Physikalische und chemische Thermodynamik Das Leerscript

Werbung
Physikalische und chemische Thermodynamik
Das Leerscript
Hoeppe - PC Leerscript
-1-
Inhalt:
1
1.1
1.2
1.2.1
1.2.2
1.2.3
1.2.4
1.2.5
1.3
1.4
1.4.1
1.4.2
1.5
1.5.1
1.5.2
1.5.3
1.6
1.7
Grundlagen
Einleitung
Temperatur und Wärme
Vorläufige Definition
Temperaturmessung
Spezifische Wärme und Wärmemessungen
Wärmeleitung
Der 0. Hauptsatz der Thermodynamik
Zustandsfunktionen
Das ideales Gas
Phänomenologische Theorie
Kinetische Gastheorie
Weitere Ergebnisse der kinetischen Gastheorie
Freiheitsgrade, spezifische Wärme, Gleichverteilungssatz,
Maxwellverteilung
Freie Weglänge, Stoßhäufigkeit, Wärmeleitung von Gasen
Zustandsgleichungen realer Stoffe
Luft
2
2.1
2.2
2.3
2.4
Energieumsatz
Erster Hauptsatz
Enthalpie
Idealisierte Zustandsänderungen
Reaktionswärme
3
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
Entropieumsatz
Vorüberlegungen
Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik
Dritter Hauptsatz, Absolutberechnung der Entropie
Reaktionsentropie
Partialdruckabhängigkeit der Entropie
4
4.1
4.2
Der Ablauf physikalisch-chemischer Prozesse
Freie Energie und Freie Enthalpie
Chemische Reaktionen
5
5.1
5.2
5.2.1
5.3
5.3.1
5.3.2
5.3.3
5.3.4
Freie Enthalpie und Gleichgewichte
Reaktionsgleichgewichte
Phasengleichgewichte
Phasengleichgewichte reiner Stoffe
Elektrolytgleichgewichte, Normalspannungen
Löslichkeitsprodukt
Säure-Base Gleichgewichte
Normalspannungen
Nernstsche Gleichung
Hoeppe - PC Leerscript
4
5
11
13
17
21
26
29
34
37
43
47
52
61
62
63
65
68
72
79
81
-2-
PT4-PC 
6
6.1
6.1.1
6.1.2
6.1.3
6.1.3.1
6.1.3.2
6.1.3.3
6.1.4
Gemische
Ideale Mischungen
86
Ideale Gasgemische
Ideale Flüssigkeitsgemische
Gleichgewicht eines Stoffes bei zusätzlicher Komponente
Dampfdruckerniedrigung/Siedepunktserhöhung/Gefrierpunktserniedrigung.
Druckabhängigkeit des Dampfdrucks
Osmotischer Druck
Gibbssche Phasenregel
6.2
6.2.1
6.2.1.1
6.2.1.2
6.2.1.3
Nichtideale, reale Mischungen
Partielle molare Größen
Volumen
Mischungs- und Lösungsenthalpie
Partielle molare Freie Enthalpie = Chemisches Potential
98
6.3
6.3.1
6.3.1.1
6.3.1.2
6.3.1.3
6.3.1.4*
6.3.2
6.3.2.1
6.3.2.2
6.3.2.3*
Destillation
Destillation idealer Mischungen
Siedevorgang ohne Entfernung des Dampfes
Siedevorgang mit Entfernung des Dampfes  Einfache Destillation
Fraktionierte Destillation - Rektifikation
Rektifikation nach McCabe-Thiele
Destillation realer Mischungen
Minimumazeotrop
Maximumazeotrop
Azeotroprektifikation
106
6.4
6.4.1
6.4.2
6.4.3
6.4.4
6.5
Mischungen von FK und Schmelzen
Lückenlose Mischkristallbildung
Reale Systeme mit Mischungslücke
Systeme mit großer partieller Mischungslücke
Systeme ohne Mischkristallbildung
Phasendiagramme ternärer Mischungen
115
7
7.1
7.2
7.2.1
7.2.2
7.2.3
7.2.4
7.2.5
7.3
Grenzflächengleichgewichte
Allgemeine Betrachtungen
Oberflächenspannung
Oberflächenenergie und Oberflächenspannung
Benetzung
Laplace Gleichung
Kapillarwirkung
Keimbildung
Adsorption
8
Ergänzungen
Hoeppe - PC Leerscript
118
119
120
125
-3-
1
1.1
Grundlagen
Einleitung
Makroskopische Größen sind makrosk. Observable in einem makroskopischen System,
aber
„mikroskopische Größen“ müssen nicht klein sein sondern beschreiben wenige Teilchen
eindeutig. (Eigentlich gibt es gar keine „mikroskopischen Größen“, sondern allenfalls
mikroskopische Betrachtungen, bei welcher der Zustand eines jeden Teilchens wie auch in der
klassischen Mechanik eindeutig definiert ist.  Laplacescher Dämon)
Ein System ist zwangsläufig nur noch makroskopisch beschreibbar, wenn es aus sehr
vielen Teilchen besteht, hilfreich ist hier die Einheit mol:
1 Mol = Stoffmenge, welche die gleiche Zahl von Teichen enthält
wie 12,0000 g des Kohlenstoff-Nuklids 12C
Diese Zahl ist die Avogadrozahl / Loschmidtsche Zahl:
Intensive Größe:
Extensive Größe:
mengenunabhängig
mengenabhängig
NA = NL = 6,022141023 mol-1
Bsp.: p, T, M, Vm, h, ...
Bsp.: m, Q, V, n, H, ...
Molzahl n
Molmasse M
Molvolumen Vm
Dichte 
Masse m
Übergang zu intensiven Größen  molare Größen:
Nicht nur die Teilchenzahl sondern auch die Anzahl von möglichen Einflüssen
(Variablen) bestimmt die Komplexität eines Problems. Diese lässt sich reduzieren,
indem man sich auf die Beschreibung eines tatsächlich oder gedachten räumlich
begrenzten Bereich unserer Umwelt, dem System, beschränkt. Man unterscheidet:
Offenes System:
Geschlossenes System:
E
Abgeschlossenes System:
E
E
n
n
Hoeppe - PC Leerscript
n
-4-
1.2
1.2.1
Temperatur und Wärme
Vorläufige Definition
A) Wärme:
- ist eine Eigenschaft von Materie, die bei Berührung den Sinneseindruck „warm“
oder „kalt“ vermittelt.
- kann auf andere Stoffe (Körper) durch ‚Wärmeleitung’ übertragen werden
- ist eine extensive Größe
- kann durch Arbeit erzeugt werden
 ist ...
B) Temperatur:
- ist ein Maß für die Stärke des warm/kalt Sinneseindrucks
- geht mit einer „thermischen Ausdehnung“ der meisten Stoffe und Körper einher
- bestimmt Stärke und Richtung einer ‚Wärmeleitung’
- ist eine intensive Größe
 ist ...
Der Zusammenhang von Wärme und Temperatur wird mit Einführung der
(spezifischen) Wärmekapazität in 1.2.3 deutlich werden.
1.2.2
Temperaturmessung
Das Messprinzip basiert meist auf dem Effekt der thermischen Ausdehnung,
d.h. der mittlere Abstand der Atome /Moleküle wird mit zunehmender Bewegung,
also mit der Temperatur, größer.
a) Bimetallstreifen
Entscheidend: Die thermische Ausdehnung ist materialspezifisch!
Linearer thermischer Ausdehnungskoeffizient :
L=
Hoeppe - PC Leerscript
-5-
Beispiele:
Aluminium
Kupfer
Stahl
Keramik
Diamant
‚Invar‘
 = 24 ·10-6 ·K-1 = 24 ppm ·K-1
 = 16,8 ppm ·K-1
 = 8 ~ 16 ppm ·K-1
 = ~ 6 ppm ·K-1
 = 1,3 ppm ·K-1
 = ~ 0 ppm ·K-1
b) Flüssigkeitsthermometer:
hier:
Volumenausdehnungskoeffizient :
V =
Beispiele:
Quecksilber  = 181 ppm ·K-1
Wasser
 = 207 ppm ·K-1
Ethanol
 = 1100 ppm ·K-1
Für kleine  und  gilt der Zusammenhang:
 = 3·
Das folgt direkt aus V ~ L3 unter
Vernachlässigung höherer Potenzen von .
c) Widerstandsthermometer
Der elektrische Widerstand eines Leiters ist T-abhängig.
Widerstandsmessung geeigneter Bauteile (NTC, PTC) entspricht T- Messung.
d) Thermoelemente
Infolge unterschiedlicher (T-abhängiger) Elektronendiffusion in zwei
verschiedenen Metallen, bildet sich eine messbare Thermospannung aus.
e) Pyrometer
Analyse der Intensität (und evtl. spektralen Verteilung) der von einem heißen
Körper (>1000°C) emittierten elektromagnetischen Strahlung.
(vgl. Stefan-Boltzmann ; Plancksches Strahlungsgesetz, Farbtemperatur’ )
(Besonderheit: kein direkter thermischer Kontakt, d.h. Berührung nötig!)
Hoeppe - PC Leerscript
-6-
f) Einheiten
Die Celsiusskala ist definiert über Schmelzpunkt (0°C) und Siedepunkt (100°C)
von Wasser bei Normdruck.
Kelvinskala (absolute Temperatur): 1 K ist definiert als der 1/273,16 Teil der
Temperatur des Tripelpunktes von Wasser; damit gilt:
T [K] =
1.2.3
Spezifische Wärme und Wärmemessungen
Die Wärmekapazität C gibt an welche Wärmemenge Q einer Stoffmenge zugeführt
werden muß, um bei dieser eine Temperaturänderung T zu bewirken:
Die Temperatur T wird damit bis auf die Proportionalitätskonstante C ein Maß für die
Wärmemenge einer Stoffmenge bzw. eines Körpers.
Als spezifische Wärmekapazität c (kurz: spezifische Wärme) bezeichnet man die auf
die Stoffmenge bezogenen Wärmekapazität eines Körpers (oder einer Stoffmenge):
Auf die Masse bezogen:
Auf die Molzahl bezogen:
Betrachtet man zwei nach außen isolierte Stoffmengen 1 und 2 mit anfänglich
unterschiedlichen Temperaturen T1 und T2 so beobachtet man (infolge von
Wärmeleitung) einen Temperaturausgleich:
Aus der Energieerhaltung folgt:
Hoeppe - PC Leerscript
Q = Q1 + Q2 = 0
-7-
Q1 = m1 c1 T1 = m1 c1 ( TM -T1 )
Q2 = m2 c2 T2 = m2 c2 ( TM -T2 )

m1 c1 ( TM -T1 ) + m2 c2 ( TM -T2 ) = 0
( m1 c1 + m2 c2 ) TM = m1 c1 T1 + m2 c2 T2
und schließlich für die Mischtemperatur TM:
Messung von Wärmekapazitäten:
Werden die Massen und Temperaturen gemessen, so ist z.B. die unbekannte
Wärmekapazität c2 experimentell bestimmbar wenn c1 (z.B. Wasser) bekannt ist.
Auch durch chemische Reaktionen entstehende Wärmemengen werden durch
die Temperaturerhöhung einer definierten Wassermenge in einem Kaloriemeter
bestimmt.
1.2.4
Wärmeleitung
Beobachtung:
 Sind zwei Körper in thermischem Kontakt, so gleichen sich ihre
Temperaturen durch einen Wärmestrom an.

Die Geschwindigkeit des Temperaturausgleichs ist abhängig von
- Temperaturdifferenz
und
- Güte des thermischen Kontakts ( Fläche und Material)
Spezifische Wärmeleitfähigkeit 
ist über folgenden Zusammenhang definiert:
Wärmestromdichte q
Hoeppe - PC Leerscript
-8-
 Für kleine x und T gilt
bzw. vektoriell
In der Praxis ist oft der Wärmestrom pro Zeit, d.h. z.B. Heizleistung, Kühlleistung,
Verlustleistung etc. am interessantesten:
Beispiele für spezifische Wärmeleitfähigkeiten:
Kupfer
V2A-Stahl
Styropor
Ruhende Luft
 = 384
 = 15
 = 0,036
 = 0,026
W·
W·
W·
W·
m-1 ·K-1
m-1 ·K-1
m-1 ·K-1
m-1 ·K-1
Messung einer Wärmeleitfähigkeit:
- (kleine) konstante Heizleistung P bei T1
- (starke) Kühlung bei T2 auf T2
 bei definiertem A und x ist  aus
P und T bestimmbar
Eindimensionale Betrachtung z.B. in der Bauphysik:
Wärmewiderstand Rth :
Rth :
x
A

T
P  Q 
Rth
- Schichtaufbau einer Wand entspricht Serienschaltung der Rth,i.
- Summe verschiedene Flächen (Wände, Fenster, etc.) entspricht Parallelschaltung.
Wärmedurchgangskoeffizient k :
k :
1
Rth  A

P  k  A  T
- k erlaubt eine ‚faire’ flächenunabhängige Beurteilung von z.B. Wandaufbauten,
Isolationen oder Fenstern.
Wärmeübergangskoeffizient  :
Beim Wärmeübergang von einem Festkörpers zu einem fluiden Medium (Wasser, Luft)
tritt an Stelle von k der Wärmeübergangskoeffizient   P    A  T
wobei  z.B. stark von der Strömungsgeschwindigkeit abhängt.
Hoeppe - PC Leerscript
-9-
Wärmetransport durch Materialtransport:
In fluiden Medien welche durch eine Erwärmung eine Dichteänderung erfahren,
wird der Wärmetransport durch Konvektion dominiert.
(Stichworte: Heizung, Wetter, Heatpipe)
Wärmetransport durch Elektromagnetische Strahlung:
Materie gibt je nach ihrer Temperatur Energie in Form von Wärmestrahlung ab.
Empirisch gilt das Stefan Boltzmann Gesetz:
Prad      A  T 4 ~ A  T 4
Umgekehrt nimmt Materie aber nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten auch Wärme auf,
entscheidend ist also letztlich die Bilanz. In Festkörpern ist der Strahlungstransport
bei Raumtemperatur eher vernachlässigbar.
(Stichworte: Stefan-Boltzmann-Konstante, IR, Thermometer, Thermoskanne)
Wärmeleitung und Diffusion:
Will man den raum-zeitlichen Verlauf der Wärmeleitung (nichtstationäre Zustände)
beschreiben, muss man die sog. Wärmeleitungsgleichung lösen:
T


 T  0
t c  
Diese gleicht nicht nur formal dem 2. Fickschen Diffusionsgesetz, da sich
Wärmeleitung (in einem Festkörper) auch als Diffusion von Bewegungsenergie
auffassen bzw. beschreiben lässt.
Anmerkung:
Als Ursache für die Wärmeleitung und Diffusion wird gerne die Zunahme der Entropie
entsprechend dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik genannt. Verstehen lässt sich das aber
erst mit der statistischen Interpretation der Entropie, welche im 3. Kapitel behandelt wird.
1.2.5
Der 0. Hauptsatz der Thermodynamik
Wenn sich die Temperaturen zweier Systeme infolge von Wärmeleitung und- strahlung
angeglichen haben, befinden sich diese miteinander im thermischen Gleichgewicht.
Makroskopisch findet zwischen diesen Systemen kein Energieaustausch mehr statt.
Ist ein System 1 jeweils mit zwei Systemen 2 und 3 im thermischen Gleichgewicht so
folgt zwangsläufig, dass auch die Systeme 2 und 3 miteinander im Gleichgewicht sind.
Diese Aussage des 0. Hauptsatzes schreibt sich kurz:
Hoeppe - PC Leerscript
- 10 -
1.3
Zustandsgleichungen
Ein System mit n unabhängigen Größen bzw. Variablen wird mit einem Punkt im
n-dimensionalen Zustandsraum n eindeutig beschrieben.
Bsp.: Nur zwei unabhängige Variable (z.B. x1 und x2)  Zustandsraum = Fläche.
Die Variable x3 ist mit x1 und x2 über die Zustandsgleichung eindeutig
festgelegt! (Alle anderen Größen, welche das System betreffen, sind auf
x1 und x2 zurückführbar.)
Die Zustandsgleichung definiert eine Zustandsgröße F eindeutig
als Funktion der n unabhängigen Variablen x1, x2, ... xn eindeutig.
F  F ( x1 , x2 ,..., xn )
eindeutig
Soweit die Zustandsgleichung auflösbar ist, ist die Wahl der
unabhängigen Variablen beliebig.
Im Gleichgewicht sind die Zustandsgrößen zeitlich konstant. Eine
Zustandsänderung (=Prozess) ist immer Folge einer äußeren Störung.
Die Änderung  einer beliebigen Größe  bei einem Prozess ist durch Summation bzw.
Integration über die Änderungen d bei beliebig kleinen Schritten ds im Zustandsraum gegeben. Bei einem Prozess von Zustand 1 nach 2 ist also das Linienintegral
(=Wegintegral)
   2   1 
 d
zu berechnen.
WEG
Die Änderung einer Zustandsgröße F ist unabhängig von Art bzw. Weg des Prozesses
im Zustandsraum, sondern nur von Anfangszustand 1 und Endzustand 2 abhängig.
Dies entspricht der Aussage, dass ein Zustandsgröße eindeutig mit einem Punkt im
Zustandsraum definiert ist. 
Hoeppe - PC Leerscript
- 11 -
Da eine Zustandsgröße F eindeutig ist, ist das Linienintegral
F  F2  F1 
 dF
WEG
unabhängig von gewählten Weg / Prozess im Zustandsraum. Dies ist in der Anwendung
sehr wichtig, da bei der Berechnung eines Prozesses ein beliebiger (einfacher!) Weg
gewählt werden kann, soweit man sich auf Zustandsgrößen beschränkt.

Für einen geschlossenen Weg (Kreisprozess) folgt damit zwangsläufig dF  0 .
Beispiel:
p(V,T) ist Zustandsgröße  Linienintegral ist wegunabhängig, d.h.
2
p  p 2  p1   dp 
1
 dp   dp   dp
WEG I
WEG II
WEG III
bzw.
 dp  0
Die Wegunabhängigkeit des Linienintegrals entspricht der Stetigkeit der Zustandsfunktion F(x1, x2, ..,xn) bzgl. aller unabh. Variablen. Damit existiert für F(xi) ein
totales Differential mit
Eine Veränderung einer Zustandsgröße dF lässt sich also immer als totales Differential
schreiben, was insbesondere bei Herleitungen sehr nützlich ist.
Nicht jede Größe ist eine Zustandsgröße. Zum Beispiel sind die Volumenarbeit W und
die Wärmemenge Q keine Zustandsgrößen. Diese Größen können sich daher bei einem
Kreisprozess auch ändern.
Hoeppe - PC Leerscript
- 12 -
1.4
1.4.1
a)
Ideales Gas
Phänomenologische Theorie
Gesetz von Boyle Mariotte für T = const:

b)
Gesetz von Charles für p = const:

 Absolute Temperatur T:
 Volumenausdehnungskoeffizient von Luft  :
c)
Gesetz von Avogadro:
Unabhängig von der Teilchenart skaliert das Volumen eines (idealen) Gases bei
konstantem Druck und Temperatur linear mit der Teilchenzahl:
 Bei Standardbedingungen für Gase, d.h. p = 1 bar und T = 0 °C haben alle (id.) Gase
das gleiche Molvolumen von ~ 22,4 Liter.
Hoeppe - PC Leerscript
- 13 -
Zusammenfassend:
Gesetz von Boyle Mariotte:
+
Gesetz von Charles:
+
Gesetz von Avogadro:
Zustandsgleichung des idealen Gases:
molare Gaskonstante: R = Rm = 8,31451 J/(molK) = 0,0831451 barl /(molK)
Ideales Gas gute Näherung falls:

Zustandsdiagramme als Schnitt durch Zustandsfläche:
T = const. 
Isothermen :
Hoeppe - PC Leerscript
V = const. 
p = const. 
Isochoren:
Isobaren:
- 14 -
1.4.2
Kinetische Gastheorie
Vereinfachtes Modell eines Gases:
- Gas bestehe aus lauter gleichen sehr kleinen harten Kugeln
- Teilchenabstand >> Teilchengröße (d.h. das Eigenvolumen ist vernachlässigbar)
- Bis auf elastische Stöße gebe es keine Wechselwirkungen
- Die Bewegung sei vollkommen ungeordnet (d.h. „kein Wind“)
- Alle Teilchen sind in erster Näherung gleich schnell
Betrachte quaderförmigen Ausschnitt eines Gasvolumes mit N Teilchen pro Volumen V,
wobei innerhalb der Zeit t aufgrund ihrer endlichen Geschwindigkeit nur Teilchen aus
dem Volumen V* die Wand der Fläche A erreichen können:
In der Zeit t erreicht jedes 2. Teilchen mit |Vx| > 0 aus V* = l* ·A die Wand A.
Die Zahl der Stöße N* ist dann
N 
1N  1N
V 
 vx  t  A
2V
2V
Die Impulsübertragung p pro Stoß ist wegen p’x = - p x :
p = 2 p x = 2 m vx
Die zeitliche Änderung des Impulses entspricht einer Kraft Fi = p x/t auf die Wand:
F  N 
2  m  vx N
p x 1 N

 v x  t  A 
  A  m  v x2
2V
t
t
V
Die Teilchen erzeugen daher zusammen auf die Wand den Druck p = F/A : p 
Eigentlich bewegen sich die Teilchen mit der Geschwindigkeit v 
in beliebiger Richtung. Im Mittel gilt sicher v x2  v y2  v z2
N
 m  v x2
V
v x2  v y2  v z2
und damit v 2  3 v x2 bzw. v x2 
Damit ergibt sich aus dem Ausdruck für den Druck von oben:
Hoeppe - PC Leerscript
- 15 -
1 2
v
3
1
2
1
2
p  V  N  m  v 2  N  m  v 2  N  E kin
3
3
2
3
Nach Boltzmann entspricht die Temperatur bis auf einen Faktor der mittleren
kinetischen Energie der Teilchen:
E kin 
3
k BT
2
*)
Damit folgt unmittelbar das ideale Gasgesetz,
p V 
2
3
N  k B T  N  k B  T  n  N A  k B  T  n  Rm  T
3
2
wenn man die (Boltzmann-) Konstante kB über
N A  k B  Rm
definiert.
*) Anmerkung: Für mehratomige Gase wird dieser Ausdruck im nächsten Kapitel noch
geringfügig abgeändert.
_______________________________________________________________
Nach diesem Ergebnis können wir eine endgültige Definition der Begriffe Wärme und
Temperatur wagen:
A) Wärme Q
Wärme ist die (gespeicherte) kinetische Energie
der ungeordneten Bewegung der Atome und Moleküle
eines makroskopischen Systems.
B) Temperatur T
Die Temperatur T ist ein Maß für die mittlere
kinetische Energie der ungeordneten Bewegung
der Atome und Moleküle eines makroskopischen Systems.
Hoeppe - PC Leerscript
- 16 -
1.5
1.5.1
Weitere Ergebnisse der kinetischen Gastheorie
Freiheitsgrade, spezifische Wärme, Gleichverteilungssatz
Gleichverteilungssatz nach Boltzmann:
Die kinetische Energie verteilt sich (im Mittel)
gleichmäßig auf die Freiheitsgrade f aller Moleküle.

