Zu den Anforderungen an die Werbung für Kapitalanlageprodukte

Werbung
UVS Wien
Kapitalmarktrecht
Werbung für Unternehmensanleihen mit dem Slogan „sicher, einfach und
ertragreich sparen!“; Irreführungseignung der Werbeaussage; Erfordernis von
Risikohinweisen in der Werbung; Zulässigkeit der Bezeichnung „Sparanlage“;
Konsistenzgebot
Rechtliche Beurteilung
Zur Entscheidung über Spruchpunkt 1. der angefochtenen
Straferkenntnisse
In den Straferkenntnissen wurde den Beschuldigten unter Spruchpunkt 1. eine Verletzung des § 4 Abs 3 zweiter Satz KMG
mit der Begründung angelastet, dass durch
die Aufmachung der Homepage mit Sparschweinen aufsteigender Größe und der
sich darüber befindlichen Werbeaussage
„sicher, einfach und ertragreich sparen“
eine „sichere“ Sparform suggeriert werde
und damit in einer Werbung irreführende
Angaben gemacht würden.
Nach der Aktenlage und den Parteienvorbringen ist es unstrittig, dass es sich bei den
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KMG: § 4 Abs 3, § 16 Z 3
UVS Wien 1. 3. 2010,
UVS-06/FM/40/4789/2009-5
Spar-Anleihen um Unternehmensanleihen
handelt, die durch ein prospektpflichtiges,
öffentliches Angebot auf den Markt gebracht wurden. Da es sich um eine Daueremission handelt (während der gesamten
Laufzeit vom 1. 9. 2008 bis zum 1. 9. 2017
können Spar-Anleihen erworben werden)
und die Homepage nach Beginn der Angebotsfrist (relevant ist nach der Anlastung
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Judikatur
Zu den Anforderungen an die Werbung für
Kapitalanlageprodukte nach § 4 Abs 3 KMG
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Judikatur
228
im Straferkenntnis nur der Zeitraum 6. 10.
2008 bis 22. 4. 2009) im Internet abrufbar
war, kommt das KMG zur Anwendung (zum
zeitlichen Anwendungsbereich des KMG
siehe auch UVS Wien vom 24. 4. 2008,
UVS-06/FM/27/10559/2007-13 ua).
Dass es sich bei der oben dargestellten
Homepage um eine Werbung für die SparAnleihen handelt, ergibt sich unzweifelhaft
aus dem Erscheinungsbild der Homepage.
Gegenteiliges wurde von den Beschuldigten in keinem Stadium des Verfahrens behauptet. Unstrittig ist auch, dass sich diese
Werbung auf ein öffentliches Angebot iSd
§ 1 Abs 1 Ziffer 1 KMG für Wertpapiere
bezieht, die der Prospektpflicht unterliegen. Die Voraussetzungen des § 4 Abs 1
KMG sind daher verwirklicht und hatte die
Homepage als Werbung den Kriterien des
§ 4 Abs 2 bis 5 leg cit zu entsprechen.
Nach § 4 Abs 3 zweiter Satz KMG dürfen
Angaben in einer Werbeanzeige nicht unrichtig oder irreführend sein. Dass die Werbung unrichtige Angaben enthielte, wurde
den Beschuldigten nicht zur Last gelegt. Der
verwaltungsstrafrechtliche Vorwurf liegt in
der Irreführung durch die spezifische Aufmachung der Homepage […].
Wie vom UVS Wien bereits mehrfach
dargelegt (vgl zB Berufungsbescheid vom
19. 5. 2009, UVS-06/FM/40/6644/2008-9)
stellt der Gesetzgeber mit der Bestimmung
des § 4 KMG eine spezielle Vorschrift für
korrekte Werbung im Zusammenhang mit
einem öffentlichen Angebot für Wertpapiere
und Veranlagungen auf. § 4 KMG ist eine
Schutzbestimmung zugunsten potenzieller
Anleger vor Beeinflussung durch unkorrekte Werbung für ein öffentliches Angebot
von Wertpapieren oder Veranlagungen.
Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert der Werbeanzeige, wie er von einem
durchschnittlichen Anleger von Wertpapieren (hier konkret von Unternehmensanleihen) verstanden wird. Maßfigur ist der
vernunftbegabte, durchschnittlich gebildete
und informierte Anlegerinteressent.
Die Wortfolge „sicher, einfach und ertragreich sparen“ kann im Zusammenhang
mit mehreren Sparschweinen aufsteigender
Größe nach allgemeinem Verständnis der
hier heranzuziehenden Maßfigur (ein interessierter Anleger in Unternehmensanleihen
kann grundsätzlich aus jeder Bevölkerungsund Bildungsschicht kommen), mit einer
sicheren Sparform assoziiert werden. Soweit kann der FMA gefolgt werden. Aus
der Begründung des Straferkenntnisses ist
erschließbar, dass der Vorwurf gegen die Beschuldigten darin besteht, mit dieser Werbeaussage „eine Sicherheit wie bei einem Sparbuch zu suggerieren, obwohl die mit einem
Sparbuch verbundene Einlagensicherung
nicht gewährleistet wäre“. Zudem würde
durch die Verwendung der Wörter „sicher“
und „ertragreich“ der Eindruck erweckt, ein
Wertverlust sei nicht möglich […].
Bei der Beurteilung dieser Aspekte ist
zu berücksichtigen, dass es sich bei der
Homepage eben (und notgedrungen, da
anderenfalls § 4 KMG nicht einschlägig
wäre) um eine Werbung handelt. Nach der
Rechtsprechung des VwGH sind als Werbung Anpreisungen von Waren und Dienstleistungen, mit welchen ein Güteurteil
verbunden ist, nicht aber Angaben rein beschreibender Natur zu verstehen. Wird eine
Betriebsbezeichnung oder ein Markenname
genannt, so kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass damit bestimmte
Dienstleistungen oder Waren angepriesen (=
beworben) werden (VwGH 19. 10. 2001,
2001/02/0152; 26. 4. 2002, 2002/02/0020).
Der Begriff der Werbung umfasst jedoch
nicht bloß wirtschaftliche Werbung in dem
Sinn, dass damit Güter, Dienstleistungen,
etc angepriesen werden sollen, um einen
wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen; vielmehr
sind auch Maßnahmen, die nicht darauf
abzielen, einen wirtschaftlichen Erfolg zu
erzielen, sondern Menschen in einem anderen Sinn zu beeinflussen, als Werbung zu bezeichnen (VwGH 8. 7. 2005, 2004/02/0402;
23. 11. 2001, 99/02/0287).
