Kostüm + Bühne 1 2 3 4 CHRISTIAN LACROIX S & DIE OSTERFESTSPIELE SALZBURG alzburg zu Ostern: zu keiner anderen Zeit des Jahres findet man in der Mozart-Stadt ein derartig fachkundiges, elitäres und elegantes Publikum. Einzigartig ist die fast familiäre Atmosphäre unter den Besuchern, darunter hochkarätige Sponsoren aus Wirtschaft, Industrie, Kunst und Kultur, einzigartig auch der weltweit beispielhafte Förderverein der Festspiele. Ihre Beiträge ermöglichen die finanzielle und künstlerische Unabhängigkeit eines der glanzvollsten Festivals der Welt, belohnt werden sie mit einem Programm von Oper, Orchester- und Chorkonzerten, Kammerkonzerten und Jugendprojekten auf höchstem künstlerischem Niveau. Seit 2013 ist der Dirigent Christian Thielemann künstlerischer Leiter und die Sächsische Staatskapelle Dresden das neue Orchester der Osterfestspiele. Im Fokus der Osterfestspiele 2016 ste18 hen der Komponist Giuseppe Verdi und der Dichter William Shakespeare, der wie kein anderer die Musikwelt durch die Jahrhunderte angeregt hat. Dessen Tragödie Otello, the Moor of Venice verwendete Arrigo Boito als Vorlage zu dem Libretto für ein Meisterwerk der italienischen Opernliteratur, für Otello von Guiseppe Verdi. Das Werk über Liebe und Leidenschaft, über Eifersucht, Betrug und Mord ist schon bei der Uraufführung 1887 an der Mailänder Scala ein unbeschreiblicher Erfolg. Garant für den Salzburger Erfolg ist die auserlesene Besetzung u.a. mit Johan Botha als Othello und Dorothea Röschmann in der Rolle der Desdemona. OPER, BALLETT UND SCHAUSPIEL Das Interesse der modeaffinen Besucher gilt aber Christian Lacroix, der für die Kostüme verantwortlich ist. Denn er ist den meisten Besuchern in erster Linie als Designer atemberaubender Haute Couture bekannt und das noch nach Jahren seines Rückzugs. Doch was vielen weniger bekannt sein wird, ist seine umfangreiche und sehr erfolgreiche Tätigkeit als Kostümbildner. Parallel zu seiner Arbeit in der Modebranche beginnt er bereits in den Achtzigerjahren Kostüme für Oper, Ballett und Schauspiel zu entwerfen, u.a. für die Metropolitan Oper in New York, das Théatre de la Monnaie in Brüssel, für die Wiener Staatsoper. Mit dem Regisseur der Osterfestspiele 2016, Vincent Boussard, das Bühnenbild stammt von Vincent Lemaire, Damen-Rundschau 3/2016 Fotos: steFan Knauer, WilFried hÖsl, clÄrchen und matthia baus, salome, brinKhoFF/mÖGenburG, moniKa rittershaus Parallel zu seiner Tätigkeit als Couturier begann Lacroix in den 1980er Jahren, für Oper, Ballett und Schauspiel Kostümbilder zu entwerfen: 1 Ballszene aus I Capuleti e i Montecchi/ Bayerischen Staatsoper, 2014. 2 Lacroix-Entwurf für Schiaparelli. 3 Candide /Berliner Staatsoper, 2011 4 Entwurf für das Kleid der Juliette in I Capuleti e i Montecchi, Bayerischen Staatsoper, 2014. 5 Salome/ Theater St.Gallen, 2012 6 Radamisto/Theater an der Wien, 2013 7 La fanciulla del West/Staatsoper Hamburg, 2015 8 Show me/Friedrichstadtpalast Berlin, 2012 9 Lacroix Pret-a-porter Herbst/Winter 2008-09 6 5 7 8 verbindet ihn eine langjährige Zusammenarbeit unter anderem an der Bayerischen Staatsoper in München, an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, am Theater St. Gallen, an der Oper Frankfurt, der Staatsoper Hamburg und im Theater an der Wien. Für die Tourneen von Mireille Mathieu und Madonna entwirft er deren Outfits. Opulente Kleider Es scheint so, dass Christian Lacroix nun endgültig bei seiner eigentlichen Bestimmung angekommen ist. Der in Arles/Frankreich geborene Designer studierte Französische Literatur, danach Kunstgeschichte an der Sorbonne in Paris und wollte Museumskurator werden. Thema seiner Doktorarbeit war die Kleidung in Gemälden des 17. Jahrhunderts. Zur Mode bringt ihn Francoise Rosenthiel, die Anfang der 70ger Jahre für Hermès arbeitet. 