TOP IDEEN, IMPULSE UND INNOVATIONEN FÜR ARCHITEKTEN 21 EINHEIT UND VARIETÄT Foto: © Matt Clayton, London Mit der Regeneration des einstigen Londoner Problembezirks „Ocean Estate“, erstrahlt eines der größten, sozial benachteiligten Viertel Europas in neuem Glanz. Vom Leitgedanken „Transforming the Ocean“ inspiriert, haben die Architekten von Levitt Bernstein Associates in einem intensiven Drei-Jahres-Sanierungsprogramm neuen Raum zum Leben geschaffen. Klinker aus dem Nottulner Werk Hagemeister unterstützt die klare Formensprache des Entwurfs, setzt harmonische Akzente und verbindet die einzelnen Baukörpern zu einer Einheit. »Wir waren auf der Suche nach einem hochwertigen Fassadenmaterial, das in Form, Haptik und Tonalität harmoniert und sich nahtlos in den städtebaulichen Kontext einfügt. Klinker von Hagemeister konnte diese Anforderungen erfüllen. Mit seiner hohen Dichte und Wertigkeit belebt das Material die großflächigen Fassadenabschnitte.« Gary Tidmarsh, Levitt Bernstein Associates, London Projektdaten Ocean Estate, London Architektur Levitt Bernstein Associates, London Auftraggeber East Thames Housing Association Klinker „Alt Berlin“ und „Ocean Estate“, englisches Format (215 mm x 102 mm x 64 mm) Gemauerte Fassadenfläche ca. 10.500 m2 O c e an E s tate , L o n do n LEBENDIG VERSPIELTER FARBKONTRAST Der Problembezirk „Ocean Estate“ im Londoner Stadtteil Borough of Tower Hamlets war international bekannt, als eine Wohngegend mit extremer Armut und hoher Kriminalität. Die Wohnungsbaugesellschaft East Thames Housing nahm sich dem von sozialen und baulichen Defiziten gekennzeichneten Bezirk an und initiierte einen umfangreichen Regenerationsplan, der den Komplett-Umbau des gesamten Viertels vorsah: 1.200 bereits bestehende Wohnungen wurden umgebaut und renoviert, 819 Wohneinheiten sowie Raum für Kleinverkaufsflächen entwarfen die Planer neu. 6 Fotos: © Matt Clayton, London Getreu ihrer Philosophie „Architecture with people in mind“, haben die Architekten von Levitt Bernstein ein funktional orientiertes Gebäudegefüge entworfen, in dem die Menschen qualitätsvoll auf erschwinglichem Wohnraum, in einer sauberen und sicheren Nachbarschaften, leben können. Klare Formen und eine harmonische Materialsprache verleihen dem raumeinnehmenden Komplex eine zeitgemäße, ruhige Anmutung. Innerhalb der stark durchmischten und unterschiedlich hohen Gebäudestrukturen zieht sich der konsequente Einsatz von Klinker wie ein roter Faden durch das gesamte Projekt. Mit diesem Fassadenmaterial als Element der Verbindung sowie einer bunten, aber dennoch systematisierten Farbgebung der Balkone, schlugen die Planer eine Brücke, zwischen Einheit und Varietät. Insgesamt 800.000 Klinker im englischen Format 215 mm x 102 mm x 64 mm hat das Nottulner Werk Hagemeister auf individuellen Kundenwunsch angefertigt. Mit der Kombination der Sortierung „Alt Berlin“ und der Objektsortierung „Ocean Estate“ hat Levitt Bernstein Associates die einzelnen Gebäude in Beziehung zueinander gesetzt und ein harmonisches Zusammenspiel von Massivität und Leichtigkeit erreicht. „Alt Berlin“ in edlem Blau-Anthrazit kleidet die Gebäudesockel des Komplexes sowie die niedrigeren Baukörper. Damit erhält das Gebäudeensemble ein solides Fundament. Die hoch aufragenden Bauvolumen sind mit der lebendigen Objektsortierung „Ocean Estate“ in