Es liegt im Selbstzweck einer Werbeanzeige begründet, dass in ihr die Vorteile eines
Produktes anpriesen werden. Für Werbeanzeigen die dem § 4 KMG unterliegen gilt
zwar ein „objektivierter“ Maßstab, § 4 leg
cit geht aber nicht so weit, dass es zu einer
de facto Umkehr der Werbeaussage kommen muss. Auch im Anwendungsbereich
des § 4 KMG darf Werbung eine positive
Anpreisung des Produktes beinhalten.
Bei der Beurteilung einer Werbeanzeige
auf ihre Kompatibilität mit den Vorgaben
des § 4 KMG ist auf das Gesamtbild der
Werbung abzustellen. Für den vorliegenden
Fall bedeutet dies, dass die Homepage in
ihrer Gesamtheit zu beurteilen ist.
Die Einstiegsseite (= die inkriminierte
Seite) der Homepage ist nicht nur mit Sparschweinen und der Überschrift „sicher, einfach und ertragreich sparen!“ gestaltet, sondern enthält auch das Spar-Logo (Schriftzug
SPAR verbunden mit einem Nadelbaum in
einem Kreis), spricht von „SPAR Anleihen“
und stellt den „aktuellen Zinssatz“ dar. Für
einen Durchschnittsanleger ist daher unzweifelhaft erkennbar, dass es sich um eine
Homepage der Spar AG handelt und wird
er diese in Österreich sehr bekannte Marke
als „Supermarktkette“ identifizieren. Ein
Konnex zu einer Bank oder Sparkasse wird
durch diese Aufmachung nicht hergestellt.
Für den Durchschnittsanleger ist auch ohne
Weiteres erkennbar, dass das angebotene
Produkt eine Anleihe und kein Sparbuch
ist. Dies zum einem aus der Bezeichnung
„Anleihe“ und zum anderen aus dem Allgemeinwissen, dass „Lebensmittelhändler“
keine Sparbücher vertreiben. Wird das Produkt nicht als Sparbuch beworben, kommt
auch dem Argument der Einlagensicherung
keine Bedeutung zu, da ein Durchschnittsanleger eine solche staatliche Finanzabsicherung mit Anleihen nicht in Verbindung
setzt. Das Wort „sicher“ bedeutet schon im
allgemeinen Sprachgebrauch keine absolute
Sicherheit, sondern ist auch für die Maßfigur erkennbar, dass auch in „sicheren“
Bereichen Risiken bestehen bleiben. Für den
vorliegenden Fall bleibt als Restrisiko eine
Zahlungsunfähigkeit der Spar AG. Diese
für jede natürliche und juristische Person
denkbare Zahlungsunfähigkeit verbietet
aber nicht die Verwendung des Wortes
„sicher“ in einer Werbung für Anleihen.
Zur Verwendung das Wortes „sparen“ ist
auf § 31 BWG hinzuweisen, der in Abs 1
Sparurkunden bzw Spareinlagen („sind
Geldeinlagen bei Kreditinstituten, die
nicht dem Zahlungsverkehr, sondern der
Anlage dienen und als solche nur gegen
die Ausfolgung von besonderen Urkunden
(Sparurkunden) entgegengenommen werden dürfen“) definiert und in Abs 2 diese
Sparurkunden einem besonderen Schutz
unterstellt […].
Durch diese Regelung stellt der Gesetzgeber Spareinlagen, nicht aber sonstige
Finanzprodukte unter Schutz. Die Vorbehaltsregel für das Wort „spar“ in § 31
Abs 2 BWG ist eng gefasst und normiert
nach dem klaren Wortlaut lediglich einen
besonderen Schutz von Sparurkunden. Es
besteht keine Veranlassung, diesen Schutz
auf andere Wortkombinationen, die das
Wort „spar“ enthalten, auszudehnen. Die
Wortkombination „Sparanlage“ ist daher
frei verwendbar. Im konkreten Fall gilt es
überdies zu berücksichtigen, dass das Wort
„Spar“ nicht nur ein Teil des Firmennamens
der Spar AG, sondern auch ein maßgebliches Element des Firmenlogos ist.
Der UVS teilt im Ergebnis die Ansicht
nicht, dass mit der Homepage der Gesamteindruck einer mit einem Sparbuch verbundenen Sicherheit suggeriert und damit
eine irreführende Angabe in einer Werbung
gemacht wurde. Da die Beschuldigten die
ihnen angelastete Verwaltungsübertretung
nach § 4 Abs 3 zweiter Satz KMG nicht begangen haben, waren die Straferkenntnisse
in ihrem Spruchpunkt 1. zu beheben und die
Verfahren in diesem Umfang einzustellen.
Zur Entscheidung über Spruchpunkt 2. und 3. der angefochtenen
Straferkenntnisse
Der UVS Wien vertritt die Ansicht, dass in
Spruchpunkt 2. de facto dieselbe Verwaltungsübertretung wie in Spruchpunkt 1. ein
zweites Mal angelastet wurde. Grundsätzlich liegt eine Übertretung des § 4 Abs 3
zweiter Satz KMG schon dann vor, wenn
in einer Werbung auch nur eine Passage
irreführend ist. Einer weiteren Bestrafung
für jede weitere irreführende Aussage in
derselben Werbung stünde das Verbot der
Doppelbestrafung entgegen. Wäre Spruchpunkt 1. in Rechtskraft erwachsen, hätte
Spruchpunkt 2. schon aus diesem Grund
behoben werden müssen. Da jedoch Spruchpunkt 1. aufgehoben wurde, gilt es auch
Spruchpunkt 2. zu prüfen, wobei auf die
Ausführungen über die Bewertung der
Sicherheit auf Spruchpunkt 1. zu verweisen ist. Die im Spruch getroffene Wertung,
dass die Spar-Anleihe „nicht die Sicherheit
einer wertbeständigen Sparform bietet“
trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Die
Spar AG bietet Unternehmensanleihen mit
einem fixen Zinssatz (gestaffelt nach der
Laufzeit) an und haftet dafür mit ihrem
gesamten Firmenvermögen. Weshalb diese Sparform nicht wertbeständig sein soll,
bleibt unbegründet. Wertbeständig bedeutet nicht, dass das Finanzinstrument einer
Einlagensicherung unterliegen muss. Aus
dem Hinweis auf die Haftung mit dem gesamten Vermögen […] ergibt sich die Grenze der Sicherheit bzw Wertbeständigkeit.
