Marketing 2017: 12 relevante Marketingtrends für 2017 und darüber hinaus Institut für Marketing Universität St.Gallen (HSG) i Contents HOME....................................................................................................................................... v METHODISCHE GRUNDLAGEN ........................................................................................... vi TREND EINS: HUMAN-CENTERED DESIGN THINKING .................................................... viii 1.1. Best Practice-Beispiele ............................................................................................. ix 1.2. Gründe für nachhaltige Relevanz .............................................................................. x 1.3. Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ......................................... xiii 1.4. Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ..................................................................... xv 1.5. Wervolle Resources und Links ................................................................................xvi TREND ZWEI: THE CONVENIENT CUSTOMER.................................................................... 1 2.1 Best Practice-Beispiele .............................................................................................. 1 2.2 Gründe für nachhaltige Relevanz .............................................................................. 3 2.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ........................................... 6 2.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ....................................................................... 8 2.5 Wertvolle Ressourcen und Links ............................................................................... 8 TREND DREI: PERSONALIZATION...................................................................................... 10 3.1 Best Practice-Beispiele ............................................................................................ 12 3.2 Gründe für nachhaltige Relevanz ............................................................................ 15 3.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ......................................... 17 3.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ..................................................................... 18 3.5 Wertvolle Ressourcen und Links ............................................................................. 19 TREND VIER: SENSOR-DRIVEN MARKETING ................................................................... 21 ii 4.1 Best Practice-Beispiele ............................................................................................ 21 4.2 Gründe für nachhaltige Relevanz ............................................................................ 28 4.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ......................................... 29 4.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ..................................................................... 31 4.5 Wertvolle Ressourcen und Links ............................................................................. 31 TREND FÜNF: BIG DATA-MANAGEMENT........................................................................... 37 5.1 Best Practice-Beispiele ............................................................................................ 37 5.2 Gründe für nachhaltige Relevanz ............................................................................ 40 5.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ......................................... 41 5.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ..................................................................... 43 5.5 Wervolle Ressourcen und Links .............................................................................. 43 TREND SECHS: MARKETING AUTOMATION ..................................................................... 46 6.1 Best Practice-Beispiele ............................................................................................ 46 6.2 Gründe für nachhaltige Relevanz ............................................................................ 49 6.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ......................................... 50 6.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ..................................................................... 51 6.5 Wervolle Ressourcen und Links .............................................................................. 52 TREND SIEBEN: SEAMLESS INTEGRATION ...................................................................... 54 7.1 Best Practice-Beispiele ............................................................................................ 54 7.2 Gründe für nachhaltige Relevanz ............................................................................ 58 7.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ......................................... 59 7.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ..................................................................... 61 7.5 Wetvolle Ressourcen und Links............................................................................... 61 TREND ACHT: CONTENT MARKETING .............................................................................. 63 8.1 Best Practice-Beispiele ............................................................................................ 64 8.2 Gründe für nachhaltige Relevanz ............................................................................ 67 8.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ......................................... 70 8.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ..................................................................... 70 8.5 Wervolle Ressourcen und Links .............................................................................. 72 TREND NEUN: CUSTOMER INTEGRATION........................................................................ 73 9.1 Best Practice Examples ........................................................................................... 75 9.2 Gründe für nachhaltige Relevanz ............................................................................ 77 iii 9.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ......................................... 78 9.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ..................................................................... 79 9.5 Wertvolle Ressourcen und Links ............................................................................. 80 TREND ZEHN: FLEXIBLE USE ............................................................................................. 82 10.1 Best Practice-Beispiele ............................................................................................ 82 10.2 Gründe für nachhaltige Relevanz ............................................................................ 85 10.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ......................................... 87 10.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ..................................................................... 88 10.5 Wertvolle Resources und Links ............................................................................... 88 TREND ELF: INTEGRATED CUSTOMER EXPERIENCE .................................................... 90 11.1 Best Practice-Beispiele ............................................................................................ 90 11.2 Gründe für nachhaltige Relevanz ............................................................................ 94 11.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ......................................... 98 11.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ................................................................... 100 11.5 Wertvolle Ressourcen und Links ........................................................................... 100 TREND ZWÖLF: TRANSPARENCY .................................................................................... 103 12.1 Best Practice-Beispiele .......................................................................................... 103 12.2 Gründe für nachhaltige Relevanz .......................................................................... 109 12.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte ....................................... 110 12.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion ................................................................... 113 12.5 Wertvolle Ressourcen und Links ........................................................................... 114 iv HOME Welche Trends haben grundlegende Implikationen für das Marketingmanagement in den nächsten Jahren? Mit welchem Themen sollte man sich im Marketing zwingend Intro Video auseinandersetzen? Die Trendstudie Marketing 2017, die ihm Rahmen des Exzellenzprogramms "Best Practice in Marketing" entstanden ist, beantwortet diese Fragen. Darin werden 12 relevante Marketingtrends für "2017 und darüber hinaus" vorgestellt und kritisch erörtert. Die prägnanten Trendbeschreibungen sowie Videos, Best Practices und Links finden Sie auf den entsprechenden Seiten. v METHODISCHE GRUNDLAGEN Im Folgenden werden 12 relevante Marketingtrends für 2017 und darüber hinaus präsentiert. Bei dieser Studie hat sich das Forschungsteam von Prof. Dr. Sven Reinecke am Institut für Marketing an der Universität St. Gallen (HSG) eine Sekundärauswertung zahlreicher vorhandener Trendstudien vorgenommen, u.v.a. beispielsweise:10 Key Marketing Trends for 2016 and Ideas for Delivering Exceptional Customer Experiences von SilverPoP, einer Tochtergesellschaft von IBM, • Top Emerging Trend in Digital Marketing von Gartner, • Trends im Handel 2020 von KPMG, • The Review of Content Marketing as a New Trend in Marketing Prcatices von Angel Wong An Kee und Rashad Yazdanifard, • Research Priorities 2016-2018 des renommierten Marketing Science Instituts, • Trend One Exectuvie Retail Trendreport 2016, • McKinsey&Company – The Consumer sector in 2030: Trends and questions to consider • Marketing HeatMap von Christian Belz. Einige dieser Studien waren eher Technologieorientiert. Ziel des Forschungsteams war es jedoch, nicht (kurzfristige) technische Features oder Inventionen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern vielmehr zu überlegen, welche grundlegenden Implikationen diese auf das Marketingmanagement in den nächsten Jahren haben werden. Die „Neuheit“ eines Trends allein war nicht entscheidend, um in die Liste aufgenommen zu werden – vielmehr ging es in intensiven Teamdiskussionen darum, herauszukristallisieren, welche Aspekte das Marketingmanagement im Jahr 2017 und darüber hinaus stark prägen und beeinflussen werden. Die Auswahl ist somit bewusst subjektiv und sogar normativ geprägt: Welches sind jene Trends, von denen das Forschungsteam überzeugt ist, dass sich Marketingführungskräfte damit intensiv auseinandersetzen sollten? Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Repräsentativität – wohl aber auf Relevanz. Wir haben uns bemüht, vi - alle Trends kurz zu beschreiben und zu charakterisieren; - jeweils treffende Beispiele zur Illustration auszuwählen; - kritische Fragen zum Umgang mit dem Trend zu stellen; - möglichst auch Gegenthesen oder kritische Aspekte zu thematisieren sowie - Hinweise auf weiterführende Literatur, Internetlinks sowie insbesondere hervorragende Videos im Internet auszuwählen. Die Studie ist im Rahmen unseres Exzellenzprogramms "Best Practice in Marketing" entstanden (www.best-practice-in-marketing.org), in dem wir branchenübergreifende Lernprozesse zwischen führenden Unternehmen und der Wissenschaft gestalten. Partnerorganisationen sind B. Braun, Continental Reifen, Covestro, Galencia, Hansgrohe, Miele, Swiss Life, UBS sowie die Schweizerische Gesellschaft für Marketing (GfM). Diesen Organisationen danken wir herzlich für die Unterstützung - ebenso wie dem Team von MetaDesign für die kreative Gestaltung. Wir wünschen dem Leser und Anwender eine interessante Lektüre – und erst recht ein spannendes Marketingjahr 2017! Referenzen vii TREND EINS: HUMAN-CENTERED DESIGN THINKING Die Ursprünge des Design Thinkings liegen in den Bereichen Maschinenbau, Produktdesign und Innovationsmanagement. Design Thinking ist dabei insbesondere durch die radikale Innovations- und Ingenieurkultur des Silicon Human Centered Design Thinking Video Valley geprägt (Brown 2008, p. 68): “… rather than asking designers to make an already developed idea more attractive to consumers, companies are asking them to create ideas that better meet consumers’ needs and desires.” Aufgrund der Bedeutung der Themen “Digitalisierung” und “Disruptive Innovation” kommt dem Design Thinking ein besonderer Stellenwert zu, weil es im Silicon Valley kultur- und systemimmanent ist. Design Thinking ist letztlich auf die Lösung von Kundenproblemen ausgerichtet. Ähnlich wie Marketing sollte es nicht als reine Methode, sondern als übergreifende (Führungs-)Philosophie verstanden werden: “In the end, design thinking is more culture than methodology, and building such a culture may require a fundamental transformation” (Gobble 2014, p. 60). Design Thinking greift deutlich zu kurz, wenn es zum tayloristischen „process trick“ (Nussbaum 2011) verkommt – ebenso wie Marketing nicht als technokratische Marketing-Mix-Optimierung missverstanden werden darf. Im Gegensatz zu klassischen Ingenieurswissenschaften beruft sich Design Thinking bewusst auf ein sozialwissenschaftliches Fundament, indem immer wieder das Attribut „human-centered“ dem Begriff Design Thinking vorangestellt wird (Brown 2008, wie beispielsweise das folgende Zitat verdeutlicht: „Customers buy on emotion and then justify with logic.” (Clark/Smith 2008, p. 10) viii Abb. 1: Design Thinking Process Quelle: Stanford University (2014) Abbildung 1 zeigt den idealtypischen Design Thinking-Prozess der Stanford University, der letztlich fünf Stufen eines Innovationsprozesses skizziert: In der Phase des „Empathize“ geht es primär darum, sich in die Situation des „Kunden” hineinzuversetzen und offene Verständnisfragen zu stellen. Das hineinversetzende Verstehen („Why?“) steht im Vordergrund. In der folgenden „Define“-Phase wird die Problemstellung formuliert; das heisst es geht darum, aufgrund der gewonnenen Insights die konkreten Bedürfnisse handlungsorientiert zu verbalisieren. Beim „Ideate“-Schritt ist es das Ziel, in möglichst kurzer Zeit in einem hochkreativen Teamprozess möglichst viele spontane erste Problemlösungsideen zu genieren. „Go for volume“ steht dabei im Mittelpunkt. Der Schritt des „Prototype“ unterstreicht die handlungsorientierte Sicht des Design Thinking: Es geht darum, einen tangiblen, physischen Prototypen zu erstellen – um möglichst viel (Verbesserungs)Feedback von anderen Teammitgliedern zu erhalten. In der Testphase werden die Prototypen überprüft, um darauf aufbauend schnell Lernprozesse anzustossen und die vorangegangenen Phasen erneut zu durchlaufen, bis eine zufriedenstellende Lösung gefunden wurde. Gegebenenfalls kann es erforderlich sein, einen ursprünglich als wertvoll erachteten Prototypen erneut in Frage zu stellen und vollkommen neu zu starten. 1.1. Best Practice-Beispiele Grundsätzlich lässt sich Design Thinking für fast alle Fragestellungen in den Bereichen Innovation und Marketing einsetzen, beispielsweise: ix • Wie gelingt es, bei einem Cabriolet die Gefahr eines „steifen Nackens“ zu vermeiden? • Kann mein Rucksack beim Verlassen der Wohnung überprüfen, ob ich auch alles dabei habe? • Wie gelingt es mir, Bier möglichst in wenigen Minuten eiskalt zu kühlen? • Wie kann der Transport von gehbehinderten Personen im Linienflugzeug angenehmer und menschlicher gestaltet werden? • Wie lässt sich Lernen an einer Universität neu erfinden? • Wie wird der „Bauernhof der Zukunft“ aussehen? • Wie können Eisenbahnverbindungen flexibler werden? • Welche neuen Konzepte bezüglich Mobilität sind denkbar? Eine Reihe sehr anschaulicher Beispiele bietet die folgende Webseite von IDEO, einem Spin-off der Standford University, das sich auf Design Thinking spezialisiert hat: https://www.ideo.com/eu 1.2. Gründe für nachhaltige Relevanz Nachfolgend werden die verschiedenen Schritte des Design Thinkings insbesondere bezogen auf Innovations- und Marketingprozesse erläutert. Empathize: Ein tiefes Verständnis für die Kundenherausforderungen entwickeln. Design Thinking startet mit der Herausforderung, die Kundenbedürfnisse und – herausforderungen detailliert zu erfassen und zu verstehen. Dabei wird beim Design Thinking ganz eindeutig die Methode des Beobachtens gegenüber jener des Befragens bevorzugt (Beckman/Barry 2007, p. 32). Mit Hilfe von sogenannten visualisierten „Personas“ strebt man danach, dass sich alle involvierten Personen in die tatsächlichen Nutzer der innovativen Lösung sowie deren Umfeld hineinversetzen können (z.B. Erik, LKW-Fahrer, 34, ledig, leicht übergewichtig, traditionell-konservativ, gestresst durch 8-10 Stunden-Arbeitstag …) Dieses Hilfsmittel zwingt alle Involvierten, einen “human-centered” Fokus einzunehmen und verstärkt somit den persönlichen, menschlichen Bezug: “it focusses on the needs and experiences of real x people – not hypothetical ‘market segments’ – as a source of inspiration and insight.” (Gobble 2014, p. 59). Häufig kommt Storytelling zum Einsatz, um die konkrete Details und Emotionen bezüglich der Personas darzustellen. Define: Inspiration und Lösungorientierung – verbunden mit dem Umgang mit Ambiguität. Eine absolute Stärke des Ansatzes des Design Thinkings liegt darin, alle Beteiligten zu inspirieren und zu Innovation zu befähigen. Der Fokus darauf, etwas absolut Neues, aber gleichzeitig Intendiertes zu generieren, setzt kreative Energie frei und beflügelt alle Beteiligten: „Design is about making intent real. […] When you design, something new is brought into world with purpose.” (Clark/Smith 2008, p. 8) Marketing startet meist mit der Analyse von Herausforderung und „Mangelsituationen“ (Bedürfnissen) – Design Thinking dreht dies um und beginnt lösungsorientiert (Cross 1982). Design Thinking versucht beim Innovationsprozess, „disruptive“ Ziele anzuvisieren (Christensen 1997; Christensen/Anthony/Roth 2004), die komplett neue Herangehensweisen erfordern. Dies führt gelegentlich zu einer Neudefinition der ursprünglichen Herausforderung. Somit muss das Management lernen, mit Ungewissheit umzugehen – „to dance with ambiguity“ (Leifer/Steinert 2011): Ambiguität bedeutet, dass nicht nur die Variablenausprägungen unbekannt sind, sondern sogar die Variablen selbst im Innovationsprozess noch nicht feststehen. Ideate: Multidisziplinarität und Denken in Alternativen. Design Thinking als schöpferischer Prozess ist per Definition ein interdisziplinärer Prozess. Die Multidisziplinarität beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Funktionen, sondern integriert auch die Fähigkeitsprofile der verschiedenen Teammitglieder. Basierend auf dem T-Profile von Leonard-Barton (1995) wird jeweils zwischen fachspezifischem Wissen (Wissensvertiefung, visualisiert als vertikaler Balken) und übergreifendem, verbindenden Know-how unterschieden; letzteres schlägt sich als Offenheit und Neugier bzw. als Interesse gegenüber anderen Menschen, der Umwelt sowie anderen Funktionen und Disziplinen nieder (horizontaler Balken). Echte Innovation und Kreativität erfordert sowohl Wissenstiefe als auch verbindende Breite. Die Phase der „Ideation“ ist in der betriebswirtschaftlichen Praxis und Forschung unterrepräsentiert – beide sind traditionell eher durch klassische lineare und sequentielle Phasenmodelle geprägt (SWOT-Analyse, Zieldefinition, Umsetzungsstrategien). Grundsätzlich ist festzustellen, dass ein echtes “Denken in Alternativen” im Management und somit auch im Marketing selten erfolgt. In der Praxis werden in den seltensten Fällen der Aktionsspielraum bewusst ausgedehnt und möglichst viele unterschiedliche Strategie- und Handlungsoptionen generiert, die anschliessend systematisch miteinander verglichen, kombiniert und evaluiert xi werden. Nur in 29 % der Fälle werden bei Managemententscheidungen mehr als eine Möglichkeit in Betracht gezogen (Nutt 1993). Stattdessen wird der Handlungsspielraum sehr früh auf ein, maximal zwei strategische „Lieblingsalternativen“ reduziert. Das Top-Management behält sich auch häufig das Recht vor, die finale Entscheidung zu treffen. Design thinking ist dagegen stark vom Prinzip geleitet:“Give questioning an equal or greater status than deciding” (Leifer/Steinert 2011, p. 152). Es geht darum, nicht gleich Vorentscheidungen zu treffen, sondern vielmehr danach zu streben, möglichst viele grundsätzliche Varianten zu evaluieren. Prototyping: Make it tangible. Beim Prototyping geht es darum, Ideen möglichst schnell tangibel und somit greifbar zu machen. Dies kann mit einfachen Hilfsmitteln erfolgen (Papier, Pappe, Pfeifenstopfer, Büroklammern …). In dieser Phase hat sich Zeitdruck als hilfreich erwiesen, um ein Overengineering der Prototypen zu vermeiden. Wichtig ist, dass jeweils eine Kernidee kommuniziert wird, die als Grundlage für weitere Verbesserungsschleifen dient. Zentral ist insbesondere, dass nicht nur ein Businessplan oder ein Marketingkonzept präsentiert wird: “What if you could express your strategy not as numbers or frameworks or even a rhetorical narrative, but as something concrete? What if your strategy took shape as a prototype that shows your organizations what success will look like when you have delivered against your goals?” (Holloway 2009, p. 51) Neben klassischen Produktinnovationsprototypen bestehen im Marketing beispielsweise folgende Möglichkeiten der Visualisierung bzw. des Prototypings: • “marketing war rooms“ – dies sind Räume, in denen die eigene Strategie und jene der Konkurrenten visualisiert und durchgespielt werden; • „Customer experience“-Veranstaltungen, bei denen das Top-Management damit konfrontiert wird, reale Kundenaufgaben zu erledigen (beispielsweise werden Führungskräfte aus Banken gebeten, Zahlungsaufträge im eigenen Online-Banking durchzuführen oder aber aktuelle Devisenkurse auf der eigenen Webseite herauszufinden). Das Design Thinking-Grundprinzip des “Show, don’t talk” bzw. die „Make it tangible-rule“ (Meinel/Leiffer 2013) basiert letztlich auf den Prinzipien des Visual Thinking (Arnheim 1969). Damit lassen sich drei zentrale Vorteile bewirken (aufbauend auf Holloway 2009, S. 55): xii 1) Verbessern des Buy-in des Top-Management in Lösungsmöglichkeiten: Prototypen helfen, unternehmensintern wirksamer zu kommunizieren. Greifbare Ergebnisse lösen viel mehr Emotionen aus und faszinieren stärker als reine Konzepte: „They say a picture is worth a thousand words; if that is true, then a prototype must be worth about a million.“ (Holloway 2009, p. 51). 2) Anregen des Wissenstransfers: Prototypen stimulieren den Erfahrungs- und Gedankenaustausch und initiieren damit automatisch Weiterentwicklungen: “Prototypes tell their own stories […]. Good prototypes raise questions and stimulate discussion […].” (Holloway 2009, p. 52): 3) Erhöhen des „bias towards action“: Ein Prototyp ist der erste Schritt zur konkreten Umsetzung eines Konzepts. Erfahrungsgemäss erhöht dieser erste Schritt die Wahrscheinlichkeit deutlich, dass eine umfassende Strategie tatsächlich in irgendeiner Form umgesetzt wird. Tests: Lernprozesse beschleunigen. Eine grosse Herausforderung für das Management ist die beschränkte Lernfähigkeit und – bereitschaft in grossen Organisationen. Der Redesign- und Fast Prototyping-Ansatz im Design Thinking erlaubt es, Lernprozesse zu beschleunigen. Wettbewerb und frühe Experimente werden ausdrücklich begrüsst. “Far from creating a rigid, hierarchical process, this model frees up individuals to iterate quickly – what is sometimes called ‘failing fast forward’ in the world of high tech.” (van Bommel/Edelman/Ungerman 2014, 7) Es geht dabei weniger darum, fertige Konzepte zu überprüfen und zu bestätigen oder Risiken zu reduzieren – sondern vielmehr darum, eine agile marktorientierte Organisation zu schaffen, deren Mitglieder eine „war room mentality“ angenommen haben (van Bommel/Edelman/Ungerman 2014, 7). Reales Lernen durch schnelle Versuche und Tests im Feld helfen, Marketinginnovationsprozesse zu beschleunigen – und gleichzeitig auch Kosten zu sparen, weil Erkenntnisse früher im Entscheidungsprozess gewonnen würden. 1.3. Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte xiii Think big. Alles ist möglich! Wo ein Wille, da ein Weg. Beim Design Thinking geht es nicht um Verbesserungen, sondern um radikale Innovationen. Setzen Sie ambitionierte Ziele – denn nur dadurch schaffen Sie die Notwendigkeit, nach radikal neuen Wegen zu suchen, die sich von bereits existierenden Lösungen deutlich unterscheiden. Entwickeln Sie menschliche Empathie! Identifizieren Sie sich intellektuell und emotional so intensiv wie möglich mit allen relevanten Anspruchsgruppen. Kern von Design Thinking ist es, sich in die Situation aller Anspruchsgruppen im Innovationsprozess zu versetzen, insbesondere natürlich in die Kunden bzw. Anwender einer etwaigen neuen Lösung. Welche Bedürfnisse und Probleme haben sie? Welches sind ihre derzeitigen „Pain-Points“? Was hindert die Anwender derzeit, effektivere und effizientere Lösungen zu finden? Welche Tätigkeiten sind tradiert und ggf. nicht mehr sinnvoll? Wie arbeiten die verschiedenen Personengruppen zusammen – und welche emotionalen und prozessualen Herausforderungen ergeben sich daraus? Never go hunting alone: Glauben Sie an die Kraft der Diversität sowie an Teamerfolge. Echte Innovationen sind nur möglich, wenn man möglichst viel unterschiedliches Fachwissen aus unterschiedlichen Disziplinen (Informatik, Physik, Maschinenbau, Medizin, Psychologie, Soziologie, Betriebswirtschaftslehre, Theologie, Jura …) einbringen kann – und gleichzeitig in der Lage ist, dieses Wissen auch zu verbinden. Teams sollen allerdings auch nicht zu gross sein, um noch effizient zu arbeiten: An der Stanford University versucht man, möglichst 4er-Teams zu bilden – und zwar mit möglichst heterogenem disziplinären Fachwissen und unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen. Wichtig ist, dass alle Teammitglieder eine Toleranz für und positive Grundeinstellung gegenüber der „Andersartigkeit“ der Lösungsvorschläge der anderen Gruppenmitglieder mitbringen. Get tangible: Make and show, don’t tell. PowerPoint und Businessplänen sind verboten, ebenso wie lange Erklärungen. Ziel beim Design Thinking ist es, Lösungsvorschläge möglichst schnell visuell (z.B. zeichnerisch) darzustellen – oder am besten in Form eines einfachen 3 D-Prototypen zu demonstrieren. Solche Prototypen lösen viel mehr Emotionen als PowerPoint aus! Lernen Sie Zeichnen – und basteln Sie! xiv Engage in competition: Wettbewerb entfesselt ungeahnte Kräfte. Häufig ist es sinnvoll, auf eine (Produkt-)Innovation nicht nur ein Team, sondern bewusst mehrere Teams anzusetzen. Einerseits erhöht der Wettbewerb das Engagement und die Motivation der verschiedenen Teams, andererseits führt dies dazu, dass man eine deutliche grössere Breite sehr unterschiedlicher Problemlösungsansätze erhält. Die Wahrscheinlichkeit eines „Durchbruchs“ ist damit deutlich höher. Fail fast and often: Develop a tendency towards action. Done is better than perfect. Prototype & learn from it. Beim Design Thinking ist es nicht das Ziel, möglichst viele Misserfolge zu erzielen, um daraus irgendwann zu lernen. Vielmehr geht es darum, möglichst früh im Innovationsprozess die Fehler zu machen – weil dies Kosten deutlich reduziert und den Prozess stark beschleunigt. Je schneller und häufiger man den Design Thinking-Innovationsprozess durchläuft, desto besser. Wichtig ist immer, dass man sich zwingt, tangible Zwischenergebnisse zu erzielen. Es ist besser, etwas umzusetzen und damit zu lernen – als alles immer nur in Gedanken durchzuspielen, um letztlich gar nichts zu realisieren. Erzählen Sie reale Geschichten. Design thinking und Storytelling hängen zusammen. Geschichten bieten interaktiven Kontext, erhöhen die subjektive Relevanz und fördern die Empathie. Mit Geschichten wird es deutlich leichter, die Motive und Handlungen anderer Personen nachzuvollziehen und zu verstehen. Geschichten fördern auch Kreativität und somit die Innovationskraft. 