grau-beigebuntem Farbspektrum und feinen KohlebrandNuancen gestaltet. Sie setzen einen lebendig verspielten Kontrast zur dunklen Basis. Der Umbau des „Ocean Estate“ bedeutet für zahlreiche Bewohner ein sichereres Zuhause. Die veränderte Lebensqualität ist spürbar. Dafür wurde das Projekt mit dem London Planning Award in der Kategorie „Best New Place to Live“ ausgezeichnet. Zudem war es Finalist der Housing Excellence Awards 2013. OFFEN UND DEZENT ZUGLEICH Ein Rathaus, das sich am Dienstleistungsgedanken der Bürger orientiert und eine Plattform für eine neue Kultur des Arbeitens schafft – das sah der Entwurf der Architekten Bert van Breugel, Rob Langeslag und Pieter Keijzer vom Büro Inbo für die niederländische Gemeinde Weert vor. Als Fassadenverkleidung für den repräsentativen Bau wählten die Architekten die sandgelbe, gesinterte Klinkersortierung „Weert“ von Hagemeister. Damit gestalteten sie ein plastisches Mauerwerk, das „in seiner Materialität transparent scheint“, die Fassade klar gliedert und die öffentliche Zugänglichkeit betont. Inbo drückte die Funktion des neuen Weerter Rathauses in einer robusten Kubatur aus, die sich der städtebaulichen Situation anpasst. Das neue Gemeindehaus wirkt als Bindeglied und vereint die Innenstadt mit den umliegenden Vierteln. Darüber hinaus schlägt es eine Brücke zum nahegelegenen Bahnhofsgebiet. Die direkte Lage an einem Ringwall führte zu einer prominenten, gebogenen Gebäudefront. Lange Seitenfassaden folgen den Fluchtlinien mit hoch aufragenden Fensterpartien, die von Mauerwerk umrahmt sind. Inbo legte dem Entwurf einen umfangreichen Qualitätsplan zugrunde: „Wir arbeiteten mehr mit Aspekten wie Masse und Gliederung, als von spezifischen Bildreferenzen auszugehen. Wir führten unterschiedliche Volumen- und Fassadenstudien durch, in denen wir insbesondere den Ort und dessen Infrastruktur, die Krümmung der Fassade an der Wilhelminasingel und die mögliche Gliederung sowie den Ausdruck und die Wirkung der Vorderansicht beobachteten”, erklärt Architekt Pieter Keijzer den Entwurf. „Bei all dem ist es ein robustes Gebäude geblieben, stark, wie es sich die Gemeinde wünschte, aber trotzdem zurückhaltend. Es ist offen und dezent zugleich.“ »Zu einer monumentalen, starken Architektur passt ein klassisches Baumaterial wie Klinker.« Pieter Keijzer, Inbo, Woudenberg, NL Inbo wählte für das Erdgeschoss einen Naturstein und setzte den sandgelben HagemeisterKlinker darüber. Mit der Sortierung „Weert“ haben die Architekten der Fassade die Eigenschaften verliehen, die sie sich für das Gebäude wünschten: Plastizität und Transparenz, klare Strukturen und die Öffnung nach Außen. Der Klinker in sandigen Gelbtönen sorgt mit einer leichten Sinterung für ein meliertes Fassadenbild und verleiht dem Bau eine traditionelle und freundliche Ausstrahlung. Dunkle Fugen liegen leicht im Mauerwerk zurück und zeichnen dezente Schattenlinien. Die Pfeiler in der charakteristischen, runden Frontfassade sind im Halbsteinverband vermauert, die übrigen Flächen im wilden Verband. Neben seiner Präsenz steht das Weerter Rathaus auch für nachhaltiges Bauen. Diese Nachhaltigkeit spiegelt sich sowohl in der Materialwahl als auch in der Versorgungstechnik und dem Gebrauch von Erdwärme wider. Auch der starke Fokus auf das Konzept der „neuen Kultur des Arbeitens“, das die Gestaltung des