Gerät die Spar AG in Zahlungsunfähigkeit
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denen Liquiditätskosten dargestellt. Ein
Widerspruch zwischen der Werbung und
dem Prospekt liegt daher nicht vor. Ob im
Sachverhaltselement des Spruchpunktes 3.
eine irreführende Aussage zu sehen ist, hatte der UVS nicht zu prüfen, da damit die
„Sache“ des Berufungsverfahrens überschritten worden wäre.
Da die Beschuldigten die ihnen angelastete Verwaltungsübertretung nach § 4
Abs 3 dritter Satz KMG nicht begangen
haben, waren die Straferkenntnisse in ihrem
Spruchpunkt 3. zu beheben und die Verfahren in diesem Umfang einzustellen.
Anmerkung der Bearbeiter
1. Der hier zu besprechenden Entscheidung lagen Straferkenntnisse der FMA
zugrunde, die sich gegen die Werbung für
Unternehmensanleihen auf der Homepage
der Emittentin richteten. Die Anleihen
werden von einem großen österreichischen
Lebensmittelkonzern begeben und – unter
Verwendung des Firmennamens bzw der
Wortbildmarke der Emittentin – als „Sparanlage“ beworben. Die FMA sah § 4 Abs 3
KMG zunächst durch die Aufmachung der
Homepage verletzt; es werde eine sichere
Sparform suggeriert, zumal die Homepage
von Sparschweinen in aufsteigender Größe
dominiert sei und außerdem mit dem Slogan
„sicher, einfach und ertragreich sparen!“
geworben werde. Weiters erblickte die FMA
eine Irreführung darin, dass Vorteile hervorgehoben würden, ohne dass auf mögliche
Risikofaktoren hingewiesen würde, da nach
Ansicht der Behörde die beworbenen Unternehmensanleihen nicht die Sicherheit einer
wertbeständigen Sparform böten. Zuletzt
sah die FMA auch einen Widerspruch zwischen den Angaben auf der Homepage und
dem Prospekt, da im Falle der vorzeitigen
Kündigung der Anleihen Liquiditätskosten
abgezogen würden, auf der Homepage
jedoch die Information abrufbar sei, dass
keinerlei Spesen und Gebühren anfielen. Der
UVS Wien hob über Berufung die Straferkenntnisse in allen drei Punkten auf und
stellte das Verfahren ein.
2. Die E ist zunächst schon deswegen beachtlich, weil sie Rechtsausführungen zum
Irreführungsverbot des § 4 Abs 3 KMG1)
enthält. Dieses Irreführungsverbot ist Teil
der kapitalmarktrechtlichen Informationsmaxime, die ihren Ursprung primär darin
hat, dass es dem einzelnen Anleger oft nicht
möglich sein wird, die für seine Anlageentscheidung relevanten Informationen selbst
zu beschaffen.2) Auch wenn die E vor dem
Hintergrund des § 4 KMG getroffen wurde,
können ihre wesentlichen Aussagen mutatis
mutandis für andere Tatbestände der Irreführung wie § 2 UWG3) oder § 41 Abs 1
1)
2)
3)
Zu diesem siehe Knauder, Zu Fragen irreführender Werbung beim Vertrieb von Kapitalanlagen
und daraus resultierender Schadenersatzansprüche (I), ZFR 2009/58, 97 ff; Zib in Zib/Russ/Lorenz,
KMG § 4 Rz 1 ff.
Vgl Kalss, Anlegerinteressen (2001) 165 f.
Siehe dazu Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG
§ 2 Rz 1 ff; Knauder, Zu Fragen irreführender Werbung beim Vertrieb von Kapitalanlagen und daraus resultierender Schadenersatzansprüche (II),
ZFR 2009/90, 137 ff. Zum Verhältnis des allgemeinen Lauterkeitsrechts zu den kapitalmarktrechtlichen Spezialvorschriften vgl auch Knauder,
WAG4) herangezogen werden, zumal insofern eine teleologische Verwandtschaft dieser Bestimmungen mit jener des § 4 Abs 3
KMG besteht, als sie eine Irreführung des
(Anleger-)Publikums verhindern wollen.
Im Fokus steht dabei jeweils das Ziel, dem
Anleger eine eigenverantwortliche Entscheidung auf wohl informierter Grundlage zu
ermöglichen.5)
3. Die erste Instanz stützte die Straferkenntnisse auf einen behaupteten Verstoß
gegen § 16 Z 3 iVm § 4 Abs 3 zweiter bzw
dritter Satz KMG. Nach § 16 Z 3 KMG
begeht eine Verwaltungsübertretung und
ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu
€ 50.000,- zu bestrafen, wer im Zusammenhang mit einem öffentlichen Angebot
von Wertpapieren oder Veranlagungen, das
nach KMG prospektpflichtig ist, entgegen
§ 4 KMG wirbt.6) Nach Ansicht des UVS
bildet § 16 iVm § 4 Abs 3 zweiter Satz KMG
insofern ein einheitliches Delikt, als eine
Übertretung schon dann vorliegt, wenn in
der Werbung auch nur eine Passage irreführend ist. Einer weiteren Bestrafung für jede
einzelne irreführende Aussage stünde das
Doppelbestrafungsverbot im Wege.
Für die Sichtweise des UVS spricht Folgendes: Die Tathandlung der betreffenden
Verwaltungsübertretung besteht darin, dass
in einer gegen die Vorgaben des § 4 KMG
verstoßenden Weise – nämlich im Fall der
Verwaltungsübertretung nach § 16 iVm § 4
Abs 3 zweiter Satz KMG in irreführender
Weise – geworben wird.7) Schon der Tatbestand stellt somit auf die Werbung als
Ganzes ab, woraus folgt, dass nicht jede
einzelne irreführende Passage einer einheitlichen Werbeaussage für sich den Tatbestand
erfüllt. Ist eine einheitliche Werbung (zB
eine Werbebroschüre oder eine Homepage)
in mehreren Punkten irreführend, liegt demnach nur eine Verwaltungsübertretung vor,
die nur einmal zu ahnden ist. Es werden in
diesem Fall nämlich gerade nicht durch verschiedene selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen, sondern
es wird nur eine einheitliche Tathandlung
gesetzt, die nur unter eine Strafdrohung fällt
und daher auch bloß einmal sanktioniert
werden darf.8)
4. Unstrittig war, dass es sich bei der
gegenständlichen Homepage um eine Werbung iSd § 4 KMG handelt. Diese Norm
bezieht sich – wie schon der Wortlaut des
§ 4 Abs 1 KMG zeigt – auf jegliche Art von
4)
5)
6)
7)
8)
ZFR 2009/58, 97, 99; Zib in Zib/Russ/Lorenz, KMG
§ 4 Rz 12, 27 ff; sowie OGH 20. 1. 2009, 4 Ob
188/08p ZFR 2009/63, 108.
