Prof. Dr. László Székelyhidi Analysis I, WS 2012 Nachklausur - Analysis 1 - Lösungen Aufgabe 1 (Folgen und Grenzwerte). (i) (1 Punkt) Geben Sie die Definition des Häufungspunktes einer reellen Zahlenfolge (an )n∈N . Lösung: Wir geben 2 äquivalente Definitionen. 1. B ∈ C heisst Häufungspunkt der Zahlenfolge {an }, wenn es für alle > 0 und N ∈ N eine Zahl n ≥ N gibt mit |an − B| < . 2. B ∈ C heisst Häufungspunkt der Zahlenfolge {an }, wenn es eine Teilfolge von {an } gibt, die gegen B konvergiert. (ii) (1 Punkt) Bestimmen Sie sup{an : n ∈ N} und lim supn→∞ an für die Folge an = (−1)n n , n − (−1)n (n ∈ N). Lösung : Es ist a2k−1 < 0, and 0 < a2k = 2k/(2k − 1) > a2k+2 ∀k ∈ N. Also sind sup{an : n ∈ N} = a2 = 2 und lim supn→∞ an = limk→∞ a2k = 1. (iv) (2 Punkte) Es seien 0 < a0 < 1/2 und an+1 = 2n a2n für n ≥ 0. Beweisen Sie: lim an = 0. n→∞ (1) Lösung: Wir behaupten zunächst, dass an < 2−n−1 , (n ≥ 0). (2) In der Tat: (2) ist richtig für n = 0. Angenommen, (2) gilt für ein n ≥ 0. Dann ist an+1 = 2 2n a2n < 2n 2−n−1 = 2−n−2 , d.h. (2) gilt auch für n + 1 anstelle von n. Damit folgt (2) aus dem Induktionsprinzip. Wegen (2) und der Voraussetzungen gilt nun 0 ≤ an ≤ 2−n−1 → 0 für n → ∞, woraus (1) folgt. Aufgabe 2 (Reelle Reihen). (i) (1 Punkt) Geben Sie das Leibniz-Kriterium für die Konvergenz einer Reihe an. Lösung: Es sei {an }n∈N eine monoton P∞ fallende Folge nichtnegativer reeller Zahlen mit limn→∞ an = 0. Dann konvergiert die Reihe n=1 (−1)n an . (ii) (1 Punkt) Untersuchen Sie die Konvergenz der nachfolgenden Reihen. ∞ X (−1)n n=1 log(n) , n ∞ X 1 (−1)n √ n n n=1 Lösung: Es gilt (log x/x)0 = (1 − log x)/x2 < 0 für alle x > e. Daraus folgt (log n)/n > (log(n + 1))/(n + 1) für alle n ≥ 3. Weil ausserdem limn→∞ (log n)/n = 0 ist, folgt die Konvergenz der P∞ Reihe n=1 (−1)n log(n) n √nach dem Leibniz-Kriterium. Weiterhin P ist limn→∞ n n = 1. Infolge des notwenigen Kriteriums zur Konvergenz divergiert also ∞ 1 die Reihe n=1 (−1)n √ n n. Pn (iii) (1 Punkt) Sei sn = k=1 (−1)k+1 k1 und s = limn→∞ sn . Zeigen Sie, dass 0 ≤ s − s2n ≤ 1 . 2n + 1 Lösung: Es handelt sich um eine Reihe die das Leibniz-Kriterium erfüllt. Also gelten die Ungleichungen 1/(2n + 1) = s2n+1 − s2n , s2n+1 − s2n−1 ≤ 0 ≤ s2n+2 − s2n , und daher 0 ≤ s − s2n ≤ s2n+1 − s2n = 1/(2n + 1) für n ∈ N. P∞(iv) (1 nPunkt) Geben Sie ein Beispiel für eine Nullfolge (an )n∈N mit an ≥ 0 an, so dass n=1 (−1) an divergiert. 3. April 2013 Bitte jede Aufgabe auf einem neuen Blatt bearbeiten und Name/Matrikelnummer angeben! Prof. Dr. László Székelyhidi Analysis I, WS 2012 Lösung: Setze a2n−1 = 1/n und a2n = 2−n für n ∈ N. Dann ist 2n X (−1)k ak = k=1 = n X (1/k) − k=1 n X n X 2−k ≥ k=2 n X (1/k) − k=1 ∞ X 2−k k=0 (1/k) − 2 → ∞ für n → ∞. k=1 P∞ Aufgabe 3 (Komplexe Zahlen und Reihen). Sei n=0 an z n eine komplexe Potenzreihe mit Konvergenzradius R > 0. (i) (1 Punkt) Geben Sie die Definition des Konvergenzradius R an. Lösung: Der Konvergenzradiaus R is definiertpals p n |an |), wenn 0 < lim sup n |an | < +∞, die