Gebäudes in einem hohen Maße beeinflusst hat, beschreibt den zukunftsorientierten Gedanken des Entwurfs. G e m e i n de h au s , W e e r t 5 Fotos: © Thea van den Heuvel, Nijmegen Projektdaten Gemeindehaus, Weert Architektur/Entwurf Inbo, Woudenberg, NL Projektarchitekten Bert van Breugel Rob Langeslag Pieter Keijzer Auftraggeber Gemeinde Weert Klinker „Weert“ WF (210 x 100 x 52 mm) Verklinkerte Fläche ca. 3.500 m2 Foto: © Michael Rasche, Dortmund → ARCHITEKTUR ALS MARKENZEICHEN Projektdaten Direktionsgebäude der AOK NordWest, Dortmund Architektur Nattler Architekten, Essen Auftraggeber AOK NordWest Klinker „Langesund“ DF (240 x 115 x 52 mm) Gemauerte Fassadenfläche ca. 4.000 m2 Hell und einladend zeigt sich der Neubau des Direktionsgebäudes für die AOK NordWest in Dortmund. Das Essener Architekturbüro Nattler hat die intern gelebte Philosophie der AOK, als ein modernes, offenes und kommunikatives Unternehmen, sensibel auf die Architektur übertragen. Klare Formen und eine reduzierte Materialsprache geben dem viergeschossigen Bau ein zeitloses Gesicht. Die hellen, beinahe transparent wirkenden Klinker-Fassaden sowie die Kammstruktur des Gebäudevolumens lassen durch Einblick, Übersicht und Nähe ein hohes Maß an Öffentlichkeit zu. Eigens für das Projekt entwickelter Hagemeister Klinker „Langesund“ verleiht dem Bau eine ruhige, freundliche Ausstrahlung. Eine durchdachte Kombination aus Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit prägt das Gebäudekonzept. In prominenter Lage, am Innovationsstandort Stadtkrone Ost, bietet der Verwaltungsbau neuen Raum für mehr als 560 Mitarbeiter. Leitendes Planungsziel der Architekten war, ein flexibles Gebäude zu schaffen, das die Botschaften eines modernen Dienstleistungsunternehmens abbildet und gleichzeitig ein gesundes Arbeitsumfeld mit hohem Komfort für die Mitarbeiter bietet. Zusätzlich haben die Planer das Gebäude mit einem zukunftsweisenden Energiekonzept ausgestattet, das mit der DGNB-Zertifizierung (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) in Silber ausgezeichnet worden ist. Mit der zurückhaltenden Formen- und Materialsprache fügt sich das Gebäude harmonisch in den Kontext vorhandener Bebauungen ein. Der viergeschossige Komplex stellt sich als eine gestreckte Kammstruktur dar, die sich zur Straßenseite und Rückseite des 16.000 Quadratmeter großen Grundstücks öffnet. Das Volumen gliedert sich in einen Hauptriegel, von dem zu beiden Seiten jeweils drei kubische Nebenstränge abgehen. Daraus ergeben sich kurze Wege, die die Kommunikation fördern. Die Gebäudestruktur in Kombination mit einer regelmäßigen Lochfassade erlaubt Ein- und Ausblicke und ermöglicht eine gute Belichtung der Innenräume. Das helle Klinkermauerwerk setzt sich vom Anthrazit des Sockels sowie den Glasfassaden der Parterre ab und verleiht dem Bau Leichtigkeit. Als Fassadenmaterial wählten die Architekten den grau-beigefarbenen Klinker der Sortierung „Langesund“, der eigens für dieses Projekt entwickelt und hergestellt wurde. Die Farbigkeit sowie das gewählte Dünnformat (240 x 115 x 52 mm) verleihen dem Direktionsgebäude Klarheit und unterstreichen die einladende Architektur. „Durch das Format und den wilden Verband ist eine filigrane Oberfläche entstanden, die durch die Verfugung im Zusammenspiel mit der Klinkerfarbe ein homogenes und flächiges Erscheinungsbild ergibt“, beschreibt Architekt und Geschäftsführer Heinz-Georg Guth. Mithilfe des natürlichen Materials ist es gelungen, eine Fassade zu gestalten, die die kubischen Geometrien des Baukörpers betont, Funktionen ablesbar macht und Transparenz zulässt. Dir ek t ion s g e bäu de de r A O K No r dW e s t, D o r tm u n d »Das Gebäude soll Wertigkeit und Nachhaltigkeit ausstrahlen. Das haben wir mit der Verwendung des soliden, traditionellen Baustoffs Klinker erreicht.