(also nicht zwangsläufig auf die Moleküle!)
Unter ‚Freiheitsgrad’ versteht man eine (mikroskopische) Energiespeichermöglichkeit:

Translation in drei Raumrichtungen:

Rotation
o 2 atomiges (lineares) Molekül (in zwei Raumrichtungen):
o 3 oder mehratomiges (nicht-lineares) Molekül
(in drei Raumrichtungen):

Schwingungen
o 2 oder mehratomiges Molekül
ftrans =
frot =
frot =
fschw =
Da Schwingung und Rotation der Quantisierung unterliegen (QM), können diese
Freiheitsgrade „einfrieren“, wenn die mittlere Energie eines Teilchens bzw.
Freiheitsgrades nicht ausreicht um z.B. eine Schwingung anzuregen. Dies ist bei
Schwingungen für Moleküle i.d.R. bereits bei Raumtemperatur der Fall!
Die Zahl der Freiheitsgrade zeigt sich unmittelbar bei der spezifischen molaren
Wärmekapazität. Im Vorgriff auf Kapitel 2 gilt zusammenfassend:
Stoff
Freiheitsgrade
cV
cp
1-atomiges Gas:
3
3
5
2-atomiges Gas (tiefe Temperaturen):
5
5
7
2-atomiges Gas (hohe Temperaturen):
7
7
9
Ergänzung: Dulong-Petit’ Regel für FK:
6
6
Hoeppe - PC Leerscript
/2 R
/2 R
/2 R
/2 R
/2 R
/2 R
/2 R

6
/2 R
- 17 -
Ideale Gase sind per Definition frei von Wechselwirkungen. Die innere Energie eines
idealen Gases ist daher auch ausschließlich in der Bewegung der Teilchen enthalten,
und damit nach Boltzmann durch den Ausdruck
1
f
f
U  u  N A  E kin   N A  k B T  Rm  T
n
2
2
gegeben und somit makroskopisch betrachtet nur von der Temperatur abhängig!
Entsprechend der Definition der spez. Wärmen bzgl. der makroskopischen
Inneren Energie U und Enthalpie ergibt sich hiermit in hervorragender
Übereinstimmung mit dem Experiment:
Spezifische Wärme bei const. Volumen:
cV 
1  U 
 u 


 
n  T V  T V

Spezifische Wärme bei const. Druck:
cp 
1  H 
 h 

 

n  T  p  T  p

id
id
f
R
2
f 2
R
2
 Berechnung Wärmemenge
dQ  n  c p ,V  dT

Q  n   c p ,V  dT
c p ,V const

n  c p ,V  T
( vgl. Kap. 2 )
Zusammenhang cV und cp:
Für Gase gilt:
c p  cV  R
Hoeppe - PC Leerscript
Für FK u. Flüssigkeiten gilt:
c p  cV
- 18 -
1.5.2
Maxwellverteilung
Eine ausführliche und vollständige Statistik für die Teilchen eines Gases
von Boltzmann und Maxwell liefert eine Energie- und die Geschwindigkeitsverteilung:
3
2
mv 2
2000
2500
 m  2  2 k BT
dN (v)
 v e
f (v) dv 
dv
 4 
2

N
k
T
B 

Maxwellverteilung:
Beispiel für Stickstoff ( N2 ) bei 300 K und 2000 K:
0.002
0.0015
f( v , 300. K )
0.001
f( v , 2000. K )
0.0005
0
0
500
1000
1500
3000
v

Wahrscheinlichste Geschwindigkeit: (Maximum der Kurve)
!
d
f (v )  0
dv


vw 

v
2 RT
M
Mittlere Geschwindigkeit:

v   v  f (v)dv
0

2k B T

m
8 RT
M
Mittlere quadratische Geschwindigkeit:

v2 
v
2
 f (v)dv

v2 
0
Es gilt damit der Zusammenhang:
Hoeppe - PC Leerscript
v 2 : v : vw
3RT
M
 1,73 : 1,60 : 1,41
- 19 -
1.5.3
Freie Weglänge, Stoßhäufigkeit und Wärmeleitung von Gasen
Auch wenn die Teilchen in einem Gas sehr klein im Vergleich zum mittleren Teilchenabstand sind, bewegen sie sich doch sehr schnell. Daher kommt es häufig zu Stößen.
Beschreibt man die Teilchenorte durch Punkte im Raum, wird die Teilchengröße durch
den effektiven Teilchendurchmesser d im Stoßquerschnitt  berücksichtigt:
Stoßquerschnitt:
   d2
Als Stoßzylinder VZ bezeichnet man das von  mit der mittleren Teilchengeschwindigkeit in der Zeit t überstrichene Volumen:
VZ    v  t  2    v  t
(Der Faktor Wurzel 2 ergibt sich aus
einer aufwendigeren Rechnung, welche
auch die Bewegung der ‚getroffenen’ Teilchen berücksichtigt.)
Die Zahl von Stößen in der Zeit t ergibt sich dann aus der Teilchenzahl  in VZ :
  VZ 
N
n
p
p
 VZ   N A  VZ 
 N A  ...  2    v  t 
V
V
R T
k BT
Die Stoßhäufigkeit Z = / t ist:
Z  2   v 
p
k BT
Die Zeit  zwischen 2 Stößen entspricht dem Kehrwert der Stoßhäufigkeit womit für
die
k BT
1
mittlere freie Weglänge
gilt.
l  v  v 
Z
2   p
Diese ist besonders wichtig im Zusammenhang mit elektrischen Überschlägen in Gasen,
in der Vakuumtechnik und der Wärmeleitfähigkeit von Gasen.
Wärmeleitkoeffizient für Gase:
Hoeppe - PC Leerscript
1 N
 cV  v  l
3 V
 
~
T
 cV
M
- 20 -
1.6
Zustandsdiagramme realer Stoffe
Allgemeines Zustandsdiagramm:
TRP
: Tripelpunkt
kr.
: Kritischer Punkt
pD(T) : Dampfdruckkurve
pm(T) : Schmelzdruckkurve
psub(T): Sublimationsdruckkurve
Anomalie des Wassers:
1) Verflüssigung bei Druckerhöhung, weil:
-
2) Schnellkochtopf funktioniert, weil :
-
„Trockeneis“:
 Sublimation von CO2 bei Normaldruck, weil:
-
Hoeppe - PC Leerscript
- 21 -
Bestimmung von Phasengrenzlinien
Phasengrenzlinien werden bestimmt in dem man Druck und Temperatur verändert, bis
man einen Phasenübergang beobachtet. Aufgrund der dabei umgesetzten latenten
Wärme (vgl. Kap. 2.2.2) geschieht das i.d.R. nicht schlagartig, so dass eine Messung von
p und T möglich ist. Ein gutes Beispiel ist hier ‚Eiswasser’: Befinden sich ausreichend
viele Eiswürfel in flüssigem Wasser (und ist der Wärmeübergang nach außen gering,
z.B. durch ein Dewargefäß), dann hat das Wasser-Eis-Gemisch (nach wenigen Minuten)
eine Temperatur von sehr genau 0°C.
Durch geeignete äußere Zwangsbedingungen kann auch ein Gleichgewicht zwischen zwei
Phasen erreicht werden, wodurch eine Messung sehr genau durchgeführt werden kann.
Variiert man z.B. das Volumen bei gegebener Temperatur, erreicht man im pVDiagramm ein Gebiet, in dem flüssige und gasförmige Phase koexistieren, soweit die
Temperatur unterhalb der kritischen Temperatur Tkrit ist. (vgl. auch Kap 5.2.1)
T: Isothermen
Tkrit: kritische Isotherme
g: gasförmig
l + g : 2 Phasenmischgebiet
Beispiel Dampfdruckkurve:
Messablauf:
1) Wasser in geschlossenen Behälter geben
2) Luft mit Vakuumpumpe abpumpen
3) Behälter verschließen
4) Der sich nach kurzer Zeit einstellende Druck
entspricht dem Dampfdruck der Flüssigkeit
(z.B. Wasser), soweit eine flüssige Phase noch
vorhanden ist(!).
5) Behälter temperieren und Druck =
Dampfdruck als Funktion der Temperatur
messen.
Hoeppe - PC Leerscript
- 22 -
1.6.0
Zustandsgleichungen realer Gase
Reale Stoffe bestehen aus Teilchen/Molekülen endlicher Größe, so dass diese sich bei
Abkühlung und/oder Druckerhöhung so nahe kommen, dass Wechselwirkungen nicht
mehr vernachlässigt werden können. Dies äußert sich z.B. in Abweichungen vom idealen
Gasgesetz und der Beobachtung, dass sich Gase bei hinreichend tiefen Temperaturen
verflüssigen lassen. Ziel ist es zunächst, eine verbesserte Gasgleichung für reale Gase
zu erhalten, welche z.B. auch Wasserdampf bei Temperaturen knapp oberhalb der
Siedetemperatur gut beschreibt. Größe der Teilchen, Art und Stärke der Wechselwirkung sind stoffspezifisch, weshalb jede Art von Korrektur(faktor) auch stoffspezifisch bestimmt werden muss.
1.6.1
Virialansatz
Die pragmatischste Methode zur Beschreibung eines realen Gases ist die Einführung
eines rein empirischen Korrekturfaktors Z über
,
welcher stoffspezifisch die Abweichung eines realen Gases vom idealen Gasgesetz
beschreibt. Der Realfaktor Z = Z(p, T) ist dabei nicht nur stoffspezifisch sondern
zudem eine Funktion von Druck und Temperatur wie die experimentell bestimmten
Faktoren im Beispiel unten zeigen. Anstatt für jeden Stoff Unmengen von Zahlen zu
tabellieren, wird Z als Potenzreihe in p als Funktion von T angegeben:
Z (T )  1  B (T ) 10 3  p  C (T ) 10 6  p 2  D (T ) 10 9  p 3
Die temperaturabhängigen Parameter B, C und D (A1) sind die Virialkoeffizienten und
in Tab. B für einige Stoffe aufgelistet.
Hoeppe - PC Leerscript
- 23 -
1.6.2
Van der Waals Gleichung
Van der Waals (1837 – 1923) kommt aufgrund mikroskopischer Überlegungen zu einer
physikalisch begründeten Korrektur der idealen Gasgleichung:
1. Die Berücksichtigung des Eigenvolumens der Gasteilchen mit einem Term b
(Das für die Bewegung verfügbare Volumen wird um b verringert, bzw. das
Gesamtvolumen um b vergrößert.)
2. Eine (offenbar immer) anziehende Wechselwirkung zwischen den Teilchen führt
zu einer Verringerung des (gemessenen) Drucks. Der Wechselwirkungsparameter
a wird in der Korrektur durch das Molvolumen zum Quadrat geteilt, da die WW
nur bei kleinen Molvolumina (Teilchenabständen) relevant ist. Den Term a/Vm2
nennt man auch Binnendruck.
Van der Waals Gleichung:
Die Korrekturterme a und b sind hierbei Stoffkonstanten, und nicht von Druck oder
Temperatur abhängig ( vgl.  Tab. A ). Zudem lassen sie sich im pV-Diagramm aus der
waagerechten Isothermen durch den kritischen Punkt bestimmen. Sie sind damit
vollständig (und einfach!) aus dem kritischen Druck und Temperatur bestimmbar. Nach
einer relativ kurzen Rechnung folgt:
b
R Tkrit
8 pkrit
a  27  b 2  p krit
Die mit der v.d.W. Gleichung berechneten
Isothermen beschreiben sogar recht gut den
2-Phasen Koexistenzbereich (l+g), wenn man den
unphysikalischen ‚Schlenker’ mit Hilfe der sog.
Maxwellkonstruktion ( eingeschlossene Flächen
ober- und unterhalb der Geraden sollen gleich groß
sein) durch ein Waagerechte ersetzt.
Im Gegensatz zu den Virialkoeffizienten ist die v.d.W. Gleichung nicht nur physikalisch
begründet, sondern ohne weitere Messungen viele Daten bekannter Gase verfügbar.
Zudem sind auch qualitative Rechnungen bei realen Gasen möglich (vgl. Kap. 2.3.5).
Hoeppe - PC Leerscript
- 24 -
1.6.3
Gleichung von Redlich und Kwong
Die Gleichung von Redlich und Kwong ist eine Verfeinerung der v.d.W. Gleichung und
führt quantitativ zu einer etwas besseren Beschreibung realer Gase.

p



a'
  (V m  b ' )  R  T
T  Vm (V m  b ' ) 
Die Parameter a’ und b’ ( Tab. C) lassen sich analog zur v.d.W. Gleichung aus den
Daten des kritischen Punktes bestimmen. Hier gilt:
b'  0,08664
Hoeppe - PC Leerscript
R  Tkrit
pkrit
a '  56,95  b'2  pkrit  Tkrit
- 25 -
1.7
Luft
Die Luft unserer Atmosphäre besteht aus einem komplexen Gemisch von Gasen, in
Vol% oder Mol% gilt für trockene Luft ca: N2 ~78%; O2 ~ 21%; Ar ~ 0,9%; CO2 ~
0,038%; sonstige Gase jeweils < 20 ppm. Zusätzlich, je nach Temperatur, Bodennähe
und Vorgeschichte, enthält Luft noch Wasserdampf in der Größenordnung von 1 % und
natürlich auch Schwebstoffe (Aerosole, Staub) wodurch die physikalischen
Eigenschaften der Luft wesentlich beeinflusst werden. Insbesondere die Variation
des Wasserdampfgehaltes durch Verdunstung und Kondensation ist mit den damit
verbundenen Übergangswärmen wetterbestimmend.
1.7.1
Die Barometrische Höhenformel
beschreibt den Luftdruck als Funktion der Höhe, welcher durch den Schweredruck der
Luftsäule auf dem betrachteten Volumenelement entsteht. Im Gegensatz zu
Flüssigkeiten ist das Gasgemisch Luft gut kompressibel, weshalb der Luftdruck ‚nach
oben’ abnimmt. Man betrachtet daher den Druckbeitrag dp, der durch eine Luftschicht
dh durch ihren Schweredruck entsteht, berücksichtigt dabei die auch von der Höhe
abhängige Dichte (h) und erhält schließlich nach partieller Integration den Luftdruck
als Funktion der Höhe h:

dp    (h)  g  dh
nRT n  M R
R
 T    T

V
V
M
M

p

für T = const gilt also:

dp  
0
p0
p

 const 
p ( h ) p0

 ( h)  0
p (h)  g  dh , partielle Integration 

Die barometrische Höhenformel kann nur für (vergleichsweise grobe) Abschätzungen
verwendet werden, da weder die Temperatur noch die Zusammensetzung der Luft
konstant sind. Wesentlich ist hierbei auch der Wasserdampfgehalt, der aufgrund des
Wettergeschehens stark variiert.
Hoeppe - PC Leerscript
- 26 -
1.7.2
Luftfeuchtigkeit
Warum verdampft (verdunstet) Luft, bei Temperaturen unterhalb des Siedepunktes?
Dies lässt sich nicht nur verstehen, wenn man das Phänomen innerhalb der kinetischen
Gastheorie mikroskopisch betrachtet. Auch makroskopisch kommt man zu einer
richtigen Beschreibung, wenn man berücksichtigt, dass der entstehende Wasserdampf
nicht als Reinstoff sondern als Gemisch vorliegt: Entsprechend dem Gesetz von Dalton
p   pi
mit
i
pi 
ni
RT
V
müssen wir daher statt des Gesamtdruckes von ca. 1 bar den Partialdruck des
Wasserdampfes ansetzen, womit die Siedetemperatur entsprechend der
Dampfdruckkurve für H2O sinkt. Wasser verdunstet an Luft also so lange, bis der
(temperaturabhängige) Sättigungsdampfdruck psat(T) erreicht ist, welcher bis auf
Korrekturen zweiter Ordnung dem Wasserdampfpartialdruck pD(T) entspricht.
Aufgrund des tages- und jahreszeitenbedingten ständigen Temperaturwechsels in der
Atmosphäre, Konvektion von Luftmassen oder z.B. Lüftung beheizter Räume kommt es
daher zu einem ständigen Wechsel von Verdunstung und Kondensation.
Maße für den Wasserdampfgehalt von Luft, d.h. die Luftfeuchte:

Absolute Luftfeuchte  [g/m³]:
 :
mH 2O
V
Die maximal mögliche Luftfeuchte max = sat [g/m³] bzw. der Sättigungsdampfdruck psat [mbar] sind (vgl. Dampfdruckkurve) temperaturabhängig (!):
Hoeppe - PC Leerscript
- 27 -


Relative Luftfeuchte rel [%]:
 rel :
p

 HO
 max
psat
2
Der Taupunkt Td [K, °C] , entspricht der Temperatur, bei der bei Abkühlung
Kondensation einsetzt bzw. einsetzen würde. Mit der Temperaturabhängigkeit
von max (vgl. Grafik oben) ist damit auch die absolute Feuchte  definiert.
In der Bauphysik versteht man unter dem Taupunkt den Ort (z.B. in einem
Wandaufbau), an welchem Kondensation auftritt. Dies ist sinnvoll, da sowohl
Temperatur als auch die absolute Feuchte hier stärker mit dem Ort als mit der
Zeit variieren.
Hoeppe - PC Leerscript
- 28 -
2
2.1
Energieumsatz bei Stoffumwandlungen
Erster Hauptsatz
Die Innere Energie U eines Systems ist ...
Eine Änderung der inneren Energie U erfolgt nur über einen
- Wärmetransport Q und/oder über
- Arbeit W im mechanischen Sinne (,d.h. Prozesse die sich auf
das bloße Heben und Senken von Gewichten abbilden lassen).
(Unter Wärme versteht man die Summe der stochastisch verteilten kinetischen Energie,
unter Wärmetransport den Energietransport aufgrund mikroskopisch stochastischer
Prozesse wie z. B. Wärmeleitung oder Wärmestrahlung; also Energietransport, welcher sich
nicht auf das bloße Heben und Senken von Gewichten abbilden lässt .)
Für ein geschlossenes System gilt daher:
Diese Aussage wird oft schon als 1.HS bezeichnet, da sie die
Energieerhaltung aus Gründen der Eindeutigkeit impliziert. Deutlicher ist jedoch:
Für ein abgeschlossenes System gilt:

Es existiert kein Perpetuum Mobile 1. Art, d.h. ...
Folge des 1. HS: U ist Zustandsgröße, d.h.
 dU  0 .
„Beweis“ durch Annahme des Gegenteils:
Wäre U keine Zustandsgröße, wäre auch ein Weg/Kreisprozess im ZR denkbar für den das
Wegintegral nicht null wäre. Somit wäre auch ein Perpetuum Mobile 1. Art möglich.
 Es existiert ein totales Differential für U. Wird der Zustand eines geschlossenen
Systems eindeutig mit V und T definiert so lautet das totale Differential für U (V,T) :
andererseits
im Folgenden
Hoeppe - PC Leerscript
- 29 -
2.1.1
Volumenarbeit
Ändert sich das Volumen eines Systems in Folge irgendeiner Störung so wird stets
mechanische Arbeit im Sinne von „Kraft x Weg“ geleistet. Eine beliebige
Volumenänderung lässt sich immer aus vielen kleinen Kolbenartigen Volumenänderungen
an der Oberfläche des Systems zusammengesetzt denken. Betrachte daher die
geleistete Arbeit eines idealen Gases welches sich in einem Zylinder ausdehnt und
einen Kolben gegen eine äußere Kraft F nach außen schiebt:
 Volumenarbeit W:
Da sich , wie in diesem Beispiel, der Druck des Gases während des Prozesses verändert
muss die Volumenarbeit differentiell definiert werden. (Vgl. Beispiele unten)
1) Berechnung Volumenarbeit bei isothermer Expansion eines idealen Gases:
Verfolge Prozess im pV-Diagramm, dem sog. Arbeitsdiagramm: Das Integral pdV ist
hier direkt als Fläche unter der Isothermen interpretierbar *.
„Isotherm“ bedeuted im Diagramm längs einer
Isothermen, z.B. aufgrund fehlender thermischen Isolation
oder beliebig langsam, so dass die Temperatur stets der
(konstanten) Umgebungstemperatur entspricht.
Das heißt nicht, dass kein Wärmefluss stattfinden
würde, im Gegenteil: Ein Wärmefluss muss stattfinden,
damit sich die Temperatur nicht ändert!
(vgl. auch „innere Energie ideales Gas“ nächstes Kapitel.)
Hoeppe - PC Leerscript
- 30 -
Hier wird auch die Vorzeichenkonvention noch einmal deutlich: Bei der Expansion ist
V positiv und damit W negativ: Das System verrichtet Arbeit, gibt also Energie nach
außen ab womit die innere Energie des Systems kleiner wird.
*) Verläuft der Prozess nicht isotherm, also im pV-Diagramm entlang eines anderen Weges von
Zustand 1 nach Zustand 2, ergibt sich für die Volumenarbeit offensichtlich ein anderes
Ergebnis. Das (Weg-) Integral über pdV ist offensichtlich wegabhängig und die Volumenarbeit
daher auch offensichtlich keine Zustandsgröße!
2) Berechnung Volumenarbeit bei isobarer Expansion eines idealen Gases:
Hierbei handelt es sich eher um einen Spezialfall, da sich bei einem idealen Gas der
Druck bei Expansion normalerweise immer ändert. Betrachtet man aber z.B. den Dampf
einer verdampfenden Flüssigkeit näherungsweise als ideales Gas, dann wird z.B. gegen
den konstanten Druck der Atmosphäre Volumenarbeit geleistet:
Der Prozess verläuft hier im pV-Diagramm entlang
einer Isobaren. Da p während des Prozesses konstant
bleibt, reduziert sich das Integral auf eine einfache
Multiplikation mit der Volumenänderung V.
Neben der Volumenarbeit kann an/von einem System auch andere Art von Arbeit
geleistet werden, z.B. elektrische oder magnetische Arbeit bei der Polarisation von
dielektrischen oder magnetischen Materialien oder durch elektrischen Strom, was
insbesondere für die Elektrochemie sehr wichtig ist.
Soweit nicht explizit auf solche andere Arten von Arbeit verwiesen wird, ist im
Folgenden mit Arbeit die Volumenarbeit gemeint.
Hoeppe - PC Leerscript
- 31 -
2.1.2
Spezifische Wärmekapazität
Unter Wärmekapazität versteht man die Wärmespeicherfähigkeit eines Körpers bzw.
einer Stoffmenge. Sie bestimmt welche Wärme einem Körper zugefügt werden muss,
um eine Temperaturänderung von 1 K zu bewirken. Da wir mittlerweile von Volumenausdehnung und der damit verbundenen Volumenarbeit wissen, definieren wir jetzt
etwas strenger als in Kap. 1.2.3 die Wärmekapazität bei konstantem Volumen:
bzw. die spezifische (molare) Wärmekapazität
Da mit der Einschränkung „bei konstantem Volumen“ auch jegliche Volumenarbeit
ausgeschlossen ist, entspricht der Wärmeumsatz hier der Änderung der inneren
Energie des Systems. Die allgemeine Definition von cV unter der Verwendung der
Zustandsgrößen U und T lautet daher:
Spezifische Wärme bei
konstantem Volumen:
( vgl. totales Differential von U = U(V,T) in Kap.2.1 ! )
Für isochore Prozesse (das Volumen bleibt konstant) gilt damit dU = dQ = ncVdT *,
im Allgemeinen gilt immer
und für ein T-unabhängiges cV folgt:
*) dU = dQ gilt streng nur, wenn neben der Volumenarbeit auch keine anderer Art von Arbeit
bei dem Prozess verrichtet wird.
2.1.3
Die Innere Energie des idealen Gases
Ideale Gase sind per Definition frei von Wechselwirkungen. Die innere Energie eines
idealen Gases ist daher auch ausschließlich in der Bewegung der Teilchen enthalten,
und nach Boltzmann (vgl. Kap.1.5.1) durch den Ausdruck
1
f
f
U  u  N A  E kin   N A  k B T  Rm  T
n
2
2
gegeben und somit makroskopisch betrachtet nur von der Temperatur abhängig!
Hoeppe - PC Leerscript
- 32 -
Daher ist bei einem idealen Gas eine Änderung der inneren Energie U mit
gegeben.
Für ein beliebiges einatomiges Gas (f=3) ergibt sich daher für die molare
Wärmekapazität
.
Für mehratomige Gase mit f > 3 berechnet sich cV entsprechend und ist nur von
der Zahl der Freiheitsgrade und nicht z.B. von der Atomart abhängig.
Auch „ideale“ Festkörper haben alle die gleiche molare Wärmekapazität von 3R,
da man 3 x 2 Schwingungsfreiheitsgrade, also f=6, ansetzt. ( „Dulong-Petit“)
Das für ein ideales Gas U=U(T) gilt zeigt sich prinzipiell auch im Experiment:
Betrachte hierbei die Expansion eines idealen Gases auf zwei verschiedenen Arten:
1.) Adiabatische Expansion durch Kolbenverschiebung: Es wird Volumenarbeit geleistet,
wegen thermischer Isolation kann aber keine Wärme ausgetauscht werden.
 U wird verringert
 T fällt
2. Adiabatische Expansion durch Überströmen: Es wird keine Volumenarbeit geleistet,
und wegen thermischer Isolation auch keine Wärme ausgetauscht.
 U bleibt konstant
 T = const
Das (schwierige) Experiment zeigt, dass die Temperatur bei nahezu idealen Gasen nahezu
unverändert bleibt, bei realen Gasen aber nicht! ( vgl. Joule Thomson Effekt, Effusion).
( Warum sollte bei einem idealen Gas U auch vom Volumen abhängig sein ? )
Hoeppe - PC Leerscript
- 33 -
2.2
Enthalpie
Bei jedem Wärmeumsatz wird nach 2.1.1 aufgrund thermischer Ausdehnung auch
Volumenarbeit geleistet, wenn das Volumen nicht durch geeignete Maßnahmen konstant
gehalten wird. Dies ist jedoch allenfalls bei Gasen realisierbar, bei Festkörpern und
Flüssigkeiten aufgrund der kleinen Kompressibilität kaum möglich. Zudem laufen viele
Prozesse, insbesondere die meisten chemischen Reaktionen, bei Normaldruck p = po ab.
Eine Änderung der inneren Energie U entspricht somit i. A. nicht dem Wärmeumsatz
sondern entsprechend dem 1. HS gilt dU = dQ - pdV bzw. dQ = dU + pdV .
Man definiert daher die neue Zustandsgröße Enthalpie H :
Für den meistens gegebenen Fall von p=const ist damit dQ = dU + pdV + Vdp = dH
und die umgesetzte Wärme durch eine Zustandsgröße beschrieben.
Als unabhängige Variable wählt man für die Enthalpie praktischer Weise p und T:
Totales Differential von H(p,T):
Für konstanten Druck entspricht eine Änderung der Enthalpie dem Wärmeumsatz,
daher definiert man die
Spezifische Wärme bei
konstantem Druck:
Für const. Druck folgt damit für die bei einem Prozess umgesetzte
differentielle Wärmemenge dQ:
Für ein T-unabhängiges cp folgt:
i. A. ist die spezifische Wärme jedoch deutlich temperaturabhängig (vgl. 2.2.1) und
damit gilt für Q:
Hoeppe - PC Leerscript
- 34 -
2.2.1
Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme
Aufgrund von z.B. struktureller Veränderungen von Festkörpern ist dort eine
Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme zu erwarten, aber auch bei Gasen
ändert sich aufgrund zunächst „seltsamer“ quantenmechanischer Effekte die spez.
Wärme mit der Temperatur:
Da die Energie von Schwingungs- und Rotationszuständen quantisiert ist,
„frieren“ diese bei tiefen Temperaturen ein. Da die Energie entsprechend Boltzmann
statistisch auf die Freiheitsgrade verteilt ist, ist der Temperaturverlauf für die
(makroskopische) molare Wärmekapazität aber stetig.
Die Translationsenergie ist dagegen nicht quantisiert.
Hoeppe - PC Leerscript
- 35 -
Massen, Massenträgheitsmomente, Bindungskräfte und –längen etc. sind molekül- bzw.
stoffspezifische Größen. Die T - Abhängigkeit von cp(T) wird meist mit einer
Potenzreihe dargestellt:
c p (T )  A  B 10 3T  C 10 5T 2  D10 6 T 2
Für einige Stoffe sind die Reihenentwicklungsparameter in Tab D dargestellt. Für
einen Wärmeumsatz bei konstantem Druck gilt damit für Q :
T
2
1
 Q   c p (T )dT 
n
T1
T2