Siehe dazu Brandl/Klausberger in Brandl/Saria,
WAG2 § 41 Rz 10 ff; Graf in Gruber/N. Raschauer,
WAG § 41 Rz 6.
Brandl/Klausberger in Brandl/Saria, WAG2 § 40
Rz 10 ff; Graf in Gruber/N. Raschauer, WAG § 40
Rz 2; Knauder, ZFR 2009/58, 97; Oppitz, Zum
zeitlichen Anwendungsbereich der Werbevorschriften des KMG, GesRZ 2008, 93; Weber,
Kapitalmarktrecht (1999) 363 ff; Winternitz/
Aigner, WAG 26 f.
Vgl Gruber, Das öffentliche Angebot im Kapitalmarktgesetz, ZFR 2007/5, 32 f; Zib in Zib/Russ/
Lorenz, KMG § 4 Rz 47 f.
Zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung
siehe N. Raschauer/Wessely, Verwaltungsstrafrecht Allgemeiner Teil (2005) 49 ff.
Vgl N. Raschauer in N. Raschauer/Wessely, VStG
§ 22 Rz 5.
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Judikatur
(zB in Form eines Konkursverfahrens),
kommt es zu einem Anspruchsverlust. Dies
ist für einen Durchschnittsanleger erkennbar gewesen. Diesbezüglich enthält die Werbung keine irreführenden Angaben.
Der Begründung zu Spruchpunkt 2. ist
aber zu entnehmen, dass der Vorwurf darin
liegt, keinen Risikohinweis in die Werbung
aufgenommen zu haben. In der Werbung
wird zur Frage „Wie sicher ist meine Anlage?“ neuerlich auf die Haftung mit dem
gesamten Vermögen und auf § 12 der Anleihenbedingungen verwiesen.
Zur Frage der Verschweigung von Risikohinweisen in einer Werbung hat sich der
OGH für den Anwendungsbereich des § 4
KMG in seinem Beschluss vom 20. 1. 2009,
40b 188/08p, […] geäußert […]. Diese
Rechtsauffassung, die der OGH ausdrücklich auch auf § 4 Abs 3 KMG stützt, wird
vom UVS Wien geteilt. Insb der Rechtssatz
„Stellt ein Unternehmer eine bestimmte Eigenschaft eines Produkts ausdrücklich als
besonderen Vorteil heraus, so wird er zur
Vermeidung eines unrichtigen Gesamteindrucks auch auf die mit dieser Eigenschaft
zwangsläufig verbundenen Nachteile hinweisen müssen.“ trifft auf den vorliegenden Fall zu. Hätte die Spar AG in ihrer
Werbung den Eindruck vermittelt, dass bei
ihrer Unternehmensanleihe keinerlei Risiko
eines Verlustes bestünde (so hat der UVS
Wien bspw die Werbeaussage für Zertifikate
„Keine Korrelation mit der Kursentwicklung der Aktienmärkte. In volatilen Zeiten
DER Sicherheitsfaktor in jedem Depot“ als
irreführend iSd § 4 Abs 3 KMG beurteilt;
vgl UVS-06/FM/40/6644/2008-9 vom 19. 5.
2009), hätte ein Hinweis auf den Prospekt
nicht ausgereicht, sondern hätte es eines klar
formulierten Warnhinweises auf die denkbare Zahlungsunfähigkeit bedurft. Da diese
„absolute“ Sicherheit nicht in der Werbeanzeige zum Ausdruck gebracht wird, sondern
jeweils auf den Haftungsumfang (gesamtes
Vermögen der Spar AG) abgestellt wird,
bedurfte es keines Risikohinweises auf den
zumindest denkbaren Fall der Zahlungsunfähigkeit der Spar AG.
Der UVS vertritt im Ergebnis die Ansicht,
dass durch das Unterlassen eines Hinweises
auf die denkbare Zahlungsunfähigkeit keine irreführende Angabe in einer Werbung
gemacht wurde. Da die Beschuldigten die
ihnen angelastete Verwaltungsübertretung
nach § 4 Abs 3 zweiter Satz KMG nicht begangen haben, waren die Straferkenntnisse
in ihrem Spruchpunkt 2. zu beheben und die
Verfahren in diesem Umfang einzustellen.
In den Spruchpunkten 3. wurde jeweils
ein Widerspruch der Werbung (in concreto
der Verrechnung von Liquiditätskosten)
zum Prospekt angelastet. Auch für die Bestimmung des § 4 Abs 3 dritter Satz KMG
gilt, dass die gesamte Werbung (hier die
Homepage) dem Prospekt gegenüber gestellt werden muss. Es trifft zwar zu, dass
in der Werbung mit den Worten „spesenfrei“ und „es fallen keinerlei Spesen oder
Gebühren an“ geworben wird, es werden
aber auch […] die Liquiditätskosten für den
Fall einer vorzeitigen Kündigung dargestellt
und mit einem Beispiel erörtert. Im Prospekt werden unter dem Titel „vorzeitige
Rücklösung“ ebenfalls die damit verbun-
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Absatzförderung unabhängig vom gewählten Medium.9)
5. Der UVS sieht in § 4 KMG eine Schutzbestimmung zugunsten potenzieller Anleger,
womit eine negative Einflussnahme unkorrekter Werbung auf die Entscheidung des
Anlegers verhindert werden soll. Dabei ist
zu klären, wie man die Irreführung potenzieller Anleger konkret festzustellen hat.
Nach der E ist dazu der „vernunftbegabte,
durchschnittlich gebildete und informierte
Anlegerinteressent“ als Maßfigur heranzuziehen. Wie aus dem Bereich des UWG
bekannt ist also auch bei der Prüfung der
Irreführung nach § 4 KMG ein normatives Leitbild der Marktgegenseite in Form
eines durchschnittlichen Anlegers zugrunde zu legen.10) Ausschlaggebend ist somit
nicht der durchschnittliche Verbraucher
schlechthin, sondern der durchschnittlich
verständige Anleger,11) wobei es wiederum
nicht auf den Anleger schlechthin, sondern
auf den durchschnittlichen Interessenten
des in Rede stehenden Produkts – hier
eben Unternehmensanleihen – ankommt.
