Das Journal der Staatsoper Hannover seitenbühne 03.04 01 oper Proszenium Ob man anders kann, als man denkt? Über 100 Dramaturgen, Regisseure, Komponisten, Musiktheaterpädagogen und Künstler aus ganz Deutschland diskutierten im November 2009 in Mannheim bei einer Tagung mit dem Titel »Erstes Symposium zum zeitgenössischen Musiktheater für Kinder« zwei Tage lang die Frage: »Welches Musiktheater brauchen Kinder?« Aufbruchstimmung auch bei der Gründung des Ausschusses »Musiktheaterpädagogik« unter der Schirmherrschaft des »Bundes­verbandes Theaterpädagogik« oder bei der Initiative »Musikland Niedersachsen«, angestoßen vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen, die sich vor allem auch die Musikvermittlung auf ihre Fahnen geschrieben hat. Zudem »sprießen« bundesweit neue Angebote und eigenständige Sparten unter der Rubrik »Junge Oper« aus dem Boden, wobei auch die etablierten Einrichtungen beständig wachsen. Die Floskel, dass Musikvermittlung eigentlich jeder nötig hat oder keiner, ist allgemein bekannt. Optimistischer ausgedrückt: Musikvermittlung schärft die Sinne. Wenn es um Musikvermittlung geht, denkt man gerne in erster Linie an Kinder und Jugendliche. Doch gerade die besonders jungen Kinder bedürfen mitunter viel weniger einer speziellen Vermittlung, da sie ungewohnten Klängen oft viel unbefangener gegenüber treten. Brauchen und wünschen sich nicht auch viele Erwachsene musikvermittelnde Projekte? Die große Nachfrage an unserem Hause nach einem generationsübergreifenden Projekt in der Jugendclubszene in der vergangenen Spielzeit, das stets ausgebuchte tanzpädagogische Projekt »Die Spätbewegten« und auch der überbelegte VHS-Kurs zu Wagners Das Rheingold bezeugen diesen Wunsch. Musikvermittlung kann Ohren öffnen für moderne und klassische Werke. Aber vor allen Dingen kann Musikvermittlung das nicht analytisch rational erklärbare Element der Musik – die Emotion – erfahrbar machen. Musik lässt einen intuitiven Zugang zu, sie ist eine Sprache jenseits der Sprache. Musik kann direkt in den Körper eindringen. Musik ist ein Gestaltungsmittel, das Szene und Text vorausgreift, unterwandert, niemals nur illustriert, sondern vielmehr erweitert. Es wird immer wieder behauptet, dass Oper durch ihre Art, Geschichten zu erzählen – Menschen singen in den unmöglichsten Situationen eine höchst komplizierte Musik – artifiziell ist, nicht jugendtauglich und fremd. Doch liegt in dieser Fremdheit nicht eine Chance für junge Menschen, und eigentlich auch für uns alle? Michel Foucault schreibt in der Einleitung zu Der Gebrauch der Lüste, Motiv seiner Arbeit sei die Neugierde, »nicht diejenige, die sich anzueignen versucht, was zu erkennen ist, sondern die, die es gestattet, sich von sich selbst zu lösen. Es gibt im Leben Augenblicke, da die Frage, ob man anders kann, als man denkt, und anders wahrnehmen kann, als man sieht, zum Weiterschauen und Weiterdenken unentbehrlich ist.« Als Musiktheaterpädagogin möchte ich Sie alle immer wieder dazu anregen, sich neugierig auf das Abenteuer Musiktheater mit all seinen spannenden und fremden Seiten einzulassen. Um gemeinsam herauszufinden, »ob man anders kann, als man denkt«! Ihre Gundel Gebauer Musiktheaterpädagogin o 02.03 oper 0 1 0 2 l l a b n pe r s t h g i n Blue szewski Fotografen Marek Kru Impressionen unseres oper Wir danken unseren Hauptsponsoren 04.05 Ballett »Die alten Frauen darf man nicht reizen: den Ruf der jungen machen ja sie.« Madame de Merteuil Brigitte Knöss DIE FRAUEN UND DIE TUGEND Zur Uraufführung des Balletts Gefährliche Liebschaften von Jörg Mannes Der Briefroman war die populäre literarische Form im 18. Jahrhundert. Wenn – wie in Les Liaisons dangereuses von Choderlos de Laclos – eine sozusagen mehrstimmige Variante gewählt wird, können die geschilderten Ereignisse von diversen, sogar gegensätzlichen Standpunkten aus betrachtet werden. Unvermittelt nebeneinander gestellt ergeben sich daraus überraschende Veränderungen der Perspektive und der individuellen Wertung. Der Leser wird mit der Subjektivität der Wahrnehmung und Deutung diverser Briefschreiber konfrontiert und muss sich daraus selbst sein Bild der Gesellschaft und der Vorkommnisse zusammensetzen. Der Autor bietet ihm keine Identi­fikationsfigur an, nicht einmal eine eindeutige Perspektive der handelnden Personen. Die Absender wechseln – je nach Adressat – ihre Haltung und schildern dieselben Ereignisse mit völlig unterschiedlichen Intentionen. Mit diesem erzählerischen Kunstgriff spiegelt Laclos einen grundsätzlichen Zug der Gesellschaft seiner Zeit: Hinter der Fassade zur Schau gestellter Moral verbirgt sich ein Geflecht aus Falschheit und Verderbtheit. Tugend ist ein zentrales Thema dieser Epoche, im Roman dargestellt an den beiden kontrastie- renden weiblichen Hauptfiguren der Marquise de Merteuil und der Präsidentin de Tourvel. Drahtzieherin und Zentrum des Geschehens ist die Marquise de Merteuil. Nach außen eine schöne und moralische, von der Gesellschaft geachtete Frau, ist sie in Wirklichkeit äußerst frivol. Gleich zu Beginn will sie ihren ehemaligen Liebhaber, den Comte de Gercourt, zum Gespött von Paris machen und zwar mit Hilfe eines weiteren Ex-­Geliebten, dem Vicomte de Valmont. Er soll die Pläne Gercourts durchkreuzen, eine jungfräuliche Klosterschülerin zu heiraten, indem er der Braut vor der Hochzeit die Unschuld raubt. Der Vicomte hat allerdings andere Prioritäten, denn sein derzeitiges Interesse gilt der Präsidentin de Tourvel, deren legendärer Ruf der Tugendhaftigkeit seine Verführungskünste reizt. Trotzdem gibt er aber zu erkennen, dass ihn eine Wiederaufnahme der intimen Beziehungen zu Merteuil durchaus interessiert. Dies macht sich die Marquise zunutze, indem sie Valmont eine Liebesnacht in Aussicht stellt, wenn er die spröde Tourvel zum Ehebruch bewegen kann. Indem sie einen schriftlichen Vollzugsbeweis von ihm fordert, gelingt es ihr, in das folgende Geschehen einbezogen zu werden. Valmont berichtet ihr laufend über seine Fortschritte – und Rückschläge, und so wird die Marquise zur Zeugin dieser Eroberung. Merteuil versteht es, die Spielregeln ihrer Gesellschaft zu akzeptieren und sie gleichzeitig zu unterlaufen. Dabei ist sie sich immer bewusst, dass sie als Frau nie offen gegen das Gebot der Tugend verstoßen darf. Sie ist einerseits so emanzipiert, gleiches Recht wie die Männer zu beanspruchen, und andererseits so raffiniert, dass es ihr gelingt, insgeheim ihre Leidenschaften auszuleben. Gleichzeitig reicht ihr Kalkül auch noch dafür, sich der nötigen Druckmittel gegen ihre Liebhaber zu versichern, um einer öffentlichen Bloßstellung zu entgehen. Ganz anders ist die empfindsame Präsidentin de Tourvel, die ihre Seelenruhe in einem Leben ohne Höhen und Tiefen gefunden hat. Ehrlich und aufrichtig ist sie ihrem – geschäftlich abwesenden – Mann treu verbunden und sucht die Zurückgezogenheit auf dem Land bei ihrer mütterlichen Freundin Madame de Rosemonde. Diese alte, immer noch bezaubernde Dame »hat noch ihr volles Gedächtnis und ihre Munterkeit. Nur ihr Körper ist vierundachtzig Jahre alt; ihr Geist nur zwanzig«. Als Tante Valmonts fällt es Rosemonde zu, Tourvel mit ihrem Neffen Ballett zusammenzuführen. Der Vicomte, von der Idee besessen, die tugendhafte Schöne zu gewinnen, quartiert sich ebenfalls auf dem Landgut ein. Als Spieler und Meister der Verstellung gelingt es ihm, sich – konträr zu seinem Ruf der Verderbtheit und Skrupellosigkeit – als mildtätig und reuevoll zu präsentieren. Trotz eindringlicher Warnungen ihrer Freundin Madame de Volanges erliegt Tourvel schließlich seinen Verführungskünsten. Sie entdeckt die Leidenschaft und erfährt so eine bisher nicht gekannte Form der Liebe. Hin und her geworfen zwischen der Unbeherrschbarkeit ihrer Gefühle und der Reue sucht sie den Beistand Rosemondes, die sich nicht nur als verständnisvoll, sondern auch als abgeklärt erweist. Vermutlich hat die alte Dame selbst einmal Leidenschaft erfahren, aber sie ist überzeugt, dass die Liebe statt des erhofften Glücks letztlich immer Unglück bringt und deshalb nie den Ausschlag im Leben einer Frau geben dürfe. Auch wenn sie glaubt, dass wahre Gefühle