3
5 1
6 2 






A
B
10
T
C
10
D
10
T  dT
2
T 
T

1
Für die Reihenentwicklung von oben ist die allgemeine Lösung des Integrals:

1
1 1
2
2
3
3 
3
6
5 1













c
(
T
)
dT
A
T
T
B
10
(
T
T
)
C
10
D
10
(
T
T
)




p
2
1
2
1
2
1
T
T T  3
2
1 
 2


1
T2
Liegt zwischen den Temperaturen T1 und T2 eine Phasenumwandlung (ändert sich z.B.
der Aggregatzustand) muss das obige Integral ‚stückweise’ mit den entsprechenden
Parametern berechnet werden. Zudem muss der mit der Umwandlung verbundene
Wärmeumsatz berücksichtigt werden (latente Wärme).
2.2.2
Latente Wärme
Als latente (= versteckte) Wärme bezeichnet man die bei konstanter Temperatur
umgesetzte Wärme, was i. A. mit einem Phasenübergang verbunden ist. (Damit sind nicht
nur Änderungen des Aggregatzustandes gemeint sondern auch z.B. eine Umkristallisation eines
Festkörpers oder der Übergang von der paramagnetischen in die ferromagnetische Phase.)
Bsp: Schmelzen + Verdampfen
Diese latente Wärme bzw. Umwandlungsenthalpie hu = ist die Energie bzw. Wärme,
welche für die Phasenumwandlung ‚benötigt’ wird. Damit gilt für den gesamten
Wärmeumsatz bei Temperaturänderung einer Stoffmenge von T1 nach T2:
Hoeppe - PC Leerscript
- 36 -
2.2.3
Zusammenhang der spezifischen Wärmen cv und cp
Bei Flüssigkeiten und Festkörpern ist aufgrund ihrer vergleichsweise geringen
Wärmeausdehnung der Unterschied von cp und cv meist vernachlässigbar.
Für ideale Gase gilt nach Definition:
Mit
folgt
Für ein einatomiges ideales Gas ergibt sich somit cV = 3/2 R und cp = 5/2 R , usw.
(vgl. Kap. 1.5.1).
2.3
Idealisierte Zustandsänderungen
Für die Berechnung der Änderung einer Zustandsgröße für einen beliebigen Prozess
12 ist es per Definition der Zustandsgrößen ( Wegunabhängigkeit des Linienintegrals! )
unerheblich, wie der Prozess tatsächlich oder im Detail stattfindet. Es ist ausreichend
einen beliebigen einfach zu berechnenden Weg zu wählen, der vom Ausgangszustand 1
zum Endzustand 2 führt. Daher werden im Folgenden idealisierte Prozesse betrachtet,
die sich bei Bedarf beliebig aneinanderreihen lassen.
2.3.1
Isochore Zustandsänderung
Hier gilt V = const. bzw. dV = 0 
dU =
dH =
dQ =
dW =
Hoeppe - PC Leerscript
- 37 -
2.3.2
Isobare Zustandsänderung
Hier gilt p = const. bzw. dp = 0 
dU =
dH =
dQ =
dW =
2.3.3
Isotherme Zustandsänderung
Hier gilt T = const. bzw. dT = 0. Für ein ideales Gas gilt wegen U = U(T):
dU =
dH =
dQ =
dW =
Bsp.: Isotherme Expansion eines id. Gases :
Näherungsweise isotherme Prozesse sind i.d.R. sehr langsame Prozesse, so dass durch
Wärmeleitung von oder zu einem sehr großen Wärmereservoir (d.h. die Umgebung) die
Temperatur des Systems konstant gehalten wird.
Hoeppe - PC Leerscript
- 38 -
2.3.4
Adiabatische Zustandsänderung
Für reversible Prozesse ist auch der Bergriff „isentrop“ gebräuchlich.
Hier gilt Q = const. bzw. dQ = 0. 
dU =
dH =
dQ =
dW =
Noch gesucht ist p = p(V), d.h. die zugehörige Kurve im p-V-Diagramm (Adiabate), z. B.
um die adiabatische Kompressibilität berechnen zu können, mit der sich wiederum z. B. die
Schallgeschwindigkeit bestimmt.
Für ein ideales Gas gilt wegen U = U(T): dW = dU = ncVdT. Leistet das System infolge
Expansion Arbeit, so muss damit die innere Energie abnehmen. Da keine Wärme
„nachfließen“ kann (und andere Arbeiten ausgeschlossen sein sollen) sinkt die
Temperatur des Gases entsprechend.
dU  ncV dT   pdV  
nRT
dV
V
cV 
1
1
dT   R  dV
T
V
Integration für einen bel. adiabatischen Prozess 1 2 liefert:
cV  ln
T2
V
 R  ln 1
T1
V2

T
ln  2
 T1



cV
V
 ln  1
 V2
Mit cp = cv + R und dem sog. Adiabatenexponent



R


cp
cV
T2  V1 
 
T1  V2 
R
cV
folgt
bzw.
c p 7 / 2  R 7 14
Für Luft (N2, O2) gilt f = 5 und damit:  = c  5 / 2  R  5  10  1,4
V
Hoeppe - PC Leerscript
- 39 -
Näherungsweise adiabatische Prozesse sind i.d.R. sehr schnelle Prozesse, so dass
durch (die langsame) Wärmeleitung kein Temperaturausgleich stattfinden kann.
Da reale Prozesse nie ganz adiabatisch (Luft:  = 1,4)
oder ganz isotherm (  1) ablaufen können, wird
der tatsächliche Prozess am besten mit einem
Polytropenexponenten  beschrieben, wobei hier
immer  >  > 1 gilt.
Für die Polytrope gilt dann
2.3.5
p  V   const
Isenthalpische Zustandsänderung - Joule Thomson Effekt
Hier gilt H = const bzw. dH = 0. Diese Zustandsänderung betrifft vor allem technische
Strömungsprozesse, also offene Systeme. Beispielhaft wird hier der sog.
Joule-Thomson-Effekt behandelt:
Betrachte ein Teilvolumen V eines strömenden Gases durch Drosselstelle, wobei ein
Wärmeaustausch durch eine thermische Isolation verhindert wird, d.h. es gilt dQ=0:
Die Drosselstelle erzeugt bei einem strömenden Gas eine Druckdifferenz p, d.h.
es ist p2 < p1 und in Folge dessen auch V2 > V1.
Bei der Energie und Arbeitsbilanz für diesen Strömungsprozess wird eine potentiell
verrichtete Volumenarbeit und die innere Energie des Gases berücksichtigt:
U 1  p1  V1  U 2  p 2  V2
d.h.
H1  H 2
Offenbar ist H = 0 bzw. dH = 0  „isenthalpisch“ .
Experimentelle Beobachtung: T ändert sich hinter Drosselstelle; oft Abkühlung!
Hoeppe - PC Leerscript
- 40 -
A) Ideales Gas:
Betrachtet man das strömende Gas als ideales Gas gilt für eine Enthalpieänderung
dH  d (U  p V )  dU  d ( p V )  n  cV dT  d (nRT )
!
dH  (n  cV  nR)  dT  0  dT  0
 T  const
Mit einem idealen Gas kann also keine Änderung der Temperatur beobachtet bzw.
erklärt werden. Bei der Expansion hinter der Drosselstelle wird ja auch keine
Volumenarbeit verrichtet (vgl. „Effusion“ Kap. 2.1) und da U = U(T) und dQ = 0
aufgrund der Isolation gilt, darf sich T auch nicht ändern.
B) Reales Gas (hier: Van der Waals):
Bei einem realen Gas ist U nicht nur von T abhängig, sondern auch von den WW
zwischen den Gasmolekülen und damit auch vom Volumen V ! Vereinfacht gilt
dU  n  cV dT  n  dU WW  n  cV dT 
*
dH (n  cV  nR)  dT 
a
dV
V2
!
a
dV

0  dT  0 !
V2
Aufgrund der Volumenzunahme wird die (attraktive) WW geringer, die für die
Trennung der Moleküle notwendige Energie entstammt der kinetische Energie womit
die Temperatur fällt!
*) Dieser Ansatz ist (stark) vereinfacht, es fehlt hier noch die Korrektur für p im p·V
Term der Enthalpie sowie die Korrektur des Volumens um das Eigenvolumen der
Moleküle mit dem Parameter b. Eine etwas genauere Rechnung (vgl. z.B. Gerthsen,
Kneser, Vogel; Physik) zeigt: Eine Abkühlung des Gases erhält man nur für T < Ti wobei
die sog. Inversionstemperatur von den Konstanten a und b abhängt:
Ti 
2  a 27

 TKrit
R b
4
- Für Luft (N2 und O2 ) ist Ti  700 K  Abkühlung ‚kein Problem’
- Für H2 ist Ti  200K  Drosselung führt bei Raumtemperatur zu
einer Erwärmung!
Bei hohen Temperaturen verschwindet offensichtlich der Einfluss der WW (~1/V²)
während die Korrektur des Molvolumens mit b nur linear mit V abnimmt.
Hoeppe - PC Leerscript
- 41 -
Anwendung des Joule Thomson Effekts: Luftverflüssigung nach Linde
Durch wiederholte Anwendung des Drosseleffekts wird Luft bis zur Verflüssigung bei
ca. 83 K (bei Normaldruck) abgekühlt. Durch den Wärmetauscher wird verhindert,
dass mit der gasförmigen Luft zuviel Wärme in den „Kaltbereich“ eingetragen wird.
Kolben
Ventile
Wärmetauscher
p  200 bar
Drosselstelle
p  20 bar
Flüssige Luft
Hoeppe - PC Leerscript
- 42 -
2.4
Reaktionswärme
Nicht nur physikalische Prozesse sondern insbesondere auch chemische Prozesse sind
mit einem Wärmeumsatz verbunden, da sich die Bindungsenergie von den beteiligten
Edukten und Produkten verändert. In der (chemischen) Thermodynamik wird nach den
Details der Reaktion nicht gefragt, sondern („nur“) der Anfangszustand und der
(potentielle) Endzustand miteinander verglichen.
2.4.1
Reaktionsgleichung
Eine chemische Reaktion wird eindeutig durch die Reaktionsgleichung
beschrieben, wobei die stöchiometrischen Faktoren i den Umsatz von jeweils 1 mol
des entsprechenden Produkts bzw. Edukts beschreiben. Falls zweckmäßig kann die
Reaktionsgleichung auf beliebige anderer Reaktionsmengen durch Multiplikation mit
einem Reaktionsparameter  umgestellt werden.
Infolge der chemischen Reaktion bleibt zwar die Anzahl der Atome bzw. der
chemischen Elemente erhalten, die Molzahl der Stoffe – d.h. der chemischen
Verbindungen- kann sich durchaus ändern. Entsprechend Definition ändert sich die
Molzahl von jedem Edukt/Produkt um -/+ ni =  i .
Die Änderung der Gesamtmolzahl
ist insbesondere bei Gasreaktionen wichtig, da sich dadurch bei konstantem Volumen
der Druck ändert (vgl. 2.4.2).
2.4.2
Bestimmung der Reaktionswärme
Während ‚normalerweise’ eher der Druck als konstant angenommen werden kann,
(Standard Laborbedingung) wird bei der Messung einer Reaktionswärme das Volumen
konstant gehalten, da Edukte und Produkte ‚eingesperrt’ werden müssen. So kann die
Reaktion möglichst vollständig ablaufen und der Wärmeumsatz kann in einem
Kaloriemeter gemessen werden:
Hoeppe - PC Leerscript
- 43 -
Wird in einem sog. Bombenkaloriemeter der Wärmeumsatz gemessen, so entspricht
wegen der Randbedingung V = const Q = U. Für die Anwendung bei p = const wird
aber die Änderung der Enthalpie H benötigt. Es gilt daher zu unterscheiden:
a) Festkörper und Flüssigkeiten
Ändern sich bei einer Reaktion nur die Molzahlen von Flüssigkeiten oder Festkörpern
wird aufgrund der relativ kleinen und ähnlichen Molvolumina nur verschwindend
wenig Volumenarbeit geleistet.
Es gilt daher in guter Näherung:
(vgl. A 2.12)
b) Gase
Ändert sich bei einer Reaktion die Gesamtmolzahl der Gase würde bei p=const
Volumenarbeit geleistet werden; bei V=const ändert sich aber der Druck
näherungsweise mit dem id. Gasgesetz entsprechend:
p   n 
RT
V

Für die Änderung der Enthalpie H =Q + Vp gilt daher
(vgl. A 2.13)
2.4.3
Standardbildungsenthalpie
Assoziiert man den Wärmeumsatz bei chemischen Reaktionen mit dem Verschwinden
oder Erscheinen von chemischen Verbindungen (= Stoffen) und den damit verbundenen
Bindungsenergien, so ist es sinnvoll jedem Stoff eine Standardbildungsenthalpie h0298
zuzuordnen.
Die molare Standardbildungsenthalpie h0298 eines Stoffes entspricht der
Wärmemenge die frei wird, wenn sich der jeweilige Stoff bei Standardzustand
( p = 1 bar und T = 298K ) aus den Elementen bildet.
Für Elemente in ihrer natürlichen Form gilt dabei:
( Tab. F )
Hoeppe - PC Leerscript
- 44 -
Da mit cp(T) die Änderung der Enthalpie bei einer Temperaturänderung eindeutig
definiert ist, ist auch die molare Enthalpie eines Stoffes für bel. Temperaturen
eindeutig festgelegt:
(vgl. A 2.14, A 2.15)
Sind nun mit Hilfe jeweils eines Experiments die molaren Standardenthalpien der
Stoffe A, B, C und D bekannt, so lässt sich für eine beliebige Reaktion zwischen diesen
Stoffen der Wärmeumsatz durch einfache Differenzbildung bestimmen!
2.4.4
Reaktionsenthalpie
Mit den oben eingeführten molaren Standardenthalpien definiert sich die (molare)
Reaktionsenthalpie Rh einfach durch die Differenz der vorhandenen Standardenthalpien (also Bindungsenergien) vor und nach der Reaktion:
Reaktionsenthalpie Rh bei Standardbedingungen p = po = 1 bar; T = 298 K :
Reaktionsenthalpie Rh bei Standarddruck p = po = 1 bar und beliebiger TemperaturT:
Die h0i,T sind dabei die Enthalpien der i-ten Komponente bei der Temperatur T.
Hoeppe - PC Leerscript
- 45 -
Achtung: Die Reaktionsenthalpie Rh0T ist nicht gleich der Standardreaktionsenthalpie Rh0298 , obwohl dies auf den ersten Blick zu vermuten wäre, schließlich
werden z.B. die Edukte von 298K auf die Reaktionstemperatur T aufgeheizt und die
aus den gleichen Elementen bestehenden Produkte (also auch die gleiche Masse)
anschließend wieder auf 298 K abgekühlt. Durch die chemische Reaktion verändert
sich aber i. A. die spezifische Wärmekapazität, weshalb sich die umgesetzten Wärmen
bei Aufheizen und Abkühlen unterscheiden! Zudem verschiebt sich durch etwaige
Phasenumwandlungen bei Produkten und Edukten die Wärmebilanz.
Für den speziellen Fall, dass bei keiner beteiligten Komponente zwischen 298 K und T
eine Phasenumwandlung auftritt, lässt sich die Reaktionswärme auch mit der untenstehenden „verkürzten Formel“ berechnen:
T
 h  h
0
R T
0
R 298

 c
p
(T ) dT
298
mit
 c p (T )  A  B 10 3 T  C 10 5
1
 D 10 6 T 2
2
T
A    i Ai Pr    i Ai Ed
B   i Bi Pr   i Bi Ed
usw.
(vgl. A 2.21)
2.4.5
Reaktionsenthalpie bei Reaktionen in wässriger Lösung
Löst sich ein Stoff in Wasser (oder einem anderen Lösungsmittel) liegt dieser in einer
anderen Form (~ Phase) vor. Der Lösungsvorgang lässt sich in folgende mit einem
Wärmeumsatz verbundene Teilschritte beschreiben:
- (Verdampfen und) Ionisierung des zu lösenden Stoffes, Gitterenergie  endotherm
- Entassoziation der H2O Moleküle,
 endotherm
- Einlagerung der „nackten“ Ionen in Lösungsmittel, Solvationsenergie  exotherm
Die Energiebilanz dieses Lösungsvorgangs wird durch die Lösungswärme Lh beschrieben.
Da jeder Stoff in Form von Ionenpaaren in Lösung geht, ist eine Darstellung von
Reaktionsenthalpien für Reaktionen der Ionen untereinander zunächst nicht eindeutig.
Mit der Definition
wird die Eindeutigkeit wieder hergestellt.
( vgl. Bsp. Lösen von HCl in Wasser; Tabelle G )
Hoeppe - PC Leerscript
- 46 -
3
3.1
3.1.1
Entropieumsatz bei Stoffumwandlungen
Vorüberlegungen
Reversible und irreversible Prozesse
Reversibel und irreversibel sind Begriffe einer makroskopischen Betrachtung von
Prozessen. Dabei bedeutet:
reversibel:
irreversibel:
Def.: Man bezeichnet einen Prozess 12, der ein System vom Zustand 1 nach
Zustand 2 überführt, als reversibel, wenn ein Prozess 21 existiert, der das
System in den Ausgangszustand 1 überführt, ohne das im System oder in der
Umgebung irgendeine Änderung verbleibt.
Viele (streng genommen eigentlich alle) spontan ablaufende Prozesse sind
entsprechend der Beobachtung irreversibel, und damit leider auch beliebig schwer
vollständig zu beschreiben. Zum Glück ist das auch meistens gar nicht nötig: Es genügt,
wenn der Prozess innerhalb des Systems eindeutig beschrieben wird. Mit der
Vernachlässigung der Umgebung beschränken wir uns auf die Beschreibung von
geschlossenen oder offenen Systemen, bei abgeschlossenen Systemen hat die
Umgebung ja per Definition sowieso keinen Einfluss.
Irreversible Prozesse in nicht abgeschlossenen Systemen:
Da die Zustandsgrößen eines Systems eindeutig mit der Zustandsgleichung gegeben
sind, spielt es für diese folglich auch keine Rolle auf welchem Weg (Prozess) das
System in einen bestimmten Zustand gelangt ist. Ist ein Prozess in einem nicht
abgeschlossenen System tatsächlich irreversibel, kann man die Änderung der
Zustandsgrößen dennoch (einfach) beschreiben, in dem man einen äquivalenten
reversiblen Prozess findet, der zum gleichen Endzustand führt. (Dies ist prinzipiell
immer möglich, da infinitesimale (d.h. einzelne mikroskopische) Prozesse stets reversibel sind.)
Mit Hilfe der Zustandsgröße Entropie, welche später eingeführt wird, lässt sich dann
sogar rechnerisch entscheiden, ob ein Prozess in einem abgeschlossenen System
prinzipiell reversibel oder irreversibel ist, und damit ob dieser Prozess spontan (d.h.
„ohne Hinzutun“) ablaufen wird oder nicht.
Im Folgenden werden daher Beispiele für solche äquivalenten Prozesse betrachtet:
Hoeppe - PC Leerscript
- 47 -
abgeschlossenes System
geschlossenes System
Gewicht fallen lassen
irreversibel
Gewicht senken
reversibel
Effusion
irreversibel
Kolbenexpansion
reversibel
Diffusion
irreversibel
Semipermeabler Kolben
reversibel
Hoeppe - PC Leerscript
- 48 -
3.1.2
Carnotprozess:
Der Carnotprozess dient der idealisierten theoretischen Beschreibung von
Wärmekraftmaschinen, also Maschinen die Wärme in Arbeit umwandeln (oder
umgekehrt).
Eine solche Maschine soll
- zyklisch arbeiten ( Kreisprozess im Zustandsraum und pV-Diagramm)
- ideal, d.h. reibungs- und damit verlustfrei arbeiten ( reversible Prozesse)
- mit einem (bei Wärmezufuhr expandierenden) idealen Gas betrieben werden.
Damit für einen Zyklus netto Arbeit geleistet wird, müssen mindestens zwei
verschiedene Prozesse durchgeführt werden: Erfolgt die Expansion bei Kolbenvorschub isotherm, so muss für die folgende Kompression zunächst die Temperatur
des Gases gesenkt werden, damit hierfür nicht wieder die gleiche Menge Arbeit nötig
ist, die bei der Expansion geleistet wurde. Dies wird z. B. durch eine adiabatische
Expansion gewährleistet.
N. L. S. Carnot (1796-1832) betrachtete eine (leicht zu berechnende) Abfolge von
isothermen und adiabatischen Prozessen 1  2  3  4  1  ... wie folgt:
Ein in umgekehrter Reihenfolge ablaufender Kreisprozess entspricht einer
Kraftwärmemaschine (z.B. Wärmepumpe oder Kühlschrank).
Im Folgenden wird der Wärme- und Arbeitsumsatz jedes einzelnen Teilschrittes
betrachtet und anschließend das Verhältnis von zugeführter Wärme zu erhaltener
Arbeit, also der Wirkungsgrad, bestimmt:
Hoeppe - PC Leerscript
- 49 -
1  2:
isotherme Expansion bei T = T0
Q12  W12  nRT0 ln
2  3:
adiabatische Expansion
V2
V1
W23  U 23  ncV T23  ncV (Tu  T0 )
3  4:
isotherme Kompression bei T = Tu
Q34  W34  nRTu ln
4  1:
adiabatische Kompression
V4
V3
W41  U 41  ncV T41  ncV (T0  Tu )
Gesamtenergiebilanz für Kreisprozess:
Wges  W12  W23  W34  W41
V1
V
 ncV (Tu  T0 )  nRTu ln 4  ncV (T0  Tu )
V2
V3
V
V
 Q12  Q34   nRT0 ln 1  nRTu ln 4
V2
V3
Wges  nRT0 ln
Qges

