DER STURZ DES HIMMELSFÜRSTEN Das Origen Festival Cultural hat am Freitag auf Burg Riom die Oper „Mikael“ uraufgeführt – ein Werk für Sänger, Tänzer, Schauspieler und Chor über einen der ältesten Paradiesmythen: den Engelsturz, eine archaische Erzählung über den Fall eines hochmütigen Himmelsfürsten. Das Publikum dankte dem engagierten Ensemble mit stehenden Ovationen. Origen widmet sich dem Paradies: alle Produktionen des diesjährigen Festivals erzählen von Jenseitsgärten, Himmelsarchitekturen, skurrilen Engelwesen, die Gottes Hofstaat bilden. Mit der Oper „Mikael“ griff das grösste Bündner Festival einen uralten Paradiesmythos auf: die Erzählung von Lucifer, dem Engelfürsten, der mächtiger als Gott sein will – und dessen Palastrevolte in der Katastrophe endet. Der Abtrünnige wird auf die Erde geworfen, treibt dort sein Unheil und soll – dem antiken Mythis zufolge – Schuld tragen an der Bösartigkeit der Welt. Die Frage der Theodizee also – darunter geht’s heuer nicht bei Origen. Interdisziplinäres Ensemble Mit der Besetzung des „Mikael“ geht Origen neue Wege: das Bühnenensemble, bestehend aus Sängern, Tänzern, Schauspielern und Chor, erzählt den Mythos gemeinsam, als interdisziplinäres Ensemble, das alle Bühnengattungen vereinigt und daraus neue Potentiale schöpft. Intendant Giovanni Netzer: „Origens Wurzeln liegen im Kult, in jener archaischen Form also, die selbstverständlich Tanz, Gesang und Sprache kombiniert. Es ist ausgesprochen spannend, die alten Gattungsgrenzen aufzulösen – zugunsten einer vitalen, neuen Bühnenform, die neue Optionen eröffnet.“ Musik in zwei Polen Die Musik zum Werk stammt von zwei Komponisten: Pawel Lukaszewksi’s Vertonung der altkirchlichen „O-Antiphonen“ charakterisiert die himmlischen Gefilde, Oliver Weber’s elektronische Kompositionen Lucifers Gegenwelt. Clau Scherrer, musikalischer Leiter bei Origen, dirigiert das sechzehnköpfige Solistenensemble. Regie führte Giovanni Netzer, das Lichtdesign stammt von Ursula Degen, die Kostüme wurden von Jakob Schläpfer in St Gallen für Origen entworfen, in Zusammenarbeit mit Julia Heuer und Deniz Ayfer. Der trinitarische Mantel Gottes Die Uraufführung bestach mit eigenwilligen Interpretation der klassischen Himmelsfiguren: Lucifer, der in der abendländischen Ikonographie meist schwarz und gehörnt dargestellt wird, glänzt auf Burg Riom in jener Schönheit, die ihm später zum Verhängnis wird. Die Menschenseelen erscheinen in Kostümen aus Metzgerpapier, in freier Anlehnung an das Fleisch, das vergänglich ist. Gott trägt einen trinitarischen, dreifachen Mantel, und Michael, der General der himmlischen Heerscharen, wird seinem martialischen Charakter mit vielen Tattoos gerecht. – Und auch inhaltlich setzt Regisseur Giovanni Netzer neue Schwerpunkte: Gott, im Stück eine zerbrechliche junge Frau, vernichtet am Schluss der Aufführung nicht nur Lucifer, den Kriegstreiber – sondern auch die gewaltbereiten Engel seines eigenen Hofstaates. Die Oper „Mikael“ wird am 16./21./23./28./30. Juli und am 4./6./11./13. August 2011 auf Burg Riom aufgeführt. Die Einführung zum Werk findet jeweils um 19:30 in der Scheune des Kulturzentrums Sontag Crousch in Riom statt. Weitere Informationen unter: Origen Festival Cultural Palé Sot 6 CH-7463 Riom Tel. Mail Internet +41 81 637 16 81 [email protected] www.origen.ch PostAuto-Sonderfahrten zu allen Opern-Aufführungen ab Chur via Lenzerheide sowie ab St. Moritz via Bivio; am 23. Juli und 6. August ab Scuol via Zernez und Pontresina, am 6. August ab Disentis via Flims und Thusis. Einstieg in allen Dörfern entlang der Strecke. Der Transfer ist im Opernticket inbegriffen. Information und Reservierung unter Tel. 081 637 16 81 oder auf www.origen.ch Riom, 16. Juli 2011