prozesse EINE REVOLUTION FÜR INNOVATIONSPROZESSE Roger Chevalier und Beat Walther Mit der systematischen «Outcome-Driven Innovation»-Methode können aus Kundenaussagen bahnbrechende Innovationen entwickelt werden. Diese neue Methode, die von stark wachsenden Firmen wie Microsoft, Johnson & Johnson oder Bosch seit Jahren erfolgreich eingesetzt wird, verspricht, den Innovationsprozess zu revolutionieren. Sie deckt Hunderte von Kundenbedürfnissen messbar auf und liefert damit die entscheidenden Inputs für Produktentwicklung und das strategische Marketing. WARUM INNOVATIONEN? In einem stark globalisierten Markt sind Unternehmen auf Innovationen angewiesen. Ob für Produkte, Marketing, Dienstleistungen oder Prozesse, Innovation ist oft der einzige Weg, dem globalen Wettbewerbsdruck, insbesondere dem asiatischen, standzuhalten und konkurrenzfähig zu bleiben. Innovation hat aber nicht nur einen betriebswirtschaftlichen Nutzen, indem sie die Gewinne innovativer Unternehmen steigert, sondern auch einen volkswirtschaftlichen, weil Arbeitsplätze geschaffen werden und der Kunde von immer fortschrittlicheren Produkten und Dienstleistungen profitieren kann. ZU VIELE INNOVATIONEN SCHLAGEN FEHL Ein grosser Teil von Innovationen schlägt fehl. Grund: Sie werden am Kunden vorbei entwickelt, bringen ihm zu wenig oder zu viel Nutzen. Die Mobilfunkindustrie hat in den letzten Jahren Handys mit immer neuen Funktionen auf den Markt gebracht. Die meisten Kunden brauchen aber einen Grossteil dieser Innovationen nicht. Wenige wünschen sich, Bilder zu versenden oder auf einem kleinen Bildschirm fernzusehen. Trotzdem werden solche Funktionen laufend hinzugefügt. Der Kunde zahlt für Innovationen, die ihm nichts nützen. Andere Innovationen hingegen bieten zu wenig Nutzen. Kennen Sie die Probleme, wenn Sie eine Hartplastikverpackung öffnen wollen? Trotz kontinuierlicher Erneuerungsbemühungen der Verpackungsindustrie müssen sich die Kunden oft minutenlang mit Verpackungen herumschlagen, die sich nur schwer öffnen lassen. Die Frustration des Kunden ist vorprogrammiert. WANN IST EINE INNOVATION ERFOLGREICH? Eine Innovation ist nur dann erfolgreich, wenn sie eine Lösung für unbefriedigte Kundenbedürfnisse anbietet. Kunden und Konsumenten haben jedoch oft Mühe, ihre Bedürfnisse zu formulieren. Hier setzt die «OutcomeDriven Innovation»-Methode (kurz ODI) aus den USA an: Sie erfasst und bewertet in systematischen Schritten, was Kunden wirklich wollen, und gibt eine klare Prioritätenliste zu Kundenerwartungen vor. 12 KUNDEN BEFRAGEN, WAS DIE PRODUKTE FÜR SIE TUN SOLLEN Wenn man Kunden fragt, wie ein Produkt zu verbessern sei, beschreiben sie meist Eigenschaften, die sie bereits kennen. Oder sie machen Aussagen, die oberflächlich («wir wollen bessere Qualität») oder widersprüchlich («umweltfreundliches Auto mit starkem Motor») sind. Diese Aussagen sind für die Produktentwicklung nicht nützlich und führen höchstens zu inkrementellen Verbesserungen. Die ODI-Methode geht ganz anders vor: Sie fragt Kunden mithilfe einer speziellen Interviewtechnik, welche «Jobs» sie unter Zuhilfenahme des jeweiligen Produktes oder der jeweiligen Dienstleistung erfüllt haben wollen und welche gewünschten Ergebnisse (Outcomes) ein Produkt oder eine Dienstleistung erbringen soll. Denn Kunden wünschen sich nicht ein Mobiltelefon, sondern sie wollen über Distanz kommunizieren – und stellen dafür gemäss Studien 100 bis 200 Anforderungen. «Lösungsfrei» werden diese Jobs und Outcomes aufgedeckt. In einer quantitativen Phase (rund 200 bis 400 Befragte) werden sie systematisch nach «Zufriedenheit» und «Wichtigkeit» bewertet. Daraus kann eine klare Rangfolge der wichtigsten, aber unerfüllten Bedürfnisse erstellt werden. Auch übererfüllte Bedürfnisse werden gleichermassen sichtbar und können für Kosteneinsparungen genutzt werden. DIE BOSCH-KREISSÄGE CS 20 Die «Outcome-Driven Innovation»-Methode sucht nicht nach Produkteigenschaften, sondern nach «Jobs» und «Ergebnissen», die Kunden von einem Produkt erwarten. Im Rahmen einer Studie für eine elektrische Kreissäge bei Bosch wurden mehr als hundert spezifische Kundenaussagen wie etwa «Minimieren der Anzahl Fälle, bei denen das Kabel durchgeschnitten wird», oder «Minimieren der Menge Sägespäne, die ins Gesicht fliegen», gesammelt. Diese breite Palette von realen, ganz konkreten Kundenbedürfnissen wurde von den Kunden nach Wichtigkeit und Zufriedenheit bewertet. So erhielt Bosch eine exakte Hitliste darüber, welche Bedürfnisse wichtig, aber noch unbefriedigt sind, und damit die Chance für Innovationen. Bei Bosch hat es funktioniert: Die neue Kreissäge CS 20, die aufgrund der