volle Welt des Alten Ägyp- ten: Eindrucksvolle Zeugnis

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Eintauchen in die geheimnisvolle Welt des Alten Ägypten: Eindrucksvolle Zeugnisse von Pharaonen, ihren Untertanen und dem Traum
vom ewigen Leben
Historisches Museum der Pfalz in Speyer
zeigt die spektakuläre Schau „Ägyptens
Schätze entdecken – Meisterwerke aus
dem Ägyptischen Museum Turin“/ vortreffliche Präsentationsform und Ausstellungsarchitektur/ imponierende Statuen,
filigran gestaltete Sargensembles sowie
eindrucksvolle und sehr aufschlussreiche Stelen als herausragende Exponate/
exzellente Objektbeschriftungen/ ca. 350
Exponate auf rund 2.400 Quadratmetern
Nach den überaus erfolgreichen historischen Großausstellungen der letzten Jahre –
„Die Wikinger“ (14.12.2008-12.7.2009), "Hexen – Mythos und Wirklichkeit" (13.9.
2009-2.5.2010), „Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen“ (5.9.2010-13.2.2011)
und „Die Salier – Macht im Wandel“ (10.4.2011-30.10.2011) – ist das Historische Museum der Pfalz in Speyer auch in diesem Jahr wieder Schauplatz einer hochkarätigen kulturhistorischen Sonderschau, die zweifellos wahre Besuchermassen anlocken
wird. Mit der in zwei Jahren vorbereiteten Großexposition „Ägyptens Schätze entdecken – Meisterwerke aus dem Ägyptischen Museum Turin“ werden erstmals überhaupt ausgesuchte Kostbarkeiten aus der nach dem Louvre weltweit wichtigsten altägyptischen Sammlung außerhalb Ägyptens im Rahmen einer Sonderausstellung im
deutschsprachigen Raum präsentiert. Vom 11. März bis zum 14. Oktober 2012 gewähren Aufsehen erregende Zeugnisse einer der bedeutendsten Hochkulturen der
Menschheitsgeschichte vor allem Einblicke
in die stetige Auseinandersetzung der alten
Ägypter mit dem Leben nach dem Tod. Die
Exposition bietet dabei die einzigartige Möglichkeit, herausragende Funde in großartigem Erhaltungszustand zu besichtigen. Neben der Visualisierung der religiösen Vorstellungen veranschaulicht eine große Zahl
an Skulpturen aber auch facettenreich das
Alltagsleben. Im Mittelpunkt jedoch stehen
eindeutig die alles überragenden Vorbereitungen für das jenseitige Leben. Dabei wird
in der Ausstellung eindrucksvoll deutlich,
dass der altägyptische Jenseitsglaube und
seine Umsetzung im Rahmen festgelegter
Gottesstatuetten, Holz, Stuck; bemalt, Spätzeit, 26.-31. Dynastie (664Bestattungsformen und -riten keineswegs
332 v. Chr.), Museo Egizio, Turin. Die Statuetten der Götter Amset,
ein auf die Obrigkeit, auf die Spitze der GeHapi, Qebehsenuef und Duamutef finden sich häufig in Gräbern und
haben die Gestalt von Mensch, Pavian, Schakal und Falke. Sie galten
als Beschützer der Organe des Verstorbenen.