Der UVS orientiert sich dabei insofern an
der lauterkeitsrechtlichen Judikatur, als
nicht auf einen flüchtigen Anleger, sondern
vielmehr auf einen informierten und verständigen Durchschnittsanleger abgestellt
wird.12) Dies ist auch sachgerecht, weil bei
der Kapitalanlage die Entscheidungsfindung
im Regelfall länger und intensiver überlegt
wird als bspw beim Erwerb von Gütern des
täglichen Bedarfs.13)
Beim Durchschnittsanleger als normativer Maßfigur ergibt sich freilich weiterer
Konkretisierungsbedarf. Der OGH ist dabei
im Bereich des UWG jüngst vom gruppenübergreifenden Durchschnittsverbraucher
zu einer differenzierteren Betrachtungsweise
übergegangen: Richtet sich eine Werbung an
verschiedene, nach objektiven Merkmalen
identifizierbare Gruppen, so hat eine gruppenspezifische Prüfung stattzufinden. Der
Tatbestand der Irreführung ist dabei schon
dann erfüllt, wenn die in Rede stehende Geschäftspraktik dazu geeignet ist, das durchschnittliche Mitglied einer dieser Gruppen
in die Irre zu führen.14) Diese Segmentierung
des Durchschnittsverbrauchers in verschiedene Untergruppen hat im Schrifttum teils
Zustimmung gefunden,15) ist aber auch auf
Kritik gestoßen.16) Der UVS nimmt eine
9)
10)
11)
12)
Judikatur
13)
230
14)
15)
16)
Knauder, ZFR 2009/58, 97; Zib in Zib/Russ/
Lorenz, KMG § 4 Rz 3; Zivny, KMG § 4 Rz 8.
Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG § 2 Rz 52.
Ebenso für den Bereich des UWG Krejci, Zur
Anfechtung von Wertpapierkäufen wegen irreführender Werbung und Beratung, ÖJZ 2010/10,
61; Koppensteiner, Zum lauterkeitsrechtlichen
Adressatenbild bei der Bewerbung von Kapitalanlagen, RdW 2010/138, 134.
Zum Lauterkeitsrecht siehe Anderl/Appl in Wiebe/
Kodek, UWG § 2 Rz 60 ff.
Vgl auch Krejci, ÖJZ 2010/10, 62 und Knauder,
ZFR 2009/90, 139, der ausführt, bei Kapitalanlagen dürfe wegen ihrer Bedeutung eine höhere
situationsbedingte Aufmerksamkeit erwartet
werden.
OGH 20. 1. 2009, 4 Ob 188/08p ZFR 2009/63,
108 = MR 2009, 92 mit krit Anm R. Heidinger =
ecolex 2009/274, 694 mit Anm Horak.
Eilmansberger/Rüffler, Zum bei der Bewerbung
von Kapitalanlagen maßgeblichen Verbraucherleitbild, RdW 2010/347, 319.
Krejci, ÖJZ 2010/10, 58; Koppensteiner, RdW
2010/138, 132.
derartige Segmentierung nicht vor, obwohl
er die betreffende E des OGH in anderen
Punkten sehr wohl argumentativ heranzieht. Für den UVS ist offenbar der Durchschnitt des für die jeweilige Anlageform
infrage kommenden Anlegerpublikums in
seiner Gesamtheit heranzuziehen,17) zumal
der UVS explizit anführt, ein interessierter
Anleger in Unternehmensanleihen könne
grundsätzlich aus jeder Bevölkerungs- und
Bildungsschicht stammen.
Der UVS führt zudem aus, dass für die
Beurteilung der objektive Erklärungswert
der Werbeanzeige heranzuziehen sei, wie
er von einem durchschnittlichen Anleger
von Wertpapieren verstanden werde. Mit
diesem Satz ist wohl gemeint, dass die
Irreführung objektiv zu prüfen ist: Schon
die objektive Eignung zur Irreführung des
Publikums reicht aus, es ist darüber hinaus
nicht erforderlich, dass die Werbung von
einzelnen Personen tatsächlich missverstanden worden ist.18)
6. Der UVS hat ferner ausgesprochen,
dass als Prüfgegenstand die gesamte Werbung heranzuziehen ist. Insb im Hinblick
auf das in § 4 Abs 3 KMG enthaltene Konsistenzgebot, wonach die Werbeaussagen
nicht im Widerspruch zu den Angaben im
Prospekt und allfälligen Nachträgen stehen
dürfen,19) ist die Werbung in ihrer Gesamtheit dem Prospekt gegenüberzustellen. Dies
entspricht im Ergebnis der parallelen Situation im Bereich des Irreführungsverbots,
wo die Irreführungseignung am Gesamteindruck der Werbeankündigung zu beurteilen
ist.20) Der Beurteilung eines Werbetextes
sind nach der Rsp nicht einzelne Teile für
sich, sondern ist der Text in seiner Gesamtheit zu unterziehen.21) Der Gesamteindruck
der Werbeankündigung darf dabei nicht in
subtiler und spitzfindiger Weise zergliedert
werden.22) Im konkreten Fall wurde zwar
mit den Worten „spesenfrei“ und „es fallen
keine Spesen und Gebühren an“ geworben,
an anderer Stelle wurde freilich darauf hingewiesen, dass für den Fall vorzeitiger Rücklösung Liquiditätskosten anfallen können.
Da die Liquiditätskosten bei vorzeitiger
Kündigung auch im Prospekt ausgewiesen waren, lag letztlich keine Diskrepanz
zwischen Werbung und Prospekt vor. In
der ersten Instanz wurde demgegenüber
offenbar eine isolierte Prüfung vorgenommen und die Aussagen „spesenfrei“ bzw
„es fallen keine Spesen und Gebühren an“
dem Prospekt gegenübergestellt, der freilich
bei vorzeitiger Rücklösung die Berechnung
von Liquiditätskosten vorsieht. Gegen diese
Vorgehensweise hat sich der UVS mit Recht
17) Dafür auch Krejci, ÖJZ 2010/10, 61.
18) Krejci, ÖJZ 2010/10, 59 f; Knauder, ZFR 2009/90,
139; vgl zum WAG Brandl/Klausberger in Brandl/
Saria, WAG2 § 41 Rz 20; Graf in Gruber/
N. Raschauer, WAG § 41 Rz 6.
19) Zib in Zib/Russ/Lorenz, KMG § 4 Rz 13.
20) Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG § 2 Rz 153
mwN Vgl auch für den Bereich des Kapitalmarktrechts Weber, Kapitalmarktrecht 277.