1.4. Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Experimente führen nicht immer zur besten Lösung. Design Thinking basiert stark auf Experimenten. Insbesondere im Bereich des Online- und Direct Marketing verfügt die Marketingpraxis über grosse Erfahrungen bezüglich der Vor- und Nachteile von Experimenten. So führen Unternehmen wie Amazon, Ebay und LinkedIn häufig Hunderte von A/B-Tests durch, um die Usability ihrer Webseiten sowie die Antwortraten zu xv erhöhen. In diesem Bereich haben sich Experimente als enorm hilfreich erwiesen, weil sie reales Kundenverhalten widergeben. Dennoch ist bekannt, dass A/B-Testing häufig nicht in der Lage ist, die bestmögliche Lösungsvariante zu erzielen – häufig führen dieses Experimente zu Suboptima. Daher ist es wichtig, dass beim Design Thinking ausreichend Kreativität in den ersten Phasen eingesetzt wird, um den Lösungsraum möglichst breit abzudecken. Experimente und Tests helfen dann (lediglich), die jeweils beste Teillösung zu finden und zu verwirklichen. 1.5. Wervolle Resources und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads”) Brown, T./Martin, R. (2015): Design for Action, Harvard Business Review, 93, September,56-64. Brenner, W./Uebernickel, F. (Eds.) (2016): Design Thinking for Innovation: Research and Practice, Cham. Reinecke, S. (2016) What is it that Design Thinking and Marketing Management can learn from each other? In: Brenner, W./Uebernickel, F. (Eds.) (2016): Design Thinking for Innovation: Research and Practice, Cham Plattner, H./Meinel, C./Leifer, L. (Eds.) (2016): Taking Breakthrough Innovation Home – Understanding Innovation, Cham. Empfohlene weitergehende Internetquellen Hasso Plattner Institute of Design at Stanford http://dschool.stanford.edu/ Design Thinking am Hasso Plattner Institut an der Universität Potsdam https://hpi.de/studium/design-thinking.html Web-Seite des auf Design Thinking spezialisierten Unternehmens IDEO http://www.ideo.com Empfohlene Videos xvi What is design thinking? by Sean VanGenderen https://www.youtube.com/watch?v=a7sEoEvT8l8 How it works – Design thinking by IBM Academy https://www.youtube.com/watch?v=pXtN4y3O35M The explainer: Design thinking (HBR Video) https://hbr.org/video/4443548301001/the-explainer-design-thinking Referenzen und weitere Quellen Arnheim, R. (1969): Visual Thinking, Berkeley et al. Beckman, S. L./Barry, M. (2007): Innovation as A Learning Process: Embedding Design Thinking, in: California Management Review, 50, 1, pp.25-56. Bommel, E.v./Edelman/, D./Ungerman, K. (2014): Digitizing the consumer journey, in: McKinsey Insights, June. Brown, T. (2008): Design Thinking, in: Harvard Business Review, 6, pp.-84-92. Christensen, C. M. (1997): The Innovator's Dilemma: When New Technologies Cause Great Firms to Fail, Boston, MA. Christensen, C. M./Anthony, S. D./Roth, E. A.: (2004): Seeing What's Next: Using the Theories of Innovation to Predict Industry Change, Boston, MA Clark, K./Smith, R. (2008): Unleashing the Power of Design Thinking, in: Design Management Review, 19, 3, 8-15. Cross, N. (1982).: Designerly Ways of Knowing, in: Design Studies 3.4, pp. 221-27. Gobble, M. M. (2014): Design Thinking, in: Research-Technology Management, 3, pp.-59-61. Herrmann, N. (1996): The Whole-Brain Business Book, Unlocking the Power of Whole Brain Thinking in Organizations and Individuals, New York. Holloway, M. (2009): How Tangible is Your Strategy? How Design Thinking Can Turn Your Strategy into Reality, in: Journal of Business Strategy, 30, 23, pp. 50-56. Leifer, L J./Steinert, M. (2011): Dancing with Ambiguity: Causality Behavior, Design Thinking, and Triple-Loop-Learning, in: Information Knowledge Systems Management, 10, pp. 151-173. xvii Leonard-Barton, D. (1995): Wellsprings of Knowledge: Building and Sustaining the Sources of Innovation, Boston. Meinel, C./Leifer, L. (2013): Design Thinking Research – Building Innovation Eco-Systems, in: Plattner, H./Meinel, C./Leifer, D. (Eds.): Design Thinking Research – Building Innovation EcoSystems, Wiesbaden. Nussbaum, B. (2011): Design Thinking is a Failed Experiment. So What’s Next?, in: Fast Company, April 5, http:/www.fastcodedesign.com/1663558/design-thinking-is-a-failedexperiement-so-whats-next. Nutt, P. C. (1993): The Identification of Solution Ideas During Organizational Decision Making,” in: Management Science, 39, pp. 1071-85. Stanford University (2014): The Design Thinking Process, www.dschool.stanford.edu. xviii TREND ZWEI: THE CONVENIENT CUSTOMER Die digitale Transformation ist in aller Munde. Während sich Technologiefans über immer neuere, schnellere und komplexere Ansätze zur Verarbeitung von Informationen freuen, sehen The Convenient Customer Marketeers in der digitalen Transformation vor Video allem die Chance, einen uralten Kundenwunsch zu befriedigen: endlich das „leidige“ Einkaufen angenehm und problemlos zu gestalten. Gefragt sind dabei Lösungen, die das Einkaufserlebnis nicht einfach abbilden, sondern gezielt weiterentwickeln und somit nicht nur logistisch praktischer, sondern vor allem besser geführt und dadurch kognitiv einfacher gestalten. Letztlich stehen bei den Ansätzen, die den „Convenient Customer“ ansprechen sollen, diejenigen Lösungen im Vordergrund, die Hürden abbauen, den Kunden besser führen und den Weg zum Angebot verkürzen. 2.1 Best Practice-Beispiele Immer alles überall – jetzt. Die erste Hürde, die dem Convenient Customer geebnet werden muss, ist jene der mangelnden Erreichbarkeit und Verfügbarkeit. Im Internet ist dies bereits weitgehend geschehen: Kunden finden sich mitten in der geballten Auswahl der Anbieter wieder. Allerdings ist zu beobachten, wie führende Onlineanbieter einen weiteren Schritt auf ihre Kunden zugehen und zunehmend auch die Hürde der Ungleichzeitigkeit einebnen: Live-Chats und Beratungsdienstleistungen per Videokonferenz helfen, den statischen Eindruck von Webangeboten aufzulösen und in einen fliessenden Live-Zustand zu überführen. 1 Abb. 1: Video Live Anwendung. Der Spion, der für mich shoppte. Die zweite Hürde, die zwischen Anbieter und Konsumenten steht, betrifft grundsätzlich den Informationsfluss bzgl. eines Bedarfs. Hier setzt der amerikanische Onlinedirektversender Amazon an und bietet mit seinem smarten Amazon Echo die Möglichkeit, von überall in der Wohnung seinen Einkaufszettel zu diktieren. Während Sprachsteuerung beispielsweise über moderne Fernsehgeräte oder Spielekonsolen bereits in den vergangenen Jahren Einzug in den Wohnzimmern gehalten hat, folgen jetzt sowohl Amazon mit Echo als auch Google mit seinem vergleichbaren Angebot Google Home. Der wichtigste Unterschied ist, dass hier die gesammelten Daten nicht im Versteckten, sondern ganz transparent zur weiteren Vereinfachung von Einkaufsprozessen eingesetzt werden. Abb. 2: Amazon: Hört zu. Lernt. Bestellt. 2 Quelle: Amazon (Jahr) Das Überbrücken der letzten Meile. Die dritte Hürde, die von Anbietern überbrückt werden muss, besteht nach wie vor in der Lieferung der Leistung zum Kunden. Hier experimentieren neben Amazon auch lokale Anbieter wie die Schweizerische Post mit der Zustellung von Produkten mithilfe autonomer Drohnen. Auch wenn die Zustellung von Paketen im Kleinstflugzeug noch vor vielen logistischen Herausforderungen steht, so setzen heute bereits viele regionale Direktversender auf die Lieferung am selben Tag – oder mindestens per Übernacht-Kurier am Folgetag. Die Logistiklösungen, die eine solche schnelle Versorgung mit Angeboten sicherstellen, arbeiten mit Bedarfsvorhersagen, anhand derer Sendungen bereits auf den Weg zum Kunden geschickt werden, bevor dieser überhaupt bestellt hat – wie beispielsweise im Falle von Amazons „anticipatory shipping“. Insbesondere im Falle der Musik und Filmindustrie lässt sich eindrucksvoll zeigen, wie die Eliminierung der letzten Meile als Hürde zwischen dem Anbieter und den Kunden durch die diversen Musikdownloaddienste und digitale Endgeräte wie Videoon-Demand Geräte alle anderen Vertriebswege dezimiert haben. Abb. 3: Drohne liefert Paket Post. 2.2 Gründe für nachhaltige Relevanz Neue Angebots und Fertigungsstrategien. 3 Zu gleichen Teilen Ausgangspunkt und Konsequenz des Trends der „Convenient Customer“ ist eine Verschiebung der Kundenbedürfnisse weg vom Besitz konkreter Gegenstände und hin zum Konsum von Erlebnissen oder speziell für den Konsumenten massgeschneiderten Produkten. Eine wichtige Rolle fällt hierbei dem technologischen Fortschritt in den Fertigungsprozessen von in Serie personalisierten Produkten zu – allen voran dem 3D-Drucken. Eine weitere wichtige Rolle in der Gestaltung neuer Angebote kann der Sharing Economy beigemessen werden. Ein drittes Beispiel lässt sich im Produktkonzept des Automobilanbieters Tesla finden: Das Fahrzeug wird technisch vollausgerüstet produziert, seine Funktionen werden aber nur in Abhängigkeit des Produktkonzepts je Software-Freigabe oder Upload freigegeben. Während diese Schlüsseltechnologien und -konzepte vor wenigen Jahren noch nach Zukunftsmusik klangen, sind sie mittlerweile die wichtigsten Hebel, mit denen sich gerade die Industrie zu einer fast vollständig auf Dienstleistungen ausgerichteten Marketingzukunft ausrichtet. Digitale Convenience. Die Digitalisierung des Kundenprozesses bietet nicht nur technische Spielereien und Technologien für die nächste Pressemitteilung – sie bietet die Gelegenheit, Kundenprozesse zu vereinfachen und angenehmer zu gestalten. Hierbei spielt der clevere und effiziente Umgang mit Informationen eine Schlüsselrolle. Die Digitalisierung und zunehmende Verzahnung mit Geschäftsprozessen ist damit der wichtigste Treiber für den Trend des Convenient Customers. Abb. 4: Tesla: Digitale Updates eröffnen neue Funktionen. Quelle: Tesla (Jahr) Schneller, schneller. 4 Der Convenient Customer sucht nicht nur nach Bequemlichkeit, er möchte auch Verzögerungen weitgehend aus seinem Konsumentenleben verbannen. Innovationen, die heute auf der anderen Seite der Welt vorgestellt werden, sollten idealerweise morgen bereits verfügbar sein. Die neueste Mode wird live in den sozialen Netzen auf den Modenschauen begutachtet und bereits wenig später im Onlineshop oder in der Boutique erwartet. Der Convenient Customer ist dadurch geprägt, dass er sein Zeitverständnis und damit auch seine Ungeduld an den Nachrichtenzyklus im Internet angepasst hat: Alles ist live. Was von gestern ist, findet nicht mehr statt. Und bist Du nicht einfach, so kauf ich Dich nicht. Letztlich ist die Orientierung am Convenient Customer wichtig, da in gesättigten Märkten der Kaufprozess immer seltener durch ein intensives Involvement des Konsumenten geprägt ist: Kunden werden nicht nur bequemer, sie werden auch gleichgültiger. Somit steht Convenience an vorderster Stelle: Was in Zeiten weit verbreiteter hochqualitativer Angebote heute nicht mehr einfach konsumierbar ist, wird nicht konsumiert. Dieser Anspruch lässt sich ebenfalls in der Beratung und Betreuung von Konsumenten feststellen: das Kuratieren von Angeboten für vielbeschäftigte oder unbedarfte Kunden für Bekleidung erfreut sich seit jüngster Zeit grösster Beliebtheit. Abb. 5: Outfittery: Looks bestellen anstatt passende Teile zu jagen. Quelle: Outfittery (Jahr) 5 2.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte Sollte Sie der Convenient Consumer interessieren? Stellen Sie sich zunächst die Frage, wie sehr Ihre Kunden wirklich an Ihr Angebot gebunden sind, bzw. wie loyal sie sind. Gibt es gute Gründe, ausschliesslich Ihr Angebot zu wählen und auch Widrigkeiten in Kauf zu nehmen? In den meisten Fällen wird die ehrliche Antwort kritisch ausfallen – und entlang dieser Einschätzung wächst die Rolle, die Sie dem Convenient Consumer beimessen sollten. Eine weitere Frage ist die Rolle von besonders kurzen Fristen und Rhythmen in der Innovation des Produktangebots. Sofern die Innovationszyklen Ihres Unternehmens besonders kurz sind, empfiehlt sich die Ausrichtung auf die Ansprüche der Convenient Customer besonders. Andernfalls kann der Konkurrenzdruck im Markt dazu führen, dass Produktangebote, die schwerfällig positioniert und kompliziert erreichbar sind, sich in der Kürze des Produktzyklusses bei der Konsumentenwahl durchsetzen können. Während entgegenkommende Einkaufsprozesse bei kurzen Innovationszyklen als Motivatoren wichtig sind, stellen sie bei Einkaufsvorgängen, die bei Konsumenten routiniert und gelernt sind, Hygienefaktoren dar: Diejenigen Anbieter, die bei einem wiederkehrenden Interaktionsprozess die geringsten Hürden aufbauen, profitieren von einer grösseren Attraktivität gegenüber einer breiteren Zielgruppe. Zudem ist es relevant, inwiefern Sie das Kundenerlebnis selbst steuern können oder ob Sie in der Gestaltung des Einkaufserlebnisses auf die Zusammenarbeit mit anderen Partnern und Vertriebsmittleren angewiesen sind. Wenn Sie den Kundenprozess in Eigenregie optimieren können, so empfiehlt sich die Orientierung am Convenient Customer als Referenzgruppe, um auch das Segment mit den flüchtigsten Konsumenten anzusprechen und zu binden. Abschliessend ist zu klären, zu welchem Grad sich durch die (teilweise) Digitalisierung des Kundenprozesses nicht nur Sparpotentiale in der Kostenstruktur der Angebote, sondern tatsächliche Wertsteigerungen für den Endkunden entwickeln lassen. Wenn Sie vermuten, dass der Convenient Customer für Ihr Unternehmen eine wichtige Rolle spielen wird, steht zunächst im Vordergrund, das Leistungsportfolio auf den Prüfstand zu stellen und drei Aspekte gezielt zu untersuchen. Grundlegender Check-Up der Kundenprozesse. 6 Unterziehen Sie die häufigsten Kundenprozesse einem Audit. Identifizieren Sie die wichtigsten Kundenprozesse, die über Akquisition und Bindung von Kunden entscheiden und untersuchen Sie diese auf mögliche Verursacher von Prozessabbrüchen, unnötige Medienbrüche, auf nicht optimal aufeinander abgestimmte Wechsel vom einen zum anderen Kundenkontakt und auf möglicherweise früher bewusst aufgebaute – historisch gewachsene – Hürden zwischen Ihren Kundenbetreuern und Ihren Kunden. Untersuchung der gesamten Customer Journey. Sobald Sie die bestehenden Kundenprozesse auf Hürden hin untersucht und diese so gut wie möglich nivelliert haben, sollten Sie den Umfang Ihrer Perspektive über die einzelnen Kundenprozesse hinaus ausweiten und die gesamte Customer Journey untersuchen. An welchen Stellen vor und nach der unmittelbaren Interaktion mit Ihrem Unternehmen stossen Kunden auf Hürden, die entweder nur Ihre oder aber alle Angebote in Ihrer Produktgruppe betreffen? Versuchen Sie, für diese Hürden proaktiv Lösungen zu finden und damit den entscheidenden Schritt auf den Convenient Customer hin zu machen. Schaffen Sie Mehrwert. Wenn Sie Ihre Kundenprozesse sowie die erweiterte Customer Journey auf Hürden geprüft und diese beseitigt haben, rückt Ihr Angebotsportfolio auf den Prüfstand. Nun geht es weniger darum, Probleme zu identifizieren, sondern gezielt Mehrwert durch die Möglichkeiten der Digitalisierung zu schaffen oder durch ein konsequentes Überdenken der Produktpalette die Basis der Entwicklung zur Dienstleistungspalette zu schaffen. Alle drei Schritte erfordern, dass Sie das Marketing Ihres Unternehmens auf den Prüfstand stellen und dabei sowohl Schwachstellen identifizieren als auch neue Potenziale generieren. Der Schlüssel zu diesem Prozess ist dreiteilig: erstens setzen Sie am Kern der Kundenentscheidung – dem wahrgenommenen Wert und den wahrgenommenen Kosten – an. Es geht also um das Verkaufen des Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Zweitens werden Sie in der Regel zur Steigerung des wahrgenommenen Nutzens auf die Möglichkeiten der jüngsten technischen Innovationen sowie der Digitalisierung von Prozessen setzen. Und drittens stellen diese Schritte insgesamt neue Herausforderungen an die Lernfähigkeit und Implementierungsgeschwindigkeit der Marketingorganisation. Dementsprechend empfehlen sich als weitere Lektüre die unten aufgeführten Texte zu Value-Selling, der Fachbeitrag zur digitalen Transformation sowie ein Überblick über das Potential von Design Thinking für Marketing (siehe Trend 1). 7 2.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Ihr Unternehmen sollte nur so weit auf den Convenient Customer zugehen, dass sich Ihr Engagement auszahlt. Einer anspruchsvollen Zielgruppe entgegen zu kommen kostet Aufwand – und dieser Aufwand muss sich auszahlen. An dieser Stelle entscheidet sich, ob die Berücksichtigung des Convenient Customer für Ihr Unternehmen zu einem Bärendienst wird oder ob sich durch die besondere Berücksichtigung diejenigen positiven Effekte einstellen, die dazu führen, dass anspruchsvolle Kunden auch tatsächlich zu wertvollen Kunden entwickelt werden können. Segmentierung und Targeting sind somit entscheidend: Prüfen Sie, ob Convenient Customer für Ihr Unternehmen auch tatsächlich profitable Kunden sind bzw. werden können! Es gibt anspruchsvolle Kunden und schwierige Kunden – lernen Sie, diesbezüglich zu unterscheiden. 2.5 Wertvolle Ressourcen und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads”) Belz, C. (2016): Marketing Heatmap I – digitale Transformation und strategische Optionen. In: Swiss Marketing Review, 1, 2016. Belz, C. & Dannenberg, H. (2016): Erfolgsmotor Value Selling. In: Swiss Marketing Review, 4, 2016. Sundström, M. & Radon, A. (2015). Utilizing the concept of convenience as a business opportunity in emerging markets. Organizations & Markets In Emerging Economies, 6(2), 7-21. Wieseke, J., Kolberg, A. & Schons, L. (2016). Life could be so easy: the convenience effect of round price endings. Journal Of The Academy Of Marketing Science, 44(4), 474-494. Weinberg, B. D., Milne, G. R., Andonova, Y. G., & Hajjat, F. M. (2015). Internet of Things: Convenience vs. privacy and secrecy. Business Horizons, 58(6), 615-624. Empfohlene weitergehende Internetquellen 8 The 7 Essentials of Customer Centric Business: Convenience (2012) https://uxmag.com/articles/convenience Nailing the Convenience Factor in Customer Service (2013) http://www.inc.com/nailing-the-convenience-factor-in-customer-service.html Attention, Retailers! How Convenient Is Your Convenience Strategy? (2000) http://sloanreview.mit.edu/article/attention-retailers-how-convenient-is-your-conveniencestrategy/ Empfohlene Videos How To Create A Customer Journey Map (2014) https://www.youtube.com/watch?v=mSxpVRo3BLg Business Consulting – Making Sense of the Mobile Me™ Personalized Customer Experience – Cognizant (2016) https://www.youtube.com/watch?v=YmPvotxrY1o Convenience for the customer – Paul Walsh, CIO of Dell (2015) https://www.youtube.com/watch?v=XWE_qk4dRrQ Introducing Amazon Go and the world’s most advanced shopping technology (2016) https://www.youtube.com/watch?v=NrmMk1Myrxc Referenzen und weitere Quellen 9 TREND DREI: PERSONALIZATION Personalisierungstechniken dienen dazu, Kunden individuelle, relevante Erfahrungen mit einem Unternehmen über verschiedene Touchpoints zu ermöglichen. Dabei können Personalisierungsstrategien auf Angebots-, Personalization Video Produkt-, Kommunikationsebene realisiert werden. Um massgeschneiderte Angebote für den Kunden schaffen zu können, müssen Unternehmen entsprechende Zielgruppen genau kennen. Als Grundlage dafür müssen Daten z.B. über die Produktinteressen, das Konsum- und Einkaufsverhalten, den Standort sowie weitere Attribute gesammelt werden, um ein ganzheitliches Kundenprofil und darauf aufbauend entsprechende Leistungen gestalten zu können. Bewegt man sich im Rahmen digitaler Kundeninteraktionen, können Unternehmen heute Kunden problemlos identifizieren, voneinander abgrenzen, anhand ihrer persönlichen Daten wiedererkennen und kategorisieren. Durch Möglichkeiten des Trackings über verschiedene Interaktionszeitpunkte, -medien und -kanäle hinweg wird ein 1:1-Marketing über die gesamte Customer Journey Wirklichkeit. Viele Unternehmen setzen auf die Integration von Online- und Offline-Daten (z.B. über Bonuscards oder Kundenbefragungen) sowie auf den Bezug externer Datenquellen, um ganzheitliche Kundenprofile adäquat abzubilden und hinsichtlich relevanter Interaktionsangebote schärfen zu können. Dabei können durch Einkauf von externen Kundendaten (beispielsweise über sog. „Customer Data Marketplaces“) und auf Basis unternehmenseigener Profile „Stereotypen“ gebildet werden, welche mit ähnlichen Kundendaten anderer Unternehmen unterfüttert und dadurch in der Beschreibung individueller Kundengruppen ausgeweitet werden. Mit Hilfe neuster Technologien können heute Kundeninformationen in Echtzeit erfasst, verarbeitet, analysiert und als Grundlage für eine entsprechende Interaktionsgestaltung verwendet werden. Beispiele für den Einsatz von Personalisierungsstrategien sind eine individualisierte Kommunikation (z.B. Direktansprache über den Kundennamen), Variation des Stils der Kundenansprache (z.B. je nach Alter und Interessensgruppe), Produktempfehlungen und verfügbare Zahlungsmöglichkeiten. 10 Abb. 1: The Personalization Priority. Quelle: Morrison (2015), http://www.adweek.com/socialtimes/personalization-is-a-big-challenge-for-digital-marketersinfographic/631517 Eine individualisierte Kundenansprache hat grossen Einfluss auf die Effektivität sowie auch die Effizienz von Marketingmassnahmen: Durch relevante Interaktionsinhalte & -massnahmen können Kunden adäquater bedient werden und gleichzeitig nicht passende Marketingmassnahmen vermieden werden. Diverse Studien und Fallbeispiele belegen diese positiven Effekte von Personalisierung und zeigen deutlich, dass Kunden häufiger auf personalisierte Angebote ansprechen und im Vergleich zu Standardangeboten, häufiger einen Kaufabschluss vornehmen (z.B. Bliemel, Fassott & Theobald, 2013; Dorotic, Bijmolt & Verhoef, 2012). Die erfolgreiche Umsetzung von Personalisierungsstrategien birgt für Unternehmen die zentrale Herausforderung, Kundendaten genau zu erfassen und in entsprechende Leistungen zu übersetzen, ohne dass der Kunde sich vom Unternehmen verfolgt und der eigenen Privatsphäre beraubt fühlt. Die Entwicklung von einer vertrauensvollen Beziehung ist vor diesem Hintergrund von höchster Priorität. Im Online-Geschäft können folgende Merkmale im Einsatz von Personalisierungsstrategien unterschieden werden (Auszug): § § geographischer Standort (Land, Staat, Stadt, Sprache, Postleitzahl usw.), Verhaltensinformationen (z.B. Suchbegriffe, Anzahl der Seitenbesuche/ Seitenaufrufe pro Besuch (via. IP-Adresse), Browser, Device (z.B. Ipad, Laptop), Produktinteressen, Kaufhistorie, Customer Journey usw.), § persönliche Kontaktdaten (demographische Daten, Produktinteressen, KampagnenGruppe, Unternehmensdaten, Käuferstatus (z.B. Erstkäufer)), 11 § vertikale Märkte (Massnahmen wie z.B. Werbung auf einer Website für eine bestimmte Branche/Nischenmarkt), § Account-basierte Differenzierung (Adressieren relevanter Kundengruppen, individueller Kunden, Entscheider, besonders B2B relevant), § predictive Marketing (“Automatic Discovery” aller Seiteninhalte; Machine-Learning Anwendungen; “Dynamic Content”). 3.1 Best Practice-Beispiele Aufgrund der ständigen Weiterentwicklung aktueller Technologien findet man heute auch zunehmend Beispiele, bei denen Daten in Echtzeit auch für digitale Werbung im Store verarbeitet werden (http://www.quividi.com/all-case-studies/). So können auch im Shop persönliche Erfahrungen generiert werden, die über den Kontakt mit dem Verkaufspersonal hinausgehen. Dabei lassen sich viele Beispiele zur Umsetzung solcher personalisierter Werbemassnahmen finden. Unternehmen können hier beispielsweise auf demographische Daten zurückgreifen, die mit Hilfe von Videoaufnahmen und -analysen erfasst werden. Quividi Ein Beispiel ist das Luxus-Kaufhaus „Harrods“, das über Quividi-Technology und damit über Kameraanalysen erfasste soziodemographischen Daten die In-Store-Werbedisplays auf die jeweiligen Kunden abstimmt. 12 Abb. 2: Kameraanalyse zur Datenerfassung. Nike iD Im Gegensatz zu Personalisierungsmassnahmen, die von Seiten des Unternehmens vorangetrieben werden, können Konsumenten bei „Customization“-Angeboten selbst Angebote, Produkte & Services zusammenstellen und über die Menge und Inhalte der zur Angebotsgestaltung verwendeten Daten entscheiden. Kunden können selbst Daten einpflegen, um z.B. Produkte zu gestalten oder aber noch stärker an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Im Austausch erhalten Konsumenten eine selbstentworfene Leistung, die sich durch z.B. eine kreativere Lösung über das Standardangebot hinaus auszeichnen kann. Ein Beispiel für Customization-Möglichkeiten ist das Konzept von Nike iD. Auf der Plattform von Nike können Kunden selbst Nike-Schuhe gemäss den eigenen Wünschen nach Stil, Form & Farbe designen (http://www.nike.com/). Abb. 3: Nike iD zur selbstständigen Schuhgestaltung. Quelle: Nike (2016) Mtailor.com Bei Mtailer.com, einer Website für massgeschneiderte Business-Kleidung, haben Kunden die Möglichkeit, die Kleidung bzgl. Stil, Stoffen, Mustern usw. zu gestalten und sich mittels PhoneApp innerhalb von 30 Sekunden passgenau vermessen zu lassen, so dass die Kleidung 13 individualisiert werden kann. Angeblich ist die Vermessung mittels Handy um 20 Prozent genauer als durch einen professionellen Schneider. Abb. 4: Massgeschneiderte Business-Kleidung. Quelle: Mtailor (Jahr) Ovomaltine Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Personalisierung bzw. Customization bei Fast Moving Consumer Goods zeigt Ovomaltine. Dort können Kunden z.B. für verschiedene Anlässe Ovomaltine-Dosen in verschiedenen Designs selbst wählen bzw. auf Basis eigener Fotos gestalten. Dabei können Sie einerseits selbst Einfluss auf das eingesetzte Bildmaterial als auch den verwendeten Text nehmen. 14 Abb. 5: Persönliche Ovomaltine Dose. Quelle: meine.ovomaltine.ch, erstellt am 03.01.2017 3.2 Gründe für nachhaltige Relevanz Wunsch nach sofortiger und individueller Beratung. Durch die wachsende Verfügbarkeit und Auswahl an verschiedenen Anbietern, Produkten und Dienstleistungen sind heutige Konsumenten geprägt von einem sich stärker manifestierenden Wunsch nach sofortiger und individueller Behandlung. Aus diesem Grund kann dem Trend der Personalisierung und des Customizing eine steigende Relevanz im Marketing zugeschrieben werden. Keine zusätzlichen Ressourcen notwendig. Durch die weitere Entwicklung technologischer Möglichkeiten, einerseits in der Datenerfassung (z.B. Videotechnologie), Datenspeicherung (z.B. Cloudtechnologien, Software) und -verarbeitung (z.B. Marketing Automation, Real time-Analysen) werden Unternehmen zukünftig weitere Massnahmen in diesem Bereich umsetzen können, ohne zusätzliche Ressourcen einsetzen zu müssen. Abgrenzung vom Wettbewerb. 15 Vielmehr erlaubt Personalisierung eine effiziente und effektive Kundenansprache, welche auch in Zukunft für Marketingmanager von hohem Interesse ist. Je besser unternehmenseigene Angebote an die richtigen Kunden adressiert und an deren Bedürfnisse angepasst werden können, desto mehr Umsatz kann für ein Unternehmen generiert werden. Dabei ermöglichen Personalisierungs- und Customization-Angebote nicht nur eine zielgruppenadäquate, sondern auch differenzierte Ansprache, um sich vom Wettbewerb abgrenzen und der Austauschbarkeit der eigenen Produkte schützen zu können. Erhöhte Zahlungsbereitschaft. Des Weiteren erhöht eine Personalisierung häufig auch die Zahlungsbereitschaft der Kunden und somit die Profitabilität. Abb.6: Segmentation and Personalization Pays Off Quelle: Morrison (2015), http://www.adweek.com/socialtimes/personalization-is-a-big-challenge-for-digital-marketersinfographic/631517 Die Grundlagen für diese Möglichkeiten müssen vom Marketingmanagement frühzeitig gesetzt werden. Dabei sind nicht nur infrastrukturelle Bedingungen, sondern auch unternehmenseigene Kompetenzen zu klären, um eine Personalisierungsstrategie auf allen Ebenen des Marketing-Mix umsetzen zu können. 