MUL! 1. THK_22.Sept 2011

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Musikunterricht live! – Generalproben für Schulen
Donnerstag, 22. September 2011
«Neue» Musik?
Ludwig van Beethoven
Johannes Brahms
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61
Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98
Sinfonieorchester St.Gallen
David Stern, Leitung
Kolja Blacher, Violine
Warum gerade dieses Werk? Neue, fremd klingende Musik hat es nicht leicht in unseren
Konzersälen. Die Skepsis gegenüber Klängen, die wir nicht verstehen, die „uns nichts sagen“,
ist gross. Dabei teilten teilweise ausgerechnet die beliebtesten Werke unseres heutigen
Konzertrepertoires in ihrer Entstehungszeit genau dieses Schicksal!
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Was versteht Ihr unter „heutiges Konzertrepertoire“? Welches sind wohl die am
häufigsten gespielten Komponisten / Werke?
Kennt Ihr auch Beispiele von sogenannter zeitgenössischer Musik, vielleicht sogar von
Schweizer Komponisten? (-> http://de.wikipedia.org/wiki/Schweizer_Komponisten)
Ludwig van Beethoven: Violinkonzert D-Dur op. 61 (1806)
Ludwig van Beethovens
Konzert für Violine und
Orchester op. 61 erzielte
an seiner Erstaufführung
am 23. Dezember 1806 in
Wien
bloss
einen
Achtungserfolg, d.h., das
Publikum applaudierte
höflich, weil es schon
einige tolle Werke von
ihm kannte und mochte,
und weil der beliebte
Solo-Geiger
Franz
Clement ganz nach dem Geschmack der Wiener spielte. Der Musik selbst stand man aber eher
skeptisch gegenüber. Ein Kritiker der Wiener Theater-Zeitung schrieb dazu:
„Über Beethofen’s Concert ist das Urteil von Kennern ungetheilt; es gesteht
demselben manche Schönheit zu, bekennt aber, daß der Zusammenhang oft ganz
zerrißen scheine, und daß die unendlichen Wiederholungen einiger gemeinen
Stellen leicht ermüden könnten.“
Es verwundert also nicht, dass Beethoven sich zu einer Überarbeitung des Soloparts entschied.
Schliesslich hatte er das Konzert doch auch in sage und schreibe knapp fünf Wochen fertig
gestellt (es war halt für dieses Konzert bestellt worden und musste dann bereit sein)! Nach der
ersten Aufführung nahm er sich also den ganzen Papierstapel nochmals vor. Allerdings muss
bedacht werden, dass besonders bei Konzerten für Soloinstrument und Orchester solche
Revisionen durchaus üblich waren. Oft wurde der Solopart für die Erstaufführung gar nicht
erst aufgeschrieben, denn der Komponist spielte ihn meistens gleich selber. Die Solostimme
war dann wahrscheinlich ziemlich improvisiert, und der Komponist konnte noch während der
Aufführung viel Unerwartetes ausprobieren und seiner Fantasie freien Lauf lassen! Das ist
ganz praktisch für eine spätere Druckfassung, denn es ist natürlich schwieriger, nur auf dem
Papier zu komponieren.
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Was genau ist ein Solokonzert? Was ist anders im Vergleich mit einer Sinfonie? Oder
mit einem Streichquartett?
Was bedeutet Improvisieren? Kann das Soloinstrument einfach improvisieren, wenn
doch ein ganzes Orchester mitspielt?
Was heisst es wohl, „auf dem Papier zu komponieren“?
Wir können also oft gar nicht wissen, welche Version an der ersten Aufführung überhaupt
zum Erklingen kam. Anders bei Beethovens Violinkonzert: Die Solostimme musste, da der
Auftraggeber Franz Clement sie spielte, vorher festgelegt und aufgeschrieben werden.
Beethoven war damit (wie meist nach dem ersten Konzert) nicht ganz zufrieden; er hat sich
wohl auch die Kritik der Wiener Theater-Zeitung zu Herzen genommen und die
„unendlichen Wiederholungen“ in den Lauffiguren der Violinstimme ein wenig vielfältiger
gestaltet.
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Was stellt Ihr Euch unter „Lauffiguren der Violinstimme“ vor? Versucht, ein Beispiel
zu finden!
http://imslp.org/wiki/Violin_Concerto_in_D_major,_Op.61_(Beethoven,_Ludwig_van)
Dennoch setzte sich das Konzert nur langsam in der Musikpraxis durch, denn es ist für jeden
Violinisten „ein harter Brocken“, und das frustrierendste daran ist, dass es nicht einmal so
schwierig tönt!
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Diejenigen von Euch, die ein Instrument spielen: Kennt Ihr das auch, dass etwas
schwierig tönt, aber eigentlich ganz einfach zu spielen ist, und umgekehrt?
Erst dem damals gerademal 13-jährigen Geiger Joseph Joachim gelang mit dem Stück 1844 in
einer Londoner Aufführung unter dem Dirigenten Felix Mendelssohn Bartholdy ein
durchschlagender Erfolg. Er spielte es danach in seiner sechzigjährigen Karriere sehr oft und
machte es damit berühmt. 1905 schrieb er eine Violinschule, und darin heisst es, das
Beethoven-Violinkonzert sei ein „Prüfstein für die künstlerische Reife des Ausführenden.“
Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98 (1885)
Eines der Lieblingswerke des Geigers Joseph Joachim war Johannes Brahms’ 4. Sinfonie in eMoll op. 98. Am 14. Oktober 1885 stellte Brahms seinem engeren Wiener Freundeskreis eine
Bearbeitung für zwei Klaviere vor.
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Für wieviele Instrumente ist eine Sinfonie eigentlich geschrieben? Kennt Ihr einige
davon? (-> http://de.wikipedia.org/wiki/Orchester)
Warum führte wohl Johannes Brahms zuerst eine Klavierfassung auf?
Der Musikkritiker Max Kalbeck, ein enger Freund Johannes Brahms’, berichtete, dass die
Aufführung ohne jeglichen Enthusiasmus aufgenommen worden sei und er den Komponisten
am folgenden Morgen besucht habe, um ihm zu raten, er möge die Sinfonie zurückziehen und
umarbeiten; besonders die beiden letzten Sätze fand er unpassend für eine Sinfonie.
1. Allegro non troppo
2. Andante moderato
3. Allegro giocoso – Poco meno presto – Tempo I
4. Allegro energico e passionato – Più Allegro
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Was bedeuten die Satzbezeichnungen? (-> Übersetzung: http://dict.leo.org/itde)
Wozu hat eine Sinfonie wohl mehrere Sätze?
Auch andere Freunde und Förderer von Brahms
waren mit dieser ersten Klavierfassung nicht
zufrieden, oder sie gaben zumindest zu, dass das
Werk ganz schön schwierig sei: „eine kleine Welt für
die Klugen und Wissenden.“ Brahms fühlte sich auch
unsicher, ob das Werk dem Publikum gefallen würde,
aber ging das Risiko ein und brachte die Sinfonie
noch im gleichen Monat mit der Meininger
Hofkapelle zur Uraufführung.
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Was ist eine Uraufführung?
Wer spielt in einer Hofkapelle und für wen?
Nach der Uraufführung wünschte der Herzog Teile
der Sinfonie nochmals zu hören, und die
anschliessende Tournee der Hofkapelle durch
Deutschland und Holland war ein grosser Erfolg. Der
zunächst skeptische Eduard Hanslick (ein ganz
strenger und hochangesehener Musikkritiker) lobte in der Neuen freien Presse die Tiefe und
Originalität des Werkes. Auch der Geiger Joseph Joachim, der das Werk später in Berlin hörte,
äusserte sich begeistert:
„Der geradezu packende Zug des Ganzen, die Dichtigkeit der Erfindung, das
wunderbar verschlungne Wachstum der Motive noch mehr als der Reichtum und
die Schönheit einzelner Stellen, haben mir’s geradezu angetan, so daß ich fast
glaube, die e moll ist mein Liebling unter den vier Sinfonien.“
In Hans Richters Wiener Aufführung am 7. März 1897, Brahms’ letztem besuchten Konzert,
durfte der Komponist, schon schwer krank, den herzlichen Beifall des Publikums empfangen.
Johannes Brahms 4. Sinfonie op. 98. Schluss des ersten Satzes mit 4 Einleitungstakten, die er später wieder gestrichen
hat. Das Autograph (= Handschrift vom Komponisten selbst) des Werks liegt in der Zentralbibliothek Zürich.
St.Gallen, August 2011
Karl Schimke
Damaris Leimgruber
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