Brahms auf Altenstein Johannes Brahms, 1895 Auf Schloss Altenstein traf man am 1. Oktober ein. Fritz Steinbach war ebenfalls zugegen. Am nächsten Tag kamen als weitere Gäste noch Georgs Sohn, Prinz Ernst, und dessen Frau, die Baronin von Saalfeld, hinzu. Dieser Tag diente dem Musizieren und geselligen Beisammensein mit der herzoglichen Familie im intimen, gemütlichen Rahmen. In der Hofchronik ist sodann zu lesen: „Herr Dr. Brahms reiste am 3. Oktober ¾ 9 Uhr von Schloß Altenstein ab.“ Über Eisenach fuhr er zu Clara Schumann nach Frankfurt am Main. Weitere Aufenthalte auf Schloss Altenstein waren Brahms nicht mehr vergönnt. In wenigen Worten hat die Brahms-Biographin Florence May 1911 zusammengefasst, welch innige Beziehung zwischen Brahms, Meiningen und Altenstein bestand: „Nicht nur von seinem erlauchten Gastgeber wurde der Komponist geliebt. Er machte sich auch bei jedem, der im herzoglichen Dienst stand und mit dem er in Berührung kam, beliebt. Seine Besuche auf den Schlössern von Meiningen und Altenstein wurden von dem gesamten Haushalt als eine Auszeichnung und Freude betrachtet, und die harmlosen Scherze und mutwilligen Redensarten, an denen er bis ans Ende seines Lebens eine kindliche Freude hatte, sind diesen Freunden noch mit Liebe und Wehmut erinnerlich.” Kontakt 1895 ist Brahms nochmals auf Schloss Altenstein. Anlässlich des Sachsen-Meiningenschen Musikfestes vom 27. bis 29. September 1895 war er am 25. September in Meiningen eingetroffen. Am folgenden Tag gab Georg II. auf Schloss Altenstein ein Diner, zu dem er Brahms, das Joachim-Quartett und andere Persönlichkeiten einlud. Dieser Aufenthalt dauerte nur einige Stunden, man reiste mit einem Extrazug mittags von Meiningen nach Liebenstein-Schweina und abends ebenso zurück nach Meiningen. Wegen seines Gehörleidens konnte Georg II. am Musikfest nicht teilnehmen, weilte aber als eigentlicher Gastgeber doch am 29. September in Meiningen, um für die Künstler und geladenen Gäste ein Diner zu geben. Danach kehrte er in sein Jagdhaus Pleß in der Rhön zurück. Dorthin fuhren die Freifrau von Heldburg und Brahms nach Abschluss des Musikfestes am 30. September. Richard Mühlfeld, um 1895 Schlossverwaltung Schloss Altenstein 36448 Bad Liebenstein Telefon (03 69 61) 7 25 13 Telefax (03 69 61) 3 34 08 Förderverein Altenstein-Glücksbrunn e.V. Info-Punkt Altenstein 36448 Bad Liebenstein Telefon (03 69 61) 3 34 01 Ausstellung im Schlossmuseum im Hofmarschallamt Mo-Fr 7-16 Uhr |Telefon (03 69 61) 3 34 01 Impressum Am 17. November, kurz bevor Brahms einen Abstecher nach Meiningen unternahm, schrieb er einen wahrhaft enthusiastischen Brief an Clara Schumann auf Briefpapier mit dem Briefkopf „Schloß Altenstein“: „Liebe Clara. Hier vergeht ein Tag nach dem andern so leicht und schön, daß man schwer zum Abfahren kommt. Dazu geht die Frankfurter Schlemmerei so fort! Jeden Tag Champagner und was sonst für Herrlichkeiten Wie liebenswürdig aber die Herrschaften sind, ist schwer zu sagen aber leicht u. schön zu genießen. Für unsere Ankunft hier war der liebe Capellmeister [Steinbach] auch geladen. Gestern und morgen wieder der junge Wüllner, der außerdem daß er ein vortrefflicher Schauspieler ist, noch ausgezeichnet Violine spielt und ebenso gut singt. Meine Volkslieder wirst Du nicht so gut singen hören, als er sie singt, denn umsonst ist er nicht schließlich auch noch ein guter Philologe! Ich wünschte (und die Herrschaften auch), Du mögest hier an meinem Fenster sitzen, auf meinen Balkon hinausgehen können und dann hinaus in den herrlichen Park und Wald. Die schönsten Fasane, Hirsche und Rehe dutzendweis spazieren mit, dazu das köstliche milde Wetter und die freundliche Gesellschaft Dir würde sehr wohl sein.