1974 heiratet das Paar. Durch seine Frau erhält er ab 1978 die Stelle als Zeichen-Assistent in der Mode-Abteilung bei Hermès. 1980 wechselt er zu dem Designer Guy Paulin und zeichnet von 1981 bis 1987 für Damen-Rundschau 3/2016 die Haute Couture-Kollektion des Hauses Jean Patou verantwortlich. Ab 1987 betreibt er eine eigene Modemarke, die 2009 insolvent wird. Seine opulenten Kleider aus Brokat und Seide, mit Schleifen, Puffärmeln und gebauchten Röcken - er gilt als Erfinder des Ballonrocks Le pouf - seine überdimensionalen Hüte und Schnürstiefel erinnerten immer ein wenig an historische Vorbilder. Die Firma XCLX gründet er 2005, sie befasst sich mit dem Design von Theaterkostümen, Hotel- und Inneneinrichtung oder Parfüms für den Kosmetikkonzern Avon. Das Design des Innenraums der neuen TGV Züge auf der Strecke Frankfurt-Saarbrücken-Paris und Stuttgart-Straßburg-Paris stammen von ihm, ebenso eine Straßenbahn mit einem Meeres-Design in der Stadt Montpellier. Mitte 2010 wird Lacroix zum künstlerischen Berater der französischen Münzprägeanstalt ernannt. Eva vonSchilgen 9 Osterfestspiele Salzburg 19.-28 März 2016 www.osterfestspiele-salzburg.at 19 und in Nantes gestaltete. Vielleicht ein wenig spät, ja, aber nicht so sehr. Denken Sie daran, dass meine Generation - ich wurde 1951 geboren - eine formale, traditionelle Ausbildung mit klassischen Studien erhielt, um unsere Eltern zu erfreuen und zu beruhigen. Ich habe Latein, Griechisch und Kunstgeschichte studiert, zunächst an der Universität von Montpellier und dann in Paris an der Sorbonne und an der École du Louvre … Sehr langweilig, zumal ich etwas Verrücktes wie eine Art „englischer DandyAtmosphäre“ erwartet hatte; das war nicht der Fall. Museen waren hauptsächlich stau- Interview mit Christian Lacroix eine andere Dimension In einem Interview zu den Osterfestspielen Salzburg erläutert Christian Lacroix, dass die Arbeit für den Laufsteg und die Opernbühne gar nicht so verschieden ist, wie man glaubt. Er verrät, aus welchen Materialien seine Kostüme für Otello gemacht werden und welche Stilepochen sie kombinieren. Sie haben einmal gesagt, dass es ein Kindheitstraum von Ihnen war, Kostümbildner zu werden. Warum hat es letztlich relativ lange gedauert, bis dieser Traum Wirklichkeit wurde? Christian Lacroix: Ich war als Kind durch jede Art von Darbietung fasziniert, von allem, was mir das Gefühl einer Flucht aus dem täglichen Leben und der Wirklichkeit ermöglichte; von allem, was mich in Fantasiewelten und andere Epochen führte: armselige Straßentheater im Süden Frankreichs, Opernfestspiele im Sommer, Filme, etc., jede Art von „Show“, auch Fernsehen – all das in den 1960er Jahren. Und ich habe immer eine Menge Skizzen angefertigt, Hunderte von Blocks voll, seitdem ich fünf Jahre alt war, bis heute, vor allem Kostüme, weit mehr als Mode. Damit eröffnete ich mir gleichsam eine andere Möglichkeit, als Kostümbildner zu arbeiten, mehr denn als Couturier, zumal auch die 1980er-Jahre eine Ära opernhafter, theatralischer Kleider waren. Ich war in meinen Dreißigern, als ich meine ersten Kostüme für die Opéra Comique in Paris 20 big, und ich konnte mir nicht vorstellen, als Kurator zu arbeiten. Ich war Mitte Zwanzig, als ich mein Studium abbrach und, dem Rat von Freunden aus der Modebranche folgend, begann, meine Entwürfe Leuten aus Modehäusern und Theatern zu zeigen. Herr Lagerfeld hat mich sehr ermutigt