U ges  Wges  Qges  0 entsprechend dem 1. HS.
Interessanter ist der Wirkungsgrad , allgemein Nutzen/Aufwand, hier also:
das Verhältnis zugeführter Wärme Q zu erhaltener Arbeit W:
 :
Hoeppe - PC Leerscript
Wges
Q12
V1
V
 nRTu ln 4
V2
V3
V
nRT0 ln 1
V2
nRT0 ln

- 50 -
Die ln-Terme in obigem Ausdruck lassen sich eliminieren, da für die Adiabaten
TV -1 = const gilt:
T0V2
 1
 1
T0V1
 TuV3
 TuV4
 1
 1


T0  V3

Tu  V2



T0  V4 
 
Tu  V1 
 1
 1
V3 V4

V2 V1
bzw.
und damit
V4 V1

V3 V2
V
ln 4
 V3

V
  ln 1
 V2




Damit ergibt sich als Wirkungsgrad für den Carnot’schen Kreisprozess:
 Carnot 
W ges
Q12

T0  Tu
T0
Da Tu = 0 grundsätzlich unmöglich ist, gilt also immer  < 1 !
Damit eine Maschine zyklisch arbeiten kann, muss ein Teil der zugeführten Wärme bei
der Temperatur T0 wieder bei Tu abgegeben werden. Eine vollständige Umwandlung der
zugeführten Wärme in Arbeit ist also prinzipiell unmöglich.
Jeder andere technische Kreisprozess kann durch eine Abfolge von infinitesimal
kleinen isothermen und adiabatischen Prozessen approximiert werden, daher ist bei
einem beliebigen anderen Kreisprozess auch kein größerer Wirkungsgrad möglich. Im
Gegenteil: Bei realen Maschinen ist aufgrund von Reibung etc. der Wirkungsgrad noch
geringer!
Aus obiger Erkenntnis folgt bereits eine mögliche Formulierung des 2. HS der
Thermodynamik:
Es existiert kein Perpetuum Mobile 2. Art, d.h.
keine periodisch arbeitende Maschine, die nichts
weiter tut, als Wärme in Arbeit umzuwandeln.
Hoeppe - PC Leerscript
- 51 -
3.2
3.2.1
Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik - Entropie
Reduzierte Wärme und Entropie
Um zu einer quantitativen mathematischen Formulierung des 2. HS zu gelangen,
betrachten wir nochmals genauer die umgesetzten Wärmemengen Qi einer
Carnotmaschine, wobei sich diese samt der Wärmereservoirs bei T0 und Tu in einem
abgeschlossenen System 2 befinden soll:
Die Gesamtenergiebilanz für den Kreisprozess bzgl. des (kleineren) geschlossenen
Systems 1 in welchem sich nur die Carnotmaschine befindet ergibt U = 0.
Für die umgesetzten Wärmemengen Q0 bei T0 und Qu bei Tu gilt (vgl. 3.1.2):
Offensichtlich gilt:
bzw.
Für jeden anderen (reversiblen) Umsatz von Wärmemengen (weitere Carnotmaschinen
oder andere reversible Prozesse) gilt das Gleiche, und daher allgemein:
Die Summe der reduzierten Wärmen Qi/Ti ist in einem abgeschlossenen System null,
d.h. eine Erhaltungsgröße.
Hoeppe - PC Leerscript
- 52 -
Wenn sich in einem abgeschlossenen System eine Größe nicht ändert, so existiert
offensichtlich eine entsprechende Zustandsgröße, die mit dem Zustand des Systems
eindeutig bestimmt ist.
R. Clausius (1822-1888) definierte diese neue Zustandsgröße Entropie S mit
.
Eine Entropieänderung S ergibt sich also aus der Summe der reversibel umgesetzten
reduzierten Wärmen.
3.2.2
Quantitative Formulierung des 2.HS
In einem abgeschlossen System gilt
falls darin nur reversible Prozesse ablaufen. Aus Erfahrung gilt für beliebige Prozesse
in einem abgeschlossenen System:
Das bedeutet, dass bestimmte (irreversible) Prozesse nur in einer Richtung ablaufen
können, da dS < 0 und damit S < 0 in einem abgeschlossenen System unmöglich ist!
Damit wird, im Gegensatz zu allen anderen physikalischen Gesetzen, die prinzipiell
umkehrbar (zeitumkehrinvariant) sind, die Richtung des Zeitablaufs festgelegt.
Da sich für irreversible Prozesse in einem abgeschlossenen System stets auch
äquivalente reversible Prozesse in einem geschlossenem System finden lassen,
(vgl. Kap 3.1.1) ist auch für diese eine Entropieänderung S berechenbar.
Allgemein gilt dann für einen beliebigen (potentiellen) Prozess in einem
abgeschlossenen System:
Hoeppe - PC Leerscript
S = 0

S > 0

S < 0

- 53 -
3.2.3.
Berechnung von Entropieänderungen reversibler Prozesse
a) adiabatische Prozesse:


b) isotherme Prozesse:
Für die Berechnung von S ist ein expliziter Ausdruck für dQ des jeweiligen Prozesses
erforderlich. Betrachte daher als Beispiel die isotherme Expansion eines idealen
Gases:
Wegen dU = 0 (isotherm) gilt hier mit dem 1. HS dQ = -dW = pdV (vgl. Kap. 2.3.3).


Beachte: Für die Expansion ist V2 > V1 und damit S > 0. Läuft diese Expansion in einem
abgeschlossenen System ab (z.B. Effusion), so ist dieser Prozess irreversibel!
Wie schon in Kap. 3.1.1 dargestellt, ist ein Diffusionsprozess auf die isotherme
Expansion eines id. Gases abbildbar. Somit ist auch ein Diffusionsprozess (in einem
abgeschlossenen System) irreversibel. Effusion und Diffusion laufen also spontan, d.h.
ohne hinzutun ab.
c) isochore Prozesse:
Betrachte hier die Erwärmung einer Stoffmenge mit konstanter Wärmekapazität cV
in infinitesimal kleinen Schritten, d.h. in diesem Grenzfall reversibel.


(vgl. e) Wärmeleitung!)
Hoeppe - PC Leerscript
- 54 -
d) isobare Prozesse:
Betrachte hier wie zuvor die Erwärmung einer Stoffmenge, jetzt mit konstanter
Wärmekapazität cp in infinitesimal kleinen Schritten.


(vgl. e) Wärmeleitung!)
e) Wärmeleitung:
Während eine Erwärmung wie unter c) und d) diskutiert zwangsläufig nur in einem
nicht abgeschlossenen System stattfinden kann, betrachten wir jetzt die
Wärmeleitung in einem abgeschlossenen System: Anfangs seien die Temperaturen TA
und TB der Teilmengen A und B unterschiedlich, infolge Wärmeleitung findet ein
Temperaturausgleich auf die Mischungstemperatur T statt (vgl. Kap. 1.2.3).
Da die Entropie eine extensive Größe ist, können wir die Gesamtentropieänderung S
aus den Entropieänderungen der Teilsysteme A und B bestimmen. Für diese ergibt sich
SA und SB aus den Temperaturänderungen wie unter d (oder c) beschrieben:

Da T zwischen TA und TB liegt, ist ein Entropiebeitrag negativ und der andere positiv.
Für gleiche Wärmekapazitäten, also nAcp,A = nBcp,B = C, ergibt sich (vgl. Kap. 1.2.3) als
Mischungstemperatur einfach das arithmetische Mittel und damit:
Hoeppe - PC Leerscript
- 55 -
Da das arithmetische Mittel (im Zähler des ln-Terms) immer größer ist als das
geometrische Mittel (im Nenner), ist das Argument des ln-Terms immer größer 1 und
damit S > 0.
 Wärmeleitung ist also prinzipiell ein irreversibler Prozess!
f) Mischungsentropie:
Die Vermischung zweier unterschiedlicher Stoffe ( Diffusion) lässt sich auf die
isotherme Expansion beider Stoffe auf das Gesamtvolumen abbilden:
Berechnen wir die Entropieänderungen der Teilsysteme Gas A und Gas B wie unter b)
beschrieben, ergibt sich für die Gesamtentropieänderung
Die Entropie nimmt für beide Teilsysteme und damit für das Gesamtsystem zu. Die
Vermischung von Stoffen ist in einem abgeschlossenen System somit irreversibel, und
läuft daher spontan ab.
g) Phasenübergänge:
Da Phasenübergänge bei konstantem Druck und Temperatur ablaufen, berechnet sich
hier die Entropieänderung ohne Integration einfach aus der Umwandlungswärme:
Hoeppe - PC Leerscript
- 56 -
3.2.4
Statistische Interpretation der Entropie
Boltzmann (1844-1906) führte alternativ zu Formulierung von Clausius eine
statistische Definition der Entropie ein (vgl. 3.2.5). Dabei ist entscheidend, mit
welcher Wahrscheinlichkeit P ein makroskopischer Zustand eingenommen wird. Diese
ergibt sich wiederum aus der Zahl mikroskopischer Zustände , welche zu dem
gleichen makroskopischen Zustand führen.
Der makroskopische Zustand mit den meisten Realisierungsmöglichkeiten (d.h. mit der
größten Unordnung) ist der wahrscheinlichste und derjenige welcher letztlich
beobachtet wird. Daher streben (abgeschlossene) Systeme (z.B. bei Variation durch
rein zufällige Teilchenbewegung) grundsätzlich einen Zustand maximaler Unordnung an.
Die Entropie eines Zustandes ist nach Boltzmann mit
S  k B  ln 
definiert.
Die Zahl mikroskopischer Realisierungsmöglichkeiten  bezeichnet man auch als
‚statistisches Gewicht’ und entspricht einer (nicht normierten) Wahrscheinlichkeit
des Zustandes. Ein „Streben nach Unordnung“ entspricht damit einer Entropieerhöhung und somit dem 2. HS der Thermodynamik!
Betrachten wir das mikroskopische Modell eines id. Gases aus N Teilchen, welche sich
rein zufällig in einem Kasten bewegen. Der makroskopische Zustand sei durch die
Anzahl der Teilchen links ( bzw. rechts) beschrieben:
 Wie wahrscheinlich ist es, dass sich die Teilchen gleichmäßig auf
beide Seiten verteilen?
 Wie wahrscheinlich ist es, dass sich alle Teilchen links befinden?
1 Teilchen:
Hoeppe - PC Leerscript
- 57 -
2 Teilchen:
3 Teilchen:
4 Teilchen:
Hoeppe - PC Leerscript
- 58 -
100 Teilchen
 Offensichtlich ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Teilchen
gleichmäßig auf beide Seiten verteilen.
 Offensichtlich ist es äußerst unwahrscheinlich, dass sich alle Teilchen
links befinden, bzw. derart unwahrscheinlich, dass wir „unmöglich“ sagen.
3.2.5
Äquivalenz der Definitionen nach Clausius und der nach Boltzmann
Betrachte nochmals die isotherme Expansion des id. Gases makroskopisch nach
Clausius a), und mikroskopisch nach Boltzmann b):
a)
Clausius
Berechnung wie unter 3.2.3.b:
2
2
2
V 
 dW
dQ
pdV
nR
S  



dV  n R ln 2 
T
T
T
V
 V1 
1
1
1
1
2
b)
Boltzmann
Hoeppe - PC Leerscript
- 59 -
Wahrscheinlichkeit P, dass sich ein Teilchen am Ende im Volumen V1 befindet:
V
P1  1
V2
 N Teichen:
V 
P1   1 
 V2 
N

V 
1     1 
 V2 
N
(Wobei wir hier ausnutzen, dass das statistische Gewicht  bis auf eine
Normierungskonstante  gleich der Wahrscheinlichkeit ist.)
Wahrscheinlichkeit P, dass sich ein Teilchen am Ende im Volumen V2 befindet:
V
P2  2
V2
 N Teichen:
V 
P2   2 
 V2 
N
N

V 
 2     2   
 V2 
(Wobei das statistische Gewicht  proportional der jeweiligen Wahrscheinlichkeit P ist.)
Entropieänderung:



 

S  S 2  S1  k B  ln  2  k B  ln 1  k B  ln 2   k B  ln
N
 1 
  V1 
    V 
  2


N

 V2 
  k B  ln  
 V1 



V 
V 
V 
 N  k B  ln 2   n  N A  k B  ln 2   n  R  ln 2 
 V1 
 V1 
 V1 
Offensichtlich liefern beide Definitionen das gleiche Ergebnis für die
Entropieänderung!
Allerdings fällt auf, dass die Definition nach Boltzmann anscheinend auch eine Absolutberechnung der Entropie erlaubt, während mit der Definition nach Clausius nur eine
Entropieänderung definiert ist. Dieser „Mangel“ wird mit dem dritten Hauptsatz
behoben.
Hoeppe - PC Leerscript
- 60 -
3.3
Dritter Hauptsatz und Absolutberechnung der Entropie
Man beobachtet experimentell ein Verschwinden der spezifischen Wärmekapazitäten
bei Annäherung an den absoluten Nullpunkt. Damit werden auch Entropiedifferenzen
immer kleiner. (Erklären lässt sich dies nur mit dem quantenmechanischen ‚Einfrieren’
von Freiheitsgraden.)
Nernst (1864-1941) formulierte aufgrund dieser Beobachtung das heute sog.
Nernstsche Wärmetheorem:
Aufgrund von Ergebnissen der statistischen Physik formulierte Planck (1858-1947)
später deutlich schärfer den 3. H.S. der Thermodynamik
nachdem die Entropie eines idealen kristallinen Festkörpers für T 0 verschwindet.
Diese Festlegung ermöglicht die Absolutberechnung der Entropie so(T) mit
für beliebige Temperaturen T.
Zweckmäßigerweise wird die Standardentropie so298 = so(T = 298K, p = po) definiert:
(  Tab. F)
Damit vereinfacht sich die so(T) Berechnungen bei „handelsüblichen“ Temperaturen:
(  so: Tab. F, hu: Tab. E)
Wird zur Beschreibung von cp(T) wieder die gleiche Reihenentwicklung
Hoeppe - PC Leerscript
- 61 -
c p (T )  A  B 10 3T  C 10 5T 2  D10 6T 2
verwendet, berechnet sich das Integral in obiger Gleichung entsprechend
T2
T
2
cP
A
3
5 1
6 







dT
B
10
C
10
D
10
T dT

3
T T
T  T
T

1
1
mit der allgemeinen Lösung

 1
cP
T2
1
1  1
2
2
5
3
6




dT
A
ln
B
10
(
T
T
)
C
10
D
10
T
T









2
1
2
1
T
T 2 T 2  2
T1
2

T1
1 
 2

T2
3.4


Reaktionsentropie Rs
Mit den in 3.3 eingeführten Standardentropien berechnet sich eine Änderung der
molaren Entropie in Folge einer chemischen Reaktion Rs völlig analog zu den
Reaktionsenthalpien:
bei Standardbedingungen:
bei Standarddruck:
Falls bei keinem Stoff Umwandlungspunkte zwischen 298 K und T liegen, lassen sich die
Summen bzw. Integrale zu einer „verkürzten Formel“ zusammenfassen:
T
 s  s
o
R T
o
R 298


298
mit
 c p (T )
T
dT
c p (T )  A  B 10 3 T  C 10 5
1
 D 10 6 T 2
2
T
A    i Ai Pr    i Ai Ed
B   i Bi Pr   i Bi Ed
usw.
Hoeppe - PC Leerscript
- 62 -
3.5
(Partial-) Druckabhängigkeit der Entropie
Obwohl chemische Reaktionen üblicherweise bei Standarddruck betrachtet werden,
muss i. A. beachtet werden, dass die Entropie eine Funktion von T und p ist. Dies wird
insbesondere bei der Betrachtung von Gasgemischen deutlich:
Nach dem Gesetz von Dalton
ergibt sich der Gesamtdruck p des Gemischs aus der Summer der Partialdrücke pi der
Komponenten. Der Partialdruck einer Komponente ist der Druck, der sich bei
Abwesenheit der anderen Komponenten einstellen würde.
Erzeugen wir ein Gasgemisch mit dem Gesamtdruck p = po , so verringert sich
zwangsläufig der Druck jeder Komponente ausgehend von po auf pi , wodurch sich die
molare Entropie jeder Komponente (vgl. 3.2.3b) ändert.
Beschreiben wir diese Vermischung (bei T=const, aber beliebig) durch isotherme
Expansionen idealer Gase auf das gemeinsame Volumen, dann gilt für jede Komponente:
2
2
V
1
1
1
1
 s   S   dS   nR  dV  R ln  2
n
n1
n1
V
 V1

 p 
p 
  R ln  1    R ln  2 

 p2 
 p1 
Mit dem Ausgangsdruck p1 = po und dem Partialdruck einer Komponente p2 = pi folgt
 p 
 si  si ( p 2  pi )  si ( p1  p o )  si ( pi )  si0   R  ln  oi 
p 
Da i. A. die Entropie noch von T abhängt, ergibt sich als molare Entropie der i-ten
Komponente einer Mischung:
Für ein Gemisch ist die Gesamtentropie S   ni  si also nicht gleich der Summe der
Entropien der reinen Komponenten, sondern muss um den „Mischungsanteil“ mit den lnTermen ergänzt werden!
Eine etwas allgemeinere Darstellung erhält man, wenn man das Mischungsverhältnis
nicht über die Partialdrücke sondern über die Molenbrüche xi angibt:
Hoeppe - PC Leerscript
- 63 -
Aus
pi 
ni RT
V
und
p0 
nRT
V
folgt
pi
ni

 xi
po
n
und damit
Planck konnte über die statistische Definition der Entropie zeigen, dass der obige
Ausdruck nicht nur für die Vermischung von idealen Gasen gilt, sondern genauso für
Mischungen von Flüssigkeiten und Festkörpern. Für die Gesamtentropie eines Systems
gilt damit allgemein
Achtung: Mit obiger Verallgemeinerung finden wir jetzt eine Abhängigkeit der
Entropie von den Molenbrüchen, auch wenn der (Gesamt-) Druck p = po = 1 bar ist.
Der Index ’’ o ’’ bei den soi bekommt jetzt eine andere Bedeutung: Er steht jetzt nicht
nur für den Standarddruck sondern in der Verallgemeinerung für „reine Komponente“.
Die soi sind also die molaren Entropien der reinen (d.h. unvermischten) Komponenten bei
p = po = 1 bar.
Anmerkung:
Der durch die ln-Terme beschriebene „Mischungsanteil“ der Entropien hat eine sehr
wichtige Konsequenz für den Ablauf von chemischen Reaktionen, da im Verlauf einer
Reaktionen zwangsläufig ‚auf halbem Wege’ Edukte und Produkte parallel und damit
vermischt vorliegen. Dies führt zur Ausbildung von Gleichgewichten, die in Kap. 5
behandelt werden.
Hoeppe - PC Leerscript
- 64 -
4
4.1
Der Ablauf physikalischer und chemischer Prozesse
Freie Energie und Freie Enthalpie
Josiah Willard Gibbs (1839-1903) gelang es die zwei Prinzipien, nach dem ein System
einem Zustand 1) minimaler Energie und 2) maximaler Entropie entgegenstrebt
zusammenzufassen, in dem er eine neue Zustandsgröße Freie Energie (bzw. die Freie
Enthalpie) einführte. Beide o. g. Prinzipien lassen sich damit zu einem allgemeinen
Prinzip der Minimierung der freien Energie (freien Enthalpie) zusammenfassen.
4.1.1
Freie Energie F
Insbesondere in der Festkörperphysik kann das Volumen von Stoffen in guter
Näherung als konstant betrachtet werden, d.h. die thermische Ausdehnung und damit
verbundene Volumenarbeit kann vernachlässigt werden.
Für spontan ablaufende Prozesse gilt nach Gibbs
Freie Energie F
Für eine Änderung von F gilt entsprechend Definition
dF =
d.h. für T = const entspricht eine Änderung der freien Energie der (reversibel)
umgesetzten Arbeit.
Andererseits ist F = F(V,T) (ohne Beweis) eine Zustandsgröße, und damit gilt für dF
und nach Koeffizientenvergleich folgen die sog. Fundamentalgleichungen:
Hoeppe - PC Leerscript
- 65 -
4.1.2
Freie Enthalpie G
Insbesondere in der Chemie kann das Volumen von Stoffen nicht als konstant
betrachtet werden, stattdessen gilt meist p = const. Für diesen Fall wurde bereits in
Kap. 2.2 anstelle der inneren Energie die Enthalpie eingeführt. Dies führt jetzt
an Stelle der freien Energie zur sog. freien Enthalpie ( oder Gibbs Potential).
Für spontan ablaufende Prozesse gilt nach Gibbs
Freie Enthalpie G
Für eine Änderung von G gilt entsprechend Definition
dG =
Auch G = G(p,T) ist (ohne Beweis) eine Zustandsgröße, und damit gilt für dG
und nach Koeffizientenvergleich folgen die sog. Fundamentalgleichungen für G:
Aus der Vereinigung der beiden Prinzipien (Energie  Min) + (Entropie  Max) zu
G Min folgt für einen Prozess oder eine Reaktion von 1 nach 2:
G = G2 - G1 < 0 
G = G2 - G1 > 0 
G = G2 - G1 = 0 
Hoeppe - PC Leerscript
- 66 -
4.1.3
(Partial-) Druckabhängigkeit der Freien Enthalpie g(p,T)
Die Druckabhängigkeit der Freien Enthalpie folgt direkt aus der Druckabhängigkeit
der Entropie, wobei wir hier auch letztlich wieder den Partialdruck pi einer
Komponente bei dem konstantem Gesamtdruck p = po betrachten werden.
Bsp.: Isotherme Expansion eines id. Gases:
Für T = const aber beliebig folgt aus dG = Vdp - SdT unmittelbar
dG  Vdp 
nRT
dp
p

Mit p1 = po und p2 = p folgt
bzw. molar
Im Allgemeinen ist g = g(p,T) wobei statt p im Fall eines Gemischs der Partialdruck pi
der jeweiligen Komponente i anzusetzen ist:
Auch hier gilt nach Planck verallgemeinert mit den Molenbrüchen xi der Komponenten:
mit
Die gesamte Freie Enthalpie eines beliebigen Gemischs bei dem Gesamtdruck p=po
berechnet sich dann entsprechend

G   ni  g i   ni  g i0 (T )  RT  ln xi
i

i
und ist also nicht einfach die Summe der freien Enthalpien der reinen Komponenten.
Hoeppe - PC Leerscript
- 67 -
4.2
Chemische Reaktionen
Die Definition einer molaren freien Enthalpie erlaubt auf einfache Weise die
Anwendung des Minimumprinzips für die freie Enthalpie (G  MIN) auf beliebige
chemische Reaktionen. Nach Einführung der Freien Reaktionsentropie analog zur
Reaktionsenthalpie und -entropie wird sich schließlich zeigen, dass die von der Entropie
stammenden ‚ln-Terme’ einen besonderen Einfluss auf den Ablauf von chemischen
Reaktionen haben.
4.2.1
Freie Reaktionsenthalpie Rg
Analog zur Reaktionsenthalpie und –entropie wird die molare freie Reaktionsenthalpie
definiert,
Wobei die gi der Komponenten i.A. p und T abhängig sind und im Besonderen auch von
ihren jeweiligen Partialdrücken pi bzw. Molenbrüchen xi abhängen. Im Folgenden
betrachten wir nur Reaktionen bei einem Gesamtdruck p = po, d.h. die Beiträge der
einzelnen Komponenten berechnen sich nach g i ( xi , T )  g i0 (T )  RT  ln xi .
Eine grobe (aber auch später wichtige) Vereinfachung für Rg erhält man, wenn man
zunächst nur die Beiträge der reine Komponenten berücksichtigt, d.h. sämtliche „lnTerme“ vernachlässigt:
Standard Gibbs-Reaktionsenthalpie Rgo
(Achtung: Der Index “ o “ steht hier also nicht für Standarddruck, sondern dafür, dass nur die
Beiträge der reinen Komponenten berücksichtigt werden.)
Entsprechend G = H - T·S bzw. g = h - T·s berechnet sich Rgo (T) mit
und falls bei keinem Stoff Umwandlungspunkte zwischen 298 K und T liegen, gilt mit cp(T):
T
 c p (T )


