Oldřich Číp a Miloš Čtrnáctý

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75JAHRE
AUSLANDSSENDUNGEN
Die Anfänge…
Die Entstehung der Auslandssendungen hängt mit der politischen Situation in Europa
vor dem Zweiten Weltkrieg zusammen. Im Jahr 1933 begann das nationalsozialistische
Deutschland über seine Grenzen hinaus zu senden, Mitte der 1930er Jahre das sowjetische Russland. Auf den Radiowellen gelangte feindliche Propaganda von allen Seiten
in die Tschechoslowakei. Diese Aktivitäten beobachtete das Außenministerium unter
Leitung von Edvard Beneš und machte auf „die Notwendigkeit von Kurzwellen-Sendern für die Auslandspropaganda aufmerksam, die auch für Staaten wie Deutschland,
Ungarn, Italien und die UdSSR verständlich ist“.
Noch im Jahr 1934 gab der Post- und Telegrafenminister im Parlament bekannt, dass
in Poděbrady ein Kurzwellensender für die Propaganda der Tschechoslowakischen
Nationalsozialistische
Propaganda
Republik im Ausland eingerichtet werde. Der Staat, der zugleich Hauptaktionär der Firma Radiojournal war, stellte für diesen Zweck 3,5 Millionen Kronen bereit. Die Mon-
Poděbrady – Sendetechnik
tage der Kurzwellensender und entsprechenden Antennen in der Sendestation Poděbrady – genannt Rádiovka – begann im Jahr 1935. Der Probebetrieb wurde im Juli 1936
aufgenommen. Die regulären, regelmäßigen Sendungen ins Ausland begannen am 31.
August 1936 um 10 Uhr vormittags. Die Sendungen wurden eröffnet mit einer Ansprache des technischen Direktors des Tschechoslowakischen Rundfunks, Eduard Svoboda,
in englischer Sprache. Dieses Datum gilt als der Beginn der Auslandssendungen.
Gesendet wurde auf mehreren Frequenzen nach Europa und nach Amerika. Das
Programm bestand aus Musikaufnahmen, unterbrochen durch kurze Live-Beiträge des
Moderators. Dabei ging es um Programmankündigungen, Nachrichten, Hörerrubriken
und später auch Vorträge. Die Beiträge wurden auf Tschechisch / Slowakisch, Deutsch,
Französisch, Englisch und gelegentlich Ruthenisch gesendet.
Poděbrady – Sendestation
Eduard Svoboda
Die Auslandssendungen des Radiojournals wurden von der so genannten
Kurzwellenabteilung produziert, deren Leiter der versierte Rundfunkredakteur und
Musiker Bohuslav Tvrdý wurde. In der Abteilung arbeiteten ungefähr acht Menschen.
Sie kümmerten vor allem um die Ansagen in verschiedenen Sprachen und den Kontakt
mit den Hörern. Eine der Sprecherinnen, Helena Kronská, erinnert sich: „Ich habe 1936
in der Kurzwellen-Abteilung angefangen. Zunächst hatte ich die Hörerpost zu betreuen.
Aber bald schon musste ich für andere Kollegen einspringen und wurde Sprecherin. Wir
haben das Programm angekündigt, es folgten die Nachrichten, dann hat ein Techniker
eine Aufnahme vom Blattnerphon abgespielt. Die Ansagen mussten wir in allen Sprachen
beherrschen. Briefe aus der ganzen Welt trafen ein. Ich habe Antwortbriefe geschrieben
und eine Hörerliste geführt. Die Auflistungen übergab ich dem technischen Direktor,
Eduard Svoboda, der sich lebhaft dafür interessierte, wo und wie die Sendungen zu
Der Tschechoslowakische
Rundfunk Ende der 1930er Jahre
empfangen sind.“
Die Zahl der Rückmeldungen aus Europa und ebenso aus Übersee wuchs; auch der Umfang der Sendungen vergrößerte sich. Bis Ende 1936 trafen über 4000 Briefe ein. Ein Jahr
Sendeplan für die
Kurzwellensendungen,
1938
später waren es schon 14.000 Posteinsendungen. Der Umfang der Sendungen erreichte
seinen Höhepunkt zur Zeit des Münchner Abkommens im Herbst 1938, als man täglich
rund 20 Stunden über Kurzwelle empfangen konnte. Immer noch wurde am meisten
Musik gesendet, unterbrochen durch Nachrichten und Berichte in den Hauptsendesprachen, zu denen auch Italienisch, Portugiesisch, Serbokroatisch und Rumänisch hinzukamen. Mit der Nazi-Okkupation im März 1939 wurden die Sendungen auf Kurzwelle
eingestellt, mit Ausnahme des tschechischen Programms, das den Bedürfnissen der
ideologischen Propaganda der deutschen Rundfunkleitung unterworfen wurde.