« Heinz-Georg Guth, Nattler Architekten, Essen Grafik: © Architekten Bathe + Reber, Dortmund Projektdaten Gemeindezentrum Zionskirche, Herne Architektur Architekten Bathe + Reber, Dortmund Auftraggeber Kirchengemeinde Bladenhorst-Zion Fassadenklinker „Mülheim“ DF (240 x 115 x 52 mm) Pflasterklinker „Münsterland“ (240 x 118 x 50 mm) Verklinkerte Fläche 450 m2 Gepflasterte Fläche 250 m2 G e m e i n de z e n tr u m Z i o n s k i r c h e , H e r n e »Es handelt sich hierbei um eine sehr schöne Kirche, die ganz schlicht gehalten ist, aber viele feine kleine Details aufweist.« Eva Reber, Architektin, Bathe + Reber Architekten, Dortmund. SPIEL AUS LICHT UND SCHATTEN Seitens der Kirchengemeinde bestand der Wunsch nach einer moderneren, offenen und barrierefreien Begegnungsstätte. Ziel war, die Aktivitäten der Kirche mit anderen Veranstaltungen im Gemeindehaus zu verstärken und neuen Raum für kulturelle und gastronomische Angebote zu schaffen. Der Entwurf folgt dem Ansatz aus den 50er Jahren, der ebenfalls das Gemeindehaus als Anbau vorsah. Der massive, eingeschossige Riegel erstreckt sich parallel zum Kirchenschiff. Ein gläsernes Foyer vereint Sakralbau und Neubau räumlich und schafft für beide Gebäude einen gemeinsamen, barrierefreien Zugang. Roter Ziegel prägt das äußere Erscheinungsbild von Alt- und Neubau. Das Klinkerwerk Hagemeister aus Nottuln lieferte den Klinker der Sortierung „Mülheim“, der die Farbigkeit der Backsteinkirche aufnimmt und auf die Fassade des Gemeindehauses überträgt. Trotz der farblichen Einheit beider Baukörper gelingt es den Architekten, mit einer innovativen Interpretation des Ziegelmauerwerks, den Neubau eigenständig wirken zu lassen. Der Klinker im Dünnformat 240 x 115 x 52 mm ist im Läuferverband gemauert. Dabei ist jeder Stein um je 5° aus der Flucht herausge- dreht. Ohne Mehrkosten ist so eine flächige, reliefartige Oberfläche entstanden, die ein spannungsreiches Spiel aus Licht und Schatten erzeugt. Die Verzahnung der Backsteine findet sich als schmückendes Detail auch im Original der Kirche wieder. Mit der Sortierung „Mülheim“ konnte exakt der Rotton der Kirchenmauern getroffen werden. Auch der mit Hagemeister Pflasterklinker der Sortierung „Münsterland“ gestaltete Platz, der zwischen Neubau und Altbau entstanden ist, greift die Farbigkeit und Beschaffenheit der Fassaden auf. Architektin Eva Reber schätzt das Material besonders für seine Natürlichkeit und Wertigkeit: „Klinker zeichnet sich durch Langlebigkeit aus. Für eine Kirchengemeinde ist es nicht nur wichtig, dass der Bau günstig und praktikabel ist, auch die Wertigkeit spielt eine wichtige Rolle. Die Kirche und ihre Gemeinde sollen viele Jahrzehnte bestehen und ihren Wert behalten.