 beschrieben wurde. Als eine zusätzliche Unterstützung bei der Navigation können virtuelle Berater in Form von sogenannten Smartbots dienen. Diese "smarten" Robots sollen Künstliche Intelligenz und eine menschliche Erscheinung miteinander vereinen. Als (zumindest optischer) Prototyp gilt Max Headroom aus dem Jahre 1987. Allerdings geht die Entwicklung in diesem Bereich schnell voran, so ist seit dem 19. April 2000 Ananova (www.ananova.com) als erste virtuelle Nachrichtensprecherin der Welt im Internet zu begutachten (o.V., 2001). Als Beispiel für einen virtuellen Berater, der den Besucher bei der Suche und der Auswahl des passenden Produktes unterstützen soll, kann Cor@ von der Deutschen Bank gezeigt werden. Abbildung 4-37: Virtuelle Beraterin bei der Deutschen Bank zur Unterstützung bei der Navigation52 Entscheidend ist dabei, dass die Besucher Fragen in ganzen Sätzen stellen können, so als ob sie einen menschlichen Berater vor sich hätten. Durch das menschliche Aussehen der virtuellen Berater und dem Angebot, die Antworten auch in Sprachform zu erhalten, sollen die teilweise vorhandenen Kommunikationshemmungen gemindert werden und eine Face-to-Face-Kommunikation bestmöglich simuliert werden. 52 Quelle: www.deutsche-bank.de/ui 260 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Um die Bequemlichkeit bei der Nutzung eines online-Angebots zu gewährleisten, ist es des weiteren notwendig, ein ausgewo genes Verhältnis zwischen der Gestaltung der Webseite durch Animationen (z.B. aufwendige Plug-Ins) und den entsprechenden Ladezeiten für die jeweiligen Seiten zu berücksichtigen, da die Besucher im Falle einer sehr langen Ladezeit häufig zu einem anderen Anbieter wechseln (Heitz, 1998). In der Sales-Phase, als zweiten Schritt im Transaktionsprozess, steht für die Kunden das Verhandeln und Bestellen, sowie das Entgegennehmen der Leistung im Vordergrund. Auch in dieser Phase ist es Ziel des Building Blocks „Implementing Processes“, die Abläufe für die Kunden so bequem und transparent wie möglich zu machen. Eine Möglichkeit zur Erfüllung dieses Zieles besteht in dem Angebot von der sogenannten „1-Click-Bestellung“, die sich der Anbieter Amazon patentrechtlich schützen liess. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, mit dem online-Bestellungen beschleunigt werden. Akzeptiert der Kunde dieses Verfahren, so wird auf seinem Rechner ein Cookie gespeichert. Bei der nächsten One-Click-Bestellung wird dieses Cookie wieder an den Amazon-Server geschickt und die Daten des Anwenders werden aus der Kundendatenbank ausgelesen. Nach Eingabe eines persönlichen Kennworts übernimmt dann das Bestellsystem auf Grund des Cookies fast alle für die Transaktion notwendigen Angaben (z.B. Lieferadresse, Zahlungsinformationen) automatisch aus dem Kundenprofil, eine Neueingabe der Daten entfällt somit (Intern.de, 1999). Um die Transparenz des Bestellprozesses für die Kunden zu steigern, bietet sich das Konzept des Tracing & Tracking an. Tracing bezeichnet dabei „die Möglichkeit, im Rahmen der Sendungsverfolgung eine nachträgliche Analyse des Transportverlaufes einer Sendung durchzuführen. Voraussetzung bildet die lückenlose Verfolgung der Sendung zwischen Quelle und Ziel im Rahmen des Tracking und die Archivierung aller erfassten Sendungsstati inklusive aller aufgetretenen Fehlermeldungen im Sinne einer vollständigen Sendungslegende.“ (Städtler-Schumann, 1997) (S.1080). Die Kunden haben somit, vorausgesetzt die entsprechenden Informationen werden online verfügbar gemacht, die Möglichkeit, genaustens über den Transportverlauf der bestellten Ware unterrichtet zu sein. Voraussetzung für die Sendungsverfolgung ist das Tracking. „Zur Sendungsverfolgung muss an sogenannten Identifikationspunkten die mit einem Barcode oder codierten Informationschip ausgestattete Sendung identifiziert werden. So lässt sich lückenlos verfolgen, welche Sendung wann welchen Punkt in einem logistischen Sammel- und Verteilnetz durchlaufen hat. Diese Identifikationaufgabe bezeichnet man als Tracking.“ (Vahlens Grosses Logistiklexikon, 1997) (S.1080). Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 261 Der amerikanische Computerhersteller Dell (www.dell.com) geht dabei noch einen Schritt weiter, in dem nicht nur der Transportstatus abgefragt werden kann, sondern der gesamte Produktionsprozess für die Kunden transparent gemacht wird. So kann jeder Kunde vom Auftragsstatus über den Produktionsstatus bis hin zum Lieferstatus die Entstehung und Versendung seines Computers mitverfolgen. Folgender Screenshot zeigt die Darstellung des Bestellstatus. Abbildung 4-38: Darstellung des Bestellstatus zur Steigerung der Transparenz des Abwicklungsprozesses53 Nachdem die Kunden die bestellte Ware entgegengenommen haben, beginnt als dritter Schritt des Transaktionsprozesses die After-Sales-Phase. In ihr ist es aus Sicht der Kunden entscheidend, ein umfangreiches Serviceangebot zu erhalten und im Falle einer Reklamation schnell und kompetent bedient zu werden. Der bezweckte Nutzen ist also in der Förderung des Dialoges zwischen Anbieter und Nachfragern sowie in der positiven Gestaltung der Kundenbeziehung zu sehen. Als Beispiel für Verbesserungsmöglichkeiten in dieser Phase soll zunächst der onlineService betrachtet werden. „Die grundsätzliche Aufgabe des Services besteht im wesentlichen dabei darin, den Absatz der Kernleistung zu ermöglichen oder zu fördern.“ (Hünerberg & Mann, 2000) (S.318). Eine mögliche Ausprägung des Services, der die- 53 Quelle: www.support.euro.dell.com/de/de/olos/phases 262 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ses Ziel erfüllen kann, sind online-Kundenschulungen, die als ein wichtiger Bereich der After-Sales-Phase angesehen werden können (Fassott, 1995) (S.243ff.). Trainingsund Schulungsmassnahmen sind insbesondere bei Leistungen, deren Nutzung erklärungsbedürftig ist, von äusserster Relevanz. Ziel dieser Schulungen ist es, die Nutzer für den Gebrauch dieser Leistung zu qualifizieren, so dass das Nutzenpotential der jeweiligen Leistung voll ausgeschöpft werden kann. Aus Kundensicht vereinfacht sich somit der Prozess der Nutzung, was wiederum zu einer steigenden Bequemlichkeit führt. Diese Massnahmen können durch die Entwicklungen der IKT häufig auch in den neuen Medien durchgeführt werden (vgl. Beschreibung der Kommunikationskanäle unter 4.5.1.3), so dass selbst komplexe Sachverhalte gut vermittelt werden können (Mann, 1996) (S.176f.). Durch das Angebot von Schulungen kann somit auch die Zufriedenheit der Kunden in der After-Sales-Phase gesteigert werden und ein positiver Einfluss auf den Grad der Kundenbindung vermutet werden. Insbesondere auch dem Beschwerdemanagement sollte in der After-Sales-Phase ein grosses Augenmerk geschenkt werden, da Kunden in einer solchen Situation äusserst sensibel auf die Reaktion des Unternehmens achten (Stauss & Seidel, 1998). Versteht es ein Anbieter bei einer Beschwerde eines Kunden, diese schnell und kompetent zur vollsten Zufriedenheit des Kunden zu bearbeiten, kann aus einem zunächst verärgerten Kunden ein „begeisterter Kunde“ gewonnen werden (Richter-Mundani, 1999). Zur Gestaltung des Beschwerdemanagement ergeben sich in den neuen Medien eine Vielzahl von Massnahmen, die sich ebenso in den Building Block „Implementing Processes“ einordnen lassen. Eine dieser Möglichkeiten ist die Einrichtung von sogenannte „E-Mail-Meckerkästen“. Diese können dabei als eine Art Überdruckventil für unzufriedene Kunden verstanden werden, die über den Kommunikationskanal E-Mail schneller und bequemer eine Beschwerde direkt an den Anbieter richten können. In diesem Zusammenhang bieten sich standardisierte E-Mail-Formulare als Eingabemaske an, um zum einen den Aufwand für die Kunden so gering wie möglich zu halten und zum anderen, die unterne hmensinterne Zuordnung zum jeweiligen Mitarbeiter, der die Beschwerde bearbeitet, zu erleichtern (Hünerberg & Mann, 2000) (S.3226ff.). 4.5.6.4 Zusammenfassende Betrachtung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Building Block „Implementing Processes“ sowohl mit seiner übergreifenden Art für die anderen Building Blocks, als auch als eigenes Massnahmenbündel eine hohe Relevanz beim Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien besitzt. Die Aufteilung in die internen und externen Prozesse bietet sich an, um die verschiedenen vorgeschlagenen Massnahmen besser strukturieren zu können. Die Massnahmen für die internen Prozesse beziehen sich dabei auf die Gestaltung der Leistungserstellung aus Sicht des Anbieters, Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 263 wohingegen die Vorschläge für die externen Prozesse die Bequemlichkeit des Transaktionsprozesses aus Sicht der Kunden adressieren. Die internen Prozesse unterteilen sich wiederum in die Front-Office- und in die Back-Office-Prozesse, wobei sich die Front-Office-Prozesse durch den Kundenkontakt charakterisieren lassen. Bei den externen Prozessen steht die bequeme und zeitsparende Abwicklung der Transaktion aus Sicht des Kunden im Mittelpunkt, so dass Massnahmen wie beispielsweise die One-Click-Bestellung, das Tracing & Tracking oder Möglichkeiten zur virtuellen Beratung erörtert worden sind. Des weiteren sind die verschiedenen Formen der Kundenintegr ation in den neuen Medien dargelegt worden. Die Auswahl und der Einsatz der jeweiligen Massnahmen hängen dabei von der spezifischen Situation des Anbieters ab, so dass die vo rgestellten Massnahmen des Building Blocks „Implementing Processes“ nur einen Einblick in die Vielzahl von Möglichkeiten geben können. 4.5.7 Controlling Der siebte und damit letzte Building Block des Modells des Management of Customer Relationship in Business Media umfasst Massnahmen zum Controlling. Diese Massnahmen unterteilen sich dabei grob in zwei grosse Bereiche: zum einen sollen Möglichkeiten, die bisher vorgestellten Massnahmen der verschiedenen Building Blocks auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen, vo rgestellt werden und zum anderen bezieht sich der Controlling-Aspekt auf die ökonomische Bewertung der Nachfrager. Dabei soll die Frage beantwortet werden, zu welchen Kunden überhaupt unter ökonomischen Gesichtspunkten eine Beziehung aufgebaut und gepflegt werden soll. Des weiteren wird dabei untersucht, in welche verschiedenen Segmente Kunden sinnvollerweise eingeteilt werden können, um anhand dieser Einteilung die adäquaten Massnahmen des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien auszuwählen. Insbesondere durch die Betrachtungen zur Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Massnahmen der Building Blocks wird der übergreifende Charakter des im folgenden zu erläuternden Massnahmenbündels deutlich. In Analogie zu der Beschreibung der anderen Building Blocks soll auch an dieser Stelle die Auflistung der relevanten Fragen, die sich daraus ableitenden Massnahmen und die erwünschten Resultate zur Strukturierung beitragen. Die Fragen sind in diesem Zusammenhang insofern auch als eine Art Checkliste für Anbieter zum Thema Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien zu verstehen. Folgende Abbildung stellt diesen Zusammenhang bezogen auf den Building Block „Controlling“ dar. 264 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Welche Massnahmen sind erfolgreich ? Wirtschaftlichkeitsrechnung Kontrolle & Steuerung von MCR-Massnahmen Wer sind die „wertvollen“ Kunden ? Kundenkapitalwertberechnung Ökonomische Bewertung der Kunden Wie können die Kunden segmentiert werden ? Kundensegmentierung Ableitung von entsprechenden Massnahmen Abbildung 4-39: Relevante Fragen, abgeleitete Massnahmen und die entsprechenden Resultate des Building Blocks „Controlling“ Gemäss dieser Struktur wird im folgenden zunächst auf die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen in Form von Kosten-Nutzen-Analysen eingegangen. Als zweiter Punkt wird der Frage nach der Bewertung der Kunden durch Verfahren der Kundenkapitalwertberechnung nachgegangen, um abschliessend Methoden zur Segmentierung der Kunden und der Ableitung von entsprechenden Massnahmen zu diskutieren. 4.5.7.1 Wirtschaftlichkeit von MCR-Massnahmen Wie unter 4.4 besprochen, ist es Ziel des neuen Ansatzes über eine positive Gestaltung der Beziehung zu den Kunden, die Kundenbindung zu steigern, in der Hoffnung daraus einen höheren, ökonomischen Gewinn erwirtschaften zu können. Allerdings lässt sich aus diesem Zusammenhang kein allgemein gültiges Gesetz herleiten. In einer Reihe von empirischen Studien ((Reichheld & Sasser Jr., 1990), (Blattberg & Deighton, 1996)) konnte zwar nachgewiesen werden, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Kundenbindung und ökonomischem Erfolg existiert, allerdings entbindet das Unternehmen nicht davon, ihre Aktivitäten zur Gestaltung der Kundenbeziehung jeweils auch im Einzelfall auf Profitabilität hin zu überprüfen und gegebenenfalls die entsprechenden Massnahmen zu verändern. Um die Erfolgstauglichkeit einer Massnahme feststellen zu können, bietet es sich an, die entsprechenden Aktivitäten unter Investitionsgesichtspunkten zu beleuchten (Rust et al. 1995) (S.58). In diesem Sinne kann man die Massnahmen zur Gestaltung der Kundenbeziehung als Investitionen in die jeweilige Beziehung interpretieren, so dass der wertorientierte Investitionsansatz nach (Brühl, 1996) (S.92ff.) Anwendung findet. Bei diesem Ansatz werden Kosten, verstanden als Investitionen in eine Beziehung, und Nutzen des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 265 unterschieden, so dass sich die Wirtschaftlichkeit der jeweiligen Massnahme aus einem Kosten-Nutzen-Vergleich, also aus dem Verhältnis zwischen den eingesetzten Mitteln und der jeweiligen Zielerreichung einer unternehmerischen Aktivität, ergibt. Die Erhebung der Kosten der jeweiligen Massnahmen und die Identifikation des entsprechenden Nutzens sind dementsprechend Voraussetzung zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit. Zur systematischen Durchführung dieser Untersuchung bietet ein Phasenkonzept zur Ermittlung und Interpretation der Wirtschaftlichkeit nach (Bruhn & Georgi, 1999) Unterstützung. Folgende Abbildung gibt einen Überblick zu den verschiedenen Phasen, die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsanalyse durchschritten werden müssen. Diese Phasen werden dabei im weiteren Verlauf ausführlicher besprochen, um die Vorgehensweise zu verdeutlichen. Definition Kundenbindungsinvestition Analyse der Kundenbindungskosten Analyse des Kundenbindungsnutzens 1. Spezifizierung des Investitionsbedarfs 2. Konkretisierung des Investitionszeitraumes 3. Festlegung der relevanten Kostenkategorien 4. Ermittlung der relevanten Kosten 5. Festlegung der relevanten Nutzenkategorien 6. Ermittlung des relevanten Nutzens 7. Auswahl einer Methode der Wirtschaftlichkeitsanalyse Kosten-NutzenAnalyse des Kundenbindungsmanagement 8. Ermittlung von Wirtschaftlichkeitskennziffern 9. Interpretation der Wirtschaftlichkeitskennziffern 10. Ableitung von relevanten Massnahmen Abbildung 4-40: Phasenkonzept einer Wirtschaftlichkeitsanalyse für das Management der Kundenbeziehung54 54 Quelle: (Bruhn & Georgi, 1999) (S.415) 266 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Im Rahmen des Phasenkonzeptes muss als erster Schritt definiert werden, was als Investition im Kundenbeziehungsmanagement gelten soll. In Anlehnung an die klassische Investitionsdefinition (vgl. (Altrogge, 1996) S.5f.) wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine Massnahme des Kundenbeziehungsmanagement, die zwischen zwei Zeitpunkten langfristige, positive oder negative Konsequenzen hat, als Kundenbindungsinvestition gesehen. Die positiven Konsequenzen der Investitionen weisen dabei häufig eine gewisse Zeitverzögerung auf, so dass sie nicht sofort sichtbar werden (Bruhn & Georgi, 1999) (S.414). Die zweite Phase beschreibt die Analyse der Kundenbindungskosten, wo bei zunächst die verschiedenen Kostenkategorien festgelegt werden müssen, um anschliessend die entsprechenden Kosten zu erheben. Grundsätzlich kann man die Kosten der Massnahmen des Management der Kundenbeziehung den Gemeinkosten zuordnen, da sie in der Regel keinen klaren Bezug zu einem Produkt aufweisen und somit nur schwer als Einzelkosten zu verbuchen sind (Kilger, 1986) (S.69ff.). Bezogen auf die verschiedenen Building Blocks ergeben sich je nach Massnahme unterschiedliche Kosten, die beispielhaft in der nachstehenden Tabelle aufgeführt sind. MCR-Building Block Kostenverursachende Beispielaktivität Designing Customer Interaction Einrichtung eines Customer Interaction Centers Creating Added Value for the Customer Einführung eines Bonusclubs Customer Profiling Aufbau eines Data Warehouses Creating Trust Darstellung der „Privacy Policies“ Establishing Virtual Communities Gestaltung einer virtuellen Gemeinschaft Implementing Processes Einführung einer „One-Click-Bestellung“ Tabelle 4-15: Kostenverursachende Beispielaktivitäten der einzelnen Building Blocks Allerdings ergeben sich auf Grund des überwiegenden Gemeinkostencharakters der Ausgaben häufig Schwierigkeiten bei der Erhebung und Zuordnung der entsprechenden Kosten, da nur ein geringer Teil den sogenannten primären Kosten (z.B. Mitarbei- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 267 ter des Call Centers, der ausschliesslich Aufgaben der Kundenbetreuung wahrnimmt) zugeordnet werden kann, so dass vielmehr grösstenteils die sekundären Aktivitäten, d.h. Massnahmen, die nicht