und mich seinen Freunden empfohlen, die am Theater arbeiteten. Aber der erste Job, den ich bekam, war bei Hermès als Praktikant im Jahr 1978 oder 1979. Und im Jahr 1981 wurde ich dann als künstlerischer Leiter von dem Haus Jean Patou engagiert, das in den 1920er Jahren gegründet worden war. Alles ging damals sehr schnell! Ein paar Saisons später sah ein Regisseur, Jean-Luc Tardieu, meine Couture-Modelle im Fernsehen und schrieb mir, er erkenne meine Zukunft als Kostümbildner in dieser Kollektion, und so bat er mich, für seine Inszenierung von Edmond Rostands Chantecler im Jahr 1986 in Nantes die Kostüme zu entwerfen. Was macht Oper und Theater so faszinierend? Lacroix: Oper und Theater sind überlebensgroß. Sie bringen uns in eine andere Dimension. Sie gehen weit über das tägliche Leben hinaus. Wie ist die Opernbühne mit dem Laufsteg zu vergleichen? Letztendlich sind beide eine Art von „Bühne“ mit „Darstellern“. Lacroix: In gewisser Weise, ja. Insbesondere zu meinen Anfängen war Mode exzentrisch, extravagant, inspiriert von Bühnenheldinnen, Erzählungen und Filmen, von Literatur, historischen Figuren und Gemälden. Mode soll Menschen dabei unterstützen, ganz sie selbst zu sein, durch das Ideal eines Erscheinungsbilds: Sie zeigen ihre Persönlichkeit, indem sie eine Figur darstellen, die sie selbst wählen. In den 1980er und 1990er Jahren waren Supermodels Schauspielerinnen noch ähnlicher. Sie wollten die Inspiration dahinter und die Absicht der Kollektion kennen und verhielten sich auf dem Laufsteg entsprechend dem, was ihnen die Designer sagten. Das ist heute im Allgemeinen vorbei – aber es scheint bei einigen jungen Designern wiederzukehren. Sie haben bereits die Kostüme für mehrere Verdi-Opern gestaltet, aber dies ist Ihr erster Otello. Wie nähern Sie sich dieser Oper als Kostümdesigner? Lacroix: Ich bin kein Regisseur. Als Kostümbildner höre ich mir Stunden über Stunden an, was der Regisseur – in unserem Fall Vincent Boussard – im Sinn hat und mich fragt. Diese Produktion wird eine Mischung aus traditionellen, historischen Kostümen und zeitgenössischen bzw. „zeitlosen“ Elementen. Als ich die Kostüme für Shakespeares Othello in Paris in den frühen 1980er Jahren für Anne Delbée entwarf, war das völlig anders. Ihre Vision war dunkler: Alles war schwarz, mit Fleisch- oder Metall-Akzenten und viel Patina. Vintage-Biker-Ledergewand verwandelte sich in ein Renaissance-Outfit, auch Flickwerk von alten Kostümen war dabei. Die Salzburger Produktion wird graphischer, gepflegter, reiner. Vielleicht sollte ich mich eines Tages selbst als Regisseur versuchen, mit meinem eigenen Ansatz, aber momentan trage ich lediglich dazu bei, die Auffassung und Fantasie der Regisseure zu veranschaulichen. Ihre Haute Couture und Ihre Bühnenkostüme waren bislang elegant, oft recht opulent und auch sehr farbenreich. Ihre Figurinen für Otello und auch Damen-Rundschau 3/2016 Fotos mit freundlicher Genehmigung der Osterfestspiele Salzburg Bühne + Kostüm Vincent Lemaires Fotocollagen für Bühne und Kostüme sind wiederum sehr elegant, aber zeigen eine Dominanz dunkler Farben, Schwarz und Weiß, Grau, Silber, altes Gold ... Braucht eine dunkle Geschichte dunkle Bühnenbilder und Kostüme? Lacroix: Schwarz ist die wahre Farbe, sie ist die Summe aller anderen Farben. Sie hat die Anmutung von etwas Scharfem und Dynamischem, wie eine Tinten-Skizze. Nur die erste Hälfte der Oper wird so dunkel sein, die zweite ganz in Rot, Orange und Fuchsia gehalten, mit Damast, Samt und Brokat. Schwierig wird es dann, wenn man es mit mehreren Besetzungen zu tun hat oder mit Repertoirestücken, die