0
   c p (T )  dT  T   R s 298  
 dT 
T
298
298


T
 R g   Rh
0
0
298
Die freie Reaktionsenthalpie Rgo liefert also ein gute Abschätzung über die
Hoeppe - PC Leerscript
- 68 -
Änderung der molaren freien Enthalpie in Folge einer Reaktion und erlaubt somit eine
grobe Aussage (vgl. 4.1.2) darüber, ob eine Reaktion spontan ablaufen wird oder nicht.
Für Rgo < 0 wird g (bzw. G) kleiner bzw. minimal, wenn die Reaktion von links nach
rechts abläuft. Ist für ein potentielle (gedachte) Reaktion Rgo > 0, so wird diese nicht
ablaufen. Das Vorzeichen von Rgo zeigt also an, ob eine Reaktion von „links nach
rechts“ oder (eher) umgekehrt abläuft.
4.2.2
1. Ulich’sche Näherung:
Ganz offensichtlich ist Rgo eine Funktion der Temperatur, womit auch die Richtung
einer Reaktion evtl. von der Temperatur abhängig ist. Eine relativ gute Abschätzung
bzgl. der Temperaturabhängigkeit von Rgo erhält man mit der Annahme, dass die
spezifischen Wärmen von Edukten und Produkten sich kaum unterscheiden, d.h.
cp(T)  0. Damit vereinfacht sich die Berechnung von Rgo(T) erheblich:
Obige Gleichung ist nicht zu verwechseln mit dem Fall einer
Reaktion unter Standardbedingungen:
0
0
0
 R g 298
  R h298
 298 K   R s 298
Hoeppe - PC Leerscript
- 69 -
4.2.3
Richardson Diagramme
Bisher haben wir nur das Vorzeichen von Rgo einer Reaktion betrachtet und daraus
auf die Reaktionsrichtung geschlossen. Welche Information steckt denn im Betrag von
Rgo ? „Je negativer desto eher (stärker) von links nach rechts“? Ja, so ähnlich kann
man sich das vorstellen und am deutlichsten wird diese Aussage, wenn man
verschiedene alternative Reaktionen miteinander vergleicht.
In einem Richardson Diagramm werden die Rgo(T) unter Verwendung der 1. Ulichschen
Näherung für verschieden Reaktionen über der Temperatur aufgetragen. Genauer: Für
verschiedene alternative Reaktionen, in dem Beispiel unten jeweils mit O2:
Richardson Diagramm
0
Standardreaktionsenthalpie
-100
C + O2 -> CO2
2 Ni + O2 -> 2 NiO
2 C + O2 -> 2 CO
4/3 Cr + O2 -> 2/3 Cr2O3
4/3 Fe + O2 -> 2/3 Fe2O3
2 Fe + O2 -> 2 FeO
3/2 Fe + O2 -> 1/2 Fe3O4
-200
-300
-400
-500
-600
-700
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
1800
2000
T/K
 Verschiedene Reaktionen zeigen verschiedene Rgo
 Verschiedene Reaktionen zeigen verschiedene Temperaturabhängigkeit von Rgo
 Die Reaktion mit kleinerem Rgo läuft bevorzugt ab.
 Die Reaktion mit kleinerem Rgo läuft auch ab, falls nur das Produkt einer Reaktion
mit größerem Rgo vorliegt, d.h. z.B.: Bei hohen Temperaturen wird NiO durch CO
reduziert, bei Raumtemperatur eher umgekehrt! ( Heßscher Satz!)
Eine Erweiterung des obigen Diagramms ist das Jeffes-Richardson Diagramm, welches
zudem das Ablesen erlaubt, bei welcher Temperatur und welchem Sauerstoffpartialdruck ein Stoff oxidiert wird. ( vgl. heterogene Gasgleichgewichte)
Hoeppe - PC Leerscript
- 70 -
4.2.4
Unvollständig ablaufende Reaktionen
Zerlegt man eine Reaktion A  B in (sehr viele) Teilschritte und berechnet jeweils neu
das jeweilige Rg für den nächsten Teilschritt unter Berücksichtigung der
„ln-Mischungsterme“ (d.h. der Mischungsentropie Ms ) so ändert sich irgendwann das
Vorzeichen von Rg. Damit ändert sich auch die Reaktionsrichtung, d.h. die Reaktion
kommt letztlich zum Stillstand bevor sie vollständig abgelaufen ist.
Im dem Minimum der freien Enthalpie G (oder g) ist für einen sehr kleinen
Reaktionsschritt immer Rg = 0 und die Reaktion kommt deshalb zum Stillstand.
Die Gleichgewichtsbedingung lautet also
Die zuvor vernachlässigten ln-Terme, die durch die Vermischung aller Komponenten
einen zusätzlichen Beitrag zur freien Enthalpie leisten, sind also entscheidend wichtig!
Erst durch sie kommt es zu einer Ausbildung eines Gleichgewichts.
Da diese ‚Mischungsterme’ letztlich von dem Entropieanteil der freien Enthalpie
stammen, kann man auch vereinfacht sagen: Die Entropie bzw. das Streben nach
Unordnung sorgt dafür, dass Reaktionen nie vollständig ablaufen.
Die Frage wo das Gleichgewicht liegt, bzw. welche Konzentrationen die jeweiligen
Komponenten im Gleichgewicht haben, wird in Kapitel 5 behandelt.
Hoeppe - PC Leerscript
- 71 -
5
Freie Enthalpie und Gleichgewichte
In diesem Kapitel wird die Gleichgewichtsbedingung Rg = 0 auf verschiedene Probleme
angewendet. Während die Standard Gibbs Enthalpie Rgo vollständig mit den
thermodynamischen Standardwerten der Stoffe definiert ist, sind die Molenbrüche xi
der Komponenten und damit die ln-Terme zunächst unbekannt. Ziel ist es, genau diese
für den Endzustand beliebiger Prozesse, also dem jeweiligen Gleichgewichtszustand, zu
berechnen.
5.1
5.1.1
Reaktionsgleichgewichte
Homogene Gasgleichgewichte
Hier sind alle Reaktionspartner/Komponenten gasförmig.
(Bsp: HJ oder NH3 Synthese)
Betrachte allgemein die Reaktion
aA + bB  dD + eE
Die Freie Reaktionsenthalpie berechnet sich nach:

Fordert man mit Rg = 0 das Gleichgewicht, beschreibt die ’Abkürzung’ K für das
Argument des ln-Terms die Zusammensetzung des Systems im Gleichgewicht. Man
nennt K daher die Gleichgewichtskonstante für diese Reaktion.
Hoeppe - PC Leerscript
- 72 -
Auflösen obiger Gleichung nach K ergibt:
RT  ln K

 Rg0
bzw.
mit
Die Zusammensetzung des Systems im Gleichgewicht ist also mit K gegeben, welches
sich wiederum eindeutig aus der Standard Gibbs Enthalpie Rgo berechnet!
Da K i. A. durch mehrere Variablen bestimmt ist, muss für die Berechnung der
Zusammensetzung mit den einzelnen Molenbrüche xi noch deren Verknüpfung durch die
Reaktionsgleichung berücksichtigt werden.
(vgl. A5.1)
Bei Gasreaktionen werden anstelle der Molenbrüche xi auch oft die Partialdrücke pi
verwendet. Für die freie Enthalpie gilt dann
 p Dd  p Ee  p 0 
 R g ( p i , T )  d  g D  e  g E  a  g A  b  g B    R g (T )  RT  ln 
p Aa  p Bb

0



mit   d  e  a  b . Das Verhältnis der Partialdrücke bezeichnet man üblicher
Weise als Gleichgewichtskonstante Kp , wobei diese jetzt nicht mehr einheitenlos ist.
Die Beschreibung der Mengenverhältnisse über die Konzentrationen führt analog zur
Gleichgewichtskonstanten Kc . Zusammenfassend gilt mit
xi 
p i ci

p c0
und den Bezugsgrößen
p o  1 bar und
c0  1
mol
l
bzgl. der Partialdrücke:
p Dd  p Ee
K p  a b  K  p0
p A  pB
bzgl. der Konzentrationen:
 p0  c0 
c d  c e [ D] d  [ E ]e




K
K C  Da Eb 
p
c A  c B [ A]a  [ B]b


bzgl. der Molenbrüche:
p 
xd  xe
K x  Da Eb  K   0 
x A  xB
 p 
Hoeppe - PC Leerscript


- 73 -
Für Reaktionen ohne Molzahländerungen, d.h.  = 0 gilt: Kp = Kc = Kx = K
(dimensionslos).
Für   0 gilt:
Kp  K  p

0
 K  bar

und für id. Gase
 p 
Kc  K   0 
 RT 

 1 
 K p 

 RT 

(bzgl. Einheiten vgl. hierzu Kap. 5.1.3 !)
Allgemein gilt:
kleines Rgo 
großes Rgo 
5.1.2
Heterogene Gasgleichgewichte
Hier sind nicht alle Reaktionspartner/Komponenten gasförmig, wodurch die
Komponenten auch nicht ‚automatisch’ alle vermischt vorliegen. Für die Molenbrüche
der unvermischten, d.h. reinen Komponenten, ist dann in guter Näherung jeweils “1“
anzusetzen, wodurch die jeweiligen ln-Terme verschwinden. Die Stoffmengen bzw.
Molenbrüche von z.B. (reinen) Festkörpern finden daher auch keinen Eingang in die
Gleichgewichtskonstante, wohl aber deren Standardwerte in die Standard Gibbs
Enthalpie Rgo .
Beispiel: Brennen von Kalk
CaCO3

CaO + CO2
Freie Reaktionsenthalpie mit xi  1 für Festkörper und xi = pi/po für Gase:
 R g ( pi , T )  ....
 R g ( pi , T ) 
K reduziert sich also auf den Partialdruck von CO2 gemessen in bar. Dieser berechnet
sich entsprechend
R go
K p  K  p0  e

RT
 p0
Wobei sich  hier nur auf die Komponenten in der Gasphase bezieht.
Hoeppe - PC Leerscript
- 74 -
Die Reaktion läuft also ab, bis p(CO2) = Kp erreicht ist, unabhängig von den
Stoffmengen CaO und CaCO3 !
Da die Standard Gibbs Enthalpie von der Temperatur abhängig ist, gilt dies auch für K
und damit für die Lage des Gleichgewichts. Für obiges Beispiel ergibt sich (vgl. A5.2)
a) T = 700 K:
Rgo700 = + 64,3 kJ/mol

Kp, 700 = 1,59 · 10-5 bar
Der CO2-Partialdruck von Luft (~0,04% ) ist größer als Kp , es findet keine Reaktion statt.
b) T = 900 K:
Rgo900 = + 33,1 kJ/mol

K p, 900 = 0,012 bar
Kp ist deutlich größer als 4·10-4 bar, die Reaktion läuft ab, bis Kp erreicht wird, vorausgesetzt
es ist genügend CaCO3 vorhanden, und der Ofen wird nicht belüftet.
c) T = 1200 K:
Rgo1200 = - 12,33 kJ/mol

K p, 1200 = 3,44 bar
Der CO2-Partialdruck kann kaum größer als 1 bar werden, solange der Ofen nicht druckdicht
ist. Kp ist also stets größer als der aktuelle CO2-Partialdruck, die Reaktion läuft vollständig ab.
Die Temperaturabhängigkeit des Gleichgewichts wird nochmals ausführlicher in
Kap. 5.1.3 behandelt.
Beispiel: Boudouard Gleichgewicht
CGrafit + CO2 
2 CO

Besonders wichtig ist dieses Gleichgewicht im Zusammenhang mit der Aufkohlung von
Eisen bzw. der Härtung von Stahl. Hierbei liegt der Kohlenstoff aber nicht als
Reinstoff vor; die Konzentration (genauer „Aktivität a“ ) des C in Eisen geht hier mit
ins Gleichgewicht ein:
CGrafit, in Eisen + CO2 
2 CO

Die Kohlenstoffkonzentration im Eisen ist also neben der Temperatur wesentlich vom
CO (und CO2) Partialdruck in der Atmosphäre abhängig!
Hoeppe - PC Leerscript
- 75 -
Beispiel: Jeffes Richardson Diagramm / Ellingham Diagramm
Beschreiben z.B. die Stabilität von Oxiden in Abhängigkeit des Sauerstoffpartialdrucks und der Temperatur ( Hochtemperaturkeramiken). Falls keine anderen
sauerstoffhaltigen Gase vorhanden sind gilt ja Rgo(T) = RT · ln (pO2) ...
Grafik aus: Salmang, Scholze; Keramik, Springer 2007
Hoeppe - PC Leerscript
- 76 -
5.1.3
Verschiebung des Gleichgewichts
Wie bereits aus den bisherigen Beispielen ersichtlich war, ist die Lage des
Gleichgewichts einer spezifischen Reaktion nicht nur von der Reaktion selber, d.h. der
Reaktionsgleichung, sondern auch von den äußeren Bedingungen, d.h. p und T, abhängig.
Damit lässt sich z.B. bei der Stoffsynthese die Gleichgewichtslage gezielt
verschieben.
A) Der Einfluss der Temperatur
erfolgt direkt über die Temperaturabhängigkeit von K = K(T).
Da der ln eine monoton und stetig steigende Funktion ist, genügt es für eine qualitative
Betrachtung die Temperaturabhängigkeit von ln(K) zu betrachten:

K (T )  ?
T

Aus der part. diff. von ln(K) nach T (und Gibbs-Helmholtz-Gl.) folgt die
van’t Hoffsche Reaktionsisobare:
d.h. das Vorzeichen von Rho entscheidet, ob K mit T steigt oder fällt:
- für exotherme Reaktionen (Rho < 0) wird K mit der Temperatur kleiner!
- das Gleichgewicht verschiebt sich mit steig. T auf die Seite der Edukte
- umgekehrtes gilt für endotherme Reaktion
Allgemein lässt sich das Prinzip von Le Chatelier (1888) und Braun (1887)
formulieren:
Ein System ...
(vgl. A5.2 Brennen von Kalk, A5.3 Ammoniaksynthese)
Hoeppe - PC Leerscript
- 77 -
B) Der Einfluss des Drucks
erfolgt nicht über die Gleichgewichtskonstante K, da Rgo per Definition nur von den
Standardwerten go, welche bei p = po definiert sind, abhängt. Die Lage des Gleichgewichts ist aber über die Bestimmungsgleichung für die Konzentrationen bzw.
Molenbrüche vom Gesamtdruck p des Systems abhängig. Dazu betrachten wir jetzt
die Druckabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten Kx. Man betrachtet auch hier
statt Kx wieder lnKx:

K x ( p)  ?
p


ln K x ( p)  ...
p
Nach part. Diff. von ln(Kx) nach p folgt
wobei RVo die Volumenänderung (bei Standardbedingungen) in Folge der Reaktion
beschreibt. Offensichtlich ist das insbesondere bei Gasreaktionen mit Molzahländerung der Fall ( po · RVo = Rn · RTo )!
Hier entscheidet das Vorzeichen von RVo , ob Kx mit p steigt oder fällt:
- für Reaktionen mit RVo < 0 wird Kx mit dem Druck größer!
- das Gleichgewicht verschiebt sich mit steig. p auf die Seite der Produkte
- umgekehrtes gilt für Reaktion mit RVo > 0
Auch hier gilt offensichtlich das Prinzip von Le Chatelier und Braun!
Da die Standardwerte bei Standarddruck p = po = 1 bar definiert sind, ist die
Gleichgewichtskonstante Kp bzgl. der Einheit po zahlenmäßig gleich K. Für
Gleichgewichte bei einem anderen Gesamtdruck (=Ausgangsdruck), muss Kc bzw. Kx
entsprechend umgerechnet werden! Damit wird die Druckabhängigkeit des
Gleichgewichts ‚automatisch’ richtig dargestellt.
(vgl. Kap. 5.1.1 und A5.3: Ammoniaksynthese)
C) Der Einfluss der Stöchiometrie
erfolgt ebenfalls nicht über K: Bei einer nichtstöchiometrischen
Ausgangszusammensetzung, verändert sich K nicht, da die Beiträge der „überzähligen“
Stoffe bei der Berechnung von Rgo keinen Beitrag liefern. Bei der Berechnung der
Zusammensetzung des Systems im Gleichgewicht geht die Ausgangszusammensetzung
jedoch in die Bestimmungsgleichungen der Konzentrationen im Gleichgewicht ein!
Dadurch kann die Lage des Gleichgewichts und damit z.B. die Ausbeute einer Synthese
gezielt verändert werden. (vgl. A5.4 , Jodwasserstoffsynthese)
5.2
Phasengleichgewichte
Hoeppe - PC Leerscript
- 78 -
Betrachtet man einen Phasenübergang I  II , z.B. das Schmelzen oder Verdampfen
eines Stoffes, so gilt für diesen Prozess allgemein (analog zu einer chemischen
Reaktion), dass die freie Enthalpie im Gleichgewicht ein Minimum annimmt, also:
Prozess:
Stoff (I)
Gleichgewicht:
G = G(II) – G(I) = 0
Währendes Gleichgewicht:
dG = dG(II) – dG(I) = 0

Stoff (II)
Bei der Anwendung der Gleichgewichtsbedingung ist darauf zu achten, welche
Variablen in beiden Phasen den gleichen Wert annehmen und - insbesondere bei
Gemischen - bzgl. welcher Komponente/Phasen sich ein Gleichgewicht ausbilden kann.
5.2.1
Phasengleichgewichte reiner Stoffe
Bei einem Reinstoff ist mit p und T eindeutig eine Phase festgelegt, die Koexistenz
zweier Phasen, d.h. ein Gleichgewicht, ist daher i. A. praktisch nur für kurze Zeit bzw.
näherungsweise möglich. Ein stabiles Gleichgewicht kann sich jedoch ausbilden, wenn
mit dem Phasenübergang eine Rückkopplung auf p oder T verbunden ist, wodurch das
System direkt auf einer Phasengrenze verbleibt.
Ein Beispiel ist ein geschlossener Behälter, in dem sich ein stabiles l-g-Gleichgewicht
ausbildet. Abhängig von der Temperatur verbleibt das System auf einem Punkt der
Dampfdruckkurve, womit auch eine Vermessung des Dampfdrucks einfach möglich wird.
Ursache ist letztlich das i. A. deutlich unterschiedliche Molvolumen beider Phasen.
Hoeppe - PC Leerscript
- 79 -
5.2.1.1
Lokale Beschreibung der Dampfdruckkurve
Für einen Reinstoff liege wie oben allgemein beschrieben ein l-g Gleichgewicht vor,
d.h. das System befinde sich auf einem Punkt der Dampfdruckkurve.
Kontaktvariable:
p(g) = p(l)
T(g) = T(l)
Gleichgewicht:
G = 0

G(g) = G(l)
Währendes Gleichgewicht:
dG = 0

dG(g) = dG(l)
und
 
 Clausius Clapeyrone:
dp
hu

dT T (Vm , g  Vm , l )
Die Gleichung von Clausius Clapeyrone liefert also die Tangentensteigung der
Dampfdruckkurve als Funktion der Umwandlungsenthalpie und Molvolumina.
(vgl. A5.5)
5.2.1.2
Dampfdruckkurven
Eine vollständige Beschreibung der Dampfdruckkurve erhält man, solange man
hinreichend weit weg vom kritischen Punkt bleibt, mit den Näherungen
Molvolumen der flüssigen Phase vernachlässigbar:
Vml << Vmg ,
Umwandlungswärme (= Verdampfungswärme):
hu = const
Dampf verhalte sich wie ideales Gas:
p Vmg = RT
Ausgehend von der Gleichung von Clausius Clapeyrone:

Hoeppe - PC Leerscript
- 80 -

p 
h
h
B
ln  D    u  u : A 
RT RT0
T
 p0 
Augustsche Dampfdruckformel
Trägt man also den ln(pD) über 1/T auf, lassen sich die Dampfdruckkurven mit den
Fitparametern A und B beschreiben (vgl. A5.6).
Damit gilt für pD(T) explizit:
p D (T )  p 0  e
5.3

hu  1 1
 
R  T T0



Elektrolytgleichgewichte, Normalspannungen
Elektrolyte sind Stoffe die als Ionen vorliegen oder zu Ionen dissoziieren können.
Bei Lösungsvorgängen wird das Gleichgewicht einer gesättigten Lösung mit dem
Löslichkeitsprodukt, bei der Dissoziation von Säuren und Basen in Lösung mit der
Säure- bzw. Basenkonstante beschrieben.
Elektrochemische Spannungen treten eigentlich in Folge eines Nicht gleichgewichtzustandes auf. Wird jedoch ein Stromfluss verhindert, lässt sich unter Berücksichtigung der anliegenden Spannung der Zustand wie ein Gleichgewicht beschreiben
und auch die auftretenden Normalspannungen aus den thermodynamischen
Standarddaten der beteiligten Stoffe berechnen.
Hoeppe - PC Leerscript
- 81 -
5.3.1
Löslichkeitsprodukt
Betrachte den Lösungsvorgang eines Stoffes A,
A(s)  b B+ aq + c C-aq
wobei dem Lösungsmittel soviel Stoff A zugegeben wird, bis eine gesättigte Lösung
entsteht. Da der ungelöste Stoff A in guter Näherung als Reinstoff vorliegt, handelt
es sich hier um ein heterogenes Gleichgewicht und Rg berechnet sich entsprechend:

 R g  b  g B   c  g C   g A  ...   R g 0  RT  ln a B   a C 
b
c

  R g 0  RT  ln K 
Bei Vernachlässigung der Aktivitätskoeffizienten mit ai = ci · ci/co  ci/co gilt für die
Gleichgewichtskonstante:
K  c Bb   cCc   co( bc )  [ B  ]b  [C  ]c  ( mol
) b  c
l
Das Produkt der Konzentrationen der gelösten Stoffe bezeichnet man als
Löslichkeitsprodukt,
K L : [ B  ]b  [C  ]c  K  ( mol
) bc
l
womit sich also die (maximale) Ionenkonzentration der jeweiligen gesättigten Lösung
berechnen lässt.
(vgl. A5.8)
Hoeppe - PC Leerscript
- 82 -
5.3.2
Säure-Base Gleichgewichte
Durch die Abgabe eines Protons wird der Säurerest im selben Augenblick zu einem
potentiellen Protonenakzeptor und damit zu einer Base. Der Dissoziationsvorgang einer
gelösten Säure oder Base führt daher immer zu einem Säure-Base Gleichgewicht.
Die Dissoziation einer n-molaren Säure HA führt zu einer H+ Ionenkonzentration die
immer kleiner ist als die Molarität n der ‚Einwaage’. Die Stärke einer Säure (,d.h. die
H+ Ionenkonzentration bzw. der pH-Wert,) wird also neben der Molarität n wesentlich
durch den Dissoziationsgrad  bestimmt, welcher aber wiederum von der Molarität
abhängt.
Eindeutig bestimmt wird dieses Gleichgewicht mit Molarität und Säurekonstante Ka ,
die bis auf Einheiten der Gleichgewichtskonstanten K des Dissoziationsprozesses
entspricht:
HAaq  H+ aq + A-aq

 a ( H  )  a ( A  )   c ( H  )  c ( A  )  1 [ H  ]  [ A  ] mol 1
  
  co 
K  
( l )
a
HA
c
HA
HA
(
)
(
)
[
]

 

[ H  ]  [ A ]
Ka 
[ HA]
Achtung: Die Konzentration von HA im Nenner entspricht nicht der Molarität, sondern
der verbliebenen Konzentration von HA nach Einstellung des Gleichgewichts!
Die Säurekonstanten Ka bzw. ihre logarithmische Darstellung pKa sind für die meisten
Säuren als Tabellenwerte verfügbar (vgl. Tab. M).
Dabei gilt nach Definition:
pK a :  lg K a