direkt und ausschliesslich dem Management der Kundenbeziehung, wie beispielsweise Massnahmen des Qualitätsmanagement, die Kosten beeinflussen. Um diesen Kostenblock adäquat zu erfassen, bietet sich die Methode der Prozesskostenrechnung an, die ebenso auch für den Bereich des Kundenbeziehungsmanagement angewendet werden kann (Bruhn & Georgi, 1999) (S.420). Idee dieser Methode ist es, gemäss der Prozesse die entsprechenden Kosten verursachungsgerecht aufzuteilen, so dass die anfallenden Kosten den entsprechenden Massnahmen des Management der Kundenbeziehung zugeteilt werden kö nnen. Voraussetzung für die Aufteilung der Kosten in dieser Art ist die genaue Kenntnis der Abläufe und die Bestimmung der jeweiligen Prozessinhaber. Die generelle Vorgehensweise der Prozesskostenanalyse wird dabei beispielsweise für den Dienstleistungsbereich bei (Reckenfelderbäumer, 1994) intensiver besprochen. Die Addition der Kosten der primären Aktivitäten und die im Rahmen der Prozesskostenanalyse ermittelten sekundären Kosten, bilden zusammen die Gesamtkosten der Massnahmen des Management der Kundenbeziehung. Neben der Erhebung der Kosten ist es zur Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse des weiteren notwendig, den Nutzen der verschiedenen Massnahmen zu identifizieren. Der Nutzen orientiert sich dabei an dem Grad der Erreichung der MCR-Ziele, wie sie unter 4.4 besprochen worden sind. Die dadurch entstehenden Nutzenkategorien können in beziehungsbezogenen und beziehungsneutralen Nutzen eingeteilt werden (Stauss & Seidel, 1998), wobei letztere Kategorie insbesondere den Kommunikationsnutzen allgemeinerer Natur, wie beispielsweise die Förderung des Images, beinhaltet. Im Gegensatz dazu umfassen die beziehungsbezogenen Nutzenkategorien, die wiederum in einen Beziehungserhaltungsnutzen und einen Beziehungsintensivierungsnutzen differenziert werden können, den entstehenden Nutzen, der sich direkt auf eine Beziehung bezieht. So sind die gesteigerte Kauffrequenz oder die Erlössteigerung durch abnehmende Preiselastizität Beispiele für den beziehungsbezogenen Nutzen. Allerdings muss prinzipiell bei der Betrachtung des Nutzens im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsanalyse die kausale Verbindung zwischen dem Nutzen des Kundenbeziehungsmanagement und dem ökonomischen Erfolg hinterfragt werden, da zum einen die Stärke dieses Zusammenhangs unklar ist und zum anderen die Struktur dieser Korrelation detailliert zu untersuchen ist. 268 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Wie schon bei der Beschreibung der Determinanten der Kundenbindung nach (Tomczak & Dittrich, 1997) unter 2.2.5.5 gezeigt, kann nicht unbedingt in jedem Fall eine direkte Verbindung zwischen der Zufriedenheit der Kunden und dem entsprechenden Grad der Kundenbindung erkannt werden, so dass die Stärke des Zusammenhangs zwischen diesen beiden Parametern variieren kann. Dementsprechend ist auch die Korrelation zum ökonomischen Erfolg teilweise zumindest fraglich, so kann z.B. das beschriebene Variety-Seeking-Motiv trotz hoher Zufriedenheit zu einer Abwanderung der Kunden führen, so dass sich in diesem Fall keine kausale Verbindung zwischen der Kundenzufriedenheit und dem ökonomischen Erfolg erkennen lässt. Dieser Faktor kann dabei als ein Beispiel für einen unternehmensexternen moderierenden Einfluss aufgeführt werden. Unternehmensinterne Einflussfaktoren auf diese Erfolgskette sind dabei die Massnahmen zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien, die zum Ziel haben, eine positive Korrelation zwischen den einzelnen Kettengliedern zu erreichen. Folgende Abbildung stellt die Thematik vereinfacht dar. Unternehmensexterne moderierende Faktoren Massnahmen des MCR ? Kundenzufriedenheit ? Kundenbindung ? Ökonomischer Erfolg Unternehmensinterne moderierende Faktoren Abbildung 4-41: Erfolgskette des Kundenbeziehungsmanagement und beeinflussende Faktoren55 55 in Anlehnung an (Bruhn & Georgi, 1999) (S.422) Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 269 Generell kann von einem positiven Zusammenhang ausgegangen werden, allerdings stellt sich dabei die Frage in welcher Form diese unterschiedlichen Kettenglieder zusammenhängen. Es zeigt sich also insofern die Problematik, dass die Struktur der Nutzenkurve nur unzureichend bekannt ist bzw. in der jeweiligen Situation nur schwer ermittelt werden kann. (Bruhn & Georgi, 1999) haben allerdings in einer Untersuchung ableiten können, dass bei der Nutzenfunktion von einem konkaven Kurvenverlauf auszugehen ist, d.h. der ökonomische Erfolg steigt in zunehmendem Masse mit den Massnahmen des Management der Kundenbeziehung, allerding mit abnehmendem Grenznutzen. Ebenso wie bei der Ermittlung der Kosten, ist auch die Identifikation des Nutzens und die entsprechende Quantifizierung mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Um diese Unsicherheiten zu minimieren erscheint es ratsam, eine Vielzahl von internen und externen Datenquellen anzuzapfen, um ein deutlicheres Bild von der Art und dem Umfang des Nutzens zu erhalten (Bruhn, 1998) (S.253ff.). Als externe Informationsquellen dienen dabei beispielsweise Kundenbefragungen bzgl. der Zufriedenheit, wobei z.B. mit Hilfe der Prozesskostenrechnung die Quantifizierung der verschiedenen Nutzenkategorien ermöglicht bzw. stark vereinfacht wird. Zur Ermittlung des Nutzens führen (Bruhn & Georgi, 1999) (S.428) ein fiktives Beispiel an, das zwischen der Absenz und Präsenz von Massnahmen zur Gestaltung der Kundenbeziehung unterscheidet und in Folge dessen von verschiedenen Zufriedenheitsniveaus ausgeht, wobei sie eine positive Korrelation zu Grunde legen, so dass das Zufriedenheitsniveau bei der Präsenz höher liegt. Auf Grund der Multiplikation mit verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise der Wiederwahlrate, der Kundenanzahl und dem Gewinn pro Kunden, ergeben sich unterschiedliche Ausprägungen der Erlöswirkungen, so dass sich insgesamt nach Aufsummierung weiterer Ausprägungen der verschiedenen Nutzenarten ein Gesamtnutzen errechnen lässt. Die Identifikation und Quantifizierung des Nutzens wird sich allerdings in der Praxis als sehr schwierig erweisen, da die relevanten Informationen nur schwer zu erhalten sind. Des weiteren ist zu bedenken, dass die Ausprägungen der verschiedenen Nutzenkategorien sehr von der jeweiligen Untersuchungssituation abhängen, so dass das kurz vorgestellte Verfahren nur erste Hinweise zu dieser Thematik liefern kann. Der abschliessende Schritt im Rahmen des Phasenkonzeptes einer Wirtschaftlichkeitsanalyse beschreibt den Vergleich zwischen den ermittelten Kosten und dem entsprechenden Nutzen sowie die Ableitung von verschiedenen Kennzahlen zur Interpretation der Ergebnisse der Berechnungen. 270 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Grundsätzlich können zwei Verfahren der Wirtschaftlichkeitsberechnung unterschieden werden, zum einen die statischen und zum anderen die dynamischen Vorgehensweisen der Kosten-Nutzen-Analyse. Bei den statischen Kosten-Nutzen-Analysen steht der auf einen Zeitpunkt bezogene Gewinnvergleich im Vordergrund, so dass sich durch die Differenzbildung von durchschnittlichem monetären Nutzen und durchschnittlichen Kosten ein Kundenbindungsgewinn ergibt. Dieser Kundenbindungsgewinn wird dabei als Kennziffer der Wirtschaftlichkeit betrachtet, so dass eine Investition in Form einer Massnahme zur Gestaltung der Kundenbeziehung um so wirtschaftlicher ist, je höher der Kundenbindungsgewinn ausfällt (Bruhn, 1998) (S.283ff.). Ausserdem kann in diesem Zusammenhang auch die Kundenbindungsrendite, d.h. das Verhältnis aus Kundenbindungsgewinn und Kosten, als weitere Kennziffer der statischen Verfahren genannt we rden. Im Gegensatz dazu beziehen die dynamischen Verfahren der Wirtschaftlichkeitsrechnung die unterschiedlichen Entwicklungen des Nutzens und der Kosten über einen Zeitraum hinweg in die Berechnung mit ein und verzichten somit auf die Nivellierung durch die auf Durchschnittswerte beschränkte Betrachtung. Die unterschiedlichen zeitlichen Perioden werden mit Hilfe der Zinseszinsrechnung ausgeglichen, so dass sich dynamische Kennzahlen ergeben. Als zentrale Kennziffer der dynamischen KostenNutzen-Analyse kann der Kundenbindungswert angesehen werden. Dieser Wert setzt sich aus der Verbindung der Summe der abgezinsten Kundenbindungsgewinne und den diskontierten Kosten zusammen (Bruhn & Georgi, 1999) (S.433). Für die beschriebenen Arten der Wirtschaftlichkeitsberechnung bestehen, unabhängig von der gewählten Vorgehensweise der Kosten-Nutzen-Analyse, verschiedene Einsatzmöglichkeiten im Rahmen des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien, die in folgender Abbildung zusammengefasst sind. Einsatzmöglichkeiten für Kosten-Nutzen-Analyse beim Management der Kundenbeziehung AlternativenVergleich Soll-IstVergleich ZeitreihenVergleich Abbildung 4-42: Einsatzmöglichkeiten für die Kosten-Nutzen-Analyse beim Management der Kundenbeziehung Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 271 Zum einen können die verschiedenen Möglichkeiten der Wirtschaftlichkeitsberechnung bei der Auswahl der adäquaten Massnahmen durch einen Alternativenvergleich hilfreich sein. Des weiteren können diese Verfahren einen wertvollen Beitrag zur Kontrolle und Steuerung der jeweiligen Massnahmen im Sinne eines Soll-Ist-Vergleiches liefern. Zusätzlich ergibt sich als weitere Einsatzmöglichkeit die Betrachtung über ve rschiedene Zeitreihen, so dass neben dem Soll-Ist-Vergleich auch die zeitliche Komponente beim Controlling Berücksichtigung finden kann. Abschliessend kann für den Bereich des Building Blocks „Controlling“ die Forderung erhoben werden, dass der Marketingbereich in diesem Zusammenhang eng mit dem Unternehmensbereich des Controlling zusammenarbeiten sollte, um die entscheidungsrelevanten Informationen zur Bewertung und Auswahl attraktiver Kundenbeziehungen zur Verfügung gestellt zu bekommen (Hermanns & Thurm, 2000) (S.470). Des weiteren ist zu beachten, dass eine Steigerung der Massnahmen des Kundenbeziehungsmanagement nicht unbedingt automatisch zu einer proportionalen Erhöhung des ökonomischen Erfolges führt. Insofern gilt es in der spezifischen Situation, das richtige Mass und die entsprechende Intensität der verschiedenen Instrumente zu bestimmen. Bei diesem Auswahlprozess bietet die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit der Massnahmen Unterstützung, allerdings stellt sich die Kosten-Nutzen-Analyse in der Praxis auf Grund mangelnder Information häufig als sehr schwierig heraus. 4.5.7.2 Methoden und Kennziffern zur Berechnung des Kundenwertes Wie bei der Vorstellung der Definition unter 4.3 erwähnt, sollen die Interaktionsbeziehungen zu ökonomisch attraktiven Nachfragern entwickelt, gestaltet und gepflegt we rden, daher ergibt sich die Frage, wie die Nachfrager ökonomisch bewertet werden können. Demzufolge werden im folgenden Methoden und Kennziffern insbesondere zur Bewertung der Kunden vorgestellt, um in einem weiteren Schritt anhand dieser Beurteilung eine Segmentierung der Kunden vornehmen zu können. Da die Abschätzung der wirtschaftlichen Attraktivität bei potentielle Kunden in der Regel nur sehr schwer möglich ist, wird im folgenden auf bestehende Kunden fokussiert. Prinzipiell kann man bei der Bewertung der Kunden zwischen ein- und mehrdimensionalen Kundenwertanalysen unterscheiden (Cornelsen, 2000) (S.91ff.). Eindimensionale Kundenwertanalysen konzentrieren sich auf einen Ausschnitt einer Beziehung, beispielsweise auf monetäre Kriterien, wie Umsatz, Erfolg pro Kunde, etc. oder auf nicht-monetäre Kriterien, wie die Zufriedenheit der Kunden, der Grad des persönlichen Involvement usw. Je nach Betrachtungszeitraum, entweder periodenbezogen oder periodenübergreifend, können diese Verfahren zusätzlich klassifiziert werden, so kann 272 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien beispielsweise durch eine periodenübergreifende Betrachtung der Kundenbeziehung der dynamische Kundenkapitalwert ermittelt werden. Mehrdimensionale Kundenwertanalysen hingegen beziehen sich nicht nur auf begrenzte Teilbereiche einer Beziehung, sondern versuchen vielmehr die Beziehung in ihrer gesamten Komplexität abzubilden. Der wesentliche Beitrag dieser Verfahren besteht dementsprechend in der Zusammenf ührung monetärer und/oder nicht-monetärer, eindimensionaler Bewertungskriterien. In Anlehnung an die Balanced Scorecard we rden beispielsweise teilweise mehrdimensionale Kundenscoring-Modelle verwendet (Kaplan & Norton, 1997) (S.62ff.), die allerdings im Rahmen der Arbeit nicht weiter vertieft werden sollen, vielmehr wird im folgenden der dynamische Kundenkapitalwert als Beispiel für eine eindimensionale Kundenbewertung ausführlicher beschrieben. Beim Kundenkapitalwert, bei dem man häufig auch von dem Customer Lifetime Value-Ansatz spricht, werden die Ausgaben, um die Kunden zu gewinnen und zu halten den Einnahmen, die die Kunden bringen gegengerechnet. Da davon ausgegangen wird, dass die Beziehungen über einen längeren Zeitraum bestehen, werden diese Zahlungen in Anlehnung an die dynamische Investitionsrechnung abgezinst, so dass man den dynamischen Kundenkapitalwert erhält. Folgende Formel verdeutlicht den Zusammenhang: Abbildung 4-43: Formel zur Berechnung des Kundenkapitalwertes56 Allerdings handelt es sich bei dieser Formel eher um ein theoretisches Konstrukt, da ebenso wie bei der Wirtschaftlichkeitsanalyse auch bei der Kundenbewertung die Schwierigkeit der Ermittlung der jeweiligen Informationen in der Praxis offensichtlich ist (Ploss, 2001) (S.206ff.). Dies ist häufig durch die Tatsache zu begründen, dass in „vielen Unternehmen die Kostenrechnung zu stark produkt- und zu wenig kundenorientiert ist: Vielerorts wird sehr detailliert (z.B. bis auf Variantenebene) ermittelt, wie 56 Quelle: (Homburg & Daum, 1997) (S.402) Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 273 rentabel einzelne Produkte sind, während die Frage, wie rentabel die Bearbeitung spezieller Kunden oder Kundengruppen ist, kaum systematisch angegangen wird.“ (Homburg & Daum, 1997) (S.397). Nichtsdestotrotz ist es zur Berechnung dieser Kennziffer zunächst notwendig, die relevanten Ausgaben pro Kunde zu erfassen. Die Ermittlung der Kosten ist sinnvollerwe ise in einer auf verschiedene Ebenen (Produkte, Aufträge, Kunden etc.) bezogenen hierarchischen Anordnung vorzunehmen, so dass die kundenspezifischen Kosten von den vorhandenen Daten abgeleitet werden können (vgl. (Knöbel, 1995)). Die Ermittlung der zur Berechnung des Kapitalwertes notwendigen Ausgaben beinhaltet ebenso die verursachungsgerechte Verteilung der Gemeinkosten sowie die Kosten der Kundenpflege. Nachteil dieser Berechnungsweise ist, dass nur getätigte Zahlungen einkalkuliert we rden und somit der Potentialaspekt, d.h. die Wiederkaufabsicht und die Zusatzkaufabsicht (Homburg & Fassnacht, 1998) (S.415) zu kurz kommen. Man denke in diesem Zusammenhang zum Beispiel an die Kundengruppe der Studenten oder der Jungakademiker, die zwar gegenwärtig noch nicht viele Erträge bringen, aber durchaus das Potential besitzen, interessante Kunden für einen Anbieter zu werden. Es ist also auch notwendig, solche Potentialbetrachtungen in die Bewertung der Kunden einzubeziehen, allerdings setzt dies die genaue Ermittlung der kundenspezifischen Daten vo raus, da eine Bewertung anhand von Durchschnittswerten kaum valide Aussage liefern würde (Ploss, 2001) (S.206). Des weiteren ist der ebenso schwer zu quantifizierende Multiplikatoreneffekt, d.h. die Weiterempfehlungsabsicht (Homburg & Fassnacht, 1998) (S.415) bei der Berechnung des spezifischen Kundenwertes zu berücksichtigen. Um zu einer Gesamtbewertung des jeweiligen Kunden zu kommen, müssen die ve rschiedenen Faktoren gewichtet werden, so dass sich anschliessend ein aus verschiedenen Aspekten zusammengesetzter Wert ergibt. Als Methode zur Erhebung dieser Daten bietet sich eine mündliche oder schriftliche Kundenbefragung, z.B. im Rahmen des Building Blocks „Customer Profiling“, an (Homburg et al. 1999) (S.400ff.). Sinnvoll ist es in diesem Zusammenhang, die abgefragten Aspekte in konkrete Fragen wie „Würden Sie die Produkte der XYZUnternehmung weiterempfehlen?“ zu formulieren. Des weiteren besteht die Möglichkeit, über die Organisation einer virtuellen Gemeinschaft (vgl. Building Block „Establishing Virtual Communities unter 4.5.5) die relevanten Informationen erfassen zu können. 