“ Der BDA prämierte das Gebäude mit der „Auszeichnung guter Bauten 2014“. Der „Dialog zwischen Alt und Neu“ und die Übersetzung der historischen Detaillierungen in der Kirchenfassade in ein „reliefartig herausgedrehtes Ziegelmauerwerk“, brachte die positive Jury-Entscheidung. „Mit dem Erweiterungsbau ist den Architekten Bathe + Reber ein überzeugendes Beispiel gelungen, wie im respektvollen Umgang mit dem historischen Erbe ein zeitgenössischer Impuls entsteht, der dem Ort eine neue Anmutung und Bedeutung gibt“, heißt es in der Beurteilung des Preisgerichts. 5 Fotos: © Daniel Sumesgutner, Hamburg Das neue Gemeindezentrum der Zionskirche in Herne ist ein offener und einladender Ort der Begegnung. Das Ensemble aus Kirche und Neubau ist nach einem Entwurf von Bathe + Reber Architekten aus Dortmund, den Gewinnern des geladenen Wettbewerbs, entstanden. Mit seinem flexiblen Raumkonzept greift der Anbau die Maßstäblichkeit und die klare Formensprache des Sakralbaus aus den 50er Jahren auf, während die charakteristisch reliefierte Klinker-Fassade auf die liebevollen Details der Kirchenmauern reagiert. Ziegelroter Hagemeister-Klinker der Sortierung „Mülheim“ spiegelt die Farbigkeit der Zionskirche wider und verbindet beide Gebäudeteile optisch. par k s i d e , Ba hn hofsquartier Sc h lier en Wiese nst rasse Grab enstra sse ANKER FÜR NEUE URBANITÄT Die Überbauung von Geschäfts-, Dienstleistungs- und Wohneinheiten ist ein Kennzeichen des Wandels im Schlieremer Zentrum. Der Ort mit über 17.600 Einwohnern entwickelte sich in den vergangenen Jahrzehnten von einer Gemeinde am Züricher Stadtrand zur eigenständi- gen Stadt. Dies drückt sich auch in der Architektur südlich des Bahnhofs aus. weberbrunner architekten gewannen 2005 den Wettbewerb für den städtebaulichen Studienauftrag. In diesem Projekt wird das historische Stadtzentrum zu einer Einheit zusammengefasst. Es gilt als Ausgangspunkt der Schlieremer Einkaufsstraße und verbindet den alten Stadtkern mit dem neuen Bahnhofsquartier. Auf einem Grundstück von 5.700 m2 prägt der parkside-Komplex das neue Zentrum von Schlieren. Nachhaltigkeit stellte ein wichtiges Element bei der Realisierung der Zentrumsüberbauung dar, die nach dem Standard MINERGIE zertifiziert ist. Sowohl die Mischnutzung als auch die erhöhte Dichte tragen zum städtischen Charakter der Blockrandbebauung bei. Das Gebäude bildet einen Mantel bestehend aus einem Untergeschoss, einem Erdgeschoss sowie fünf Obergeschossen. Die Nutzungen sind räumlich strukturiert, was sich auch in der Gebäudefassade widerspiegelt. »Der Klinkerstein als traditionelles, vertrautes Material verleiht dem Gebäude einen zeitlosen Ausdruck und erinnert an die klassischen Stadthäuser aus der Gründerzeit.« Roger Weber, weberbrunner Architekten, Zürich 296 1806 Als erster Neubau im Bahnhofsquartier Schlieren stellt das parkside-Gebäude den Beginn der Zentrumsentwicklung dar. Mit ihrem Entwurf haben weberbrunner architekten aus Zürich verschiedene Nutzungen unter einem Dach vereint: 20 Geschäfte, ein Großverteiler, Restaurants, Büros, Arztpraxen und 99 Wohnungen sind in dem Komplex untergebracht. Eine Bandfassade kennzeichnet die unterschiedlichen Geschosse, auf denen Gewerbe und Wohnräume angeordnet sind. Klassische ziegelrote Hagemeister Klinkerriemchen der Sortierung „Westfalen“ unterstreichen die horizontale Wirkung. Zudem verleiht die Hülle dem parkside eine stolze Ausstrahlung und nimmt die Massivität des Baus gegenüber dem Stadtplatz und dem