K a  10  pK a
pH :  lg [ H  ]
Dissoziationsgrad:
Hoeppe - PC Leerscript
[ A ]
 :
[ HA]0
- 83 -
5.3.3
Normalspannungen
Die Elektrochemische Spannung zwischen zwei galv. Halbzellen beschreibt die relative
Neigung der beteiligten Stoffe in Lösung zu gehen (vgl. Daniellelement):
A|A+||B|B+
Halbzellenpaar:
Befinden sich alle Komponenten im Standardzustand, misst man eine Spannung U0 = Eo
E 0  E 0 ( B | B  )  E 0 ( A | A  )
Die zugehörige Reaktionsgleichung für die komplette galvanische Zelle lautet
A + B+  A+ + B
Beobachtung: Die Reaktion läuft für positives E0 nach rechts ab.
Mit Beachtung der elektrisch geleisteten Arbeit, lässt sich zeigen dass
Rg0 = - z F E0
gilt. (z = Ladungszahl; Faradaykonstante F = NA e = 96485 Cmol-1)
Mit der Wasserstoffnormalelektrode (mit E0  0) als Standard-Bezugs-Potential sind
die Standard- bzw. die Normpotentiale E0 von Stoffen definiert.
A|A+||½ H2|H+
entspricht
A + H+  A+ + ½ H2
 Elektrochemische Spannungsreihe
Rg0
E 
zF
0
Auch die Elektrochemische Spannungsreihe lässt sich also mit Betrachtung eines
(erzwungenen) Gleichgewichts auf die thermodynamischen Standardgrößen der
beteiligten Stoffe zurückführen. (vgl. A5.9, A5.10)
Hoeppe - PC Leerscript
- 84 -
5.3.4
Nernstsche Gleichung
Entspricht die Elektrolytkonzentration einer Halbzelle nicht dem Standardzustand von
1 mol/l, sind wie bei allen Reaktionsgleichgewichten die entsprechenden Mischungsterme, d.h. die ln-Terme, zu berücksichtigen.
Befinden sich beide Halbzellen nicht im Standardzustand, wird die gemessene
Spannung U = E mit der Nernstschen Gleichung beschrieben:
 a( A z  )  a( B) z
RT
E  E 
 ln
 z
zF
 a ( A)  a ( B )
0

 c( A z  )  x( B) z
0,059 V
0
  E 
 log
 z
z

 x( A)  c( B )



Die gemessenen Spannungen sind also von den Aktivitäten/Konzentrationen aller
beteiligten Komponenten abhängig, was z.B. die sinkende Spannung einer sich leerenden
Batterie erklärt.
Bei Messung einer Me-Me+ Halbzelle mit bel. Elektrolytkonzentration und reiner
Me-Elektrode (links) gegen die H-Normalelektrode (rechts) ergibt sich für
das Halbzellenpotential
0
E Me  E Me

0,059 V
0,059 V
0
log( a ( Me z  ))  E Me

log(c( Me z  ) 
z
z
l
mol
)
Die Nernstsche Gleichung beschreibt also die konzentrationsabhängigen elektrochemischen Spannungen. Das Argument des ln-Terms enthält dabei die
Konzentrationen und entspricht der Gleichgewichtskonstanten des jeweiligen meist
heterogenen Reaktionsgleichgewichts.
_______________________________________________________________
Hoeppe - PC Leerscript
- 85 -
6
Gemische
Gemische bestehen per Definition aus vermischten verschiedenen Stoffen, zwischen
welchen keine chemische Reaktion stattgefunden hat. Dennoch können WW (attraktiv
oder repulsiv) existieren, die entscheidenden Einfluss auf z.B. die Phasengrenzlinien
haben. Man unterscheidet daher zwischen ideale Gemischen (keine WW) und realen
Gemischen (mit WW). Viele grundlegenden Effekte lassen sich bereits mit der
Näherung idealer Gemische beschreiben, wie im Folgenden gezeigt werden soll.
6.1
Ideale Mischungen
Eine Mischung von verschiedenen Stoffen heißt ideal
wenn gilt:
V   Vi   ni  Vm ,i
i
i
H   H i   ni  hi
i
6.1.1
i
Ideale Gasgemische
Liegen mehrere Gase getrennt nebeneinander vor (a), so haben diese gleiche
Temperatur und Druck, befinden sich aber jeweils in verschiedenen Volumina.
Liegen sie vermischt vor (b), so haben sie die gleiche Temperatur, das gleiche Volumen
aber verschiedene Partialdrücke.
Für den Molenbruch des Gesamtsystems gilt
im unvermischten Zustand (a) :
Hoeppe - PC Leerscript
xi 
ni Vi

n V
- 86 -
xi 
und im vermischten Zustand (b) :
Nach Dalton gilt:
p   pi   ni 
i
i
ni
p
 i
n
p
RT
RT
 n
V
V
Bei der Vermischung der Gase ändert sich die Enthalpie entsprechend Definition eines
idealen Gemischs nicht, wohl aber die Entropie und damit die freie Enthalpie (vgl.
hierzu auch Kap. 3.5, Druckabhängigkeit der Entropie):
Aus den Definitionen
M S 
n S
i
i

Mischung
M G 
 n G
i
i

Mischung
n S
i
unvermisch t
i
 n G
i
unvermisch t
i
 M H  T  M S
folgt die molare Mischungsentropie und die
 M s id   M s    xi  R  ln xi
i
molare Freie Mischungsenthalpie:
 M g id    xi  RT  ln xi
i
6.1.2
Ideale Flüssigkeitsgemische
Jetzt soll ein Gemisch von zwei Substanzen betrachtet werden, welches gleichzeitig in
der flüssigen Phase und der gasförmigen Phase besteht. Die Komponenten der
flüssigen Phase stehen dabei jeweils im Gleichgewicht mit ihrer Dampfphase:
Hoeppe - PC Leerscript
- 87 -
Die Zusammensetzung der Gasphase ist abhängig von der flüssigen Phase. Es gilt in
sehr guter Näherung das
Raoultsche Gesetz
id
pi  xli  poi

id
x gi  xli 
poi
p
womit die Partialdrücke und damit die Molenbrüche der Gasphase xgi mit den
Molenbrüchen der flüssigen Phase xli verknüpft sind.
Nach Dalton ergibt sich der Gesamtdruck als Summe der Partialdrücke, womit der
Gesamtdruck p letztlich eine eindeutige Funktion der Molenbrüche in der flüssigen
Phase (und der Dampfdrücke poi der reinen Komponenten) ist. Für zwei Komponenten A
und B gilt damit:
p  p A  p B  xlA  poA  xlB  poB  (1  xlB )  poA  xlB  poB
Leichter messbar sind sicher die Drücke, Auflösen nach den Molenbrüchen xli ergibt:
 
xlA 
p  poB
poA  poB
xlB 
p  poA
poB  poA
Für die Zusammensetzung der Gasphase des Gemischs folgt mit Dalton und Raoult:
 
x gA 
p
pA
 xlA  0 A
p
p
x gB 
p
pB
 xlB  0 B
p
p
Sind die Dampfdrücke poi der reinen Komponenten unterschiedlich, ergeben sich damit
unterschiedliche Molenbrüche in der flüssigen und gasförmigen Phase, was auch die
Grundlage für die Stofftrennung durch Destillation ist!
Hoeppe - PC Leerscript
- 88 -
Da bei einem Verdampfungsprozess offensichtlich von der leichterflüchtigen
Komponente (die mit dem größeren Dampfdruck) mehr als von der anderen in die
Gasphase übergeht, wird dadurch ihre Konzentration in der flüssigen Phase geringer.
Entsprechend obiger Gleichung für den Gesamtdruck fällt aber der Gesamtdampfdruck des Flüssigkeitsgemischs damit wieder. Aufgrund dieses Rückkopplungsmechanismus bzgl. der Molenbrüche kann sich bei Gemischen (ohne äußere
Zwangsbedingung!) für einen Gesamtdruckbereich zwischen den Dampfdrücken der
reinen Flüssigkeiten ein stabiles Gleichgewicht ausbilden!
Da sich die Molenbrüche der flüssigen und der Gasphase bei Ausbildung des
Gleichgewichts je nach Gesamtdruck ändern, und evtl. wegen dem Fehlen einer Phase
gar nicht definiert sind, beschreibt man das Gemisch sinnvoller Weise mit einem
p-x-Diagramm, wobei mit x hier der Gesamtmolenbruch X beschrieben ist. Die
Grenzlinien dieses Bereichs, d.h. des Zweiphasenmischgebiets, bestimmen sich aus den
folgenden Forderungen:
1. Grenzlinie l : l + g ( Siedelinie )
- (Fast) Alles ist noch flüssig, d.h. XB = xlB
- p ist der Gesamtdampfdruck des „ersten verdampften Tröpchens“

p  p ( X B  xlB )  p0 A  ( p0 B  p0 A ) X B
2. Grenzlinie l + g : g ( Taulinie )
- (Fast) Alles ist schon gasförmig, d.h. XB = xgB
- p ist der Gesamtdampfdruck des „letzten verdampften Tröpchens“

p  p( X B  x gB ) 
Hoeppe - PC Leerscript
p0 A
1  ( p0 B  p0 A )
XB
p0 B
- 89 -
Entsprechend der Definition der Phasengrenzlinien, lässt sich für einen bestimmten
Gesamtdruck p die Zusammensetzung der flüssigen Phase xlB an der Siedelinie und die
Zusammensetzung der Gasphase xgB an der Taulinie direkt ablesen!
Die Verbindungslinie zwischen beiden Schnittpunkten für einen gegebenen Druck p
heißt Konode.
Üblicherweise wird das dadurch entstehende Zwei-Phasen-Mischgebiet nicht bei
T = const in Abhängigkeit des Drucks, sondern bei p = const in Abhängigkeit der
Temperatur betrachtet; die Darstellung über den Gesamt molenbruch X einer
Komponente in einem T-X-Diagramm nennt man Siedediagramm . Dieses folgt direkt
aus Umrechnung der Phasengrenzlinien unter Berücksichtigung der Temperaturabhängigkeit der Dampfdruckkurven poi = poi(T):
Bei gegebener Temperatur T (und konstantem Druck p) bildet sich längs der Konode
ein Gleichgewicht aus, die Schnittpunkte mit Siedelinie und Taulinie beschreiben
wieder definitionsgemäß die Molenbrüchen der beiden Phasen.

Mit Druck und Temperatur (sowie den Dampfdrücken/Siedetemperaturen der
reinen Komponenten) ist die Zusammensetzung eines Zweikomponentengemischs
also eindeutig festgelegt, soweit beide Phasen koexistieren.

Die Aufteilung der Stoffmengen auf die zwei Phasen folgt aus dem Verhältnis der
Molenbrüche xli und xgi zum Gesamtmolenbruch X unter Aufstellung einer
entsprechenden Mengenbilanz:
Hoeppe - PC Leerscript
- 90 -
Wie auch schon bei einem reinen Stoff, wird bei einer großen Gesamtstoffmenge in
einem Behälter weniger verdampfen, als bei einer kleinen, da der Gesamtdruck
schneller erreicht ist. Bei einer großen Gesamtstoffmenge wird z.B. der Molenbruch
der flüssigen Phase daher kaum verändert und ungefähr dem Gesamtmolenbruch
entsprechen.
Aus
n  n g  nl und n B  X B  n  X B  (n g  nl ) folgt das sog. Hebelgesetz,
welches die Aufteilung der Stoffmengen auf die beiden Phasen beschreibt:
 
nl   X  xl   n g  x g  X 
wobei hier der Übersichtlichkeit wegen der Index B bei den Molenbrüchen meist
weggelassen wird. (Üblicherweise wird zur Beschreibung eines Zweikomponentengemischs der Molenbruch der leichterflüchtigen Komponente (LFK) verwendet.)
Wird also einem Gemisch wie im Diagramm dargestellt bei konstantem p und T eine
Komponente zusätzlich zugegeben, ändert sich entsprechend der Gesamtmolenbruch
nicht aber die Molenbrüchen in den Phasen. Dies wird durch die unterschiedliche
Aufteilung der Stoffmengen (Hebel) auf die l und g Phase ermöglicht.
Bei realen Mischungen müssen noch die WW zwischen den Mischungskomponenten
(Mischungswärmen) berücksichtigt werden, wobei diese i. A. nicht nur von p und T
sondern auch vom Mischungsverhältnis in den einzelnen Phasen abhängig sind. Dadurch
werden Siede- und Taulinie zum Teil stark verändert, die hier beschriebene
Systematik und insbesondere das Hebelgesetz sind aber unverändert gültig!
Hoeppe - PC Leerscript
- 91 -
6.1.3
Gleichgewicht eines Stoffes bei zusätzlicher Komponente
Ist die zusätzliche Komponente nur in einer Phase eines betrachteten Gleichgewichts
vorhanden, so wird dieses entsprechend beeinflusst: Wird z.B. ein Salz in Wasser
gelöst, so wird die Dampfphase darüber praktisch kein Salz enthalten; auch wird bei
Abkühlung das Salz kaum in der festen Phase eingebaut, sondern verbleibt
hauptsächlich in der flüssigen Phase (heterogenes Gleichgewicht). Aus diesen
„Extremfällen von nur teilweise ausgebildeten Mischungen“ folgen:
6.1.3.1
Dampfdruck- und Gefrierpunktserniedrigung / Siedepunktserhöhung
Betrachte eine Lösung als Extremfall einer Mischung mit
xA Molenbruch der gelösten Komponenten (z.B. Salz)
xB Molenbruch des Lösungsmittels (z.B. Wasser)
dann gilt sicherlich
a)
xA << xB und p0A << p0B
Dampfdruckerniedrigung (des Lösungsmittels)
Nach Dalton und Raoult gilt:
p  p A  p B  xlA  p0 A  xlB  p0 B  xlB  p0 B  (1  xlA )  p0 B
d.h. für die Dampfdruckerniedrigung pD gilt
p D  p 0 B  p  p 0 B  (1  xlA )  p 0 B  xlA  p 0 B  X A  p 0 B
p D  X gel  p 0 Lösungsmit tel
Sie ist also nur vom Dampdruck des Lösungsmittels und der Menge (nicht der Art) des
gelösten Stoffes abhängig.
Hoeppe - PC Leerscript
- 92 -
b)
Siedepunktserhöhung (des Lösungsmittels)
Entsprechend untenstehender Grafik führt eine Dampfdruckerniedrigung je nach
Steigung der Dampfdruckkurve zu einer Siedepunktserhöhung.
Für eine kleine Menge des gelösten Stoffes lässt sich die Steigung der
Dampfdruckkurve mit der Gleichung von Clausius-Clapeyrone (vgl. Kap. 5.2.1.1)
beschreiben. Die Dampfphase soll zudem näherungsweise als ideales Gas beschrieben
werden:
Mit
p dp hu  p0 B


T dT
R  TS2
und
p  X A  p0 B
folgt
R  TS2
TS 
XA
hu
Und mit Verwendung der Molalität mA des gelösten Stoffes an Stelle des
Molenbruchs:
R  TS2  M B
TS 
 m A : ES  m A
hu
Die sog. Ebullioskopische Konstante ES fasst nur Eigenschaften des Lösungsmittels
zusammen, und mA beschreibt (lediglich) die Molalität des gelösten Stoffes.
( vgl. Tab. I )
Hoeppe - PC Leerscript
- 93 -
c)
Gefrierpunktserniedrigung (des Lösungsmittels)
Bisher wurde mit p0A << p0B angenommen, dass der gelöste Stoff nicht in der
gasförmigen Phase vorkommt. Jetzt soll zusätzlich angenommen werden, dass das
Lösungsmittel als reine Phase ausfriert, d.h. der gelöste Stoff soll immer in flüssigen
Phase verbleiben. Damit bleibt die Sublimationsdruckkurve im Phasendiagramm
zwangsläufig unverändert! Mit Absenkung der Dampfdruckkurve wird aber der
Tripelpunkt des Gemischs nach unten links und damit auch die Schmelzdruckkurve nach
links zu tieferen Temperaturen verschoben (vgl. Grafik oben). Da die Schmelzdruckkurve praktisch unverändert steil, d.h. fast senkrecht verbleibt entspricht die
Verschiebung des Tripelpunktes auf der Temperaturskala der gesuchten Gefrierpunktserniedrigung TM.
Nach etwas Geometrie folgt:
R  TTr
R  TTr  M B
Tm 
XA 
 m A : EG  m A
hm
hm
2
2
TTr ist die Tripeltemperatur, hm die Schmelzwärme, MB das Molgewicht des
Lösungsmittels, XA der Molenbruch und mA die Molalität des gelösten Stoffes.
EG bezeichnet man als Kryoskopische Konstante.
( vgl. Tab. K )
Hoeppe - PC Leerscript
- 94 -
6.1.3.2
Druckabhängigkeit des Dampfdrucks
Besteht andererseits die Gasphase aus zwei oder mehr eindeutig gasförmigen
Komponenten (Luft), so werden diese sich kaum in der flüssigen Phase (Wasser) finden.
Der Gesamtdruck ist daher deutlich größer als z.B. der Dampfdruck von H2O bei
300 K. Das führt zu einer Druckabhängigkeit des Dampfdrucks bzw. zu einer
Gesamtdruckabhängigkeit des Partialdruckes:
Betrachte also den Dampfdruck von Wasser bei anwesendem „Inertgas“ Luft, welches
wegen sich wegen p0,N2 p0,O2 >> p0,H2O nur in der Gasphase befinden soll.
Die Gleichgewichtsbedingung g = 0 für den Phasenübergang (vgl. Kap. 5.2) ist daher
auch nur für die Komponente H2O und nicht für die anderen anzuwenden:
„links“ reine Komponente H2O, flüssig
„rechts“ H2O in einem Gasgemisch
!
p 
g ( H 2O , l )  g 0 ( H 2O , l )  g 0 ( H 2O , g )  RT  ln  D   g ( H 2O , g )
 p 

Mit der Bedingung für währendes Gleichgewicht, dgi = dgii, folgt mit T, V,..= const:
! g 0 ( H O , g )
p
g 0 ( H 2 O , l )
2
dp 
dp  dRT  ln  D
p
p
 p



und wegen dG = VdP-SdT hier:
!
Vm ,l  dp  Vm , g
Mit
id
Vm , g

Vm , l
RT
p 
 dp  RT  d ln  D 
 p 

V m ,l  V m , g
RT
!

d  pD 

ln 
dp  p 
RT
geeigneter Substitution und partieller Integration folgt schließlich
p
p  p 
0
D
p 
 ln D0 
 pD 
und damit
pD  p  e
0
D
Vm , l
RT
p
pD ist der resultierende Dampfdruck, wenn „Inertgase“ mit einem Druck von insgesamt
p vorliegen und pD0 den Dampfdruck der reinen Komponente beschreibt.
(Gleiches gilt bei einem zusätzlichen Druck z.B. durch Oberflächenspannungen, vgl. Kap. 7 !)
Hoeppe - PC Leerscript
- 95 -
6.1.3.3
Osmotischer Druck
Eine ungleichmäßige Verteilung einer zweiten Komponente kann auch durch spezielle
Strukturen erzeugt werden. Liegt z.B. eine gelöste Substanz nur auf einer Seite einer
semipermeablen Membran vor, kann sich nur bzgl. des Lösungsmittels ein Gleichgewicht
ausbilden. Die Folge ist der sog. osmotische Druck.
Auf der linken Seite (1) befinde sich das Lösungsmittel B und ein darin gelöster
Stoff A, auf der rechten Seite nur das Lösungsmittel B.
Die Gleichgewichtsbedingung g = 0 für das Lösungsmittel lautet daher
g 1  g 01  RT  ln  x B   g 02  g 02  RT  ln 1  g 2
!
und damit für währendes Gleichgewicht
dg 1  dg 01  d RT  ln  x B   d g 02  dg 2
!
Mit dg01,2 = Vm1,2dp1,2 – s dT ; T = const also dT = 0 und Vm1  Vm2 folgt nach Integration
der osmotische Druck  als Druckdifferenz:
p1  p 2  
RT
RT
ln( x B )  
ln(1  x A ) : 
Vm
Vm
Wegen xA << 1 gilt ln(1-xA)  - xA  O(xAn2) und damit in guter Näherung die
Van’t Hoffsche Gleichung
 
RT
RT
 xA 
 nA
Vm
V
für den osmotischen Druck, welcher auch wieder nur von der Konzentration, nicht aber
der Art des gelösten Stoffes auf der linken Seite abhängt.
Hoeppe - PC Leerscript
- 96 -
6.1.4
Gibbssche Phasenregel
Nach der Gibbs’schen Phasenregel können bei
einem Gemisch aus K Komponenten P Phasen
mit F Freiheitsgraden koexistieren.
F  K P2
Das führt u. a. dazu, dass auch ohne äußere Zwangsbedingung zwei oder mehrer Phasen
im Gleichgewicht koexistieren können. Bei der Anwendung der Gleichgewichtsbedingung ist darauf zu achten, bzgl. welcher Komponente/Phasen sich ein
Gleichgewicht ausbilden kann (vgl. z.B. Osmose).
Hoeppe - PC Leerscript
- 97 -
6.2
Nichtideale, reale Mischungen
Bei realen Mischungen sind die i.A. immer vorhandenen WW zwischen den Molekülen zu
beachten. Dabei sind nicht nur die WW zwischen den verschiedenen Komponenten
sondern auch die WW zwischen Teilchen einer Komponente zu berücksichtigen:
Grundsätzlich lassen sich folgende drei Fälle unterscheiden:
i)
2EAB < EAA + EBB:
 exotherm: Wärme wird frei
 Volumen wird kleiner
 Mischung begünstigt
(Bsp: Schwefelsäure-Wasser)
ii)
2EAB > EAA + EBB:
 endotherm: Mischung kühlt ab
 Volumen wird größer
 Mischung erschwert
(Bsp: Aceton-Schwefelkohlenstoff)
iii)
2EAB >> EAA + EBB:
 stark endotherm:
 Mischung unter Abkühlung und Volumenvergrößerung
nur durch z.B. starkes Umrühren realisierbar; i.A. aber
 Mischungslücke
(Bsp: Phenol-Wasser)
Zu beachten ist, dass die Größe der WW auch vom Mischungsverhältnis und der
Einfluss der Entropie auf die Mischbarkeit von der Temperatur abhängen!
Hoeppe - PC Leerscript
- 98 -
Eine Mischung von verschiedenen Stoffen heißt ideal
wenn
id
V   Vi   n i  V m , i
i
und
i
id
H   H i   ni  hi
i
gilt.
i
Aufgrund von i. A. immer vorhandenen WW zwischen den Molekülen, müssen wir für
reale Mischungen für H und V allgemeiner
V  V E   Vi  V E   niVm ,i
H  H E   H i  H E   ni hi
i
i
i
i
formulieren, wobei VE ein aufgrund der WW auftretendes Zusatz- oder Excessvolumen
und HE eine Zusatz- oder Excessenthalpie beschreiben.
6.2.1
Partielle molare Größen
Um zu einer Darstellung ähnlich der bei idealen Mischungen zu gelangen, werden die
vom Mischungsverhältnis abhängigen Zusatzterme auf sog. partielle molare Größen
abgebildet. Grundsätzlich ist dies für jede Zustandsgröße möglich, das Vorgehen sei
hier am Beispiel der Enthalpie H erläutert:
Wird die bei einer Mischung auftretende Excessenthalpie den einzelnen Komponenten
zugeordnet gilt


H  H E   H i   ni hiE   ni hi   ni hiE  hi   ni hi
i
i
i
i
i
Erzeugt man eine Mischung „stückweise“ durch Zugabe sehr vieler sehr kleiner Anteile
der Mischungskomponenten und hält man dabei das Mischungsverhältnis immer
konstant so gilt demnach auch
dH   hi dni
i
Aus dem Vergleich mit dem totalen Differential für H = H(p=const, T=const, ni) folgt
 H
dH   
i  ni

 dni

folgt
 H 

hi  
n

 i  p ,T , j i
was die Bezeichnung partielle molare Größe erklärt und letztlich hi* definiert.
Betrachtet man nun hi* als zusätzliche Variable und schreibt das totale Differential
für H = H(hi*, ni) so folgt daraus nach Koeffizientenvergleich unmittelbar die
Hoeppe - PC Leerscript
- 99 -
Gleichung von Gibbs-Duhem,
 n  dh

i
0
i
welche für alle partiellen molaren Größe in analoger Weise gilt.
6.2.1.1
Partielles Molvolumen
Analog zum Beispiel Enthalpie gilt hier