274 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien (Homburg et al. 1999) führen weitere Kennzahlen, wie den Kundenzufriedenheitsindex (KZI) und den Kundenloyalitätsindex (KLI) an, allerdings sollen diese Kennziffern zur Bestimmung des Kundenwertes im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter vertieft werden. Eine zusätzliche für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien relevante Kennzahl stellt die sogenannte Kundenbindungsrate dar (Ploss, 2001) (S.210ff). Die Kundenbindungsrate entspricht dabei dem prozentualen Anteil der Kunden, die am Ende einer Abrechnungsperiode (für gewöhnlich ein Jahr) immer noch Kunden sind. 4.5.7.3 Kundensegmentierung Anhand der unterschiedlichen Methoden zur Bewertung der Kunden, können ve rschiedene Segmente gebildet werden, aus denen sich wiederum Ansatzpunkte für entsprechende Strategien ableiten lassen. Im folgenden werden zwei Verfahren zur Kundensegmentierung näher vorgestellt. Zunächst wird auf die sogenannte ABC-Analyse eingegangen, um anschliessend ein Kundenportfolio und die daraus abgeleiteten Strategievorschläge zur Optimierung der Kundenstruktur zu erörtern. Diese beiden Untersuchungsverfahren beziehen sich dabei im Gegensatz zur bereits besprochenen Berechnung des ökonomischen Wertes eines einzelnen Kunden auf die Betrachtung der gesamten Kunde nstruktur. Die ABC-Analyse kann als umsatzbezogene Kundenwertanalyse bezeichnet werden, die durch eine Einteilung gemäss Umsatz bzw. Deckungsbeitrag die Kundenstruktur in die drei verschiedenen Kategorien, A-, B- und C-Kunden, einteilt (Link, 1995) (S.108). Insofern handelt es sich bei dieser Methode um eine periodenbezogene Umsatzanalyse, die auf Vergangenheitswerten beruht (Cornelsen, 2000) (S.92). Die mit Hilfe der ABC-Analyse ermittelte Kundenstruktur entspricht dabei sehr häufig der sogenannten Pareto-Regel, d.h. das 20% der Kunden für ca. 80% des Gesamtumsatzes verantwortlich sind (Bartl, 1992) (S.42). Diese Kunden werden als A-Kunden bezeichnet. Durch weitere 30% der Kunden (B-Kunden) können 15% des Umsatzes erwirtschaftet werden und die verbleibenden Umsatzanteile von ca. 5% entfallen auf die sogenannte C-Kunden, die ca. 50% der gesamten Kundschaft darstellen. Diese „80-20-Regel“ findet auf Grund ihrer Prägnanz in der Praxis einen hohen Zuspruch, obwohl die Aussagekraft im Detail kritisch zu hinterfragen ist und nicht auf jegliche spezifische wirtschaftliche Situation Anwendung finden kann. Nichtsdestotrotz bleibt die Kernaussage, dass ein relativ kleiner Teil der Kundschaft für einen relativ grossen Teil des Gesamtumsatzes verantwortlich ist, in seiner Gültigkeit bestehen. Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 275 Daraus ergibt sich die Überlegung, inwieweit es aus Sicht des Anbieters sinnvoll ist, C-Kunden bzw. auch B-Kunden überhaupt zu halten, da auch diese Kundengruppen unabhängig vom getätigten Umsatz, Kosten verursachen. Setzt man die Kosten mit den Umsatzzahlen in ein Verhältnis, so sind bei A-Kunden die Kosten für das Management der Kundenbeziehung vernachlässigbar, wohingegen die Kosten der C-Kunden bzw. B-Kunden als relativ hoch anzusehen sind (Homburg & Daum, 1997) (S.395). Insofern sollte die Auswahl der Massnahmen zur Gestaltung der Kundenbeziehung dem Kundenstatus angemessen sein. Auf der anderen Seite ergibt sich durch die Fokussierung auf wenige A-Kunden wi ederum auch eine gewisse Abhängigkeit bzgl. des Umsatzes. Des weiteren werden bei der ABC-Analyse nur absolute Zahlen innerhalb einer Periode betrachtet, so dass zum einen der Potentialaspekt der entsprechenden Kunden nicht ausreichend berücksichtigt wird und zum anderen durch Zufallsereignisse innerhalb einer Periode, wie bei einem verspäteten Zahlungseingang, einem einmaligen Grossauftrag in dieser Periode oder saisonalen Schwankungen, die absoluten Umsätze verschoben sein können. Um die Problematik, dass sich die Betrachtung häufig nur auf eine Periode bezieht, zu umgehen, sollten über mehrere Perioden verteilt, regelmässig ABC-Analysen durchgeführt werden, um somit auch eine Vorstellung von der Veränderung der Kundenstruktur im Zeitablauf zu erhalten. Dem Punkt der Potentialabschätzung wird teilweise durch die branchentypische, durchschnittliche Kundenverweildauer Rechnung getragen, so dass mit Hilfe eines durchschnittlichen Kundenwertes auch der mögliche Entwicklungsaspekt eines Kunden in die Betrachtung mit einbezogen wird (Schulz, 1995). Untersuchungen aus den USA haben diesbezüglich ergeben, dass ein „typischer“ Kunde von Federal Express im Laufe von zehn Jahren $180.000, ein treuer Autokunde im Laufe seines „Autofahrerlebens“ $150.000 und ein Kunde von Haushaltsgeräten in 20 Jahren ca. $2.000 an Umsatz generiert (Davidow & Uttal, 1991) (S.92). Diese Anhaltspunkte können zur Abschätzung des möglichen Potentials eines Kunden beitragen, allerdings bieten auch sie nur vage Hinweise, so dass im folgenden der Aufbau eines Kundenportfolios nach (Homburg & Daum, 1997) (S.395ff.) vorgestellt wird, der diese Aspekte bei der Einteilung der Kunden in verschiedene Segmente intensiver betrachtet. Insofern steht auch bei dieser Methode die Betrachtung der Kundenstruktur im Vordergrund. Basierend auf dieser Segmentierung werden Strategien abgeleitet, die ebenso im folgenden erläutert werden. Insbesondere in der Visualisierung kundenbezogener Positionen („Analyse“) und der Ableitung entsprechender Massnahmen („Aktion“) sieht dabei (Rieker, 1995) (S.71) den wertvollen Beitrag von Kundenportfolio-Modellen. 276 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Der Grundgedanke der Portfoliomodelle ist auf die Portfoliotheorie von (Markowitz, 1970) zurückzuführen. Im Rahmen des Marketing ist die Idee der Investionssteuerung auf die Kunden- bzw. Geschäftsbeziehungen übertragen worden, so dass sich daraus die Kundenportfoliomodelle entwickelt haben. Allerdings wird ein Grossteil der Portfoliomodelle hauptsächlich im B-to-B-Bereich, in dem die zur Einordnung notwendigen Informationen der Kunden vorhanden sind, eingesetzt. Bisher kann insofern nur vereinzelt auch im Endkundengeschäft der Einsatz solcher Methoden beobachtet werden (Oggenfuss, 1993) (S.6ff.). Es ist jedoch davon auszugehen, dass mit den unter 4.5.3 beschriebenen Möglichkeiten des Building Blocks „Customer Profiling“ in naher Zukunft auch solche Verfahren zur Kundensegmentierung verstärkt für den B-to-C-Sektor eingesetzt werden. Kundenattraktivität Im Gegensatz zur ABC-Analyse handelt es sich bei den Kundenportfoliomodellen um mehrdimensionale Methoden der Kundenbewertung. Bei dem Vorschlag von (Homburg & Daum, 1997) werden die verschiedenen Dimensionen durch die Kundenattraktivität und der Lieferantenposition beschrieben. Folgende Abbildung verdeutlicht das durch diese Dimensionen aufgespannte Kundenportfolio. Fragezeichenkunden Starkunden Schlüsselentscheidung Big Step or Out Position halten / ausbauen Mitnahmekunden Ertragskunden Selektiver Rückzug Position halten Lieferantenposition Abbildung 4-44: Kundenportfolio nach (Homburg & Daum, 1997)57 Die Kundenattraktivität wird in diesem Ansatz durch fünf Kriterien determiniert. Zunächst muss der relevante Bedarf, d.h. das Volumen, das prinzipiell beim Kunden erzielbar wäre, ermittelt werden. Je nach Wettbewerbssituation kann es unter Umständen der Fall sein, dass der Kunde die gewünschten Produkte noch bei einem anderen An- 57 Quelle: (Homburg & Daum, 1997) (S.396) Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 277 bieter bezieht, so dass dieses Kriterium ebenso wichtig für die Abschätzung des Potentials ist. Des weiteren kann das geschätzte Wachstum des relevanten Bedarfs als Faktor mit in die Kundenattraktivität einfliessen. Als dritte Grösse kann die Erlösqualität, d.h. das mögliche Preisniveau, das beim Kunden erzielt werden kann, genannt werden. Ausserdem ist das Image des Kunden, im Hinblick auf die Nutzung dieses Kunden als Referenz, von entscheidender Bedeutung, so dass mit diesem Faktor ebenso die At traktivität des Kunden beschrieben werden kann. Abschliessend kann die Kooperationsbereitschaft, d.h. inwieweit der Kunden bereit ist mit dem Anbieter zusammenzuarbeiten, beispielsweise in Form von gemeinsamen Entwicklungen etc., angeführt werden. Die Darstellung der Lieferantenposition kann mit Hilfe des Lieferanteils erfasst we rden. Der Lieferanteil charakterisiert dabei den Anteil, den der Anbieter beim Kunden erzielt. Weitere Kriterien können hierbei die Qualität sowie die Dauer der Beziehung sein. Anhand der jeweiligen Ausprägung dieser Kriterien können die verschiedenen Kunden bzw. teilweise auch Kundengruppen in dieser Matrix positioniert werden. Aus der Einordnung innerhalb dieses Portfolios ergeben sich verschiedene relevante Strategien, die im folgenden näher betrachtet werden sollen. ?? Starkunden Kunden in diesem Segment zeichnen sich durch eine hohe Attraktivität und eine starke Lieferantenposition aus. Ziel muss es daher für den Anbieter sein, die Beziehung zu den Starkunden zu halten und wenn möglich zu intensivieren. Allerdings sollte dabei der im vorherigen Abschnitt geschilderte abnehmende Grenznutzen von Massnahmen des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien im Auge behalten werden, um die Profitabilität nicht zu gefährden. Starkunden sollten nichtsdestotrotz im Fokus der Betrachtung stehen. ?? Fragezeichenkunden Diese Kundengruppe weist eine hohe Kundenattraktivität auf, die Lieferantenposition ist jedoch mittel bis schwach, so dass sich hier Potential zur Verbesserung der Beziehung zu diesen Kunden zeigt. Diese Kunden verkörpern somit teilweise das Wachstumspotential einer Unternehmung, allerdings stellt sich die Frage, ob diese Kunden intensiv durch Massnahmen des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien bearbeitet werden sollen oder ob die Beziehung zu diesen Kunden aus wirtschaftlichen Gründen abgebrochen werden soll („Big Step or Out“). ?? Ertragskunden 278 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Beim Segment der Ertragskunden hat das Unternehmen eine starke Position, so dass sich die Strategie „Position halten“ ableiten lässt. Insofern sollte soviel in die Beziehung investiert werden, dass diese auf gleichbleibendem Niveau gehalten werden kann. ?? Mitnahmekunden Diese im Rahmen der Portfolioanalyse ermittelte Gruppe kann mit den C-Kunden der ABC-Analyse verglichen werden, da die Attraktivität dieser Kunden als gering erachtet werden kann und sich die Lieferantenposition als mittel bis schwach darstellt. In Analogie zu den C-Kunden stellt sich somit auch hier die Frage der Wirtschaftlichkeit dieser Beziehungen bzw. in welchem Mass Instrumente zur Entwicklung und Gestaltung der Beziehung zu diesen Kunden eingesetzt werden sollen. Allerdings ergeben sich im Rahmen der neuen Medien Möglichkeiten, auch diese Kunden kostengünstig zu betreuen, so dass sich eine Investition in die Beziehung teilweise auch lohnen kann. Trotz allem muss immer wieder bedacht werden, dass Massnahmen zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Kosten verursachen und somit nur in investitionswürdige Beziehungen eingesetzt werden sollten. Es muss also auch die Bereitschaft bestehen, sich von nichtprofitablen und unattraktive n Kunden zu trennen, um somit die Kundenstruktur zu optimieren. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die mehrdimensionale Methode der Kundenportfoliomodelle ein geeignetes Instrument zur Segmentierung der Kunden und zu der entsprechenden Ableitung von Strategien zur Wahl der Massnahmen des Kundenbeziehungsmanagement darstellt. Die Operationalisierung der Achsen einer solchen Matrix ist dabei abhängig von der jeweiligen Marktsituation und muss daher kontextsensitiv angepasst werden. Diese Methode der Kundensegmentierung kann dabei sowohl für die Kunden eines kompletten Unternehmens wie auch für die Einteilung der Kunden eines einzelnen Verkaufsberaters eingesetzt werden. 4.5.7.4 Zusammenfassende Betrachtung Für den gesamten Building Block „Controlling“ kann abschliessend zusammengefasst werden, dass die grobe Aufteilung in Massnahmen, die sich auf die Wirtschaftlichkeit der MCR-Building Blocks beziehen, und in Methoden zur Berechnung des Kundenwertes, einen guten Überblick über die Vielzahl der verschiedenen Massnahmen gibt. Die Instrumente beider Gruppen haben gemeinsam zum Ziel, die Profitabilität zu bestimmen, um dadurch sowohl eine effektive Steuerung der Massnahmen als auch eine sinnvolle Selektion der Kunden vornehmen zu können. Dieser Controlling-Aspekt stellt insofern für das operative Geschäft einen wichtigen Punkt dar, dem die entsprechende Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Allerdings muss auch darauf hinge- Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 279 wiesen werden, dass sich insbesondere in der Praxis Schwierigkeiten bei der Erhebung und Quantifizierung der benötigten Informationen ergeben, so dass beispielsweise ein exakter Kosten-Nutzen-Vergleich einer MCR-Massnahme nur schwer möglich erscheint. Nichtsdestotrotz kann aber auch eine näherungsweise bestimmte Wirtschaftlichkeit wertvolle Hinweise zum Einsatz der entsprechenden Massnahmen bzw. zur Auswahl der ökonomisch wertvollen Kunden liefern. Die Massnahmen zur Berechnung des ökonomischen Kundenwertes und die entsprechende Segmentierung dieser Kunden unterstützt die Entscheidung, welche Kunden mit welchen Massnahmen „bearbeitet“ werden sollen. Mit Hilfe einer Segmentierung wird somit die Ableitung von verschiedenen, auf den jeweiligen Kundenwert angepassten, Strategien zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien angestrebt. 4.6 Zusammenhang zwischen den MCR-Building Blocks und den neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung Nachdem nun das Modell zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ausführlich erläutert worden ist, soll im folgenden Abschnitt der Bezug zu den neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung, wie sie unter 4.2 beschrieben worden sind, hergestellt werden. Damit wird nochmals explizit die Beziehung zwischen den beiden Teilen der vorliegenden Arbeit unterstrichen und die Bedeutung der neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung als Ansatzpunkte für die Massnahmen des Management of Customer Relationship in Business Media hervorgehoben, um somit den „logischen Kreis“ zu schliessen. Diesem Ziel folgend werden die einzelnen MCR-Building Blocks den verschiedenen Determinanten zugeordnet, um die thematische Verknüpfung zu erkennen. Die nachstehende Graphik verdeutlicht diesen Zusammenhang. 280 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Implementing Processes Designing Customer Interaction Creating Added Value for the Customer Creating Added Value for the Customer Wettbewerbsinduzierte Customer Profiling Designing Customer Interaction Creating Trust Psychologische Determinante Faktische Designing Customer Interaction Implementing Processes Establishing Virtual Communities Situative Controlling Implementing Processes Designing Customer Interaction Abbildung 4-45: Zusammenhang zwischen den MCR-Builiding Blocks und den neuen Ausprägungen der Determinanten der Kundenbindung Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass die psychologischen und die faktischen Determinanten am meisten Ansatzpunkte für das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien bieten. Dies erklärt sich unter anderem aus dem Umstand, dass die Ausprägungen dieser Determinantengruppen, wie unter 4.2 gezeigt wurde, in den neuen Medien am deutlichsten an Relevanz gewinnen konnten. Insofern lassen sich den faktischen Determinanten insgesamt fünf und den psychologischen Determinanten der Kundenbindung immerhin noch vier Building Blocks zuordnen. Bei der situativen Determinante, bei der insbesondere die Bequemlichkeit an Bedeutung zugenommen hat, wird dieser Entwicklung durch das Angebot von verbesserten Prozessen im Rahmen des Building Blocks „Implementing Processes“ und durch Massnahmen zur optimierten Gestaltung der Kommunikation (Building Block „Designing Customer Interaction“) Rechnung getragen. Bei der wettbewerbsinduzierten Determinante, die an Gewicht in den neuen Medien verliert, wird durch die Möglichkeiten des schnelleren Anbieterwechsels, der dem Building Block „Implementing Processes“ zugeteilt werden kann, und dem verbesserten Informationsangebot, das durch die Instrumente des Building Blocks „Designing Customer Interaction“ verstärkt genutzt werden kann, die Entwicklung der abnehmenden Bedeutung eher noch unterstützt. Die hier aufgezeigten Instrumente können insofern einen gewissen Beitrag zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien leisten, als dass sie wechselwilligen Kunden die Möglichkeit geben, den Anbieter zu wechseln. Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor 281 Zu bedenken bei dieser Darstellung ist, dass für den Building Block „Controlling“ kein direkter Bezug zu den Determinanten der Kundenbindung hergestellt werden kann. Die Verknüpfung zu den faktischen Determinanten bezieht sich auf die ökonomischen Determinanten der Kundenbindung, bei denen dieser Building Block durch die entsprechenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen Unterstützung bieten kann. Prinzipiell dient dieser Building Block zur Operationalisierung, so dass die verschiedenen Massnahmen gemäss der errechneten Wirtschaftlichkeit gesteuert werden können. 5 Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor Um die Anwendbarkeit des neuen Ansatzes zu verdeutlichen, wird im folgenden Kapitel im Rahmen eines Business Case das beschriebene MCR-BM-Modell auf den Finanzdienstleistungssektor angewendet. Das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien nimmt insbesondere in diesem Bereich eine bedeutende Stellung ein, wie die Vielzahl von Beiträgen zu diesem Thema eindrucksvoll verdeutlicht (vgl. (Stockmann, 1998), (Mogicato, 2000), (Reichardt, 2000), (Bernet & Held, 1998), (Richter, 1999)). Im folgenden wird zunächst der Begriff des Finanzdienstleistungssektors genauer beschrieben und abgegrenzt, um somit ein gemeinsames Verständnis von dem Untersuchungsgegenstand zu haben. Anschliessend werden Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zu dem Thema „E-Business und CRM im Schweizer Finanzdienstleistungssektor“ vorgestellt, um den Handlungsbedarf für diese Branche auch empirisch nachzuweisen. Des weiteren wird durch den kurz zu erläuternden Wandel in dieser Branche die Notwendigkeit für den Ansatz des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien unterstrichen, und abschliessend wird anhand von Beispielen die Anwendbarkeit der verschiedenen Building Blocks im Rahmen des MCRBM-Modells verdeutlicht. 