© Fondazione Museo delle Antichità Egizie di Torino
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sellschaftspyramide beschränktes Phänomen darstellte, sondern eine die gesamte
Gesellschaft umfassende religiöse Grundlage war. So wurden die Vorbereitungen für
das Leben nach dem Tod mit all ihren Riten und kultischen Begleiterscheinungen
eben nicht nur von den Pharaonen selbst sowie von Mitgliedern der Königs- und Fürstenfamilien praktiziert. Unter anderem wurden sie, in der Ausstellung gut nachvollziehbar dargeboten, auch von Beamten und anderen Mitgliedern der Mittelschicht
jeweils mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln in Gang gesetzt. Wie tief
diese religiösen Vorstellungen ebenso bei Handwerkern und Nekropolenarbeitern
verankert waren, belegen zudem u.a. die präsentierten Grab- und Votivstelen. Die also in der Sonderschau auf ein breiteres gesellschaftliches Fundament gebettete Darstellung der altägyptischen Jenseitsvorstellungen vermittelt den Besuchern zweifellos einen ganzheitlicheren Eindruck der Hochkultur als es bisher der Fall war. Denn die Fokussierung der öffentlichen Wahrnehmung auf die Pyramiden, die Königsmumien und die einzigartigen Funde aus dem Grab Tutanchamuns, um nur drei wichtige, ansonsten im Vordergrund stehende Aspekte und Highlights zu nennen, führte dazu, dass die Zivilisation letztlich eine doch zu sehr auf die Pharaonen ausgerichtete Erscheinungsform erhielt, die der Lebenswirklichkeit der Hochkultur im Ganzen in
dieser Form nicht gerecht werden kann. In den letzten Jahren gab es
bereits einige Ausstellungen, die diese letztlich als Missstand zu wertende Betrachtungsweise der Hochkultur durch thematisch orientierte
museale Präsentationen auszugleichen suchten. Dazu darf man nun
in hervorgehobener Weise auch die Exposition des Historischen Museums der Pfalz zählen. Das heißt natürlich nicht, dass die pharaonischen Zeugnisse in der vorliegenden Exposition weniger herauszuheben sind bzw. hervorgehoben werden, aber sie werden hier doch deutlicher in einen Gesamtkontext gestellt, der wiederum einen facettenreicheren Blick auf die ägyptische Zivilisation und insbesondere auf die
religiösen Vorstellungen ermöglicht.
Zusätzlich zur Darstellung der Begräbniskultur, der Totenriten und des
Alltagslebens gibt die Ausstellung zugleich Einblicke in die Geschichte
der Ägyptologie: von ihrer abenteuerlichen Geburtsstunde zwischen
1799 und 1803, als französische Wissenschaftler im Rahmen der napoleonischen Kriegsexpeditionen die erste Bestandsaufnahme der altägyptischen Denkmäler durchführten, bis zur Entwicklung und Etablie- Kindermumie mit Leinen umrung der Ägyptologie als eigenständige Wissenschaft. Die heute welt- wickelt und bemaltem Stück
berühmte Turiner Sammlung altägyptischer Zeugnisse kam 1824 mit verziert, Ptolemäerzeit (306/
304–30 v.Chr.), Museo Egizio,
mehr als 5.250 Exponaten, darunter 100 Statuen und 170 Papyri, an Turin. Kinder wurden im Alten
ihren jetzigen Aufbewahrungsort. Seitdem ist der Bestand stetig ge- Ägypten ebenso aufwändig wie
wachsen. Gerade an dieser Stelle ist es besonders wichtig, zu beto- Erwachsene mumifiziert und
bestattet, dennoch gehört diese
nen, dass das Ausstellungsprojekt des Historischen Museums der Kindermumie zu den wenigen
Pfalz ein internationales Projekt ist und den Besuchern den neusten erhaltenen Fundstücken. Das
Stand der Forschung präsentiert. Die Großexposition entstand in en- Lotusblumendiadem auf der
Maske lässt darauf schließen,
ger Kooperation mit den Wissenschaftlern der Universität Sohag in dass es sich bei dem Kind um
Ägypten sowie mit den Ägyptologen der Johannes Gutenberg-Univer- ein Mädchen handelte.
sität Mainz, der Freien Universität Berlin und des Ägyptischen Mu- © Fondazione Museo delle
Antichità Egizie di Torino
seums in Turin. Im Rahmen der Zusammenarbeit wurde es möglich,
dass nun erstmals Ergebnisse der aktuellen Forschung und wertvolle
Bestände des Turiner Museums aus früheren Grabungen miteinander in einen Dialog
treten. Diese erkenntnisreiche Gegenüberstellung wertvoller älterer Funde aus dem
ägyptischen Assiut und aktueller Grabungsergebnisse aus der gleichen Felsnekropo2
le stellt tatsächlich eine einzigartige Konstellation dar und ist fraglos als große wissenschaftliche Leistung anzusehen.