16 3.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte Um eine Personalisierungs- bzw. Customization-Strategie konzeptionell aufbauen und umsetzen zu können, ist eine genaue und umfassende Analyse des Status Quo unerlässlich. Erst auf dieser Basis können zukünftige Schritte abgeleitet und bis zur Erfolgskontrolle und Optimierung möglicher Massnahmen durchgeführt werden. Die folgenden Leitfragen sollen Hilfestellung zur Identifikation möglicher Ansatzpunkte von Personalisierungsmassnahmen im Unternehmen geben. Analyse des Status Quo im Bereich Personalisierung. Interne Analyse: Welche Massnahmen nutzt das Unternehmen im Bereich der Personalisierung bzw. des Customization? Wie werden diese Massnahmen von Kunden wahrgenommen und genutzt? Wie gestalten sich derzeit die Key Performance Indicators (z.B. Conversion Rate) von bereits durchgeführten personalisierten gegenüber nicht personalisierten Marketingmassnahmen? Bieten aktuelle Massnahmen Erweiterungspotentiale? Welche Möglichkeiten der Personalisierung könnten zukünftig für die wirtschaftlich interessanten Kundengruppen des Unternehmens relevant sein? Wer sind mögliche Zielkunden? Externe Analyse: Wie gestaltet sich „Personalisierung“ bzw. „Customization“ bei relevanten Wettbewerbern des Unternehmens? Welche Möglichkeiten ergeben sich daraus, um sich mit Hilfe eigener Massnahmen von Wettbewerbern differenzieren zu können? Analyse zukünftiger möglicher & relevanter Massnahmen (kurz- sowie langfristig) im Bereich Personalisierung. Welche Massnahmen im Bereich der Personalisierung bzw. des Customization wären aktuell denkbar? Welche zusätzlichen Möglichkeiten in diesem Bereich würden Kunden des Unternehmens gerne nutzen? An welchen Stellen wäre eine Personalisierungs- oder eine Customization-Strategie sinnvoll? In welcher Phase des Kaufprozesses bzw. der Customer Journey würden zusätzliche Massnahmen im Bereich der Personalisierung die bisherige Aktivität sinnvoll ergänzen? Wie könnte „Personalisierung“ als Methode in dem Bereich der Kundenakquisition, dem aktiven Engagement, zur Kundenbindung (Wiederkauf, Cross-/Upselling) oder der Stärkung der 17 Weiterempfehlung durch Kunden eingesetzt werden? In welchem Bereich des Marketing-Mix wäre die Konzeption und Umsetzung einer Personalisierungsstrategie sinnvoll? Im gesamten Marketing-Mix oder auf Marktleistungs-, Preis-, Kommunikations- oder Distributionsebene? Welche kurzfristige und welche langfristigen Massnahmen sollten in naher Zukunft vorangetrieben werden? Sind dabei spezielle Touchpoints eines Kunden interessant – oder ist eine ganzheitliche Personalisierungsstrategie über verschiedene Devices sowie Kommunikationsund Vertriebskontakte realisierbar? Analyse der unternehmenseigenen Infrastruktur und Kompetenzen, um Personalisierungsmassnahmen umzusetzen. Wie könnten sich zusätzliche Massnahmen im Bereich der Personalisierung heute/ innerhalb von 1 Jahr/ innerhalb von 2 Jahren realisieren lassen? Welche Daten sind aktuell vorhanden und welche müssten künftig von Kunden erhoben, extern erworben bzw. verarbeitet werden, um eine Personalisierung der Unternehmensleistungen vornehmen zu können? Wie ist die aktuelle Infrastruktur in den Bereichen der Datenspeicherung, –verarbeitung/ -auswertung und Interpretation von Informationen zu bewerten? Welche unternehmenseigenen Kompetenzen im Bereich der Personalisierung liegen heute vor (Massnahmenplanung, -implementierung und –pflege; v.a. im IT-Bereich)? Welche Ressourcen stehen aktuell und ggf. zukünftig für die Umsetzung von Personalisierungsmassnahmen zur Verfügung? An welcher Stelle würde die Konzeption und Umsetzung solcher Massnahmen festgemacht werden? Definition des Monitorings und Optimierungsprozesses. Wie kann der Erfolg von eingesetzten Personalisierungsmassnahmen überprüft werden? Welche Key Performance Indicators (KPIs) und Vergleichsgruppen können zur Bestimmung des Erfolges der Massnahmen herangezogen werden? Wie kann ein ständiger Optimierungsprozess eingesetzter Massnahmen ermöglicht werden? Welche Stelle wäre für die Erfolgskontrolle und Optimierung eingesetzter Personalisierungsaktivitäten zuständig? 3.4 18 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Während Kunden immer stärker nach individuellen Produkten, Leistungen und Erfahrungen suchen, sind Personalisierungsmöglichkeiten aus Unternehmenssicht mit einer hohen Komplexität und somit diversen Herausforderungen verbunden. Während heute die Individualisierung im Bereich der Kommunikation oder Werbung, v.a. online zu grossen Teilen automatisiert werden kann, bedarf eine Individualisierung tangibler Produkte in der Regel zusätzlicher Investitionen seitens des Unternehmens (Tseng & Piller, 2011). Individualisierung schafft Komplexität, und diese führt zu höheren Kosten. Aus Unternehmenssicht ist es meist einfacher und günstiger, standardisierte Produkte anzubieten. Die genaue Schätzung möglicher Zusatzerträge durch höhere Absatzzahlen oder Preise aufgrund individualisierter Angebote ist daher von hoher Bedeutung (Lindemann, Reichwald & Zäh, 2006). Um einen gewissen Grad der Individualisierung bei angemessenen Produktionskosten zu ermöglichen, bieten Unternehmen häufig eine festgesetzte Bandbreite an Komponenten an, welche individuell zusammengestellt werden können. Solche Massnahmen der Mass Customization lassen sich heute in diversen Branchen finden, beispielsweise als CarKonfiguratoren im Automobilbereich (de Bellis, 2015). 3.5 Wertvolle Ressourcen und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads”) Artun, O. & Levin, D. (2015). Predictive Marketing: Easy Ways Every Marketer Can Use Customer Analytics and Big Data. New Jersey: John Wiley & Sons. Bucchi, P. (2012). Customizing Internet Marketing: The Use of Consumer Behavioral Knowledge in Personalization. AkademikerVerlag. Nesamoney, D. (2015). Personalized Digital Advertising: How Data and Technology are transforming how we market. New Jersey: Pearson Education Walters, D. (2015). Behavioral Marketing: Delivering Personalized Experiences At Scale. New Jersey: John Wiley & Sons. Empfohlene weitergehende Internetquellen Marketo (2016). Guide to Web-Personalization: guides/the-definitive-guide-to-web-personalization/ 19 https://www.marketo.com/definitive- Quividi (2016): Case Studies on Personalized Marketing: http://www.quividi.com/all-casestudies/ Empfohlene Videos Airbnb (2015). Machine Learning as the Key to Personalized Curation – Kamelia Aryafar, Data Scientist, Etsy. https://www.youtube.com/watch?v=jMaa45fw3dQ Kentico (2015). What Content Personalization is & How to Use It. https://www.youtube.com/watch?v=8Vly_GFT6xY SAS Software (2016). SAS for Digital Analytics – Personalization & Marketing Attribution. https://www.youtube.com/watch?v=BnMmHaaU828 SAP Hybris (2015). The next Level of Personalization is Contextualization. https://www.youtube.com/watch?v=Zca4GMOVimU Referenzen und weitere Quellen Bliemel, F., Fassott, G. & Theobald, A. (2013): Electronic Commerce: Herausforderungen – Anwendungen – Perspektiven, Heidelberg. Dorotic, M., Bijmolt, T., H. A. & Verhoef, P. C. (2012): Loyalty Programmes: Current Knowledge and Research Directions, in: Journal of Management Reviews, Vol. 14, No. 3, S. 217-237. de Bellis, E. (2015). Die 3-K-Erfolgsfaktoren von Mass Customization. Marketing Review St. Gallen, 32(2), 62. Lindemann, U., Reichwald, R. & Zäh, M. F. (2006). Individualisierte Produkte-Komplexität beherrschen in Entwicklung und Produktion (pp. 7-16). Berlin: Springer. Tseng, M. M., & Piller, F. (Eds.) (2011). The customer centric enterprise: advances in mass customization and personalization. Springer Science & Business Media. 20 TREND VIER: SENSOR-DRIVEN MARKETING Sensoren gewinnen in vielen Lebensbereichen an Bedeutung. Zahlreiche Apps sind heutzutage mit Sensoren verknüpft und erfassen eine Vielzahl an Daten. So halten Sensoren beispielsweise den Aufenthaltsort einer Person fest, zeichnen Sensor-Driven Marketing Video Aktivitätsmuster auf oder messen Umweltfaktoren wie Luftdruck, Feuchtigkeit und vieles mehr. Sensoren spielen aber nicht nur bei Apps und privaten Anwendungen eine immer wichtigere Rolle, sondern gewinnen auch in der Geschäftswelt an Bedeutung. So werden Sensoren beispielsweise auch für Anwendungen in Autos, Zügen und Flugzeugen genutzt, um Prozesse zu kontrollieren, die Sicherheit zu erhöhen oder den Komfort zu verbessern. Das breite Anwendungsfeld von Sensoren in ganz unterschiedlichen Kontexten eröffnet auch für das Marketing neue Möglichkeiten. Worin die Potentiale eines „Sensor-Driven Marketing“ liegen und wie diese für Unternehmen gewinnbringend eingesetzt werden können, wird nachfolgend anhand ausgewählter Beispiele beschrieben. Für die operative Umsetzung der Erkenntnisse werden für zentrale Aspekte des Themas präzise Handlungsempfehlungen herausgearbeitet, die den Unternehmen als Orientierungshilfe dienen, wie das Thema proaktiv angegangen werden kann. 4.1 Best Practice-Beispiele Sensortechnologie im Gesundheitswesen. Durch die vermehrte Verwendung von Sensoren im Gesundheitswesen wird sich die Betreuung älterer Menschen sowie Menschen mit einem Handicap in naher Zukunft massgeblich verändern. In Australien wurden bereits Sensorsysteme in diesem Umfeld getestet. Ganze Häuser wurden mit verschiedenen Sensoren ausgestattet, welche es ermöglichen, die Bewegungen einer Person nachzuverfolgen, Informationen zu deren Gesundheitszustand zu sammeln und im Notfall automatisch Betreuungspersonen zu alarmieren. Durch diese veränderte Art der Betreuung 21 älterer Menschen oder Menschen mit einem Handicap kann deren Gesundheitszustand überwacht und gleichzeitig deren Unabhängigkeit gefördert werden. Mit einer spielerischen Anwendung der Technologie können die betreffenden Personen dazu animiert werden, sich regelmässig zu bewegen. Dies geschieht beispielsweise über eine App auf dem iPad, die von Schwarz-Weiss auf farbig wechselt, wenn die Patienten ein gewisses Aktivitätsniveau erreicht haben. Dadurch sollen die Patienten motiviert werden, aktiv zu bleiben. Gleichzeitig gibt ein solches System den Betreuungspersonen die Möglichkeit, den Aktivitätsstatus ihrer Patienten zu überwachen. Die Aufzeichnung von Daten ermöglicht es, aussergewöhnliche Ereignisse sofort festzustellen. In diesem Fall wird ein entsprechender Alarm ausgelöst. Diese neuen Anwendungsmöglichkeiten sind auch für Marketeers interessant. Die Zielgruppe der älteren Menschen Betreuungsdienstleistungen auf dem steigt Markt dadurch. wird grösser Dieser und steigenden der Bedarf Nachfrage an nach Betreuungsdienstleistungen kann durch die Anwendung der Sensortechnologie begegnet werden. Die Patienten werden nicht mehr so schnell in Altersheime umziehen müssen, sondern sie können länger in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Aus Sicht des Marketing ist dies interessant, weil der Bedarf an Dienstleistungen und Produkten der älteren Menschen dank der Sensoren noch genauer erfasst werden kann. So kann für diese Zielgruppe ein Mehrwert geschaffen werden, indem ihr gezielt diejenigen Produkte angeboten werden, die für sie von hoher Relevanz sind. Dadurch kann nicht nur die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass die Produkte erworben werden, sondern im Idealfall kann auch eine höhere Zahlungsbereitschaft abgeschöpft werden. Dies wird dadurch erreicht, dass Angebote personalisiert und individualisiert werden, um den Bedürfnissen der Kunden noch besser gerecht zu werden. Allerdings führt diese Entwicklung dazu, dass die Patienten zwar nicht permanent, aber doch punktuell besser unterstützt werden müssen. Die Anzahl der Patienten mit akuten Erkrankungen, chronischen Beschwerden und Demenz nimmt zu. Die Technologie ermöglicht es, die zur Verfügung stehenden Ressourcen breiter zu verteilen. Quelle: ABC (2015) Marketing im Zeitalter der Industrie 4.0. Neue technologische Entwicklungen verändern die Art der Kooperation von Unternehmen untereinander. Waren Prozessschritte früher meist sequentiell angelegt, so geht der Trend 22 heutzutage viel stärker in Richtung einer integrierten Kollaboration im Rahmen sogenannter wertgenerierender Netzwerke (Value-Added Networks). Diese wertgenerierenden Netzwerke erlauben eine flexiblere und individualisierte Verarbeitung von Kundenanfragen und Arbeitsaufträgen. Dank umfassender Datenanalysen zu Fabrikationsprozessen und der Zusammenarbeit mit Zulieferern kann die Geschäftsaktivität in Echtzeit erfasst, ausgewertet und optimiert werden. So werden Kostenanalysen möglich, anhand derer sich zukünftige Investitionsüberlegungen auf Basis einer soliden Entscheidungsgrundlage anstellen lassen. Aus Sicht des Marketing sind wertgenerierende Netzwerke auch deshalb interessant, weil dem Kunden dadurch massgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen angeboten werden können, für welche er häufig eine überdurchschnittlich hohe Zahlungsbereitschaft hat. Durch die Beschleunigung sowohl intra- als auch interorganisationaler Prozesse verkürzt sich zudem die Lieferzeit für Produkte und Dienstleistungen substantiell, was wiederum einen Mehrwert generiert – und zwar nicht nur für den Kunden, sondern auch für das Unternehmen. Dieses kann sich dadurch von der direkten Konkurrenz abheben. Weiter kann der Zeitpunkt der Erbringung von Dienstleistungen optimal terminiert werden, was sich positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirken dürfte. Durch die Optimierung von Prozessen können zudem Kosteneinsparungspotentiale realisiert werden. Die Grundlage dafür sind Effizienzsteigerungen in den Abläufen. All dies führt dazu, dass sich Unternehmen mehr Spielraum in der Preisgestaltung schaffen und sich so nicht nur auf der Prozess-, sondern auch auf der Preisebene von anderen Anbietern abheben können. Quelle: In Anlehnung an SAP (Ohne Datum) Abb. 1: Wertgenerierende Netzwerke. Quelle: SAP (Jahr) 23 Neue Potentiale fürs Marketing: Das Internet der Dinge. Der technologische Wandel vollzieht sich in rasantem Tempo. Es ist davon auszugehen, dass das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) den Alltag einer breiten Bevölkerungsschicht in naher Zukunft wesentlich verändern wird. Dies bringt auch neue Chancen und Herausforderungen für das Marketing mit sich. Experten sind der Ansicht, dass das Internet der Dinge in den nächsten Jahren zusammen mit anderen Technologietrends wie Big Data oder mobilen Transaktionen in Echtzeit einen grossen Einfluss darauf haben wird, wie Marketing betrieben wird. Die Palette an Produkten, die Teil des Internets der Dinge werden können, steigt laufend. Dies hängt damit zusammen, dass Verbindungstechnologien immer günstiger werden. So finden auch Applikationen für alltägliche Gegenstände wie Haushaltsgeräte immer breitere Anwendung. Diese stellen allerdings lediglich die Spitze des Eisbergs dar. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Vernetzung solcher Geräte weiter zunehmen und viele unserer Lebensbereiche durchdringen wird. Schon heute hat das Internet der Dinge für das Marketing eine wichtige Bedeutung. Man schätzt, dass bis 2020 bis zu einer Billion (1000 Milliarden) Geräte auf dem Markt sein werden, die sich digital miteinander verbinden lassen und somit zu einem Bestandteil des Internets der Dinge werden können. Die Vernetzung geschieht beispielsweise durch RFID-Tags oder Chips, die in die Geräte eingebaut werden. Das Potential für zusätzliche Anwendungen in diesem Bereich erscheint vor diesem Hintergrund fast unerschöpflich. Auch nicht-elektronische Geräte des täglichen Gebrauchs können durch intelligente Verpackungen, smarte Software und Mobiltelefone digitalisiert werden. 24 Abb. 2: Das Internet der Dinge: Technology Roadmap. Quelle: Tikalon (2013) Es gibt bereits heute zahlreiche Beispiele für die Verwendung des Internets der Dinge. Ein Beispiel sind die sogenannten Products-as-a-Service. Hierbei handelt es sich um physische Güter, die über eine digitale Vernetzung verfügen. Diese Vernetzung ermöglicht eine Anpassung des Produkts an die Präferenzen des Nutzers. Eines der bekanntesten Beispiele in diesem Bereich sind die Fahrzeuge von Tesla. Bei diesen können über Nacht Leistungsupgrades installiert und Produktmängel behoben werden. Der wesentliche Vorteil solcher smarter Produkte besteht darin, dass sich diese dadurch besser von Konkurrenzprodukten differenzieren lassen und sich ein Preis-Premium erzielen lässt. Zudem wird es durch den Lock-in-Effekt vieler Produkte schwieriger, zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Schliesslich können durch das Internet der Dinge und damit verbundene neue Geschäftsmodelle weitere Einnahmequellen erschlossen werden. Solch neue Geschäftsmodelle können beispielsweise Abonnemente oder nutzenbasierte Dienstleistungen sein. Eines der Unternehmen, welches auf ein solches neues Geschäftsmodell setzt, ist Gooee. Die Firma revolutioniert derzeit die Glühbirnenindustrie. Gooee installiert Chips und Sensoren in Glühbirnen und verkauft Beleuchtung „als Dienstleistung“. Die Glühbirnen werden auf einer Internet-der-Dinge-Plattform betrieben und sind miteinander verbunden. Durch gezieltes Sammeln von Daten und dank der optimierten Nutzung der Glühbirnen können Elektrizitätsund Unterhaltskosten eingespart werden. Die Glühbirnen enthalten aber auch Bewegungsmelder, beispielsweise um im Detailhandelsbereich Laufwege von Kunden zu erfassen sowie Rauchmelder, um im Notfall automatisch Alarm auszulösen. Die Beleuchtungsfirma Gooee ist also nicht mehr länger ausschliesslich in der Glühbirnenbranche tätig, sondern auch im Bereich von Sicherheitsdienstleistungen, Feueralarmen, Bestandsmanagement und der Energieeffizienz. Ein weiteres Beispiel für den praktischen Nutzen des Internet der Dinge sind Produkte, die mit einem Ökosystem verbunden sind. Solche Produkte können einen zusätzlichen Kunden- und Geschäftsnutzen stiften, indem sie mehr Verbindungen zu Partnerprodukten, Apps und Datenservices im digitalen Ökosystem herstellen. So können beispielsweise während Fahrten mit Uber über den Premium-Spotify-Account die eigenen Playlists gestreamt werden. Der neue Jawbone Fitness Tracker ermöglicht kontaktloses Bezahlen mit American Express und eine Partnerschaft von Visa mit Pizza Hut macht Produktbestellungen und Bezahlung per Sprachaktivierung möglich. Streaming Analytics dürfte zudem zu einer verbesserten Benutzererfahrung für die Kunden führen. Wenn ein Kunde eine schlechte Benutzererfahrung macht, kann der Anbieter rasch reagieren und mit entsprechendem Kundendienst aufwarten. So kann es zum Beispiel vorkommen, dass ein Kunde nach dem Kauf eines neuen elektronischen Gerätes einen Knopf 25 mehrmals nacheinander drückt. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass er Schwierigkeiten damit bekundet, sein neu erworbenes Produkt richtig zu bedienen. Um entgegenzuwirken, dass sich der Kunde in sozialen Medien oder auf anderen Plattformen im Zusammenhang mit dem Produkt negativ äussert, kann der Anbieter dem Kunden eine Video-Anleitung schicken oder einen Echtzeit-Chat anbieten. Dadurch wird der Kunde bei der Nutzung seines neuen Produkts gezielt unterstützt und dessen positive Benutzererfahrung gesteigert. Abb. 3: Streaming Analytics Quelle: In Anlehnung an SAP (ohne Datum) Der Wert von Geräten wird sich vermehrt nicht nur daran bemessen, wie gut deren autonome Funktionalität ist, sondern auch daran, wie gut ein Gerät in seinem digitalen Ökosystem funktioniert. Der Erfolg eines Produktes wird folglich auch davon abhängen, inwiefern es den Anbietern gelingt, voneinander abhängige Geräte-, App- und Servicenetzwerke miteinander zu verbinden. Es geht also nicht mehr ausschliesslich darum, Daten zu sammeln, sondern auch darum, diese zu vernetzen und zu teilen. Quelle: Chiefmartec.com (2015) Internet der Dinge: Digitaler und physischer Wertbeitrag durch Integration. Das Internet der Dinge verknüpft digitale Geschäftsmodelle mit solchen aus dem nicht-digitalen Bereich, um ein hybrides Konstrukt zu formen. Im Internet der Dinge wird auf verschiedenen Ebenen Wert geschaffen (siehe Abbildung unten). Dieser Abschnitt geht näher auf diese wertgenerierenden Schichten ein. Die unterschiedlichen Schichten werden anhand des Beispiels einer LED-Glühbirne erläutert. 26 1. Schicht: Physisches Objekt Das physische Element – hier die LED-Glühbirne – stellt die erste Schicht des Wertschöpfungsmodells dar. Der Nutzen für den Anwender entsteht unmittelbar und besteht im Komfort, den die LED-Glühbirne durch das produzierte Licht bietet. Da die Glühbirne ein physisches Objekt ist, ist sie an einen bestimmten Standort gebunden. Der Nutzen entsteht ausschliesslich in ihrer direkten Umgebung, beispielsweise in einem Raum. 2. Schicht: Sensor Bei der 2. Schicht wird dem physischen Objekt ein Minicomputer mit einem Sensor eingebaut. Der Sensor erfasst lokale Daten, auf deren Basis lokale Dienstleistungen und damit wiederum ein Nutzen generiert wird. Beim Beispiel der LED-Glühbirne misst ein Mikrowellensensor unablässig, ob sich Personen im Raum befinden. Diese Messung ist zuverlässig und kostengünstig. Das Licht schaltet sich automatisch ein, sobald eine Person den Raum betritt. Damit werden separate, kabelgebundene Bewegungsmelder überflüssig. 3. Schicht: Verbindung In der 3. Schicht werden die Sensortechnologie und das Internet miteinander verbunden, so dass eine globale Datenverfügbarkeit sichergestellt wird. Beim Bespiel der Glühbirne können die gesammelten Informationen weltweit kostengünstig an autorisierte Nutzer übermittelt werden. 4. Schicht: Datenanalyse Eine Verbindung allein liefert noch keinen zusätzlichen Nutzen. In einer vierten Schicht werden die Daten des Sensors gesammelt, gespeichert, auf ihre Plausibilität überprüft und klassifiziert. Diese Informationen werden mit anderen Werten verknüpft, um daraus Konsequenzen für den Betrieb abzuleiten. Das geschieht in der Regel anhand Cloud-basierter Lösungen. Im Beispiel der LED-Glühbirnen werden die Betriebszeiten sowie die Bewegungsmuster der sich im Raum befindenden Personen erfasst. Abb. 4: Das Internet der Dinge: Wertgenerierende Schichten Quelle: Fleisch, Weinberger & Wortmann (2014), S. 7 27 5. Schicht: Digitale Dienstleistung In der fünften und letzten Schicht werden die in den anderen Schichten gesammelten Informationen zu digitalen Dienstleistungen strukturiert. Dies kann in Form einer internetbasierten Dienstleistung oder einer mobilen Anwendung sein, welche global verfügbar ist. Diese digitalen Dienstleistungen sind untrennbar mit den smarten Objekten verknüpft, durch welche die Daten generiert werden. Im Beispiel der LED-Glühbirne kann diese mit einem Alarm ausgestattet werden, der den Hausbesitzer informiert, sobald sich eine Person im Raum befindet. Es besteht auch die Möglichkeit, dass beispielsweise die gesamte Lichtanlage automatisch in Betrieb genommen wird, sobald Personen den Raum betreten. So können unliebsame Gäste vom Gebäude ferngehalten werden – auch dies wieder zu marginalen Kosten. Zentral ist, dass die fünf Schichten nicht unabhängig voneinander funktionieren. Eine Lösung im Sinne des Internets der Dinge beinhaltet in der Regel eine Integration der verschiedenen Schichten. Deshalb ist es wichtig, dass die Hardware zunehmend mit der Verbindung zu internetbasierten Lösungen entwickelt wird, um eine Integration der verschiedenen Schichten sicherzustellen. Quelle: Fleisch, Weinberger & Wortmann (2014), S. 6-7 4.2 Gründe für nachhaltige Relevanz Breites Anwendungsgebiet von Sensoren. Sehr viele verschiedene Märkte sind vom technologischen Wandel im Bereich der Sensortechnik betroffen. So gibt es Anwendungen unter anderem in der Industrie, im Rüstungswesen, in der Medizin, im Handel, in der Logistik sowie in der Sicherheitsbranche. Unternehmen, die ein spezifisches Produkt anbieten, kann die weitere Verbreitung der Sensortechnologie helfen, bestimmte Nischen zu besetzen. Die verstärkte Nutzung von Smartphones dürfte den Markt für Sensoren darüber hinaus weiter ankurbeln. Beispiele für mögliche Anwendungen sind Beschleunigungsmesser, Gyroskope für optische Bildstabilisierung, Magnetometer, elektronische Kompasse, Mikrofone, Druck-, Feuchtigkeits- und Temperatursensoren, aber auch Herzfrequenzmesser, 3D-Kameras und Iris-Wiedererkennungsgeräte. Allerdings sind gewisse Experten der Ansicht, dass das Wachstum von Sensortechnologien auch stagnieren könnte, da der Markt für Smartphones schon bald gesättigt sein dürfte. Quelle: Yole Développement (2016a, 2016b) 28 Digitalisierung der Marketing Experience. Die Kunden erwarten heutzutage, dass Unternehmen der zunehmenden Digitalisierung Rechnung tragen und auch ihre Marketingmassnahmen so gestalten, dass für die Kunden neuartige Erlebnisse geschaffen werden. Ein Einkauf in einem Online-Shop beispielsweise soll nicht nur technisch einwandfrei erfolgen, sondern der Kunde sollte wenn immer möglich auch ein tolles Einkaufserlebnis damit verbinden. Unternehmen, welche diesen Trend einer Digital Marketing Experience verpassen, dürften gegen-über der Konkurrenz rasch an Boden verlieren. Es geht darum, die – möglicherweise auch mithilfe von Sensoren – gesammelten Daten gezielt zu analysieren, Konsequenzen daraus abzuleiten und die Marketing Experience für den Kunden weiter zu verbessern. Deshalb ist es notwendig, dass der gesamte Marketing-Mix auf die Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, ausgerichtet wird und eine innovative Customer Experience geschaffen wird. Quelle: In Anlehnung an CMO (2016) Veränderung von Geschäftsmodellen. Sensoren und deren Anwendungen werden bestehende Geschäftsmodelle nachhaltig verändern. Applikationen, die im Haushalt eingesetzt werden, wie beispielsweise der Nest-Thermostat, sammeln Informationen über den Anwender. So weiss das Gerät nach einer bestimmten Zeit, wann jemand zu Hause ist und wann nicht. Das kann beispielsweise für Versicherungen interessant sein. Das Risikoprofil von Versicherten, die oft zu Hause sind, unterscheidet sich nämlich wesentlich von demjenigen von Personen, die regelmässig über längere Zeit abwesend sind. Durch die Verwendung von Sensoren verändert sich auch der Wertgehalt von Produkten. Dieser besteht nicht mehr nur im Produkt selbst, sondern in den Informationen, die im Laufe der Zeit durch die Verwendung des Produkts angehäuft werden. Die Möglichkeiten in diesem Bereich sind schier unerschöpflich. Quelle: CMO (2016) 4.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte Erschliessen Sie das Internet der Dinge für Ihr Unternehmen. 29 Unternehmen sollten ihre Produkte im grossen Stil „digitalisieren“, um das Internet der Dinge für sich nutzbar zu machen. Es geht darum, den Kunden eine bessere Benutzererfahrung zu ermöglichen. Folgendes Beispiel illustriert, wie das konkret aussehen könnte: Ein mit einem Sensor ausgestattetes Garagentor, welches über längere Zeit offen steht, löst beim Besitzer oder Mieter der Garage einen automatischen Alarm aus. Der Benutzer kann das Garagentor dann per Fernsteuerung schliessen lassen. Führen Sie in Ihrer Lieferkette Echtzeit-Produkttracking ein. Unternehmen sind dazu aufgefordert, ihre Lieferkette effizienter zu machen, indem sie Produkttracking in Echtzeit einführen. Dadurch können sie umgehend auf Fehler in der Lieferkette reagieren, zum Beispiel wenn Teile einer Schiffslieferung verloren gehen oder wenn ein Produkt an den falschen Ort geliefert wird. Es geht darum, Informationen über Produkte und Kunden zu erhalten, über die sie ohne diese Technologie nicht verfügen würden. In Bezug auf Kundendaten geht es beispielsweise darum zu erfassen, wer die Produkte in welchem Umfeld verwendet. Nutzen Sie Cross- und Upselling-Potentiale. Je mehr Leute die Technologie des Internets der Dinge nutzen, desto mehr Wert lässt sich dadurch generieren. Einkäufe in Echtzeit und Verhaltensdaten schaffen Potential für Cross- und Upselling sowie Effizienzsteigerungen im Bestandsmanagement und in der Wertschöpfungskette. Marketeers sollten das Internet der Dinge daher als Chance für Innovation und Wachstum ansehen und nicht bloss als einen vorübergehenden Hype. Stimmen Sie Marketing- und IT-Aktivität eng aufeinander ab. Durch die fortschreitende Digitalisierung rücken das Marketing und die Informatik noch näher zusammen. Ein Chief Marketing Officer ist heutzutage unter anderem auch dafür verantwortlich, Plattformen zu schaffen, anhand derer die Aufmerksamkeit potentieller Kunden erhöht, die Nachfrage gesteigert und die eigene Marke gestärkt werden kann. In Abstimmung mit dem Chief Information Officer und dem Chief Technology Officer müssen Technologiesysteme mit Echtzeitlösungen implementiert werden, welche das Unternehmen mit Kunden und Geschäftspartnern verbindet. Nur so kann sichergestellt werden, dass Unternehmen weiterhin erfolgreich Marketing betreiben können. 