nur vor Gott verantwortet werden müssen, weiß Rosemonde, dass die Aufrechterhaltung der weiblichen Tugend oberstes gesellschaftliches Gebot bleibt. Am Ende des Romans, nachdem Merteuil verschwunden und Tourvel tot ist, gerät Rosemonde ins Zentrum des Briefromans. Alle Korrespondenz läuft bei ihr zusammen, doch ihre in einem langen Leben geschulte Diskretion gebietet ihr, gewisse Informationen für sich zu behalten, die zur endgültigen Klärung der Geschehnisse beitragen könnten. Gefährliche Liebschaften Ballett von Jörg Mannes (Uraufführung) nach dem gleichnamigen Briefroman von Pierre Ambroise François Choderlos de Laclos Musik von Mark Polscher (UA), Georg Friedrich Händel und Antonio Vivaldi Musik alische Leitung ographie Jörg Mannes Fischer-Dieskau maturgie Toshiaki Murakami Bühne und Video Chore- Mathias Alexandra Schiess Kostüme Dra- Brigitte Knöß Ballett der Staatsoper Hannover, Niedersächsisches Staatsorchester Hannover, Mezzosopran Julia Fay- lenbogen / Khatuna Mikaberidze / Monika Walerowicz Öffentliche Generalprobe Premiere 3. März 2010, 18.30 Uhr 4. März 2010, 19.30 Uhr 06.07 Ballett Jörg Mannes suchte für die Besetzung der Madame de Rosemonde eine reife Frau mit Ausstrahlung und Bühnenerfahrung – und fand Ingrid Laski-Witt. Mit neun Jahren begann Ingrid Laski-Witt zu tanzen, seit ihrem 14. Lebensjahr stand sie auf der Bühne, mit 18 bekam sie ihr erstes Solo, ihre letzte Rolle war Effie in La Sylphide. »Ab dreißig machte der Körper nicht mehr so mit, und ich wünschte mir ein Kind.« Zwei Gründe, sich ohne Reue von ihrer Tänzerinnenkarriere zu verabschieden. Ihr Sohn wurde geboren, sie machte eine Pädagogen-Ausbildung und gründete ein paar Jahre später – zusammen mit ihrem Mann – ihre Ballettschule in Laatzen, die sie bis heute mit Begeisterung leitet. Jetzt kehrt Ingrid Laski-Witt auf die Bühne zurück, »staunend«, wie sie sagt, »darüber, dass ich die alltäglichen Anstrengungen des Tänzerlebens vergessen hatte, und auch über die große Energie, über die ich wohl einmal verfügt haben muss, um all das zu meistern«. Sie liebt die schöne und harmonische Atmosphäre im Ballettsaal, die fließenden Bewegungen in Jörg Mannes’ Choreographie und die Herausforderung, die berühmte literarische Vorlage durch Bewegungssprache auszudrücken. Musikalisch wollte Jörg Mannes für Gefährliche Liebschaften die Synthese zwischen Alter und Neuer Musik. Zu Orchesterwerken und Arien von Georg Friedrich Händel und Antonio Vivaldi entstand eine Auftragskomposition von Mark Polscher, in der sich Konkrete und Elektronische Musik, Live-Aufführung und Einspielung zu einem komplexen musikalischen Ereignis verbinden. Mark Polscher studierte Fagott, er konzertierte als Saxophonist und Flötist mit internationalen Jazz- und Rockbands, leitete verschiedene Ensembles, unterrichtete an Musikschulen, gründete seine eigene Schallplattenfirma, realisierte Musik für 500 Folgen einer täglichen Fernsehshow, wirkte als Studiomusiker bei zahlreichen Schallplatten- und Rundfunkaufnahmen mit und veröffentlichte seine eigenen Werke auf Tonträger. Polscher studierte Komposition bei Karlheinz Stockhausen. Darüber hinaus hat er über 60 Theater- und Filmmusiken komponiert die sich in konzertanter Fassung im Repertoire verschiedener internationaler Ensembles finden. Ein großer Teil seiner Werke ist als Szenische Musik mit elektroakustischer Aufführungspraxis konzipiert. Im März 2010 erscheint seine CD Anakoluth. Weitere Informationen unter www.markpolscher.de. Oster-tanz-tage 2010 26. März. bis 5. April 2010 im Opernhaus Zum siebten Mal finden die Oster-Tanz-Tage an der Staatsoper Hannover statt und verwandeln Hannover für eine Woche in eine Tanzstadt. Am Anfang des Festivals steht eine Ausstellungseröffnung: Ab dem 26. März wird im Opernhaus die zweite Folge der Ausstellung »Tanzstadt Hannover« gezeigt, die die Tanzgeschichte Hannovers anhand von Plakaten dokumentiert. Am Karfreitag findet traditionell ein renommiertes internationales Gastspiel statt. Am 2. April 2010 tanzt eine der jüngsten und aufregendsten europäischen Compagnien in Hannover: die Dansgroep Amsterdam. Anfang 2009 wurde sie von den beiden renommierten Choreographen Krisztina de Châtel und Itzik Galili als Compagnie für zeitgenössischen Tanz gegründet. In Hannover zeigen sie ihre neueste Produktion Raak, mit drei Choreographien von Châtel, Galili und der Israelin Liat Waysbort. Karsamstag und Ostersonntag (3./4. April) veranstaltet die Ballett Gesellschaft Hannover e.V. den 24. Internationalen Wettbewerb für Choreographen und bringt den Choreographen-Nachwuchs aus der ganzen Welt in die niedersächsische Landeshauptstadt. Zwei Vorstellungen des Balletts der Staatsoper mit dem neuen Ballett Gefährliche Liebschaften von Jörg Mannes am 26. März und 3. April und der Ballett-Kindertag am Ostermontag, den 5. April mit einer Kindervorstellung von Jörg Mannes’ Nussknacker und Mausekönig runden das Programm ab. Freitag, 26.03.10, 18.00 Uhr Eröffnung der Ausstellung »Tanzstadt Hannover II: Pla- katieren verboten!« 19.30 Uhr Gefährliche Liebschaften Ballett von Jörg Mannes K arfreitag, 02.04.10, 19.30 Uhr Dansgroep Amsterdam (Gastspiel) Karsamstag, 03.04.10, 14.30 Uhr 24. Internationaler Wettbewerb für Choreographen: Vorrunde I 20.30 Uhr Gefährliche Liebschaften Ballett von Jörg Mannes Ostersonntag, 04.04.10, 24. 14.30 Uhr Vorrunde Ostermontag, 05.04.10 15 Uhr Internationaler Wettbewerb für Choreographen II 19 Uhr Finale Ballettkindertag: Präsentationen der Ballettworkshops Öffentliches Training 16 Uhr Nussknacker und Mausekönig für Kinder anschließend: Schneeflockentanz mit 200 Kindern auf der Bühne abend im Opermhaus: Singin’ in the Rain (USA 1952) 20 Uhr Film- oper Neue Presse, 01.02.10 »Packende Parabel auf den alles zerstören­ den, verbrecherischen Willen zur Macht.« Hannoversche Allgemeine Zeitung, 01.02.10 Brigitte Hahn »zeichnete mit großer Intensität in Klang und Darstellung die zunehmend in ihrem Wahn gefangene Lady Macbeth.« www.opernnetz.de, 01.02.10 »Brian Davis gibt den Macbeth mit überzeugenden Zwischentönen [...]. Shavleg Armasi nutzt die relativ kurze Partie des Banco, um seinen klangschönen, voluminösen Bass in absoluter Bestform zu präsentieren und sich einen verdienten persönlichen Triumph zu ersingen.« Macbeth Oper von Giuseppe Verdi in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln Musik alische Leitung Lutz de Veer Inszenierung Frank Hilbrich Volker Thiele Kostüme Bühne Olaf Habelmann Chor Dan Ratiu Dramaturgie Sylvia Roth Macbeth Stefan Adam/Brian Davis Brigitte Hahn Banco Lady Macbeth Shavleg Armasi/Young Myoung Kwon Macduff Young-Hoon Heo/Latchezar Pravtchev Malcolm Bogdan Secula/Ivan Turšić Anke Briegel /Vera Balzer Arzt Kammerfrau Young Myoung Kwon/Peter Michailov Chor und Extrachor der Staatsoper Hannover Niedersächsisches Staatsorchester Hannover Vorstellungen 5., 9., 25., 28. und 31. März, 11., 14. und 23. April, 8. Mai 2010 08.09 oper Ulrich Lenz Gefangen in der Warteschleife Eine absurde Oper über eine gescheiterte Reise Dorothea Hartmann Lost in travelling ... »Sehr geehrte Fahrgäste! Aufgrund unvorhergesehener Störungen im Betriebsablauf verschiebt sich die Weiterfahrt aller Züge auf unabsehbare Zeit. Wir bitten um Ihr Verständnis!