Zeitungsbericht

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GÖRLITZER STADTLEBEN
S O N NAB E N D / S O N NTAG
9./10. AUGUST 2014
SÄCHSISCHE ZEITUNG
19
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GÖRLITZER GEFLÜSTER
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Leere Krüge
für OB Gerich
Von Peter Chemnitz
V
Marcus Drack strahlt: Bei der Zeugnisübergabe der Euroakademie in Niesky hat er seinen Abschluss bekommen. Jetzt ist er staatlich anerkannter Erzieher.
Foto: Rolf Ullmann
Das Stehaufmännchen
Marcus Drack war Förderschüler und flog mit elf Jahren zu Hause raus. Heute erzieht er Kinder.
Von Jenny Thümmler
M
arcus Drack kann nicht aufhören zu
lächeln. Für ihn ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Er hat einen Berufsabschluss, ist jetzt staatlich anerkannter Erzieher. „Ich kann es noch gar nicht richtig
begreifen“, sagt der 24-Jährige und blättert
glücklich durch sein Zeugnis. Es ist ein guter Abschluss. Bei der praktischen Prüfung
steht sogar eine Eins.
Was für andere ein normaler Ausbildungsweg ist, war für Marcus Drack ein
harter Kampf. Er hatte das, was gemeinhin
als schwierige Kindheit bezeichnet wird.
Die Eltern Alkoholiker, der neue Mann der
Mutter gewalttätig. Sechs Geschwister. Erste Klasse auf der Sprachheilschule, dann
ins Förderschulzentrum. Als er elf Jahre alt
ist, setzt ihn seine Mutter gemeinsam mit
dem jüngeren Bruder im Stadtpark aus. Eine Frau spricht die beiden Jungen abends
im Park an und nimmt sie mit. Marcus
kommt ins Heim in Weinhübel. Bis heute
schwärmt er von der Zeit dort. Es ist wie in
einer großen Familie, obwohl alle Kinder
ein schlimmes Schicksal teilen.
Die Frau, die ihn im Stadtpark fand,
kümmert sich weiterhin um Marcus. Ermöglicht ihm Reitstunden, erklärt ihm
Dinge, unternimmt etwas mit ihm. „Ich
glaube, sie hatte mich richtig ins Herz geschlossen“, sagt er. Inzwischen gibt es keinen Kontakt mehr. Bis 2007 geht er aufs
Förderschulzentrum in Königshufen. Trifft
dort Lehrer, die das Potenzial des aufgeweckten Jungen erkennen und ihm helfen.
Alle gemeinsam schaffen es damals, einen
wichtigen Funken in Marcus zu entzünden.
„Ich habe immer gesagt, dass ich nie bei
Hartz IV enden will.“ In der siebenten Klasse weiß er, dass er einen sozialen Beruf erlernen will. Nach Schulpraktika in Kindergarten, Altenheim und Schwerbehinderteneinrichtung reift der Wunsch.
Das Schuljahr 2007/08 verbringt Marcus in einer Schule in Löbau, um dort seinen Hauptschulabschluss zu machen. Eine
seiner schlimmsten Erfahrungen. „Die anderen dort waren wirklich Assis.“ Sie lachen Marcus aus, der etwas lernen will. Der
sich – durchschnittlich groß, schmal –
kaum wehrt. Sie schmeißen seine Sachen
herum. Er fühlt sich wie im falschen Film.
Schafft es trotzdem, Klassenbester zu sein
und den Abschluss zu bekommen.
Wenig später erhält er die Zusage, bei
den Euroschulen, die jetzt Euro-Akademie
heißen, die Ausbildung zum Sozialassistenten mit Realschulabschluss zu machen.
„Ich hab’ mich so gefreut! Endlich eine
richtige Ausbildung!“ Drei Jahre später hat
er den Abschluss. Parallel paukt Marcus für
den Führerschein und besteht. „Alles
klappte. Das war so eine tolle Zeit!“ Vom
hoffnungslosen Förderschüler ist nichts
mehr übrig. Bis zu einer Berufsberatung
kurz danach. Marcus Drack sitzt erwartungsvoll vor der Beraterin und erzählt,
dass er im sozialen Bereich arbeiten will.
Ich würde lieber hungern, als
Schulden zu haben.
Marcus Drack, Viellerner
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Doch die Frau winkt nur ab. „Nee, lassen
Sie mal. Ich hab’ hier was für Sie als Bürohelfer.“ Der damals 18-Jährige flippt aus.