30 Legen Sie grossen Wert auf den Schutz Ihrer Kundendaten. Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge sind die Themen Privatsphäre und Datensicherheit, welche eng miteinander verknüpft sind. Letztlich geht es darum, die Privatsphäre der Nutzer durch die Bereitstellung sicherer Datenverbindungen zu schützen und so deren Vertrauen in die neuen Technologien nachhaltig zu stärken. Fehlendes Vertrauen die Datensicherheit des Internets der Dinge wird nämlich als einer der grössten Stolpersteine bei dessen Weiterverbreitung angesehen. Nur, wenn die Anwender Vertrauen in die Technologie und die sichere Aufbewahrung ihrer Daten haben, kann das Internet der Dinge sein volles Potential ausschöpfen. Quelle: Chiefmartec.com (2015) 4.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Wird das Internet der Dinge die Geschäftswelt nachhaltig verändern? Welchen Nutzen generieren neue Anwendungen? Wer profitiert von diesen Veränderungen? Zahlreiche Experten beschäftigen sich mit diesen Fragen und attestieren dem Internet der Dinge ein enormes Potential für kommerzielle Anwendungen. Dennoch gibt es auch Stimmen, die sich diesbezüglich kritisch äussern. Einer dieser Kritiker ist Fahim Kawsar. In seinem Vortrag auf der SAI Konferenz stellt er das kommerzielle Potential der Anwendungen im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge in Frage. Er vertritt die Ansicht, dass es in den vergangenen 15 Jahren nicht gelungen sei, einen kommerziellen Nutzen aus den Erkenntnissen der Smart-Home-Forschung zu generieren. Seine Standpunkte illustriert er anhand verschiedener Case Studies. URL: https://www.youtube.com/watch?v=VlMOT16B6EE Quelle: SAI Conference (2015) 4.5 Wertvolle Ressourcen und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads”) Fleisch, E., Weinberger, M. & Wortmann, F. (2015). Geschäftsmodelle im Internet der Dinge. Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 67(4), 444–464. 31 Geschäftsmodelle im Internet der Dinge Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) verspricht für zahlreiche Unternehmen völlig neue Möglichkeiten. Der Beitrag zeigt auf, wie vor dem Hintergrund des Internets der Dinge neue Geschäftsmodelle entwickelt werden können. Fleisch, E., Weinberger, M. & Wortmann, F. (2014). Business Models and the Internet of Things. Bosch IoT Lab White Paper. Business Models and the Internet of Things In diesem Artikel wird erörtert, welche Auswirkungen das Internet der Dinge auf Geschäftsmodelle hat. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Unternehmen, die primär in nichtdigitalen Industrien tätig sind, denn Muster digitaler Geschäftsmodelle sind inzwischen auch für die produzierende Industrie von Bedeutung. Das Internet der Dinge ermöglicht eine Verschmelzung digitaler Services mit physischen Produkten. Am Ende des White Papers werden die zentralen Herausforderungen bei der Implementierung hybrider Geschäftsmodelle besprochen und mögliche Lösungsansätze präsentiert. International Electrotechnical Commission. (2014). Internet of Things: Wireless Sensor Networks. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.iec.ch/whitepaper/pdf/iecWPinternetofthings-LR-en.pdf Internet of Things: Wireless Sensor Networks In diesem White Paper werden die Nutzung und die Entwicklung von Wireless Sensor Networks im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge diskutiert. Dabei werden folgende Themenschwerpunkte gesetzt: Historische Entwicklung von Wireless Sensor Networks, Technologie, Herausforderungen, Anwendungen, Standards und Handlungsempfehlungen. Goldmann Sachs. (2014). The Internet of Things: Making Sense of the next mega-trend. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.goldmansachs.com/ourthinking/outlook/internet-of-things/iot-report.pdf The Internet of Things: Making Sense of the Next Mega-Trend Worum handelt es sich beim Internet of Things? In welchen Bereichen bestehen Anwendungsmöglichkeiten? Was sind die Treiber der Entwicklung? Wo bestehen Chancen und 32 welche Risiken gibt es? Diesen und weiteren Fragen geht der Report von Goldman Sachs auf den Grund. Deloitte. (2015). Industry 4.0 – Challenges and solutions for the digital transformation and use of exponential technologies. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.industrie2025.ch/fileadmin/user_upload/ch-en-delloite-ndustry-4-024102014.pdf Industry 4.0 – Challenges and Solutions for the Digital Transformation and use of Exponential Technologies Was versteht man unter der Industrie 4.0? Wie ist die Schweizer Industrie diesbezüglich positioniert? Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich durch die Anwendungen von Smart Buildings, Smart Homes, Smart Mobility, Smart Grid und Smart Logistics und wie hängen diese zusammen? Der Bericht von Deloitte gibt Antworten auf diese und weitere Fragestellungen zum Thema Industrie 4.0. STMicroelectronics (2016). MEMS and Sensors: Smart Motion Tracking IoT and enhanced user experience. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.st.com/content/ccc/resource/sales_and_marketing/promotional_material/broch ure/5c/3f/63/0b/5f/7e/49/68/brmems.pdf/files/brmems.pdf/jcr:content/translations/en.brmem s.pdf MEMS and Sensors: Smart Motion Tracking, IoT and Enhanced User Experience Sensoren können in ganz unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereichen zum Einsatz gelangen. In diesem Report werden die Anwendungsmöglichkeiten von Sensoren sowie deren jeweiligen Benefits aufgezeigt. Man erhält einen Überblick, welche technischen Veränderungen zu erwarten sind und welche Auswirkungen diese auf einzelne Branchen haben werden. Empfohlene weitergehende Internetquellen Adweek. (2016). 5 Ways Marketers Are Already Putting Sensors to Work: Next-gen ideas are sure to be the talk of CES. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.adweek.com/news/technology/5-ways-marketers-are-already-putting-sensorswork-168777 5 Ways Marketeers Are Already Putting Sensors to Work 33 Wie und wo setzen Marketeers die Sensortechnologie bereits heute ein und welche Trends bahnen sich im Bereich von Wearables und Virtual Reality an? Diese und weitere Fragen werden in diesem Beitrag sowohl anhand bekannter als auch neuer Beispiele erörtert. AutomationWorld. (2015). How the Internet of Things is Shaping the Sensors Market. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.automationworld.com/how-internet-things-shapingsensor-market How the Internet of Things Is Shaping the Sensor Market Gerade im industriellen Bereich führen die zunehmende digitale Verknüpfung von Sensoren und das Internet der Dinge zu neuen Anwendungen. Dies zieht unterschiedliche Konsequenzen nach sich. Die wichtigsten davon werden in diesem Artikel besprochen. Yole Développement. (2016c). Status of the CMOS Image Sensor Industry 2016: New Market and Technology Dynamics. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.imicronews.com/images/Flyers/Imaging/Yole_Status_of_the_CMOS_Image_Sensor_Industr y_2016_New_Dynamics_in_Market_and_Technology_June_2016_Flyer_web.pdf Status of the CMOS Image Sensor Industry 2016: New Market and Technology Dynamics Der Market & Technology Report beleuchtet, wie sich der Markt für Bildsensoren in den kommenden Jahren entwickeln wird und welches hierbei die Hauptakteure sind. Zudem wird aufgezeigt, wie der Markt und die Technologien segmentiert werden können. Schliesslich werden auch die Haupttreiber und Herausforderungen der aktuellen Entwicklungen herausgearbeitet. Anhand anschaulicher Grafiken werden die Trends übersichtlich dargestellt. MEMS Journal. (2014). Wearable Sensor Market to Expand Sevenfold in Five Years. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.memsjournal.com/2014/10/wearable-sensor-market-toexpand-sevenfold-in-five-years.html Wearable Sensor Market to Expand Sevenfold in Five Years Der Markt für Wearables wird sich in den kommenden Jahren rasant weiterentwickeln. Verschiedene Sensoren in unterschiedlichen Geräten führen zu einer zunehmenden Vernetzung von Daten und Analysemöglichkeiten. In diesem Bericht werden die Entwicklungslinien im Bereich der Wearables aufgezeigt und anhand zahlreicher Grafiken aufbereitet. 34 MSI. (2016). 6 Expert Views on the Consumer Internet of Things. Abgerufen am 3. Januar 2017 von http://www.msi.org/articles/6-expert-views-on-the-consumer-internet-of-things/ Empfohlene Videos Al Jazeera English. (2015). TechKnow – The House of the Future. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von https://www.youtube.com/watch?v=yTW_7vIOlLw Havas Media Group. (2015). Sensing the Future of Technology. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von https://www.youtube.com/watch?v=Q31IRTwk4rM MSI. (2015). Marketing on the Internet of Things. Abgerufen am 03.01.2017 von http://www.msi.org/video/marketing-on-the-internet-of-things/ Referenzen und weitere Quellen ABC. (2015). Sensor technology in homes being trialled by CSIRO to assist elderly, people with disabilities. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.abc.net.au/news/2015-0115/csiro-trial-new-sensor-technology-assist-elderly-disability/6019382 Chiefmartec.com. (2015). Marketing and the Internet of Things, closer than you think. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://chiefmartec.com/2015/06/marketing-internet-things-closer-think/ CMO. (2016). Why this CMO sees sensors, social and virtual reality as key to B2B marketing. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.cmo.com.au/article/593120/why-one-cmo-sees-sensorsvirtual-reality-keys-modern-marketing/ SAIConference. (2015). Keynote – Fahim Kawsar at SAI Conference 2015 – Network Intelligence Driven Behavior Modeling. Abgerufen am 6. Oktober 2016 https://www.youtube.com/watch?v=VlMOT16B6EE SAP. (Ohne Datum). Production of the Future: How to Prepare for the Fourth Industrial Revolution. Abgerufen am 23. Oktober 2016 von http://global.sap.com/community/ebook/2013_11_28302/enUS/index.html#/page/1 SAS. (Ohne Datum). Internet of Things meets Analytics: Vom Spielfeld zum Geschäftsfeld. Das Internet der Dinge maximal nutzen. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.sas.com/de_ch/insights/big-data/internet-of-things.html Tikalon. (2013). The Internet of Things. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://tikalon.com/blog/blog.php?article=2013/Internet_of_things 35 Yole Développement. (2016a). Sensors for Cellphones and Tablets – 2016 Report. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.slideshare.net/Yole_Developpement/sensors-for-cellphonesand-tablets-2016-report-by-yole-developpement Yole Développement. (2016b). Sensors for drones and robots: Market opportunities and technology. revolution. Abgerufen am 6. Oktober 2016 von http://www.imicronews.com/report/product/sensors-for-drones-and-robots-market-opportunities-andtechnology-revolution.html 36 TREND FÜNF: BIG DATA-MANAGEMENT „Big Data sind unstrukturierte Daten über den Nachfrager, generiert aus sozialen Medien, der Webseitennutzung, Online-Käufen und standortbezogenen GPS-Informationen. Die Herausforderung besteht in der Verknüpfung dieser Big Data-Management Video unstrukturierten Daten mit unternehmensintern bereits vorhandenen, strukturierten Kundendaten und ihrer kundennutzenorientierten Analyse und Verwertung.“ Definiton (Burmann et al. 2013) 5.1 Best Practice-Beispiele Big Data kann zur Verkaufsprofessionalisierung beitragen. Dies macht es auch im B2B-Bereich attraktiv und ist somit folglich nicht mehr nur auf den B2C-Bereich beschränkt. Durch die Integration verschiedener Datenquellen (z.B. Zensusdaten und aktuelle Vertriebsdaten) können Marktgrösse und die Arbeitsbelastung des Vertriebs modelliert und vorausgesagt werden. Auf dieser Basis kann dann der Verkauf besser orchestriert werden (z.B. Einstellen von mehr Verkaufsmitarbeitern). Quelle: http://www.forbes.com/sites/louiscolumbus/2016/05/09/ten-ways-big-data-is-revolutionizing-marketing-andsales/#2d087d93115e 37 Abb. 1: Big Data Analyse Quelle: Columbus (2016), http://www.forbes.com/sites/louiscolumbus/2016/05/09/ten-ways-big-data-is-revolutionizingmarketing-and-sales/#2d087d93115e DHL Big Data wird auch erfolgreich im Supply-Chain-Management eingesetzt. Die DHL nutzt beispielsweise verschiedene Datenquellen, um potenzielle Störungen in der Lieferkette zu minimieren. In der Konsequenz werden somit Produktionsstopps und Umsatzverluste vermieden. Eine reibungslose Lieferkette fördert die Kundenzufriedenheit und die frei gewordenen Erlöse können in andere Bereich reinvestiert werden (z.B. Verkaufsmassnahmen). 38 Abb. 2: Big Data in der Logistik Quelle: DHL (2013)http://www.forbes.com/sites/louiscolumbus/2016/05/09/ten-ways-big-data-is- revolutionizing-marketing-and-sales/ - 2d087d93115e Zudem hat die DHL das sogenannte „DHL Parcel Volume Prediction“-Modell entwickelt. Diesbezüglich werden Wechselbeziehungen zwischen Wetterbedingungen, Grippewellen und Onlineverkaufsverhalten von Privatpersonen analysiert. Als Konsequenz können bestehende Prozesse optimiert und der Kundenservice verbessert werden, was die Kundenzufriedenheit verbessern und somit die Unternehmensperformance steigern sollte. Quelle: http://www.dhl.com/en/about_us/logistics_insights/ Hewlett-Packard Enterprise Hewlett-Packard Enterprise: Das Cape2Cape-Projekt. 1 Auto, zwei Fahrer und modernstes IPEquipment und Spezialsensorik an Bord. Mit der Rekordfahrt vom Nordkap zum Kap Agulhas wurde verdeutlicht, was mit Big-Data-Auswertungen heute alles realisierbar ist. Integration verschiedenster Datenquellen (Biodaten vom Fahrer, Sensordaten vom Auto + externe Daten, wie z.B. Bilddaten oder Auswertungen über Radio und Twitter) zur Ableitung von Marketing Use Cases. 39 Abb. 3: Hewlett-Packard Enterprise: Das Cape2Cape-Projekt Quelle: HPE (2016)http://www.forbes.com/sites/louiscolumbus/2016/05/09/ten-ways-big-data-is- revolutionizing-marketing-and-sales/ - 2d087d93115e Es können u.a. folgende Use Cases für das Marketing abgeleitet werden: a) Insights über das Fahrverhalten, welche dann wiederum für Versicherungen interessant sein könnten (Stichwort: Risikobewertung bei Versicherungsabschluss). b) Die Qualität und Sicherheit der Strassen können Logistikprozesse (gerade in nichteuropäischen Ländern) verbessern und somit zur Wertsteigerung beitragen. c) Verbindung verschiedener Datenquellen als Vorlage für andere Unternehmen. d) Sicherstellung von Datensicherheit – Wie kann das Eingreifen von externen Personen bzw. Unternehmen verhindert werden? Quelle: http://businessvalueexchange.com/de/2016/02/25/mit-digitalisierung-und-dem-internet-der-dinge-um-die-halbe-welt/ 5.2 Gründe für nachhaltige Relevanz Wettbewerbsvorteile sichern. In zunehmend gesättigten Märkten wird es immer schwerer, sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Durch den Einsatz neuartiger Datenquellen (Big Data) kann die 40 Kundenakquisition und –bindung professionalisiert werden, so dass sich strategische Wettbewerbsvorteile ergeben. Durch die verbesserten Customer Insights können mehr Ressourcen für das Customer Relationship Management investiert werden und die reine Durchführung von Kampagnen verliert an Bedeutung. Strukturierung der bestehenden Organisationsformen. Mittels des Einsatzes von Big Data werden auch bestehende Organisationsformen transformiert. Die hier noch ungeklärten Fragen: Wie wird das Big Data-Management sinnvoll in vorhandene Organisationsmodelle eingebaut? Kommt es zu einer Verschmelzung von IT und Marketing? Welche Qualifikationen müssen Marketeers zukünftig mitbringen, um erfolgreich zu sein? Komplementär und nicht Substitute. Trotz der zunehmenden Fokussierung auf Big Data und Data Intelligence müssen Marketeers weiterhin ihrem „Kerngeschäft“ nachgehen. Das bedeutet: Die klassischen Marketingaufgaben bleiben im Unternehmen von Relevanz– trotz des Einsatzes von Big Data. Hier sollte man das klassische Marketing und Big Data nicht als substituierbar ansehen, sondern vielmehr als komplementär. Nach dem Motto: Klassische Marketingaufgaben, wie z.B. das Preismanagement, können durch Big Data profitieren, müssen aber weiterhin in der gewohnten Qualität ausgeführt werden. 5.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte Big Data soll Wert steigern – und zwar messbar. Big Data sollte nie zum Selbstzweck durchgeführt werden – es muss ein klarer betriebswirtschaftlicher Nutzen entstehen. Idealerweise sollte es durch eine ROI-Initiative getrieben sein, was bedeutet, dass durch Big Data-Projekte eine nachvollziehbare Wertsteigerung im Unternehmen geschaffen werden sollte. Sprechen Sie die gleiche Sprache – nicht jeder beherrscht die Datenterminologie. Ferner sollte unternehmensweit ein gleiches Verständnis der Datenterminologie vorherrschen. Wo liegt der Unterschied zu klassischen Datenquellen, die bereits im Unternehmen vorhanden sind (z.B. CRM und Marktforschungsdaten)? Ein gleiches Verständnis hilft bei der Verwirklichung des unterliegenden Wertschöpfungspotenzials von Big Data. 41 Die Qualität der Datenbasis determiniert die Qualität der Analysen. Seien Sie kritisch im Umgang mit externen Datenquellen. Nicht umsonst ist „Veracity“ einer der konstituierenden Faktoren von Big Data (Demchenko et al. 2014). Bei unklarer Herkunft sollte die Vertrauenswürdigkeit und Reliabilität überprüft werden, um nicht Fehlschlüsse aus den nachgelagerten Analysen abzuleiten. Ganz nach dem Motto: „Garabage in – garbage out“. Klare Business Cases statt „Data Lakes“. Definieren Sie klare Business Cases, was bedeutet, dass sie eine problemgeleitete Fragestellung haben sollen. Ein wildes Durchsuchen im „Datenberg“ bringt häufig nicht das gewünschte Ergebnis, sondern generiert Trugschlüsse. Korrelation bedeutet nicht Kausalität. Gefundene Korrelationen implizieren keine Kausalitäten. Reflektieren Sie folgendes Beispiel: Analysen haben gezeigt, dass die Scheidungsrate in Maine stark mit dem Gesamtkonsum von Margarine in den USA korreliert (HBR, 2015). Hieraus eine kausale Beziehung abzuleiten, wäre jedoch Unfug. Kausalitäten und Gesetzmässigkeiten lassen sich nur in einem experimentellen Umfeld sicherstellen – hier hat und wird Big Data immer Grenzen haben. Big Data kann ein Hemmschuh für Ihr Innovationsmanagement sein. Seien Sie vorsichtig beim Einsatz von Big Data im Innovationsmanagementkontext. Inkrementelle Innovationen, wie z.B. kontinuierliche Produktverbesserungen (iPhone 6s, iPhone 7 usw.), lassen sich mithilfe von Big Data gut verwirklichen. Demgegenüber ist die Entwicklung völlig neuartiger Innovationen – sogenannte disruptive Entwicklungen – nur schwerlich möglich. Da Big Data, wie alle Datenquellen, auf historischen Daten basiert, kann nur schwer etwas vorhergesagt werden (z.B. ein neues Produkt), was in der Vergangenheit noch nie eingetreten ist. Implementieren Sie Big Data in bestehende Organisationsformen. Bauen Sie Big Data-Analysen in bestehende Prozesse ein. Erst wenn neuartige Datenquellen und Analysemethoden in bestehende unternehmensweite Prozesse (z.B. Business Intelligence) eingebettet werden, lässt sich das Wertsteigerungspotenzial realisieren. Quelle: http://www.forbes.com/sites/adrianbridgwater/2015/10/15/the-seven-simple-steps-to-big-data/#2a525caf7545 42 5.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Big Data Analysen decken zwar Korrelationen in grossen Datensätzen auf, können aber keine Aussagen über die entsprechende Sinnhaftigkeit machen. Big Data kann klassische Marketingmassnahmen weiter verbessern und optimieren – nie aber komplett ersetzen. Big Data-Analysen können leicht manipuliert werden – v.a., wenn die Untersuchten den Algorithmus verstehen. Big Data-Analysen sind weniger robust als man annehmen würde. Dies trifft v.a. dann zu, wenn Prognosen in einer relativ unsicheren Umgebung gemacht werden. Big Data generiert sich zu einem grossen Teil aus dem Internet – das kann ein entscheidender Nachteil sein, wenn bei der Generierung der Daten bereits Fehler passieren. Big Data-Analysen finden zwar Korrelationen, aber keine Kausalitäten. Bei vielen Big Data-Anwendungen stehen häufig unpräzise Fragestellungen im Raum – und häufig – so scheint es – kann Big Data eben diese lösen, was ein Trugschluss ist. Es bedarf einer konkreten Problembeschreibung (Was möchte ich eigentlich womit lösen?), um zu einer Wertschaffung zu gelangen. Big Data-Analysen scheitern bei der Analyse von extrem seltenen Ereignissen, da jeder Algorithmus auf historischen Daten basiert. Wenn Ereignisse selten oder gar nicht eintreffen, können diese mithilfe von Big Data auch nicht analysiert werden. Abschliessend: Bedenken Sie bei all Ihren Big Data- Handlungen, dass Vieles in der aktuellen Diskussion ein Hype ist. Bleiben Sie kritisch und evaluieren Sie das Wertschöpfungspotenzial für Ihre Firma – nur dann macht der Einsatz von Big Data Sinn. 5.5 Wervolle Ressourcen und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads”) McAfee, A./Brynjolfsson, E. (2012): Big Data. The Management Revolution, in: Harvard Business Review, October 2012 43 LaValle et al. (2010): Big Data, Analytics and the Path from Insights to Value, in: MITSloan Management Review, December 2010. Buhl, H.U./ Röglinger, M./ Moser, F./ Heidemann, J. (2013): Big Data. A Fashionable Topic with(out) Sustainable Relevance for Research and Practice, in: Business and Information System Engineering 2/2013. Iansiti, M./Lakhani, K. R. (2016): Digital Ubiquity: How Connections, Sensors, and Data are revolutionizing business, in: Harvard Business Review, 2014. Sanders, N. R. (2016): How to Use Big Data to Drive Your Supply Chain, in: California Management Review, April 1 2016, pp. 26-48. Empfohlene weitergehende Internetquellen https://www.salesforce.com/blog/2014/11/5-ways-marketers-can-actually-use-big-data-gp.html http://www.forbes.com/sites/louiscolumbus/2016/05/09/ten-ways-big-data-is-revolutionizingmarketing-and-sales/#6c81e187115e http://www.forbes.com/sites/tomfgoodwin/2016/07/14/the-dark-side-of-bigdata/#1123341d38a2 http://www.zeit.de/2015/51/big-data-smartphones-gesellschaft-staat-digital http://www.nytimes.com/2014/04/07/opinion/eight-no-nine-problems-with-bigdata.html?_r=0 Empfohlene Videos https://www.youtube.com/watch?v=ahNdJdf867A https://www.youtube.com/watch?v=f34lffroLhw (eine gute Dokumentation über Big Data als das Gold des 21. Jahrhunderts) https://www.youtube.com/watch?v=cWohkv9Ie8w (eine philosophische Auseinandersetzung mit dem Begriff Big Data – ist alles ethisch, was technisch möglich ist? Eine wichtige Frage, mit der sich auch Marketers auseinandersetzen müssen) Referenzen und weitere Quellen 44 Burmann et al. (2013). Big Data, Big Impact? Anspruch und Wirklichkeit für die marktorientierte Unternehmensführung. Arbeitspapier Nr. 216, Bremen. HBR. (2015). Beware Spurious Correlations. Harvard Business Review, June 2015 Issue. Demchenko, Y., Ngo, C., Laat, C. de, Membrey, P., Gordijenko, D., 2014. Big Security for Big Data: Addressing Security Challenges SecureDataManagement. Springer, pp. 76–94. 45 for the Big Data Infrastructure, in: TREND SECHS: MARKETING AUTOMATION “Marketing automation is the use of software to automate marketing processes such as customer segmentation, customer data integration, and campaign management. The use of marketing Marketing Automation automation makes processes that would otherwise Video have been performed manually much more efficient, and makes some new processes possible. Marketing automation is an integral compo-nent of customer relationship management.” Definition (Baran et al. 2008) 6.1 Best Practice-Beispiele Coursera Die Firma „Coursera“ setzt Marketing Automation zur Optimierung des Versands von E-Mails ein. Ziel ist es, Content zu versenden, der fast 100 % personalisiert ist. „Coursera“ benutzt diese Strategie, um Personen bestimmte Kursangebote (Universität bzw. Weiterbildung) zukommen zu lassen. Basierend auf ehemaligem Verhalten (Welche Kurse wurden in der Vergangenheit gewählt?), werden sogenannte „Wenn-dann-Regeln“ in das Marketing Automation-System eingepflegt. Darauf basierend wird dann der jeweils relevante Content dynamisch und automatisiert in die zu versendenden E-Mails eingefügt. Der Empfänger hat somit das Gefühl, dass „Coursera“ genau weiss, welchen Kurs man als nächstes wählen möchte, wodurch sich wiederum die Kundenbindung erhöhen kann. Und dieser Ansatz macht Schule: Firmen wie Airbnb, TripAdvisor und Amazon nutzen diese Strategie, um Kunden personalisiert und möglichst automatisiert zu kontaktieren. Quelle: http://technologyadvice.com/blog/marketing/3-detailed-marketing-automation-examples/ 46 Abb.1: Marketing Automation zur Optimierung des Email-Versands Staples Auch im Retailbereich ist das Thema von automatisierten Entscheidungen von grosser Relevanz. Die Firma Staples hat eine „In-Store-App“ entwickelt, die Ladenkunden zum gewünschten Regal im Shop navigiert, so dass der Kunde massiv Zeit spart. Gleichzeitig ist diese App ein sehr gutes Beispiel, wie Offline- und Onlinewelt miteinander verbunden werden können. Das Kosteneinsparpotenzial liegt auf der Hand: Durch die Verwendung der „In-Store App“ können Personalkosten deutlich reduziert werden und zudem wird der Kunde mit personalisierten Angeboten adressiert. Als Konsequenz der Zeitersparnis und der personalisierten Angebote kann die Kundenzufriedenheit massgeblich erhöht werden. Quelle: http://www.mobilecommercedaily.com/staples-new-app-feature-raises-in-app-interactive-store-maps-profile 47 Abb.2: In-Store App der Firma Staples Quelle: Samuely (2016), http://www.mobilecommercedaily.com/staples-new-app-feature-raises-in-app-interactive-store-mapsprofile morph.ai Eine weitere Möglichkeit des automatisierten Entscheidens ist eine sogenannte Chatbot-Plattform – hier werden Serviceleistungen (wie man sie sonst eigentlich nur von einem Call-Center kennt) automatisiert angeboten. Ein Beispiel hierfür ist „morph.ai“: Möchte man z.B. ein Taxi oder ein Kinoticket buchen, kontaktiert man die entsprechende Webseite und bekommt Rückmeldung von einem selbstlernenden System. Beispielsweise werden dem Kunden beim Buchen eines Taxis automatisiert mehrere Optionen angezeigt, aus denen er dann eine entsprechende auswählen kann. Ein dahinterliegendes selbstlernendes System garantiert die kundengerechte. Auch in anderen Kontexten – z.B. in Onlineshops (automatisierte Beratung zu Angeboten aus dem Shop) – wird auf dieses Konzept bereits häufiger zurückgegriffen. 48 http://morph.ai/about/ Abb.3: Chatbot-Plattform 6.2 Gründe für nachhaltige Relevanz Immer wachsende Datenmengen. Durch die zunehmende Digitalisierung von Geschäftsprozessen stehen Unternehmen Daten in bisher nicht gekanntem Ausmass zur Verfügung. Mithilfe von Algorithmen und MachineLearning-Ansätzen können so Entscheidungsregeln abgeleitet werden, die ein grosses Wertschöpfungspotenzial versprechen. Durch ein zunehmend datenbasiertes Marketing können Unternehmen profitabler und produktiver werden – abhängig vom jeweiligen Kontext. Vor allem bei einem relativ geringen Einfluss externer Faktoren (grosse Stabilität) versprechen eine wachsende Datenmenge und automatisierte Entscheidungen eine Performancesteigerung (beispielhaft kann hier der Bereich des Direct Mailings angeführt werden). Vermeidung von Biases und emotionalen Fehlentscheidungen. Durch automatisiertes Entscheiden können endlich – so zumindest die Vision – die Fehler des menschlichen Entscheidens ausgemerzt werden. Biases und emotionale Verbundenheit führen somit nicht mehr zu Fehlentscheidungen. Dieser Ansatz geht so weit, dass die Firma Blue Yonder GmbH propagiert, dass man 99.9% aller Entscheidungen automatisieren sollte, um den „Fehlerfaktor“ Mensch zu umgehen. 