« – Schon mal irgendwo gehört, oder? Und dann sitzt man da in der Kälte, der Heimat ebenso fern wie dem Zielort seiner Reise, und grübelt mangels anderer Beschäftigung über die Art jener mysteriöser Störungen, von denen da die Rede war und die so unvorhergesehen, einer unbekannten höheren Fügung Folge leistend, über uns hereingebrochen sind und die Zeit zu einem endlosen und gleichförmigen, weil unabsehbaren Kontinuum gemacht haben. Nicht nur die Züge, auch die Zeit scheint still zu stehen oder sich in einem endlosen Kreis zu drehen. »Und täglich grüßt das Murmeltier« – »Lost in travelling«! Ganz ähnlich ergeht es den Protagonisten in Gioacchino Rossinis Il viaggio a Reims: Nach Reims soll die Reise gehen – doch kommt keiner der Reisenden je dort an! Ein Stück surrealistisches Theater ist das, was Rossini da im Jahre 1825 im Théâtre-Italien in Paris zur Uraufführung brachte, des Komponisten letzte italienische Oper, geschrieben aus Anlass der Krönungsfeierlichkeiten für König Charles X. von Frankreich. Der besondere Anlass rechtfertigte auch einen besonderen Plot, und so stand weniger eine herkömmliche Handlung im Mittelpunkt des Interesses von Rossini und seinem Librettisten Giuseppe Ballochi als vielmehr die Absicht, den Gesangsstars des ThéâtreItalien ihre jeweiligen Rollen auf den Leib zu schreiben und aus der »Krönungsoper« nicht zuletzt ein Fest der Stimmen zu machen. Und da also auf einen Handlungsverlauf keine Rücksicht genommen werden musste, konzentrierten sich Rossini und sein Textdichter mit all ihrem Witz und ihrer Ironie auf die Charakterisierung der spleenigen Reisenden aus ganz Europa, die letztlich nur eines verbindet: dass sie alle nach Reims wollen, aber nicht dorthin kommen – »Lost in travelling«! Mit den breit angelegten, höchste stimmliche Anforderungen stellenden Arien, in denen die Protagonisten ihre (angesichts eigentlich unbedeutender Lappalien reichlich übertriebenen) Emotionen mit großem Pathos ausstellen, schrieb der für seinen Humor weithin bekannte Rossini eine BuffaOper, die sich auf den zweiten Blick auch als Parodie auf Starallüren und Diventum begreifen lässt. So stimmt die modebewusste französische Gräfin von Folleville gleich zu Beginn der Oper eine Klagearie an, die einer griechischen Tragödin würdig wäre – und das einzig und allein, weil ihr gesamtes Gepäck verloren ging und sie sich ihrer gesamten Garderobe beraubt sieht! »Reisen, o Himmel, will ich«, singt die verzweifelte Gräfin, »nun kann ich es nicht mehr. Das verbietet mir meine Ehre! Ihr Frauen, ihr allein könnt meinen Schmerz verstehen!« Welch Glück, dass der bemitleidenswerten oper Frau dann doch noch ein Hut, ein einziger Hut geblieben ist, den sie mit demselben Überschwang preist, mit dem sie zuvor ihr Leid beklagt hat. Lost in love! Wer viel mit Bahn oder Flugzeug unterwegs ist, der kennt nicht nur das Gefühl, ein Gefangener in der Warteschleife zu sein, sondern auch die seltsame zwischenmenschliche Dynamik, die eine Gruppe Wartender bei zunehmender Aussichtslosigkeit auf eine baldige Auflösung der Situation entwickelt: Auf einmal kommt man mit wildfremden Menschen ins Gespräch, fühlt sich angesichts der gemeinsam erduldeten Qualen zu einer Leidensgemeinschaft zusammengeschweißt, je nach Situation – gerne fällt bei derlei Gelegenheiten ja auch mal die Heizung aus! – kommt man sich vielleicht sogar körperlich näher ... Gleich zwei Mitwartende sind es, die in Rossinis Oper die polnische Marquise Melibea mit dem Feuer ihrer Herzen wärmen wollen: der russische Graf von Libenskof und der Spanier Don Alvaro. Genauso feurig wie ihre Herzen lodert allerdings auch ihre Eifersucht, und so kann eine Eskalation der Situation nur durch Opernstar Corinna verhindert werden, deren bloßes Erscheinen die Aufmerksamkeit aller auf sich zieht. Tja, auch Stars sind manchmal »lost in travelling«! Anders aber als Claudia Schiffer, die unlängst als eine der ersten aus dem Eurotunnel gerettet wurde, während die meisten anderen Passagiere bis zu 16 Stunden in Eises­kälte ausharren durften, ist die Corinna in Rossinis Il viaggio a Reims zum gleichen Schicksal wie alle anderen Reisenden verdammt. Und hat wie die Marquise Melibea ebenfalls alsbald zwei ganz besonders innige, wenn auch nicht ganz so ungestüme Verehrer: Während sich der französische Cavalier Belfiore der Angebeteten unter dem Motto »Wahre Liebe leidet lustvoll« zu nähern versucht, verhindert die mit der Muttermilch eingesogene »feine englische Art«, dass Lord Sidney anders als in entsagungs- voller Ferne um seine Corinna schmachtet. Bisweilen jedoch agiert ein solches Kollektiv von Wartenden in der allgemeinen Verzweiflung völlig überraschend und ohne vorherige Absprache auch als homogene Gruppe, formiert sich zum Kampf gegen das blinde, ungerechte Schicksal, will den »mysteriösen Störungen« auf den Grund gehen und stellt dazu Flugpersonal oder Bahnschaffner – bisweilen auch unsanft – zur Rede! Die Reisenden in Rossinis Il viaggio a Reims hingegen haben sich längst in ihr Schicksal ergeben und versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Wer weiß schon, wann man die Reise wird fortsetzen können! Besser, man macht es sich erst einmal gemütlich (So eine Nacht auf dem kalten Boden einer Abflughalle kann mörderisch sein!) und sucht nach einem unterhaltsamen Zeitvertreib (Hat jemand Spielkarten dabei? Oder kennen wir ein Lied, das wir gemeinsam singen können?). Die Reise nach Reims – die ist auf jeden Fall »auf unbestimmte Zeit verschoben«! 10.11 oper Lost in library? Auch Rossinis Partitur von Il viaggio a Reims hat eine abenteuerliche Reise hinter sich, in deren Verlauf sie für sehr lange Zeit in der Warteschleife hing: Da sich der Komponist bewusst war, dass dem Werk der besondere Anlass seiner Entstehung und Uraufführung – also die Krönung Charles‘ X. – in einer außergewöhnlichen Art und Weise eingeschrieben war, zog er die Oper nach nur vier Aufführungen zurück und übernahm etwa die Hälfte davon in die zwei Jahre später uraufgeführte Oper Le Comte Ory. Erst in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts fand man in Bibliotheken über ganz Europa verteilt die fehlenden Quellen, um Il viaggio a Reims wieder rekonstruieren zu können. Federführend bei dieser Rekonstruktions­ arbeit waren die amerikanischen RossiniSpezialisten Janet Johnson (Herausgeberin der Kritischen Ausgabe von Il viaggio a Reims) und Philip Gossett. Dank ihrer unermüdlichen Recherche-Arbeit konnte die verschollen geglaubte Oper 1984 beim Rossini-Festival in Pesaro unter der Leitung von Claudio Abbado in ihrer originalen Gestalt quasi ein zweites Mal uraufgeführt werden – und das mit einem Erfolg, der bis heute ungebrochen ist. Der besondere Anlass seiner Entstehung, der uns auch innerhalb des Werkes auf Schritt und Tritt begegnet, war schon zu Rossinis Lebzeiten historisch überholt. In seiner humorvollen Schilderung der Absurditäten des Lebens und des Reisens (als Abbild des Lebens) und der Verrücktheiten von willkürlich zusammengeworfenen Menschen aus ganz Europa, in einem surrealistisch anmutenden Tableau auf die Opern- bühne gestellt, war der Meister aus Pesaro jedoch seiner Zeit weit voraus – so dass er alle Anschlusszüge bis heute locker erreicht. »Bitte zurückbleiben! Türen schließen selbsttätig! Vorsicht bei der Abfahrt! Wir entschuldigen uns noch Mal für die Ihnen entstandenen Unannehmlichkeiten und wünschen Ihnen eine gute Reise!«Kaiser A Rossini-Spezialist zu Gast in Hannover! tlantis Il viaggio a Reims (Die Reise nach Reims) von Gioachino Rossini Dramma giocoso in un atto (1825) in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln Gregor Bühl Musik alische Leitung Matthias Davids Leo Kulaš Bühne Dramaturgie Inszenierung Marina Hellmann Kostüme Ulrich Lenz Corinna Karen Frankenstein/Dorothea Maria Marx La Marchesa Melibea Wale­rowicz Julia Faylenbogen/Monika La Contessa di Folleville valier/Hinako Yoshikawa Fuggiss/Ania Vegry Il Cavaliere Belfiore Il Conte di Libenskof Tobias Schabel Modestina Carmen Ivan Turšić Lord Sidney Frank Schneiders Il Shavleg Armasi Don Alvaro Jin- Ho Yoo/Stefan Zenkl Delia Sung-Keun Park Don Profondo Barone di Trombonok Kwon Nicole Che- Madama Cortese Don Prudenzio Anke Briegel Young Myoung Maddalena Mareike Morr Sandra Fechner Antonio Marek Durka/Pe- ter Michailov Chor der Staatsoper Hannover Niedersächsisches Staatsorchester Hannover Einführungsmatinee 28. März 2010, 11 Uhr Öffentliche Generalprobe Premiere 8. April 2010, 18.30 Uhr 10. April 2010, 19.30 Uhr Der amerikanische Musikwissenschaftler Philip Gossett ist einer der weltweit führenden Forscher auf dem Gebiet der italienischen Oper. Er war maßgeblich an der Wiederentdeckung von Gioacchino Rossinis Il viaggio a Reims beteiligt. Am Sonntag, den 28. März, nimmt er an der Einführungsmatinee zur Neuproduktion teil. Einen Tag zuvor (27. März, 17 Uhr) hält er in der Hochschule für Musik (Raum 202) einen Vortrag (in englischer Sprache) über neu aufgefundene authentische Musik für ein scheinbar bekanntes Werk: Giuseppe Verdis La forza del destino (Die Macht des Schicksals). Der Eintritt ist frei! Kantinenplausch Sylvia Roth Der schönste Beruf der Welt Kantinenplausch mit Carola Rentz Sie ist die Seele des Ensembles. Nicht nur, weil Carola Rentz seit über 30 Jahren an der Staatsoper Hannover engagiert ist, sondern auch, weil die sympathische Wolfsburgerin vielen Kollegen eine wichtige Vertrauensperson in Fragen und Nöten aller Art ist. Dabei träumte Carola Rentz eigentlich davon, Archäologin zu werden, denn nichts faszinierte sie als Jugendliche so sehr wie Völkerwanderungen und prähistorische Funde. Doch da in ihrer Familie viel musiziert und gesungen wurde, kam alles anders. Ein Lehrer wurde beim Theaterspiel in der Schule auf ihre Stimme aufmerksam und fortan lief’s wie am Schnürchen: Ersten sporadischen Gesangsstunden folgte das Studium an der Musikhochschule in Hannover, von wo aus sie noch als Studentin an die Staatsoper engagiert wurde. Seit 1977 gehört sie zum hiesigen Ensemble und hat in dieser Zeit nicht nur vier Intendanzen erlebt, sondern weit über 100 Partien gesungen. »Ich hatte immer das Glück, dass ich sehr gefördert wurde und mich mit jeder Partie weiterentwickeln konnte«, resümiert Carola Rentz rückblickend ihre Laufbahn. Es ist beeindruckend, welch immenser Erfahrungsschatz aus ihr spricht, denn viele Opern kennt sie aus verschiedenen Perspektiven: Im Rheingold etwa hat sie zwei Rheintöchter sowie Fricka und Erda gesungen, in Hänsel und Gretel sieben Jahre lang den Hänsel und weitere fünfzehn Jahre lang dessen Mutter. Bei alledem hat sie sich ihre große Begeisterung für die Oper bewahrt, und man glaubt es ihr sofort, wenn sie sagt: »Wir haben den schönsten Beruf der Welt!« Seit einigen Jahren gibt Carola Rentz ihr Wissen weiter, indem sie Sprachcoaching für die ausländischen Sänger des Ensembles macht. Unermüdlich paukt sie den Umgang mit Konsonanten, die unterschiedlichen Färbungen der Vokale oder die verschiedenen Nuancen eines »chs«. Dabei hat sich Carola Rentz die Disziplin und Gründlichkeit, die sie von ihren Schützlingen fordert, immer auch selbst abverlangt. Eine Partie erarbeitet sie sich, indem sie zunächst sehr genau den Text liest, ehe sie sich ans Klavier setzt. Nach und nach entsteht in ihrem Kopf ein Bild von der Rolle, das bei den Proben durch die szenischen Anregungen des Regisseurs bereichert wird. Wenn eine Interpretation ihren eigenen Vorstellungen zu sehr konträr läuft, scheut sie sich aber nicht, sich abzugrenzen, denn, so sagt sie dezidiert: »Ich bin keine Marionette.« Glücksfälle bei der Arbeit mit Regisseuren waren für sie in jüngerer Zeit Bernd Mottl, in dessen Inszenierung von My Fair Lady sie mit viel Humor das Fräulein Pearce spielt, und Matthias Davids, mit dem sie die Rolle der strengen Heilsarmee-Generalin Cart­ wright in Guys and Dolls entwickelte. Da sie eine Sängerin ist, die das Darstellen ver- schiedener Charaktere und das Sich-Verwandeln liebt, hat sie jede Figur gerne interpretiert. Besonders wichtig waren ihr aber die Mignon aus Ambroise Thomas’ gleichnamiger Oper, die sie 1981 als ihre erste große Partie sang, die Iokaste in Strawinskys Oedipus Rex und die Octavia in Monteverdis L’incoronazione di Poppea. So gewissenhaft sie ihren Beruf ausübt, so experimentierfreudig ist Carola Rentz beim Kochen. Am liebsten probiert sie verschiedene Gewürze aus, um ein- und demselben Gericht dadurch eine völlig andere Note zu geben. Für die orientalische Küche hat sie ein besonderes Faible, sie isst gerne indisch, chinesisch, neuerdings auch koreanisch. Und wenn sie auf Reisen ist, dann flaniert sie am liebsten durch Gewürz- oder Parfumstraßen, um die fremde Welt über den Geruchssinn zu erfahren. Beides, sowohl Singen als auch Kochen, hat für Carola Rentz eben viel mit Genuss zu tun. Spanische Hähnchenpfanne Zutaten (für 4 Personen): 2 Brathähnchen__Salz, Paprika, weißer Pfeffer, Oliven­öl (10 EL)__400 g kleine Schalotten__500 g kleine, festkochende Kartoffeln__500 g Zucchini__ 1 TL Thymian__1 Knoblauchzehe__1 Prise Zucker_ _½ EL trockener Weißwein__1 unbehandelte Zitrone__250 g Zuckermais Hähnchen vierteln, waschen, trocknen, mit den Gewürzen einreiben. In einer ofenfesten Pfanne mit der Hälfte des Öls braun anbraten, herausnehmen und die geschälten Schalotten bräunen. Kartoffeln schälen, halbieren, Zucchini in 2 cm dicke Scheiben schneiden und beides in die Pfanne geben. Mit Salz, Pfeffer, Thymian und zerdrücktem Knoblauch abschmecken. Wein und Hähnchenfleisch zufügen. Zitrone abwaschen, in Scheiben schneiden und auf die Fleischteile legen, mit restlichem Öl beträufeln. Die Pfanne mit Alufolie abdecken, im heißen Ofen (225 Grad) auf mittlerer Schiene 45 Minuten garen. Dann Folie und Zitronenscheiben entfernen, abgetropften Mais dazugeben und weitere 10-15 Minuten überdeckt garen. 12.13 konzert Hokusai: Die große Welle Debussy verwendete diesen Holzschnitt als Titelbild für eine Ausgabe von La Mer. Dorothea Hartmann Triumph der Farbe Zwei Komponisten als Farbkünstler: Claude Debussy und Arnold Schönberg Paris 1905 Im Rahmen der »Concerts Lamoureux« fand am 15. Oktober die Uraufführung eines neuen Orchesterwerks von Claude Debussy statt: La Mer. Das Publikum war größtenteils enttäuscht, mehr noch: verwirrt und verärgert. Man hatte sich auf in Töne gefasste Wellen gefreut, leicht kräuselnde oder vom Sturm gepeitschte. Doch: »Ich höre das Meer nicht, ich sehe und rieche es nicht.« Ähnlich wie dem Kritiker Pierre Lalo ging es vielen. Vergeblich suchte man in Debussys Meereskomposition eine naturalistische, programmmusikalische Wiedergabe des Wassers, ja man suchte gar vergeblich nach einer festen Gestalt, nach charakteristisch geformten Ideen oder Melodien, an denen das Ohr sich hätte orientieren können. Vielleicht lag es daran, dass der Verfasser bei der Komposition mitnichten Meersalz in den Haaren hatte, sondern ihn die Muse für sein Wasserstück Hunderte Kilometer entfernt vom Strand im Burgund küsste? Der Komponist war sich dessen bewusst: »Sie werden einwenden, dass der Ozean nicht gerade die burgundischen Hügel umspült …! Aber ich habe unzählige Erinnerungen; meiner Ansicht nach ist das mehr wert als eine Wirklichkeit, deren Zauber die Phantasie gewöhnlich zu stark belastet.« Debussy versuchte sich also erst gar nicht an einer Reproduktion der Wirklichkeit. Dennoch liegen die Naturkräfte des Meeres der Komposition strukturell zugrunde. Der erste Satz Von der Morgendämmerung bis zum Mittag auf dem Meer lebt von einer derartigen Verflüchtigung des Klangs, dass das musikalische Tempo kaum noch zu erfassen ist. Übergeordnete Formabschnitte scheinen nicht vorhanden zu sein, stattdessen entstehen mit virtuoser Leichtigkeit und unbekümmerter Spontaneität immer wieder aufs Neue Motivfetzen, Arabesken und glitzernde Girlanden, die sich überlagern und vermischen. In unaufhörlichem Wechsel werden musikalische Ideen geboren, hervorgehoben, zerstört und wieder aufgenommen – die Bewegungen des Meeres sind in klangliche Äquivalente umgesetzt. Mit den üblichen (analytischen) Begriffen lässt sich diese Musik nur schwer in Worte fassen, und bis heute tut sich die Wissenschaft schwer damit. »Sinfonische Skizzen« hat Debussy das Triptychon im Untertitel genannt und damit zugleich seine Abwendung von der traditionellen sinfonischen Form dokumentiert. »Ich möchte, dass man – dass ich – zu einer Musik komme, die wirklich frei von musikalischen Motiven ist oder aus einem einzigen kontinuierlichen Motiv gebildet ist, das durch nichts unterbrochen wird und niemals zu sich selbst zurückkehrt.« Im zweiten Satz Jeux des vagues – Spiel der Wellen ist Debussy dieser Vorstellung wohl am nächsten gekommen: Es sind keine festen Themen oder Tonalitäten mehr auszumachen, stattdessen treibt der Komponist sein Spiel mit dahinhuschenden Klängen. Selten scheint diese Musik fixierbar. Kaum aufgeblitzt, entgleiten die kurzen Motiv-Fetzen schon wieder. Schnelle Läufe, Harfen-Arpeggien, Triller, flirrendes Tremolo, Repetitionen, Wechselnoten – alles, was einen Klang uneindeutig und instabil machen kann, ist konstitutiv für dieses musikalische Wellenspiel. »Musik hat der Malerei voraus, dass sie alle Variationen von Farbe konzert und Licht auf einmal darstellen kann«, schrieb Debussy kurz nach der Komposition von La Mer. Man könnte also auf den Komponisten selbst zurückführen, dass die der Malerei entlehnten Kategorien von Farbe und Licht immer wieder zur Analyse von Debussys Werken herangezogen werden: Mit Begriffen wie Totalmischung, Setzungsfarbe, Offene Farbe oder Gegenfarbe versucht man, die Musik beschreibbar zu machen. Das gesamte Orchester als Farbkasten des Komponisten: Klangfarbe und Instrumentation sind nicht mehr akzessorische Mittel zur Verdeutlichung von Melodik oder Harmonik, sondern das Orchester selbst wird mit seinen unendlichen Mischungsmöglichkeiten von Farben und Klängen virtuos eingesetzt. Wie Lichtreflexe auf Monets Seerosen-Bildern oder die unterschiedlichen Stimmungen von dessen Zyklus der Kathedrale von Reims erscheinen die musikalischen Schattierungen. Diese Assoziationen mit den französischen Impressionisten liegen ebenso nahe, wie Debussy sich aufs Heftigste gegen die Katalogisierung wehrte: Er habe versucht – schrieb er 1908 – »etwas anderes zu machen, etwas, was die Dummköpfe ›Impressionismus‹ nennen.« Das griffige Etikett haftete dem französischen Komponisten dennoch schnell an; vielleicht auch ein Mittel der Zeit­ genossen, der neuartigen Klänge besser Herr werden zu können. Impressionismus Versteht man unter »Impressionismus« einen atmosphärischen, zerfließenden, malerischen Charakter, wäre der Begriff in Bezug auf Debussys Musik in der Tat zu kurz gegriffen und verfehlte ihren Kern, der mitnichten vage ist, sondern sich aus – wenn auch molekül­ ähnlich kleinen – konstruktiven Elementen und Debussys berühmter »clarté« speist. Dennoch sind La Mer und andere Kompositionen des Franzosen zutiefst impressionistische: im Sinne des veränderten Realitätsbegriffs jener Jahre. Seine deutlichste Formulierung erfuhr diese neue Form der Wirklichkeitsauffassung in den Schriften des Wiener Philosophen und Physikers Ernst Mach, dessen Hauptwerk Die Analyse der Empfindungen die »Philosophie des Impressionismus« genannt wurde – ein »Buch, das unser Gefühl der Welt, die Lebensstimmung der neuen Generation auf das Größte ausspricht« (Hermann Bahr). Nach Ernst Mach ist die »impressionistische« Welt eine, in der »das Ich sich auflöst. Alles ist nur eine ewige Flut, die hier zu stocken scheint, dort eiliger fließt, alles ist nur Bewegung von Farben, Tönen, Wärmen, Drücken, Räumen und Zeiten, die auf der anderen Seite, bei uns herüben, als Stimmungen, Gefühle und Willen erscheinen.« Diese Vorstellung von der Atomisierung des Menschen und der Welt in eine löchrige Kette subjektiver Wahrnehmungen von »Farben, Tönen und Zeiten« – also das Welt- und Menschenbild der beginnenden Moderne – findet seinen Ausdruck auch in den »impressionistischen« Kompositionen eines Claude Debussy, in denen Gestalten aufblitzen, ohne dass sie sich mit anderen Gestalten zu einem Kontinuum zusammenschließen würden. Übergeordnete Formen und Strukturen zerfallen, und Musik ist für Claude Debussy nichts anderes als »rhythmisierte Zeit und Farbe«. (»Elle est de couleurs et de temps rythmés.«) Wien 1909 Von einer völlig anderen Seite kommend wiederholte – nahezu wörtlich – ein Wiener diese Worte wenige Jahre später: »Ich verspreche mir kolossal viel davon, insbesondere Klang und Stimmung. Nur um das handelt es sich – absolut nicht symphonisch, direkt das Gegenteil davon, keine Architektur, kein Aufbau. Bloß ein bunter, ununterbrochener Wechsel von Farben, Rhythmen und Stimmungen.« Das enfant terrible des Wiener Musiklebens, Arnold Schönberg, berichtete hier von seiner jüngsten Komposition, den Fünf Orchesterstücken op. 16. Die fünf Miniaturen, allesamt zwischen zwei und fünf Minuten lang, bilden eine hochkomplexe Partitur, vor der sogar Richard Strauss zurückschreckte: Die Uraufführung könne 14.15 konzert er nicht dirigieren, weil diese »Stücke inhaltlich und klanglich so gewagte Experimente sind, daß ich vorläufig es nicht wagen kann, sie einem mehr als conservativen Berliner Publikum vorzuführen.« In der Tat sind die Orchesterstücke von radikaler Neuartigkeit: Schönberg eroberte mit diesem Werk klangliche Räume, die allen – vom Dirigenten über Instrumentalisten bis zum Hörer – ein unbekanntes Terrain boten: »Ich strebe an: Vollständige Befreiung von allen Formen. Von allen Symbolen des Zusammenhangs und der Logik. Also: weg von der ‚motivischen Arbeit’. Weg von der Harmonie, als Zement oder Baustein einer Architektur.« Ähnlich wie wenige Jahre zuvor in Paris, wirft nun auch in Wien ein Komponist alle traditionellen Bausteine über Bord, um eine einzige Kategorie zu emanzipieren und ins Zentrum zu rücken: die musikalische Farbe. Extreme und unerhörte Klänge schweben Schönberg vor. Er denkt etwa an ein Pizzicato in vierfachem pianissimo, das er zudem präzisiert durch die Angabe »so schwach wie möglich«, oder an Kontrabässe in hoher Violinlage im fortissimo, die diese grellen Töne zusätzlich »am Steg spielen« sollen. Mit Vortragsanweisungen ist diese Partitur geradezu übersät, der Komponist kümmert sich mit äußerster, ja penibelster Sorgfalt um die Farbschattierungen nahezu jeder einzelnen Note. Die eigentliche musikalische Revolution findet im 3. Satz statt, den der Komponist mit einem schlichten Farben übertitelte – und dieser Titel ist wahrlich Programm: Zu hören ist nichts als Farbe, ein permanenter Wechsel des Klangs. Ein fünftöniger Akkord ändert in immer neuen Beleuchtungen beständig die Schattierung. Schönberg sei zu diesem Werk angeregt worden durch das Flimmern des Lichts auf der Wasserfläche des Traunsees, berichtet der Schönberg-Schüler Egon Wellesz später. Schönberg widersprach nicht, im Gegenteil: In einer Ausgabe von 1950 betitelte er den Satz mit Sommermorgen am See. Diesen feinsten Farb-Klangabstufungen einer oszillierenden (Wasser-)Oberfläche sind Harmonik, Rhythmus und Motiv untergeordnet, mehr noch: Schönbergs Traum einer regelrechten »Klangfarbenmelodie«, einer Folge von Klangfarben, »deren Beziehung untereinander mit einer Art Logik wirkt, die uns bei der Melodie der Klanghöhen genügt«, scheint in dieser Komposition verwirklicht. In völlig neuartiger Weise fordert Schönberg – ebenso wie Claude Debussy – zu Beginn des 20. Jahrhunderts das musikalische Hören heraus: Die Reize für das Ohr werden feiner, sensibel will jeder einzelne Klang, der sich in raffinierter Abstufung vom vorherigen unterscheidet, wahrgenommen werden. Und, um mit Arnold Schönberg zu schließen: »Welcher hoch entwickelte Geist, der an so subtilen Dingen Vergnügen finden mag!« Farbkünstler im 6. und 7. Sinfoniekonzert Von Berlioz bis Ravel und von Strauss bis Korngold: Den französischen Farbkünstlern des 6. Sinfoniekonzerts folgen die Wiener Klangfetischisten im April-Konzert. In die Farbpalette des Niedersächsischen Staatsorchesters greifen zwei Dirigentinnen der jüngeren Generation: Anu Tali, die von ihrer Heimat Estland aus eine Aufsehen erregende Karriere startete, und die in Hannover bereits mehrfach gefeierte Amerikanerin Karen Kamensek, die nach Stationen in Wien, Freiburg (Generalmusikdirektorin) und Maribor zur Zeit Stellvertretende Generalmusikdirektorin der Staatsoper Hamburg ist. 6. Sinfoniekonzert Hector Berlioz Ouvertüre Maurice Ravel zu Benvenuto Cellini (1837) Klavierkonzert G-Dur (1931) Olivier Messiaen Le Claude Debussy Tombeau resplendissant (1931) La Mer (1905) Solistin Evgenia Rubinova (Klavier) Dirigentin Karen Kamensek Niedersächsisches Staatsorchester Hannover Sonntag, 14. März, 17.00 Uhr Montag, 15. März, 19.30 Uhr 7. Sinfoniekonzert Franz Schreker Vorspiel Arnold Schönberg Franz Lehár zu Die Gezeichneten (1915) Fünf Orchesterstücke op. 16 (1909) Fieber für Tenor und Orchester (1915) Erich Wolfgang Korngold Richard Strauss Violinkonzert D-Dur op. 35 (1945) Don Juan (1888) Solisten Herbert Lippert (Tenor), Sophia Jaffé (Violine) Dirigentin Anu Tali Niedersächsisches Staatsorchester Hannover Sonntag, 18. April, 17.00 Uhr Montag, 19. April, 19.30 Uhr Kurzeinführungen jeweils eine halbe Stunde vor Konzertbeginn Orchester Kerstin Dietl Reingehört! Die Streichinstrumente haben es ihm angetan. Schon im Kindesalter wurde diese Faszination durch seinen Vater geprägt. Peter Meier wuchs gemeinsam mit drei Brüdern auf. Alle Jungen spielten ein Streichinstrument - drei Geigen und ein Cello. Peter Meier gehörte zu den drei Geigen, merkte jedoch bald, dass diese nicht das Instrument seiner Wahl ist. Und so begann er mit ca. 12 Jahren, seine Geige mit Bratschensaiten zu bespannen, um mit seinen Brüdern Streichquartette spielen zu können. Auf die Frage, wann für ihn fest stand, dass er sein Hobby zum Beruf machen möchte, antwortete er: »Den ersten Flash hatte ich mit ungefähr 13 Jahren, als ich zum ersten Mal richtige Kammermusik spielte.