Zahl 1/(lim supp n +∞, wenn lim sup |an | = 0, und p n 0, wenn lim sup |an | = +∞ gilt. (ii) (1 Punkt) Beweisen Sie, dass die Reihe für alle |z| < R absolut konvergiert. p Lösung: Für |z| < R ist lim supn→∞ n |an z n | = |z| R < 1, so dass die absolute Konvergenz aus dem Wurzelkriterium folgt. P∞ (iii) (1 Punkt) Es sei R > 0. Beweisen Sie, dass die Funktion f (z) = n=0 an z n in z = 0 stetig ist. P∞ n−1 Lösung: Nach dem Wurzelkriterium konvergiert g(r) := für r < R, und die so n=1 |an |r definierte Funktion g ist monoton wachsend für 0 < r < R. Also gilt 0 ≤ g(r) < C für 0 < r < R/2, mit einer von r unabhängigen Zahl C > 0. Es folgt für 0 < |z| < R/2: |f (z) − f (0)| = | ∞ X an z n | ≤ |z| n=1 ∞ X |an ||z|n−1 n=1 = |z|g(|z|) ≤ |z|C → 0 für z → 0. (iv) (1 Punkt) Bestimmen Sie den Konvergenzradius nachfolgender Potenzreihen: ∞ X zn √ , 1 + (1 + i 3)n n=0 n ∞ X n+i n=0 n zn √ n 1/n Lösung: = √ Nach der obigen Definition ist für die erste Reihe R = limn→∞ |1 + (1 + i 3) | |1 + i 3| = 2. Für die zweite Reihe gilt R = limn→∞ |n/(n + i)| = 1. Aufgabe 4. (i) (1 Punkte) Ermitteln Sie, ob die Funktionen f (x) = (1 + x3 )/(1 + x2 ) und g(x) = x2 sin3 x + x2 cos x in 0 ein lokales Minimum/Maximum, oder keines von beiden besitzen. 2 2 )−(1+x3 )2x Lösung: Es gilt f 0 (x) = 3x (1+x , (1+x2 )2 3 2 2 4 2 2 −(x +3x −2x)2(1+x )2x f 00 (x) = (4x +6x−2)(1+x )(1+x , 2 )4 3 2 0 2 g (x) = 2x sin x + 3x sin x cos x + 2x cos x − x2 sin x, und g 00 (x) = 2 sin3 x + 12x sin2 x cos x + 6x2 sin x cos2 x − 3x2 sin3 x + 2 cos x − 4x sin x − x2 cos x. Folglich ist f 0 (0) = 0 > −2 = f 0 (0), and g 0 (0) = 0 < 2 = g 00 (0), so dass f ein lokales Maximum und g ein lokales Minimum in 0 hat. 3. April 2013 Bitte jede Aufgabe auf einem neuen Blatt bearbeiten und Name/Matrikelnummer angeben! Prof. Dr. László Székelyhidi Analysis I, WS 2012 (ii) (1 Punkt) Bestimmen Sie das Supremum der Funktion f (x) = Lösung: Es gilt f (x) = ∞ X (−1)n x2n /(2n + 1)! = 1 − n=0 sin x x auf ]0, ∞[. ∞ X x2 x4k+2 1− <1 (4k + 3)! (4k + 4)(4k + 5) k=0 für 0 < x < 4. Ferner gilt f (x) ≤ 1/x ≤ 1/4 für x ≥ 4. Weil limx→0 f (x) = 1 ist, folgt sup{f (x) : x > 0} = 1. (iii) (2 Punkte) Sei f :]a, b[→ R eine stetige Funktion, so dass limx&a f (x) = +∞ und limx%b f (x) = +∞. Beweisen Sie, dass f auf ]a, b[ ein Minimum besitzt. Lösung: Sei m = inf{f (x) : x ∈ (a, b)}. Dann gibt es eine Folge {xn } ⊂ (a, b) mit limn f (xn ) = m. Durch Übergang zu einer Teilfolge können wir erreichen, dass limn xn = x0 ist, für ein x0 [a, b]. In den Fällen x0 = a und x0 = b würde wegen der Voraussetzungen m = +∞ folgen, was absurd ist. Also gilt x0 ∈ (a, b), und wegen der Stetigkeit von f folgt dann m = f (x0 ) = min{f (x) : x ∈ (a, b)}. Aufgabe 5. Beweisen Sie die folgenden Aussagen durch vollständige Induktion: (i) (2 Punkte) Es seien a1 = a2 = 5 und an+1 = an + 6an−1 für n ≥ 2. Dann ist an = 3n − (−2)n für n ≥ 2. (3) Lösung: Es sind a2 = 32 − (−2)2 und a3 = a2 + 6a1 = 35 = 33 − (−2)3 , d.h. die Formel (3) ist korrekt für n = 2 und n = 