49 Quelle : http://www.blue-yonder.com/unternehmen/presse/strategische-entscheidungen-mit-automatisierten.html Steigerung des Marketing Stellenwertes. Neben den genannten Punkten ergibt sich für das Marketing aber auch die Möglichkeit, den eigenen Stellenwert im Unternehmen zu steigern. Wenn Entscheidungen fortan automatisiert werden und somit „richtig“ und sinnvoll für die Unternehmemsperformance sind, wird es weniger kritische Stimmen bezüglich der Sinnhaftigkeit von Marketingmassnahmen in Unternehmen geben. Denn welcher Manager möchte sich schon gerne gegen die Entscheidungen von Algorithmen stellen? 6.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte Überprüfen Sie Ihre bereits vorhandenen Möglichkeiten. Bevor etwas verändert wird, sollten die vorhandenen Möglichkeiten eingehend untersucht werden. Was kann mit vorhandenen Lösungen bereits erreicht werden? Wo würden die Marketing Automation-Lösungen hinsichtlich der Steigerung des Wertschöpfungspotenzials ansetzen? Besonderes Potenzial bietet der Bereich des Programmatic Buying/Advertising. Zudem sind v.a. diejenigen Aufgaben für eine Automatisierung geeignet, die relativ standardisiert ablaufen und wenige kreative Anstrengungen erfordern. Analysieren Sie die vorhandenen Lösungen (z.B. Eloqua, Hubspot) auf dem Market genau und kritisch. Wichtig ist dabei auch ein grundlegendes Verständnis der angebotenen Services. Wie funktioniert der zugrundeliegende Algorithmus? Was wird automatisiert? Wo gibt es Unterschiede zwischen den Anbietern? Nur so wird letztlich die beste Lösung ausgewählt. Quelle: http://www.capterra.com/infographics/top-marketing-automation-software Bereiten Sie ihre Daten sorgfältig auf. Machen Sie Ihre Hausaufgaben und bereiten Sie ihre internen Daten im Unternehmen so auf, dass Sie für eine Automatisierung verwendet werden können. Unorganisierte oder nicht gepflegte Datensätze müssen bereinigt und aufbereitet werden, so dass der Einsatz von entsprechenden Algorithmen zur Automatisierung möglich ist. Organisieren Sie die Strukturen im Unternehmen. Gestalten und organisieren Sie den Übergang zu automatisierten Marketingentscheidungen. Welche Prozesse müssen orchestriert werden? Gibt es interne Widerstände zu überwinden? Wie 50 kann ein Buy-In alle beteiligten Partner erreicht werden? Wie muss die unternehmensweite Datenarchitektur organisiert werden, damit eine Automatisierung umgesetzt werden kann? Vermeiden Sie Silodenken und verfolgen Sie einen ganzheitlichen Ansatz.) Integrieren Sie Ihre Salesstrukturen in die Marketing Automatisierungsprozesse. Der Verkauf hat letztlich wichtige und wertvolle Insights, die bspw. helfen, automatisierte hochpersonalisierten Mailings aufzugleisen. Dazu ist eine gut gepflegte CRM-Datenbank unerlässlich – motivieren Sie den Vertrieb, die Datenqualität zu optimieren, indem Sie den Mehrwert der Lösung auch für den Verkauf erläutern. Planen und Trainieren Sie sorgfältig. Planen Sie den genauen Zeithorizont bei der Implementierung der Automatisierung. Gehen Sie schrittweise vor und lernen Sie jeweils – eine zu radikale Veränderung birgt unnötige Risiken. Das beste Marketingautomatisierungssystem ist nutzlos, wenn Ihre Mitarbeiter dies nicht verwenden – daher: Training, Training, Training. Die Mitarbeitenden müssen verstehen, was genau automatisiert wird und wie mit den entstandenen Lösungsansätzen und Daten umgegangen werden muss. Eine Vollautomatisierung des Marketing bleibt vorerst eine Illusion. Schneller lernen als die Konkurrenz: Evaluieren Sie kontinuierlich das Wertschöpfungspotenzial Ihrer Automatisierungslösung kritisch. Was bringt die Lösung für den Unternehmenserfolg – wie sieht die interne Bereitschaft zur Nutzung aus usw.? Tipps für eine optimale Email Marketing Automation 1. 2. 3. 4. 5. 6. Segmentieren Sie Ihre E-Mail Liste Testen Sie den bestmöglichen Zeitpunkt des Versands Verwenden Sie Text und keine Bilder Passen Sie sich an die Wünsche und Bedürfnisse der Abonnenten an Wählen Sie die richtige Softwarelösung Kontaktieren Sie nur aktive Abonnenten 7. Fragen Sie, was Ihre Abonnenten wirklich wollen Quelle: http://www.forbes.com/forbes/welcome/?toURL=http://www.forbes.com/sites/steveolenski/2016/07/25/7-email-marketingautomation-tips-for-brand-marketers/&refURL=https://www.google.ch/&referrer=https://www.google.ch/ 6.4 51 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Nicht alle Entscheidungen sind für eine Automatisierung geeignet. Gerade in Fällen, bei denen hohe Kreativität erforderlich ist, sollte man besser davon absehen. Weniger ist manchmal mehr: Es konnte wissenschaftlich belegt werden, dass menschliches Entscheiden (unter Zuhilfenahme von Heuristiken) hochkomplexen statistischen Modellen in bestimmten Kontexten überlegen ist. Zudem muss erwähnt werden, dass automatisierte Systeme häufig noch mit der menschlichen Interaktion überfordert sind. Aufgrund der schnellen Entwicklung in diesem Bereich sollten sich diese aber in naher Zukunft beheben lassen. 6.5 Wervolle Ressourcen und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads”) Aquino, J. (2013): Growing profits with marketing automation. In CRM Magazine, Vol. 17(5), pp. 32-35. Jerry, J. (2015): The Next Gen Lifecycle Marketing Automation: Robots, with Humans. In Forbes (9/25/2015), pp. 64. Järvinen, J./ Taiminen, H. (2016): Harnessing marketing automation for B2B content marketing. In Industrial Marketing Management, Vol. 54, pp. 164-175. Marketing Review St. Gallen (4.2016): Marketing Automation. Empfohlene weitergehende Internetquellen 7 Email Marketing Automation Tips For Brand Marketers (2016) http://www.forbes.com/forbes/welcome/?toURL=http://www.forbes.com/sites/steveolens ki/2016/07/25/7-email-marketing-automation-tips-for-brandmarketers/&refURL=https://www.google.ch/&referrer=https://www.google.ch/ Should Your PR Include Marketing Automation? Surprisingly, Yes (2016) http://www.forbes.com/sites/cherylsnappconner/2016/02/27/should-your-pr-includemarketing-automation-surprisingly-yes/#5506bd4a5c1f Automation and anxiety - Will smarter machines cause mass unemployment? (2016) http://www.economist.com/news/special-report/21700758-will-smarter-machines-causemass-unemployment-automation-and-anxiety 52 Intuitive Decision Making (2007) http://sloanreview.mit.edu/article/intuitive-decision-making/ Disadvantages of Stand-alone Marketing Automation (2015) http://blog.liquidhub.com/2015/11/disadvantages-of-stand-alone-marketing-automation Marketing Automation Buyer’s Checklist (2017) https://www.act-on.com/whitepaper/buyers-checklist-for-marketing-automation/ Empfohlene Videos What is Marketing Automation? (2016) https://www.youtube.com/watch?v=G6c4-28FsAs Email Marketing vs Marketing Automation Explained (2015) https://www.youtube.com/watch?v=EHOPJFvSr_M Lead Generation: Salesforce Pardot B2B Marketing Automation Demo (2015) https://www.youtube.com/watch?v=OB23C4b1L-w Marketing Automation Interview mit Prof. Dr. Marcus Schögel Part 1 (2016) https://www.youtube.com/watch?v=hWmcqllv4yY&list=PLFuv6yIT-DGFP_VOeghPOEenstpSaiXR Referenzen und weitere Quellen Baran et al. (2008). Customer Relationship Management. Thomson South-West: Mason. Wübben/ von Wangenheim (2008): Instant Customer Base Analysis: Managerial Heuristics Often “Get It Right” 53 TREND SIEBEN: SEAMLESS INTEGRATION Gemeinsam mit dem Stichwort der Digitalisierung fiel bis vor nicht allzu langer Zeit regelmässig der Begriff der Konvergenz: Information, Unterhaltung und Kommunikation fliessen zusammen und vernetzen sich immer weiter. Aus Seamless Integration Video vielem wird eines: der Strom von Informationen und Interaktionen von Anbietern und Konsumenten. Was nach Ordnung klingt, führte jedoch geradezu zu einer Explosion von Komplexität und Dynamik, in der Kundenkontakte heute gemanagt werden: Kunden interagieren mit Marken über Dutzende verschiedene Kanäle, Endgeräte und Methoden, sie suchen und finden Informationen von Anbietern und Dritten, von Mittlern und kritischen früheren Kunden. Das neue Stichwort der „Seamless Integration“ schildert damit genauso Potential, wie Anspruch und Zielsetzung. Die Kernfrage lautet: Wie gestalten wir den Flickenteppich der Konvergenz zu einem multimodalen Markenerlebnis? 7.1 Best Practice-Beispiele Marke als User Interface. Der erste gedankliche Ansatz zum Verfolgen der nahtlosen Integration von Kundenerlebnissen liegt im Neudenken des Begriffs der Marke: Dort, wo Komplexität und Überlastung herrschen – und damit auch in der modernen Konsum- und Mediengesellschaft – entfalten konkurrierende Informationen und Botschaften kaum Wirkung. Die entscheidende Bedeutung fällt dort denjenigen Ansätzen und Angeboten zu, die helfen, Komplexität zu reduzieren: die erfolgreiche Marke positioniert sich damit nicht nur als Anbieter von Lösungen, sondern vielmehr als eine angenehme, unkomplizierte und möglichst hochwertig gestaltete Schnittstelle zwischen Kunde und Lösung. Die Marke wird zum komfortablen User Interface. 54 Abb. 1: Apple: Das Logo ist auf der Rückseite, denn die Nutzerschnittstelle ist die Marke. Quelle: Apple (Jahr) Mehr als Mobil: Der anhängliche Vertriebskanal. Die Konsumwelt, wie wir sie kennen, wird bald zehn Jahre alt. Damals wurde mit dem iPhone nicht nur ein revolutionäres Gerät der Unterhaltungselektronik eingeführt – es wurde erstmals das mobile Internet im nennenswerten Umfang etabliert. Seitdem wandelt sich der Anspruch von Anbietern, digitale Erlebnisse nicht nur stationär, sondern führend auf mobilen Endgeräten abzubilden. Was wie ein inkrementelles Detail in der Innovation des Anspruchs an Markenerlebnisse wirkt, steht Pate für eine ungleich grössere und wichtigere Änderung: Anbieter kommen über eine ausgefeilte Präsenz auf mobilen Endgeräten ihren Kunden so nah wie noch nie. Unternehmen sind ständig und von überall digital erreichbar und können nachverfolgen, von wo potentielle oder wiederkehrende Kunden auf ihre Angebote zugreifen. Nebenbei stand Apple in dieser Zeit genauso für die Vorreiter der Reininterpretation seiner Marke als Schema für die Interaktionsschnittstellen mit seinen Kunden. 55 Abb. 2: My Disney Experience: Erlebnisse digital anreichern und den Kunden kennenlernen. Quelle: My Disney Experience (Jahr) „Digital“ greift zu kurz: Im Kern steht das Erlebnis. Im vergangenen Jahrzehnt der digitalen Kinderschuhe hat sich in vielen Unternehmen ein geschützter und hochspezialisierter Bereich der Onlineexperten herausgebildet – wahrscheinlich eine wichtige Grundlage für den grossen Erfolg der Entwicklung dieser Gattung von Kundenkontaktpunkten. Das Auseinanderdividieren von On- und Offline greift jedoch zu kurz: Heute stehen Konsumenten im Vordergrund, die in einem stetig kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspektrum versuchen, ihre Einkaufsentscheidungen bestmöglich zu treffen. An dieser Stelle lassen sich die beiden zuvor erwähnten Teilaspekte des nahtlosen Kundenerlebnisses integrieren: Wenn Anbieter sich als nutzerfreundliche Schnittstellen zwischen Kunden und Lösungsangebot positionieren, dabei über die Grenzen von On- und Offline hinausdenken und die Marke für den Kunden erreichbar gestalten, dann entstehen Wettbewerbsvorteile. 56 Abb. 3: Amazon: An der Waschmaschine mitten im Geschäft. Quelle: Amazon (Jahr) Amazon versucht, dem Kunden mit seinen neuen „Amazon Go“-Supermärkten eine „Just Walk Out Shopping experience“ zu bieten: ohne Scannen, ohne Warten an der Kasse, ohne Kleingeldzählen. Alles was man neben Geld benötigt, ist ein Profil bei Amazon sowie die Amazon Go-App auf dem Mobiltelefon. Dann kann man sich in den Regalen bedienen und das Geschäft wieder verlassen – bezahlt ist automatisch. Quelle: http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2016-12/amazon-go-supermarkt-lebensmittel-service-einkaufen-datenschutzzukunft Seamless: die neue Marketingvirtuosität. Die Relevanz des Trends ergibt sich zunächst aus der Erwartung des Kunden an Ihre Marke: genau wie von Ihrem Angebot erwartet wird, dass alle Bauteile funktionieren und miteinander kompatibel sind, so besteht bereits heute, dass das Interaktionserlebnis mit Ihnen als Anbieter so nahtlos und professionell verknüpft gestaltet ist, dass es selbst über mehrere Interaktionswege hinweg zum guten Ton gehört, dass Sie ein einheitliches und unterbrechungsfreies Kundenerlebnis – und damit eine angenehme Nutzerschnittstelle zwischen Ihren Kunden und Ihren Angeboten – anbieten. 57 Abb. 4: Swiss: Nahtlose Verknüpfung aller Kanäle. Quelle: Swiss (Jahr) 7.2 Gründe für nachhaltige Relevanz Lernen Sie Ihren Kunden kennen. Nahtlosigkeit bezieht sich jedoch nicht nur auf das Kundenerlebnis – im Umkehrschluss bedeutet es, dass Sie Ihren Kunden über die einzelnen Kontaktpunkte hinweg begleiten und seine Vorlieben und Produktwünsche verfolgen können. Ein nahtlos betreuter Kunde ist ein gut bekannter Kunde und diese Bekanntheit zahlt sich in doppelter Form aus. Einerseits profitieren aufmerksame Marken von besseren Einblicken in das Kundenverhalten im Sinne einer detaillierteren Marktforschung, andererseits geniesst ein wohlbekannter Kunde ein Grad an Betreuung, die ohne diese Transparenz nicht möglich wäre. Für den Anbieter zahlt sich diese Chance zur besseren Kundenbetreuung durch eine wachsende Loyalität aus. Nahtlosigkeit führt zurück zum Kunden. Jenseits der Erwartungen Ihrer Kunden und der Vorteile, die sich aus einem detaillierteren Einblick in das Kundenverhalten entwickeln lassen, bietet die nahtlose Integration von Kontaktpunkten zu einem Kundenerlebnis aus einem Guss einen Schlüsselvorteil: Es korrigiert die Perspektive des Marketingmanagements. Marketingführungskräfte, die ein nahtloses Kundenerlebnis erzeugen möchten, sind dazu gezwungen, sich zunächst aus den 58 Einzelentscheidungen der jeweiligen Kontaktkanäle zu verabschieden und erneut einen übergreifenden und ganzheitlichen Blick auf das Kundenerlebnis zu gewinnen. Nur durch die damit erforderlichen Schritte Abstand vom Detail gelingt eine Einschätzung der Kohärenz der Erlebbarkeit der Marke als Ganzes und somit der erste Schritt für die zielgerichtete Weiterentwicklung der zentralen strategischen Aufgabe des Marketing: dem Kunden ein wertvolles Angebot zu gestalten. Vielzahl der neuen Kontaktpunkte macht die Interaktion nahtlos. Auch wenn es zunächst überrascht: die Vielzahl der neuen Technologien, die online und mobil, aber auch lokal und im Detailhandel eingesetzt werden können, bilden die Basis für eine nahtlose Interaktion mit dem Kunden. Konsumenten und deren Vorlieben lassen sich heute über eine ganze Reihe digitaler Endgeräte nicht nur bedienen, sondern auch nachvollziehen. Die digitale Interaktion schliesst hier jedoch nicht ab, sondern kann sich heute auch im Geschäft durch Bluetooth Beacons, durch mobile Bezahllösungen, RFID, Geofencing und viele weitere technologische Ansätze der modernen Omni-Präsenz umsetzen. Die Möglichkeiten dieser Infrastruktur unterstreichen die Notwendigkeit, anhand von Cross-Device-Planning, -Tracking und -Optimierung die Chancen der neuen technologischen Ansätze auch tatsächlich auszuspielen und auf diesem Wege sowohl das Erlebnis als auch die Begleitung der Konsumenten nahtlos zu gestalten. 7.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte Sollte Sie das Thema Seamless Integration interessieren? Stellen Sie sich zunächst die Frage, über wie viele unterschiedliche Interaktionswege Konsumenten auf Ihr Unternehmen zukommen und wie viele davon Sie selbst steuern. Wie komplex sind die Entscheidungen, die Konsumenten im Vorfeld eines Einkaufs bei Ihnen treffen müssen? Wie viele Schritte müssen sie durchlaufen und wie viel Interaktion ist mit Ihrem Verkaufspersonal erforderlich? Diese Fragen erlauben es, den grundsätzlich erwartbaren Interaktionsaufwand ihrer Kunden mit ihrem Unternehmen zu schätzen und damit auch den Grad, zu dem Ihrem Unternehmen eine nahtlose Integration aller Kanäle Vorteile offerieren kann. Weiterhin sollten Sie bedenken, inwiefern in Ihrem Unternehmen der Kunde oder unterschiedliche Kundensegmente im Vordergrund der Vertriebsarbeit stehen oder ob eher an 59 den jeweiligen Vertriebskanälen ausgerichtet gesteuert und vermarktet wird. An dieser Einschätzung lässt sich ablesen, in wie weit Ihre Vertriebs- und Marketingorganisation von einer Ausrichtung an nahtlose Kundenerlebnisse profitieren kann. Allerdings zeigt sich hier auch, wie substantiell der Wandel für Ihr Team ausfallen wird. Prüfen Sie abschliessend, inwiefern Sie das Kundenerlebnis selbst steuern können, oder ob Sie in der Gestaltung des Einkaufserlebnisses auf die Zusammenarbeit mit anderen Partnern und Absatzmittleren angewiesen sind. Was ist zu tun? Wenn Sie sich dazu entschliessen, Ihre Marketingorganisation im Hinblick auf Nahtlosigkeit im Kundenerlebnis zu prüfen und zu optimieren, dann versuchen Sie zunächst etwas Abstand zum Tagesgeschäft mit den einzelnen Herausforderungen in den jeweiligen Kontaktpunkten zu gewinnen. Verschaffen Sie sich einen Überblick. Führen Sie zunächst ein pragmatisches Audit über die Kundenkontaktwege Ihres Unternehmens durch. Stellen Sie in einem Überblick alle Interaktionswege zusammen und verschaffen Sie sich einen Eindruck von den jeweiligen Kundenprozessen in jedem einzelnen Interaktionsweg. Setzen Sie für diesen Schritt ggf. Mystery-Shopper oder Prozesstester ein, um ein unverfälschtes Bild vom Status Quo der einzelnen Kundenerlebnisse zu erhalten. Ein Stresstest liefert hilfreiche Erkenntnisse. Sobald Sie diese grundlegende Sammlung und Einschätzung der Kundenkontaktwege abgeschlossen haben, führen Sie einen Stresstest im Sinne der Nahtlosigkeit durch: Schicken Sie Testkunden auf Kundenprozesse, die die meisten der Kundenkontaktpunkte miteinander kombinieren. Beachten Sie, dass in diesem Stresstest idealerweise alle Kontaktpunkte paarweise in beide Richtungen (z.B. Erstkontakt Hotline und dann Onlineshop und Erstkontakt Onlinehops und dann Hotline) verknüpft werden. Wie viele Informationen bleiben beim Medienbruch erhalten? Zu welchem Grad muss der Kontakt stets neu aufgebaut werden? Wer übernimmt den Hauptaufwand bei diesem Wiederaufbauen des Kontakts? Die Antworten auf diese Fragen schliessen ein umfassenderes Audit der nahtlos integrierten Markenführung ab. Vergleichen und Prioritäten setzen. Auf Basis der Erkenntnisse Ihres pragmatischen Audits führt Sie der nächste Schritt zum Review dieser Ergebnisse und zum Vergleich mit den Grundsätzen Ihrer Marke. In diesem Vergleich sollte kritisch betrachtet werden, welche Kanalwechsel Priorität über anderen erhalten sollten, da sie besonders häufige und wichtige Kundenströme darstellen. An dieser Stelle müssen nun die 60 am besten zur Marke passenden Kundenerlebnisse konzipiert und im Sinne der Nahtlosigkeit möglichst störungs- und verlustfrei implementiert werden. Alle diese Schritte führen nicht nur zu einem nahtlosen Auftritt vor Kunden, sie helfen auch, die Sicht- und Denkweise der Marketingorganisation zu verändern. Im Vordergrund steht nicht mehr der Vertriebskanal oder das Angebot – im Vordergrund steht nun für alle an diesem Wandelprozess beteiligten Kollegen der Fokus auf den Kunden und dessen Erlebnis der Marke. 7.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Das Ziel einer nahtlosen Integration von unterschiedlichen Kanälen und Interaktionsmodi kann dazu führen, dass der kleinste gemeinsame Nenner angestrebt wird. Es sollte jedoch nicht das Ziel einer nahtlosen Integration von Kundenkontaktpunkten sein, die Möglichkeiten der einzelnen Interaktionswege nur ansatzweise zu nutzen. Integration führt immer dazu, dass Freihheitsgrade reduziert werden: Ein auf Rücklauf optimiertes Direct-(E-)Mail verliert seine Rücklaufstärke, wenn es beispielsweise noch viele Anforderungen einer integrierten Kommunikation einhalten muss und zahlreiche Zusatzinformationen vermitteln muss, die eine potenzielle Integration mit anderen Medien und Kontaktpunkten erleichtern sollen (z.B. Baroder QR-Codes). Seamless darf somit nicht zwangsläufig „360 Grad“-Integration heissten. Vielmehr sollten bewusst Schwerpunkte im Kundenkontakt gesetzt werden, die einzelnen Kanäle entsprechend ihrer Stärken eingebunden und Inhalte dementsprechend gestaltet werden. Jeder Kontaktweg birgt seine individuellen Stärken und Begrenzungen - bleiben Sie kritisch, um die Chancen jedes Kundenkontakts optimal zu nutzen und nicht einer oberflächlichen Integration zu opfern! 7.5 Wetvolle Ressourcen und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads”) Belz, C. (2016): Marketing Heatmap I – digitale Transformation und strategische Optionen. In: Swiss Marketing Review, 1, 2016. Belz, C. (2016): Marketing Heatmap II – Marketing-Effizienz, Marketing-Organisation und – Prozesse, Cross Channel und Kunden zum Kauf führen. In: Swiss Marketing Review, 2, 2016. 61 Rutschmann, Marc (2017): Kunden ans Kaufen heranführen – Eine Einführung in den kaufprozessorientierten Ansatz im Marketing, Wiesbaden: Springer. Cao, L., & Li, L. (2015). The impact of cross-channel integration on retailers’ sales growth. Journal Of Retailing, 91(2), 198-216. Cuddeford-Jones, M. (2016). Three steps toward creating a seamless customer journey. Marketing Week, 30-31. Empfohlene weitergehende Internetquellen Cross-channel integration in retail: Creating a seamless customer experience (2012) http://www.strategyand.pwc.com/reports/cross-channel-integration-retail-creating Operating Seamlessly: Integrating Operations to Deliver the Non-Stop Customer Experience (2013) https://www.accenture.com/jp-ja/~/media/Accenture/ConversionAssets/DotCom/Documents/Global/PDF/Industries_2/Accenture-Operating-Seamlessly Are You Ready to Give Your Customers an Omni-Channel Experience? (2015) https://uxmag.com/articles/are-you-ready-to-give-your-customers-an-omni-channel-experience Empfohlene Videos The Seamless Customer Journey https://www.youtube.com/watch?v=CJPhmKbA8l8 KPMG Omni Business Capabilities https://www.youtube.com/watch?v=KuSnqNkfjok How Technology is Reshaping the Customer Journey with Bryan Eisenberg https://www.youtube.com/watch?v=OZwwct0__NI Introducing Amazon Go and the world’s most advanced shopping technology https://www.youtube.com/watch?v=NrmMk1Myrxc Referenzen und weitere Quellen 62 TREND ACHT: CONTENT MARKETING „Traditional marketing and advertising is telling the world you’re a rock star. Content Marketing is showing the world that you are one.” – Robert Rose Das obige Zitat von Robert Rose offenbart, dass Content Marketing Video Content Marketing die üblichen Konventionen des Marketing vernachlässigt und sich mehr mit der substantiellen Unterfütterung – dem „walking the talk“ – eines angestrebten Images auseinandersetzt. Eine möglichst umfassende Definition des derzeitigen Trendbegriffs „Content Marketing“ könnte wie folgt lauten: Content Marketing ist eine Marketingtechnik, die wertvollen, relevanten und konsistenten Inhalt erstellt sowie distribuiert, um klar definierte Zielgruppen zu akquirieren - mit dem Ziel, letztlich profitable Kundenhandlungen auszulösen. Dabei ist Content Marketing nicht nur als ein Instrument der Marketingkommunikation zu verstehen, wie fälschlicherweise häufig behauptet. Vielmehr umfasst es verschiedenste Kommunikationskanäle und repräsentiert eher ein spezifisches Verständnis über die Art und Weise, wie mit Anspruchsgruppen kommuniziert werden soll. Um im Kontext von Content Marketing involvierenden, unterhaltenden sowie informierenden Inhalt bereitstellen zu können, eignet sich so genanntes Storytelling als „Transmissionsriemen“: Menschen neigen gemäss ihrer Natur zu einer narrativen statt einer argumentativ-paradigmatischen Denkweise (Weick, 1995; Wells, 1989). Darüber hinaus hilft effektive Narration Konsumenten dabei, einer Information Bedeutung beizumessen und sich in die beschriebene Welt hineinzuversetzen (Woodside, Sood, & Miller, 2008). Oder, wie Philip Pullmann festhält: „After nourishment, shelter, and companionship, stories are the thing we need most in the world“. 63 Abb. 1: Content MarketingStorytelling Quelle: 8.1 Best Practice-Beispiele John Deere John Deere gilt als Erfinder des Content Marketing mit seinem 1895 erstmals in Druck gegangenen „The Furrow“-Magazin (zu Deutsch: Flur und Furche). Mittlerweile publiziert das amerikanische Landtechnik-Unternehmen regionale Ausgaben in 27 Ländern weltweit mit einer aggregierten Auflage von mehr als 1.5 Millionen Kopien. Eine solche Publikationsmaschinerie erfordert höchste Hingabe in Bezug auf Kosten, Aufwand und Koordination. Wenngleich das Magazin nach wie vor eine beispiellose Erfolgsgeschichte darstellt, versucht John Deere zunehmend, seine Inhalte auch in der digitalen Welt zu platzieren – eine Welt, von der viele glauben, dass Content Marketing dort in jüngster Vergangenheit erfunden wurde. Angefangen mit der Maxime, Farmern bei der Steigerung ihrer Erträge und Ernten zu unterstützen, ist es ebendiese Relevanz der Inhalte, an denen John Deere nach wie vor gemessen wird. Aufgrund der vielen regionalen Ausgaben ist vor allen Dingen Fingerspitzengefühl gefragt: So reagierten zahlreiche Farmer in Zentraleuropa mit heftiger Kritik darauf, als vor einiger Zeit auf der Titelseite des Magazins ein spanischer Farmer mit Sandalen abgelichtet war. Zwar wird die Authentizität, reale Farmer in Titelgeschichten einzubeziehen, grundsätzlich von der Leserschaft sehr geschätzt. In diesem Fall fehlte vielen Farmern aus gemässigteren Ländern in Europa 64 allerdings das Verständnis dafür, mit Sandalen Feldarbeit zu verrichten. Von daher gesehen erfordert erfolgreiches Content Marketing permanente Anstrengung –selbst wenn man es bereits seit über 120 Jahren anwendet. Problemlösungskompetenz, Relevanz und Unterhaltungswert von Inhalten müssen stets aktuell gehalten und jeden Tag aufs Neue bewiesen werden! Abb. 2: Feldarbeit mit Sandalen Südtirol Tourism Der Content Marketing-Hub von Südtirol Tourismus “Was uns bewegt” ist ein Best PracticeBeispiel für die Integration zwischen Online- und Offline-Inhalten. Der Hub ermöglicht es, Interessenten der Reisedestination Südtirol lokale und aussergewöhnliche Persönlichkeiten mit einem starken Bezug zur Region (u.a. Reinhold Messner) zu erleben – online und zumeist mithilfe von Videos. Diese Erlebnisorientierung für die Zielgruppen wird durch den Transfer dieser Inhalte in die reale Welt forciert: So können Touristen bereits online in Kontakt mit Personen treten, die ihr Interesse geweckt haben, und diese vor Ort während ihres Urlaub tatsächlich kennenlernen. Kurzum: Eine perfekte Symbiose aus wertstiftenden, relevanten und involvierenden Inhalten mit der Chance auf begeisterte Fans der Marke Südtirol. 