« Etwa zwei Jahre später war dann endgültig klar, dass er Berufsmusiker werden würde. Es folgte ein Musikstudium in Hamburg und Prag. Musik spielt natürlich eine große Rolle im Leben eines Musikers, privat hört Peter Meier allerdings eher wenig Musik, da er unabhängig von dem Niedersächsischen Staatsorchester Hannover noch viele Kammerkonzerte gibt. Wenn er aber doch mal eine CD auflegt, dann am liebsten eine Aufnahme der späten Beethovenquartette, gespielt vom Smetana-Quartett. Er beschreibt diese Aufnahme als »sehr genau und herrlich ausgearbeitet. Man hört, dass sie viel Zeit investiert haben, als sie die Stücke gearbeitet haben.« Dieses führt zu einer, wie Peter Meier begeistert erzählt, perfekt aufeinander abgestimmten Interpretation mit blitzsauberer Intonation. »Es ist unglaublich edel und ehrlich musiziert. Es ist großartig, wie sie alle Charaktere der Musik treffen.« Probejahr bestanden bloggen über das Staatsorchester Lukas Klingler wurde 1986 geboren und studierte ab 2002 am Mozarteum Salzburg bei Daniel Bonvin. Klingler sammelte erste Orchestererfahrungen als Soloposaunist beim European Philharmonic Orchestra, bei der Internationalen Orchesterakademie Bayreuth, als Substitut im Mozarteum Orchester Salzburg sowie als Aushilfe beim Radio-Sinfonieorchester Wien und bei den Bamberger Symphonikern. Ab 2006 war er Stipendiat der Orchesterakademie Münchner Philharmoniker und der Herbert von Karajan-Akademie Berliner Philharmoniker. Seit 2008 ist Lukas Klingler im Niedersächsischen Staatsorchester Hannover engagiert – und er hat jetzt sein Probejahr bestanden. Wir gratulieren sehr herzlich. Zum dritten Mal begleiten Jugendliche aus Hannover und Umgebung das Niedersächsische Staatsorchester Hannover durch die Konzertsaison. audiamus – »Lasst uns hören!« – heißt das Stipendium, in dessen Rahmen 15 Jugendliche Konzertproben besuchen, über Stücke diskutieren, Dirigenten und Solisten kennen lernen und eine Opernvorstellung im Orchestergraben verfolgen können. Ihre Eindrücke schreiben sie auf und veröffentlichen sie im Blog des Staatsorchesters auf musiklandniedersachsen.de. Fünf Beiträge sind bisher zu lesen unter: www.musikland-niedersachsen.de/index.php?id=209 &uid=111&cHash=923fcd685d. Die Aufnahme Ludwig van Beethoven Streichquartette op. 95, 127, 130, 131, 132, 135; Smetana-Quartett (Supraphon, Reihe: Archiv) 16.17 Kinder Ein grosses Himmelsfest Die Besucher der Macbeth-Premiere am 30. Januar wunderten sich über die intergalaktische Ausstattung der Opernfoyers ... aber nicht für das schottische Königsdrama aus der Feder von Giuseppe Verdi, sondern für das Kinderfest »Planetenzauber« am darauffolgenden Tag hatte sich das Opernhaus in eine Welt aus Himmelskörpern und Raumfahrzeugen verwandelt. 2.400 große und kleine Gäste wurden in den zwei Vorstellungen des Kinderfests am 31. Januar in himmlische Weiten entführt: zunächst im Kinderkonzert des Niedersächsischen Staatsorchesters mit Heini, dem kleinen Vampir, dann beim großen Fest in allen Foyers. Da wurde gebastelt, gepuzzelt, getanzt und um die Wette gehüpft, wurden Raumschiffe gestartet und Himmelsklänge erzeugt, unter Sternbildern Instrumente ausprobiert, Frau Holle und der Schneekönigin ein Besuch abgestattet. Mit Hilfe aller Abteilungen des Hauses entstand so ein üppiges, unvergessliches Fest im Opernhaus, das mit der Ausstattung von Pablo Mendizábal und unter der Produktionsleitung von Cornelia Kesting-Then-Bergh alle Besucher begeistert hat. Eigentlich gab es nur ein einziges Problem: Das Kinderfest war schon im November ausverkauft. Alle Interessenten für das Kinderfest 2011 sollten sich schon im Herbst 2010 um Karten kümmern! Mit freundlicher Unterstützung Kinder Eva Bessert-Nettelbeck Hinako Yoshikawa als Bubikopf, ein Soldat Schüler entdecken Ullmann Fünfzig Jugendliche warten im Zuschauerraum ehrfürchtig auf den Beginn der Probe. Leise flüsternd machen sie sich gegenseitig auf Details des Bühnenbildes aufmerksam: All die Seile, die von der Decke baumeln, an deren Enden Sänger in Fluggeschirren, wie eben in der Vorbesprechung gesagt wurde, hängen, geben dem Ganzen etwas von einem Marionettentheater. Und was haben die vielen Kartoffeln zu bedeuten, die die Umrandung der Bühne säumen? Da erscheint der Regisseur der Kammeroper Der Kaiser von Atlantis Stefan Otteni am Bühnenrand, der zu Beginn der Probenzeit in Hannover den Wunsch äußerte, Jugendliche für dieses sehr sensible Stück zu begeistern. So entstand die Idee der heutigen, mit einem Probenbesuch gekoppelten Matinee exklusiv für Schüler. Bevor die Probe beginnt, richtet der Regisseur noch einführende Worte an die jungen Zuschauer: Geprobt wird in der heutigen Bühnenorchesterprobe in Probenkostümen und ohne Maske. Auch an den Lichtstimmungen kann sich bis zur Premiere in sechs Tagen noch einiges ändern. Dann wird es dunkel im Zuschauerraum und das vereinzelte Geflüster weicht der Aufmerksamkeit auf das Bühnengeschehen. Die Szene in der Mitte des Stücks ist einem Teil der Jugendlichen bereits bestens bekannt, denn Stefan Otteni besuchte kurz vor Weihnachten eine Probe des Jugendclubs der Staatsoper, um mit den Teilnehmern gemeinsam eine Szene zu erarbeiten. Zufällig steht genau jene Szene auch heute auf dem Probenplan, für welche die in kleine Gruppen aufgeteilten Teilnehmer des Club XM Wochen zuvor mittels szenischer Improvisation ganz individuelle Darstellungsformen erfunden haben. Aufmerksam verfolgen die jungen Zuschauer das Geschehen, die achtzehn Club-Mitglieder unter ihnen stellen sich insgeheim die Frage, ob ihre eigene Szene Stefan Otteni vielleicht inspiriert haben könnte, während Hinako Yoshikawa und Jörn Eichler sich den Kämpfenden am Boden entziehen und, ihr Liebesduett singend, Richtung (Bühnen-)Himmel entschweben. »Das muss so irre anstrengend für die Sänger sein«, entfährt es einer Zuschauerin anerkennend, »echt krass!« Als am Ende der Probe der Tod sein Versprechen einlöst, das Sterben wieder zuzulassen und sein erstes Opfer, der Kaiser von Atlantis, die Augen schließt, kann man im Zuschauerraum eine Stecknadel fallen hören. Nachdem das Ende der Probe verkündet wird, dauert es eine Weile, ehe die Zuschauer sich zögernd von ihren Plätzen erheben, um sich für das an die Probe anschließende Gespräch mit dem Regisseur hinter die Kulissen zu begeben. Während Regisseur Stefan Otteni noch mit seinem Team den Ablauf der nächsten Probe bespricht, weicht die feierliche Ergriffenheit der Zuschauer indes einem regen Gedankenaustausch zu dem eben Erlebten. Dann kommt endlich der Regisseur dazu. In der einstündigen Matinee werden nicht nur erste Eindrücke sondern auch sehr private Erfahrungen mit dem Tod ausgetauscht, die betroffen machen und zum Nachdenken anregen. Als dann gegen Ende des Gesprächs doch noch die Frage nach der Bedeutung der Kartoffeln gestellt wird, spielt Stefan Otteni den Ball zurück an die Jugendlichen: »Was meint Ihr denn, was die Kartoffeln bedeuten?« Die Antwort kommt prompt: »Naja, ich dachte, die Kartoffeln stehen für die Menschen, die – wie ein paar der Kartoffeln am Rand – versuchen, aus diesem System auszubrechen oder zu fliehen.« Diese Antwort gefällt dem Regisseur sichtlich, und er lässt sie gerne so stehen, denn letztlich »macht erst die eigene Interpretation es so besonders, ein Stück auf der Bühne zu erleben.