über viele Jahre von vielen verschiedenen Künstlern gespielt werden. Otello ist ein mächtiger Mann – aber er ist auch schwach. Ist es möglich, die Ambivalenz seines Charakters und dessen Entwicklung im Laufe der Oper mittels Kostüm auszudrücken? Vincent Boussard erklärte, dass er eine spezifische „Zeit“ für Otello mithilfe der Kombination von Elementen aus verschiedenen Zeiten zu finden suche. Welche Epochen und Elemente werden Sie kombinieren, um diese besondere Zeit zu kreieren, und mit welchen Materialien und Accessoires? Lacroix: Ich habe ihm einerseits eine ganze Menge von Gemälden aus dem 16. und 17. Jahrhundert und andererseits zeitgenössische Mode gezeigt. Wir haben viele Arten von edlen Stoffen dabei. Wir kombinieren alte Opernkostüme und Uniformen mit hochwertigem Taft, Samt und Satin, etwas Silber und Gold-Lamé, einige werden mit Neopren umsäumt, um graphische Konturen zu erzielen, dazu moderne Drapierungen, für eindrucksvolle Silhouetten. Richten Sie Ihr Augenmerk bei der Gestaltung der Kostüme auf die Figuren Otello, Desdemona, Iago etc. oder deren Darsteller, also José Cura, Dorothea Röschmann, Carlos Álvarez? Anders gefragt: Wie wichtig ist der spezifische Darsteller für das Kostümdesign? Lacroix: Diesen Fehler habe ich als Anfänger gemacht: ausschließlich auf die Sichtweise des Regisseurs zu hören. Für Così fan tutte zum Beispiel wollte der Regisseur Fiordiligi, Dorabella, Ferrando und Guglielmo sehr jung - ziemlich moderne Jugendliche, halb nackt an einem italienischen Strand. Dann kamen wir darauf, dass die Besetzung hierfür weder das richtige Alter noch das entsprechende Profil oder Auftreten besaß. Für mich ist es heute unmöglich, Kostüme zu gestalten ohne die Besetzung zu kennen. Sie müssen die Konturen, den Stil und die Persönlichkeit des Sängers oder Schauspielers im Auge haben, um an der Figur, die er spielt, arbeiten zu können. Damen-Rundschau 3/2016 Lacroix: Gefragt nach dem Unterschied zwischen Mode und Bühnenkostümen, habe ich stets geantwortet, dass Mode aus der Ferne unauffällig sein kann, aber aus der Nähe exquisit, besonders und raffiniert wirken muss, während Bühnenkostüme ausdrucksstark, grell und aus der Ferne hervorstechend sowie bei Weitem nicht so detailgenau ausgearbeitet sein müssen. Aber ich habe das Glück, in der Lage zu sein, mit den besten Häusern arbeiten zu dürfen wie der Pariser Oper, der ComédieFrançaise und jetzt in Salzburg, wo die Werkstätten derartige Fähigkeiten und Kenntnisse besitzen, dass sie mit den Materialien so umgehen können, wie das bei Couture der Fall ist. Infolgedessen kann ich für die Bühne genau so gestalten, wie ich das für Laufstege und Salons gewöhnt war. Ich denke, das sieht man aus der Ferne – und es ist auch viel besser so für die Künstler auf der Bühne. Interview und Übersetzung: Martin Riegler Kostümentwürfe von Christian Lacroix für die Osterfestspiele Salzburg 2016. Otello,Titelfigur (oben) Desdemona (Gattin des Otello) und den Chor (r.). Lacroix: Gewiss: mit einer Art HarnischMantel und einem „Schutzpanzer“ aus Brokat und dazu dem Effekt der nackten Brust darunter oder einem sehr dünnen Hemd, gleich einer zweiten Haut. Wir haben Kostüme, Make-up und Frisur ursprünglich für Johan Botha geplant, müssen sie aber jetzt umgestalten, um diesen Ausdruck von Macht und Schwäche nun mit der Persönlichkeit von José Cura zu erzielen. Obwohl Details von Opernkostümen für das Publikum weit weniger sichtbar sind als bei Haute Couture in einer Modenschau, arbeiten Sie offenbar sehr detailgenau für jede einzelne Person auf der Bühne. Sind Sie detailverliebt? 21