65 Abb. 3: Was uns bewegt, Südtirol Quelle: Südtirol Tourismus (Jahr) Accu-Chek Online-Communities sind eine vielversprechende Option für die Integration von Kunden in die Kreation von Inhalten sowie die Produktneuentwicklung. Die Online-Community #meinbuntesleben des Pharmakonzerns Roche mit dem Fokus auf dessen Diabetes-Marke Accu Chek zeigt, wie man die Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt stellt. Mehr als 400‘000 registrierte Benutzer verfügen über einen individuellen Account auf dieser Plattform, mehr als 3000 posten regelmässig Inhalte für die Community – auf freiwilliger und unentgeltlicher Basis versteht sich. Die positive Resonanz der Zielgruppe, Diabeteskranke, kann dadurch erklärt werden, dass nicht das Leiden oder die Krankheit, sondern der möglichst reibungslose Umgang mit einem Sonderthema im Alltag thematisiert wird. Marktforschung zeigt ganz eindeutig, dass von Diabetes Betroffene sich nicht als krank im originären Sinne begreifen, sondern lediglich ein paar mehr Aspekte hinsichtlich Ernährung, Sportusw. zu berücksichtigen haben. Die Plattform fokussiert daher auf das Leben, nicht auf die Krankheit. Aus einer internen Managementperspektive heraus ist die Plattform auch ein hervorragendes Beispiel für die Integration bzw. das Zusammenspiel zuvor häufig fragmentierter Funktionen 66 wie Marketing, Vertrieb, Produktentwicklung und weiteren. Als ein Kunde sich bei der Kundenbetreuung erkundigte, wo Diabetes-Messsysteme auf den Fiji-Inseln erhältlich sind (da er seines in der Heimat vergessen hatte), veröffentlichte die Abteilung „Customer Care“ diese Anfrage in der Community – mit dem Ergebnis, dass viele Benutzer unmittelbar aushelfen konnten. Solche Erfolgsgeschichten werden wiederum aktiv von PR und Vertrieb im Dialog mit Kunden genutzt. Marke, Community und Kundenberatung können somit gestärkt werden. Abb. 4: Diabetes im Alltag 8.2 Gründe für nachhaltige Relevanz Die Idee, wertstiftenden, relevanten sowie konsistenten Inhalt mit klar definierten Zielgruppen zu teilen, ist nicht neu. Heutzutage werden solche Aspekte der Kommunikation – insbesondere in Verbindung mit unterhaltenden und involvierenden Formaten – allerdings zunehmend von Seiten der Kunden gefordert: Die Vorbehalte gegenüber klassischer Werbung und Verkaufsförderung ohne direkten Nutzen für das eigene Leben werden grösser. Heutige Konsumenten erwarten authentische Informationen über Probleme, bei deren Lösungen ein Unternehmen helfen kann. Content Marketing als Konzept war noch nie so stark, effektiv und notwendig wie heutzutage. Folgende Gründe spielen dabei eine exponierte Rolle: 1) Ermächtigte Kunden, 67 2) Werbemüdigkeit („Ad Fatigue“) und Veränderungen im Konsumentenverhalten, 3)wirkungsvolle Kommunikationskanäle. 1. Ermächtigen Sie Ihre Kunden Abb. 5: Kunden ermächtigen Quelle: IBM, Global Summit 2012, http://www.slideshare.net/graemeknows/big-data-bigger-campaigns-using-ibms-unica-andnetezza-platforms-to-increase-marketing-roi 2. Werbemüdigkeit („Ad Fatigue“) und Veränderungen im Konsumentenverhalten § § Kunden reagieren zunehmend allergisch auf aggressive Verkaufsstrategien. Kunden wenden sich digitalen Kanälen für zeitnahe, relevante und glaubwürdige Informationen zu. § § Problemlösungskompetenz von Unternehmen wird vermehrt erwartet. Kaufentscheidungen werden mit den heutigen Möglichkeiten durch Peer-Empfehlungen „abgesichert“. § Geschulte Kunden: Zwei Drittel des Kaufzykluses bei B2B-Kunden werden durch die Akteure selbst recherchiert, ohne Einfluss des Vertriebs oder klassischer Werbung. 68 Abb. 6: Werbemüdigkeit und Veränderungen im Konsumentenverhalten Quelle: King (2012) http://marketingzeus.com/infographic/the-big-problem-of-ad-fatigue 3. Wirkungsvolle Kommunikationskanäle Abb. 7: Wirkungsvolle Kommunikationskanäle Quelle: Curata ( 2016) http://www.curata.com/blog/wp-content/uploads/2016/07/Curata_ContentMktgToolsMap_v1_2016.png 69 8.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte Truth to the Mission: Wo haben wir realen und werthaltigen Einfluss auf das Leben unserer Kunden? Truth to the Teller: Sind wir als Unternehmen authentisch, wenn wir Informationen über diesen Einfluss bereitstellen? Truth to the Audience: Wie können wir Kunden integrieren? Wie motivieren wir Kunden dazu, eigene Inhalte zu kreieren? Truth to the Moment: Wie können wir zeitnahen, aktuellen Inhalt übermitteln und gleichzeitig konsistent mit unserer Strategie sein? 3 Requirements of Effective Content Marketing: Ist mein „Content“ involvierend, unterhaltend und informierend? 8.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Content Marketing ist überhaupt nicht neu. Stimmt. Obwohl Content Marketing derzeit als Buzz-Word in der Marketingwelt viel Aufmerksamkeit erfährt, ist das Konzept an sich nicht neu. Bereits 1895 veröffentlichte John Deere die erste Ausgabe seines Content Magazins „The Furrow“, dass es Farmern im mittleren Westen der USA ermöglichen sollte, Erträge und Ernten zu steigern. John Deere als Produzent von geeigneten Maschinenlösungen, um Ertragssteigerungen zu verwirklichen, nahm sich bewusst zurück und fungierte eher als Berater als Verkäufer. So wurde selbst der Unternehmensname nur einige wenige Male in der über 120-jährigen Geschichte des Magazins 70 erwähnt. Ein weiteres, frühes Beispiel für gelungenes Content Marketing repräsentiert der „Guide Michelin“, ein Hotel- und Restaurantführer für französische Autofahrer, der vom damaligen Reifenproduzenten André Michelin herausgegeben wurde. Marketing als Konzept ist seit jeher inhaltsgetrieben. Ja, zumindest sollte dies so sein. Eine Marke ohne relevanten Inhalt und Marktleistungen ohne wertstiftenden Einfluss auf das Leben von Kunden sind wie die Metapher des „zahnlosen Tigers“. Leider betrachten viele Unternehmen ihr Markenmanagement noch immer als eng definiertes Konzept im Sinne eines konsistenten Brandings bzw. Corporate Designs sowie so genannter Markenwerte als uninspirierte Worthülsen. Content Marketing stellt die Interaktionen mit Kunden, die viel zitierten „Touchpoints“ auf der kontinuierlichen „Customer Journey“, in den Mittelpunkt des Markenmanagements. Dies entspricht der heute anerkannten Sichtweise von Marketing als marktorientierter Unternehmensführung. Nichtsdestotrotz führen allseits präsente Implementierungslücken in der Unternehmenspraxis zu einem stärker werdenden Bedarf an involvierenden, unterhaltenden sowie informierenden Inhalten. Content Marketing ist nur ein weiteres „Buzzword“. Jein. Die Myriade an neuen Wortkreationen und vermeintlichen Hypes im Marketing kaschiert oftmals die realen und unangenehmen Herausforderungen für Marketeers, um diese „Buzzwords“ mit Leben zu füllen. Die Substanz hinter dem unstrittigen Trend des Content Marketing offenbart vielschichtige Interdependenzen mit dem Kern anderer Schlagworte wie Storytelling, Influencer Marketing, Native Advertising oder auch so genannter „Love and Trust Brands“. Die Existenz dieser „innovativen“ neuen Marketingtrends sollte im Einzelfall durch eine nüchterne Prüfung der Relevanz für das eigene Unternehmen ergänzt werden. 71 8.5 Wervolle Ressourcen und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads”) Branded Content – Growth for Marketers and Media Companies (Neal Zuckerman et al.), 2015, https://www.bcgperspectives.com/content/articles/media-entertainment-marketing-brandedcontent-growth-for-marketers-media-companies/ Content-Marketing-Studie (Namics), 2015, https://www.namics.com/wpcontent/uploads/2016/05/NAM-Content-Marketing-Studie-Vollversion-20150226.pdf Content Distribution (Content Marketing Forum), 2016, http://content-marketing-forum.com/wpcontent/uploads/2016/02/CMF_whitepaper_Content_Distribution_2016_neu1.pdf Data Is the Next Big Thing in Content Marketing, Alexandra Samuel, In: Harvard Business Review, 2015, https://hbr.org/2015/09/data-is-the-next-big-thing-in-content-marketing How Content Marketers tell better stories with data (Alexandra Samuel), 2015, https://hbr.org/2015/12/how-content-marketers-can-tell-better-stories-with-data Empfohlene weitergehende Internetquellen Empfohlene Videos The Story of Content: Rise of the New Marketing https://www.youtube.com/watch?v=dBnpr3pkFlk Coca-Cola Content 2020 Initiative https://www.youtube.com/watch?v=G1P3r2EsAos Gary Vaynerchuk - Being a content marketing animal https://www.youtube.com/watch?v=hhkmJor69n4 Infosion des Monats: Content Marketing http://www.persoenlich.com/service/infosion-des-monats Referenzen und weitere Quellen 72 TREND NEUN: CUSTOMER INTEGRATION Für viele Unternehmen gehört heute die Einbindung des Kunden in verschiedenen Stufen des Wertschöpfungsprozesses zum Alltagsgeschäft. Mit Hilfe von Kunden können neue Produkte und Services Customer Integration entwickelt, kundenspezifisch ausgearbeitet oder Video optimiert werden. Dabei kann der Dialog zwischen Kunden und Unternehmen variabel gestaltet werden, etwa begrenzt auf das Feedback zu bestehenden Unternehmensleistungen oder in Form des vollständigen Einbezugs des Kunden von Ideengenerierung bis hin zur Implementierung. Aufgrund der steigenden Bedeutung und Marktforderung nach Customer Centricity bauen heute viele Unternehmen ihr gesamtes Businessmodel entlang von Kundenbeiträgen zur Wertschöpfung auf. Aus Unternehmenssicht ist die Integration von Kunden in den Wertschöpfungsprozess mit vielen Vorteilen verbunden: Unternehmen können bestimmte Tätigkeiten des Innovationsprozesses entweder durch Kundenfeedback anreichern oder ganz an Kunden auslagern – (wie z.B. Ideengenerierung bis hin zum Bau von ersten Prototypen. Zudem bieten Kundenintegrationsprozesse generell viele Möglichkeiten zur Erhöhung des Kundennutzens und damit der Qualität von Leistungen, und können darüber die Kundenbindung positiv beeinflussen. Die Intensivität der Einbindung von Kunden in Innovationsprozesse kann in drei Stufen gegliedert werden (z.B. Hofbauer, 2013; Reichhart, 2002): 1. Passive Mitwirkung – Kunde kann Feedback zu Unternehmensleistungen geben, hat aber keinen Einfluss auf die Einbindung des Feedbacks in den Entwicklungsprozess. 2. Aktive Mitwirkung – Kunden können mit dem Hersteller gemeinsam Leistungen entwickeln und kann sich aktiv einbringen. Der Kunde kann einen Beitrag zur Leistungsausgestaltung leisten. 3. Aktive Partizipation – Ganze Prozesse/ Teilaufgaben werden vom Kunden übernommen. Dadurch trägt der Kunde einen massgeblichen Teil zur Leistungsgestaltung bei. 73 Die Ausgestaltung der Kundenintegration in der Praxis kann stark variieren, je nach Phase des Produktentwicklungsprozesses. Hier kann man grundsätzlich zwischen vier (fünf) Prozessphasen unterscheiden (z.B. Hofbauer, 2013): 1. Ideengenerierung & - vorauswahl, 2. Produktkonzeption & -auswahl, 3. Produktentwicklung (Prototyping), 4. Testphase und Markterprobung, 5. (Optimierung bestehender Produkte im Markt). Als Kundenintegrationsmöglichkeiten bieten Unternehmen beispielsweise an: Point-of-Delivery Customization (z.B. das Bedrucken von T-Shirts im Laden) Kundenforen, Fokusgruppen (v.a. im Bereich Marktforschung), Innovationswettbewerbe, Lead-User Innovation, CoInnovationsprojekte, Testkunden usw. Nicht nur im Innovationsbereich kann man von Kundenintegrationsmassnahmen sprechen: Der durch Kunden selbst vorgenommene Möbelaufbau, Do-it-yourself-Konzepte und Self-Check-Out im Supermarkt sind ebenfalls als Formen der Kundenintegration zu betrachten. Auch in diesen Fällen werden bestimmte Schritte des Wertschöpfungsprozesses an den Kunden ausgelagert und somit durch den Kunden massgeblich gestaltet. Allgemein gesprochen umfasst jede Art von Dienstleistung per Definition die Integration des Kunden – je grösser der Dienstleistungsanteil einer Unternehmensleistung ist, desto mehr Integration des Kunden findet per se statt, ohne das ein Unternehmen dies aktiv fördern muss. Als höchste Form der Kundenintegration sind jene Geschäftsmodelle zu betrachten, die den Kunden tatsächlich als Teil des Unternehmens definieren. Diese haben im Zuge der Digitalisierung und damit der erhöhten Möglichkeiten der Kommunikation und des flexiblen Leistungsaustauschs an enormer Bedeutung im Markt gewonnen: Ob AirBnB als Plattform für die Vermittlung von Privatwohnungen als Ferienunterkünfte oder die Plattform „sharoo“ zur Vermietung von Privatautos – in beiden Modellen ist der Kunde mit seinem Angebot zentraler Teil des gesamten Geschäftsmodells. 74 Abb. 1: Vermittlung von Fahrgemeinschaften 9.1 Best Practice Examples SAP Co-Innovation Platform: Kunden/Interessierte können entweder direkt mit konkreten Ideen an die Plattform herantreten oder aktuelle Projekte weiterentwickeln. Online- und Offline-Projekte und Events 75 Abb. 2: SAP Co-Innovation Quelle: SAP(Jahr) Swisscom Startup Challenge Kunden/ Interessenten können eigene Ideen einreichen und mit Hilfe eines Mentorings mit der Swisscom weiterentwickeln. Vielversprechende Ideen haben die Chance auf eine BusinessKooperation mit der Swisscom, um das Konzept bis hin zum marktreifen Produkt zu entwickeln und umzusetzen. Abb. 3: Swisscom StartUp Challenge Quelle: Swisscom (Jahr) Cisco Support Community: 76 Forum von Cisco Systems, das schon seit mehr als 10 Jahren existiert. Kunden können sich hier unterstützt durch Experten/Moderatoren im Forum - gegenseitig Rat zu aktuellen Problemen und Fragestellungen geben. Zudem bietet das Forum auch einen „Ideen Center“, in dem man eigene Verbesserungsvorschläge und Ideen an Cisco weitergeben kann (Lead-User-Konzepte). Ikea „Soft Toys for Education“: Seit einigen Jahren bietet Ikea eine spezielle Linie an Stofftieren an, die von Kindern selbst gezeichnet und anschliessend durch IKEA realisiert werden. Seit über 10 Jahren sucht IKEA auf diese Weise neue Kuscheltierideen zur Produktion aus. Ein Teil des Erlöses spendet IKEA an UNICEF und Save-the-Children Projekte. Video zum Thema: https://www.youtube.com/watch?v=WsJ6CV-6ZpA Abb. 4: Ikea Soft Toys for Education Quelle: IKEA (Jahr) 9.2 Gründe für nachhaltige Relevanz Kundenintegrationsprozesse bieten für Unternehmen viele Vorteile. Durch die Digitalisierung und den damit verbundenen Interaktionsmöglichkeiten, kann heute ein direkter Dialog zwischen Kunden und Unternehmen geschaffen werden. Mit Hilfe von z.B. unternehmenseigenen Plattformen oder Social Media lassen sich heute diverse Angebote der Zusammenarbeit von Kunde und Unternehmen realisieren. Kundenintegrationsprozesse existieren schon seit vielen Jahren, auch wenn das volle Potential wahrscheinlich erst in den letzten Jahren durch die technischen Möglichkeiten entfaltet werden konnte. Auch zukünftig wird die Integration von Kunden in den Entwicklungsprozess eine stärkere Rolle zugeschrieben werden: Kunden verlangen stärker denn je neue, innovative, passgenaue und individualisierte Lösungen, die auf 77 Unternehmensseite ein breites Kundenwissen voraussetzen. In diesem Zuge bietet der Einbezug von Kunden eine geeignete Methode, um den Anforderungen des Marktes zu erheben, einzubeziehen und schneller in Produkte umzusetzen. Um langfristig erfolgreich im Markt bestehen und auch stabile Werte schaffen zu können, bewegen sich Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Kundenwünschen und -anforderungen sowie generellen Potential- bzw. Marktbewertungen im Hinblick auf den Erfolg entwickelter Ideen. Wie auch bei unternehmenseigenen Ideen gilt es, Kundenfeedback und gemeinsam entwickelte Konzepte genauestens zu hinterfragen und in ihrer tatsächlichen Relevanz abzuschätzen. Gleichzeitig muss stets eine Balance zwischen Innovation und Stabilität in den Unternehmensleistungen und damit der Marke eines Unternehmens gefunden werden, um langfristig erfolgreich zu sein. 9.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte Die Konzeption und Umsetzung von Kundenintegrationsmassnahmen erfordert eine genaue Einschätzung der Ausgangslage sowie möglicher Potentiale für die stärkere Einbindung von Kunden in Unternehmensprozesse. Analyse des Status Quo im Bereich Customer Integration. Wie ist die aktuelle Kundenorientierung des Unternehmens bzw. die Anpassung der Unternehmensleistungen an die Kundenbedürfnisse einzuschätzen? Welche Massnahmen der Kundenintegration unternimmt das Unternehmen heute? In welchen Massnahmen werden Kunden aktiv und in welchen passiv einbezogen? Wie ist die Resonanz der Kunden hinsichtlich dieser Massnahmen? Externe Analyse: Wie gestaltet sich Kundenintegration bei relevanten Wettbewerbern des Unternehmens? Analyse zukünftiger möglicher & relevanter Massnahmen (kurz- sowie langfristig) im Bereich Customer Integration. An welchen Stellen könnte die Integration von Kunden zusätzliche Mehrwerte bieten? Welche Massnahmen könnten helfen, bestehende Produkte noch besser an die Kundenbedürfnisse 78 anzupassen? Wäre die Entwicklung einer Kundenintegrationsstrategie für die Akquisition von Kunden (oder Bindung von Kunden) denkbar? Analyse der unternehmenseigenen Infrastruktur und Ressourcen, um Kundenintegrationsprozesse konzeptionieren und implementieren zu können. Wie könnten sich zusätzliche Massnahmen im Bereich der Kundenintegration heute/ innerhalb von 1 Jahr/ innerhalb von 2 Jahren realisieren lassen? Besitzt das Unternehmen derzeit die notwendige Infrastruktur, um die Integration von Kunden ausweiten zu können (v.a. technisch)? Besitzt das Unternehmen aktuell genügend Ressourcen, um eine Ausweitung der Kundenpartizipation zu ermöglichen? Welche Ressourcen müssten ggf. zusätzlich herangezogen werden? Welche Stelle ist zuständig für die Ausarbeitung einer entsprechenden Strategie, Planung, Implementierung und Pflege? Besitzt das Unternehmen aktuell ausreichende Kompetenzen, um Massnamen zu planen, zu implementieren und zu pflegen (v.a. im ITBereich)? Definition des Monitoring und Optimierungsprozesses. Mit welchen Mitteln können Erfolge von Kundenintegrationsprozessen im Hinblick auf die gesetzten Ziele der Handlungen bewertet werden? Welche Kennzahlen werden dazu im Unternehmen schon heute erhoben bzw. müssten zusätzlich erhoben werden, um den Erfolg der Massnahmen einzuschätzen? 9.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Massnahmen im Bereich der Kundenintegration haben eine lange Tradition. Kunden werden seit vielen Jahren in diverse Unternehmensprozesse, v.a. im Bereich der Produktentwicklung oder Marktforschung einbezogen, um Leistungen eines Unternehmens an Kundenbedürfnisse anzupassen, zu optimieren oder individuelle Gestaltungsmöglichkeiten zu erweitern (e.g. Kristensson, Matthing & Johansson, 2008; Vargo & Lusch, 2004). Aus diesem Grund ist Kundenintegration nicht direkt als neuer, sondern vielmehr als anhaltender Trend anzusehen. Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung und damit verbunden der inkrementellen Zunahme an Kundenintegrationsaktivität im digitalen Raum ist die Frage zu stellen, ob der Einbezug von Kunden per se zu wünschenswerten oder besseren Resultaten in den verschiedenen Einsatzbereichen führt. So zeigen Metastudien, dass Kundenintegration nicht unter allen Bedingungen zu besseren Resultaten führt. Beispielsweise im Bereich der Neuentwicklung von 79 Produkten oder Services ist der Einbezug von Kunden häufig nur in bestimmten Prozessphasen von Vorteil, beispielsweise in späten Phasen der Neuentwicklung (z.B. Chang & Taylor, 2016; Gustafsson, Kristensson & Witell, 2012). Auch im Bereich der Auslagerung von Unternehmensprozessen, wie z.B. Self-Checkouts oder DIY-Produkte, muss eine genaue Prüfung geschehen, inwieweit ein Kunde offen ist, eine eigene Leistung zum Produktangebot beizutragen oder diese als obligatorischen Service des Unternehmens ansieht. So zeigen Studien, dass die Zufriedenheit mit Services, in denen Kunden Prozessschritte übernehmen müssen, stark von der Kundenbereitschaft und wahrgenommener eigener Kompetenz zur Übernahme des Prozesses abhängt (z.B. Dong, Sivakumar, Evans & Zou, 2014). 9.5 Wertvolle Ressourcen und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads”) Bruhn, M. (2009). Kundenintegration und Relationship Marketing. In Kundenintegration (pp. 111-132). Gabler. Hofbauer, G. (2013). Customer Integration Prinzipien der Kundenintegration zur Entwicklung neuer Produkte. Working Paper. Ingolstadt. Ihl, C., & Piller, F. (2010). Von Kundenorientierung zu Customer Co-Creation im Innovationsprozess. Marketing Review St. Gallen, 27(4), 8-13. Kleinaltenkamp, M., Fließ, S., & Jacob, F. (Eds.). (2013). Customer Integration: Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration. Springer-Verlag. Lee, S. M., Olson, D. L., & Trimi, S. (2012). Co-innovation: convergenomics, collaboration, and co-creation for organizational values. Management Decision, 50(5), 817-831. Lundström, J. S. E., Wiberg, M., Hrastinski, S., Edenius, M., & Agerfalk, P. (Eds.). (2014). Managing open innovation technologies. Springer Science & Business Media. Reichhart, S. (2002). Kundenorientierung im Innovationsprozess. Wiesbaden. Sloane, P. (2011). A guide to open innovation and Crowdsourcing: Advice from Leading Experts in the Field. Kogan Page Publishers. 80 Empfohlene weitergehende Internetquellen Empfohlene Videos The Importance of Open Innovation and Collaboration | London Business School. https://www.youtube.com/watch?v=05QZQIf8mPg Crowdsourcing Inside Your Company; Harvard Business Review https://hbr.org/video/2688242141001/crowdsourcing-inside-your-company Referenzen und weitere Quellen Chang, W., & Taylor, S. A. (2016). The effectiveness of customer participation in new product development: a meta-analysis. Journal of Marketing, 80(1), 47-64. Dong, B., Sivakumar, K., Evans, K. R., & Zou, S. (2014). Effect of customer participation on service outcomes the moderating role of participation readiness. Journal of Service Research, 1094670514551727. Gustafsson, A., Kristensson, P., & Witell, L. (2012). Customer co-creation in service innovation: a matter of communication?. Journal of Service Management, 23(3), 311-327. Kristensson, P., Matthing, J., & Johansson, N. (2008). Key strategies for the successful involvement of customers in the co-creation of new technology-based services. International journal of service industry management, 19(4), 474-491. Vargo, S.L. & Lusch, R.F. (2004). Evolving to a new dominant logic for marketing. Journal of Marketing, Vol. 68,1-17. 81 TREND ZEHN: FLEXIBLE USE Flexible Use bezeichnet die bedarfsabhängige Nutzung von Produkten und Dienstleistungen. Bekannte Dienste wie Uber, airbnb, Netflix oder Spotify haben „Flexible Use“ oder auch „Sharing Economy“ zu einem Trend gemacht, mit welchem sich auch „traditionelle“ Unternehmen beschäftigen beziehungsweise Flexible Use Video beschäftigen sollten. Ähnlich wie bei anderen Trends wie Content Marketing ist die zugrundeliegende Idee jedoch nicht komplett neu. Der Werkzeughersteller Hilti hat beispielsweise bereits vor über zehn Jahren das sogenannte „Tool Fleet Management“ eingeführt, bei welchem die Kunden die Werkzeuge nicht mehr käuflich erwerben, sondern Hilti das Werkzeugmanagement seiner Kunden abhängig von deren Nutzung komplett übernimmt. Durch Eingehen auf die Kundenbedürfnisse und deren Wunsch nach einer flexiblen und sorgenfreien Nutzung hat das Unternehmen somit früh sein Geschäftsmodell umgestaltet und damit den Markt geprägt. 10.1 Best Practice-Beispiele FreshNeck FreshNeck ist das “Netflix for Ties”, so das 2012 in New York gegründete Unternehmen. Da Designeraccessoires nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer teuer sind, kam das Unternehmen auf die Idee, eine Plattform zu etablieren, auf welcher Männer exklusive Krawatten, Manschettenknöpfe, Einstecktücher etc. kostengünstig ausleihen können. Das System ist einfach und „convenient“. Kunden registrieren sich zunächst auf der Plattform und „laden“ ihren präferierten und virtuellen Kleiderschrank an Accessoires auf die Plattform. Anschliessend erhalten sie binnen 1-3 Werktagen jene Accessoires nach Hause geliefert, welche oben auf dem „Warenkorb“ stehen. Gemäss ihren Wünschen und Bedürfnissen können Kunden 82 die Accessoires so lange behalten wie sie möchten. Sobald sie Lust auf etwas Neues haben, verpacken sie die getragenen Accessoires in ein vorfrankiertes Kuvert. Sobald Freshneck die getragenen Accessoires wieder erhält, werden auf Wunsch des Kunden die nächsten Accessoires automatisch verschickt. Das Angebot ermöglicht somit Kunden, kostengünstig an Krawatten, Manschettenknöpfe usw. zu kommen, die sie sich ansonsten nicht leisten wollen oder können. Da die Kunden die Produkte lediglich ausleihen, besteht auch die Möglichkeit, sich ausgefallene Produkte auszusuchen, die man sich ansonsten eher nicht kaufen würde. Abb. 1: Unternehmenskonzept Freshneck Quelle: Freshneck (Jahr) Kuhleasing Kuhleasing wurde bereits 1999 aus der Not heraus geboren und ist heute eine erfolgreiche Sharing Plattform für Landwirte. 1999 stand ein Schweizer Landwirt aufgrund der stark gefallenen Milchpreise kurz vor dem Ruin. Anstelle seinen Käse oder seine Milch weiter zu verkaufen, entschied er sich, seine Kühe an seine Kunden für eine Jahresgebühr zu vermieten. Dabei kümmerte er sich weiterhin um seine vermieteten Kühe und die Versorgung seiner 83 Kunden mit Milchprodukten. Die Kunden bekamen jedoch spezielle Rabatte für die Produkte ihrer gemieteten Kühe, erhielten Zertifikate und Photos „ihrer“ Kühe und bekamen die Möglichkeit, diese jederzeit zu besuchen. Während dies damals die letzte Chance für den Landwirt auf ein Überleben war, stellt das Kuhleasing für ihn heute eine beträchtliche Einnahmequelle mit einer professionell vermarkteten Plattform dar. Die erfolgreiche Idee wurde mittlerweile von zahlreichen Landwirten in der Schweiz und in Österreich übernommen. Abb. 2: Sharing Plattform für Landwirte Powerpeers Dass fast alle Energieversorger krisengeplagt sind und sich durch politische Intervention wie der „Energiewende“ einem strukturellen Wandel unterziehen müssen, ist keine Neuigkeit. Gleichzeitig ermöglicht diese Herausforderung aber auch neue Chancen und innovative Geschäftsmodelle. Der schwedische Energieriese Vattenfall hat beispielsweise in den Niederlanden als 100 %ige Tochter des Unternehmens das Start-up-Energieunternehmen Powerpeers gegründet. Auf einem interaktiven Marktplatz entscheiden die Kunden, von wem sie ihre Energie beziehen und wen sie mit selbst erzeugter Energie versorgen wollen. Damit entspricht das Unternehmen dem zunehmenden Wunsch der Kunden, Kontrolle darüber zu haben, wie die von ihnen verbrauchte Energie erzeugt wird und wer die von ihnen erzeugte Energie nutzen darf. Gleichzeitig entspricht das Geschäftsmodell sowohl dem Trend zum umweltbewussten Leben und der zunehmend vernetzten Gesellschaft. Kunden einzubinden und 84 sie durch Sharing Economy beim ressourcenschonenden Umgang mit Energie zu unterstützen ist dabei ein wichtiger Baustein innerhalb Vattenfalls Strategie und der Zielsetzung, bis 2050 ein klimaneutrales Unternehmen zu werden. Abb. 3: Interaktiven Marktplatz der Energieversorgung Quelle: Powerpeers (Jahr) 10.2 Gründe für nachhaltige Relevanz Die Themen Flexible Use und Sharing Economy sind heute jedoch aktueller und prägender denn je. Marketeers sollten sich aus den folgenden Gründen hiermit intensiv auseinandersetzen: Technologie: Die technologischen Möglichkeiten machen Sharing Economy heute leicht implementierbar. Soziale Medien beispielsweise stellen sicher, dass Sharing einfach und transparent ist, so dass die Nachfrage nicht mehr nur an Freunde oder Bekannte gebunden ist. Sharing Websites wie jene von airbnb oder Uber stellen durch Prüfung von Anbietern und Nachfragern, Bewertungen durch die Community sowie Online-Zahlung über die Plattform Vertrauen her. Wertewandel: 85 Während in den 1980er und 1990ern vor allem Werte wie Vergnügen und Individualisierung im Mittelpunkt standen, leben wir seit dem Jahrtausendwechsel in einer Welt, die als multioptional angesehen werden kann. Besitz, unbegrenzte Möglichkeiten und Informationsflut können jedoch auch zu einer Last werden. Sie führen zunehmend dazu, dass wir Flexibilität verlangen und lernen müssen, mit der steigenden Komplexität umzugehen. Konsumenten bevorzugen eine eher kurzlebige Art von Konsum, welche die Integration von Flexibilität und Anpassung in ihrem Alltagsleben ermöglicht. Folglich wird Besitz immer mehr als eine Einschränkung von Mobilität gesehen. Gleichzeitig ist Besitz als Statussymbol weniger wichtiger geworden. An dessen Stelle sind Motive wie Wissen und Ansehen getreten. In unserem Handeln möchten wir der „Community“ unser ideales Ich demonstrieren und uns von der besten Seite präsentieren. Abb. 4: Quelle: Nachhaltigkeit: Die Möglichkeit, sich selbst als verantwortungsvoller Konsument darzustellen, ist durch den Nachhaltigkeitsaspekt von Flexible Use gegeben. Die Idee, durch Sharing Economy oder Flexible Use Ressourcen sinnvoller einzusetzen, trifft den Zeitgeist. Zu Zeiten konsumkritischer Bewegungen werden alternative Lebensweisen wie grüner und nachhaltiger Konsum zunehmend wichtiger. Der ökologische Nutzen von Sharing Economy-Systemen umfasst idealerweise einen insgesamt geringeren Ressourceneinsatz und maximalen Gebrauch. 