5.1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung Der Finanzdienstleistungsbereich kann anhand seiner Zielsetzung, Finanzdienstleistungen aller Art bereitzustellen, beschrieben und abgegrenzt werden. Unter Finanzdienstleistungen werden dabei die „Gesamtheit aller von Kreditinstituten sowie von banknahen und bankfremden Substitutionskonkurrenten (Versicherungen, Bausparkassen, Kreditkartenorganisationen etc.) angebotenen Leistungen“ (Gabler, 1997) (S.1788) verstanden. Diese Leistungen tragen zu einem Ausgleich des Anlage- und Finanzbedarfes bei, in dem einerseits Zahlungsmittel vo m Geldgeber entgegengenommen werden und andererseits dem Geldnehmer die benötigten Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt werden (Bitz 1995) (S.348). Da es sich bei diesen Leistungen um 282 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien abstrakte und häufig immaterielle Güter handelt, die auf Grund der vorhandenen Informationsasymmetrie nur schwer vom Nachfrager zu bewerten sind, können diese Leistungen des weiteren als besonders erklärungs- und vertrauensbedürftig charakterisiert werden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird allerdings hauptsächlich der Bankenbereich in Augenschein genommen, da die zusätzliche Betrachtung der Versicherungswirtschaft den Rahmen des Business Case sprengen würde. Banken können in diesem Zusammenhang als Organisationen beschrieben werden, welche Kundeneinlagen entgegennehmen und Kredite gewähren. Ihren Gewinn erwirtschaften sie dabei aus der sich ergebenden Zinsmarge. Allerdings haben die Banken in letzter Zeit ihre Angebotspalette deutlich ausgebaut, so dass ebenso Leistungen, wie z.B. Garantiegewährung und Handel, angeboten werden. Im allgemeinen können Banken in Universalbanken, welche das ganze Spektrum der finanzbezogenen Dienstleistungspalette abdecken, und Spezialbanken, welche sich auf einen speziellen Teil ausrichten, unterteilt werden (Späh, 2000) (S.23). Im Rahmen dieser Betrachtung werden sowohl Universalbanken als auch die Spezialbanken berücksichtigt, allerdings ergibt sich für die Universalbank eine Einschränkung auf ausgewählte Bereiche. Wie folgende Graphik zeigt, besteht eine Universalbank in der Regel aus vier Bereichen, wobei sich aus Sicht des Autors insbesondere die Bereiche Retail und Private Banking für die Massnahmen des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien anbieten, so dass die Sparten Asset Management und Investment Banking bewusst ausgeklammert werden. KONZERN Retail Banking Private Banking Asset Management Investment Banking Abbildung 5-1: Struktur einer modernen Universalbank Grundsätzlich ergeben sich natürlich auch für diese Bereiche Möglichkeiten, die Beziehung zu den Kunden in den neuen Medien zu optimieren, allerdings ist gemäss der durchgeführten empirischen Untersuchung die Bereitschaft dieser Kundensegemente zur Nutzung der neuen Medien noch nicht ausreichend ausgeprägt. Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor 283 5.2 Ergebnisse der empirischen Untersuchung Die dargestellten Resultate beruhen auf einer quantitativen und qualitativen Studie, die am mcminstitute der Universität St. Gallen in Zusammenarbeit mit der ATAG Ernst & Young durchgeführt wurde. Bei der quantitativen Studie wurden 743 Finanzinstitute aus der Schweiz – hauptsächlich Banken– angeschrieben und per Fragebogen bezüglich ihrer E-Business- und CRM-Strategie befragt. Die Umfrage erzielte dabei einen Rücklauf von 7.1%, so dass die Grundgesamtheit für die quantitativen Aussagen 56 ausgewertete Fragebögen umfasst. Die qualitative Studie wurde mittels Interviews mit ausgewählten Bankvertretern von führenden schweizerischen Finanzinstituten durchgeführt. Insgesamt wurde 32 Experten befragt. Die Ergebnisse der Interviews und der Befragung bilden die Basis für die Aussage der folgenden Abschnitte. Insbesondere aus den qualitativen Experteninterviews konnten viele wertvolle Hinweise zur Gestaltung, Entwickl ung und Pflege der Kundenbeziehung gewonnen werden, die in die Beschreibung des Wandels des Finanzdienstleistungssektors (5.3) und in die Ausgestaltung der Building Blocks des MCR-Modells (5.4) eingeflossen sind. Sowohl der Fragebogen für die quantitative Untersuchung als auch der Interviewleitfaden für die Expertengespräche sind im Anhang dokumentiert. Die Erhebung der Daten wurde im Sommer 2000 durchgeführt, so dass sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Teil der Aussagen relativiert haben kann. Im folgenden werden die Bereiche „Ziele bei der Einführung von CRM-Systemen“, der „Umsetzungsgrad der entsprechenden Strategie“ und die „Hauptprobleme bei der Umsetzung“ herausgegriffen und vorgestellt. Weitere Ergebnisse der Studie wurden bei der Beschreibung der verschiedenen MCR-Building Blocks eingearbeitet und we rden dementsprechend unter 5.4 erläutert. 5.2.1.1 Ziele von Finanzdienstleistungsunternehmen für das MCR Die Umfrageergebnisse58 zeigen in der nachfolgenden Abbildung, dass die Finanzunternehmungen mit der Implementierung von CRM-Initiativen vor allem die Bindung von bestehenden Kunden, die Erhöhung der Kundenprofitabilität sowie die Erfassung des heutigen Verhaltens verfolgen. Folgende Abbildung gibt einen Überblick zu den Zielen, die mit einer Implementierung von CRM-Initiativen verbunden sind. 58 Bei der quantitativen Befragung sind die Antwortmöglichkeiten vorgegeben worden. 284 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Was sind die primären Ziele Ihrer Firma bei der Implementation von CRM- Initiativen? Quantifizierung/Messung der Kundenzufriedenheit 9% Unsere Firma hat noch keine CRM-Initiative geplant/implementiert Weitere Ziele 1% 7% Binden bestehender Kunden 26% Erfassen zukünftigen Kundenverhaltens 9% Erfassen jetzigen Kundenverhaltens 13% Erfassen der Kundenprofitabilität 8% Erhöhen der Kundenprofitabilität 15% Gewinnen neuer Kunden 12% Abbildung 5-2: Ziele bei der Implementation von CRM-Initiativen59 Das Ziel der Kundenbindung steht mit 26% deutlich an erster Stelle. Die Untersuchung bestätigt somit das in den vorhergehenden Kapiteln eingehend Besprochene. Mit 15% an zweiter Stelle, folgt das Ziel, mit der Einführung eines CRM-Systems die Profitabilität der Kunden zu erhöhen, wobei in diesem Zusammenhang wiederum die Verbindung zum Building Block „Controlling“, in dem die entsprechende Profitabilität berechnet wird, deutlich wird. Insbesondere die Frage, ob sich die Profitabilität der Kunden verändert hat, hebt den enormen Handlungsbedarf in diesem Bereich hervor, da die Mehrzahl der befragten Unternehmen diese Frage nicht beantworten können oder wollen, wie folgendes Diagramm zeigt. 59 Quelle: Quantitative Studie 285 Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor Frage 11 Hat seit der Implementation von CRM-Projekten sich die Profitabilität der Kunden erhöht? 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Reihe1 JA NEIN weiss nicht keine Angabe 10 3 13 17 Abbildung 5-3: Untersuchung zur Veränderung der Profitabilität durch die Einführung einer CRM-Initiative60 Die Erfassung des jetzigen Kundenverhaltens belegt mit 13% noch den dritten Platz der verfolgten Ziele bei der Einführung einer CRM-Initiative und unterstreicht dadurch die Relevanz des Aspektes des Kundenverhaltens. Zusätzliche Elemente wie die Erfassung des zukünftigen Kundenverhaltens, die Messung der Kundenzufriedenheit sowie das Erfassen der Kundenprofitabilität werden zwar erkannt, aber als weniger wichtig eingestuft. Lediglich 7% der Unternehmen gaben an, noch keine CRM-Initiative geplant beziehungsweise realisiert zu haben. Diese Aussage muss allerdings relativiert werden, da davon ausgegangen werden kann, dass vor allem Finanzdienstleister, die sich mit der Thematik bereits auseinandersetzen, die Fragen beantwortet haben. In den Expertengesprächen wurde deutlich, dass die befragten Unternehmungen die in Abschnitt 4.4 erläuterten Ziele teilweise schon erkannt haben und bereits in vielen Projekten deren Umsetzung verfolgen. In unterschiedlicher Weise können alle befragten Banken eine Strategie bezüglich des Management der Kundenbeziehung vorwe isen, allerdings differieren der Umsetzungsgrad sowie deren Umfang jedoch erheblich. 60 Quelle: Quantitative Studie 286 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 5.2.1.2 Umsetzungsgrad und Umfang der Strategie Insbesondere neue Unternehmen, wie z.B. swissinvest.com oder ConSors, die ihre Strategie nicht unbedingt an bestehenden Vorgaben ausrichten mussten, sind in der Umsetzung ihrer Strategie zum E-Business und zum CRM sehr weit. Diese jungen Anbieter haben den Vorteil, dass sie ihre Strategie voll auf die neuen Medien abstimmen können. Im Gegensatz dazu müssen die etablierten Anbieter häufig einen aufwendigen internen Kampf um die Strategie und die entsprechenden Ressourcen ausfechten, so dass sie in ihrer Handlungsfähigkeit gehemmt sind. Es gilt, die neuen Strategien an bestehende Strukturen anzupassen und sich somit Schritt für Schritt vom traditionellen Bankgeschäft zu lösen. Dieser Umwandlungsprozess ist allerdings bei den grossen Universalbanken, wie den schweizerischen Grossbanken, schwerer zu vollziehen, als bei den jungen Anbietern, die einen „grüne Wiese-Ansatz“ realisieren können. Im Einklang damit ist der Grad der Umsetzung bei den grossen und etablierten Unternehmen (z.B. Credit Suisse, UBS) bisher noch unter den vorhandenen Möglichkeiten. Auf der anderen Seite können diese Anbieter den Vorteil verzeichnen, dass sie in der Regel über umfangreiche Ressourcen verfügen, die die Wettbewerbssituation dieser Anbieter nachhaltig verbessern kann [Edelmann], so dass die angebotenen Leistungen wettbewerbsfähig sind. Um die Flexibilität zu steigern, sind beispielsweise bei der Credit Suisse eigenständige organisatorische Einheiten gegründet worden [Kurzmeyer]. 5.2.1.3 Hauptprobleme der Umsetzung Zum Zeitpunkt der Untersuchung konnten in allen betrachteten Finanzdienstleistungsunternehmen CRM-Projekte in diversen Abteilungen identifiziert werden. Allerdings gründet sich diese Aussage auf teilweise weit voneinander entfernten Definitionen von CRM-Projekten, so dass beispielsweise bereits schon die Versendung von Broschüren als CRM-Projekt tituliert wurde. Prinzipiell jedoch konnte erkannt werden, dass viele Doppelspurigkeiten durch die verschiedenen CRM-Projekte zu befürchten sind. Dies trifft dabei insbesondere für die grossen Unternehmen zu, so dass sich ein erhöhter Koordinationsbedarf in diesem Bereich ergibt, um die Redundanzen auf ein Minimum zu reduzieren [Stauber]. Ein weiterer Faktor, der bei den Gefahren der Umsetzung zu bedenken ist, ist die Zeit. Durch die immer schneller voranschreitenden technischen Entwicklungen wachsen die Erwartungen der Kunden in einem adäquaten Tempo, so dass es für die Anbieter schwer fällt, diesen Ansprüchen zu genügen. Insofern wird ein enormer zeitlicher Druck bei der Durchführung von CRM-Projekten deutlich [Suter]. 287 Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor Ebenso erweist sich, wie bereits beschrieben, die Quantifizierung des Nutzens solcher Projekte als sehr schwierig, so dass in den seltensten Fälle die Wirtschaftlichkeit der Projekte nachgewiesen werden kann. Dies wiederum verschlechtert die Position beim internen Kampf um Ressourcen, so dass auch dies einen weiteren Hinderungsgrund bei der Umsetzung der geplanten Strategien darstellt [Malacarne]. Zusätzlich wird die Umsetzung der CRM-Strategien häufig durch die Angst und teilweise auch durch mangelndes Verständnis der Mitarbeiter erschwert. Insofern ist die Einbindung der Mitarbeiter, um die Befürchtungen erst gar nicht entstehen zu lassen, und die umfangreiche Kommunikation und Einweisung zu den geplanten Massnahmen innerhalb einer Strategie, eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung [Edelmann; Suter]. Des weiteren ergeben sich insbesondere hinsichtlich der technischen Aspekte Probleme bei der Umsetzung, wie die Studie belegen konnte. Folgende Abbildung verdeutlicht, welches heute die Hauptprobleme bezüglich der technischen Implementierung der CRM-Initiativen sind. Welches sind, vom technischen Standpunkt her, Ihre grössten Bedenken gegenüber der Realisierung von CRM-Initiativen in Ihrer Unternehmung? Fehlende Konzepte 6% Fehlende Strategie 7% Sonstige 3% Sicherheitsaspekte 13% Legacy Systeme 5% Fehlende Ressourcen 12% Fehlendes Know-How 8% Inkonsistente oder fehlende Daten 20% Schwer zu kalkulierende Kosten 6% Kompatibilität mit anderen IT-Systemen 20% Abbildung 5-4: Hauptprobleme bezüglich der technischen Implementation (n=56)61 Inkonsistente oder fehlende Daten stellen dabei gemäss der Untersuchung mit 20% das Hauptmanko dar. Ebenso zeigt sich mit 20% die Kompatibilität mit anderen ITSystemen als wesentliches Problem. Allerdings bezieht sich das eher auf die grossen, 61 Quelle: Quantitative Studie 288 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien etablierten Anbieter, da dort eine Integration in die schon vorhandene IT-Landschaft vollzogen werden muss, wohingegen neue Anbieter diese Probleme durch den Neuaufbau ihrer IT nicht haben dürften. Insbesondere im Finanzdienstleistungssektor erwarten die Kunden die Gewährleistung der Sicherheitsaspekte, die allerdings teilweise mit Problemen einhergehen kann, so dass dieser Punkt mit immerhin noch 13% nicht zu vernachlässigen ist. Weitere problematische Faktoren sind die fehlenden Ressourcen, das fehlende Know-How, die fehlende Strategie, fehlende Konzepte und andere. Nach der Darstellung der Situation im schweizerischen Finanzdienstleistungssektor wird im folgenden auf den Wandel in diesem Bereich eingegangen, um ein Verständnis für diese Branche zu vertiefen. 5.3 Wandel im Finanzdienstleistungssektor Im Finanzdienstleistungsbereich zeichnet sich zur Zeit ein radikaler Wandel ab. Im wesentlichen lassen sich vier Ursachen für den Wandel identifizieren. Erstens haben die neuen Medien grundsätzlich, wie unter 3.1 gezeigt, einen erheblichen Einfluss auf die Art und Weise wie Geschäfte in Zukunft abgewickelt werden. Zweitens verändert sich das Verhalten der Kunden in einer grundlegenden Art und Weise, wie bereits allgemein unter 3.3 verdeutlicht wurde. Diese Veränderungen können wiederum weiter in eine höhere Wechselbereitschaft und gestiegene Anforderungen der Kunden unterteilt werden. Ausserdem nimmt der Konkurrenzdruck innerhalb der Branche und auch von branchenfremden Anbietern zu. Abschliessend ist auch die Entwicklung durch die strukturellen Veränderungen auf elektronischen Märkten als Ursache für den Wandel in der Finanzdienstleistungsbranche zu nennen. In der folgenden Graphik sind die Ursachen für den Wandel im Finanzdienstleistungssektor zusammengefasst. 289 Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor Verändertes Kundenverhalten Neue Geschäftsmodelle Finanzdienstleistungsindustrie Veränderungen durch neue Medien Steigender Konkurrenzdruck Abbildung 5-5: Einflussfaktoren für den Wandel im Finanzdienstleistungssektor Da die Beschreibung der Herausforderungen der neuen Medien und die Darstellung neuer Geschäftsmodelle ebenso für den Finanzdienstleistungsbereich Anwendung findet und bereits erläutert wurde, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die Veränderung des Kundenverhaltens unter dem speziellen Blickwinkel der Finanzdienstleistungsindustrie und der Darstellung des steigenden Konkurrenzdrucks innerhalb dieser Branche. 5.3.1 Veränderungen des Kundenverhaltens Im wesentlichen lassen sich zwei Entwicklungen im Bereich des veränderten Kundenverhaltens erkennen. Zum einen verändern sich die Bedürfnisse der Kunden und zum anderen steigt die Bereitschaft der Kunden den Anbieter zu wechseln. Im folgenden werden die verschiedenen Trends ausführlich dargestellt, wobei ebenso die Ergebnisse der qualitativen Studie einfliessen. Die Kunden werden in Zukunft hauptsächlich die gleichen Finanzgeschäfte wie bisher nachfragen: investieren, finanzieren, transferieren und informieren. Die Art und Weise wie die Kunden diese Grundbedürfnisse befriedigen, ändert sich durch die moderne Technologie jedoch rapide (Wörner, 1997) (S.3). Eine Entwicklung, die sich bei den Privatkunden abzeichnet, ist die immer stärker werdende Inanspruchnahme von elektronischen Servicekanälen, wie folgende Studien belegen. 