V  V E   Vi   niVmE,i   niVm ,i   ni VmE,i  Vm ,i   niVm,i
i
i
i
i
i
Erzeugt man wieder eine Mischung „stückweise“ durch Zugabe sehr vieler sehr kleiner
Anteile der Mischungskomponenten und hält man dabei das Mischungsverhältnis immer
konstant so gilt demnach auch
dV   Vm,i dni
i
Aus dem Vergleich mit dem totalen Differential für V = V(p=const, T=const, ni) folgt
 V 
 dni
dV   
i  ni 
mit
 V 

Vm,i  
n

 i  p ,T ,n j i
womit die partielle molare Größe Vmi* definiert ist.
Mischt man z.B. Alkohol und Wasser erhält man ein Gesamtvolumen was nicht der
Summe der Einzelvolumina entspricht, sondern aufgrund der ‚unterm Strich’
attraktiven WW kleiner ist (vgl. Grafik unten). Die partiellen molaren Volumina von
Alkohol und Wasser für das jeweilige Mischungsverhältnis (und natürlich nur für diese
Mischung) sind dementsprechend kleiner als die Molvolumina der reinen Komponenten,
und offensichtlich deutlich vom Mischungsverhältnis abhängig.
Hoeppe - PC Leerscript
- 100 -
6.2.1.2
Mischungs- und Lösungsenthalpie
Hier ist meist nicht die Gesamtenthalpie, sondern der Wärmeumsatz in Folge einer
Mischung, also die Excessenthalpie interessant, welche auch Mischungswärme MH
oder Lösungswärme LH = HL genannt wird.
Entsprechend der Einführung in 6.2.1 gilt


 M H  H E  H  H id   ni hi   ni hi   ni hi  hi   ni hiE
i
i
i
i
und als mittlere molare Mischungsenthalpie definiert man:
HE 1
h 
  ni hiE   xi hiE
n
n i
i
E
Hoeppe - PC Leerscript
- 101 -
Mischt man einen Festkörper durch Auflösen in einem Lösungsmittel erhält man mit
der Lösungswärme einen (neben der Entropie) weiteren konzentrationsabhängigen
Beitrag zur freien Enthalpie und damit z.B. zur Löslichkeit eines Salzes.
Bei einem solchen Lösungsvorgang ist es üblich, mit der differentiellen Lösungswärme
hdL und der differentiellen Verdünnungswärme hdV zwischen den wesentlichen
Beiträgen des gelösten Stoffes und des Lösungsmittels zu unterscheiden:
Betrachte Zweikomponentensystem mit Festkörper A und Lösungsmittel B:
H E  n A  hAE  nB  hBE
bzw.
h E  x A  hAE  xB  hBE
Integrale Lösungswärme hiL= Lösungswärme auf Molzahl des gelösten FK bezogen:
HE
n
hiL 
 hAE  B  hBE : hAE  n  hBE  hdL  n  hdV
nA
nA
Für gewöhnlich nimmt die integrale Lösungswärme mit der Konzentration ab; die
Abnahme wird mit der Steigung der Kurve hiL(n) beschrieben. Mit der Gleichung von
Gibbs-Duhem lässt sich zeigen, dass die Steigung der Kurve hiL(n) identisch gleich der
differentiellen Verdünnungswärme hdV ist. Als erste Lösungswärme hdL0 bezeichnet
man den Grenzwert von hiL bei unendlicher Verdünnung.
Zur experimentellen Bestimmung von hdL und hdV aus der Messung von hiL(n)
Hoeppe - PC Leerscript
- 102 -
6.2.1.3
Partielle molare Freie Enthalpie = Chemisches Potential
Entsprechend der Definition G = H-TS der Freien Enthalpie werden WW in einer
Mischung die zur einer Excessenthalpie führen auch den Wert von G verändern. Da die
Entropie letztlich eine rein statistische Größe ist, haben WW hier keinen Einfluss. Der
Wert der Mischungsentropie unterscheidet sich bei realen Mischungen nicht vom
Wert bei idealen Mischungen. Daher gilt letztlich giE = hiE mit




G E  H E   M H   ni hi  hi   ni g i  g i   ni g iE
i
i
i
Die Größe gi* beschreibt hierbei die molare freie Enthalpie der Komponente i , welche
auch alle WW in einer spezifischen Mischung enthält. Damit ist der Beitrag einer
Komponente gi* zur gesamten freien Enthalpie G nicht nur eine Funktion des
Mischungsverhältnisses, also Molenbruchs, sondern auch von der jeweiligen Mischung!
Die Definition von gi* erfolgt daher praktischer Weise als partielle molare Größe. Mit
G = G(p, T, ni) lautet das totale Differential von G
 G 
 G 
 G 

 dp  
dG  
dni
 dT   
p
T
n





i 
T ,ni

p ,ni
i  p ,T ,n j i
Wird also der Anteil der i-ten Komponente um ein dni verändert, ändert sich die
gesamte freie Enthalpie mit dem Faktor
 G 

g i  
n

 i  p ,T ,n j i
der sog. partiellen molaren Enthalpie, oder auch oft mit µi  gi* als chemisches
Potential bezeichnet.
Der Begriff „chemisches Potential“ erklärt sich durch das Prinzip G  MIN bzw. die
Gleichgewichtsbedingung RG = 0 oder Rg = 0 : Bei einer chemischen Reaktion, oder
auch einem Phasenübergang o. Ä., ändern sich zwangsläufig die ni von mindestens zwei
Komponenten. Bei einer Reaktion A  B gilt dnA = - dnB und nach der Gleichgewichtsbedingung außerdem µA·dnA + µB·dnB = 0. Im Gleichgewicht gilt daher immer µA = µB.
Ungleiche chemische Potentiale von Stoffen innerhalb eines Systems führen somit
immer zu einer chemischen Reaktion, bzw. i. A. zu einem Prozess welcher das System
ins Gleichgewicht bringt.
Hoeppe - PC Leerscript
- 103 -
Abbilden der WW auf den „Konzentrationsterm“ der Entropie durch Einführung
einer Aktivität im Sinne einer „scheinbaren Konzentration“:
Für ideale Mischungen gilt für die molare freie Enthalpie:


g i ( xi , T )  g i0 (T )  RT  ln xi  hi0 (T )  T  s i0 (T )  RT  ln xi
Werden jetzt zusätzlich (komponentenweise) die WW mit molaren
(konzentrationsabhängigen) Exzessenthalpien hiE = giE berücksichtigt gilt:
g i  g i ( xi , T )  g iE  g i0 (T )  RT  ln xi  g iE
Schreibt man die Korrekturterme giE formal mit
g iE  RT  ln(  xi )
um , so lassen sich alle konzentrationsabhängigen Terme mit einer Aktivität
a  a ( x i )   xi  xi
zusammenfassen. Für die partielle molare freie Enthalpie gilt dann
g i  g i0 (T )  RT  ln x i  RT  ln  xi  g i0 (T )  RT  ln a i
womit diese formal die gleiche Gestalt wie im Fall ohne WW hat. An die Stelle des
Molenbruchs tritt jetzt die sog. Aktivität, welche somit also eine Art „effektive
Konzentration“ beschreibt.
Die Aktivitätskoeffizienten xi sind (auf beliebig komplexe Weise)
konzentrationsabhängig und müssen experimentell bestimmt werden (vgl. z.B. Tab. H).
Sie werden bei Lösungen auch oft als Funktion der Molalität mi und bei Gasen als
Funktion der Partialdrücke angegeben. Bei Gasen spricht man von einer Fugazität fi und
Fugazitätskoeffizienten i :

p 
g i  g i0 (T )  RT  ln f i  g i0 (T )  RT  ln   i oi 
 p 
Für die gesamte freie Enthalpie des Systems gilt mit den oben eingeführten
Aktivitäten jetzt
G
n
i
i
g i 
 n g
i
0
i
(T )  RT  ln a i

i
d.h. bis auf die ai an Stelle der xi der gleiche Ausdruck wie bisher.
Hoeppe - PC Leerscript
- 104 -
Besonderheit bei Lösungen bzw. Elektrolyten:
Die Angabe der stoffspezifischen Standardwerte h i0, s i0 und damit auch von
gi0 = h i0 - T s i0 ist bei gelösten Stoffen für Reinstoffe zwangsläufig nicht möglich.
An Stelle eines Reinstoffs wird daher hier eine Konzentration bzw. Molalität von
m = 1 mol/kg als Standardzustand definiert. Wenn nun die Konzentration/Molalität
oder ganz allgemein die Aktivität in Einheiten von 1 mol/kg angegeben wird,
verschwindet der konzentrationsabhängige ln-Term im Standardzustand:
g i ( m i  1
mol
kg
)  g i0 (T )  RT  ln  1  g i0 (T )
Zudem ist nicht jeder Stoff so gut löslich, dass sich eine Standardkonzentration mit
einer Molalität m= 1 mol/kg einstellen ließe. Daher wird der Standardzustand letztlich
durch eine hypothetische Lösung der Molalität 1 mol/kg definiert, in welcher sich die
gelösten Stoffe ideal, d.h. mit Aktivitätskoeffizienten = 1, verhalten. Dieses ideale
Verhalten gilt aber andererseits nur für unendliche Verdünnung also mi  0. Daher
muss zur Bestimmung der Standardwerte bei unendlicher Verdünnung gemessen und
anschließend auf die Standardkonzentration umgerechnet werden. Auf diese Weise ist
die Angabe der Standardwerte für beliebige Elektrolyte in gleicher Weise möglich.
Hoeppe - PC Leerscript
- 105 -
6.3
Destillation
In diesem Kapitel soll gezeigt werden, wie unter Ausnutzung der Anreicherung einer
Komponente eines Gemischs in einer Phase bei einem Siedevorgang, wie in Kap. 6.1.2
bereits grundsätzlich gezeigt, eine praktikable Stofftrennung realisiert werden kann.
Betrachtet werden sollen hier nur Zweistoffsysteme, zunächst als ideale Mischung und
abschließend für den Fall realer Mischungen.
Zur Vereinfachung sollen im Folgenden die Molenbrüche der Dampfphase mit y und der
flüssigen Phase mit x geschrieben werden; der Gesamtmolenbruch mit einem großen X:
x gi  xli 
poi
p

y i  xi 
poi
p
Das Hebelgesetz bzgl. der Komponente B lautet damit
nl  ( X B  x B )  n g  ( y B  X B )
Die Trennbarkeit eines Gemischs durch Destillation wird durch die unterschiedliche
Flüchtigkeit, also dem Verhältnis der Molenbrüche x und y der beiden Komponenten
bestimmt. Man definiert den sog. Trennfaktor  mit
yB
y
y  (1  x B )
 A  B
xB
x B  (1  y B )
xA
der im Falle eines idealen Gemisch identisch mit dem Verhältnis der Partialdrücke der
reinen Komponenten ist:
 id
x B  poB / p
x p /p
p
 oB
 A oA
xB
poA
xA
Hoeppe - PC Leerscript
- 106 -
6.3.1
6.3.1.1
Destillation idealer Mischungen
Siedevorgang ohne Entfernung des Dampfes
Wird der Dampf des Gemischs bei einem Siedevorgang nicht entfernt, bleibt
zwangsläufig der Gesamtmolenbruch XB konstant. Wird also ein Gemisch ausgehend von
der Temperatur T0 langsam erhitzt, tritt bei Erreichen der Siedelinie bei T1 eine
Stofftrennung ein. Die zugehörige Zusammensetzung des Dampfes y1 wird durch den
Schnittpunkt der Konode mit der Taulinien gegeben. Bei weiterer Erwärmung verarmt
die Flüssigkeit an der leichterflüchtigen Komponente (LFK), womit auch der
Molenbruch der LFK im der Dampfphase immer weiter abnimmt. Bei T3 verdampft
schließlich das letzte Tröpfchen und der Molenbruch der Dampfphase ist dann
zwangsläufig mit dem Gesamtmolenbruch identisch.
Hoeppe - PC Leerscript
- 107 -
6.3.1.2
Siedevorgang mit Entfernung des Dampfes  Einfache Destillation
Wird jetzt im Gegensatz zum vorherigen Kapitel das gleiche Gemisch ausgehend von T0
langsam erhitzt, und die Dampfphase kontinuierlich entfernt, verarmt das Gesamtsystem zwangsläufig an der LFK. Damit ändert sich auch kontinuierlich der Gesamtmolenbruch XB des Systems. Das System „rutscht“ daher entlang der Siedelinie zu
immer höheren Temperaturen. Erst bei T = TSA ist das letzte Tröpfchen verdampft.
Als Destillat bezeichnet man die mit einem Kühler wieder kondensierte Dampfphase,
welche mit der LFK (lediglich) angereichert ist.
Besonders wichtig sind die folgenden Punkte:
- Bei allen T < TSA ist die LFK noch in der flüssigen Phase enthalten, da XB > 0.
-Eine Reindarstellung einer Komponente ist offensichtlich nicht möglich, weder in
der verbleibenden flüssigen noch in der rekondensierten Dampfphase.
-Wird zwecks Anreicherung der LFK destilliert, muss der Prozess bei einer sinnvoll
zu wählenden Temperatur beendet werden, da der Dampf immer weniger der LFK
enthält. Bei der Temperatur T3 (vgl. Grafik unten) ist die Zusammensetzung des
Dampfes y3 nur noch so groß, wie die ursprüngliche Konzentration XB0 des flüssigen
Ausgangsmaterials.
- Die höchst erreichbare Konzentration der LFK ist mit y1 gegeben. Diese wird aber
nur erreicht, wenn man sich mit einem „winzigen Tröpfchen Destillat“ begnügt.
Hoeppe - PC Leerscript
- 108 -
6.3.1.3
Fraktionierte Destillation - Rektifikation
Ist das Ergebnis einer einfachen Destillation bzgl. der Anreicherung der LFK nicht
ausreichend, so kann man das Destillat natürlich einfach nochmals destillieren. Da der
Gesamtmolenbruch der LFK im Destillat jetzt größer ist, wird auch das hiermit
erzeugte nächste Destillat eine noch größere Konzentration der LFK haben. Im
Siedediagramm bewegt man sich dann (bestenfalls) entlang einer ‚Treppenkurve’
(vgl. Grafik unten) zu höheren Konzentrationen der LFK. Die Anzahl der Treppenstufen
entspricht den (minimal) nötigen Destillationsschritten, um ausgehend von der
Startkonzentration XB,S eine gewünschte Produktkonzentration XB,P zu erreichen.
Siedediagramm
Gleichgewichtsdiagramm
Eine alternative Darstellung dieser Mehrfachdestillation (Fraktionierte
Destillation/ Rektifikation) erhält man mit dem sog. Gleichgewichtsdiagramm (vgl.
Grafik oben). Hier werden nur die letztlich interessierenden Molenbrüche yB und xB
gegeneinander aufgetragen; die „Dicke“ der Siedelinse wird auf die (gekrümmte)
Gleichgewichtskurve y(x) abgebildet, und das Verwenden des Destillats für den
nächsten Destillationsschritt (z.B. x2 = y1) wird mit der Hauptdiagonalen beschrieben.
Auch hier lassen sich die (minimal) benötigten Destillationsschritte an den
Treppenstufen abzählen.
Das Gleichgewichtsdiagramm ist besonders wichtig im Zusammenhang mit der quantitativen
Beschreibung einer Destillationsanlage, vgl. Kap. 6.3.1.4.
Hoeppe - PC Leerscript
- 109 -
Die oben beschriebene Mehrfachdestillation lässt sich in einer Apparatur
zusammenfassen. Man spricht dann von einer Rektifikationskolonne. Eine besonders
anschauliche Bauart ist eine sog. Glockenbodenkolonne (vgl. Grafik unten),
wobei mit jedem Boden ein weiterer Destillationsschritt realisiert wird.
Glockenbodenkolonne nach Wedler
Unter der theoretische Bodenzahl versteht man die Anzahl von Destillationsschritten,
d.h. Treppenstufen im Gleichgewichtsdiagramm, die unter ‚idealen Verhältnissen’ die
LFK ausgehend von XB,S bis zu XB,P anreichern. Diese ist also ein Maß für die
Leistungsfähigkeit einer Apparatur.
Bei einer einfacher zu bauenden Füllkörperkolonne sind die Destillationsschritte
„homogen über die Säule verteilt“ und die Bodenzahl ist nicht direkt abzählbar. Durch
eine experimentelle Bestimmung der Leistungsfähigkeit einer solchen Apparatur ist
aber die (äquivalente) theoretische Bodenzahl bestimmbar.
Mit Hilfe des Gleichgewichtsdiagramms eines Gemischs und der theoretischen
Bodenzahl einer Apparatur, lässt sich dann abhängig von der Startkonzentration XB,S
das Resultat XB,P vorhersagen, oder umgekehrt bei gegebener Rohstoff- und
Produktspezifikation durch ‚schlichtes Treppenstufenzeichen’ die Dimensionierung der
Anlage prinzipiell bestimmen bzw. abschätzen.
Hoeppe - PC Leerscript
- 110 -
6.3.1.4*
Rektifikation nach McCabe-Thiele
Die theoretische Beschreibung von Destillationsprozessen nach McCabe und Thiele
erlaubt u. a. die Berechnung der Mindestbodenzahl, welche im vorherigen Kapitel
grafisch bestimmt wurde. Wesentlicher ist aber die Beschreibung der Auswirkung
einer Produktentnahme auf den Destillationsvorgang:
Die Entnahme von Destillat führt letztlich zu einer Störung des Gleichgewichts längs
der Konoden zwischen ‚benachbarten’ Böden und damit zu einer schlechteren
Trennwirkung der Anlage. (vgl. Verschiebung des Gesamtmolenbruchs, wenn mehr als ein
winziges Tröpfchen Destillat erzeugt wird!) Durch Aufstellung einer Mengenbilanz bzgl.
der Stoffmengenströme innerhalb einer Kolonne, kann die Auswirkung einer
Produktentnahme quantitativ beschrieben, und damit die Auslegung von Anlagen
optimiert werden.
Zudem wird durch die Unterscheidung und Beschreibung von der sog. ‚Auftriebs-’ und
‚Abtriebskolonne’ auch die Modellierung von kontinuierlich arbeitenden Anlagen
ermöglicht. Mehr hierzu in der Veranstaltung PCMU.
Hoeppe - PC Leerscript
- 111 -
6.3.2
Destillation realer Mischungen
Die Destillation realer Mischungen funktioniert genau so wie die idealer Mischungen,
da insbesondere das Hebelgesetz auch für reale Mischung gültig ist. Durch die WW
werden aber die Siedediagramme zum Teil stark verändert, wodurch sich in der Praxis
deutliche Abweichungen und/oder neue Effekte ergeben.
6.3.2.1
Minimumazeotrop
Wird durch eine WW z.B. die Bildung einer Mischung A-B erschwert, da sie
energetisch ungünstig ist, wird die Phase mit dem größeren Teilchenabstand – also die
Gasphase - begünstigt. Taulinie und Siedelinie werden daher im Siedediagramm nach
unten geschoben und können sich bei hinreichend starker WW sogar berühren, und es
kommt zur Ausbildung eines azeotropen Punkts, hier Minimumazeotrop:
Ein Destillationsprozess lässt sich in einem solchen Siedediagramm analog zum Fall
idealer Mischungen durch Einzeichnen von Konoden bzw. ‚Treppenstufen’ beschreiben:
Die linke Seite des Zweiphasenmischgebietes ähnelt einer gewöhnlichen Siedelinse,
allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass „die Spitze unten rechts“ nicht
bei XB = 1 sondern bei XB = Xaz liegt. Ein Destillationsprozess kann als Ergebnis daher
maximal die Konzentration Xaz liefern! Liegt die Startkonzentration rechts vom
azeotropen Punkt Xaz läuft der Destillationsprozess spiegelverkehrt auf der rechten
Seite ab, so dass die Konzentration der (eigentlich) LFK B zum Kolonnenkopf abnimmt
und den selben Wert Xaz annimmt, wie bei einem Start von der linken Seite.
[vgl. Übung!]
Azeotrope Punkte sind bei Destillationsprozessen daher unerwünscht und nur durch
relativ aufwendige „Tricks“ zu umgehen, die in Kap. 6.3.2.3 kurz angesprochen werden
sollen.
Hoeppe - PC Leerscript
- 112 -
6.3.2.2
Maximumazeotrop
Wird durch eine WW andererseits die Bildung einer Mischung A-B erleichtert, wird
die Phase mit dem kleineren Teilchenabstand – also die Flüssigphase - begünstigt.
Taulinie und Siedelinie werden daher im Siedediagramm nach oben geschoben und
können sich bei hinreichend starker WW sogar berühren, und es kommt auch hier zur
Ausbildung eines azeotropen Punkts, hier Maximumazeotrop:
Auch hier lässt sich durch Einzeichnen von Konoden bzw. ‚Treppenstufen’ der
Siedeprozess beschreiben: Eine Anreicherung der LFK B wird offensichtlich nur auf
der rechten Seite, d.h. für XBS > Xaz, erreicht. Man hat hier (zumindest auf der
rechten Seite) also zunächst prinzipiell kein Problem mit der Qualität des Produktes,
jedoch hat man sicher ein Ausbeuteproblem, da das im Sumpf verbleibende Gemisch
immer einen hohen Gehalt beider Komponenten enthält.
Beginnt man auf der linken Seite, wird zunächst die Komponente A im Kolonnenkopf
angereichert, bis auch hier das im Sumpf verbleibende Gemisch die azeotrope
Zusammensetzung Xaz erreicht.
In beiden Fällen erreicht das Gemisch in der flüssigen Phase letztlich die azeotrope
Konzentration und siedet somit unverändert, d.h. unter Abgabe einer Dampfphase mit
der konstanten Konzentration Xaz und der konstanten (maximalen) Siedetemperatur.
Daher auch der Name Azeotrop : der aus dem griechischem stammende Begriff
bedeutet so viel wie „unverändert siedend“ (, vgl. z.B. Atkins).
Hoeppe - PC Leerscript
- 113 -
6.3.2.3*
Azeotroprektifikation
Unter Azeotroprektifikation versteht man die Destillation von azeotropen Gemischen
unter Anwendung spezieller Verfahren, mit welchen sich die azeotropen Punkte bzw.
deren negative Auswirkungen auf den Destillationsprozess umgehen lassen.
Dabei werden hauptsächlich zwei Strategien angewendet:
- Destillation bei verschiedenen Drücken: Da die Siedetemperaturen jeder Komponente
(individuell) druckabhängig sind, wird das Siedediagramm mit dem Druck deutlich
verändert. Zudem sind die Wechselwirkungen, welche einen azeotropen Punkt
erzeugen, i. A. temperaturabhängig. Da mit dem Druck die Siedetemperatur des
Gemischs verändert wird, wird auch der azeotrope Punkt zumindest verschoben.
So kann z.B. Ethanol mit einer deutlich höheren Konzentration als 96 Gew%
(azeotroper Punkt bei 1 bar) durch die sog. Zweidruckrektifikation hergestellt werden,
bei der zwei Rektifikationskolonnen unter verschiedenem Druck arbeitend kombiniert
werden.
- Destillation mit einem Schleppmittel: Durch Zugabe eines sog. Schleppmittels, z.B.
Benzol bei einem Ethanol-Wasser-Gemisch, entsteht eigentlich eine ternäre Mischung
mit komplexer Wechselwirkung zwischen den Komponenten. Da das Schleppmittel i.d.R.
nur in kleiner Konzentration zugegeben wird, betrachtet man aber oft nur das
veränderte Siedediagramm des jeweiligen binären Gemischs in welchem der azeotrope
Punkt stark verschoben oder ganz verschwunden ist.
Im obigen Beispiel bildet das Benzol mit Ethanol und Wasser ein leicht siedendes
ternäres Azeotrop, wodurch das Wasser aus einem ethanolreichen Gemisch
„herausgeschleppt“ wird, und vergleichsweise sehr reines Ethanol im Sumpf der
Kolonne verbleibt. Überreste des Schleppmittels müssen dann ggf. durch weitere
Destillationsschritte entfernt werden. Man spricht bei diesen Verfahren auch von
Extraktivrektifikation.
Hoeppe - PC Leerscript
- 114 -
6.4
Mischungen von FK und Schmelzen
Was einführend zu den Phasengleichgewichten von l-g-Gemischen gesagt wurde, gilt
analog auch s-l Gemische, also Schmelzvorgänge. Zu beachten ist allerdings, dass die
Ausbildung eines Gleichgewichts oft dadurch erschwert oder gar nicht möglich ist, da
eine Vermischung der betrachteten Komponenten in der s Phase nur vergleichsweise
langsam erfolgen kann. Schmelz- bzw. Erstarrungsvorgänge sind daher eher
komplizierter, da zusätzlich die Abkühlgeschwindigkeit zu berücksichtigen ist
(Kristallseigerung). Andererseits ergeben sich hierdurch eine Vielzahl von Methoden
um Werkstoffeigenschaften gezielt einzustellen, wie z. B. Weichglühen,
Kaltverfestigen, oder Härten bis hin zu anisotropen oder Gradientenwerkstoffen. Im
Folgenden sollen zunehmend schlechter mischbare binäre Mischungen betrachtet
werden.
6.4.1
Lückenlose Mischkristallbildung
Das Phasendiagramm von sehr gut mischbaren Komponenten, z.B. das System
Germanium-Silizium, gleicht der Siedelinse einer idealen Mischung. Aufgrund
lückenloser Mischkristallbildung existiert nur eine feste (s) Phase.
Schmelzdiagramm eines binären Gemischs
(analog zu Siedelinse) eines gut mischbaren
Systems, d.h. mit lückenloser Mischkristallbildung. Bsp.: Tm,Si = 1683 K + Tm,Ge = 1210 K
Bei unendlich langsamer Abkühlung entspricht der Weg im Phasendiagramm dem Fall
„Sieden ohne Entfernung des Dampfes. Bei einer realen Abkühlgeschwindigkeit werden
die zuerst kristallisierten festen Phasen bei weiterer Abkühlung nicht mehr
vollständig ins Gleichgewicht mit den folgenden festen Phasen gelangen. In einem
Schmelztigel wird nach kompletter Erstarrung zwangsläufig mehr oder weniger ein
„Gradientenkristall“ entstehen (Zonenmischkristall, inhomogener Mischkristall).
Die Tatsache, dass sich die niedriger schmelzende Komponente B in der l-Phase
anreichert, wird bei dem Zonenschmelzverfahren ausgenutzt, bei welchem z.B.
hochreine Si-Kristalle für die Wafer-Herstellung erzeugt werden.
Hoeppe - PC Leerscript
- 115 -
Schematische Darstellung des Zonenschmelzverfahrens
6.4.2
Reale Systeme mit Mischungslücke
Die bei Festkörpern i. A. noch stärkeren WW führen oft zu in der l-Phase schlecht und
in der s-Phase gar nicht mischbaren Systemen (Mischungslücke). Ähnlich der
Ausbildung eines azeotropen Punktes bei l-g-Gemischen kommt es hier zur Ausbildung
eines eutektischen Punktes bzw. eines Eutektikums.
Schmelzdiagramm eines binären Gemischs
mit Mischungslücke in der festen Phase
Bsp.: Gold-Nickel-Legierung mit
Tm,Au = 1337 K + Tm,Ni = 1726 K
Bei Abkühlung einer Schmelze beliebiger Zusammensetzung wird bei Erreichen der
Liquiduskurve eine feste Phase entsprechender Zusammensetzung (Konode)
ausgeschieden. Die Zusammensetzung der Schmelze läuft bei unvollständiger
Einstellung des Gleichgewichts („rasche“ Abkühlung) damit zwangsläufig in Richtung des
Wertes des Eutektikums xE. Wird xE erreicht, erstarrt bei weiterer Abkühlung die
Restschmelze zu einem Mischkristall der Zusammensetzung xE. Wird bei noch tieferen
Temperaturen die Mischungslücke erreicht, ist der Mischkristall thermodynamisch
instabil und es kommt prinzipiell zur Ausbildung verschiedener Phasen deren
Zusammensetzung durch Einzeichnen einer Konode in das 2-Phasen-Mischgebiet
bestimmt ist (Segregatbildung).
Der Begriff Eutektikum stammt aus dem griechischem und bedeutet gut schmelzend .
Hoeppe - PC Leerscript
- 116 -
6.4.3
Systeme mit großer partieller Mischungslücke
Bei sehr schlechter Mischbarkeit in der festen Phase, reicht die Mischungslücke bis
an die Soliduskurve heran. Das bedeutet, dass die Schmelze nach Erreichen des
Eutektischen Punktes entsprechend dem Hebelgesetz gleichzeitig in zwei verschiedene
feste Phasen erstarrt. Die waagerechte Konode durch den eutektischen Punkt nennt
man auch Eutektikale, eine Mischung der Zusammensetzung xE eutektisches Gemisch.
Läuft die Schmelze hier in xE, so kommt es zu einer „schlagartigen“ Verfestigung unter
Ausbildung eines sehr feinkörnigen (auch lammellenartigen) Gemenges von Mischkristallen 
und , dem sog. Eutektikum.
Schmelzdiagramm mit Eutektikum, und
großer Mischungslücke.
Bsp.: Silber-Kupfer-Legierung mit
Tm,Ag = 1235 K + Tm,Cu = 1357 K
Weitere eutektische Gemische sind z.B. Lötzinn ( Pb(33)-Sn(67), TE = 183°C ) oder auch
Streusalz ( NaCl(23)-H2O(77), TE = –21,1 °C ).
6.4.4
Systeme ohne Mischkristallbildung
Bei extrem schlechter Mischbarkeit der festen Phasen existieren keine Mischkristalle
und die Soliduskurve besteht nur aus der Eutektikalen und den Senkrechten zu den Tm.
Schmelzdiagramm mit Eutektikum, und
vollständiger Mischungslücke, d.h. ohne
Mischkristallbildung.
Hoeppe - PC Leerscript
- 117 -
In einem solchen System läuft (auch bei extrem langsamer Abkühlung) der Rest der Schmelze
immer in den eutektischen Punkt. Je nach Ausgangszusammensetzung der Schmelze kommt es
daher bei Abkühlung zu einem mehr oder weniger großen Anteil der Phase, welche Eutektikum
genannt wird. Hier besteht das Eutektikum aus einem feinkörnigen oder lammellenartigen
Gemenge von Kristalliten der reinen Phasen A und B .
6.5
Phasendiagramme ternärer Gemische
Ternäre Gemische bestehen aus 3 Komponenten. Wegen xA + xB + xC = 1 können damit
Mischungsverhältnisse eindeutig in einer zweidimensionalen Ebene dargestellt werden.
Meist wird dafür eine ebene symmetrische Dreiecksdarstellung gewählt:
Im Dreiecksdiagramm wird ein
Mischungsverhältnis eindeutig durch
einen Punkt beschrieben.
Bsp: A(40%); B(20%); C(40%)
Bestimmte Eigenschaften der Mischung in bestimmten Bereichen werden dann z.B. in
Form von Farben oder „Höhenlinien“ dargestellt, oder wie unten als Projektion eines
dreidimensionalen Diagramms.
Liquidusfläche eines ternären Systems:
Das ternäre Eutektikum E liegt meist
bei der tiefsten Temperatur; als
Grenzfälle sind auch die Eutektika der
binären Mischungen AB, BC und AC
enthalten.
Hoeppe - PC Leerscript
- 118 -
7
Grenzflächengleichgewichte
Grenzflächen sind auch Oberflächen, an welchen viele Prozesse stattfinden wie z.B.:
- Verdampfen
- Adsorption, Chemiesorption ( Chromatografie)
- chem. Reaktionen
- Korrosion ( Beschichtungen, Oberflächentechnik)
Je kleiner einer Phase bzw. ein Teilchen ist, desto größer wird der Einfluss von
Oberflächeneffekten (Reaktivität). Stichworte sind hier
- Kolloide, Kolloidchemie (molekular dispers/kolloid dispers ; Sol-Gel-Technik)
- Biochemie (molekulare Doppelschichten, Membranen)
- Nanotechnolgie
- Klebetechnologie
7.1
Allgemeine Betrachtungen
Sind Komponenten einer Mischung aufgrund einer WW nicht mischbar, bilden sich
zwangsläufig zwischen den auftretenden Phasen Grenzflächen aus. Die gleichen WW
die zur Phasenausbildung führen, bedingen zwangsläufig auch eine Minimierung der
Grenzfläche, weil dadurch wieder die energetisch ungünstigen WW zwischen den
verschiedenen Komponenten an der Grenzfläche minimiert wird.
Für die Freie Enthalpie G = G(p, T, A) folgt
 G 
 G 
 G 
 dp  
dG  
 dT  
 dA  V dp  S dT   dA