“ Brahms' große Freude über seinen Altensteiner Aufenthalt ist deutlich zu spüren. Clara Schumann fühlte ebenso, da sie antwortete: „wie reizend müssen die Tage dort und in Meiningen gewesen sein. Ach, wer solche 'mal mit erleben könnte.“ Der 18. November 1894 wurde noch einmal auf Schloss Altenstein verbracht. Auch Wüllner kam abermals und reiste am folgenden Tag mit Brahms wieder nach Meiningen, der Tags darauf nach Wien zurückkehrte. Erneuter Aufenthalt Johannes Brahms auf Schloss Altenstein Ludwig Wüllner, um1895 © STIFTUNG THÜRINGER SCHLÖSSER UND GÄRTEN PROF. RENATE UND PROF. KURT HOFMANN Schloss Heidecksburg | Postfach 10 01 42 | 07391 Rudolstadt Telefon (0 36 72) 4 47-0 | Telefax (0 36 72) 4 47-1 19 E-Mail: [email protected] Johannes Brahms auf Schloss Altenstein Gestaltung: www.buero4.de Titelbild: Schloss Altenstein, im Mittelrisalit, 2. Obergeschoss, vermutliches Brahmszimmer (mit Balkon); Johannes Brahms, Foto: M. Fellinger, Mai 1895 Fotos: Numa Blanc Fils, Cannes; H. Wiegel, Bamberg; Atelier C. Brasch, Berlin; Atelier Meffert, Meiningen 2. Auflage 2004 STIFTUNG THÜRINGER SCHLÖSSER UND GÄRTEN Blick auf Schloss Altenstein und die Fontäne im Bassinrasen Nachdem Schloss Altenstein umgebaut war und das Herzogspaar sich häufig dort aufhielt, lud die Freifrau Brahms 1891 dorthin ein: „Hätten Sie nicht Lust, sich hier auf dem Thüringer Wald einmal umzusehen? Wenn Sie die Hirsche schreien hören könnten, das Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen mit seiner dritten Gemahlin, Helene Freifrau von Heldburg, bei einer Partie Halma, 17. Mai 1893 in Cannes Giebelansicht von Schloss Altenstein wäre etwas für Sie! Freilich hören sie schon mit Mitte dieses Monats auf zu brüllen wie die Löwen, und wenn wir Sie auch für unser Leben gern so lange hier hätten, so werden Sie so lange nicht kommen mögen, obgleich ich nicht einsehe, warum Sie nicht ebenso gut hier zu Hause sein, hier ungestört, ja noch viel ungestörter sollten componiren, lesen, schreiben können, wie in Wien, und wandern könnten Sie hier doch noch ganz anders!!“ Worauf Brahms antwortete: „Durch die Concerte [der Hirsche] dort verwöhnen Sie Ihr Ohr bedenklich ich kenne das! Die Aeolsharfen in der alten Burg der Hunde von Wenkheim dazu aber die existieren wohl nicht mehr.“ Tatsächlich waren die Saiten der Äolsharfe im sogenannten Hohlen Stein Ende des 19. Jahrhunderts längst zerrissen. Das „himmlische“ Spiel des Klarinettisten Richard Mühlfeld hatte Brahms im Sommer 1891 zur Komposition seines Klarinettentrios op. 114 und des Klarinettenquintetts op. 115 inspiriert. Bereits im November desselben Jahres führte er sie dem Herzog und der Freifrau in Meiningen vor. Im Sommer 1894 entstanden wiederum in Ischl die beiden Klarinettensonaten op. 120. Und diesmal richtete Brahms am 11. November in denkbar bester Laune folgende Anfrage an die „Verehrte Schloßherrin“ nach Altenstein: „Mühlfeld bläst so lieblich auf seiner Clarinette u. erzählt dazu so lockend von Schloß Altenstein, daß ich nothwendig ein wenig fantasiren muß. Ich denke am Mittwoch nach Wien, Mühlfeld nach Meiningen zu fahren. Wenn Sie mir mit einem Wort die Erlaubniß geben, so möchte ich gern den Umweg machen u. Ihr schönes Schloß besehen. Eine Entschuldigung wäre ja, daß Seine Hoheit eigentlich noch nicht unser Zuhörer war u. daß ich gleich nach dem letzten Ton auch den letzten Blick auf Ihre Herrlichkeit werfe u. davon gehe. Aber schön wäre das Intermezzo u. so ertheilen Sie vielleicht die Erlaubniß dazu Ihrem tief ergebenen J. Brahms.“ Sofort erhielt er die telegrafische Einladung des Herzogs, nach Altenstein zu kommen. Johannes Brahms auf Schloss Altenstein Weitere musikalische Höhepunkte bildeten in den ersten vier Jahren dieser Beziehung die in einem Konzert am 3. Februar 1884 erfolgte zweimalige Aufführung der 3. Sinfonie F-Dur op. 90 und die Uraufführung der 4. Sinfonie e-Moll op. 98 am 25. Oktober 1885 unter Leitung des Komponisten. Fast in jedem der folgenden Jahre weilte Brahms zu Konzerten, aber auch zu geselligem Beisammensein in Meiningen. Die Freifrau von Heldburg versuchte in ihren zahlreichen Briefen immer wieder, Brahms zu längerem Verweilen in Meiningen und im Thüringer Land aufzumuntern. Schließlich glaubte er, eine Erklärung für sein Zögern schuldig zu sein. Am 11. August 1887 schrieb er aus Thun: „Das Bekenntniß ist einfach: ich brauche absolute Einsamkeit, nicht sowohl um das mir Mögliche zu leisten, sondern um nur überhaupt an meine Sache zu denken. Das liegt an meinem Naturell, es ist aber auch sonst einfach zu erklären.“ Dennoch versuchte die Freifrau von Heldburg weiterhin, Brahms nach Liebenstein und Umgebung „mit seinen schönen Buchenwäldern und stillen hübschen Jagdhäusern“ zu locken. Einladung nach Schloss Altenstein Johannes Brahms und das Herzogshaus Sachsen-Meiningen Johannes Brahms' Bekanntschaft mit dem Herzogspaar von Sachsen-Meiningen ging auf die Initiative Hans von Bülows zurück, der von 1880 bis 1885 als Hofkapellmeister in Meiningen wirkte. Dieser hatte Brahms Anfang Oktober 1881 eingeladen, mit der Hofkapelle sein neues Klavierkonzert B-Dur op. 83 zu probieren. Bereits bei dieser ersten Begegnung entwickelten sich zwischen ihm und Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen sowie dessen Gemahlin Helene Freifrau von Heldburg intensive künstlerische Beziehungen, die bald herzliche und freundschaftliche Züge annahmen. Die kleine Residenzstadt mit ihrer schönen Umgebung wurde eine Quelle künstlerischer Inspiration für Brahms. Hier fühlte er sich verstanden und uneingeschränkt verehrt und bewundert. Der beste Beweis dafür ist, dass der in Fragen von Widmungen seiner Werke äußerst zurückhaltende Brahms bereits im November 1882 Georg II. seinen „Gesang der Parzen“ für Chor und Orchester op. 89 zueignete. Am Mittwoch, dem 14. November, trafen Brahms und Mühlfeld mit einer Equipage des Herzogs auf Altenstein ein; bereits um 17 Uhr wurden die beiden Klarinetten-Sonaten aus dem Manuskript dem Herzog, der Freifrau von Heldburg und dem ebenfalls eingeladenen Kapellmeister Fritz Steinbach vorgetragen. Am nächsten Tag kam aus Meiningen der Hofschauspieler und Sänger Ludwig Wüllner, der eine Anzahl der „Deutschen Volkslieder“ (WoO 33) sang, die soeben im Musikverlag Simrock in Berlin im Druck erschienen waren. Außerdem erklangen wiederum die beiden KlarinettenSonaten. Während Mühlfeld am 16. November früh nach Meiningen zurückreisen musste, blieb Wüllner auf Wunsch der Freifrau eine weitere Nacht und musizierte mit Brahms unter anderem auch dessen Violinsonaten op. 78 und 100.