86 Finanzielle Rentabilität: Letztlich spielt auch der finanzielle Anreiz eine entscheidende Rolle für die Nutzung von Sharing Economy-Diensten. Geringere Kosten sowie grösserer Nutzen und Zweckmässigkeit sind entscheidende Vorteile, die letzten Endes den Kunden dazu bewegen sollen, Nicht-Sharing durch Sharing zu ersetzen. Die zunehmende Besteuerung von Vermögenswerten ist ein weiterer wichtiger Grund, warum Konsumenten Access-based-Alternativen präferieren. Die Teilnahme an der Sharing Economy macht nicht nur die Zeit und Belastung, welche mit der Beschaffung von Ressourcen (wie bspw. einem Fahrzeug) verbunden ist, überflüssig, sondern eliminiert auch das Problem der Lagerhaltung (Parkgebühren usw.). Sie ermöglicht aber auch, die laufenden Kosten, wie Steuern und Versicherung zu verringern und mit der Allgemeinheit zu teilen. Quelle: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0007681316300568 10.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte Obwohl vor allem Start-ups wie Uber oder Spotify Sharing Economy geprägt haben oder prägen, zeigen die obigen Beispiele, dass vor allem etablierte Unternehmen die Entwicklungen genau beobachten sollten und sich hinterfragen sollten, ob (a) solche Dienste ihr Geschäftsmodell gefährden können und (b) sie selbst in dieser Hinsicht aktiv werden sollten und auf Sharing Economy zurückgreifen sollten. Vor allem aufgrund des Drucks durch die Energiewende und die extern hoch gesteckten Ziele hinsichtlich Klimaneutralität hat Vattenfall beispielsweise die zweite Frage mit „Ja“ beantwortet und erhofft sich damit einen Vorteil gegenüber den Wettbewerbern. Das Beispiel Freshneck zeigt zudem, dass auch Modeunternehmen aus der Luxusbranche mit scheinbar glänzenden Aussichten durch Flexible Use/Sharing Economy bedroht werden können. Marken wie Hermès oder Gucci müssen sich folglich die Frage stellen, ob sie Freshneck den Markt überlassen oder lieber selbst eine ähnliche Plattform betreiben –mit dem Ziel, junge und zukünftig zahlungskräftige Kunden für ihre Marken zu begeistern. Gleichzeitig besteht dabei aber die Gefahr, den bestehenden Markt zu kannibalisieren. Zudem ist es fraglich, ob eine einzelne Marke genügend Variabilität in den Produkten anbieten kann, um den Kundenbedürfnissen nach Abwechslung (wie bei Freshneck adressiert) hinreichend gerecht zu werden. Kannibalisierungseffekte wurden auch lange Zeit von den etablierten deutschen Automobilherstellern befürchtet. Dennoch haben sich sowohl BMW mit DriveNow und Mercedes mit Car2Go (welche nun miteinander kooperieren) dazu entschieden, reinen Car Sharing-Anbietern nicht den Markt zu überlassen und stattdessen durch ihre Angebote den 87 veränderten Kundenbedürfnissen gerecht zu werden und Präferenzen für ihre Marken aufzubauen. 10.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Trend Flexible Use/Sharing Economy wurde lange Zeit einseitig positiv gesehen. Während auch hier die positiven Aspekte thematisiert wurden, vermehren sich zu Recht in letzter Zeit auch kritische Stimmen. Ein im Frühjahr 2016 erschienener Artikel beispielsweise beschrieb Sharing Economy im Frühjahr 2016 als „zerteilte Gesellschaft“ und wies darauf hin, dass Sharing nicht nur positive Auswirkungen haben kann, sondern stattdessen ironischerweise zu mehr Egoismus und Beliebigkeit führen kann. Weiterhin können solche Dienste auch dazu führen, dass der positive Aspekt des Teilens an sich zu billiger Arbeit und Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Diese Kehrseite der Sharing Economy wurde, zugegebenermassen überspitzt, im Satiremagazin extra 3 thematisiert. Einstweilige Verfügungen und Verbote durch die Politik wie bei Uber und airbnb in Deutschland sollten Unternehmen allerdings hinsichtlich der Ausgestaltung solcher Angebote sensibilisieren. 10.5 Wertvolle Resources und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads”) Stephany, A. (2015). The business of sharing: Making it in the new sharing economy. Palgrave Macmillan. Deloitte (2015): Sharing Economy: Teile und verdiene! Wo steht die Schweiz? http://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/ch/Documents/consumer-business/ch-de-cbsharing-economy-teile-und-verdiene.pdf PWC (2015): Share Economy: Repräsentative Bevölkerungsbefragung 2015 https://www.pwc.de/de/digitale-transformation/assets/pwc-bevoelkerungsbefragung-shareeconomy.pdf Empfohlene weitergehende Internetquellen 88 Die Ausbeutung, die wir Sharing nennen (2016) http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/shareconomy-die-ausbeutung-die-wir-sharingnennen-kolumne-a-1116519.html Die zerteilte Gesellschaft (2016): http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/sharing-economy-die-zer-teilte-gesellschaft-a1076216.html The sharing economy: A marketing perspective (2015): http://www.gfk-verein.org/en/compact/focustopics/sharing-economy-marketing-perspective Videos Share Economy - Der Trend zu teilen https://www.youtube.com/watch?v=vNm9pHjMIhQ Powerpeers in Short https://www.youtube.com/watch?v=hM8sePEoslk Referenzen und weitere Quellen 89 TREND ELF: INTEGRATED CUSTOMER EXPERIENCE Customer Experience Management bezeichnet alle Prozesse innerhalb einer Organisation, welche das Zusammenspiel mit den Kunden bewerkstelligen. In Anbetracht dessen, dass die meisten Unternehmen ihre Vertriebsstrategie von Single-Channel zu Multi- Integrated Customer Experience Channel weiter zu Omni-Channel entwickelt haben, Video sind auch viele neue Berührungspunkte mit Kunden entstanden. Zudem sind die Produktportfolios der Unternehmen heutzutage diversifizierter denn je. Daher müssen Unternehmen ihr Customer Experience Management über all ihre existierenden Touchpoints mit allen angebotenen Produktlinien optimieren. Die Schwierigkeiten liegen dabei in der Echtzeitnachfrage, dem Kreieren personalisierter Angebote und der zusätzlich Anforderung, alle Touchpoints in ein holistisches und nahtloses Kundenerlebnis zu integrieren. Zwei Megatrends beeinflussen die Entwicklung des integrierten Customer Experience Managements erheblich: die Digitalisierung und die Experience Economy. 11.1 Best Practice-Beispiele Bei der Berücksichtigung von Best Practices bzgl. Customer Experience Management ist es wichtig, nicht nur einen Blick auf Best Practices für Online Customer Journey oder physische Customer Experience zu werfen, sondern auch die Unternehmen zu betrachten, die beides zielbewusst verbinden. Drei Beispiele sind die Luxusmarken Burberry und Dior sowie der amerikanische Kaufhaus- und Versandhauskette Nordstrom. Burberry Burberry ist ein grossartiges Beispiel für eine nahtlose Integration von physischer und digitaler Touchpoints. Nach einer siebenjährigen Transformation von einer hinter den 90 betriebswirtschaftlichen Erwartungen zurückgebliebenen, unfokussierten Marke zu einer der erfolgreichsten Luxusmarken hat Burberry seinen Umsatz innerhalb von fünf Jahren verdreifacht. Das Modeunternehmen hat neu bestimmt, wie ein weltklassiges Kundenerlebnis aussehen sollte – online und offline integriert. In einem Interview hatte die frühere CEO von Burberry, Angela Ahrendts, welche mittlerweile ihre Stelle als Senior Vice President für Einzelhandel und Online-Shops bei Apple angetreten hat, den Londener Flagship Store wie folgt beschrieben: „Burberry Regent Street bringt unsere digitale Welt zum ersten Mal in einem physischen Raum ins Leben, wo Kunden jede Facette der Marke durch umfassende Multimedia Inhalte genau wie Online erleben können. Durch die Türen zu laufen ist genau wie unsere Website zu besuchen. Es ist die Burberry Welt Live.“ (Davis, 2014) In den Burberry-Geschäften sind viele Produkte durch RFID gekennzeichnet; dies erlaubt den Kunden, mehr über das Handwerk des spezifischen Produkts zu erfahren oder auch ein Modenschauvideo zu sehen, in welchem ein Model genau dieses Stück in Kombination mit weiteren Artikeln trägt. Nach ihrer neuen Markenausrichtung hat Burberry sich dazu entschlossen, sich auf die Zielgruppe der Millennials zu fokussieren, welche stark durch den hohen Adel beeinflusst wird. Dafür war Burberry hinsichtlich Innovation beim Kundenerlebnis „The art of the trench“. Die Plattform positioniert die Burberry-Trench Coat tragenden Kunden als Helden. Kunden können auf der Plattform ihr individuelles Styling zur Schau stellen, indem sie Bilder von sich selbst auf Instagram und Piterest posten. Endlos viele Bilder wurden gepostet und können geliked, disliked kommentiert und die Produkte auf der Plattform direkt erworben werden. Abb. 1: The Art of the Trench Quelle: The Art of the Trench (Jahr) 91 Ein weiteres exzellentes Beispiel eines integrierten Kundenerlebnisses ist Burberry Acoustic, eine Plattform für junge talentierte britische Musiker, welche weltweit in den Burberry-Geschäften laufen. Dior Dior hat 2015 Dior Eyes eingeführt, ein neues Virtual Reality Headset, um hinter die Kulissen einer Fashion Show zu schauen. Der Augmented Reality-Apparat zeigt Kunden eine 360°Perspektive inklusive Audio. Kunden können Dior Eyes in Geschäften nutzen, um den Backstage-Bereich der letzten Fashion Show zu erleben, oder auch die Handwerkskunst zu erforschen, welche hinter der Kreation der einzelnen Stücke steckt. Abb. 2: Dior Eyes Quelle: Dior creates its own virtual reality headset (2015) Nordstrom Seit über 100 Jahren ist es Nordstroms Mission, ein fabelhaftes Kundenerlebnis bereitzustellen. Die Investitionen, um dieses Ziel zu erreichen, waren hoch:Nordstrom hat in den letzten 25 Jahren über eine Milliarde US Dollar investiert, um ihre Mehrfachzugriff-Infrastruktur aufzubauen. Bereits vorgängig war in in eine Technologie investiert worden, welche es den Mitarbeitenden ermöglicht, in den Geschäften exzellenten Kundenservice zu bieten. Weitere Investitionen gingen in die Onlinepräsenz Nordstrom.com sowie ein Warenbestandssystem, welches einen beständigen Mehrfachzugriff erlaubte. Die grösseren Veränderungen waren zwischen 2004 und 2014, als Nordstrom sein Innovationslabor eröffnet hat, welches einen „Flash 92 Mob“-Ansatz verwendet und die digitalen Innovation beschleunigt. Die Entwicklung einer neuen Sonnenbrillen-App hat beispielsweise von Entwicklung bis Einführung insgesamt lediglich 5 Tage benätigt. Zudem hat Nordstrom in den Onlinehandel, aber auch in Weiterentwicklung der physischen Kaufhäuser und in umfassende Kundenerlebnisse investiert. Zu den Investitionen in die Kaufhäuser gehörte die Implementierung eines neuen Point-of-Sale Systems, welches zusätzlich zu weiteren Features über eine Personal Book Software verfügt, die es den Angestellten ermöglicht, das Kundenverhalten der einzelnen Kunden online zu verfolgen. Des Weiteren hat Nordstrom eine mobile Kasse eingeführt, welche es Kunden erlaubt, per Handy zu bezahlen, die Verkaufsangestellten dadurch entlastet und es gleichzeitig ermöglicht, den Einkauf einer bestimmten Person zuzuordnen. Investitionen in den Onlinehandel waren die Nordstrom App sowie die Onlinepräsenz in bekannten Social Media-Plattformen, um Begeisterung zu erzeugen. Dabei wurde unter anderem ein Cloud-basierender Beratungsservice für Männerkleidung erstellt, mit personalisierten und anspruchsvollen Angeboten für verschiedene Kundensegmente. Wie gelingt es Nordstrom, alle Touchpoints zu integrieren und seinen Kunden ein integriertes Kundenerlebnis zu bieten? Einige Beispiele illustrieren dies: • Nordstorm ist einer der ersten Einzelhändler, der seinen Kunden anbietet, Artikel auf Instagram direkt zu kaufen. • Pinterest dient als eine Inspirationsquelle für die visuelle Vermarktung im Laden. Bekannte Artikel werden auf der Verkaufsfläche markant dargestellt, gekennzeichnet mit einem roten Pinterest-Logo und auf der Nordstrom.com Pinspiration Microsite dargestellt. • Durch die Integration der Website und App im Bestandsmanagement-System können Kunden immer sehen, ob Produkte in der Nähe verfügbar sind, oder ob sie diese online oder einem anderen als dem bevorzugten Laden bestellen müssen. • Nordstrom hat vor kurzem „Kerb-Side Collect“ eingeführt. Kunden können so Produkte online bestellen und sie eine Stunde später vor dem Geschäft abholen. 93 Abb. 3: Pinterest top pinned items in store Quelle: Gensenhues (2013) Abb. 4: Pinspiration at Nordstrom.com Quelle: Gensenhues (2013) 11.2 Gründe für nachhaltige Relevanz Die Fusionierung von Offline und Online-Aspekten erschafft Möglichkeiten, die vorher nicht existierten und nicht existieren würden, wenn nur der eine oder der andere Kanal berücksichtigt würde oder wenn das Online- und das Offlinegeschäft separat voneinander geleitet würden. Die Anzahl Kontaktpunkte, über die Kunden mit Unternehmen agieren, nehmen zu. Dies fordert eine verstärkte Transparenz von Unternehmen, so dass Informationen, Angebote und Services 94 über alle Touchpoints hinweg konsistent sind und somit die Kundentreue erhalten oder sogar erhöht werden kann. Kunden verbalisieren zunehmend ihre Unzufriedenheit, wenn sie Inkonsistenzen im Kundenerlebnis einer Marke erleben. Durch die schnelle Verbreitung über Social Media können negative Multiplikatoreneffekte entstehen und damit die Marke langfristig schädigen. Digitalisierung (und der Informierte Kunde). Digitale Endgeräte sind heute ein wesentlicher Bestandteil des Alltags von Konsumenten geworden. Ständig wird online recherchiert, kommuniziert und konsumiert. Die digitalisierte Wirtschaft, in der wir leben, hat viele Detailhandelsparadigmen verändert. Das Internet bietet Informationen überall, sofort und zu jeder Zeit. Der informierte Konsument ist ein Resultat der Digitalisierung. Zeiten, in denen Unternehmen Kunden über ihr Produktangebot belehren, sind vorbei. Konsumenten sind generell besser informiert über existierende Produkte und Dienstleistungen als je zuvor und berufen sich zunehmend auf Empfehlungen, z.B. Blogs. Wenn Kunden einen Laden betreten, wenn überhaupt, wissen sie genau, was sie wollen und haben aufgrund vorgängiger Recherchen eine genaue Preisvorstellung. Dieses Phänomen wird auch Webrooming oder ROPO genannt, Research Online, Purchase Offline. Dieses Einkaufsverhalten bedeutet, dass der informierte Kunde aufgrund der Digitalisierung Preis- und Produktforschung selbst durchführt, persönliche Empfehlungen analysiert und Meinungen und Erfahrungen online vor dem Kauf austauscht, jedoch die Mehrheit der Einkäufe noch immer offline erfolgen. Andererseits ist gleichzeitig das konträre Phänomen, Showrooming, zu beobachten. Kunden gehen zunächst in einen Laden, um dort bestimmte Produkte physisch zu betrachten – und kaufen diese dann online. Meist zu einem günstigeren Preis als zu jenem, zu dem der stationäre Handel die Produkte anbietet, da der Onlinehändler sich gewisse Gemeinkosten sparen kannbeispielsweise für die Anmietung eines Ladenlokals in einer Premiumlage. Sowohl Webrooming als auch Showrooming sind Trends, die darauf hindeuten, dass der stationäre Handel in Zukunft nicht wegfallen wird. Allerdings muss er sich “neu erfinden“, da er für Kunden in einer digitalisierten Wirtschaft eine andere Rolle spielen wird. Erlebnisgesellschaft. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung, kann andererseits auch ein Gegentrend zur physischen und persönlichen Erfahrung beobachtet werden. Während der reine Konsum rückläufig ist, steigen die Ausgaben für erlebnisorientierten Konsum. Dies ist darauf 95 zurückzuführen, dass die Differenzierung aufgrund technischer und funktionaler Merkmale von Produkten oder Marken durch die zunehmende Konvergenz von Angeboten kaum noch möglich ist. Neue Technologien, ein intensiver Wettbewerb und eine zunehmende Commoditisierung verstärken diesen Trend. In einer digitalisierten Wirtschaft suchen Verbraucher nach realen Erfahrungen mit Menschen und in realen Umgebungen. Das Konzept der Erlebnisökonomie wurde 1998 von Pine und Gilmore eingeführt, welche Erlebnisse wie folgt definieren: “An experience occurs when a company intentionally uses services as the stage, and goods as props, to engage individual customers in a way that creates a memorable event.” (Pine & Gilmore, 1998) Dies bedeutet, dass Unternehmen unvergessliche Ereignisse schaffen sollten, um ein dauerhaftes Erlebnis im Kopf des Konsumenten zu kreieren. Mit dem Ziel, dass die Kunden dieses Erlebnis in den Kauf eines Produkts umwandeln und sich sich ausserdem die Kundenbindung erhöht. Sicherstellung eines integrierten Kundenerlebnisses. In jüngster Zeit verringert sich die Trennung zwischen einer reinen Online- und Offline-Welt für Kunden immer stärker. Dennoch erkennen Verbraucher weiterhin viele Widersprüche in der Online-und Offline-Präsenz von Unternehmen. In der Vergangenheit war es das Hauptanliegen von Unternehmen, Kunden Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Das Kundenerlebnis wurde nicht priorisiert bzw. war ein Nebenprodukt von internen Prozessen, die entworfen wurden, um das definierte Ziel zu erreichen, z.B. ein Produkt zu vermarkten oder eine Rechnung effizient und effektiv zu erstellen. Heutzutage müssen tragfähige Geschäftsmodelle kundenorientiert sein, denn Kunden haben an Macht gewonnen. Sie sind weniger geduldig, fordern Echtzeit-Service und tauschen zunehmend ihre Meinung über Produkte und Dienstleistungen auf Online-Plattformen aus, vor allem dann, wenn das Kundenerlebnis negativ ist. Unabhängig vom Touchpoint erwarten Konsumenten, dass das Erlebnis mit einem Produkt oder einer Dienstleistung schnell, einfach und effizient ist. Unternehmen müssen ein nahtloses Einkaufserlebnis bieten, unabhängig davon, wo ihre Kunden sich für den Kauf entscheiden. Daher ist es wichtig, die Customer Journey über alle Touchpoints hinweg zu verstehen, um die Rolle eines jeden Touchpoints zu identifizieren. Es ist wichtig, dass alle Touchpoints ihren Zweck erfüllen und integriert sind. Eine der zentralen und zugleich zeit- und ressourcenintensiven Aufgaben für Unternehmen ist es, eine gute Balance zwischen digitalen Elementen offline und offline zu finden und diese zu integrieren. 96 Das Betreiben von traditionellem, stationärem Handel im digitalen Zeitalter ist daher keine erfolgversprechende Strategie. Marken müssen das physische Einzelhandelsgeschäft in der Wertschöpfungskette entsprechend den Bedürfnissen der Kunden und deren Customer Journey neu positionieren und nicht nur als Verkaufsstelle positionieren, sondern als Einkaufsbegleiter ergänzend zum digitalen Angebot. Die Einführung digitaler Elementen im stationären Einzelhandel sollte jedoch nicht zu Kannibalisierung führen, sondern die vorhandene Verteilung verändern und dadurch das Kundenerlebnis verbessern. Physische Touchpoints, dauerhaft oder temporär, haben die einzigartige Möglichkeit, Kunden eine Marke emotional zu vermitteln. Denn die Erlebnisse einer Marke sind der Moment der Wahrheit, angesichts der Echtzeit-, sensorischen und erlebnisorientieren Elemente im stationären Handel. Offline-Elemente können durch neue Technologien wie digitale Spiegel oder Augmented Reality den Kunden die Möglichkeit bieten, Produkteigenschaften virtuell abzuändern oder durch zusätzliche Dienstleistungen wie die Bereitstellung der im Shop ausgewählten Artikel erweitert werden. Auch der Online-Einzelhandel kann von Offline-Elementen profitieren. Neben der Überprüfung der Verfügbarkeit von Produkten in Geschäften in der Nähe kann ein voll integrierter Händler Kunden anbieten, online zu bestellen und die bestellte Ware im Laden abzuholen, oder nach einer Lieferung nach Hause den Umtausch von nicht erwünschter Ware in einem Laden in der Nähe vorzunehmen. Dies bringt Kunden wieder in physische Läden, wo sie die Marke erleben können. Diese physischen Einkäufe können dann wiederum, sofern gut umgesetzt, unvergessliche Erlebnisse in den Köpfen von Kunden bewirken, die dem Online-Handel allein nicht möglich sind und wo Produkte und Marken Schwierigkeiten haben, sich zu differenzieren. Unternehmen sollten daher digitale Schnittstellen nutzen, um physische Detailhandelsgeschäfte zu unterstützen und verbessern, und Kunden vom traditionellen Handel zunächst zum OnlineHandel als Erstkontaktpunkt zu migrieren und physische Stores als Multi-Access- Kundenkontaktpunkt zu positionieren. Um diese integrierten Kundenerlebnisse zu ermöglichen, ist die Ausrichtung aller Touchpoints entscheidend. Es ist von grosser Bedeutung, dass die Online- und Offline-Systeme kompatibel sind und übereinstimmende Kundendaten aus allen Touchpoints abrufbar sind, um als Unternehmen ein ganzheitliches Bild der Kunden zu haben. Allerdings sollten nicht nur die Systeme kompatibel sein, sondern idealerweise sollten Unternehmen sich auch entsprechend intern organisieren. Ein integriertes Customer Experience Management erfordert ein integriertes Management von Marketing und Verkauf, offline und online. Ein weiterer wichtiger Faktor, um eine Multi-Access-Strategie nach den Bedürfnissen eines jeden Touchpoints entlang der Customer Journey zu gestalten, ist eine IT-Infrastruktur, die schnell und einfach anpassbar sein muss, um agil zu bleiben. 97 Zusammenfassend ist das Ziel des integrierten Kundenerlebnismanagements, IT-Systeme, Technologie, Prozesse und Mitarbeiter innerhalb einer Organisation optimal auszurichten, so dass Unternehmen herausragende Kundenerlebnisse über stationäre, temporäre und digitale Touchpoints vermitteln können. 11.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte Segmentieren Sie Ihre Kunden. Zunächst ist es wichtig zu wissen, wer die Kunden sind und diese so zu segmentieren, dass sich die Kunden innerhalb einer Gruppe möglichst homogen verhalten und gegenüber anderer Gruppen möglichst unterscheiden. Kriterien für die Segmentierung der Kunden sind beispielsweise Demographie, Psychographie, Verhalten, Einstellungen oder Lebenswelten. Für die Kundensegmentierung kann ein Mix aus verschiedenen, von jedem Unternehmen individuell ausgewählten Kriterien gewählt werden. Idealerweise werden demographische, einstellungsund verhaltensorientierte Kriterien kombiniert. Bilden Sie die Touchpoints der Customer Journeys der verschiedenen Kundensegmente ab. Um ein integriertes Customer Experience Management zu kreieren, reicht es nicht aus, unterbrochene Verbindungen im Customer Journey zu verbinden. Es ist auch nicht eine Frage der besten Apps, Tools oder Analytics. Unternehmen müssen in der Lage sein, die Customer Journey zu verfolgen und die Bedürfnisse und Motivationen der Kunden zu verstehen, um eine integrierte Customer Experience zu entwerfen. Daher ist es wichtig, Prozesse und Ressourcen für jedes Kundensegment abzubilden, um Kundenverhalten und Vorlieben entlang der Customer Journeys an jedem Touchpoint optimal zu erfüllen. Optimieren Sie Ihre Touchpoints, indem Sie die Rolle jedes Touchpoints identifizieren. Jeder Touchpoint muss entsprechend seiner Aufgaben, innerhalb der Customer Journey untersucht werden. Physische Einzelhandelsgeschäfte zum Beispiel werden eine andere Rolle spielen und müssen sich in die digitale Welt integrieren. Die Digitalisierung hat das Verhalten vor dem Kauf besonders verändert – aber auch die Art und Weise, wie wir generell kaufen. Es ist nicht mehr die primäre Aufgabe eines stationären Handels, Kunden zu informieren. Kunden sind in der Regel informiert, wenn sie einen Laden betreten; häufig liegt ein spezifisches Problem vor, das Bestreben, ein Produkt zu erleben, oder das Ziel, eine persönliche Beratung zu erhalten, die sie nicht online bekommen konnten. Daher müssen physische Geschäfte so entworfen werden, 98 dass sie den veränderten Kundenbedürfnissen gerecht werden. Gleiches gilt für die OnlineTouchpoints, die auf das Suchverhalten der Kunden abgestimmt werden müssen. Jeder Touchpoint muss daher entsprechend der Rolle, die er innerhalb der gesamten Customer Journey spielt, überprüft und verbessert werden. Verbinden Sie Ihre Touchpoints. Silo-Mentalitäten innerhalb von Abteilungen eines Unternehmens müssen abgeschafft werden, um ein integriertes und Echtzeit-Kundenerlebnis zu vermitteln. Es ist wichtig, die richtigen Daten zur richtigen Zeit zur Verfügung zu stellen und Prozesse für Kunden und Mitarbeiter zu vereinfachen, so dass Kunden optimal bedient werden und ein einfacher Zugang gewährt werden kann. Das Entwerfen eines Kundenerlebnisses für einzelne Touchpoints, z.B. eine Social Media-, Mobil- oder Retail-Strategie zu definieren, ist unzureichend. Kunden wechseln zwischen Touchpoints und Unternehmen und sollten daher nahtlose Kundenerlebnisse entwerfen, die widerspruchsfrei sind. Dies ist nur mit einem integrierten Ansatz für Marketing und Vertrieb möglich, in welchem die Silomentalität von Online und Offline abgeschafft wird. Unternehmen müssen Geschäftsmodelle entwickeln, die in einer digitalisierten Welt überlebensfähig sind und einzigartige Möglichkeiten nutzen, um auf Marktchancen und Kundenbedürfnisse zu reagieren. Daher sind organisatorische Veränderungen, die sich strikt am Kunden orientieren, notwendig, um ein nahtlose Kundenerlebnis zu ermöglichen. Dies verlangt auch verwobene Logistik, Rechnungsstellung und Dienstleistungen rund um Marketing und Vertrieb. Es ist wichtig, dass ein Kunde das Gefühl hat, mit einer Marke oder einem Unternehmen zu interagieren, ungeachtet der Touchpoints, und nicht das Gefühl von getrennten Geschäftseinheiten erhält. Die Gestaltung von Systemen und Prozessen sollte ganzheitlich, mit gemeinsamen Lagerbeständen über die verschiedenen Kanäle hinweg und mit einfach zu bedienenden Kundendienstanwendungen gestaltet werden, unter Berücksichtigung aller möglichen Touchpoints eines Kunden entlang der Customer Journey aller verschiedenen Kundensegmente. Orchestrieren Sie Ihre Touchpoints. Marken sollten versuchen, zunehmend Erlebnisse an ihren physischen Touchpoints zu schaffen, die das episodische Gedächtnis der Konsumenten ansprechen, um auf lange Sicht in Erinnerung zu bleiben. Vitale Instrumente der Markenführung sind eine dreidimensionale Markeninszenierung, Behavioral Branding, multisensorisches Branding, Events usw., um eine Marke zum Leben zu bringen und nachhaltige Erlebnisse im Kopf des Konsumenten zu verankern. Darüber hinaus müssen physische Marken-Touchpoints durch intelligenten Einsatz von Technologie verbessert werden. Das bedeutet nicht, dass ein Laden mit Bildschirmen und digitalen Geräten ausgestattet werden muss; Technologie sollte vielmehr genutzt werden, um 99 das physische Kundenerlebnis spezifisch zu verbessern und die Orientierungsfunktion einer Marke in volatilen Zeiten zu unterstützen. Mit intelligenter Technologie können Unternehmen einzigartige In-Store-Erfahrungen mit digitalen Spiegeln oder Augmented Reality erstellen. Für Offline- und Online-Touchpoints sollte ein kundenorientierter Ansatz gewählt werden, bei dem Einzelhändler individuelle Lösungen für ihre unterschiedlichen Kundensegmente anbieten können. Touchpoints müssen so orchestriert werden, dass sie die Kundenloyalität und damit die Kundenlebensdauer erhöhen. 11.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Ein voll integriertes Kundenerlebnis ist sehr kostspielig und zeitintensiv (siehe Nordstrom). Daher ist es notwendig, Touchpoints mit hohen Kundenfrequenzen zu priorisieren Schlüsseltouchpoints müssen identifiziert, priorisiert, optimiert und verbunden werden. Des Weiteren ist es wichtig, die verschiedenen Zielgruppen zu berücksichtigen, da manche Zielgruppen für einige Produktkategorien lediglich Mono-Touchpoint orientiert sind; so nutzen beispielweise viele ältere Menschen oftmals kein Online-Banking. Kundeninteraktionen mit Unternehmen sind zunehmend über mehrere Kanäle und Touchpoints verteilt. Gleichzeitig muss eine Widerspruchsfreiheit der verschiedenen Touchpoints erzielt werden. Daher müssen dieselben Informationen, Angebote, Transparenz und Dienstleistungen den Kunden über alle Touchpoints hinweg zur Verfügung gestellt werden, um Kunden zu halten oder sogar deren Loyalität zu steigern. Der Aufwand für eine solche integrierte Customer Experience kann sehr hoch sein – und insbesondere zu Beginn aufgrund möglicher Technologiekosten durchaus unrentabel sein. Gerade für mittelständische Unternehmen entsteht ein Trade-off zwischen „optimaler Integration“ einerseits und „bewusstem Fokus (20 : 80)“ auf bestimmte Instrumente und Touchpoints andererseits. 