Ausstellungsdaten, Kuratoren, Katalog
Die Großausstellung „Ägyptens Schätze entdecken – Meisterwerke aus dem Ägyptischen Museum Turin“ präsentiert auf einer Schaufläche von rund 2.400 Quadratmetern über 350 Exponate. Die Exposition teilt sich dabei in folgende sieben Hauptbereiche: Prolog, „Der König“, „Die Schrift“, „Alltag im Alten Ägypten“, Diesseits und
Jenseits“ „Der Gräberberg Assiut“ und Epilog. Als Besonderheit für die Besucher ist
es zu werten, dass in der Ausstellung fotografiert werden darf, allerdings ohne Blitz
und Stativ. Für junge Besucher hat das Historische Museum
der Pfalz, wie bei fast allen großen Sonderausstellungen, wieder eine eigene Präsentation konzipiert, die im Jungen Museum untergebracht ist. Die Eintrittkarte beinhaltet den Besuch
beider Darbietungen. Zu den herausragenden Objekten aus
der Turiner Sammlung, die man in Speyer bewundern kann,
zählen die beiden über 3000 Jahre alten Statuen des Pharaos
Thutmosis I. und des Pharaos Amenophis I., die nicht minder
alte Gruppenstatue von Pendua und Nefertari, der spektakuläre
Sarkophag des königlichen Schreibers Butehamun (1070-946
v. Chr.), in dessen Inneren das sogenannte Mundöffnungsritual
den Weg des Verstorbenen ins Diesseits beschreibt, und der
nahezu vollständig erhaltene Fundkomplex aus dem Grab des
Minhotep, eines hochgestellten Funktionsträgers der ägyptischen
Oberschicht, dessen kunstvolle Beigaben von den meisterhaften Arbeiten der altägyptischen Werkstätten in Assiut zeugen
sowie zahlreiche einzigartige Reliefs und Grab- und Votivstelen
als Zeugnisse der Mittelschicht und Arbeiter.
Als Kuratoren der Sonderschau zeichnen Wolfgang Leitmeyer
(Kurator und wissenschaftliches Konzept) und Susanne Narock
Eine der großen Attraktionen der AusstelM.A. (wissenschaftliches Konzept), der neue Direktor des Hislung: Die Kultstatue des Pharaos Amenotorischen Museums der Pfalz, Dr. Eckart Köhne (Gesamtphis I., Be-gründer der 18. Dynastie und
einer der meist verehrten Herrscher des so
leitung), sowie Dr. Michael van Elsbergen und Prof. Dr. Ursula
genannten „Neuen Reichs“ (ca. 1550-1070
Verhoeven (wissenschaftliche Beratung) verantwortlich. Zur
v. Chr.): Amenophis I. Kalkstein, bemalt,
Exposition ist ein höchst empfehlenswerter, im Prestel-Verlag
Neues Reich, 18.-20. Dynastie (1550-1070
v. Chr.). Diese extrem gut erhaltene Statue
publizierter, 256-seitiger Katalog mit über 300 Farbabbildungen
zeigt König Amenophis I. Er gehört zu den
erschienen, der im Museum für 24,80 €, im Buchhandel für
wenigen Pharaonen seiner Zeit, die zum
39,95 € erhältlich ist. Für den Rundgang hält die Ausstellung
Gott erhoben wurden. Als Gründer des
Handwerkerdorfes Deir el-Medineh wurde
einen ausgezeichneten, im Eintrittspreis bereits enthaltenen
er noch drei bis vier Jahrhunderte nach seiAudioguide bereit, der in deutscher, englischer und französinem Tod verehrt. Gezeigt wird er in der
scher Ausführung zur Verfügung steht. Zusätzlich kann man
typischen Darstellung eines Pharaos mit
idealisierten, jugendlichen Zügen. © Foneinen ebenfalls kostenlosen, nützlichen Übersichtsplan mit auf
dazione Museo delle Antichità Egizie di
den Rundgang nehmen, der nicht nur den jeweiligen Standort
Torino Museo Egizio, Turin
erkennen lässt, sondern auch alle sieben Hauptabschnitte mit
sämtlichen Unterbereichen aufführt. Dabei gilt es allerdings anzumerken, dass es
grundsätzlich ein wenig irritierend erscheint, dass die hier aufgeführten Haupt- und
Unterbereiche lediglich als Überschriften fungieren, sich aber nicht in den Wandtexten bzw. deren Überschriften widerspiegeln. An dieser Stelle erscheint es auch
angemessen, darauf zu verweisen, dass der Katalog zwar eine numerisch exakt den
Katalognummern folgende Aufteilung erhielt, die Themengliederung aber nicht gänzlich mit derjenigen in der Ausstellung übereinstimmt. Für die Nachbetrachtung wäre
es hier sicherlich besser und nachvollziehbarer gewesen, hätte man ein einheitlicheres Gesamtbild angeboten.