ODIMethode entwickelt wurde, war ein grosser Markterfolg und hat mehrere Innovationspreise gewonnen – und das in einem kompetitiven Markt. INNOVATIONSIDEEN GEZIELTER ENTWICKELN ODI-Kunden nutzen die Ergebnisse, um schneller und gezielter innovative Ideen für neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Brainstormings und andere Kreativitätsmethoden sind dabei sehr wichtig, werden aber erst dann eingesetzt, wenn die Bedürfnisse klar geworden sind. Der Innovationsprozess wird systematisiert und lässt der Kreativität Raum, wo dies nötig wird. Mit der patentierten «Outcome-Driven Innovation»-Methode von Strategyn lässt sich so der Markterfolg einer Lösungsidee mit einer hohen Zuverlässigkeit voraussagen. Roger Chevalier, Partner von Strategyn Services, dem Europäischen Partner von Strategyn, betont in diesem Zusammenhang: «ODI ist eine Innovationsmethode, die den Innovationsprozess revolutioniert. Wir können mit einer hohen Zuverlässigkeit wichtige Bedürfnisse erkennen und die heutige Zufriedenheit für bestehende Lösungen feststellen. R&D und Marketing erhalten damit klar priorisierte Vorgaben, die schon nahe an Spezifikationen sind.» IN ALLEN BRANCHEN ANWENDBAR Aktuelle Beispiele Branche Problemstellung Food (Früchte) Medizinaltechnik Keine Innovationsideen ungeeignet. Benötigt wird eine Methode, die diese Kundengruppen, unabhängig von demografischen Kriterien, sichtbar machen kann. Der ODI-Ansatz bietet sich hier an. Durch ein statistisches Cluster-Verfahren werden die Kunden mit den gleichen Bedürfnissen, d.h. mit ähnlichen Wichtigkeits- und Zufriedenheitswerten, in Gruppen eingeteilt. Die ODICluster erlauben, die «natürliche Sicht» des Marktes zu erkennen. Diese Sichtweise verschafft einen einmaligen Wettbewerbsvorteil, womit gezielt Innovationen für Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden können. Zugleich bietet die natürliche Sicht des Marktes die Basis der Marktkommunikation – eine Kommunikation, die von den Kunden verstanden wird. Die Privatbank Clariden Leu hat dies genutzt und das Dienstleistungsangebot «MyPension» für vermögende Privatpersonen entwickelt und mit Erfolg lanciert. «Outcome-Driven Innovation» wurde von Anthony Ulwick, Gründer von Strategyn und Autor des Buchs «What Customers Want», während der letzten 20 Jahre entwickelt und bei einer Vielzahl von Unternehmen erprobt. Anthony Ulwick wird am 4. und 5. September in Zürich diesen Ansatz vertieft vorstellen. ■ HOHE AKZEPTANZ DER ERGEBNISSE Die «ODI Opportunity-Landscape» stellt die quantitativ bewerteten Jobs und Outcomes grafisch dar. Die X-Achse zeigt die Wichtigkeit, die Y-Achse die Zufriedenheit. Jobs und Outcomes, die unter- und überbefriedigt sind, werden sofort ersichtlich. Alle unterbefriedigten Outcomes bilden ein grosses Potenzial für Innovationen. Aber auch überbefriedigte Bedürfnisse können gewinnbringend genutzt werden: Die «disruptive Innovation» entzieht einem Produkt gezielt den Nutzen und senkt dadurch den Preis. Prominentes Beispiel für eine disruptive Innovation sind die Low Cost Airlines wie EasyJet oder Air Berlin. ODI ist transparent nachvollziehbar und erzielt abteilungsübergreifend eine hohe Akzeptanz. Dies beschleunigt die Umsetzung. Überfüllte R&D-Pipeline; zu viele Ideen, keine Prioritäten Banking Undifferenziertes Leistungsangebot Versicherung Undifferenzierte Produkte im Vergleich zur Konkurrenz Kraftwerke Kein tiefgehendes Verständnis der Kunden im Servicegeschäft Verpackung Neues Marktsegment; kein Verständnis der Kunden Handel (Möbel) Kein klares Marktprofil, Marketingpositionierung 10 – 9– 8– 6– 5– Überbefriedigt 4– 3– 2– 1– 8 9 – 7 – 5 6 Wichtigkeit – – 4 – 3 – 2 – – 1 – Unterbefriedigt Befriedigt – Üblicherweise segmentieren Unternehmen ihre Kunden. Dies erfolgt meist nach demografischen Kriterien, wie zum Beispiel nach Geschlecht, Alter, Einkommen oder nach Branche, Umsatz, Geschäftsvolumen usw. Es wird angenommen, dass Kunden innerhalb der Segmente ähnliche Bedürfnisse haben. Das stimmt aber nicht unbedingt. Der «Smart» wird vom Pizzakurier, von der Putzfrau, dem Manager, der Hausfrau, bis hin zum Juristen gefahren. Diese Personen haben nicht Geschlecht, Alter oder Einkommen gemeinsam, sondern sie haben die gleichen Bedürfnisse. Im Fall des Smart sind es zum Beispiel die Wendigkeit, der kleine Parkplatzanspruch oder der niedrige Energieverbrauch, was die Smart-Fahrer als wichtig erachten. Die traditionelle Segmentierung ist also 7– Zufriedenheit DER MARKT IST NICHT HOMOGEN 10 Roger Chevalier, Dipl-Ing. Beat Walther, lic oec. HSG Gründer von Strategyn Services, langjährige Partner von Strategyn USA www.strategyn.ch 13