« Der Kaiser von Atlantis Oder Die Tod-Verweigerung Spiel in einem Akt von Viktor Ullmann (1943) Musik alische Leitung rung Toshiaki Murakami Inszenie- Stefan Otteni Bühne und Kostüme Anne Neuser Choreographie Emma Jane Morton Dramaturgie Dorothea Hartmann K aiser Overall Jin-Ho Yoo Der Lautsprecher Bryan Boyce Frank Schneiders Der Tod Eichler Ania Harlekin Ivan Turšić Vegry / Hinako Ein Soldat Jörn Bubikopf, ein Soldat Yoshikawa Der Trommler Mareike Morr. Statisterie der Staatsoper Hannover Niedersächsisches Staatsorchester Hannover Vorstellungen am 17. 2010, Ballhof Eins und 28. März, sowie 11. April 18.19 Aus den Abteilungen Sylvia Roth Meister der vielen Knöpfe Der Beruf des Inspizienten Man kann sie als die heimlichen Chefs des Opernhauses bezeichnen. Denn ohne sie findet keine Aufführung statt. Solange Iris an Haack und Rudolf Jahn ihr O.K. vom Inspizientenpult aus nicht gegeben haben, darf keine Vorstellung beginnen. So, wie der Dirigent das Orchester leitet, koordinieren die Inspizienten die Geschehnisse auf der Bühne. Im Dunkel der Seitenbühne verborgen, hinter einem sperrigen, mit unzähligen Knöpfen bestückten Pult verschanzt, drücken sie leuchtende Schalter oder sprechen mit gedämpfter Stimme geheimnisvolle Anweisungen ins Mikrofon. Abend für Abend setzen Iris an Haack und Rudolf Jahn hochkonzentriert die künstlerischen Ideen des Regieteams um, indem sie dem Klavierauszug folgen, in den alle Verwandlungen, Versenkungs- und Podienfahrten auf die Achtelnote genau eingezeichnet sind. Dabei tragen sie eine große Verantwortung: Nicht nur, weil sie dafür da sind, die Sänger und Orchestermusiker rechtzeitig zu ihrem Auftritt einzurufen – weshalb Iris an Haack ihren Beruf gerne mit den Worten »Ich bin die Stimme aus dem Kasten an der Wand« beschreibt. Sondern vor allen Dingen auch, weil sie da- für sorgen müssen, dass alle Verwandlungen so reibungslos passieren, dass keine Person zu Schaden kommt. Und wenn es dennoch Pannen gibt, gilt es, sie gemeinsam mit dem Bühnenmeister und der Abendspielleitung so schnell zu lösen, dass kein Zuschauer es merkt. »Wir sind die Feuerwehr, wenn’s brennt«, bringt Rudolf Jahn es auf den Punkt. Manchmal aber sind die Katastrophen so groß, dass sie sich nicht unauffällig aus dem Weg räumen lassen. Auf die Frage nach den schweißtreibendsten Erlebnissen ihres Berufslebens erzählt Iris an Haack von einem geistig umnachteten Mann, dem es gelungen war, während einer Aufführung von Giselle unbemerkt bis auf die Bühne vorzudringen, von dort aus ins Parkett zu rennen, über die Brüstung in den Orchestergraben zu klettern und dem Dirigenten den Taktstock aus der Hand zu nehmen, bis er endlich von einem Notarzt gebremst werden konnte. Und Rudolf Jahn erinnert sich, dass er Blut geschwitzt habe, als es vor vielen Jahren in einer Meistersinger-Vorstellung eine Bombendrohung gab: In der Pause suchte die Polizei mit Spürhunden den Zuschauerraum ab und stellte fest, dass es glücklicherweise »nur« ein falscher Alarm war ... Aber nicht nur für den organisatorischen Ablauf sind die beiden Inspizienten von großer Bedeutung – nein, auch für das Psychologische. Während der Vorstellung mutiert das Inspizientenpult zum Ruhe- und Kraftzen­ trum der Bühne, die beiden Kollegen strahlen auch dann noch stoische Gelassenheit aus, wenn es in ihrem eigenen Innern längst tobt, sie beruhigen die Darsteller vor ihrem Auftritt, haben immer ein ermutigendes Wort, eine Umarmung und manchmal auch süße Nervennahrung parat. Und wenn Rudolf Jahn einen guten Tag hat, geht schon mal seine poetische Ader mit ihm durch und die Sänger erhalten ihre Einrufe in Versform ... Für den Beruf des Inspizienten gibt es keine Ausbildung, aber man kann diese Arbeit nicht professionell ausführen, wenn man nicht hautnah mit dem Theaterbetrieb vertraut ist. Während Iris an Haack lange als Tänzerin auf der Bühne stand, sang Rudolf Jahn im Opernchor. Wie sehr sie ihren neuen, zweiten Beruf mögen, wird im Gespräch deutlich spürbar. »Ick liebe meine Sänger«, berlinert Rudolf Jahn und witzelt weiter: »Außerdem ist es doch Luxus, dass ich eine komplette Vorstellung gratis kriege – wenn auch nur von der Seite.« Und Iris an Haack ist ebenfalls glücklich, dass ihr bei diesem Beruf die Nähe zur Bühne geblieben ist. Vor allem dann, wenn sie Ballettvorstellungen betreut und in ihre »alte Welt« zurückkehrt, fühlt sie sich bei der Arbeit »wie zu Hause«. »Es ist 19.15 Uhr. Nur noch 15 Minuten bis zum Beginn der Vorstellung«, meldet die Stimme aus dem Kasten an der Wand. Wenn um 19.30 Uhr der Vorhang hochgeht, dann steckt bestimmt ein wacher Inspizientenkopf dahinter. Foyer Swenja Schum / Steven Markusfeld Wie wird man süchtig nach Ballett? Zwei Schwestern, eine Leidenschaft: Marita und Sylvia Kadlec schwärmen für Ballett. Signierte Fotos, Plakate, Kostüme und Ballettschuhe mit persönlichen Widmungen der Tänzer zieren die Wände ihrer Wohnung in der Südstadt – alles Schätze, die sie über die letzten Jahrzehnte gesammelt haben. Und auch die Regale im Wohnzimmer sind voll von Hunderten von Ballettbüchern, Bildbänden und internationalen Ballettzeitschriften. »Auch wenn wir nicht alles verstehen, was da geschrieben steht – die tollen Bilder sind ja das Wichtige. Es geht ums Schauen und Fühlen.« Der große Stolz der Schwestern sind die prachtvollen Ballettkostüme, die sie über die letzten Jahrzehnte bei Kostümbasaren erworben haben. »Ein richtiger Nahkampf! Man musste bei den Basaren die Ellbogen einsetzen und boxen können!«, erinnert sich Sylvia Kadlec, die 1992 bis 2009 in der Personalabteilung der Staatstheater die Gäste des Hauses betreut hat. »Meine Schwester hat die ergatterten Kostüme mit ihren Armen umschlungen, damit sie niemand wegreißt, während ich nach weiteren Schätzen gesucht habe.« Und weil die Kostüme in den 80er und 90er Jahren noch aus viel schwereren Stoffen genäht worden seien als heutzutage, sei ein Kostümbasar für beide körperlich anstrengend und erschöpfend gewesen. Doch alle Mühe hat sich für die Schwestern gelohnt – jedes Mal sei es ein besonderes Erlebnis, wenn sie heute ein Kostüm aus ihrem Fundus herausholen. »Da bekommt man jedes Mal eine Gänsehaut. Es ist, als wäre das Kostüm verschüttet gewesen und würde jetzt wieder zum Leben erweckt.« Geweckt wurde ihre Leidenschaft schon in der Jugend, als die Schwestern eine Tanzvorstellung im Ballhof besuchten, in der Richard Adama als Tänzer mitwirkte. »An den 5. März 1963 erinnern wir uns, als wäre es gestern gewesen. Wir waren 14 und 15 Jahre alt und zunächst etwas skeptisch, aber nach der Vorstellung war es um uns geschehen.« Aus dieser Mädchenschwärmerei für den späteren Ballettdirektor entwickelte sich in den folgenden Jahren eine Passion für Tanz, die ihr Leben verändern sollte. »Damals haben wir nach Vorstellungen oft lange in dünnen Kleidchen in der Kälte vorm Bühneneingang ge- wartet, um ein Autogramm der Tänzer zu bekommen. Heute stehen wir in den Autogrammpausen im Foyer Schlange, um eine Unterschrift von unseren Lieblingstänzern aus Jörg Mannes’ Ensemble zu ergattern!« Um die Arbeit ihrer Idole hautnah verfolgen zu können, scheuen die Kadlecs keinen Aufwand: Sogar ins Ausland sind sie schon gereist, um Stücke live zu erleben. »Als Mehmet Balkan als Ballettdirektor nach Portugal gewechselt ist, haben wir uns trotz unserer riesigen Flugangst zum ersten Mal in ein Flugzeug gesetzt und sind zu seiner ersten Premiere nach Lissabon gereist.« Von den Choreographien der Ballettchefs an der Staatsoper Hannover und international renommierter Gastchoreographen haben die Kadlecs keine verpasst. »Es ist fantastisch, dass man einmal im Jahr Werke von Künstlern wie Nacho Duato, Mats Ek oder William Forsythe auf der Opernhausbühne sehen kann!« Und auch wenn sich die Schwestern nicht über alle Werke einig sind, gehen sie doch immer zusammen zu Vorstellungen. »Wir erfreuen uns an der Vielfalt des Balletts. Man muss einfach da sein, sonst verpasst man womöglich ein Meisterwerk!