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Die Ausstellung
Zu Beginn der auf das gesamte Erdegeschoss verteilten
als echter Rundgang angelegten Ausstellung erhält der
Besucher grundlegende Erläuterungen. Zunächst führen
mehrere Texte über das Ägyptische Museum Turin sowie
die historischen Gegebenheiten und Grundlagen im Alten
Ägypten, umsäumt von ersten Originalexponaten, in die
Thematik ein. Weitere Texte, Bilder und ein großes
Schaubild veranschaulichen anschließend welch entscheidende Rolle der Napoleon-Feldzug für die Wiederentdeckung Altägyptens, die dann einsetzende Ägyptomanie in Europa und die Entstehung der Ägyptologie
selbst zu Beginn des 19. Jahrhunderts einnahm. In zwei
kleinen, etwas separierten Nebenräumen linker und rechter Hand des nun folgenden Ausstellungsparcours werden zwei schillernde Persönlichkeiten der ersten Stunde,
der Sammler Bernardino Drovetti und der Ausgräber Giovanni Battista Belzoni, und ihre Verdienste um die Ägyptologie gewürdigt. Mit einer großartigen Inszenierung beginnt dann der eigentliche Rundgang durch die thematisch geordneten Abschnitte der Sonderschau.
Man steht dabei zunächst vor einer Nachbildung eines
großen Tores, durch das man direkt auf eines der absoluten Highlights der Exposition blickt: die aus Diorit gefertigte Statue Thutmosis I., die den Pharao in einer für
die Epoche typischen Herrscherhaltung zeigt. Die Großskulptur
leitet einen ganzen Bereich ein,
Thutmosis I., Diorit, Neues Reich, 18–20. Dynastie
der sich den „Herrscherdarstel- (um 1550–1070/1069 v. Chr.), Museo Egizio, Turin.
lungen im Neuen Reich“ widmet. Die Statue von Thutmosis I. zeigt den Pharao in tyNur wenige Meter daneben ist pischer Herrscherhaltung: Er sitzt die Händen auf
den Knien ruhend auf dem Thron und trägt als Zeiein zweiter, bereits kurz zuvor chen seines Königtums die Uräusschlange über seiangesprochener Höhepunkt der ner Kopfbedeckung, dem Nemes-Tuch. Zum DarExposition, die Kultstatue Pha- stellungstypus gehört auch die idealisierte, jugendliche Gestalt und das gütige Lächeln eines göttlichen
raos Amenophis I. (Bild: s. Seite Königs. © Fondazione Museo delle Antichità Egizie
3), zu bewundern. Die Präsen- di Torino
tation dieses Bereichs ist als eine der herausragenden Attraktionen der Ausstellung hervorzuheben. Sie weiß dabei nicht nur durch die großartigen Exponate und die inszenatorischen Elemente, sondern auch
durch zusätzlich in die Darbietung integrierten Fotoabbildungen sehr zu überzeugen. