52 Tier BAUERNBLATT l 7. November 2015 ■ Martins- und Weihnachtsgänse Ein absolutes Saisongeschäft Der Gänsebraten ist auf den Speiseplänen von uns Deutschen nur noch stark saisonal und der Verbrauch an Gänsefleisch gering. Pro Kopf der Bevölkerung werden weniger als 400 g Gänsefleisch im Jahr verzehrt. Für die Erzeuger bedeutet das in vielen Gebieten, dass fast 98 % der Tiere Weihnachten abgesetzt werden, ein paar, erfreulicherweise mit steigender Tendenz, zu Martini. Vorteile haben Gänsehalter, die in den Gebieten beheimatet sind, in denen zu Martini fast so viele Gänse nachgefragt sind wie zu Weihnachten und es Tradition ist, dass es zur Kirchweih oder Kirmes auch schon Gänsebraten gibt. Für viele Halter wäre es möglich, die Erzeugung zahlenmäßig zu erweitern, aber selbst bei Dreischichtsystem in der Schlachtung gibt die Schlachtkapazität den Schlachtumfang vor. Dieser kann natürlich größer sein, wenn sich die Vermarktungskampagne auf zwei und mehr Anlässe beziehungsweise Zeitpunkte erstreckt. Vom Ei bis zur Gans bei Direktvermarktung In der Direktvermarktung zählt aus dem tierischen Bereich das Ei bei fast jedem Produzenten zur Palette des Angebotes. Im Gespräch kann immer wieder festgestellt werden: Haben Kunden ihren Direktvermarkter gefunden, folgt irgendwann die Frage, ob nicht auch die Weihnachtsgans über ihn zu beziehen sei. So sind viele Betriebe zur Gänsehaltung gekommen. Für Neueinsteiger sei aber hier erwähnt, dass die erste zu klärende Frage ist, wo man diese Gänse zu welchen Konditionen schlachten lassen kann. Bei sehr kleinen Beständen steht diese Frage vielleicht nicht, da es oftmals noch „Fachkräfte" in der Familie sind, die diese paar Tiere schlachten und von den Federn befreien. Für alle anderen Bestände muss, bevor das erste Gössel in den Stall kommt, klar sein, wo man die Tiere zum gewünschten Termin und in der entsprechenden Anzahl schlachten lassen kann. Unterschiedliche Mastverfahren Dann ist abzuklären, welches Mastverfahren / Mastdauerange- Wenn das Grünland keinen Aufwuchs mehr bietet, ist natürlich entsprechend zuzufüttern. strebt wird. Im Prinzip unterscheiden wir die Kurz- oder Früh- beziehungsweise die Schnellmast, die Mitteloder Junggänsemast und die Langoder Spätmast, Letztere meist integriert auch als Weidemast. Die Länge der Mastverfahren und die damit gekoppelte Möglichkeit der Schlachtung werden bei der Gans durch die natürliche Federreife und den daran gebundenen Federwechsel bestimmt. ● Die Kurzmast dauert 60 Tage, danach sind Mastgänse zu ersten Mal flügge (Ganter 60 Tage, Gänse etwas frühreifer mit 58 Tagen) ● Die Mittel- oder Junggänsemast dauert genau 16 Wochen, diese Mastform wird für Direktvermarkter schon interessant. ● Die Lang- oder Spätmast muss 22/23 Wochen dauern, dann sind die Gänse wieder flügge, und sollte sich nicht länger als auf 32 Wochen ausdehnen. Der Schlachtpunkt vor der Geschlechtsreife ist wichtig, da die Gänse sonst zu diesem Zeitpunkt an Gewicht und Qualität verlieren. Die Lang- oder Spätmast ist die übliche Form für die Erzeugung der Weihnachtsgänse. Die Bestellung der Gössel sollte rechtzeitig erfolgen, um diese auch zum gewünschten Zeitpunkt zu erhalten. Es ist dabei zu überlegen, ob man Gössel mit einem Alter von einem bis drei Tagen oder mit einem Alter von drei Wochen, eventuell auch älter kauft. Dies ist für die Planung der Mast und Schlachtung