290 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Die Gesamtanzahl der online-Kunden wird zur Zeit von den deutschen Banken mit 6,6 Millionen angegeben, dabei nimmt sowohl die absolute Anzahl als auch der Umfang der wahrgenommenen Dienste zu (o.V., 1999). Allerdings nutzen die meisten online-Kunden bisher häufig nur das online-Banking, d.h. die Durchführung von Ein- und Auszahlungen mit Hilfe der neuen Medien. Das online-Brokerage wird in Deutschland bisher nur von ca. 200.000 Kunden genutzt. Ganz im Gegensatz dazu präsentieren sich die Zahlen aus Amerika. Nach einer Studie von Forrester Research sind in Amerika 2,5 Millionen Kunden aktiv am onlineBrokerage beteiligt, mit stark steigender Tendenz. Im ersten Quartal 1999 ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum der private Aktienhandel über das Netz um 25% gestiegen (Gormley 2000). Laut einer W3B-Studie, die von Fittkau & Maas durchgeführt wurde, werden aber auch in Deutschland immer mehr Kunden das online-Brokerage nutzen. Während die Bereitschaft zum online-Banking bei geschäftlichen und privaten Transaktionen von 60,7 auf 71,9% gestiegen ist, wollen statt der 9,6%, die schon Wertpapiere online ordern, in Zukunft 45% Aktien, 36% Wertpapiere und 30% Fonds online erwerben (Fittkau & Maas, 1999). Es werden also immer mehr klassische Bankdienstleistungen in das Netz verlagert, so dass sich auch daraus die steigende Relevanz der neuen Medien für den Bankensektor erklärt. Parallel zu diesen Entwicklungen steigen auch die Erwartungen der Kunden, die im folgenden kurz vorgestellt werden. Generell werden die Kunden im Finanzdienstleistungsbereich ebenso wie in anderen Branchen auf Grund der kritischen Berichterstattung der Verbraucherschutzorganisationen und der Vielzahl von Fachpublikationen besser informiert und werden dementsprechend generell preis- und qualitätsbewusster (Butterwegge, 1997) (S.34). Die Kunden können somit auch im Finanzdienstleistungssektor durch ihr hybrides und wechselhaftes Verhalten charakterisiert werden, so dass sie kaum in Kundensegmente eingeordnet werden können. Es ist also grundsätzlich auch für diesen Bereich eine Bewegung vom reinen Anbietermarkt zum Nachfragermarkt zu erkennen. Dieser “Shift of Power” äussert sich unter anderem in den Trends, wie sie unter 3.3 angesprochen worden sind. Im folgenden werden – insbesondere auch aus Sicht der im Rahmen der qualitativen Untersuchung befragten Experten – die verschiedenen Trends dargestellt: Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor 291 ?? Ständige Erreichbarkeit Eine der wesentlichen Forderungen der “neuen Kunden” ist die ständige Erreichbarkeit. Geprägt durch den gesellschaftlichen Wandel, wird der Wunsch, Finanzgeschäfte zu jeder Tag- und Nachtzeit zu tätigen immer grösser. 24 Stunden pro Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr wird mehr und mehr zur Maxime, die die Kunden erwarten [Stauber]. Wenn der Service und insbesondere die Beratung durch Module im Internet verwirklicht würde, und nur noch im Bedarfsfall ein persönlicher Mitarbeiter hinzugezogen werden müsste, könnte ein Finanzdienstleister mit wenig Personalaufwand auf 24Stundenbetrieb umstellen. Interessant sind hier erste Ansätze der Firma Brokat zur Realisierung einer Beraterbank im Internet (Groffmann et al. 1999). ?? Kundenselbstbedienung Viele Kunden wollen einfache Finanztransaktionen oder andere notwendige Prozesse (z.B. Abrufen von Börsen-, Produkt- und Währungsinformationen) von zu Hause erledigen, um nicht den Weg zu der Bankfiliale auf sich nehmen zu müssen, so dass dies dem Wunsch nach Zeitersparnis und Bequemlichkeit (vgl. 3.3) entspricht. Die Kundenselbstbedienung hat sowohl Vorteile für die Kunden als auch für die Finanzdienstleister. Sie sehen in diesem Bereich zur Zeit das grösste Potential zur Kostenreduktion und Serviceverbesserung. Deshalb verwenden sie das Internet vorwiegend in diesem Bereich. In den Banken zum Beispiel verwenden die Angestellten 60% ihrer Zeit zur Beantwortung von Bagatellfragen. Nun versuchen die Banken diese Standardaufgaben vermehrt über Internet oder Call Center abzuwickeln. Damit soll zum einen die Kompetenz bei der Beantwortung der Fragen erhöht werden und zum anderen soll auch die Geschwindigkeit bei der Beantwortung von Fragen gesteigert werden [Edelmann]. ?? Individuelle Leistungsbündelung Wie oben schon angedeutet, entwickelt sich der Markt immer mehr von einem Massenmarkt zu einem Markt, auf dem individualisierte Leistungen gefragt sind. Insofern kann der Wunsch nach der Zusammenstellung eines individuellen Leistungsbündels beobachtet werden. Für Finanzdienstleister ergeben sich dabei eine Vielzahl von Möglichkeiten zum Angebot solcher Leistungsbündel, wie beispielsweise beim Kauf eines Hauses. Dabei benötigt ein Käufer viele Informationen, die er in einem langen, mühsamen Prozess suchen muss. Er braucht Unterstützung beim Finden des richtigen Hauses, bei der Finanzierung und beim Versicherungsabschluss. Während dieser drei Hauptprozesse 292 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien kann man den Kunden durch Zusatzdienstleistungen unterstützen, wie beispielsweise Immobiliendatenbanken, Hauswertberechnungstools, Kreditsuchetools, Informationen über den Immobilienmarkt, Informationen über Bauunternehmen, Liste und Bewe rtung von Zügelunternehmen, Möglichkeit zum Chat mit anderen Wohnungssuchenden, online-Beratung durch Spezialisten. Doch auch für Autokauf, Autoleasing, Ferienreisen, Börsenhandel, etc. kann man Zusatzinformationen und Dienste bündeln und bereitstellen [Deplazes]. ?? Preis-Leistungs-Verhältnis Dieser Trend korrespondiert mit dem zuvor genannten Punkt. Die Kunden erwarten ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis und durch die hohe Transparenz haben die Kunden die Möglichkeit, die unterschiedlichen Angebote verschiedener Finanzdienstleister zu vergleichen, so dass die Preissensitivität zunimmt [Malacarne]. ?? Push-Information Die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt wird immer entscheidender, insofern verändern sich auch die Kundenanforderungen in diese Richtung. Es wird zunehmend normal, dass die Finanzdienstleister ihre Kunden oder auch andere potentielle Kunden mit wertvollen Informationen versorgen [Edelmann], [Malacarne]. ?? Verstärkter Wunsch nach Interaktion Allmählich beginnen die Finanzdienstleister die Interaktivität des Internet zu erkennen. Sie versuchen für den Kunden gewisse, auf ihn angepasste Informationen aufzubereiten, um dabei seinem Wunsch nach verstärkter Interaktion nachkommen zu können [Suter]. ?? Sicherheit Dieser Punkt ist gerade im Bankenbereich ein sehr grosses Bedürfnis der Kunden, da es sich bei Finanztransaktionen und Kundendatenübermittlung um sensible Informationen handelt. Die Interviewpartner bestätigten einheitlich, dass eine bestmögliche Sicherheit absolute Priorität hat. Grundsätzlich ist neben diesen Veränderungen der Kundenerwartungen ein Trend in Richtung einer höheren Wechselbereitschaft zu beobachten. Die Kunden erwarten also nicht nur immer mehr, sie haben auch eine immer geringere Loyalität gegenüber ihrer Bank. Somit steigt die Gefahr der Kundenabwanderungen beträchtlich. Diese Zusammenhänge werden im folgenden Abschnitt weiter vertieft. Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor 293 5.3.1.1 Höhere Wechselbereitschaft der Kunden Früher war für Privatpersonen die Hausbank der einzige Ansprechpartner in finanziellen Fragen. Ein Wechsel des Finanzinstitutes war unüblich und trat meist nur bei einem Wohnortwechsel auf. Da nicht alle Finanzdienstleistungen von allen Bankhäusern kostendeckend erbracht werden konnten, setzten die Kreditinstitute auf das CrossSelling. Dabei wurden die einzelnen Bankprodukte nicht isoliert in ihrer Ertragsstruktur betrachtet, sondern ihnen wurden Zubringererträge zugerechnet. Ein typisches Zubringerprodukt ist für viele Banken der Zahlungsverkehr: Für sich betrachtet ist der Zahlungsverkehr meist defizitär, diente aber einer Bank meist als Anknüpfungspunkt für weitere lukrative Dienstleistungen. Doch verstärkt durch das Aufkommen elektronischer Vertriebswege setzt sich nun auch bei den Privatkunden immer mehr der Trend zu einer Mehrfachbankverbindung durch (Wings, 1999) (S.34). Die Kunden wählen oft einzelne Produkte aus der Angebotspalette der verschiedenen Banken heraus und betreiben so das gefürchtete „Rosinenpicken“ (Lange 1999) (S.445). Somit wird die Idee des Cross-Selling zu Nichte gemacht. Insbesondere durch die verstärkte Markttransparenz wird die Tendenz zum Rosinenpicken weiter verstärkt. Bis vor wenigen Jahren war der Vergleich von Angeboten sehr mühsam und beschränkte sich für die meisten Privatpersonen darauf, einige Anbieter persönlich aufzusuchen, Prospekte zu bestellen und Vergleichstests in Fachzeitschriften zu studieren. Im elektronischen Markt ist allerdings eine Vielzahl von Anbietern nur ein “Click” voneinander entfernt. Preise, Gebühren, Zinsen und Wechselkurse sind elektronisch abrufbar und können durch den Kunden mit elektronischen Hilfsmitteln aufbereitet und verglichen werden [Suter]. Die Bankkunden können dank onlineBanking ihre Konten genau kontrollieren und haben die Möglichkeit, per Mausklick Geld von einem Konto mit niedrigen Zinsen auf ein Konto mit hohen Zinsen zu ve rschieben und somit unabhängig von bestehenden Beziehungen den Anbieter mit den besten Konditionen auszuwählen [Stauber]. Diese Transparenz wird noch gesteigert, da die Anbieter von Finanzdienstleistungen oft parallel zur Einführung der elektronischen Vertriebswege ihre Produktpalette immer weiter gestrafft haben. Somit werden die angebotenen Finanzdienstleistungen der verschiedenen Banken immer homogener, so dass es immer schwerer wird, sich von der Konkurrenz zu differenzieren. Insofern droht den Finanzdienstleistern in den neuen elektronischen Märkten zum einen ein stark verschärfter Preiskampf und zum anderen steigt die Wechselbereitschaft für die Kunden, weil die angebotenen Produkte immer austauschbarer werden. Das Risiko der Kundenabwanderung steigt nicht zuletzt auch auf Grund der immer stärker sinkenden Kundenloyalität, wie die folgenden Studien belegen. 294 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien So haben in Deutschland zwischen 1993 und 1997 17% der Bevölkerung ihre Hauptbankbeziehung gewechselt (Grebe, 1997). Eine andere 1999 von der TNS EmnidFinanzmarktforschung unter 3000 Befragten in Deutschland durchgeführte Studie malt ein noch düsteres Bild. So zeigen sich bis zu zwei Drittel der Grossbankkunden „schwankend bis wechselbereit“ (Keller, Lerch, et al. 2000). Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch in der Schweiz feststellen. Hier verlieren die Banken jährlich ca. 5-10% ihrer Kunden (o.V., 1999). Nur bei jenen Banken, bei welchen der Kunde seine “kräftigen” Konten führt, kann die Bank auch tatsächlich einen Profit daraus schlagen. Wenn nun ein Kunde sein Hauptkonto von einer Bank auf eine andere verlegt, kann dies stattfinden, ohne dass ein neues Konto eröffnet oder ein anderes gekündigt we rden muss. Die Zahl der Kundenabwanderungen könnte also noch höher liegen. Die Tendenz zum Aufbau mehrerer Bankverbindungen wächst ebenso wie die Tendenz zum Wechseln der Hausbank. 5.3.2 Steigender Konkurrenzdruck Neben den Veränderungen bezüglich der Kunden, zeichnet sich der Wandel in der Finanzindustrie auch durch einen steigenden Konkurrenzdruck sowohl innerhalb der Branche als auch von ausserhalb der Branche ab. Insbesondere durch die sinkenden Telekommunikationsgebühren werden die Markteintrittsbarrieren immer geringer, so dass sich auch von dieser Seite Herausforderungen für die etablierten Banken ergeben. Folgende Aufstellung in Anlehnung an Porter zeigt, welche anderen Wettbewerber neu in der Finanzdienstleistungsbranche auftreten kö nnen. 295 Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor Strategische Allianzen Neue Neue Anbieter Anbieter Service ServiceProvider Provider Systemanbieter Systemanbieter Near NearBanks Banks Bedrohung durch Lieferanten Lieferanten Clearinghäuser Clearinghäuser Informationsbroker Informationsbroker Börsen Börsen Wettbewerber Wettbewerb Wettbewerbin in der derBranche Branche Filialbanken Filialbanken Direktbanken Direktbanken Auslandbanken Auslandbanken mittels Einsatz von Diversifizierte Übernahmen Kunden Kunden Handelskonzerne Handelskonzerne Medienkonzerne Medienkonzerne Mineralölkonzerne Mineralölkonzerne Telekommunikation Ersatzprodukte Ersatzprodukte Elektronische Elektronische Geldbörsen Geldbörsen Digitales DigitalesOnlinegeld Onlinegeld Kartenherausgeber Kartenherausgeber Abbildung 5-6: Wettbewerbskräfte im Bankenmarkt gemäss dem Strukturmodell von Porter62 Das eigentliche Kapital der Banken liegt in den Informationen, die sie über die Kunden besitzen, und umgekehrt die Informationen, welche die Kunden über die Bank und ihre Produkte kennen, allerdings können diese Informationen auch von anderen Organisationen erhoben werden, so dass sich die Finanzdienstleistungsbranche von mehreren Seiten, die im folgenden kurz erläutert werden, attackiert sehen muss. ?? Kunden Wenn Unternehmen mit häufigem Kundenkontakt wie z.B. in der Schweiz die beiden Handelsketten Coop, Migros oder die Post selbst Banken gründen, müssen sich die heutigen Finanzdienstleister in Acht nehmen. Entscheidend ist hierbei, wer die relevanten Informationen über die Kunden hat. Insofern bietet es sich für z.B. Handelshäuser an, in das lukrative Finanzgeschäft einzusteigen und so die traditionell geringen Margen im Handelsbereich aufzubessern. In Deutschland kann die Quelle-Bank als interessantes Beispiel genannt werden. Weitere Beispiele finden sich bei den Mineralölkonzernen (Aral, Esso, etc.), die schon seit längerem Kundenkarten im Markt plaziert haben, um zum einen auf diese Art und Weise die Kunden an sich zu binden und zum anderen weitere Informationen über die Kunden gewinnen zu können. 62 Quelle: (Bartmann & Kerscher, 1995) (S.41) 296 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Coop und Migros haben ebenso zur Erhöhung der Kundenbindung Kundenkarten lanciert. Wenn nun diese Karten zusätzlich mit Zahlungs funktion versehen werden, können sie den Finanzdienstleistern einen grossen Teil ihres Retailgeschäfts abnehmen. In grossen Filialen könnten sie Multimedia-Kioske plazieren und so die Funktion von Banken übernehmen. Insofern können die Kunden der Banken als mögliche Bedrohung identifiziert werden. ?? Lieferanten Neben dem Auftauchen von neuen Anbietern, die vorher hauptsächlich eher als Kunden aufgetreten sind, können auch Lieferanten der Finanzindustrie als potentielle Wettbewerber der Banken auftreten. Die Lieferanten von Finanzinformationen und Börsendaten (z.B. Reuters) können durch die neuen Medien direkt an den Kunden gelangen und somit die Banken umgehen. Auch die Handels- und Medienkonzerne können an ihre elektronisch vertriebenen Produkte direkt Bankdienstleistungen anknüpfen und somit Mehrwerte für die Kunden schaffen. ?? Neue Anbieter Service Provider bzw. beispielsweise Betreiber elektronischer Marktplätze haben die Möglichkeit, auf der Basis ihrer Netze, die Kunden und Lieferanten direkt zusammenzubringen, wobei sie die Zahlungsabwicklung organisieren, so dass auch vollkommen branchenfremde Anbieter als mögliche Konkurrenz angesehen werden können. ?? Wettbewerb in der Branche Doch nicht nur branchenfremde Unternehmen können den Banken gefährlich werden. Durch die sinkenden Markteintrittsbarrieren haben Finanzdienstleister, z.B. über Direktbanken, Direktversicherer und Internet-Banken, die Möglichkeit, sich schnell in einem neuen Markt zu etablieren, so dass auch innerhalb der Branche der Konkurrenzdruck zunimmt (Stockmann, 1998). ?? Ersatzprodukte Durch technische Entwicklungen, wie elektronischen Geldbörsen, digitalem Geld etc., wird des weiteren der Druck auf die etablierten Anbieter erhöht. Für die Banken bedeutet dies, dass in diesem verstärkten Wettbewerb die Beziehung zum Kunden neu durchdacht werden muss. Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor 297 5.4 Anwendung des MCR-BM-Modells auf den Finanzdienstleistungssektor Im folgenden sollen nun die weiter oben schon beschriebenen Massnahmen des MCRBM-Modells auf den Finanzdienstleistungssektor angewendet werden, um den gezeigten Veränderungen Rechnung zu tragen. 5.4.1 Designing Customer Interaction Auch für den Finanzdienstleistungssektor stellt die Kommunikation mit dem Kunden, im folgenden wieder unterteilt in die Kommunikationskanäle und –inhalte, ein wesentliches Erfolgskriterium dar. Aus der quantitativen Studie ist für das Angebot der Kommunikationskanäle ersichtlich geworden, dass fast die Hälfte (47%) der befragten Banken den Kunden die Möglichkeit bieten, sie per E-Mail zu erreichen, wohingegen nur ca. 35% angaben, eine Call Center-Lösung realisiert zu haben. Der Briefverkehr war mit ca. 60% der am häufigsten genannte Kommunikationskanal, bei dieser Zahl ist zu bedenken, dass unter den Befragten „reine“ online-Anbieter waren, die diesen Kanal bewusst meiden. Die angebotene Option der Hausbesuche von einigen Banken nahm mit ca. 30% einen erstaunlich hohen Anteil ein. Insbesondere für den Finanzdienstleistungssektor haben sich eine Reihe von speziellen Bezeichnungen für die entsprechenden Kommunikationskanäle, wie Telebanking, Video-Banking, Internet-Banking, Handy-Banking etc. etabliert. Insbesondere dem Handy-Banking in Zusammenhang mit Electronic Commerce-Anwendungen, häufig auch als Mobile Commerce bezeichnet, wird dabei eine erfolgversprechende Zukunft vo rausgesagt (Reichardt 2000) (S.85ff.). Ein interaktive r und auch innovativer Kommunikationskanal, der insbesondere bei beratungsintensiven Bankprodukten interessant ist, stellt das Angebot eines Call-BackButton dar, bei dem Interessenten einen telefonischen Rückruf des Anbieters anfordern können. Der Kunde gibt in diesem Fall in einem weiteren Formular an, wann und unter welcher Nummer er zurückgerufen werden möchte. Ein von der Firma Micrologica entwickeltes System soll als Beispiel vorgestellt werden. 298 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Abbildung 5-7: Call Back Angebot der Firma Micrologica AG 63 Generell gilt allerdings auch für diesen Bereich, dass die Bedürfnisse der Kunden unbedingt berücksichtigt werden müssen, so dass ihnen der jeweils gewünschte Kommunikationskanal angeboten werden muss. Neben den angebotenen Kommunikationskanälen tragen auch die Inhalte der Kommunikation zum erfolgreichen Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien bei. Durch das Angebot von relevanten und auf die Bedürfnisse der einzelnen Kunden zugeschnittenen Informationen, kann es erreicht werden, dass diese Informationen einen wesentlichen Mehrwert bieten, der die Kunden an das Unternehmen bindet. Das Angebot von Realtime-Kursen zählt dabei zumindest für sogenannte online-Broker, wie beispielsweise ConSors (www.consors.de) oder Charles Schwab (www.schwab.com), schon fast zum Standard. Darüber hinausgehend kann durch das Angebot von umfangreichen Informationen zu den jeweiligen Unternehmen für die Kunden ein interessanter Mehrwert geschaffen werden. Die Comdirect Bank (www.comdirect.de) bietet beispielsweise bei der Auflistung der zu handelnden Wertpapiere auch die Möglichkeit, die neuesten Nachrichten zu dem jeweiligen Unternehmen zu bekommen. Dieser Service befindet sich jedoch noch in der Aufbauphase, so dass Verbesserungen, z.B. bezüglich des Umfangs und der Aktualität der Informationen, notwendig werden. Prinzipiell zeigt dieser Dienst allerdings in die richtige Richtung, indem durch die Verknüpfung von bestehenden, in 63 Quelle: www.micrologica.de/cgi-bin/callbackform.pl Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor 299 digitaler Form vorliegenden Informationen (in diesem Fall Unternehmensnachrichten und die entsprechenden Kurse) Mehrwert geschaffen wird, der sich an den Bedürfnissen der Nachfrager orientiert. 5.4.2 Creating Added Value for the Customer Insbesondere die attraktive Bündelung von Finanzdienstleistungen kann in diesem Bereich zu einer Steigerung der Kundenbindung führen. Das, was zur Zeit schon häufig sehr gut von Finanzintermediären, wie beispielsweise MLP (www.mlp.de) vollführt wird, kann auch von „klassischen“ Banken angeboten werden. So muss die Zusammenstellung der verschiedenen Produkte wie ein Girokonto, eine Lebens- und Autoversicherung genau auf die Bedürfnisse des einzelnen Kunden zugeschnitten sein. Zu diesem Zweck muss der Anbieter in der Lage sein, die Bedürfnisse der einzelnen Kunden zu ermitteln und dann entsprechend dieser Wünsche das Leistungsbündel zusammenzuschnüren. Dabei muss ein Finanzdienstleister auch von der traditionellen Methode, nur die eigenen Produkte anzubieten, abweichen und auch Fremdprodukte in das eigene Produktportfolio aufnehmen, wie das bereits unter 4.5.2.1 vorgestellte Finanzportal „Yourhome“ von der Credit Suisse. Die folgende Abbildung zeigt einen Screenshot der MLP AG, der die umfassende Beratung in finanziellen Fragen verdeutlicht. 300 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Abbildung 5-8: Attraktive Leistungsbündelung am Beispiel von MLP 64 Der Vorteil der attraktiven Bündelung der angebotenen Leistungen für die Kunden besteht darin, dass sie für finanzielle Fragen nur einen Ansprechpartner haben und sie sich darauf verlassen können, dass dieser Anbieter ihnen ein gutes Leistungsbündel zur Verfügung stellt. Dieser Mehrwert bietet eine gute Möglichkeit, die Verbindung zum Kunden zu intensivieren und somit den Kunden langfristig an den Finanzdienstleister zu binden. Für den Anbieter ergeben sich bei dieser Leistungsbündelung Potentiale im Cross- und Up-Selling-Bereich, so dass die einzelne Beziehung nicht nur tendenziell länger, sondern auch profitabler werden kann. Interessant bei diesem Beispiel ist auch der bereits unter 4.5.1.2 angesprochene zielgruppenspezifische Einstieg, in diesem Fall nach Berufsgruppen, in das Informationsangebot. 5.4.3 Customer Profiling Im traditionellen Bankgeschäft im Retailbereich kannte der Kundenberater in der jeweiligen Filiale die Wünsche und Bedürfnisse seiner Kunden. Er wusste ziemlich genau wie die verschiedenen Rahmenbedingungen der einzelnen Kunden waren und konnten ihnen so individuell ihre Wünsche erfüllen. Bei steigender Anzahl der Kunden 64 Quelle: www.mlp.de 301 Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor in der Filiale waren allerdings die Kapazitäten dieses Beraters irgendwann voll ausgelastet, so dass er sich nur noch einen Teil der entsprechenden Informationen seiner Kundschaft merken konnte. Der Wunsch der Kunden nach individuellen Produktlösungen ist allerdings nach wie vor ungebrochen und ist wie oben dargestellt eher zur Zeit noch weiter ansteigend. Insofern ergibt sich also die unbedingte Notwendigkeit, die Bedürfnisse der Kunden zu erfahren und dentsprechend das oben beschriebene Leistungsbündel zusammenzuschnüren. Die Massnahmen zur Identifikation dieser Bedürfnisse unterscheiden sich dabei nicht von den bereits unter 4.5.3 ausführlich vorgestellten Methoden, so dass diese Methoden auch im Finanzdienstleistungssektor Anwendung finden. Allerdings ist bei diesen Massnahmen, durch die insbesondere in diesem Bereich meist sensiblen Daten, genaustens auf die relevanten Datenschutzregelungen zu achten. Dieser Punkt wurde ebenso bei der quantitativen Studie betrachtet. Als Ergebnis zeigt sich allerdings, dass die Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen für die meisten der befragten Banken keine Einschränkung darstellt, wie folgendes Diagramm verdeutlicht. Frage 15 Schränken die Richtlinien des Datenschutzgesetzes Ihre CRM-Initiativen ein? 25 20 15 10 5 0 Reihe1 JA NEIN weiss nicht 14 24 9 Abbildung 5-9: Einschränkungen der CRM-Initiativen durch die Richtlinien des Datenschutzgesetzes65 65 Quelle: Quantitative Studie 302 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Ein weiteres Resultat ist die Erkenntnis, dass dem Bereich der juristischen Betrachtung bei der Durchführung von CRM-Projekten eine grosse Beachtung geschenkt wird, wie die Einbindung der juristischen Abteilung der jeweiligen Unternehmen dokume ntiert. Frage 16 War bei der Implementation von CRM-Initiativen Ihre Rechtsabteilung involviert? 25 20 15 10 5 0 Reihe1 Ja, seit Beginn Nein Ja, wurde nachträglich eingeschaltet weiss nicht 21 12 7 1 Abbildung 5-10: Unterstützung der Rechtsabteilung bei der Einführung von CRM-Initiativen66 Generell haben Unternehmen des Finanzdienstleistungssektors in diesem Bereich einen enormen Vorteil, da sie schon eine Vielzahl von Daten über ihre Kunden haben, die sich beispielsweise neue Wettbewerber erst mühsam aneignen müssten. Allerdings ist es nun an den etablierten Unternehmen, diese Daten auch wirklich zu nutzen, um den Kunden individuelle Angebote unterbreiten zu können. Dieses Wissen über die Bedürfnisse der Kunden in Form der Kundenprofile kann dementsprechend ein wirksamen Schutz gegenüber neuen Wettbewerbern sein, da Kunden in der Regel nicht bereit sind, mehrmals ihre Präferenzen anzugeben und nicht nochmals die Zeit zum Aufbau eines Kundenprofils investieren wollen. Problematisch könnte es allerdings für Anbieter werden, wenn die Kunden ihre Kundenprofile selbst verwalten wollen und so auch diese Wechselbarriere umgehen könnten, indem sie ihr Kundenprofil an einen anderen Anbieter weitergeben. 66 Quelle: Quantitative Studie Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor 303 5.4.4 Creating Trust Insbesondere in der Finanzindustrie spielt Vertrauen in den Anbieter eine enorm wi chtige Rolle, da sich die Kunden auf eine Beziehung einlassen, deren Inhalte, Abläufe und Konsequenzen im voraus kaum abzuschätzen sind. Eventuell wird dem Kunden daher erst im Verlauf der Beziehung die Qualität der angebotenen Leistungen bewusst, insofern wird auch bei Bankprodukten von Erfahrens- und Vertrauensgütern gesprochen (Bernet & Held 1998) (S.3ff.). Daher ist es eine weitere wichtige Aufgabe für Anbieter in diesem Bereich ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Im wesentlichen gibt es drei verschiedene Massnahmen, um dieses Vertrauen zu erzeugen. Zum einen ist es notwendig, dass die technische Übertragung von Finanzdaten bestmöglich abgesichert ist, d.h. dass zum Beispiel auf etablierte Protokollstandards wie SET (Secure Electronic Transaction) zurückgegriffen wird. In diesem Zusammenhang ist es auch sinnvoll, die verwendeten Techniken zum Beispiel auf der Webpage so zu erklären, dass sie die Kunden auch verstehen können und selbst merken, dass die Transaktionen zu einem sehr hohen Mass sicher sind. Als zweite Möglichkeit, Vertrauen zwischen einem Anbieter und einem Kunden zu generieren, zählt die Erstellung und Kommunikation einer klaren Privacy Policy (ZDNET, 1999). Wie schon im vorherigen Kapitel angedeutet, ist die Handhabung der von Kunden zur Verfügung gestellten Daten äusserst sensitiv. Sollten Fälle von Datenmissbrauch bei einem Anbieter auftreten, würde ein Grossteil des Vertrauens zerstört werden und dieser Anbieter hätte grosse Probleme, wieder ein Vertrauensverhältnis zu seinen Kunden aufzubauen. Insofern ist die Kommunikation aber ebenso auch die Einhaltung dieser Privacy Policy ein wesentlicher Schritt, wenn man eine Vertrauensbasis schaffen will. Die dritte Möglichkeit besteht in der Etablierung eines Markennamens. Dieses sogenannte Branding, hier verstanden als Markenmanagement, kann es ermöglichen, gewisse Werte mit den Namen eines Anbieters zu verbinden. So kann zum Beispiel ein bestimmter Finanzdienstleister mit den Attributen „Service und Zuverlässigkeit“ in Verbindung gebracht werden. In einer Entscheidungssituation können solche, häufig nicht bewusst wahrgenommen Merkmale den Ausschlag für den ein oder anderen Anbieter geben. Ebenso kann in einer bestehenden Beziehung der Markennamen und die damit verbundenen Assoziationen als Bestätigung für die Verbindung zu diesem Anbieter verstanden werden. Insofern leistet das Branding auch einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Kundenbindung. 304 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 5.4.5 Establishing Virtual Communities Virtuelle Gemeinschaften haben auch in der Finanzdienstleistungsbranche einen Einfluss auf die Kundenbeziehung. Eine solche Gemeinschaft erfüllt dabei verschiedene Funktionen, die sowohl den Kunden als auch dem Anbieter Vorteile bringen. Die Hauptfunktion ist der Austausch von Informationen. Insbesondere im BrokerageBereich haben sich verschiedene Gemeinschaften gebildet, die einen intensiven Austausch von Informationen zu den verschiedensten Facetten des Aktienhandels betreiben. Als deutschsprachiges Beispiel kann man hier die Community der Comdirect Bank oder die „Broker’s World“ von ConSors nennen. Bei beiden können sich Interessierte anmelden ohne Kunden sein zu müssen. Umfangreiche und aktuelle Nachrichten zu den einzelnen Werten, die diskutiert werden, runden das Angebot ab. Mit Hilfe dieses Angebots an Informationen und der Möglichkeit, dass sich Mitglieder der Community untereinander austauschen können, kann eine emotionale Verbindung zu dem Anbieter geschaffen werden, die ein Wechseln der Kunden erschwert. Beispielhaft für den MCR-Building Block „Establishing Virtual Communities“ im Finanzdienstleistungsbereich soll hier das amerikanische Angebot von „The Motley Fool“ gezeigt werden. Abbildung 5-11: Beispiel zur Gestaltung von Diskussionsforen zur Bildung einer virtuellen Gemeinschaft67 67 Quelle: www.fool.com Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor 305 Es bleibt festzuhalten, dass die Einrichtung einer virtuellen Gemeinschaft, wie an den Beispielen kurz angedeutet wurde, einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der Kundenbeziehung leisten kann (Schubert, 1999). 5.4.6 Implementing Processes Die Gestaltung und Optimierung von Prozessen findet sich in allen bisher beschriebenen Massnahmenblöcken wider, so dass ihm eine übergreifende Art bescheingt werden kann. Neben der Gestaltung dieser Prozesse enthält dieser Building Block weitere Massnahmen, die im folgenden näher für den Finanzdienstleistungssektor erläutert werden. Dieser Massnahmenblock „Prozesse“ unterteilt sich in zwei Bereiche. Zum einen in die internen Prozesse und zum anderen in externe Prozesse. Wie bei der Darstellung des allgemeinen Modells schon gezeigt, handelt es sich bei den internen Prozessen um die Abläufe innerhalb der Unternehmung, die im weitesten Sinne zur Kundenzufriedenheit beitragen. Wichtig für den Finanzdienstleistungssektor ist in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, die bestehenden Kunden im Sinne der Kundenintegration in die Prozesse einzubeziehen. Dies entspricht zum einen dem Wunsch der Kunden nach mehr Integration, zum anderen ergibt sich für die Kunden eine Vielzahl von Möglichkeiten Transaktionen, Brokerage-Funktionen oder administrative Tätigkeiten auszuführen, ohne an enge Banköffnungszeiten gebunden zu sein. Ebenso könnte auch durch Bereitstellung von Standardantworten im WWW im Sinne der Frequently Asked Questions (FAQ) der Servicebereich der Bank entlastet werden, wenn sich die Kunden selbst die Antworten zu ihren Fragen aus dem Webangebot ziehen können. Unter den externen Prozessen werden die Abläufe verstanden, die an der Schnittstelle zwischen den Kunden und dem Anbieter ablaufen. Insofern fällt hier auch die Art und Weise, wie ein potentieller oder schon bestehender Kunde die gesuchten Informationen findet, hinein. Dementsprechend trägt auch das Design des Web-Auftritts zur Kundenbindung bei, da Kunden in der heutigen Zeit kaum noch lange nach den gewünschten Informationen suchen, sondern im Zweifelsfall einfach zu einem nächsten Anbieter weiterklicken (Harding, 1998). Um die gewünschten Informationen zu erhalten, können des weiteren seitens der Anbieter Unterstützungswerkzeuge, wie Kreditberechnungstools, Darlehenberechnungstools etc. angeboten werden. 306 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Somit kann sich ein potentieller Kunde schon vor dem ersten Beratungsgespräch in der Bank genau über die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten informieren. Durch diese bessere Vorbereitung wird in der Regel das Beratungsgespräch effektiver verlaufen, so dass auf der einen Seite der Kunde zufriedener sein wird und auf der anderen Seite, der Bankberater wertvolle Zeit spart, da er schon Grundkenntnisse bei dem potentiellen Kunden erwarten kann und diese nicht aufwendig erklären muss. Der nächste Schritt in diese Richtung ergibt sich logischerweise dahingehend, dass auch das Beratergespräch online verläuft, so dass der potentielle Kunde nicht physisch in die Bank eintreten muss, sondern seine Fragen auch online klären kann. Interessant sind in diesem Zusammenhang Ansätze der Firma IDS Prof. Scheer GmbH in Zusammenarbeit mit der Brokat AG, die eine Lösung geschaffen haben, die es ermöglicht, mit dem Kunden zu telefonieren und parallel mit dem Kunden durch verschiedene Web-Pages zu surfen (Groffmann, Schäfers, et al. 1999) (S.234ff.). Der Bankberater kann dabei auch die Seiten des Kunden sehen und kann ihn sogar bei Bedarf auf neue Seiten führen. Ebenso kann der Kunde den Berater auf Seiten führen, auf denen noch offene Fragen zu klären sind. Abbildung 5-12: Beispiel einer virtuellen Beraterbank68 Ein Angebot einer virtuellen Beraterbank setzt sich dabei aus verschiedenen Modulen zusammen: das Daten-Konferenz-Modul, welches Chat-Systeme, Whiteboard- 68 Quelle: (Groffmann, Schäfers, et al. 1999) (S.235) Business Case MCR-BM im Finanzdienstleistungssektor 307 Anwendungen und Application Sharing umfasst, das Audiomodul, welches sich auf Telefonleistungen bezieht, das Video-Modul, welches die visuellen Bedürfnisse erfüllt sowie der schon besprochen Call-me-Button. In diesem Zusammenhang ebenso wichtig ist auch die technische Verfügbarkeit des Angebots. Kunden erwarten, dass der Server funktioniert und sie ihr Angebot nutzen können. Wenn dies mehrmals nicht der Fall sein sollte, wird die Wechselbereitschaft der Kunden stark steigen, allerdings zählt dies ebenso für andere Branchen und stellt somit keine spezifische Eigenart der Finanzdienstleistungsbranche dar. 5.4.7 Controlling Auch für die Finanzdienstleistungsindustrie ist es wichtig, für die einzelnen Massnahmen Kennzahlen zu entwickeln, um die Wirksamkeit der gewählten Instrumente prüfen zu können. Als Beispiel für eine Kennzahl, kann die Anzahl der Beiträge innerhalb einer virtuellen Gemeinschaft genommen werden. Aus dieser Zahl könnte man ableiten, inwieweit Massnahmen ergriffen werden müssten, um die Attraktivität der Teilnahme zu erhöhen. Ein weiteres Beispiel für eine Kennzahl zur Prüfung der Wirksamkeit der Massnahmen des Management der Kundenbeziehung entstammt einem Praxisbericht der Deutschen Bank. In diesem Fall wurde die Kundenzufriedenheit als Massstab für den Grad der Kundenbindung genutzt (Lange 1999) (S.446ff.). Mittels einer telefonischen und schriftlichen Befragung sowohl im Privat- als auch im Firmenkundengeschäft wurde die Zufriedenheit der Kunden ermittelt. Diese Befragung wurde erstmalig 1996 durchgeführt und durch eine Folgebefragung im Jahre 1998 erweitert. Aus den Ergebnissen der Erhebung konnten – bis auf Filialebene – Schwachstellenanalysen durchgeführt werden, die eine entsprechende Massnahmenentwicklung ermöglichten. Um den Prozess zur Ableitung von Massnahmen für alle beteiligten Geschäftsbereiche der Bank identisch zu gestalten, wurde eine strukturierte Prozesskette entwickelt, die in vereinfachter Form in folgender Abbildung zu sehen ist. 308 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Selbsteinschätzung Schwachstellenanalyse Massnahmenentwickl. Massnahmendurchf. Erfolgskontrolle Abbildung 5-13: Strukturierte Prozesskette zur Ableitung und Durchführung von Massnahmen im Rahmen des Building Blocks „Controlling“69 Dieser Leitfaden zeichnet sich durch seinen generischen Charakter aus, so dass die einzelnen Schritte auch für andere Anbieter relevant sein können. Grundsätzlich ist allerdings die Vorgehensweise, ob ihres unterstellten Zusammenhangs zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, kritisch zu hinterfragen. In den Augen des Autors würde es sinnvoll erscheinen, die Kundenbefragung, neben der ex-postBetrachtung der Zufriedenheit, auch auf die ex-ante Bereiche der Kundenbeziehung (Verhaltensabsichten i.S. von Wiederkaufsabsicht, Weiterempfehlungsabsicht etc.) auszuweiten, um ein besseres Bild der Gestalt der Kundenbeziehungen und möglicher Schwachpunkte zu erhalten. Die weitere Vorgehensweise (Ableitung der Massnahmen, Durchführung der Massnahmen und die anschliessende Erfolgskontrolle) könnte nachwievor beibehalten werden. Neben der Prüfung der Wirksamkeit der Massnahmen umfasst der Building Block „Controlling“ des weiteren auch die Ermittlung des ökonomischen Wertes der Kunden. Insbesondere für die Finanzdienstleistungsindustrie ist es von enormer Bedeutung, die Kunden richtig einzuschätzen. Zum Beispiel ist es für den Kreditbereich entscheidend, ein gutes Bild über den Kunden zu haben, um bei der Kreditentscheidung relevante Informationen zur Verfügung zu haben (Gisi Consulting, 1998). Bei der Kreditvergabe kann unter Umständen dann auch der Kapitalwert beziehungsweise der potentielle Kapitalwert eine Rolle spielen. Insofern geht es hier darum, dass die jewe iligen Massnahmen des Management der Kundenbeziehung für die entsprechend wertvollen Kunden zugeordnet werden. 