21) StRsp seit OGH 29. 2. 1956, 3 Ob 94/56; siehe
nur OGH 5. 3. 1974, 3 Ob 30/74 ÖBl 1974,119;
15. 11. 1976, 4 Ob 379/76 ÖBl 1977, 37;
26. 8. 2008, 4 Ob 109/08w; 18. 11. 2008,
4 Ob 178/08t; 20. 1. 2009, 4 Ob 188/08p; 23. 2.
2010, 4 Ob 99/09a.
22) OGH 19. 12. 2006, 4 Ob 171/06k.
gewandt, zumal es sonst möglich wäre,
einzelne Passagen der Werbung aus ihrem
Zusammenhang zu reißen und dem Prospekt gegenüber zu stellen, dabei aber andere
Passagen aus derselben Werbung nicht in die
Beurteilung einzubeziehen. Eine einheitliche
Betrachtung im Sinne des Konsistenzgebots
erfordert es vielmehr, das Werbemittel als
Ganzes im Vergleich mit dem (gesamten)
Prospekt zu beurteilen und nicht einzelne
Passagen isoliert dem Prospekt gegenüberzustellen.
Eine allfällige Irreführung hat der UVS in
diesem Punkt nicht geprüft, weil damit die
Sache des Berufungsverfahrens überschritten worden wäre. Eine Irreführung liegt hier
freilich nicht vor. Dies folgt schon aus dem
formalen Aspekt, dass die bei vorzeitiger
Beendigung anfallenden Liquiditätskosten nicht zu den Spesen und Gebühren zu
rechnen sind. Spesen und Gebühren haben
nämlich Entgeltscharakter und werden für
bestimmte Dienstleistungen geschuldet, die
der Dienstleister dem Kunden gegenüber
erbringt – unabhängig davon, ob der betreffende Vertrag vorzeitig beendet wird oder
nicht. Die Berechnung von Liquiditätskosten folgt demgegenüber aus der vorzeitigen
Beendigung der befristeten Kapitalbereitstellung durch den Anleger und schlägt sich
in einer entsprechenden Reduktion des Zinssatzes nieder. Da den Liquiditätskosten der
Entgeltcharakter von Spesen oder Gebühren
fehlt, ist die Aussage „spesenfrei“ bzw „es
fallen keine Spesen und Gebühren an“ trotz
der Berechnung von Liquiditätskosten bei
vorzeitiger Auflösung formal korrekt. Im
Übrigen ist diese Aussage auch nicht geeignet, den vernunftbegabten, durchschnittlich
gebildeten und informierten Anlegerinteressenten – auf den es letztlich ankommt23)
– über die Ausgestaltung der Kapitalanlage
zu täuschen. Dieser muss die Wendungen
„spesenfrei“ bzw „es fallen keine Spesen
und Gebühren an“ nämlich so verstehen,
dass beim Erwerb der Kapitalanlage keine
eigenen Spesen oder Gebühren anfallen. Er
darf die Wendung aber nicht so verstehen,
dass er bei der vorzeitigen Beendigung der
befristeten Kapitalanlage dennoch den für
die volle Laufzeit vereinbarten Zinssatz
lukrieren kann. Derartiges muss sogar
einem durchschnittlichen Sparbuchkunden
einleuchten, kommen doch in aller Regel
bei einer vorzeitigen Behebung gebundener
Spareinlagen Vorschusszinsen zur Berechnung.
7. Im Hinblick auf die Erforderlichkeit
von Risikohinweisen hat der UVS den Umstand in die Beurteilung miteinbezogen, dass
es sich bei der Homepage eben um eine Werbung gehandelt hat. Bereits bisher war in
der Literatur anerkannt, dass die Werbung
schon von ihrer Natur her kein vollständiges
Bild über die Kapitalanlage bieten muss,
zumal diesen Zweck der Prospekt sowie der
nach § 4 Abs 2 KMG erforderliche Prospekthinweis in den Werbeanzeigen erfüllen
soll.24) Ebenso hat die hM bislang schon
23) Siehe oben 5.
24) Zib in Zib/Russ/Lorenz, KMG § 4 Rz 12; vgl auch
Oppitz, GesRZ 2008, 94, der ausführt, es solle
„dem Anleger durch den offenzulegenden Bezug von Werbeaussagen auf ein öffentliches
Angebot ein geschlossenes Bild des Informa-
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25)
26)
27)
28)
29)
30)
31)
tionsangebotes zu einer Kapitalanlage vermittelt
werden“, gleichzeitig aber auch anerkennt, dass
der Bedarf nach regulatorischen Rahmenbedingungen für Werbemaßnahmen desto geringer
sei, „je mehr sich die Informationslage anlässlich
der Ingangsetzung des öffentlichen Angebots
verdichtet“.
Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I
Rz 10.75.
Vgl OGH 16. 10. 2001, 4 Ob 233/01w: Werbemittel, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild dem Interessentenkreis nur einen ersten
überblicksartigen Eindruck von ihrem Produkt
vermitteln sollen, müssen zur Vermeidung einer
Irreführungseignung inhaltlich nicht so umfassend gestaltet sein, dass darin alle nur denkbaren
Fragen behandelt und beantwortet werden; s
aber Horak, ecolex 2009/274, 696.
Vgl Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG § 2
Rz 489 ff.
Siehe auch Horak, ecolex 2009/274, 696.
Zib in Zib/Russ/Lorenz, KMG § 4 Rz 12; vgl auch
Oppitz, GesRZ 2008, 94.
Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I
Rz 10.75.
OGH 20. 1. 2009, 4 Ob 188/08p ZFR 2009/63,
108.
daher nicht jeder erdenkliche Risikohinweis des Prospekts in die Werbung aufgenommen werden, sondern es muss auf jene
Risiken hingewiesen werden, die mit den
ausdrücklich beworbenen Vorteilen in Widerspruch stehen. Da im vorliegenden Fall
die Emittentin den Sicherheitsfaktor nicht
blickfangartig in den Vordergrund gestellt
hat,32) war daher selbst nach der Rsp des
OGH ein eigener Risikohinweis in der Werbung entbehrlich. Ebenso darf die Werbung
Risikohinweise, die für das Publikum von
kaufentscheidender Bedeutung sind, nicht
verschweigen, selbst wenn diese im Prospekt
enthalten sind.33) Dies war im vorliegenden Fall freilich auszuschließen, weil selbst
bei Hinweis auf das Risiko eines Verlustes
durch Insolvenz der Emittentin den zum
Kauf entschlossenen Durchschnittsanleger
nicht davon abgehalten hätte, die Anleihe
zu zeichnen.
8. Mit dem eben erörterten Punkt der Erforderlichkeit von Risikohinweisen ist in gewisser Weise auch die Frage nach der Sicherheit von Unternehmensanleihen verknüpft.