Hörerpost, 1936
Die Wochenzeitung
„Radiojournal“, Januar 1937
Aus der Nachkriegsgeschichte…
Eine neue Entwicklung nahmen die Auslandssendungen nach dem Krieg. Die Zahl der
Sendesprachen wurde erweitert, das Programm erhielt eine feste Struktur, und zu den
Informationssendungen kamen auch künstlerische Sendungen hinzu. Im April 1948
wurde der Tschechoslowakische Rundfunk verstaatlicht, und all seine Abteilungen
standen unter dem direkten Einfluss der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei
(KPTsch). Die Auslandssendungen wurden zu einem bedeutenden ideologischen
Instrument der herrschenden Partei und wurden gewaltig ausgeweitet. Sie dienten zur
Beeinflussung linksgerichteter Menschen im westlichen Europa und immer mehr auch
zur Unterstützung der nationalen Befreiungsbewegungen in Südamerika (Spanisch,
Portugiesisch) und Afrika (Arabisch, Suaheli).
Die Wochenzeitung
„Náš rozhlas“
Für die Propaganda wurden riesige Summen ausgegeben, auf der gesamten Welt wurden
Hörerklubs von Radio Prag gegründet. Im Jahr 1959 überstieg der Produktionsumfang
30 Stunden täglich, und Ende der 1960er Jahre verzeichnete man die unglaubliche
Studio der Auslandssendungen
S23, 1960er Jahre
Zahl von 100.000 Hörerbriefen jährlich. In den 1950er und 1960er Jahren gab es neben
dem regulären Sendungen in Italienisch auch die so genannte italienische B-Sendung.
Sie wurde von einer Gruppe italienischer Kommunisten betrieben mit dem Ziel, die
öffentliche Meinung in Italien zu beeinflussen. Die Sendungen wurden verheimlicht, um
ihre Quelle nicht offen zu legen. In der Nachkriegszeit gab es bei den Auslandssendungen
den so genannten Monitor – einen Abhördienst, der Berichte über Auslandssender
zusammenstellte. Dieser Monitor wurde im Jahr 1989 eingestellt.
Im Jahr 1972 entstand das so genannte Interprogramm von Radio Prag. Dabei handelte
es sich um einen Musikprogramm, das alle 15 Minuten durch Nachrichten in einer
Fremdsprache unterbrochen wurde. Seit Ende der 70er Jahre wurde das Interprogramm
auch in der Tschechoslowakei auf FM ausgestrahlt, wo es wegen der ausländischen Musik recht beliebt war. Das Interprogramm wurde 1990 eingestellt.
Nach November 1989 kam es beim Auslandssender – genauso wie im gesamten
Tschechoslowakischen Rundfunk – zu personellen„Säuberungen“. Die regimetreuesten
Radio-Prag-Klub auf Kuba, 1965
KW-Sender in Litomyšl
Mitarbeiter und Agenten des Staatssicherheitsdienstes StB mussten den Sender
verlassen. Radio Prag widmete sich wieder seiner ursprüngliche Aufgabe: unverfälscht
über das Geschehen in der Tschechoslowakei zu berichten. Auch die Erkennungsmelodie aus der Vorkriegszeit wurde wieder eingeführt – der Anklang an die Sinfonie „Aus der
neuen Welt“ von Antonín Dvořák. Ebenso kam es zu einer grundlegenden personellen
Umorganisation; von 300 Mitarbeitern blieb nur ein Fünftel. Zudem wurden die
Sendungen auf Italienisch und Arabisch eingestellt; von den Fremdsprachen blieben
Tschechische / Slowakisch, Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch erhalten. Im
Jahr 2000 kam noch Russisch hinzu.
Seit 1992 sind die Auslandssendungen Teil des Tschechischen Rundfunks; die
Finanzierung übernimmt der Staat. Im Jahr 1996 begann die Station das aktuelle Logo
und den Namen Tschechischer Rundfunk 7 – Radio Prag zu verwenden. Mit Jahresbeginn
2011 wurden die Kurzwellensendungen eingestellt. Die Sendungen in sechs Sprachen
werden über das Internet verbreitet unter www.radio.cz sowie über Satellit und über
Re-Broadcasting durch nahezu 30 Partnersender auf der ganzen Welt. Außerdem wird
in Prag auf der Frequenz ČRo Regina 92,6 FM und über Radio France International auf
99,3 FM gesendet. Die Prager Sendungen sind bestimmt für Ausländer und Besucher
Diplom des Monitor-Klubs von
Radio Prag, 1970еr Jahre
in der Tschechischen Republik. Neben der Berichterstattung betreut Radio Prag auch
die Internetseiten für Tschechen im Ausland (www.krajane.net).
Kundgebung vor dem Rundfunk
am 21. November 1989
Menschen gestern …
Bohuslav Tvrdý
Dirigent und erfahrener Rundfunkautor. Er wurde im
Sommer 1936 zum Leiter der Kurzwellensendungen
des Radiojournals ernannt und übte diese Funktion
bis 1939 aus. Nach dem Krieg war er Direktor
des Tschechoslowakischen Rundfunks in České
Budějovice / Budweis. 1946 kam er bei einem
Autoumfall ums Leben.
Arnošt Lustig
Schriftsteller und Journalist. Im
Tschechoslowakischen Rundfunk arbeitete er
seit 1948 in der Politik-Redaktion, der Redaktion
Literatur und Drama sowie in der Musik-Redaktion.
Beim Auslandssender war er in den Jahren 1955
bis 1958 tätig. Ab 1968 lebte er in der Emigration
in den USA, in den 90er Jahren kehrte er in seine
tschechische Heimat zurück.
Božena Danešová
Sprecherin in den Kurzwellen-Sendungen in den
Jahren 1936 bis 1939. Ihre Karriere wurde am
15. März 1939 beendet, als sie direkt im Studio
von den Nazis abgeholt wurde. Sie heiratete den
Komponisten Václav Trojan und kehrte auch nach
dem Krieg nicht mehr in den Rundfunk zurück.
Helena Kronská
Sprecherin in den Kurzwellen-Sendungen in
den Jahren 1936 bis 1939. Sie heiratete einen
deutschen Redakteur des Tschechoslowakischen
Rundfunks, der nach dem Krieg vertrieben wurde.
Als Helena Stepanová folgte sie ihm nach Bayern.
Bedřich Utitz
Redakteur, Publizist und Übersetzer. Bei den
Auslandssendungen arbeitete er seit 1954 als
Redakteur, Chefredakteur und Leiter der deutschen
Redaktion. 1968 emigrierte er nach Deutschland,
wo er als Journalist und Vorsitzender des IndexVerlags wirkte. Heute lebt er in Prag.
Richard Seemann
In den Jahren 1951 bis 1970 bei den
Auslandssendungen als Redakteur, als Leiter der
Sendungen für Österreich und als stellvertretender
Chefredakteur tätig. Seemann beteiligte sich 1968
an den Sendungen gegen die Okkupation. Nach der
Wende von 1989 kehrte er in den Rundfunk zurück,
1992 war er Leiter der Auslandssendungen.
Zdeňka Walló
Im Rundfunk seit 1934, die zweite ständige
Sprecherin beim Radiojournal. In den Jahren 1936
bis 1939 Sprecherin in den Kurzwellen-Sendungen.
