„Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten, die wir Ihnen verursachen. Aber dies ist eine Revolution.“ Der Zapatismo als Diskursguerrila La Selva Lacandona Tzeltales, Tzotziles und Tojolabales Historischer Überblick: • November 1983 Gründung des Ejército Zapatista de Liberación Nacional (EZLN) • 1. Januar 1994: Freihandelsabkommen NAFTA tritt in Kraft à EZLN besetzt Bezirkshauptstädte, Aufruf zum Sturm auf die Hauptstadt à „Heute sagen wir Ya Basta!“ „Existimos!“ „Das Aufbegehren der indigenen Aufständischen richtet sich nicht mehr (nur) gegen die Ausbeutung durch herrschende Klassen, sondern offenbar gegen etwas weit Umfassenderes: gegen das kulturelle, soziale, wirtschaftliche und politische Vergessen, el olvido, im Gedächtnisspeicher der dominanten Kulturen.“ (Huffschmid 2004:138) Makro-Mythologien • Gründungsmythos der Revolution • sog. Modernisierungsrevolution der 90er Jahre • komplementäre Identitätskonstruktionen Mestizaje und Indigenismus Unterwanderung und Aneignung von nationalistischen Begriffen • • • • Heimat Blut Opfer Vaterland Emiliano Zapata (1879 – 1919) Einladung zur Interaktion „Flucht in die Öffentlichkeit“ à ,,Wir klopfen an Türen, und wo wir eine offene finden, da gehen wir rein und klopfen weiter an andere Türen, und immer so weiter.” (Interview mit Marcos 2000) z.B. durch Briefe an: • Carlos Monsiváis • Emiliano Zapata • den Presidente Zedillo • die Señora Zivilgesellschaft Subcomandante Marcos „Marcos gibt es nicht. Marcos ist ein Schatten, nur der Rahmen eines Fensters, das ihr seht. Hinter mir stehen die Gemeinschaften und meine Compañeros, meine Vorgesetzen.“ „Du bist nicht mehr Du, sondern seit jeher schon wir.“ (zit. nach Huffschmid 2004: 240) Die Stimme(n) und die pronominale Strategie • Wir sind dieselben. Wir sind. – Somos los mismos. Somos. • Wir, die Aufständischen, wir sind auch ihr. – Somos también ustedes. • Wir und Ihr Aufständischen – Nosotros y ustedes los insurgentes. • Hinter uns stehen (wir) ihr. – Detrás de nosotros estamos ustedes. Sprachpraxis à Bruch mit den revolutionären Sprachregeln und Provokation realpolitischer Konventionen àAbsurdität, Irritation, Ambivalenzen, Parodie, Pathos, Kitsch, Ironie, Größenwahn, Selbstnegierung, etc. Bsp. Postskriptum in Kommuniqués, inszeniertes Schweigen, Verwendung unterschiedlicher Machtbegriffe, wenig ‚realpolitsche‘ Forderungen, vermischen diverser Sprachstile, Fabelwesen wie ‚Don Durito‘ • „Die ohne Namen und ohne Gesicht, die selbsternannten Berufshoffnungsträger […] die allerkleinsten, die würdevollsten, die letzten, die besten…“ • „Wir sind aus der Nacht geboren. In ihr leben wir. Wir werden in ihr sterben. Aber das Licht wird morgen für die anderen sein, für alle diejenigen, die heute die Nacht beweinen, denen sich der Tag verweigert, für die der Tod ein Geschenk ist, denen das Leben verboten ist. Für alle das Licht. Für alle alles. Für uns den Schmerz und die Verzweiflung, für uns die frohe Rebellion, für uns die verweigerte Zukunft, für uns die widerständige Würde. Für uns nichts.“ Kommuniqué 1994 April 1994 offener Brief an den Präsidenten Ernesto Zedillo: „Ihr habt uns möglich gemacht […] wir sind Euer siamesischer Zwilling, um uns verschwinden zu lassen, müsst Ihr selbst verschwinden.“ (Qulle: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/) Die Maske Da Mexiko nicht weiß, wer oder was es ist, braucht es die Maske und begründet damit die ambivalenten Mythos seiner nationalen Mentalität als ‚maskiertes Land‘ (Fuentes 1992: 65). Kernelemente der zapatistisch konstruierten Methodologie: • Die Macht des Wortes und des Dialogprinzips (zuhören/sprechen) • Die basisdemokratische Legitimation (mandar odedeciendo/gehorchend befehlen) • Die Politik des Fragens und Zweifelns (preguntando caminamos/ fragend gehen wir voran) • Spezifische Instrumente der Versammlung (asamblea), das Treffen (encuentro), die Befragung (consulta) und die (internationale) Vernetzung • à Aufbegehren gegen politische Routine und Rituale • à neue politische Methode mehr als konkretes Programm • Den Zapatismo gibt es nicht, er dient nur wie eine Brücke dazu, von einer Seite zur anderen zu kommen. (In: EZLN 1997: 258) à als Abstraktion verselbstständigt • Aufstand der Erinnerung (Mier: 1995: 152) „Marcos ist Schwuler in San Francisco, Schwarzer in Südafrika, Asiate in Europa, Chicano im kalifornischen San Isidro, Anarchist in Spanien, Palästinenser in Israel, Indio in den Straßen von San Christobal, ein Straßenjunge in Neza, Rocker in der Universitätsstadt, Jude in Deutschland, Ombudsmann im Verteidigungsministerium, Feministin in politischen Parteien, Kommunist im kalten Nachkrieg, Pazifist in Bosnien, Mapuche in den Anden, Künstler ohne Mappe und ohne Galerie, Hausfrau Samstagabends in irgendeinem Stadtviertel in irgendeiner Stadt Mexikos, Guerillero im Mexiko des ausgehenden 20. Jahrhunderts, Streikender in der CTM (Dachverband der regierungstreuen Gewerkschaft), Reporter der Fülltexte für die Innenseiten, […].“ (EZLN 1994:243 zit. in Ana Esther Ceceña, Reflexion einer Rebellion, 2000) "Es ist nicht nötig, die Welt zu erobern. Es genügt, sie neu zu schaffen. Eine Welt, in der alle Welten möglich sind" Weiterführende Literatur: • Huffschmid, Anne (2004): Diskursguerrilla. Wortergreifung und Widersinn. Heidelberg: Synchron. • Huffschmid, Anne (1995): Subcomandante Marcos. Ein maskierter Mythos. Berlin: Elefanten Press. • http://www.copyriot.com/bewegt/zapatistas.html • http://laotraqueretaromx.blogspot.com/ • http://www.chiapas98.de/index.php • http://enlacezapatista.ezln.org.mx/ • http://www.grundrisse.net/grundrisse07/7don_durito.htm • http://revistarebeldia.org/ • Diverse Interviews mit Subcomandante Marcos auf youtube.com