Die erste Instanz hat dabei insofern eine
Irreführung gesehen, als die mit den Worten
„sicher, einfach und ertragreich sparen“ beworbenen Unternehmensanleihen nicht die
Sicherheit einer wertbeständigen Sparform
böten. Dieser Vorwurf war für den UVS
freilich nicht nachvollziehbar. Wertbeständig bedeute nicht, dass die Sparform einer
Einlagensicherung unterliegen müsse, zumal
das Produkt nicht als Sparbuch beworben
werde und der Durchschnittsanleger die
Einlagensicherung nur bei Spareinlagen,
nicht aber auch bei Anleihen erwarten
dürfe. Außerdem sei für die Maßfigur erkennbar, dass auch in sicheren Bereichen
Risiken bestehen blieben. Selbst wenn im
vorliegenden Fall die Insolvenz der Emittentin als Restrisiko übrig bleibe, verbiete dies
nicht die Verwendung des Wortes „sicher“
in einer Werbung für Anleihen.
Würde man nur solche Veranlagungsprodukte als „sicher“ einstufen, die von Kreditinstituten angeboten werden bzw die der
Einlagensicherung unterliegen, so würde
dies letztlich zu kurz greifen. Bei keinem
Veranlagungsprodukt kann es naturgemäß
eine „absolute Sicherheit“ im Sinne einer
unter allen Umständen und Eventualitäten
gesicherten Rückzahlung geben. Dies trifft
in letzter Konsequenz nicht einmal auf
von Kreditinstituten entgegengenommene
Spareinlagen zu, was insb die in jüngerer
Vergangenheit im Zuge der Finanzmarktkrise durch den Gesetzgeber vorgenommene Aufstockung der Einlagensicherung
gezeigt hat. Ob ein bestimmtes Produkt
als „sicher“ bezeichnet werden kann, ist
vielmehr in einer Gesamtwürdigung der jeweiligen Anlageform zu entscheiden, wobei
die konkrete Ausgestaltung des Produktes
sowie die Person und insb die Bonität des
Emittenten von entscheidender Bedeutung
sind. Im vorliegenden Fall hat sich die Emittentin gegenüber den Anlegern verpflichtet,
100 % des durch den Investor eingesetzten
Anleihenkapitals zzgl der fix vereinbarten
32) Vgl dazu Horak, ecolex 2009/274, 696; Knauder,
ZFR 2009/90, 139 f.
33) Knauder, ZFR 2009/59, 99.
Zinsen am Ende der Laufzeit an den Investor zurückzuzahlen. Den Investor trifft
damit weder ein Kurs- noch ein Zinsrisiko
in Bezug auf seine Veranlagung. Dies hebt
die gegenständlichen Unternehmensanleihen von anderen Anlageformen wie etwa
Aktien oder Zertifikaten ab, bei denen
weder eine Kapitalrückzahlung noch eine
Verzinsung in rechtlich verbindlicher Weise
durch die jeweiligen Emittenten zugesichert
wird. Im vorliegenden Fall bestand zudem
aufgrund der soliden wirtschaftlichen Basis
der Emittentin ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit, dass jedem Investor das eingesetzte Kapital samt Zinsen zurückgezahlt
wird. Somit sprechen sowohl die konkrete
Ausgestaltung der Anlageform als auch die
Bonität der Emittentin dafür, die Anleihe
zulässigerweise im Rahmen der Werbung
als „sicher“ zu bezeichnen.
Darüber hinaus ist zu bemerken, dass man
das Attribut „sicher“ nicht nur auf die gesicherte Rückzahlung des Kapitals beziehen
kann, sondern auch auf den Sparvorgang
an sich. Der Anleger muss im vorliegenden
Fall den zu veranlagenden Betrag nicht bar
beheben und einzahlen, sondern kann seine
Investition im Wege des gesicherten elektronischen Zahlungsverkehrs vornehmen.
Verfügungen über die Anleihen können über
einen geschützten Bereich der Website unter
Verwendung eines individuellen Passworts
und einer unverwechselbaren Kundennummer erfolgen. Auch der Aspekt der Datensicherheit vermag daher die Werbung mit
dem Attribut „sicher“ zu rechtfertigen.
9. Im Hinblick auf die Verwendung des
Wortes „sparen“ und aufgrund des Umstandes, dass die Emittentin aufgrund ihres Firmennamens die Anleihen als „Sparanlage“
bezeichnet, hat der UVS dies anhand des
§ 31 Abs 2 BWG geprüft und für zulässig
befunden. Die darin enthaltene Vorbehaltsregel beziehe sich nach dem klaren Wortlaut
lediglich auf Sparurkunden und sei dementsprechend eng zu interpretieren; es bestehe
keine Veranlassung, diesen Schutz auch auf
andere Wortkombinationen, die das Wort
„spar“ enthalten, auszudehnen.
Dem ist insofern beizupflichten, als sich
der Bezeichnungsschutz des § 31 Abs 2
BWG bloß auf die Ausgabe von besonderen Urkunden iSd § 31 Abs 1 BWG bezieht,
denen Wertpapiereigenschaft zukommt und
die nach den Regeln des Spareinlagengeschäftes ausgestaltet sind.34) Bei den hier
in Rede stehenden Unternehmensanleihen
werden freilich weder besondere Urkunden
iSd § 31 Abs 1 BWG ausgegeben noch sind
die Anleihen nach den Regeln des Spareinlagengeschäftes ausgestaltet. Dem UVS ist
daher beizupflichten, dass die Bezeichnung
der Anleihen als „Sparanlage“ § 31 Abs 2
BWG nicht verletzt.
Auch sonst kann der durchschnittliche
Anleger durch diese Bezeichnung nicht in die
Irre geführt werden, zumal ihm die Emittentin als Lebensmittelunternehmen bekannt
ist. Auf der Homepage wird zudem mit der
Wortbildmarke der Emittentin geworben,
was beim relevanten Durchschnittskunden
den Eindruck erwecken muss, dass das Pro34) Zawischa/Krichbaumer in Dellinger § 31 BWG
Rz 25.