« 20 fundus Zungenbrecher Niedersachsens größter Poetry Slam! Erstmals messen sich Dichter und Dichterinnen aus ganz Deutschland live und rasant im Opernhaus. Was in anderen Städten schon gang und gäbe ist, hat im Jahr 2010 im Opernhaus Hannover Premiere. Und das gleich mit einem Superlativ: Niedersachsens größter Poetry Slam ruft an die Mikrofone! Zu einem Live-Wettbewerb, bei dem es Zungenbrecher, Textstakkatos und Silbensalti hagelt und das Publikum über den besten Beitrag des Abends entscheidet. Getreu dem derzeit im Opernhaus gezeigten Musical My Fair Lady, dessen Protagonistin Eliza Doolittle an dem Zungenbrecher »Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühn« verzweifelt. Poetry Slam ist eine literarische Wettbewerbsform, bei der schlagfertige Poeten mit selbst verfassten Texten innerhalb eines Zeitlimits gegeneinander antreten. Die Textform ist frei wählbar: ob Geschichte, Gedicht, A-Cappella-Rap, dadaistisches Lautpoem oder gänzlich improvisiert – allein das gesprochene Wort zählt. Das Publikum bildet die Jury und entscheidet darüber, wessen Beitrag am mitreißendsten war. Ja, Literatur kann man nicht bewerten. Aber wir tun‘s trotzdem. Hannoveraner unterwegs Opernrätsel Nicht nur Sänger können gastieren, auch unsere Künstler hinter der Bühne sind an anderen Theatern gefragt. Die Leiterin der Beleuchtungsabteilung der Staatsoper, Su­ sanne Reinhardt, hat im Januar 2010 Monique Wagemakers Inszenierung von Verdis Un ballo in maschera im holländischen Enschede beleuchtet und wird im Oktober 2010 mit Regisseur Christof Nel Elektra von Richard Strauss am Grand Théâtre de Genève herausbringen. Regieassistent Karsten Barthold, der im Sommer 2009 von der Oper Köln an die Staatsoper Hannover engagiert wurde, führt derzeit am Theater Vorpommern Regie. Am 20. März hat seine Inszenierung der Zwanziger-Jahre-Revue Das gibt’s nur einmal in Stralsund Premiere. Mit Sebastian 23 (Bochum), Philipp Scharrenberg (Stuttgart), Julius Fischer (Leipzig), Florian Cieslik (Köln), Nora Gomringer (Bamberg), Marlene Stamerjohanns (Wilhelmshaven), Dominik Bartels (Helmstedt) sowie Tobias Kunze, Kersten Flenter, Henning Chadde, Jan Egge Sedelies, Hauke Voß, Klaus Urban und Kai Nesau (Hannover) u.a. Sonntag, 21. März, 19.30 Uhr Eintritt: 7 Euro Für alle Besucher der Vorstellung My Fair Lady um 16 Uhr: 4 Euro Eine Oper. Allen bekannt. Die Stoffvorlage verfasst von einem Schriftsteller, der überall in der Welt bekannt ist, dessen Leben aber vielen Mythen unterliegt. Seien es Jahre, von denen niemand weiß, wo er war und was er machte, seien es Gerüchte darüber, dass er nie gelebt habe und seine Werke von Dritten geschrieben wurden. Die Oper selbst wurde fast eine Generation nach ihrer Premiere abgeändert und 1865 in einer neuen Fassung uraufgeführt. Sie beginnt mit einer Schlacht, aus der der Protagonist als Sieger hervorgeht. Doch bevor er nach Hause zurückkehren kann, begegnet er seinem Wegweiser des Schicksals. Grenzgängerinnen bringen die Handlung in unsichere – und vor allen Dingen blutige – Gewässer. Die Leichen häufen sich. Am Ende stürzt der Tyrann sich in ein Blutbad von biblischen Ausmaßen. In die Top Ten des von 3sat ausgestrahlten Programms hat sie es zwar nicht geschafft, doch würde man die Oper in einschlägigen TV-Zeitungen wohl wie folgt bewerben: packender Psychothriller mit kolossalem Tiefgang, i.d.R. mit viel Blut inszeniert, wortgewaltig, doch auch mit gänzlich stummen Rollen, nicht geeignet für Zuschauer unter 16 Jahren. Unsere Frage Wie heißt die Oper und wer hat sie komponiert? Ihre Lösung schicken Sie bitte auf einer Postkarte bis Freitag, den 09.04.10 an die Staatsoper Hannover, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Opernplatz 1 . 30159 Hannover. Vergessen Sie nicht Ihren Absender! Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir 5 x 2 Karten für die Premiere des Chorkonzerts Carmina Burana am Sonntag, den 25.04.10, 18.30 Uhr im Opernhaus. Die Lösung des Opernrätsels aus der seitenbühne 01/02 2010: Wolfgang Fortner Die Bluthochzeit Impressum Herausgeber Niedersächsische Staatstheater Hannover GmbH, Staatsoper Hannover, Opernplatz 1, 30159 Hannover Intendant Dr. Michael Klügl RedakDramaturgie, Öffentlichkeitsarbeit Gestaltung María José Aquilanti, Birgit Schmidt Druck Steppat Druck Fotos Christian Brachwitz (Titel, 17), Dorothea Hartmann (18), Thomas Huppertz (15), Jörg Landsberg (7), Marek Kruszewski (2/3, 11), André Nieter (16), Swenja Schum (19), Gert Weigelt (5) und privat Titelbild Der Kaiser von Atlantis, Frank Schneiders (Tod) tion »Hallo« heisst »Annyeong« Sung-Keun Park, Jin-Ho Yoo, Young Myoung Kwon, Young-Hoon Heo – häufigen Besuchern der Staatsoper Hannover werden diese fernöstlichen Namen mit größter Leichtigkeit über die Lippen gehen, sind es doch die Namen der wertvollen koreanischen Stützen unseres Ensembles. Für Europäer ist es immer wieder ein Phänomen, dass die hiesige Musiktradition so viel Begeisterung in Ländern wie Korea und Japan weckt. Die Folgen dieser Begeisterung sind in ganz Europa augenscheinlich: kaum ein Orchester, kaum ein Opernensemble, in dem nicht ein Musiker oder Sänger aus Fernost mitmusiziert. So liegt es durchaus im Interesse europäischer Opernhäuser, die Beziehungen zu Hochschulen in Korea und Japan zu intensivieren. Auf eine Initiative von Sung-Keun Park, seit 2006 als Tenor im Ensemble der Staatsoper, hat nun Hannover einen ersten großen Schritt in dieser Richtung getan und gemeinsam mit der Yon-Sei University in Seoul ein Stipendiaten-Programm ins Leben gerufen, das vorerst auf drei Jahre angelegt ist. So trafen am 9. Januar 2010 sechs Gesangsstudentinnen und vier Gesangsstudenten aus Seoul in Hannover ein, um für drei Wochen das deutsche Opernsystem genauer kennen zu lernen. Auf dem dicht gedrängten Stundenplan standen nicht nur Besuche der Endproben von Macbeth, sondern vor allem auch Unterrichtsstunden mit erfahrenen Sängerinnen und Sängern des Hauses: Arantxa Armentia und Monika Walerowicz, Tobias Schabel und Frank Schneiders unterrichteten die Studierenden in Gesang und Interpretation. Daneben gab es Sprachunterricht bei Kammersängerin Carola Rentz und szenischen Unterricht bei Regieassistent Charles Ebert. Unermüdlichen Einsatz zeigte auch Korrepetitorin Min-Kyong Kim, die zehn Tage lang als Dolmetscherin einen reichhaltigen Gedankenaustausch ermöglichte. Die Ergebnisse ihrer 20-tägigen Arbeit präsentierten die Studentinnen und Studenten dann am 29. Januar im Rahmen eines kleinen Abschlusskonzertes, zu dem auch die Professoren der Yon-Sei Uni- versity, Herr Kwan-Dong Kim und Frau Hyun-Joo Chang, aus Seoul angereist waren. Arien des italienischen Belcanto und viel Mozart standen auf dem Programm. Und als am Ende des Konzerts die Universitätshymne mit viel Inbrunst angestimmt wurde, machte sich ein wenig Wehmut breit, dass diese intensiven Tage nun schon wieder vorbei waren. Die Studentinnen und Studenten beteuerten immer wieder, wie viel sie gelernt haben und mit welcher Wärme und Herzlichkeit sie in Hannover aufgenommen wurden. Für einen der zehn gibt es sogar noch eine Fortsetzung: Er oder sie wird ab Beginn der kommenden Spielzeit für ein Jahr zum Ensemble der Staatsoper gehören und das deutsche Opernleben aktiv miterleben und auch bereits mitgestalten können! Und im kommenden Jahr werden erneut zehn Studenten nach Hannover kommen, um drei Wochen lang den deutschen Opernbetrieb hautnah kennen zu lernen. Ensemblemitglied Sung-Keun Park träumt indes schon ein bisschen weiter ... dass solche besonderen Projekte nicht nur den Studenten einer Privat-Universität wie der Yon-Sei University zugute kommen ... und dass sich die Verbindungen mit der Staatsoper eines Tages vielleicht auch auf Nordkorea ausdehnen lassen und so Sung-Keuns Leidenschaft, die Musik und die Oper, einen kleinen Beitrag zur Völkerverständigung in seiner geteilten Heimat leisten kann. Falls Sie die Staatsoper und die Yon-Sei University bei ihren ersten Schritten auf diesem Weg unterstützen möchten, können Sie 2011 einen Studenten oder eine Studentin als Gastfamilie für drei Wochen bei sich aufnehmen. Wir werden rechtzeitig in der Presse darauf hinweisen. Interessenten können sich schon heute daran machen, ein wenig Koreanisch zu lernen: »Hallo« heißt »Annyeong«, »Willkommen« »Eoseooseyo«. Ansonsten sollten Sie als treuer Opernbesucher zumindest die Namen der koreanischen Stützen unseres Ensembles richtig aussprechen könnten: »Söng-Gön Park«, »TschinnHo Jo«, »Jang Mjong Kwon«, »Jung-Hun Heo«! seitenbühne . März / April 2010