Stadtpark zurück. Die nach oben schmaler werdenden Bänder strukturieren die Fassade und fügen die Ebenen zu einem Ganzen zusammen. Ziegelrote Hagemeister Klinkerriemchen „Westfalen“ mit dem Normalformat 240 x 115 x 71 mm verleihen den Geschossen dabei einen eigenständigen Ausdruck. Die im HalbsteinLäuferverband verarbeiteten Riemchen prägen die gesamte Gebäudefront und zieren auch Fensterbänke, -stürze und -rahmen. Durch den warmen Rotton geht die Fassade ein harmonisches Zusammenspiel mit den benachbarten Bauten ein. Der Einsatz von Klinkerriemchen kommt auch der Statik zugute – durch ihr geringes Gewicht konnten sie problemlos an der Schottenstruktur des Mantelbaus angebracht werden. Die Klinkerbänder sind versetzt angeordnet, so dass sie das abfallende Gelände nachzeichnen und auf der 300 Meter langen Hauptfassade Akzente setzen. Als klassisches Material der Gründerzeit setzt er die Tradition der Blockrandbauten fort und zeigt gleichzeitig den Wandel zum urbanen Lebensraum auf. Trotz der starken Gliederung bildet das Gebäude nach außen eine Einheit. Grafiken: © weberbrunner Architekten, Zürich Projektdaten parkside, Bahnhofsquartier Schlieren Architektur weberbrunner Architekten, Zürich Auftraggeber Luzerner Pensionskasse, J.F. Jost & Co. Studienauftrag Zentrumsentwicklung Schlieren 2005, 1. Rang Klinker „Westfalen“ NF (240 x 115 x 71 mm) Gemauerte Fassadenfläche 3.200 m2 TOP IDEEN, IMPULSE UND INNOVATIONEN I n te r v i e w FÜR ARCHITEKTEN »EIN BAUSTOFF HAPTISCH ERLEBBAR.« Mit Langlebigkeit, Formbarkeit und Flexibilität knüpft der Ziegelstein an Gebäudecharakteristiken an. Schon seit Jahrhunderten prägt er so unsere Baukunst und macht Baukultur erlebbar. „Der Backstein überdauert Zeit, ohne Qualität zu verlieren“, stellt Architekt Nikolaus Bienefeld, Inhaber des Architekturbüros Bienefeld in SwisttalOdendorf, fest. Im Interview erklärt der Professor für Entwurf, Konstruktion und Gebäudelehre, was den Ziegel zum zeitlosen Material macht und welche Ansprüche wir auch in Zukunft an ihn stellen werden. Außerdem diskutiert er die Vorzüge des Baumaterials, äußert sich zu dessen ungebrochener Relevanz und gibt Inspiration im Umgang mit einem der ältesten Baustoffe der Menschheit. Wie definiert sich Ihre Architektur? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Als sachlich und im besten Falle zeitlos.« Welche architektonischen Einflüsse haben Sie in Ihrer Laufbahn geprägt? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Da gibt es eine Vielzahl an Beispielen. Insbesondere jedoch die südeuropäische Architektur sowie die römische Antike, die, gerade was den Ziegelbau angeht, bewundernswert sind. Selbst für die heutige Zeit ist die Großzügigkeit, mit der damals geplant wurde, noch richtig.« Inwiefern hat die Architektur Ihres Vaters Heinz Bienefeld Ihr Schaffen beeinflusst? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Sicherlich zu einem erheblichen Teil. Ich habe Malerei und Bildhauerei an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert. In der Zeit von 1988 bis 1995 habe ich sehr viel mit meinem Vater zusammengearbeitet und 1996 sein Büro übernommen. Von daher hatte er natürlich einen prägenden Einfluss. Aber auch andere Architekten wie Louis Kahn, Emil Steffan, Fritz Schumacher, Dominikus und Gottfried Böhm sind großartige Baumeister, um nur einige zu nennen. Auch die Erweiterung des venezianischen Friedhofes von David Chipperfield hat mich seinerzeit beeindruckt.