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Judikatur
deswegen keine eigenständigen Risikohinweise für das beworbene Wertpapier bzw
die beworbene Veranlagung gefordert, weil
das Gesetz – abgesehen vom Irreführungsverbot – keine weiter gehenden inhaltlichen
Anforderungen an die Werbung stellt.25)
Dies folgt nicht zuletzt auch aus der
Natur der Sache: Werbung unterliegt im
Hinblick auf den zur Verfügung stehenden
Raum oder die Besonderheiten des jeweiligen Mediums allerlei Beschränkungen, die
eine umfassende und vollständige Information über eine Kapitalanlage in vielen Fällen
schlicht verunmöglichen.26) Dementsprechend sieht etwa die verwandte Bestimmung
des § 2 UWG vor, dass der Beurteilung einer
allfälligen Irreführung durch Unterlassung
erforderlicher Informationen die Beschränkungen des Kommunikationsmediums zu
berücksichtigen sind (§ 2 Abs 4 UWG).27)
Der UVS anerkennt auch eine Beschränkung des vorgeschriebenen Inhalts von Werbeaussagen, die sich aus dem Selbstzweck
der Werbung ergibt und eine grundsätzliche Zulässigkeit von Anpreisungen der
beworbenen Waren oder Dienstleistungen
bewirkt. § 4 KMG soll nicht so weit gehen, dass es de facto zu einer Umkehr der
Werbeaussage kommen muss. Im Ergebnis
bedeutet dies, dass für den UVS keine umfassende Risikodarstellung in der Werbung
nötig ist.28) Der UVS hat damit die bislang in
der Literatur geäußerte Meinung bestätigt,
dass die Werbung kein vollständiges Bild der
Kapitalanlage bieten muss29) und § 4 KMG
insb keine Aufnahme von Risikohinweisen
in die Werbung verlangt.30)
Damit ist freilich nicht gesagt, dass der
UVS Wien einer Irreführung potenzieller
Anleger hinsichtlich des mit beworbenen
Wertpapieren oder Veranlagungen verbundenen Risikos die Tür öffnen würde. Der E
kann insb nicht entnommen werden, dass
eine aktive Irreführung über das Risiko oder
ein Verschleiern bestehender Risiken zulässig wäre. So muss nach der jüngeren Rsp des
OGH,31) auf die sich der UVS ausdrücklich
bezieht, zur Vermeidung eines unrichtigen Gesamteindrucks beim Hervorheben
bestimmter Eigenschaften als besondere
Vorteile auch auf die damit verbundenen
Nachteile hingewiesen werden. Es muss
231
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dukt von einem Unternehmen und keiner
Bank angeboten wird. Der durchschnittliche
Anleger weiß allerdings, dass Unternehmen
keine Sparbücher anbieten. Weiters wird auf
der Homepage klargestellt, dass Anleihen
und nicht Sparbücher erworben werden,
zumal im Text regelmäßig von „Anleihe“
die Rede ist.
10. Abschließend sei noch bemerkt, dass
die vorliegende E auch insofern beachtenswert ist, als sie Schweine als Werbesujets
für Geldanlagen rehabilitiert hat. Die erste
Instanz hat für die Bestrafung ua noch die
grafische Gestaltung der Website ins Treffen geführt, die von „Sparschweinen aufsteigender Größe“ und der Werbeaussage
„sicher, einfach und ertragreich sparen“
dominiert wird. In diesem Zusammenhang
kann man freilich bezweifeln, inwiefern
die auf der Website dargestellten Schweine
Sicherheit suggerieren sollen. Genauso gut
suggerieren Schweine etwa auch Glück
und Erfolg. Selbst dann, wenn es sich bei
den dargestellten Schweinen erkennbar um
„Sparschweine“ gehandelt hätte – dies war
nämlich entgegen der Auffassung der ersten Instanz gar nicht der Fall35) – würden
solche „Sparschweine“ nicht unbedingt
Sicherheit unterstellen: Jeder, der jemals
ein Sparschwein besessen hat, weiß, dass
durch das Hinweinwerfen von Geld in ein
Sparschwein dieses noch lange nicht sicher
verwahrt ist. Sicher wird es erst, wenn man
das Sparschwein mit dem gesammelten Geld
sicher verwahrt. Wenn Sparschweine etwas
suggerieren, dann ist dies allenfalls ein typi-
sches Sparverhalten, nämlich das sukzessive
und geplante Ansammeln von Geldmitteln,
indem man regelmäßig Geld in das Sparschwein wirft. Da dies jedoch mit den hier
gegenständlichen Unternehmensanleihen,
bei denen auch schon kleine Beträge investiert werden können, in einem direkten und
zutreffenden Zusammenhang steht und keinen irreführenden oder unrichtigen Charakter aufweist, war kaum anzunehmen, dass
die abgebildeten Schweine zur Irreführung
der Anleger geeignet sind. In diesem Fall ist
daher die Werbung mit Schweinen auch im
Zusammenhang mit Geldanlage zulässig.
Die FMA hat gegen den Bescheid des UVS
Amtsbeschwerde an den VwGH erhoben.
35) Die abgebildeten Schweine wiesen zB nicht den
für Sparschweine charakteristischen Einwurfschlitz auf.
RA Dr. Ernst Brandl, LL.M., M.B.A.
(am Verfahren beteiligt)
Univ.-Ass. Dr. Philipp Klausberger
Barbist/Ahammer (Hrsg)
Barbist / Ahammer (Hrsg)
Compliance in der Unternehmenspraxis
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„ Gesellschafts- & Steuerrecht
Das Thema „Compliance“ – verstanden als Gesamtkonzept
aktiver Maßnahmen in der Unternehmensorganisation zwecks
Gewährleistung der Einhaltung gesetzlicher und unternehmensinterner Vorgaben – ist auch in Österreich angekommen. Massive Verstöße gegen das Kartell- und Strafrecht, den
Datenschutz, das Arbeitsrecht etc. belasten Unternehmer
nicht nur in finanzieller Hinsicht, auch der Imageschaden
ist beträchtlich. Maßnahmen zur Gegensteuerung sind zwingend erforderlich.
Aufgrund der Nähe des Themas zum Risikomanagement und
dem Internen Kontrollsystem ist Compliance sinnvollerweise
nur interdisziplinär, also in Kooperation zwischen Juristen und
Ökonomen darstellbar. Das vorliegende Werk nimmt diesen
Gedanken auf und stellt die wesentlichen Rechtsbereiche in der
Unternehmerpraxis unter Compliance-Gesichtspunkten dar.
„ Datenschutz- & Arbeitsrecht
Judikatur
„ Öffentliches Wirtschafts- und Umweltrecht
232
„ Banking & Finance
„ IP- & IT-Recht sowie Kapitalmarkt- & Kartellrecht
Orac Rechtspraxis
Wien 2009, 192 Seiten
Best.-Nr. 97.48.01
ISBN 978-3-7007-4467-2
Preis € 39,–
Bestellen Sie jetzt:
Tel.: (01) 534 52-5555, Fax: (01) 534 52-141
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