3. Angenommen, (3) ist korrekt für zwei aufeinanderfolgende Zahlen n − 1 und n mit n ≥ 3, (1 Punkt). Dann gilt an+1 = an + 6an−1 = 3n − (−2)n + 6(3n−1 − (−2)n−1 ) = (3 + 6)3n−1 − (−2 + 6)(−2)n − 1 = 3n+1 − (−2)n+1 , d.h., die Formel (3) gilt auch für n + 1 anstelle von n. Die Behauptung folgt nun aus dem Induktionsprinzip (1 Punkt). (ii) (2 Punkte) Sind n ∈ N ∪ {0} und p > −1, so gilt ˆ 1 xn (1 − x)p dx = In := 0 n! . (p + 1)(p + 2) · · · (p + n + 1) (4) Lösung: Zunächst sei angemerkt, dass das uneigentliche Integral in (4) konvergiert wegen p > −1. Für n = 0 gilt ˆ 1 1 , (1 − x)p dx = p+1 0 d.h. (4) ist korrekt. Angenommen (4) gilt für ein n ∈ N ∪ {0} (1 Punkt). Mittels partieller Integration ergibt sich dann ˆ 1 ˆ n+1 1 n In+1 = xn+1 (1 − x)p dx = x (1 − x)p+1 dx p+1 0 0 ˆ ˆ n+1 1 n n + 1 1 n+1 = x (1 − x)p dx − x (1 − x)p dx p+1 0 p+1 0 n+1 n+1 = In − In+1 . p+1 p+1 3. April 2013 Bitte jede Aufgabe auf einem neuen Blatt bearbeiten und Name/Matrikelnummer angeben! Prof. Dr. László Székelyhidi Analysis I, WS 2012 Daraus folgt In+1 n+1 n!(n + 1) In = p+n+2 (p + 1)(p + 2) · · · (p + n + 1)(p + n + 2) (n + 1)! , (p + 1)(p + 2) · · · (p + n + 2) = = d.h. (4) gilt auch für n + 1 anstelle von n. Die Behauptung folgt nun aus dem Induktionsprinzip (1 Punkt). Aufgabe 6. (i) (1 Punkt) Sei M eine Menge reeller Zahlen. Definieren Sie die gleichmässige Stetigkeit einer Funktion f : M → R. Lösung: f heisst gleichmässig stetig auf M , falls es zu jedem > 0 ein δ > 0 gibt, so dass |f (x) − f (y)| < gilt für alle x, y ∈ M mit |x − y| < δ. (ii) (1 Punkt) Sei I ein beschränktes oder unbeschränktes Intervall, und es sei f : I → R differenzierbar mit |f 0 (x)| ≤ L ∀x ∈ I, für eine Zahl L > 0. Zeigen Sie, dass f gleichmässig stetig auf I ist. Lösung: Sind x, y ∈ I, so folgt aus dem Mittelwertsatz f (x) − f (y) = f 0 (z)(x − y) für eine Zahl z zwischen x und y. Daraus folgt |f (x) − f (y)| = |f 0 (z)||x − y| ≤ L|x − y|. (5) Ist nun > 0, so gilt für alle x, y ∈ I mit |x − y| < /L, wegen (5), |f (x) − f (y)| ≤ L|x − y| < . Also ist f auf I gleichmässig stetig. (iii) (2 Punkte) Untersuchen Sie die Funktionen fp (x) := xp , (p ∈ R), sowie g(x) = sin(x2 ) auf gleichmässige Stetigkeit auf dem Intervall [1, +∞[. Lösung: Für p ≤ 1 ist fp0 (x) = pxp−1 ≤ p, also fp gleichmässig stetig auf [1, +∞) wegen (ii). Für p > 1 ist fp nicht gleichmässig stetig auf [1, +∞). In der Tat: Angenommen fp wäre gleichmässig stetig und δ die zu = 1 gehörende Zahl aus der Definition in (i), und es sei n ∈ N. Dann gilt wegen des Mittelwertsatzes für |fp (n + 1) − fp (n)| = p(n + θ)p−1 ≥ pnp−1 für ein θ ∈ (0, 1). Der letzte Ausdruck strebt aber gegen +∞ für n → +∞, im Widerspruch zur Annahme. Ähnlich kann man im Falle der Funktion g argumentieren: Angenommen, p g wäre gleichmässig √ stetig π(n + (1/2)) − πn) = 0, auf [1, +∞), und δ die zu = 1/2 gehörende Zahl. Dann gilt lim ( n→∞ p √ jedoch |g( π(n + (1/2))) − g( πn)| = | sin(π(n + (1/2))) − sin(πn)| = 1, im Widerspruch zur Annahme. Aufgabe 7 (Grenzwerte). (i) (3 