5.5 Zusammenfassende Betrachtung Abschliessend bleibt festzuhalten, dass das Modell zum Management of Customer Relationship in Business Media für die Anwendung in der Finanzdienstleistungsbranche geeignet erscheint. Somit konnte eine gewisse Evaluierung des MCR-BM-Modells für 69 in Anlehnung an (Lange 1999) (S.454) Fazit und Ausblick 309 eine spezielle Branche gezeigt werden. Der Finanzdienstleistungsbereich, wie er unter 5.1 beschrieben und abgegrenzt wurde, ist dabei auf Grund seiner Relevanz für diese Betrachtung ausgesucht worden. Eine empirische Untersuchung mit dem Thema „EBusiness und CRM im schweizerischen Finanzdienstleistungssektor“, die sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Erhebung der Daten umfasste, konnte die Bedeutung des Themas unterstreichen. Des weiteren wurden die Zielsetzung bei der Einführung von CRM-Projekten, der Umfang und der Umsetzungsgrad der Strategie sowie die hauptsächlichen Probleme bei der Umsetzung herausgegriffen und ausführlicher vorgestellt. Bei der Beschreibung des Wandels im Finanzdienstleistungssektor wurde unter Berücksichtigung der Ergebnisse der durchgeführten Expertengespräche insbesondere auf das veränderte Kundenverhalten und die damit zusammenhängende höhere Wechselbereitschaft eingegangen (5.3). Des weiteren wurde mit Hilfe des Wettbewerbsmodells nach Porter verdeutlicht, dass die bestehenden Banken von verschiedenen Seiten eine verstärkte Konkurrenz zu fürchten haben. Aus diesen Entwicklungen wurde die Handlungsnotwendigkeit zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien abgeleitet. Als Antwort auf die Herausforderungen wurden dementsprechend die Building Blocks des MCR-BM-Modells auf den Finanzdienstleistungsbereich angewendet, wobei ebenso die Ergebnisse der empirischen Studie einfliessen konnten. Durch eine Vielzahl von Beispielen konnte dabei dem angestrebten Praxisbezug Folge geleistet werden. 6 Fazit und Ausblick Das Thema Management der Kundenbeziehung erfreut sich – wie die Vielzahl von Publikationen eindrucksvoll belegt – einer steigenden Beliebtheit, die auf verschiedene Gründe zurückzuführen ist. Wie unter 1.1.2 anhand verschiedener Studien verdeutlicht, ist der Aufbau und die Pflege von langfristigen Beziehungen zu den Kunden in der Regel ökonomisch sinnvoller, als ständig neue Kunden zu akquirieren, da die Kosten der Neukundengewi nnung im Verhältnis zu den Kosten des Management der Kundenbeziehung ca. 5-10 mal höher liegen. Insbesondere in den neuen Medien ist davon auszugehen, dass durch die Aspekte der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ dieses Verhältnis weiter zu Gunsten des Kundenbeziehungsmanagement verschoben wird. Zusätzlich unterstreichen psychologische Aspekte des Vertrauens und der Gewohnheit die Bedeutung der Thematik, so dass langfristige und beständige Interaktionsbeziehungen zu ökonomisch wertvollen Kunden als das wesentliche Kapital einer Unternehmung angesehen werden können. Ebenso gewinnt auf Grund des enormen Infor- 310 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien mationsangebots in den neuen Medien diese Entwicklung an Bedeutung, da auch aus Sicht der Kunden eine langfristige Beziehung Sicherheit bietet. Des weiteren ist allgemein ein Trend vom transaktionsorientierten zum beziehungsorientierten Marketing (vgl. 2.2.2) zu erkennen, der ebenso die steigende Relevanz des Themas belegt. Nichtzuletzt auch durch die Tatsache, dass die angebotenen Produkte immer homogener werden, ist eine Differenzierung über die Ausgestaltung der Kundenbeziehung eine erfolgversprechende Möglichkeit, Wettbewerbsvorteile im immer schneller und globaler werdenden Markt realisieren zu können. Mit dem Management der Kundenbeziehung muss allerdings auch ein Umdenken in den „Köpfen“ der Anbieter verbunden sein, da diese häufig immer noch sehr produktorientiert denken und die Kunden als reine Abnehmer, im wahrsten Sinne des Wortes, verstehen. Allerdings wollen die Kunden in der heutigen Zeit nicht mehr nur die massengefertigte Ware abnehmen, sondern wollen vielmehr ihre Wünsche artikulieren und erwarten, dass diese individuellen Wünsche erfüllt werden. Insofern muss also der Kunde und die Befriedigung seiner Bedürfnisse immer stärker in den Vordergrund der Betrachtung gerückt werden. Die geschilderten Veränderungen werden durch die zunehmende Bedeutung der neuen Medien in ihrer Wirkung verstärkt, so dass ein innovativer Ansatz zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien notwendig erscheint, um die entstehenden Herausforderungen meistern zu können. Dieser Ansatz stellt dabei eine Verbindung zwischen den Theorien des Medien- und Kommunikationsmanagement (2.1) und den relevanten Konzepten des Marketing (2.2) dar, so dass sich das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien an der Schnittstelle zwischen diesen Bereichen positionieren lässt. Die neuen Medien beziehen sich dabei auf das am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement entwickelte Medienmodell nach Schmid. Um eine Antwort auf die neuen Herausforderungen geben zu können, ist im Rahmen des neuen Ansatzes ein generisches Gestaltungsmodell zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien (MCR-BM-Modell) entwickelt worden. Ausgangspunkt der Entwicklung dieses Modells waren die bisher bekannten Determinanten der Kundenbindung, da an ihnen die neuen Herausforderungen zum Kundenbeziehungsmanagement abgeleitet und konkretisiert werden konnten. Zunächst sind zu diesem Zweck verschiedene Ansätze zur Beschreibung dieser Determinanten unter 2.2.5 vorgestellt worden, allerdings wurde im Rahmen dieser Arbeit der Ansatz nach (Tomczak & Dittrich 1997) ausgewählt, da er in den Augen des Autors die Komplexität des Konstruktes der Kunde nbindung am besten abbildet (vgl. 2.2.5.5). Fazit und Ausblick 311 Auf die Determinanten wirken verschiedene Einflüsse, die eine Transformation dieser Kundenbindungsdeterminanten hervorrufen. Als Haupteinflussfaktoren sind dabei das veränderte Verhalten der Kunden (vgl. 3.3) und die Herausforderungen durch die neuen Medien (vgl. 3.1 und 3.2) erkannt wo rden. Das Verhalten der Kunden verändert sich gegenwärtig insofern, als dass die Kunden immer individueller, qualitätsorientierter und selbstbewusster werden. Des weiteren lassen sie sich immer stärker durch einen hybriden Charakter, d.h. teilweise werden qualitativ sehr hochwertige Produkte gekauft, teilweise werden aber auch Discountangebote konsumiert, kennzeichnen. Zudem ist grundsätzlich ein sinkender Bindungswi lle zu beobachten, der die Notwendigkeit eines neuen Ansatzes zur Gestaltung der Kundenbeziehung unterstreicht. Der erkennbare Trend der Bequemlichkeit, der Zeitersparnis und der verstärkte Wunsch nach Interaktion bei den Nachfragern sind als we itere Einflussfaktoren identifiziert und beschrieben worden. Die Herausforderungen durch die neuen Medien umfassen ebenso eine Vielzahl von Einflüssen, die auf die bestehenden Determinanten der Kundenbindung einwirken und sie in ihren Ausprägungen verändern. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sind nach einer eher allgemein gehaltenen Beschreibung des Wandels durch die neuen Medien, der die Veränderungen im gesellschaftlichen und geschäftlichen Leben umreisst, die Besonderheiten der Interaktionsbeziehungen, die sowohl Kommunikations- als auch Transaktionsprozesse umfassen, genauer untersucht worden. Es konnte dabei herausgefunden werden, dass sich sowohl bei den Kommunikations-, verstanden als Austausch von Informationen, als auch bei den Transaktionsprozessen, verstanden als Austausch von Leistungen, eine Vielzahl von Veränderungen ergeben hat. Im einzelnen konnten Transformationen, der Richtung, der Form und des Inhalts der Kommunikation ausgemacht werden. Die Möglichkeit zur Individualisierung und die vorhandene Ubiquität als weitere Besonderheiten der Interaktionsbeziehungen in den neuen Medien, gelten sowohl für die Kommunikation als auch für die Transaktion. Weitere Veränderungen bei den Transaktionsprozessen sind bei der Art der Erlösquelle, beim Umfang und der Auswahl der möglichen Transaktionspartner sowie bei der Abwicklung der Transaktion zu erke nnen. Im weiteren Verlauf sind die unterschiedlichen Einflüsse mit den bisherigen Determinanten der Kundenbindung zusammengeführt worden, um zu untersuchen, inwieweit die Determinanten nach (Tomczak & Dittrich 1997) auch in den neuen Medien relevant sind. Nach Ansicht des Autors ist deutlich geworde n, dass diese Determinanten der Kundenbindung nachwievor Gültigkeit besitzen, allerdings verändern sich ihre Ausprägungen. 312 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Insbesondere die psychologischen (dabei hauptsächlich das Vertrauen und die Zufriedenheit), die faktischen (dabei hauptsächlich die ökonomischen Faktoren) Determinanten und die Determinante der Bequemlichkeit sind in ihrer Relevanz gestiegen, wohingegen die wettbewerbsinduzierte Determinante stark an Bedeutung verloren hat. Diese neuen Ausprägungen dienten im folgenden als Ansatzpunkte für die Entwicklung eines neuen Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien. Das MCR-BM-Modell kann dabei als eine Art Checkliste für Anbieter verstanden werden, um die Interaktionsbeziehungen zu den Kunden optimal zu gestalten, entwickeln und pflegen. Dieses Modell enthält dementsprechend sieben verschiedene Building Blocks, die ihrerseits wiederum konkrete, operative Massnahmen zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien umfassen. Die beschriebenen Building Blocks weisen untereinander Abhängigkeiten auf, die bei der Beschreibung der jeweiligen Massnahmen thematisiert worden sind. Die Building Blocks sind im einzelnen: ?? „Designing Customer Interaction“ Dieser Massnahmenblock umfasst Massnahmen zur Gestaltung der Kommunikationskanäle, Verfahren der Kommunikation und der entsprechenden Inhalte. Ziel ist es, den Nachfragern auf dem gewünschten Kommunikationskanal die gewünschten nutzenbringenden Informationen zu bieten. ?? „Creating Added Value for the Customer“ Dieser Building Block unterteilt sich in die Generierung von Mehrwert und Zusatznutzen für die Nachfrager, z.B. durch attraktive Leistungsbündelung, sowie in die Kreation eines überzeugenden Preis-Leistungs-Verhältnisses, z.B. in Form von Bonussystemen. Der Exkurs zur Mass Customization kann u.a. als Antwort auf den Trend zur Individualisierung verstanden werden. Die Erwartungen der Nac hfrager sollen durch die angebotenen Leistungen erfüllt und wenn möglich übertroffen werden, um die Beziehung zu den Kunden in den neuen Geschäftsmedien so positiv wie möglich zu gestalten. ?? „Customer Profiling“ Um die Bedürfnisse der Nachfrager identifizieren zu können, sind Massnahmen zur Erhebung, Speicherung und Auswertung der Daten notwendig, die in diesem Building Block beschrieben werden. Ergebnis dieser Massnahmen stellen Nutzerprofile dar, die als Basis für die individuelle Kommunikation und Leistungserstellung dienen. Des weiteren wurde auf juristische Beschränkungen des Datenschutzes hingewiesen, die unbedingt beachtet we rden sollten. Fazit und Ausblick 313 ?? „Creating Trust“ Die Transformation der Determinanten der Kundenbindung hat verdeutlicht, dass der Faktor Vertrauen eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien spielt. Um das Vertrauen zwischen den Anbietern und Nachfragern aufzubauen und zu pflegen, sind verschiedene Massnahmen, unterteilt in technische und nicht-technische Möglichkeiten, vorgestellt und ausführlich dargestellt worden. Unter anderem ist auch das Branding als vertrauensbildende Massnahme ausführlicher diskutiert worden. ?? „Establishing Virtual Communities“ Die Einrichtung einer virtuellen Gemeinschaft kann einen wertvollen Beitrag zum Kundenbeziehungsmanagement liefern, da eine solche Gemeinschaft unsicherheitsreduzierend wirkt und die Entstehung eines „Wir-Gefühls“ unterstützt. Des weiteren bietet eine solche Einrichtung aus Sicht der Anbieter eine Möglichkeit, einen Einblick in die Interessen und Bedürfnisse der Nachfrager zu erhalten. Insofern ist in diesem Building Block der Aufbau und das Management von virtuellen Gemeinschaften erläutert und behandelt worden. ?? „Implementing Processes“ Dieser Massnahmenblock zeichnet sich durch seine übergreifende Funktion aus, da zum einen jeweils in den anderen Building Blocks die Gestaltung vo n Prozessen notwendig ist und zum anderen besondere Massnahmen zur Gestaltung der Prozesse vorgestellt worden sind. Diese Prozesse unterteilen sich dabei in die internen, verstanden als i.w.S. Prozesse zur Leistungserstellung aus Sicht der Anbieter, und in die externen Prozesse, verstanden als Prozesse zur Transaktionsabwicklung aus Sicht der Nachfrager. Für beide Arten von Prozessen sind Massnahmen zur Gestaltung erörtert worden. ?? „Controlling“ Innerhalb dieses Massnahmenbündels sind zum einen Instrumente und Methoden zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit der Massnahmen des Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien beschrieben worden, so dass auch dieser Massnahmenblock als übergreifend angesehen werden kann. Zum anderen sind Möglichkeiten zur Bestimmung des ökonomischen Wertes von Kunden vorgestellt worden, allerdings wurde auch bei der Besprechung dieses Building Blocks auf die Schwierigkeiten bei diesen Berechnungen hingewiesen. Durch die Betrachtung einer Vielzahl von für die Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien relevanten Aspekten, kann der Komplexität des Konstruktes der Kundenbeziehung Rechnung getragen werden, so dass von einem ganzheitlichen Ansatz gesprochen werden kann. 314 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Allerdings müssen dabei nicht alle vorgeschlagenen Massnahmen umgesetzt werden, da dies unter Umständen den finanziellen und personellen Rahmen vieler Unternehmungen sprengen würde. Es sollten jedoch Anregungen gegeben und Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die Beziehung zu Kunden verbessert werden können, um so die beschriebenen Vorteile realisieren zu können. Somit ist es Ziel dieses Modells, für Anbieter wertvolle Hilfestellung zur Gestaltung der Interaktionsbeziehung zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Geschäftsmedien zu bieten. Dieses ganzheitliche Modell deckt dabei durch seine Breite einen sehr grossen Teil der Möglichkeiten zur Gestaltung der Kundenbeziehung in den neuen Medien ab und hebt sich somit von anderen Ansätzen, die nur auf einzelne Bereiche fokussieren, ab. Ausserdem ist wichtig zu erwähnen, dass diese Massnahmen des Management of Customer Relationship kompatibel zu den bisherigen Massnahmen („offline“) sind, so dass sie sich im Einsatz gegenseitig unterstützen und in der Praxis nicht getrennt voneinander betrachtet we rden können. Die Anwendbarkeit des Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien konnte abschliessend anhand eines Business Case für den Finanzdienstleistungssektor verdeutlicht werden. Zunächst allerdings ist im Rahmen einer empirischen Untersuchung zum Thema „E-Business und CRM im Schweizer Finanzdienstleistungssektor“ die Relevanz und der entsprechende Handlungsbedarf dieser Thematik nochmals betont worden. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis einen Bereich von hoher Relevanz darstellt. Der vorgeschlagene neue Ansatz verbindet das Medien- und Kommunikationsmanagement und das Marketing, um so für die gegenwärtigen und auch zukünftigen Herausforderungen Lösungsmöglichkeiten für das optimale Gestalten, Entwickeln und Pflegen der Interaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern in den neuen Geschäftsmedien zu bieten. Im Rahmen der Arbeit ist die Betrachtung von CRM-Softwarelösungen bewusst ausgespart worden, da zum einen bereits eine Vielzahl von unterschiedlichsten Informationen zu diesem Gebiet existieren und zum anderen der Fokus der Arbeit auf der Entwicklung eines Modells zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien lag. In den Augen des Autors sollte zu Beginn einer Initiative zur Verbesserung des Kundenbeziehungsmanagement zunächst mit Hilfe des entwickelten Modells das adäquate Konzept für die jeweilige Situation entworfen werden, um dann anschliessend die ent- Fazit und Ausblick 315 sprechende Software zur Umsetzung dieses Konzeptes auszuwählen. Dementsprechend sollten die CRM-Softwarelösungen auf die unternehmensspezifischen Konzepte zum Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien angepasst werden und nicht das Konzept an der Software ausgerichtet werden. Ein Blick in die Zukunft zeigt, dass durch die zu vermutende stärkere Nutzung der neuen Medien dieser Bereich weiter an Bedeutung gewinnen wird. Allerdings wird sich nach Meinung des Autors immer nur – trotz der technischen Möglichkeiten – ein gewisser Teil der Transaktionen in den neuen Medien abwickeln lassen, so dass der stationäre Handel nachwievor eine wesentliche Rolle spielen wird. Dies lässt sich dabei auf die nur sehr langsam transformierenden Einkaufsgewohnheiten der Menschen zurückführen. Nichtsdestotrotz werden sich die Konsumenten auch in Zukunft ve rmehrt ihrer immer stärkeren Position auf den Märkten bewusst, so dass sie verstärkt die beschriebenen Forderungen erheben werden, die von Anbietern erfüllt werden müssen, wenn sie im Wettbewerb bestehen wollen. Ein zusätzlicher Blick in die weitere Zukunft lässt die steigende Bedeutung der Avatare, verstanden in diesem Fall als Softwareagenten zur Erfüllung von Transaktionswünschen, erkennen. Diese künstlichen Gebilde zeichnen sich dabei durch eine Vielzahl von Fähigkeiten aus, allerdings fehlen psychologische Eigenschaften, so dass Massnahmen des Kundenbeziehungsmanagement, die auf die Psychologie der Konsumenten zielen, bei diesen Avataren ihre Wirkung verfehlen. So ist beispielsweise der unsicherheitsreduzierende Markenname den Konsumenten im Unterbewusstsein vertraut und mit einer positiven Assoziation belegt, so dass in der konkreten Kaufentscheidung das Produkt dieser bestimmten Marke erworben wird. Avatare haben jedoch – zumindest zur Zeit – kein Unterbewusstsein, so dass diese Massnahmen ihre Wirkung ve rfehlen würden und somit das gesamte Marketing und die darin enthaltenen psychologischen Komponenten vor neue Herausforderungen stellen würde. An dieser Stelle müssten dann dementsprechend neue Massnahmen zum Management der Beziehung zu Avataren entwickelt werden, die die Besonderheiten dieser Transaktionsagenten berücksichtigen. Allerdings ist das noch „Zukunftsmusik“, die nur sehr leise zu ve rnehmen ist, so dass sich Anbieter in der Gegenwart und in der nahen Zukunft auf das Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien konzentrieren sollten, um mit Hilfe des vorgeschlagenen Modells den langfristigen und erfolgreichen Bestand ihres Unternehmens zu sichern. Anhang A: WWW-Adressen 1800-flowers www.1800flowers.com Amazon www.amazon.com Ananova, virtuelle Nachrichtensprecherin www.ananova.com Autoscout24 www.autoscout24.de Beamgate GmbH www.beamgate.de BOL www.bol.de Bonus.net www.bonus.net Books on Demand www.bod.com Candystand www.candystand.com Channelseven www.channelseven.com Charles Schwab www.schwab.com Comdirect Bank www.comdirect.de ConSors www.consors.de Cor@ www.deutsche-bank.de/ui Coupon.net www.coupon.net CRM-Forum www.crm-forum.com David Bowie www.davidbowie.com Dell www.dell.com Der Spiegel www.spiegel.de/dertag Deutsche Bank AG www.deutsche-bank.de ebay www.ebay.com Euro-Handelsinstitut www.ehi.org 318 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Excite www.excite.com Financial AG www.financial.de Fleurop www.fleurop.de GardenWeb www.gardenweb.com Insurance City AG www.insurancecity.de L’Tur www.ltur.de Marketing-Informationliste Imafdi www.imafdi.de Meinungsplattform Ciao www.ciao.com Meinungsplattform Vocatus www.vocatus.de Milka www.milka.de MLP www.mlp.de Napster www.napster.com NetAcademy on Business Media www.businessmedia.org New York Times www.nyt.com Payback www.payback.de Peppers and Rogers Group www.1to1.com Rabattclub www.rabattclub.de Smart www.smart.com Stadt St. Gallen www.stgallen.ch Stiftung Warentest www.warentest.de SWR3 www.swr3.de The Bargain Finder www.cdrom-guide.com/bargainfinder The Motley Fool.com www.fool.com 319 Webmiles AG www.webmiles.de Wirtschaftswoche www.wiwo.de Yahoo! www.yahoo.com Zweites Deutsches Fernsehen www.zdf.msnbc.de Anhang B: Fragebogen der quantitativen Studie Fragebogen zur Studie: e-Business und CRM in der Finanzdienstleistungsbranche in der Schweiz Sehr geehrter Teilnehmer der Studie, zunächst möchten wir uns sehr herzlich dafür bedanken, dass Sie sich die Zeit nehmen diesen Fragebogen auszufüllen. Die Fragen können in ca. 30 Minuten beantwortet werden. e-Business — eine kompetitive Herausforderung Umschreibung des Begriffs e-Business In unserer Ansicht beschreibt der Begriff “e-Business” jede geschäftliche Tätigkeit, die via elektronischer Medien insbesondere dem Internet durchgeführt wird. 1. Welche primären Ziele verfolgen Sie mit den e-Business-Initiativen Ihrer Firma? (Bitte kreuzen Sie max. 5 Kästchen an). Gewinnung neuer Kunden in bestehenden Märkten Öffnung neuer Märkte Aufbau eines neuen Vertriebskanals Reaktion auf den steigenden Marktdruck Verringerung der operationellen Kosten Erhöhung der Kundenbindung Intensivierung der Kommunikation mit Ihren Kunden Verbesserung des Images Verbesserung des Services Nutzung von cross- und up-Selling-Potentialen Umsetzung neuer Geschäftsmodelle Sonstige: ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? 2. Woher kam die Initiative ein e-Business-Projekt zu durchzuführen? Top-Management Mittleres Management Unteres Management Sonstige: ? ? ? 322 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 3. Für welche Produkte und Dienstleistungen sehen Sie im e-Business eine bedeutende Chance? Versicherungen: Lebensversicherung Kranken- und Unfallversicherung Haftpflichtversicherung Schadensversicherung Beratung Weitere Produkte und Dienstleistungen: ? ? ? ? ? Banken: Zahlungsverkehr Kreditvergabe Vermögensverwaltung (z.B. externe Vermögenswaltung) Anlageberatung Börsenaufträge Informationsdienstleistungen (z. B. real- time Börsedaten) Beratung Weitere Produkte und Dienstleistungen: 4. Bieten Sie zur Zeit nur eigene Produkte an? ? Ja ? Nein 5. Wenn ja, planen Sie in Zukunft auch fremde Produkte anzubieten? ? Ja ? Nein ? ? ? ? ? ? ? 323 6. Sind diese fremden Produkte komplementär zu den eigenen Produkten und Dienstleistungen ? Ja ? Nein oder konkurrenzierend zu den eigenen Produkte und Dienstleistungen ? Ja ? Nein 7. Wie gross ist bzw. war der Anteil des e-Business-Budgets am IT-Budget bzw. an anderen Budegts. Bitte benennen Sie diese Budegts. 1998: 1999: 2000: 2001: 2002: % des gesamten IT-Budgets % des gesamten IT-Budgets % des gesamten IT-Budgets % des gesamten IT-Budgets % des gesamten IT-Budgets % anderer Budgets (......................) % anderer Budgets (......................) % anderer Budgets (......................) % anderer Budgets (......................)(geplant) %anderer Budgets (......................)(geplant) Customer Relationship Management (CRM) Umschreibung des Begriffs CRM CRM umfasst nach unserer Auffassung alle Aktivitäten einer Unternehmung, um die Beziehung zu den Kunden zu optimieren. 8. Was sind die primären Ziele Ihrer Firma bei der Implementation von CRM Initiativen? Binden bestehender Kunden Erfassen der Kundenprofitabilität Erhöhen der Kundenprofitabilität ? ? ? Gewinnen neuer Kunden Erfassen jetzigen Kundenverhaltens Erfassen zukünftigen Kundenverhaltens Unsere Firma hat noch keine CRM-Initiative geplant/implementiert Weitere Ziele: ? ? ? ? 324 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 6. Wie gross ist bzw. war der Anteil des CRM-Budgets am gesamten IT-Budget bzw. an anderen Budgets (z. B. Marketing) 1998: 1999: 2000: 2001: 2002: % des gesamten IT-Budgets % des gesamten IT-Budgets % des gesamten IT-Budgets % des gesamten IT-Budgets % des gesamten IT-Budgets % anderer Budgets (......................) % anderer Budgets (......................) % anderer Budgets (......................) % anderer Budgets (......................)(geplant) %anderer Budgets (......................)(geplant) 7. Hat seit der Implementation von CRM-Projekten sich die Profitabilität der Kunden erhöht? Ja ? Nein ? Weiss nicht ? keine Angaben ? 8. Bitte machen Sie – wenn möglich – Aussagen zur Anzahl und Profitabilität der Kunden in Ihrem Bereich sowie zu der durchschnittlichen Dauer der Kundenbeziehung? (Falls unbekannt oder keine Angabe bitte entsprechend vermerken) Segment Anzahl Kunden Durchschnittliche Nettorendite** pro Kunde Private Banking (PB) Retail Banking (RB) Firmenkunden (FK) KMU Grosskunden (GK) Lebensversicherung (LV) EK * Schadensversicherung (SV) EK* SV Firmenkunden* *EK: Einzelkunden ** Nettorendite: Verhältnis von Nettogewinn zu Ertrag Durchschnittliche Dauer der Kundenbeziehung in Jahren 325 6. Können Sie Aussagen zu Ertrag und Investition bezüglich bestimmter Kundensegmente machen (Value bars)? ? (Falls unbekannt oder keine Angabe bitte entsprechend verme rken) Kosten Segment Market- MA* ing IT/Infr a- Ertrag Zins- und Komissionsaufwand Sonstiges IST struktur PB RP FK KMU GK LV EK SV EK SV CC * Mitarbeiter 6. In welche Segmente teilen Sie zur Zeit Ihre Kunden ein? Nach Assets bzw. Bilanzsumme Nach Einkommen bzw. Gewinn Nach Nettorendite Nach demographischen Grössen (Alter, Geschlecht, etc.) Nach genutzten Produkten und Dienstleistungen Sonstige: ? ? ? ? ? SOLL 326 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien 6. Schränken die Richtlinien des Datenschutzgesetzes Ihre CRM-Initiativen ein? Ja Nein Weiss nicht ? ? ? 6. War bei der Implementation von CRM-Initiativen Ihre Rechtsabteilung involviert? Ja, seit Beginn Ja, wurde nachträglich eingeschaltet Nein Weiss nicht ? ? ? ? 327 Customer Interaction 6. Welche Vertriebskanäle bieten Sie Ihren Kunden an? Call Center Filialen Bancomat Briefverkehr Kunden e-Mail Internet-Banking Hausbesuche (PB, Versicherungen) Sonstige ? ? ? ? ? ? ? ? 6. Können Sie beziffern wieviel Prozent der Transaktionen in Ihrem Kundensegement durch welche Vertriebskanäle gehen? Call Center Filialen Bancomat Briefverkehr Kunden e-Mail Internet-Banking Hausbesuche (PB, Versicherungen) Sonstige % % % % % % % % 6. Bedienen Sie sich externer Unterstützung bei der Umsetzung der Projekte? ? Ja ? Nein 7. Wenn ja, welche externen Leistungen nehmen Sie in Anspruch? 328 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien Technologie 8. Was vom technischem Standpunkt her, sind Ihre grössten Bedenken CRM-Initiativen in Ihrer Firma zu realisieren? Inkonsistente oder fehlende Daten Legacy Systeme Kompatibilität mit anderen IT-Systemen Schwer zu kalkulierende Kosten Fehlendes Know-How Fehlende Ressourcen Sicherheitsaspekte Fehlende Strategie Fehlende Konzepte Sonstige ? ? ? ? ? ? ? ? ? 6. Welche CRM-Tools (Z.B. Broadvision, Siebel, etc.) setzten Sie zur Zeit für welchen Bereich ein? 7. Wie gross ist der Anteil der selbstentwickelten Software im Verhältnis zur eingekauften Software? Anhang C: Interviewleitfaden für die Expertenbefragung Die kompetitive Herausforderung durch das e-Business ?? Welche e-Business-Projekte hat Ihre Firma bereits durchgeführt und woher kam die Initiative? ?? Wie umfangreich war die Unterstützung durch das Top-Management? ?? Können Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis pro Projekt beschreiben? ?? Wie können Sie sich bzgl. ihrer e-Business-Strategie positionieren? ?? Bitte positionieren Sie 5 weitere Finanzdienstleistungsinstute in der Matrix Wichtigkeit e-Business wichtig eher wichtig eher unwichtig unwichtig Reifegrad der Strategie * 0 1 2 3 4 330 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien * Der Reifegrad der Strategie unterteilt sich in fünf Ausprägungen. 0: Erarbeitung einer e-Business-Strategie nicht geplant 1: e-Business-Strategie soll erarbeitet werden, existiert bisher noch nicht 2: Erste Ansätze zu einer e-Business-Strategie existieren 3: e-Business-Strategie existiert, muss allerdings noch weiter konkretisiert werden 4: Umfangreichen e-Business-Strategie mit detaillierten Aktionsplänen existiert ?? Wie können Sie sich bzgl. ihres Umsetzungsgrades der e-Business-Strategie positi- onieren? Umsetzungsgrad* 100% 75% 50% 25% Reifegrad der Strategie 0 1 2 3 4 * Der Umsetzungsgrad beschreibt, zu wieviel Prozent die aus der Strategie abgeleiteten Projekte umgesetzt worden sind. ?? Wer (bestehende und neue Anbieter von Finanzdienstleistungen) könnten Ihrer Meinung nach eine ernstzunehmende Konkurrenz darstellen (aktuell und in Zukunft, ca. 3-5 Jahre)? 331 ?? Wo sehen Sie Ihre Firma im Bezug auf eBusiness in Zukunft? Wo wollen Sie hin? ?? Wie denken Sie sieht in Zukunft die Finanzdienstleistungsindustrie aus? Welche Geschäftsmodelle könnten Sie sich vorstellen? Customer Relationship Management ?? Welches Verständnis haben Sie von dem Begriff CRM? ?? Welche CRM-Projekte hat Ihre Firma bereits durchgeführt? ?? Wo sind die CRM-Aktivitäten organisatorisch angesiedelt? ?? Welche CRM-Aktivitäten planen Sie für die Zukunft? ?? Was sind in Ihren Augen in Zukunft die wichtigsten Bedürfnisse Ih- rer Kunden? ?? Wie wird sich das Kundenverhalten ändern? ?? Welche grundsätzlichen Möglichkeiten das Kundenverhalten zu be- einflussen, wird es in Zukunft geben? ?? Welche Rolle spielt die Segmentierung in der Zukunft? Designing Customer Interaction 332 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ?? Wie wird sich das Transaktionsvolumen der elektronischen Vertriebskanäle (online-Banking, etc.) im Vergleich mit den traditionellen Ve rtriebskanälen (Filialen, Telefon, etc.) verändern? ?? Welche Vertriebskanäle wird es in Zukunft geben? ?? Wie wollen Sie in Zukunft die Kommunikation mit den Kunden gestalten? Creating AddedValue for the Customer ??Welchen Mehrwert im Verhältnis zu Ihren Wettbewerbern bieten Sie zur Zeit Ihren Kunden? ?? Welchen Mehrwert planen Sie in Zukunft Ihren Kunden anzubieten? ?? Wie sieht in Zukunft die Preisgestaltung aus? Glauben Sie, dass Real Time Pricing (Preisgestaltung basierend auf Zeit, Geschäftsgang und/oder Konsumsituation) sich in der Finanzdienstleistungsbranche durchsetzen wird? Virtuelle Gemeinschaften ?? Bieten Sie Ihren Kunden eine Austauschplattform im Sinne einer vi rtuellen Gemeinschaft (z.B. Diskussionsforen, etc.)? ?? Wenn ja, wird die Diskussion moderiert (z.B. Einschreiten bei sehr negativen Äusserungen)? 333 ?? Wenn nein, planen Sie in Zukunft die Einrichtung einer solchen virtuellen Gemeinschaft? Customer Profiling ?? Wie erfassen Sie die Daten Ihrer Kunden (Aktiv z.B. Registrierungs- bogen oder elektronisch bzw. automatisiert z.B. Website Tracking)? ?? Wie werten Sie die Daten Ihrer Kunden aus (z. B. Erstellung von Kundenprofilen)? ?? Wie leiten Sie Massnahmen aus den ausgewerteten Daten ab? Managing Change, People & Culture ?? Wo sehen Sie die grössten internen Hemmschwellen bei der Umsetzung der Projekte und wie reagieren Sie darauf? ?? Welche Voraussetzungen müssen die Mitarbeiter erfüllen, um ein eBusiness / CRM-Projekt erfolgreich durchzuführen? ?? Wie können diese Voraussetzungen erfüllt werden? Technologie 334 Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien ?? Welche Rolle spielt die Technologie bei Ihren derzeitigen CRMInitiativen? ?? Welche Rolle spielt die Technologie in der Zukunft für den CRMBereich? ?? Wie sehen Sie die technischen Entwicklungen im CRM-Bereich? Anhang D: Liste der Interviewpartner Bär, Michael P. Julius Bär: Geschäftsleitung. Zürich: 20.07.2000 durchgeführt von Daniela Zimmermann Deplazes, Claudio Zuger Kantonal Bank: Assistent der Geschäftsleitung. Zug: 19.07.2000 durchgeführt von Veith Körner Edelmann, Hansueli Swisslifedirect: Geschäftsleiter. Zürich: 26.07.2000 durchgeführt von Veith Körner Giffhorn, Daniel ConSors Schweiz: Managing Director. Glattbrugg: 09.08.2000 durchgeführt von Daniela Zimmermann Hangartner, Robert UBS: Leiter Group Internet Coordination. Zürich: 20.07.2000. durchgeführt von Daniela Zimmermann Kurzmeyer, Hanspeter Credit Suisse: Geschäftsleitung. Horgen: 09.08.2000. durchgeführt von Daniela Zimmermann Malacarne, Rolf St. Galler Kantonal Bank: Leiter Unternehmensentwicklung. St. Gallen: 24.07.2000 durchgeführt von Veith Körner Stauber, Patrick C. Morgan Stanley: Assistent der Geschäftsleitung. Zürich: 12.07.2000 durchgeführt von Veith Körner Suter, Roman ABN Amro Bank: Mitarbeiter Private Banking. Zürich: 18.07.2000 durchgeführt von Veith Körner Literaturverzeichnis Aaker, D.A. (1996) Building strong brands, New York: Free Press. Abseits (1999) Virtual Communities, http://www.abseits.de [Zugriff am 26.7.1999] Actores Project (1999) Virtuelle Gemeinschaften und Gemeinschaftsnetzwerke, http://www.municipia.at/actores/um5/bum5 [Zugriff am 3.5.1999] Albers, S., Michel, M. and Peters, S. (1999) Marketing mit interaktiven Medien, Frankfurt a.M.: FAZ-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen. Alderson, W. (1957) Marketing Behavior and Executive Action, Homewood: Irwin. Alexander, R.S., Cross, J.S. & Hill, R.M. 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