A
p

T



 p ,T


T , A
p, A
bzw. die freien Energie F = F(V, T, A)
 F 
 F 
 F 
dF  
 dT  
 dA   p dV  S dT   dA
 dV  
 V  T , A
 T  V , A
 A V ,T
wobei  die Oberflächenenergie ( oft auch „Oberflächenspannung“) beschreibt.
Mit der Minimierung von F (anschaulich auch mit der „Oberflächenspannung“) lässt sich
z.B. relativ leicht die Benetzung (Kontaktwinkel) von festen Oberflächen durch
Flüssigkeiten erklären. Für gekrümmte Oberflächen (Blasen, Tropfen etc.) folgt aus der
Minimierung von F die Laplacegleichung, mit welcher sich z.B. die Kapillarwirkung oder
der Siedeverzug einfach erklären lassen.
Hoeppe - PC Leerscript
- 119 -
7.2
7.2.1
Oberflächenspannung
Oberflächenenergie und Oberflächenspannung
Entsprechend Definition entspricht die Oberflächenenergie  der Arbeit, welche nötig
ist, um eine Oberfläche zu erzeugen. Im Falle von Flüssigkeiten lässt sich  direkt mit
einer Oberflächenfilmwaage ( Langmuirsche Waage) bestimmen:
F  m  g  FOF
dW  ( m  g  2  l )  ds
dW  m  g  dh    dA
Betrachtet man, z.B. bei einem Tropfen einen Schnitt durch eine Oberfläche kann man
formal
 
Arbeit
Kraft  Weg Kraft


Fläche Weg  Weg
Weg
Schreiben, und  lässt sich im Schnitt als Oberflächenspannung verstehen und bei
Auftreten verschiedener Oberflächen bequem wie ein Kräftegleichgewicht vektoriell
behandeln (vgl. Benetzung).
7.2.2
Benetzung
Bei Vorhandensein bzw. Kontakt dreier Phasen, z. B. fest, flüssig und gasförmig,
ergeben sich zwangsläufig auch drei verschiedene Oberflächen. Die Konkurrenz der
jeweiligen Oberflächenenergien führt z.B. zu einer Vergrößerung der energetisch
günstigeren Oberfläche und damit bei (festen Volumina) zu einem bestimmten
Kontaktwinkel K am Tripelpunkt zwischen den Phasen, welcher als Maß für die
Benetzbarkeit eines Festkörpers mit einer Flüssigkeit dient:
Man spricht von nicht benetzend für K > 90°, für benetzend für K < 90° und von
spreitend für K  0°.
Hoeppe - PC Leerscript
- 120 -
Die drei zu unterscheidenden relevanten ’Oberflächenspannungen’ (z.B. bei einem
Wassertropfen auf einer Glasplatte) sind:
lg = 
wesentlich abhängig von WW innerhalb l, da Gas dünn (Kohäsion)
sg
wesentlich abhängig von WW innerhalb s, da Gas dünn
ls
abhängig von WW zwischen l - und s-Phase (Adhäsion)
Die vektorielle Behandlung der Oberflächenspannungen als Kräftegleichgewicht im
Schnitt bestimmt den Kontaktwinkel K , welcher neben der Oberflächenspannung 
der Flüssigkeit aufgrund der geringen Teilchendichte in der Gasphase wesentlich von
ls , also der Adhäsion abhängt:
 sg   ls    cos  k
cos  k 
 sg   ls

Wird der Wert einer Oberflächenspannungen  z.B. in Tabellen angegeben, wird als
angrenzende Gasphase üblicherweise der gleiche Stoff mit dem zur angegebenen
Temperatur gehörigen Dampfdruck angenommen. Gleiches gilt bei Oberflächenspannungen für Festkörper, die für die Ausbildung der Gefügestruktur eines
polykristallinen Stoffes (z.B. Keramiken) entscheidend wichtig ist.
7.2.3
Laplace Gleichung
Die Minimierung von G bzw. F führt zur Ausbildung von sphärischen Tropfen
(Flüssigkeit in Gas) oder Blasen / intergranulare Poren (Gas in Flüssigkeit oder FK) und
damit zu einer gekrümmten Ober- bzw. Grenzfläche. Abhängig vom Krümmungsradius
der Oberfläche kommt es, anschaulich durch die Oberflächenspannung, auf der
konkaven Seite zu einer Erhöhung des Drucks relativ zum Druck auf der konvexen
Seite. Dies führt z.B. über die Druckabhängigkeit des Dampfdrucks (vgl. Kap. 6.1.3)
zum Siede- oder Kondensationsverzug (vgl. Keimbildung) oder bei Vorhandensein einer
dritten Phase über die mehr oder weniger gute Benetzung zur Kapillarwirkung.
Im Gleichgewicht gilt mit T = const dF = 0 und damit:
Hoeppe - PC Leerscript
- 121 -
!
dF   pdV   dA  0

pdV   dA
Betrachten wir als Bsp. einen Tropfen mit dem Radius r, dessen Oberfläche und
Volumen sich bei Vergrößerung des Radius um dr entsprechend mit vergrößern:
dA  4 ( r  dr ) 2  4 r 2  ...  8 r dr
dV  A dr  4 r 2 dr

 Laplacegleichung:
p  4 r 2 dr    8 r dr
p
2
r
 pin  pex
Die Laplacegleichung beschreibt für beliebige gekrümmte Oberflächen die (lokale)
Druckdifferenz in Folge der Kohäsion in Abhängigkeit von Oberflächenspannung  und
Krümmungsradius r.
7.2.4
Kapillarwirkung
Die Kapillarwirkung entsteht als Folge der Kombination von Adhäsion (Benetzung
Festkörper/Wand durch Flüssigkeit) und Kohäsion (Druckdifferenz an gekrümmter
Oberfläche entsprechend Laplacegleichung). Nach Einstellung des Gleichgewichts
zwischen Laplacedruck und Schweredruck der Flüssigkeit beobachtet man in
Abhängigkeit von den Materialien (Benetzung, Oberflächenspannung) und Durchmesser
der Kapillare eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Kapillarascension (Grafik: links)
oder Kapillardepression (Grafik rechts).
Hoeppe - PC Leerscript
- 122 -
Betrachten wir die Ausbildung einer Kapillarascension und die daraus folgende
Steighöhe der Flüssigkeit in der Kapillare in drei Schritten:
1)
2)
3)
Tauche Kapillare in Flüssigkeit.
Adhäsion/Benetzung stellt Kontaktwinkel und damit Krümmungsradius
innerhalb der Kapillare ein.  Druck p* auf konvexer Seite (unten) kleiner.
Flüssigkeit steigt in Kapillare auf wodurch p* um den Schweredruck gh erhöht
wird, bis sich ein Gleichgewicht bei p’’ = p (Umgebungsdruck) einstellt:
!
2
  gh  p
p ' '  p '  gh  p 
r

2
  gh
r
Nimmt man mit k  0 vereinfacht eine sehr gute Benetzung an, ist die Oberfläche in
der Kapillare mit Innendurchmesser d eine Halbkugel und es gilt r = d/2.
Bei guter Benetzung kann also auf einfache Weise mit Messung der Steighöhe in einer
Kapillare die Oberflächenspannung  einer Flüssigkeit bestimmt werden:

1
 gh  d
4
Da die Kapillarwirkung also nichts mit einer „Saugwirkung“ zu tun hat, können z.B. so auch
Bäume, die deutlich größer als 10 m sind, bis in die Spitzen mit Wasser versorgt werden!
Hoeppe - PC Leerscript
- 123 -
7.2.5
Keimbildung
Der (stoffspezifische) Dampfdruck einer Flüssigkeit ist nicht nur von der Temperatur
abhängig, sondern auch vom Gesamtdruck, der auf der flüssigen Phase lastet z.B. in
Folge Anwesenheit anderer Gase. Der Dampfdruck über der Flüssigkeit steigt dann mit
Vm ,l
pD  p  e RT
0
D
p
(vgl. Kap. 6.1.3), wobei p = pges – pD0 dann positiv ist.
Gleiches gilt wenn der Gesamtdruck auf der Seite der Gasphase vom Laplacedruck, der
an einer gekrümmten Oberfläche entsteht erhöht wird. Bei einer auf Seite der
Gasphase konkaven Oberfläche kann aber durch den Laplacedruck p auch negativ
werden womit der Dampfdruck pD verringert wird.
Für z.B. hinreichend kleine Tröpfchen mit dem Radius r ist p durch den Laplacedruck
pL = 2/r gegeben, der an einer gekrümmten Oberfläche mit dem Krümmungsradius r
entsteht und einige bar betragen kann. ( vgl. Übung)
Wegen pL ~ r-1 wird der Dampfdruck über dem Tröpfchen also umso größer je kleiner
es ist. Wird z.B. feuchte Luft abgekühlt und es müsste eigentlich zur Kondensation
kommen wird daher die Bildung der ‚ersten winzigen Tröpfchen’ deutlich erschwert
oder ganz verhindert. Das erklärt die Existenz von übersättigtem Dampf, wie er z.B. in
einer Nebelkammer zum Nachweis von Elementarteilchen verwendet wird.
In der Natur (Nebel, Wolkenbildung, Tau, Reif ) ist dieser Effekt meist nicht so
deutlich zu beobachten, da kleinste Schwebeteilchen als Kondensationskeime dienen,
da eine bestimmte Menge von H2O Molekülen an einem einigermaßen gut benetzbaren
Teilchen mit einem größeren Krümmungsradius und damit einem geringeren Laplaceund Dampfdruck kondensieren kann (vgl. Grafik).
Auch sehr kleine Dampfblasen in einer siedenden Flüssigkeit ‚haben es schwer’: Hier
ist das Wasser auf der konvexen Seite und der durch pL stark verringerte
Dampfdruck ( p < 0  pD << pD0 ) auf der konkaven Seite lässt kleine Blasen
„zusammenschnurren“, wodurch überhitztes Wasser entstehen kann. Nur größere
Dampfblasen können entstehen und wachsen dann rasch an, was zum „blubbernden
Kochen“ führt. Dieser Siedeverzug lässt sich durch z.B. durch Siedesteinchen
vermeiden, welche als „Verdampfungskeime“ wirken. Eine ähnliche Wirkung haben auch
Oberflächenrauhigkeit oder Schmutzpartikel in einem Sektglas.
Hoeppe - PC Leerscript
- 124 -
7.3
Adsorption
Von Adsorption spricht man, wenn es in Folge einer schwachen (meist physikalischen)
Wechselwirkung zu einer vorübergehenden Anlagerung von Molekülen (Adsorbtiv) an
einer Oberfläche (Adsorbens) kommt. Das Adsorbtiv befindet sich dabei in einer
flüssigen oder gasförmigen Phase meist in geringerer Konzentration und liegt mit
dieser als Gemisch vor (Bsp.: Luftfeuchte).
Man unterscheidet bzgl. der (attraktiven) Wechselwirkung zwischen

Physikalischer Adsorption = Physisorption
Van-der-Waals-Kräfte.  weniger selektiv, mehrschichtige Belegung möglich
Adsortionsenthalpie ~ 20 kJ/mol ( immer exotherm )

Chemischer Adsorption = Chemiesorption:
Bindungsähnliche Zustände  selektiv, i.d.R. monomolekular
Adsortionsenthalpie ~ 200 kJ/mol
Die Stoffmengenverhältnisse, d.h. die Menge von adsorbierten Molekülen (Adsorbat)
im Verhältnis zu den nicht adsorbierten Molekülen (Adsorbtiv), der Adsorptionsgrad,
wird neben den chemisch-physikalischen Eigenschaften aller beteiligten Phasen
wesentlich durch die Temperatur bestimmt und daher durch sog.
Adsorptionsisothermen beschrieben:
a) Langmuirsche Adsorptionsisotherme
Zahl adsorbierter Moleküle: N
Zahl max. möglicher ad. Moleküle: Nmax
Partialdruck (Konz.) des Adsorptivs: p
Adsorptionsrate: ra
Desorptionsrate: rd
N
Bedeckungsgrad  
N max
ra ~ p  (1   )
ra : a  p  (1  )
rd ~ 
rd : a '
Gleichgewicht: rd = ra
N  N max
Hoeppe - PC Leerscript
p
b p
a  p  (1  )  a '
N
a p
p

:
N max
a ' a  p b  p
wobei der systemspez. Parameter b = b(T)
temperaturabhängig ist.
- 125 -
120
Rel. Adsoprtion N
100
80
60
40
T1
20
T2 > T1
0
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Konzentration bzw . Druck p
Langmuirsche Adsorptionsisothermen eines Systems für zwei versch. Temperaturen:
Da nur eine einfache Bedeckung der Oberfläche angenommen wird, existiert für p  
ein Grenzwert, bei dem die Oberfläche zu 100% bedeckt ist.
b) Adsorptionsisotherme nach Freundlich
Insbesondere im Fall der Physisorption kann die Oberfläche auch durch mehrere
Schichten Adsorbat bedeckt sein, was z. B. mit der Adsorptionsisotherme nach
Freundlich beschrieben werden kann:
Die systemspez. Parameter a und m sind auch
hier i. A. temperaturabhängig.
N  a  p1 / m
160
Rel. Adsoprtion N
140
120
100
80
60
Langmuir
40
Freundlich
20
0
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Konzentration bzw . Druck p
Adsorptionsisotherme nach Freundlich im Vergleich zur Langmuirschen
Adsorptionsisothermen: Aufgrund der Mehrschichtbelegung existiert hier kein
Grenzwert für p   .
Hoeppe - PC Leerscript
- 126 -
c) Adsorptionsisotherme nach Brunauer, Emmet und Teller
Auch bei der Adsorptionsisotherme nach Brunauer, Emmet und Teller (BET) wird eine
Mehrschichtbelegung angenommen. Sie wurde speziell für den Fall der Stickstoffadsorption an Pulvern oder porösen Festkörpern entwickelt und dient im sog. BET
Verfahren der Bestimmung der spezifischen Oberfläche (m²/g), womit z.B. auch die
mittlere Teilchengröße von sehr feinen Pulvern ermittelt werden kann.
BET Verfahren (vereinfacht):
Wird eine bestimmte Menge Gas (Stickstoff) in ein definiertes Volumen gegeben stellt
sich entsprechend dem id. Gasgesetz der Druck p = n·RT/V ein. Befindet sich neben
dem Gas z.B. auch ein Pulver im gleichen Behälter, beobachtet man insbesondere bei
tieferen Temperaturen eine stärkere Druckabnahme als nach dem id. Gasgesetz
erwartet, da durch Adsorption ein beträchtlicher Teil der Stickstoffmoleküle der
Gasphase entzogen werden und daher nicht zum gemessenen Druck beitragen. Der
verringerte Druck wird daher grob mit p = (n-nads)·RT/V beschrieben. Die Zahl
adsorbierter Moleküle nads ist direkt proportional der Oberfläche der Probe und mit
bekannter Adsorptionsisotherme kann die spezifische Oberfläche berechnet werden.
Schematisch zum BET Verfahren: Zwei Proben unterschiedlicher Teilchengröße
bei gleicher Temperatur und gleicher Menge Stickstoff.
Die Kenntnis der Adsorptionsisothermen sind z.B. im Zusammenhang mit der
Luftfeuchtigkeit sehr wichtig bei Trocknungsprozessen oder der Bauphysik. In der
chemischen Analytik werden die stoffspezifischen Adsorptionsisothermen in einer
Vielzahl von Verfahren der Chromatographie zur Analytik komplexer Stoffgemische
ausgenutzt.
________________________________________________
Hoeppe - PC Leerscript
- 127 -
Herunterladen