Punkte) Bestimmen Sie die folgenden Grenzwerte, falls diese existieren. √ √ 2+x− 2−x x 2 x3 − 6x + 6 sin x lim , lim − , lim . x→0 x→0 1 − cos x x→0 x x x5 Lösung: Es gilt √ lim x→0 2+x− x √ 2−x 2 + x − (2 − x) √ √ x→0 x( 2 + x + 2 − x) 2 1 √ = lim √ =√ . x→0 2+x+ 2−x 2 = lim 3. April 2013 Bitte jede Aufgabe auf einem neuen Blatt bearbeiten und Name/Matrikelnummer angeben! Prof. Dr. László Székelyhidi Analysis I, WS 2012 Durch dreimalige Anwendung der Regel von de l’Hospital erhält man: 2 x2 − 2 + 2 cos x x − = lim lim x→0 x→0 1 − cos x x x − x cos x 2x − 2 sin x = lim x→0 1 − cos x + x sin x 2 − 2 cos x = lim x→0 2 sin x + x cos x 2 sin x = lim = 0. x→0 3 cos x − x sin x Mittels der Potenzreihe für den Sinus erhält man P∞ n 2n+1 /(2n + 1)! − 6x + x3 6 sin x − 6x + x3 n=0 6(−1) x = x5 x5 ∞ X = 6(−1)n x2n−4 /(2n + 1)! =: s(x). n=2 Weil die Potenzreihe s(x) nach dem Quotientenkriterium für alle x konvergiert, ist sie stetig in 1 x = 0, so dass limx→0 s(x) = s(0) = 20 gilt. (iii) (1 Punkt) Es sei f definiert in einem offenen Intervall I, und f 00 möge existieren in einem Punkt x0 ∈ I. Zeigen Sie, dass f (x0 + h) − 2f (x0 ) + f (x0 − h) = f 00 (x0 ) h→0 h2 lim gilt. Lösung: Die Funktionen f und f 0 sind in x0 stetig. Deshalb ergibt eine zweimalige Anwendung der Regel von de l’Hospital, f (x0 + h) − 2f (x0 ) + f (x0 − h) h2 0 0 f (x0 + h) − f (x0 − h) = lim h→0 2h f 0 (x0 + h) − f 0 (x0 ) f 0 (x0 ) − f 0 (x0 − h) = lim + lim h→0 h→0 2h 2h = f 00 (x0 ). lim h→0 Aufgabe 8. (i) (1 Punkt) Sei f : [a, b] → R eine beschränkte Funktion. Definieren Sie das Oberintegral ´b ´ ∗b f (x) dx und das Unterintegral ∗a f (x) dx von f . a Lösung: Es sind (N ) ˆ ∗b X f (x) dx := sup f (ξn )(xn − xn−1 ) : a ≤ x0 ≤ ξ1 ≤ x2 ≤ · · · ≤ xN −1 ≤ ξN ≤ xN , a ˆ n=1 ( b f (x) dx := inf ∗a N X ) f (ξn )(xn − xn−1 ) : a ≤ x0 ≤ ξ1 ≤ x2 ≤ · · · ≤ xN −1 ≤ ξN ≤ xN n=1 (ii) (1 Punkt) Sei f (x) = 1 x | falls x rational, | falls x irrational. 3. April 2013 Bitte jede Aufgabe auf einem neuen Blatt bearbeiten und Name/Matrikelnummer angeben! . Prof. Dr. László Székelyhidi Analysis I, WS 2012 ´1 ´ ∗1 Berechnen Sie ∗0 f (x) dx und 0 f (x) dx. Lösung: Es gilt x ≤ f (x) ≤ 1 auf [0, 1]. Wegen der Dichtheit der rationalen sowie der irrationalen Zahlen in [0, 1] folgt wegen (i), ˆ ˆ ∗1 f (x) dx 0 ˆ 1 1 · dx = 1, = 0 ˆ 1 f (x) dx = ∗0 1 x dx = 0 1 . 2 (iii) (2 Punkte) Für welche Werte von p konvergiert das uneigentliche Integral Wenn es konvergiert, so berechnen Sie seinen Wert. Lösung: Mit Hilfe der Substitution x = ey erhält man für b > 2, ˆ 2 b dx x(log x)p ˆ = = ´ +∞ 2 dx x(log x)p ? log b dy p log 2 y 1−p log b y1−p 2 log log b log y für p 6= 1 für p = 1 log 2 Für b → +∞ divergiert der letzte Ausdruck nach +∞ für p ≤ 1, und konvergiert nach [log 2]1−p /(p− 1) für p > 1. Somit konvergiert das uneigentliche Integral genau dann wenn p > 1 ist, und in diesem Fall ist sein Wert gleich [log 2]1−p /(p − 1). 3. April 2013 Bitte jede Aufgabe auf einem neuen Blatt bearbeiten und Name/Matrikelnummer angeben!