Ihre Arbeit verlor sie wegen ihrer jüdischen
Abstammung. Walló wurde im KZ ermordet.
František Černý
Bei den Auslandssendungen, vor allem in der
deutschsprachigen Abteilung, in den Jahren
1958 bis 1970 als Redakteur tätig. 1970 wurde er
gezwungen, den Rundfunk zu verlassen. In den
1990er Jahren war Černý tschechischer Botschafter
in Deutschland.
Ivan Jelínek
Brünner Dichter, Publizist und Redakteur. Bei
den Kurzwellen-Sendungen arbeitete er 1938
und 1939, bevor er emigrierte. 1948 emigrierte
er zum zweiten Mal. Er lebte in den USA und
Großbritannien, die längste Zeit seines Lebens
Jiří Hanák
Redakteur des Auslandssenders von 1961
bis 1967. Danach wechselte er zur Zeitschrift
„Reporter“, die 1969 eingestellt wurde. Seit
den 1990er Jahren ist er Kolumnist bei der
Tageszeitung „Právo“.
verbrachte er bei den tschechoslowakischen
Sendungen der BBC.
Bedřich Geminder
Kommunistischer Journalist und Funktionär. Nach
seiner Abberufung als Leiter der internationalen
Abteilung des ZK der KPTsch wurde er am 15. November 1951 zum Chef des Auslandssenders ernannt. Hier blieb er aber nur einen Monat, bevor man
ihn festnahm und im Jahr 1952 im Rahmen der so
genannten Slánský-Prozesse verurteilte und hinrichtete.
Lenka Reinerová
Prager Schriftstellerin deutscher Sprache und
Redakteurin. Während des Zweiten Weltkriegs
lebte sie zusammen mit Egon Erwin Kisch in
Mexiko. Anfang der 50er Jahre arbeitete sie bei den
Auslandssendungen, musste aber während der
kommunistischen Säuberungen gehen.
Olga Szántová
In den 1960er Jahren Redakteurin der
amerikanischen Sendungen. Szántová war aktive
Teilnehmerin an der Reformbewegung Prager
Frühling, im August 1968 musste sie daher den
Rundfunk verlassen. In den 90er Jahren kehrte sie
auf ihren Redakteursposten zurück – als eine der
wenigen, die das durften.
Oldřich Číp
a Miloš Čtrnáctý
Historische Aufnahme des Redakteurs der DXSendungen, Oldřich Číp, und des RadiojournalGründers Miloš Čtrnáctý.
Hörer
Seit Beginn werden bei den Auslandssendungen auch die Hörer-Reaktionen verfolgt. Dies geschieht über Hörer-Zuschriften und Empfangsberichte.
Mit QSL-Karten bestätigt der Sender die Empfangsberichte, also dass die Hörer die Ausstrahlung eines Senders zu einer bestimmten Zeit, an einem
bestimmten und auf einer bestimmten Frequenz verfolgt haben. Die Empfangsberichte teilen dem Sender mit, wie er wo zu empfangen ist. Die Buchstaben QSL sind das Telegraphen-Kürzel für „Ich bestätige den Empfang“. Radio Prag hat QSL-Karten bereits in den Jahren 1936 bis 1939 verwendet. Nach
einer längeren Pause kehrte der Sender in den 60er Jahren dazu wieder zurück und erhält dies auch nach dem Ende der Kurzwellenausstrahlung im
Januar 2011 aufrecht. Die QSL-Karten sind begehrte Sammlerobjekte und dokumentieren die jeweilige Zeit.
1936
1937
1938
1971
1973
1976
2001
1980
1986
1989
1999
2008
1963
1977
1986
2000
2010
Tschechische Künstler
für Radio Prag
Jiří Anderle
Lída Brychtová
Jiří Votruba
Jiří Bouda
Vladimír Renčín
Jiří Votruba
Vladimír Suchánek
Jiří Votruba
Jiří Slíva
Jiří Slíva
Jiří Slíva
Menschen heute…
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