« An welchen Leitbildern orientieren sich Ihre Entwürfe? Gibt es Leitbilder, bei denen Sie sagen, das möchten Sie bauen? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Jegliche Bauaufgabe, und möge sie noch so klein und bescheiden sein, ist es wert, mit ganzer Kraft bearbeitet zu werden. Dementsprechend plädiere ich dafür, nicht nur großmaßstäblich zu denken.« Als freischaffender Architekt entwerfen Sie immer wieder Möbel. Wo sehen Sie die Brücke zwischen Architektur und Möbeldesign? Inspiriert das Eine das Andere? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Das lässt sich gar nicht ausschließen. Man beginnt mit dem Städtebau und endet im Detail bei der Raumplanung. Das Möbel ist im Grunde die letzte Konsequenz des Raumes, wenn ein Raum überhaupt eine Einrichtung benötigt. Ich lasse mich da gerne in die Pflicht nehmen, die Dinge zu bearbeiten. Anhand der Architekturgeschichte wird deutlich, dass sich der Architekt schon immer mit Einrichtungsgegenständen intensiv auseinandergesetzt hat.« Sie beschäftigen sich viel mit dem Thema Materialität. Wie drückt sich Ihre Experimentierfreude in Ihren architektonischen Entwürfen aus? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Die Experimentierfreudigkeit in der Materialität ist eher im Detail zu entdecken, denn nicht jedes neue Material lässt sich mit einem anderen verbinden. Das richtige Fügen der unterschiedlichen Teile und Materialien ist das Thema. Aber nicht nur in der Planung, sondern auch während des Bauens ergeben sich neue Situationen, die gesehen werden müssen. Dementsprechend wird reagiert, um das ein oder andere zu verändern und zu verbessern. Der Wunsch, die Dinge und Details weiterzuentwickeln, ist immer da.« Welche Bedeutung hat Klinker für die Wertigkeit und Nachhaltigkeit von Architektur? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Ich empfehle meinen Studenten, die Werke von Pier Paolo Pasolini anzusehen. Einer seiner Filme „Mamma Roma“ spielt im Parco degil Acquedotti, als dort in den 60er Jahren sozialer Wohnungsbau entstanden ist. Die teilweise erhaltenen Aquädukte, beziehungsweise das Restmauerwerk, die amorphen Volumen im Kontrast zu den weißen, orthogonalen Siedlungsbauten, die in langen Einstellungen gegenübergestellt werden, sagen eigentlich alles über Nachhaltigkeit aus. Es spielt keine Rolle, ob der Ziegelstein gerissen, gebröckelt oder einfach nicht mehr im Originalzustand ist. Der Ziegel überdauert Zeit, ohne an ansehbarer Qualität zu verlieren. Das Material bleibt schön.« Was macht für Sie den Unterschied zwischen der Wirkung jahrhundertealter Baukunst und zeitgenössischer Architektur aus? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Von der antiken Architektur bis hin ins letzte Jahrhundert waren Wände monolithisch. Seit der Moderne gibt es nun den mehrschichtigen Wandaufbau. Das ist eigentlich der größte Unterschied. In der Regel ist eine mehrschichtige Wand eines Bauwerks ablesbar. In der Ziegelarchitektur lässt eine derartige Konstruktion die Fassade zur Tapete verkommen. Meiner Meinung nach ist das sehr fragwürdig und es bedarf erheb licher Anstrengung, eine solche Wandkonstruktion monolithisch wirken zu lassen.« Wo liegen die Qualitäten des Klinkers? Was macht ihn unverwechselbar? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Wie schon gesagt, der Ziegel ist ein langlebiges und zeitloses Material. Über Jahre und Jahrhunderte kann der Stein überdauern und wird damit dem zur Herstellung nötigen hohen Energiebedarf gerecht. Je nach Art der Herstellung und Verarbeitung bekommt er ein besonderes Aussehen, das er in der Regel auch nicht verliert. In einem meiner Projekte besteht selbst der Fußboden aus dem gleichen Ziegel wie die Außenverblendung, nur dass der Stein im Innenraum geschliffen wurde. Auch da wird deutlich, dass die Einsatzmöglichkeiten des Ziegels in der Fassade nicht aufhören. Es ist ein sehr robustes und pflegeleichtes Material. Zudem lässt sich die Ziegelwand wunderbar reparieren und ergänzen.« Was sind seine Grenzen? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Wenn wir von heutigen Bedingungen ausgehen, ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem die Druckfestigkeit des Materials nachlässt und man mit anderen Baustoffen, Stahl oder Beton, nachhelfen muss. Dementsprechend ist er nicht in jeder Situation einsetzbar.« Ist der Klinker ein Baustoff der Zukunft? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Selbstverständlich. Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen – und ich will das nicht auf den Ziegel beschränken, gemeint ist auch das Hintermauerwerk – dann ist das Material Ziegel sicherlich vorbildlich, was zum Beispiel das Raumklima angeht. Städte, die aus Ziegel gebaut sind, lassen extreme Klimaschwankungen von Tag zur Nacht deutlich angenehmer erleben. Auch die haptische Erlebbarkeit ist ein wichtiges Kriterium, das der Stein erfüllt. Schon aus diesem Grund ist er ein Baustoff der Zukunft.« Was wünschen Sie sich von ihm? Welche Anforderungen wird er erfüllen müssen? In welche Richtung sollte er sich entwickeln? Prof. Nikolaus Bienefeld: »Heutzutage bekommt der Ziegel gerne ein Korsett und Anforderungsprofil verpasst. Da muss jeder Stein dem anderen gleichen – gemeint ist eine Vereinheitlichung von Farbe und Oberfläche, Professor Nikolaus Bienefeld spricht im Interview über die ungebrochene Relevanz des Ziegelsteins. was nur durch besondere Zusätze und größere Anstrengung zu leisten ist. Das ist in der Natur nicht so. Selbst unsere Haut ist an jeder Stelle verschieden. Das muss man auch den Baumaterialien zugestehen. Die Vereinheitlichung, dass alles rissfrei, blank und perfekt sein müsse, ist architektonisch sehr fragwürdig. Von der Art des Lehms, der Brandtechnik, der Temperatureinstellung über individuelle Maße, die Möglichkeiten des Verbandes, die Formate des Ziegels bis hin zur Oberflächengestaltung und -bearbeitung sowie der Art der Verfugung – es gibt unendlich viele Möglichkeiten, eine Ziegelwand zu formen, zu gestalten. Die Unterschiedlichkeiten eines jeden einzelnen Steins lassen das Gesamtbild einer Fassade erst lebendig werden. Das Licht- und Schattenbild auf der Mauerwerksfläche wirkt somit natürlicher. Ein immer gleiches Material lässt eine Fläche uniform und leblos erscheinen.« Herausgeber: Hagemeister GmbH & Co. KG, Klinkerwerk Buxtrup 3 · D-48301 Nottuln Telefon 00 49 - 2502 8040 Telefax 00 49 - 2502 7990 [email protected] www.hagemeister.de Redaktion und Grafik-Design: presigno GmbH, Dortmund Fotos: Ulrich Metelmann, Ratingen Weitere Fotonachweise am Bildrand