All die Mühen für einen Helferjob? „Ich
wollte das nicht. Ich wollte einen richtigen
Beruf, der mir auch Spaß macht.“
Lange plant er, Altenpfleger zu werden.
Ein paar Lehrer der Euro-Akademie in der
Straßburg-Passage freuen sich schon auf
ihn. Sein sonniges Gemüt gefällt. Viele kennen ihn in der Schule. Doch es gibt auch
ein paar Lehrer, die etwas anderes in ihm
sehen: einen Kindererzieher. Dazu gehört
auch Erika Honigmann, die später seine
Klassenleiterin wird. „Mit seiner Art gehört
Marcus einfach in den Erzieherberuf. Ich
bin froh, dass er sich schließlich noch umentschieden hat.“ Sechs Wochen vor Beginn der Ausbildung ist das. Nicht nur die
Worte der Lehrer sind schuld, auch der Alltag der Altenpfleger. „Das Pflegesystem gefällt mir nicht“, sagt Marcus. „Man hat keine Zeit für die alten Menschen, alles nur
schnell, schnell.“
Bleibt das Problem der Finanzierung.
Bislang hat Marcus immer Bafög bekommen. Seine Eltern haben ja nichts. Er erinnert sich an bange Momente, als sein Vater
herumstichelte, statt einer Unterschrift
nur drei Kreuze unter dem Antrag machen
zu wollen. Jedes Jahr muss Marcus ein solches Formular unterschreiben lassen, sonst
gibt’s kein Geld. „Ich hab immer gefleht,
bitte, versau’ mir das jetzt bloß nicht.“ Im
Nachhinein erweist es sich als Glück, dass
seine Eltern Hartz-IV-Empfänger sind. Kein
Amt diskutiert über finanzielle Unterstützung. Für die Erzieherausbildung ist allerdings auch noch ein Bürge nötig. Die Leiterin des Kinderheims erklärt sich bereit, obwohl Marcus gar nicht mehr dort lebt. Aber
sie will helfen, wenn er es dringend
braucht. Schließlich bürgt sein sieben Jahre älterer Bruder. Die Geschwister haben
ein gutes Verhältnis zueinander. „Und
mein Bruder weiß, dass ich lieber hungern
würde, als Schulden zu haben.“
Für Marcus beginnt eine tolle Zeit, wie
er sagt. Die Klasse versteht sich, er fühlt
sich wohl. Im Abschlussheft sind Fotos von
ihm, wie er als Britney Spears verkleidet
mit einer blonden Perücke und roten Absatzschuhen bei einer Feier auftritt. Und
auch fachlich merkt Marcus, dass Erzieher
sein Ding ist, wie er sagt. Selbst wenn er
mit viel Aufwand die Theorie paukt. Er benutzt ein Diktiergerät und Karteikarten
zum Lernen, sitzt jeden Tag über den Büchern. Einige Bewegungsabläufe studiert
er ein, bis sie sitzen. Partys mit Freunden
sagt er ab. „Ich hab das halt durchgezogen.
Feiern kann ich ja, wenn die Prüfungen
vorbei sind.“ Denn leise Zweifel sind da. Als
es dann geschafft ist, fällt er nur ins Bett. Zu
müde zum Feiern. Aber glücklich.
Auch nach der Zeugnisübergabe werden seine Lehrer Marcus Drack nicht so
schnell vergessen. Er ist einen Weg gegangen, den Lehrerin Erika Honigmann gern
öfter sehen würde. „Unser Bildungssystem
ist zwar durchlässig, aber solche Beispiele
Ich würde Marcus am liebsten auf
einen Sockel stellen und allen
zeigen, dass es sich lohnt, in die Schüler
zu investieren.
Erika Honigmann, Klassenleiterin
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finden sich leider selten.“ Marcus habe
zwar auch Glück gehabt mit guten Erziehern, sei aber in seiner Persönlichkeit sehr
stark gereift. „Ich würde ihn am liebsten
auf einen Sockel stellen und allen zeigen“,
sagt die Lehrerin und lacht. „Zeigen, dass es
sich lohnt, in die Schüler zu investieren.“
Denn wenn man einem Kind nur lange genug sage, dass es das nicht schafft, dann
glaube es auch irgendwann daran.
Marcus hat seine Wohnung in Görlitz
ausgeräumt und ist mit seinem Partner
nach Dresden gezogen. Dort hat er eine
Stelle als Erzieher in einer der größten Kitas der Stadt: 300 Kinder von null bis sechs
Jahren. „Ich bin so gespannt! Sechs Jahre
Ausbildung, und jetzt wird’s ernst.“ Er hat
den leisen Gedanken im Hinterkopf, eines
Tages Pädagogik und Management zu studieren. Aber das ist Zukunftsmusik. Viel
wichtiger ist Marcus jetzt aufzuklären. „Ich
möchte nicht, dass Förderschüler abgestempelt werden. Und ich will den Schülern zeigen, dass es geht, wenn man wirklich will.“
on ihrem Besuch in Wiesbaden
schwärmen die Damen vom Verein
„Frauen auf dem Weg nach Europa“ noch
immer. Insbesondere Eva-Maria Reitz findet
den Oberbürgermeister der Partnerstadt,
Sven Gerich, richtig „cool“. Als Gastgeschenke überreichten die Frauen Bierkrüge aus den einzelnen Orten des Sechsstädtebundes, die Vereinsmitglied Sieglinde Göbel zuvor aus ihrem Fundus aussortiert hatte. Bier hatten die Frauen nicht mitgebracht, denn das „war uns zu schwer“, sagte Reitz. So posierte der OB zusammen mit
den Görlitzer Frauen und prostete mit Luft
gefüllten Bierkrügen dem Fotografen zu.
Ein Trost bleibt dem 39-Jährigen. Sollte er
demnächst einmal Görlitz besuchen, darf
er mit den Vereinsfrauen die LandskronBraumanufaktur besuchen, mit anschließendem Umtrunk.
Beim CDU-Sommerfest im Wichernhaus ist nicht nur der Görlitzer Landtagsabgeordnete Volker Bandmann in den Ruhestand verabschiedet worden, sondern auch
Peter
sein
langjähriger
Mitstreiter
Schowtka. Landtagsabgeordneter Lothar
Bienst aus Rietschen würdigte den Wittichenauer in einer längeren Rede, sprach
ihn immer wieder als „lieber Peter“ scheinbar direkt an, und immer mehr Christdemokraten schauten sich suchend um. Niemand hatte bisher den „lieben Peter“ entdeckt, dessen Wahlkreis von der CDU-geführten Regierung wegrationalisiert worden war. Erst am Ende der Laudatio erfuhren die Anwesenden, dass sich Schowtka
zu einer „planmäßigen Operation“ in ein
Krankenhaus begeben habe.
Nicht nur Wölfe treten immer öfter in
Erscheinung, auch andere Tiere aus dem
Märchen werden gesichtet. So besuchte unlängst eine ganze Gänseschar die Pension
„Picobello“. Hotelier Sebastian Wenger
schaute sprachlos zu, wie die Tiere in den
Hof watschelten und lange Hälse machten,
um von außen in die Erdgeschosszimmer
schauen zu können. Als Tage später ein
Fuchs erschien, kommentierte das Wenger
grinsend: „Zu spät, mein Lieber.“
Auch Elefanten finden es in Görlitz
spannend, spannender zumindest als im
ewig gleichen Zirkustrott. Oder wollte er
sich das für den „Zoo Görlitz“ werbende
Plakat näher ansehen. Jedenfalls suchte einer der Dickhäuter des „Circus Afrika“am
Freitagvormittag das Weite. Er lief vom Kidrontal über die dicht befahrene Straße in
Richtung Klinikum und genehmigte sich in
einem Getreidefeld eine Zusatzmahlzeit.
Frank Hönsch aus Berlin schaute nicht nur
amüsiert zu, wie Elefantentrainer Hardy
Weisheit und weitere Mitarbeiter sich
mühten, das Tier zurück auf das Zirkusgelände zu locken, sondern schickte uns auch
das abgebildete Foto zu.
Zirkuselefant auf Entdeckungsreise:
Zum Naschen ins Getreidefeld.
mail [email protected]
Wollen Sie uns was flüstern? Wir hören Ihnen gern zu, rufen Sie uns bitte
an: Telefon 03581 47105250
Kuschelige Babys im Tierpark
Vier kleine Mangusten locken in
die Südstadt. Aber auch neue
Waschbären und zwei Schwäne
sind in Görlitz eingezogen.
Von Pauline Rustler und Ines Eifler
Ganz dicht stecken die kleinen Zebramangusten ihre Köpfe zusammen. Gut geschützt vom Fell ihrer Mutter, schauen sie
mit ihren Knopfaugen neugierig in die
Welt. Deren Licht haben die vier Babys vor
Kurzem im Tierpark erblickt. Damit leben
nun ein paar mehr von einer Art in Görlitz,
die den Tierpark durch Zufall erreicht hat.
Die beiden ersten Tiere, zwei Männchen,
waren vor zwei Jahren aus einem Tiertransport befreit worden. Der Tierpark nahm sie
zur Betreuung auf. Weil Zebramangusten
sehr gesellige Tiere sind und die beiden
Brüder sich einsam fühlten, kamen im
April zwei Weibchen hinzu. Und der Nachwuchs ließ nicht lange auf sich warten.
Die mit den Erdmännchen verwandten
grau-braun gestreiften Raubtiere leben
sonst in Gruppen von zehn bis 20, manchmal sogar 40 Tieren zusammen. So viele
sollen es im Tierpark nicht werden, aber in
ihrem Gehege gegenüber den Degus an der
stadtwärts gelegenen Seite des Parks ist
noch Platz für zehn bis zwölf Tiere, also
drei Würfe. Dass es „aus Versehen“ mehr
werden, kann fast nicht passieren, denn
Zebramangusten passen ihr Fortpflanzungsverhalten ihren Lebensumständen
an. Catrin Hammer vom Tierpark erzählt,
andere Zoos hätten beobachtet, dass keine
neuen Jungen hinzukamen, wenn der Platz
dafür nicht ausreichte. Obwohl sie noch
scheu sind, kann man die Mangustenkin-
Die vier kleinen
Zebramangusten
sind erst wenige
Wochen alt und
brauchen noch die
Wärme ihrer Mutter. Aufgezogen
werden sie aber
gemeinsam von allen vier erwachsenen Tieren im Gehege.
Foto: Tierpark
der mit etwas Glück schon beobachten. Sie
halten sich in kleinen Höhlen in ihrem Gehege auf. Genau wie in ihrem natürlichen
Lebensraum in den Savannen und Wäldern
südlich der Sahara werden die vier Babys
von allen erwachsenen Tieren gemeinsam
aufgezogen.
Auch bei den Waschbären sind weitere
Junge dazugekommen. Aber die beiden
neuen Welpen sind keine Kinder der vier
Tiere, die schon länger hier wohnen. Die
sind kastriert. Sondern jemand hat sie gefunden, für verwaiste Junge gehalten und
dann im Tierpark abgegeben. „Es kommt
sehr häufig vor, dass Leute bei uns wegen
junger Waschbären anrufen“, sagt Catrin
Hammer. Da die Welpen ihre heimische
Höhle schon sehr früh für Streifzüge verlassen, seien sie oft noch wackelig auf den
Beinen, wenn man sie findet. Viele glaubten dann, dass sie ihre Mutter verloren hätten. Tatsächlich aber sammle die ihre Kinder immer wieder ein. Außer Mitleid gibt
es aber noch andere Gründe, die Waschbären in die Wildtierauffangstation des Tierparks zu bringen. Keiner will einen Wasch-
bären auf seinem Dachboden haben und
auch die Jäger würden sie lieber wieder
nach Nordamerika verbannen. Der Tierpark behandelt die jungen Waschbären
deshalb nicht als Gäste, die später wieder
ausgesiedelt werden, sondern als feste Bewohner des „Lausitztals“. Genau wie in der
Lausitzer Heide- und Teichlandschaft teilen
sie sich hier mit Fischottern einen Lebensraum. Sobald die jungen Waschbären alt
genug sind, werden auch sie kastriert.
Und noch zwei weitere neue Bewohner
sind im „Lausitztal“ eingezogen. Auf dem
Ententeich schwimmen jetzt zwei Singschwäne. Sie stammen aus dem Tierpark
Stralsund und waren dann im Zoo Osnabrück. Aber dort feindeten sie die Karibukälbchen derart an, dass sie nicht bleiben
konnten. Singschwäne sind in Sibirien und
Osteuropa heimisch, kommen zum Überwintern nach Mitteleuropa, sind aber vereinzelt auch hier zu Hause. 1998 wurde das
erste von heute einem Dutzend Brutpaaren
in der Lausitz gesehen. Die Schwäne im
Tierpark dienen als weiteres Beispiel dafür,
wie reich unsere heimische Fauna ist.
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