der Tiere wichtig. Ein bis drei Tage alte Gössel haben den Vorteil, dass man sie meist pro- blemlos und zum gewünschten Termin beziehen kann, der Transport einfacher und die Aufzucht optimal für die Tiere zu gestalten ist. Für die Weidemast können sie relativ zeitig an das Grünland gewöhnt werden. Bei größeren Beständen ist dies oft von Vorteil. Man benötigt aber ein separates Abteil mit entsprechender Ausrüstung, vor allem Wärme, welches nur drei bis vier Wochen im Jahr genutzt wird. Gänse im Alter von drei Wochen oder älter benötigen eigentlich nur einen vor Raubzeug sicheren Stall, der anfangs vor Wind und Wetter schützt. In bestimmter Jahreszeit können Gössel ab fünfter Lebenswoche stalllosgehalten werden. Beim Kauf der Gössel muss bereits die Zielgröße, sprich das anzustrebende Mastendgewicht, welches durch den Kundenstamm vorgegeben wird, beachtet werden. Oft werden Gänse mit einem Gewicht von 6,5 bis 6,6 kg und Schlachtkörpergewichten von 4 bis 4,5 kg gewünscht. Ein sehr viel schwererer Genotyp wäre bei diesem Kundenstamm fehl am Platz. Natürlich gibt es auch Kunden, bei denen die Weihnachtsgans schwerer sein sollte, dann muss auch das beim Kauf mit der Brüterei oder mit dem Lieferanten abgestimmt sein. Stall und Ausrüstung In den ersten vier Lebenswochen können acht bis zehn Tiere je Quadratmeter Stallfläche gerechnet werden. Von der vierten bis zur ach- Fotos: landpixel ten Woche sollten dann noch vier bis sechs Tiere auf 1 m² Platz finden, später zwei bis drei Tiere. Für alle Altersklassen wird ein Drittel der Bodenfläche als Fensterfläche gefordert. In den Aufzuchtabteilen sollte in der ersten Woche eine Temperatur von 31 °C herrschen, die dann bis zur vierten Woche auf 18 °C reduziert werden kann. Für Tiere ab der fünften Woche können, je nach Jahreszeit, Außentemperaturställe mit Ganzgitterfronten genutzt werden. Neben den Wärmequellen sind in den ersten Wochen ausreichend Tröge und Tränken pro Gans sehr wichtig. So sollten in den ersten vier Wochen 3 bis 4 cm Troglänge und von der vierten bis zur achten Woche 6 bis 8 cm, später 10 cm Troglänge je Tier gerechnet werden. Tränkrinnen sind in den ersten acht Wochen mit 1 cm je Tier und später 2 cm je Tier zu planen. Mastphasen im Überblick Für die Langmast, die für die Weihnachtsgänseerzeugung die größte Rolle spielt, kann in der Aufzucht und Mast von vier Phasen der Fütterung ausgegangen werden. ● Phase 1: erste bis dritte/vierte Lebenswoche – Aufzuchtphase, hier sind optimale Temperatur- und Umweltgestaltung, ausgewogene Fütterung mit Aufzuchtfutter besser noch Starterfutter erforderlich. ● Phase 2: vierte bis sechste Lebenswoche – Übergangsphase, die Gänse werden immer stärker an das Grün- ■ BAUERNBLATT l 7. November 2015 land gewöhnt und der Eiweißgehalt reduziert. ● Phase 3: ab siebter Lebenswoche – Weide, maximale Nutzung der Weide je nach Genotyp und Wüchsigkeit des Graslandes; am Abend 100 bis 150g Beifutter/Konzentrate. ● Phase 4: vier bis maximal sechs Wochen vor Schlachtung Ausmast der Tiere. Die Länge wird von der Kondition der Tiere bestimmt. Als Futter werden Getreidegemische oder Mastfutter eingesetzt; früher auch gern Möhren und Hafer. Für diese Fütterung sind in den ersten vier Wochen etwa 3,5 kg Kükenstarterfutter für Wassergeflügel und Geflügelmastfutter erforderlich, in der fünften bis siebten Woche 2 kg pelletiertes Futter und