11.5 Wertvolle Ressourcen und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads”) Bloching, B., Luck, A., Kiene, R., Otto, A., Kötter, H. W., & Franke, M.-K. (2014). What the customer really wants. Munich. Retrieved from 100 https://www.rolandberger.com/publications/publication_pdf/roland_berger_tas_what_the_c ustomer_really_wants_rev_1.pdf Davis, S. (2014). Burberry’s Blurred Lines: The Integrated Customer Experience. Retrieved October 17, 2016, from http://www.forbes.com/sites/scottdavis/2014/03/27/burberrysblurred-lines-the-integrated-customer-experience/#39a243a722fc Pine, B. J., & Gilmore, J. H. (1998). Welcome to the experience economy. Harvard Business Review, 76(4), 97–105. Ross, J. W., Beath, C. M., & Sebastian, I. (2015). Why Nordstrom’s Digital Strategy Works (and Yours Probably Doesn’t). Retrieved October 16, 2016, from https://hbr.org/2015/01/whynordstroms-digital-strategy-works-and-yours-probably-doesnt Teufel, P., & Zimmermann, R. (2015). Holistic Retail Design – Reshaping Shopping for the Digital Era - Frame store (1st ed.). Amsterdam: Frame Publishers. Empfohlene weitergehende Internetquellen Empfohlene Videos Redesigning Customer Experience in the Digital Era https://www.youtube.com/watch?v=QtrWwN0sAME Re-inventing customer experience in the digital era https://www.youtube.com/watch?v=7MaLg_Qm8CQ Burberry Case Study https://www.youtube.com/watch?v=TFDiPm4VaW0 Referenzen und weitere Quellen Art of The Trench. (2016). Retrieved October 17, 2016, from http://artofthetrench.burberry.com/gallery/ 101 Burberry Acoustic. (2016). Retrieved October 17, 2016, from https://uk.burberry.com/acoustic/ Conway, D. (2015). Customer Experience Best Practice: From Digital to Omni-channel - KPMG Nunwood. Retrieved October 14, 2016, from http://www.nunwood.com/customerexperience-best-practice-from-digital-to-omni-channel-a-customer-experience-excellencecentre-briefing-note/ Dior creates its own virtual reality headset. (2015). Retrieved October 17, 2016, from https://www.lvmh.com/news-documents/news/dior-creates-its-own-virtual-reality-headset/ Five Best Practices to Deliver Exceptional Multichannel Experiences. (n.d.). Pleasanton. Retrieved from https://www.veeva.com/wp-content/uploads/2015/05/5-best-practices-MultichannelExperience.pdf Gensenhues, A. (2013). Nordstrom Takes Pinterest Engagement To New Level, Turns Most Pinned Items Into In-Store Displays. Retrieved October 17, 2016, from http://marketingland.com/nordstrom-takes-pinterest-engagement-to-new-level-turns-mostpinned-items-into-in-store-displays-51118 Lessons from the Leading Edge of Customer Experience Management. (2014). Cambridge. Retrieved from https://www.sas.com/content/dam/SAS/en_us/doc/whitepaper2/hbr-leading-edgecustomer-experience-mgmt-107061.pdf Schmitt, B. (2011). Experience Marketing: Concepts, Frameworks and Consumer Insights. Foundations and Trends® in Marketing, 5(2), 55–112. Sedley, R. (2016). The integrated customer experience must: how to achieve it. Retrieved October 16, 2016, from http://www.i-scoop.eu/integrated-customer-experience-must-achieve/ 102 TREND ZWÖLF: TRANSPARENCY Ein erfolgreiches Online-Marketing setzt ein gutes Verständnis der Konsumenten und eine ausserordentliche Kundenbeziehung voraus. Hierbei reicht es nicht mehr aus, Strategien frei nach guten Ideen und Intuition oder vergangenen Massnahmen Transparency Video zu implementieren. Konsumenten werden komplexer und anspruchsvoller, sie wollen verstanden und als Individuum geschätzt werden. Datenanalysen und das schnelle Lernen liefern hierbei oftmals den entscheidenden Beitrag, der beim Unternehmen zu einem prägnanten Wettbewerbsvorteil führen kann. Gleichwohl kann dieser technologische Fortschritt das Kundenvertrauen beeinträchtigen; dies stellt Unternehmen beim Beschaffen von Daten vor eine entscheidende Hürde. Kunden messen ihrer Privatsphäre zunehmend Wert bei und sind daher bei der Weitergabe ihrer Daten misstrauisch und kritisch. Einer britischen Studie zufolge sind Konsumenten jedoch bereit, ihre persönlichen Informationen zu teilen, wenn das Unternehmen drei fundamentale Aspekte erfüllt: Transparenz, Relevanz und Einfachheit. Diese drei essentiellen Elemente können Unternehmen dabei helfen, Kundenbefürchtungen zu beschwichtigen und gleichzeitig die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden weiter auszubauen. Quelle: http://www.marketingtechnews.net/news/2015/feb/03/data-collection-consumers-demand-transparency-relevance-andconvenience/ 12.1 Best Practice-Beispiele The Guardian Das Thema Kundenvertrauen ist auch für die Zeitung The Guardian von entscheidender Bedeutung. 2012 sah sich die britische Tageszeitung tiefgreifenden Problemen gegenüber. Zum einen hatte das Unternehmen hinsichtlich seiner Druckauflagen mit fallenden Erträgen zu kämpfen, zum anderen hatte es Schwierigkeiten, über sein digitales Publikum Geld zu erwirtschaften. 103 Um diese Krise zu bewältigen, musste die Zeitung ihre bereits existierende Leserschaft gewinnbringender einsetzen und sich mit dieser in einer personalisierten und relevanten Art und Weise vernetzen. Das Unternehmen war sich bewusst, dass kundenspezifische Daten einen entscheidenden Beitrag zum besseren Verständnis der Kunden leisten können. Allerdings hat The Guardian auch erkannt, dass das Gewinnen von Daten zu Zeiten der „Edward Snowden Story“ eine durchaus beachtliche Hürde darstellt. Die Menschen sind hinsichtlich der Weitergabe ihrer Daten wachsam und misstrauisch geworden – „bad people doing bad things with data“. Daher hat sich die Zeitung dazu entschieden, seinen Lesern zwanglos und offenen den Grund ihrer Datengenerierungsmassnahme zu erklären. Denn The Guardian war sich bewusst, dass das Vertrauen der Kunde wesentlicher Bestandteil einer guten Unternehmens-Kunden-Beziehung ist. 2014 hat das Unternehmen die Kundencharta „Why your data matters to us“ eingeführt. Mit dem gleichnamigen Video demonstriert The Guardian hierbei sehr transparent seine Einstellung in Bezug auf Daten und erklärt, welchen Beitrag diese für die Zeitung leisten. In dem Video erklärt das Unternehmen auch, wie die Daten der Zeitung helfen, Premium-Werbeeinnahmen zu erzielen und wie essentiell diese für die Finanzierung der Journalisten sind. Zudem erläutert The Guardian der Zuhörerschaft, dass die Daten die Zeitung dabei unterstützen, die Leser besser zu verstehen und damit mit individuell zugeschnittenen und nützlichen Mitteilungen zu bedienen. Abb. 1: Why your Data matters Quelle: The Guardian (2014) “One of the reasons this was an award winning piece of work was [because] we decided to go down the road [of] being very open and transparent but also moving away from ambiguity and complexity of legal language. It felt to me that we did something quite innovative with that video and it took a lot of effort to get to that point because it got us talking about the importance about being transparent with our customers.” (Julia Porter, Director of Customer Revenues) 104 Durch seine transparente Haltung konnte das Unternehmen erfolgreich die gewünschten Daten gewinnen, ohne dabei das Vertrauen der Leserschaft zu beeinträchtigen. Nach einer detaillierten Segmentierung der Kunden und dem Heranziehen aussagekräftiger Modelle konnte The Guardian nicht nur seine Conversion Rate verbessern, sondern auch seine Unique Click-Rate auf Emails um 50 % erhöhen und die Einnahmen aus Email-Marketing um 100 % steigern. Die Neueinführung des Bookshops im Zuge der Kundensegmentierung führte zu einer Steigerung des Umsatzes um 60 % und erhöhte die mobile Conversion Rate um 137 %. Quelle: https://www.marketingweek.com/2016/06/15/why-transparency-in-data-is-key-to-building-trust/ Uber Dass Uber durch seine innovativen Ideen in kürzester Zeit einen ausserordentlichen Marktanteil gewinnen kann, hat das Unternehmen bereits gezeigt. Vielen ist aber wahrscheinlich nicht bekannt, dass das „Ride sharing“-Unternehmen auch zu den Vorreitern in Bezug auf Datentransparenz und Datenschutz zählt. Uber wurden von der Electronic Frontier Foundation hinsichtlich dem Schutz der Kundenprivatsphäre mit 5 Sternen ausgezeichnet. Das Unternehmen arbeitet durch das Bereitstellen einer digitalen Plattform als Online-Vermittler von Fahrdienstleistungen. Hierzu muss Uber eine hohe Anzahl an Kundendaten generieren, wie bspw. den Standort, die Kundenhistorie oder auch das Kundenkaufverhalten – im Grunde all jene Informationen, die zum Erbringen eines massgeschneiderten Service von Nöten sind. Allerdings macht der Besitz einer derartigen Datenflut das Unternehmen sehr anfällig für Cyberattacken – persönliche Informationen könnten in falsche Hände geraten. Der Fahrdienstleistungsvermittler hat sehr intensiv am Thema Datenschutz gearbeitet. Das Unternehmen hat veranlasst, dass Drittpersonen zum Abrufen von Kundendaten Berechtigungen oder gerichtliche Anordnungen aufweisen müssen. Zusätzlich bietet Uber seinen Kunden einen Transparenzbericht und verspricht ihnen, wenn möglich mittzuteilen, falls Gesetzeshüter das Bereitstellen ihrer persönlichen Daten angefordert haben. Nach der in Vergangenheit oftmals öffentlich bekundeten Sorge des Datenmissbrauchs hat Uber den Wunsch seiner Kunden nach Datenschutz und Transparenz erkannt und umgesetzt. Quelle: http://www.businessinsider.com/uber-leads-in-user-privacy-and-data-transparency-2016-5 105 Abb. 2: Datenschutz bei Uber Quelle: Uber (Jahr) Telefónica Auch das Telekommunikationsunternehmen Telefónica hat die Wichtigkeit von Datentransparenz erkannt. Telefónica ist davon überzeugt, dass Transparenz als Katalysator beim Zusammenführen von Datenschutz und Technologie dienen kann. Aus diesem Grund hat das Unternehmen ein Datentransparenz-Labor aufgebaut, welches aus einem gemeinschaftsbasierenden Einsatz zwischen Universitäten, Unternehmen und Organisationen besteht. Ziel des Zusammenschlusses ist es, Wege zu einem transparenten und respektvollen Datenaustausch zu finden. Unter dem Aspekt soll die Forschung in Bezug auf Instrumente und Berichtswesen unterstützt werden, um den mangelnden Schutz der Privatsphäre zu beleuchten und Konsumenten zu befähigen, persönliche Online-Daten zu kontrollieren. Ein Beispiel der Forschungsarbeit des Datentransparenz-Labor ist das Tool „Sheriff“, welches das Telefónica I+D Team in Zusammenarbeit mit der Universität Carlos III und der Universitat Politècnica de Catalunya entwickelt hat und durch welches IP-orientierte Preisveränderungen von Onlineshops ermittelt werden können. 106 Abb. 3: Data Transparency Lab Quelle: Data Transparency Lab (Jahr) Vor wenigen Monaten hat Telefónica gemeinsam mit der Anwaltskanzlei Hunton & Williams LLP das White Paper „Reframing Data Transparency“ veröffentlicht. In dieser öffentlichen Diskussionsschrift betonen beide Organisationen die Wichtigkeit von Datentransparenz und weissen zudem darauf hin, dass Transparenz über den gesetzlichen Datenschutzhinweis hinaus geht und sich an den Bedürfnissen der Konsumenten orientieren sollte. In diesem Zusammenhang werden die wichtigsten Kernaussagen, aus der im Juni 2016 geführten Diskussion beider Organisationen, aufgegriffen und Empfehlungen für Industrie, Aufsichtsbehörde und Bürgergesellschaft ausgesprochen. Die folgende Grafik illustriert diese Kernaussagen. Transparenzdefizit im digitialen Zeitalter Bedeutung der Diskrepanz zwischen legaler und kundenorietierter Transparenz Herausforderungen beim Erbringen von kundenorietierter Transparenz Datentransparenz als eine Herausforderung mehrere Interessengruppen Funktionen der Datenschu‹behörden und Unternehmen Funktionen der Unternehmen Wichtigkeit Konsumenten zu ermächtigen Abb. 4: Reframing Data Transparency 107 Quelle: In Anlehnung an Centre for Information Policy Leadership and Telefónica Senior Roundtable (2016) Sowohl das White Paper als auch die Diskussionsrunde bauen auf der Initiative des Daten Transparenz Labors auf und liefern bedeutungsvolle Ansätze zum Thema Transparenz Google Dashboard Bereits seit 2009 können User über ihr Google-Konto ihre Daten einsehen und kontrollieren. Der genannte Dienst heisst Google Dashboard und liefert eine zentrale Auflistung aller Daten, die in Verbindung mit den verschiedenen Google-Produkten stehen. Durch das Dashboard erhalten die Nutzer einen genauen Überblick darüber, welches Google-Produkt sie zuletzt verwendet haben und wie es eingesetzt wurde. Zusätzlich können die Nutzer über den genannten Dienst auch ihre persönlichen Einstellungen für jedes Google-Produkt individuell überprüfen und ändern. Alle im Dashboard gespeicherten Daten werden als vertraulich betrachtet und sind daher nicht für Dritte einsehbar. Google Dashboard verwaltet ausschliessliche Informationen eingeloggter User und steht daher auch nur diesen zur Verfügung. User, die nicht eingeloggt sind oder keinen Google-Account besitzen, haben dennoch Kontrolle über Daten. Beispielsweise können sie ausschalten, dass ihre Suchergebnisse anhand früherer Suchaktivität auf dem gleichen Computer angepasst werden. Google war bereits frühzeitig bewusst, wie wichtig es ist Usern die Möglichkeit zu geben zentral ihre Daten zu kontrollieren – Google Dashboard leistet diesen Dienst und ermöglicht Nutzern Transparenz und Kontrolle über ihre persönlichen Daten. Quelle: https://www.datenschutz-praxis.de/fachartikel/was-google-dashboard-wirklich-bringt/ 108 Abb. 5: Google Produkte und Daten kontrollieren Quelle: Google (Jahr) 12.2 Gründe für nachhaltige Relevanz Kunden vertrauen den Unternehmen nicht mehr Auch wenn der Besitz von Big Data und die Anwendung von Machine-Learning reichlich Vorteile mit sich bringen, sollten sich Führungskräfte in Unternehmen bewusst sein, dass das Kundenvertrauen unter den modernen Analysetechniken leidet. Die Kunden misstrauen den Unternehmen, da sie glauben, dass diese verantwortungslos mit ihren Daten umgehen. Die Besorgnis hinsichtlich des Missbrauchs persönlicher Informationen ist universal, unabhängig von Geschlecht, Nationalität und Person. Dies hat in einige Fällen auch so tiefgreifende Folgen, dass Kunden allein aus Datenschutzgründen auf digitale Dienste verzichten. Wenn Kunden den Unternehmen nicht trauen, werden sie ihre Daten nicht mit ihnen teilen. Kunden empfinden das Verwenden von Daten oft als Ausnutzen seitens der Unternehmen. Sie haben Sorge, verraten zu werden. Zudem verbinden viele Konsumenten nicht das individuell zugeschnittene Marketing mit der Tatsache, dass ihre Daten eben dazu verwendet wurden, sie mit massgeschneiderten Inhalten zu versorgen. 109 Auf Cookies beruhende Inhalte werden immer irrelevanter Um bei Konsumenten für relevante und persönlich zugeschnittene Erlebnisse zu sorgen, bedarf es „first-party data“. Traditionelle Techniken wie das Verfolgen von Cookies werden immer irrelevanter, da die Browsing-Historie eines Users nur schwer ein ganzheitliches Bild des Konsumenten widerspiegelt – sie vernachlässigt wesentliche Informationen wie Hobbies, Interessen, Lieblingsmarken und Beziehungen. Vor einem weiteren Problem steht diese Technik vor allem in den Fällen, in denen mehrere User dasselbe Endgerät verwenden. Zudem ist es Cookies nicht möglich, Aktivität auf mobilen Geräten zu verfolgen. Letztlich sollte erwähnt werden, dass immer mehr User aufgrund von Datenschutzgründen dazu neigen, Ad Blocker zu verwenden. Dies bestätigt nochmals das Problem, welchem Unternehmen bereits heute bei der Verwendung dieser traditionellen Technik gegenüberstehen. In Bezug auf Marketingtechnologie wird es immer wichtiger, persönliche Kundeninformationen zu generieren. Unternehmen müssen ihre Kunden genau verstehen und eine Beziehung mit ihnen aufbauen. Und zum Verständnis dieser Wünsche und Bedürfnisse bedarf es mehr als nur zusammengebastelter Verhaltensmuster des Browsingverhaltens. First-party data werden direkt vom Konsumenten übermittelt und können daher die gewünschten Informationen wesentlich prägnanter wiedergeben. Das neue EU-Datenschutzgesetz wird kommen Rat und Parlament haben entschieden, dass das neue EU-Datenschutzgesetz Anfang 2018 in Kraft treten wird. Bereits jetzt ist bekannt, dass die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) aus Unternehmenssicht wesentlich strikter ausfallen wird als das bisherige Datenschutzrecht. Daher werden die Unternehmen gezwungen sein, ihre Regulierungen zu hinterfragen und ihre Datenschutzbestimmungen anzupassen. Quelle: https://www.marketingweek.com/2016/06/23/marketers-overestimate-consumers-attitude-to-data/ http://www.marketingtechnews.net/news/2015/feb/03/data-collection-consumers-demand-transparency-relevance-andconvenience/ 12.3 Handlungsimplikationen und Fragen für Führungskräfte Erläutern Sie Ihren Kunden detailliert und klar, wie Sie die Daten verwenden werden. 110 Ein wichtiger Schritt zur Herstellung von Transparenz und somit auch Konsumentenvertrauen, liegt darin, dem Kunden den genauen Grund der Datenerhebung zu schildern und das Vorhaben in Bezug auf die Daten aufzuzeigen. Für Konsumenten ist es wichtig, dass das Unternehmen klarstellt, wie die persönlichen Informationen verwendet werden und dass ihre Daten nicht mit Dritten geteilt werden. Die Kunden benötigen eine Absicherung, um sicherzustellen, dass ihre Daten angemessen und verantwortungsbewusst genutzt werden. In dem Sinne sollte bereits zu Beginn geklärt werden, ob geplant ist, die Daten zu verkaufen oder weiterzugeben und ob das Unternehmen bereit ist, die Daten zu löschen, wenn der Kunde darum bittet. Eine Missachtung der Versprechen oder auch vorher nicht klar definierte Grundsätze können das Vertrauen der Kunden massiv beeinträchtigen. Legen Sie Ihren Kunden die persönlichen Vorteile der Datenweitergabe dar. Die Unternehmens-Kunden-Beziehung hat sich verändert. Während früher noch die Unternehmen deutlich mehr Macht ausüben konnten, sitzen heute die Kunden am längeren Hebel. In früheren Zeiten boten die Unternehmen das gewünschte Produkt bzw. Service zum Verkauf an – und wenn ein Kunde dieses erwerben wollte, musste er dafür zahlen, unabhängig davon, ob der Zahlungsvorgang nur Geld oder auch das Teilen persönlicher Informationen einschloss. Die heutigen Konsumenten sind anspruchsvoller. Sie sind sich über die verschobenen Machtverhältnisse im Klaren und sind aus diesem Grunde auch kritischer, mit wem und wann sie ihre persönlichen Informationen teilen. Daher ist es für die Unternehmen von enormer Wichtigkeit, den Konsumenten die Vorteile der Datenweitergabe aufzuzeigen. Der Kunde muss erkennen, dass das Teilen der Daten in seinem eigenen Interesse ist und er aus der Massnahme einen Nutzen (bspw. geringere Preise, zugeschnittene Deals oder Special Offers) ziehen kann. Demonstrieren Sie Ihre ausserordentliche Wertschätzung von Datenintegrität. Kunden sind bei der Weitergabe ihrer persönlichen Informationen vor allem deshalb skeptisch geworden, weil sie befürchten, dass die Unternehmen verantwortungslos mit ihren Daten umgehen. Daher ist es wichtig, dem Kunden die besondere Wertschätzung von Datenintegrität zu vermitteln – dem Kunden muss bewusst sein, dass das Unternehmen an der modernsten Datensicherheit festhält und dass es Datenschutz ernst nimmt. Überprüfen Sie Ihre Sicherheitsmodalitäten, so dass Sie Ihren Kunden sorglos versichern können, dass ihre Daten bei Ihnen in guten Händen sind. Zudem sollten die Unternehmen aufgrund des neuen europäischen Datenschutzgesetztes (Datenschutz-Grundverordnung) sichergehen, dass sie über ein vollumfängliches Regulierungsprogramm verfügen. Das EU-Datenschutzgesetz wird im Zuge 111 der neuen Gesetzgebung deutlich strikter ausfallen und die Einhaltung dieser Regelungen wird daher als Vertrauensbasis bei Konsumenten dienen. Im Übrigen sollten die Unternehmen auch hinter das Gesetz schauen, denn Konsumenten sind nicht nur daran interessiert, ob die Unternehmen das Gesetz verletzen oder nicht. Sie vertrauen den Unternehmen nicht mehr, wenn sie sich hintergangen fühlen, getäuscht werden, ihre Nachfrage nach Privatsphäre ignoriert wird oder sie das Gefühl haben, ihre persönlichen Informationen wurden verkauft. Für ein effektives Marketing wird in Zukunft nicht nur die Einhaltung der Gesetze und Unternehmensstandards ausreichend sein, sondern vielmehr die Einhaltung der Kundenwünsche von Nöten sein. Nur so kann Kundenvertrauen hergestellt und Beschwerden vermieden werden. In dem Sinne würde es sich auch für die Unternehmen anbieten, einen Datenschutzbeauftragten einzustellen. Geben Sie Ihren Kunden mehr Kontrolle über ihre Daten. Proaktive Schritte hinsichtlich transparenter Datenverwendung sind für das langfristige Beschwichtigen der Kunden ausschlaggebend. Für viele Kunden geht Datentransparenz einher mit Datenkontrolle. Konsumenten wollen Kontrolle über die Speicherung, Archivierung und Löschung ihrer persönlichen Informationen. Wenn ein Teil dieser Kontrolle dem Konsumenten übergeben wird, kann dieser genau die Informationen teilen, die er ungezwungen und sorgenlos aushändigen möchte. Auch Unternehmen können vom Übergeben der Kontrolle profitieren, denn durch das Abrufen der Daten kann der Kunde falsche oder nicht mehr aktuelle Informationen korrigieren. Vereinfachen Sie den Datenerhebungsprozess. Unternehmen sollten sich Gedanken über ihren Datengenerierungsprozess machen und sicherstellen, dass Kunden ihnen die Daten mit einem guten Gefühl anvertrauen. In den meisten Fällen werden Konsumenten bei der Datensammlung mit einem Disclaimer konfrontiert, so wird der Kunde über den Datenerhebungsprozess informiert und erhält zudem die Möglichkeit die Zustimmung zu verweigern. Allerdings sind die Geschäftsbedingungen für Online-Services und Produkte in vielen Fällen versteckt, zu lang, schwer zu verstehen oder gar irreführend. Die Vereinfachung des Datenerhebungsprozesses umfasst die klare und einfache Gestaltung der Geschäftsbedingungen; etwas, dass Unternehmen oft nicht gelingt. Geschäftsbedingungen müssen prägnanter und verständlicher werden. Zudem sollten die Unternehmen die Konsumenten dabei unterstützen, Kontrolle über ihre Daten zu behalten. 112 Gewinnen Sie das Vertrauen zurück. Es bleibt die Frage, ob Unternehmen wirklich in der Lage sind, das Vertrauen der Kunden wiederzugewinnen, oder ob es sich bei den Massnahmen lediglich um eine Schadensbegrenzung handelt. Die Herausforderung wird darin liegen, die Konsumenten davon zu überzeugen, dass Sie als Unternehmen die persönlichen Informationen zum Vorteil Ihrer Kunden verwenden. Hierzu braucht es einen kulturellen Gedankenwandel, so dass Daten nicht mehr als Handelsware, sondern als eine Art Erweiterung der individuellen Identität gesehen werden. Die Wiedergewinnung von Konsumentenvertrauen ist für Unternehmen nicht unerreichbar. Dennoch bedarf ist sehr viel Hingabe und Engagement, um die Konsumenten zu dem Punkt zu bringen, an dem sie freudig ihre Daten teilen und die Verwendung ihrer Daten als Sorglos empfinden. Quellen: http://www.marketingtechnews.net/news/2015/feb/03/data-collection-consumers-demand-transparencyrelevance-and-convenience/ http://www.mycustomer.com/marketing/data/customer-data-collection-how-to-be-trustworthy-and-transparent 12.4 Gegenthesen bzw. kritische Reflexion Es sollte festgehalten werden, dass Transparenz nicht direkt Datenschutz und Kundenvertrauen impliziert. Beispielsweise hat Uber zwar einen Transparenzbericht veröffentlicht und seinen Kunden versprochen, Ihnen mitzuteilen, falls Gesetzeshüter das Bereitstellen ihrer persönlichen Daten angefordert haben. Fakt ist dennoch, dass Uber allein in dem Zeitraum zwischen Juli und Dezember 2015 Informationen von 12 Millionen Nutzern geteilt hat. In dem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Transparenz auch wirklich nur positive Auswirkungen mit sich bringt? Zu viel Offenheit kann durchaus gegenläufige Effekte ausstrahlen, Vorwürfe und Misstrauen verstärken und somit das Kundenvertrauen weiter schädigen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Transparenz allein oftmals nicht ausreichend ist. Zu Beginn des Berichtes wurde erwähnt, dass sowohl Transparenz, aber auch Relevanz und Einfachheit Treiber von Kundenvertrauen sind. Google ist es wichtig, seinen Nutzern Kontrolle über ihre persönlichen Informationen zu geben und fördert daher mit seinem Dashboard fraglos die Transparenz von Daten. Dennoch steht der Konzern immer wieder wegen Datenschutzfragen in der Kritik. In einigen Fällen bedarf es wohl mehr als nur Transparenz, um die Hürde zum Erreichen von Kundenvertrauen zu bewältigen. Aus diesem Grunde sollten Unternehmen achtsam mit dem Thema Transparenz umgehen und weitere Treiber in ihren Kampagnen berücksichtigen. In „When Transparency Backfires, and 113 How to Prevent It“ wird eben diese Thematik behandelt und mögliche präventive Schritte bei der Anwendung von Transparenz diskutiert. 12.5 Wertvolle Ressourcen und Links Empfohlene Lektüre (“Must reads ”) Centre for Information Policy Leadership and Telefónica (2016): Reframing data transparency https://www.huntonprivacyblog.com/wp-content/uploads/sites/18/2016/10/62672280_1.pdf Deloitte (2014): Datenschutz Deutschland – Die Transparenzlücke https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/de/Documents/Innovation/Analytics_Datenlan d-Deutschland_safe.pdf Martin, K.D., Borah, A., & Palmatier, R.W. (2016): Data Privacy: Effects on Customer and Firm Performance. In Journal of the Marketing, In-Press, DOI: http://dx.doi.org/10.1509/jm.15.0497. Martin, K.D. & Murphy, P., E. (2016): The role of data privacy in marketing. In Journal of the Academy of Marketing Science, 45(2), 1-21. Morey, T., Forbath, T., & Schoop, A. (2015). Customer data: Designing for transparency and trust. Harvard Business Review, 93, 96–105. Tech Target (2015): EU-Datenschutz-Grundverordnung: Was sich für Unternehmen ändert http://docs.media.bitpipe.com/io_11x/io_118205/item_985865/EU-Datenschutz-eguide.pdf Empfohlene weitergehende Internetquellen Customer data collection: How to be trustworthy and transparent (2016) http://www.mycustomer.com/marketing/data/customer-data-collection-how-to-be-trustworthyand-transparent Data collection: Consumers demand transparency, relevance and convenience (2015) http://www.marketingtechnews.net/news/2015/feb/03/data-collection-consumers-demandtransparency-relevance-and-convenience/ 114 EU-Datenschutz: Was sich für Unternehmen ändert (2016) http://www.absatzwirtschaft.de/eu-datenschutz-was-sich-durch-die-grundverordnung-fuerunternehmen-aendert-80365/ Marketers overestimate consumers` attitude to data (2016) https://www.marketingweek.com/2016/06/23/marketers-overestimate-consumers-attitude-todata/ When Transparency Backfires, and How to Prevent It (2016) http://www.ceo.com/flink/?lnk=https%3A%2F%2Fhbr.org%2F2016%2F07%2Fwhentransparency-backfires-and-how-to-prevent-it Empfohlene Videos The Guardian – Why your Data Matters https://www.theguardian.com/info/video/2014/nov/03/why-your-data-matters-to-us-video Data Transparency Lab Conference 2015 https://vimeo.com/153229520 Uber's First-Ever Transparency Report Shows It Released A Lot Of Data – Newsy https://www.youtube.com/watch?v=DVRu6fgG6SQ Google Dashboard https://www.youtube.com/watch?v=ZPaJPxhPq_g Referenzen und weitere Quellen CIPL and Telefónica Call for Action on New Approaches to Data Transparency (2016) https://www.huntonprivacyblog.com/2016/10/18/cipl-telefonica-call-action-new-approachesdata-transparency/ Google Dashboard: Meine Daten bei Google (2016) https://www.datenschutz-praxis.de/fachartikel/was-google-dashboard-wirklich-bringt/ Telefónica launches Data Transparency Lab (2014) https://www.telefonica.com/en/web/public-policy/-/telefonica-launches-data-transparency-lab 115 Two surprising companies lead the pack in user data privacy and transparency (2016) http://www.businessinsider.com/uber-leads-in-user-privacy-and-data-transparency-2016-5 Uber - Transparency Report (2016) https://transparencyreport.uber.com/ Why transparency in data is key to building trust (2016) https://www.marketingweek.com/2016/06/15/why-transparency-in-data-is-key-to-building-trust/ 116