Getreide, ab der achten Wo- Die Gans ist ein hervorragendes Weidetier, benötigt aber in der Aufzuchtphase opche mehr oder weniger Wei- timale Temperatur- und Umweltbedingungen. degang und pro Tag 100 bis 150 g Getreide. In der Endmast bis 100 Gänse je Hektar geweidet licher Schutz erforderlich, bestehend werden noch einmal 11 kg Gänse- werden. Bei einer Fläche mit einem aus Stacheldraht, 20 cm über dem mast- oder Broilermastfutter ein- Ertrag von 100 dt und einem Tages- Drahtgeflecht, und zusätzlichen gesetzt. bedarf von 200 g Grünfutter sind in Elektrozaun. der vierten bis sechsten Woche Wer Gänse aufzieht und mästet, 0,2m² Fläche pro Gans und Tag nö- hat pro Tier mit einem Arbeitsbedarf Flächen- und tig. Bei 1.000 g je Tier pro Tag ist da- von 0,7 bis 0,8 Arbeitskraft je Stunde Weidebedarf für täglich 1 m² erforderlich. (AKh) je Gans zu rechnen. Dieser Die Gans ist ein hervorragendes Wert ist mit der Literatur abgegliDer erste Schnitt im Jahr ist für die Heu- beziehungsweise Silagegewin- Weidetier. Sie verbeißt aber sehr tief chen. Natürlich spielen die Größe nung zu nutzen. Eine optimale Höhe und nutzt auch die Flächen sehr se- der Herde, die bauliche Anlage und des Grasbestandes für die Bewei- lektiv. Demzufolge ist eine straffe die Entfernung des Grünlandes dadung sind bei Gänsen 8 bis 10 cm, Umtriebsweide, besser Portionswei- bei eine Rolle. maximal 15 cm. Im ersten Jahr der de, von Vorteil. Eine Weidepflege Dr. Manfred F. Golze Neuansaat sollte diese nicht als Gän- und Kontrolle sind ständig einzuSächsisches Landesamt für seweide dienen. Je nach Boden- planen. Die Einzäunung der Weide kann Umwelt, Landwirtschaft und punkten/Grünlandzahl können auf Geologie leichten, wenig wüchsigen Böden im mit Knotengitter 15 x 12,5 cm oder Tel.: 03 42 22-46 22 13 Durchschnitt 40 bis 50 Gänse und bei Maschendraht bis 1,2 m Höhe [email protected] sehr intensivem Grünlandstandort gen. Je nach Standort ist ein zusätz- Checkliste der Martins- und Weihnachtsgänseerzeugung ● Absicherung der Schlachtung - Termin - Stückzahl - zu welchen Konditionen ● Gösselbestellung - Termin - Stück - Alter ein bis drei Tage oder drei Wochen - Genotyp: gewünschtes Schlachtkörpergewicht ● Stall/Aufzucht Wärme: - erste Woche: 31 °C; - je Woche 2 bis 3 °C Reduzierung Platz: - erste bis vierte Woche acht bis zehn Gössel pro Quadratmeter - vierte bis achte Woche vier bis sechs Tiere pro Quadratmeter - ab achte Woche zwei bis drei Tiere pro Quadratmeter Tröge: - erste bis vierte Woche 3 bis 4 cm Troglänge je Gans - vierte bis achte Woche 6 bis 8 cm Troglänge je Gans - dann 10 cm Troglänge je Gans Tränkrinne: - erste bis vierte Woche 1 cm Tränkrinne je Gans - dann 2 cm Tränkrinne je Gans ● Weidevorbereitung - Höhe des Aufwuchses bei Weideauftrieb 8 bis 10 cm - je nach Qualität/Wüchsigkeit der Weide - geringerer Ertrag 40 bis 50 Gänse je Hektar - bestes Grünland bis 100 Gänse/ha - Umtriebs- oder Portionsweide - Einzäunung Knotengitterzaun oder Maschendraht - zusätzlich E-Zaun gegen Beutegreifer ● Futterplanung - erste bis vierte Woche 3,5 kg Starterfutter je Gössel - fünfte bis siebte Woche 3,5 kg Pellets je Gans - ab achte Lebenswoche 700 g bis 1.050 g Getreide oder Aufzuchtfutter je Gans und Woche - Endmast zirka 11 kg Mastfutter ● Arbeitszeitbedarf - 0,7 bis 0,8 AKh je Gans Aufzucht und Mast; - plus 0,7 bis 0,8 Akh je Gans für Schlachtung und Vermarktung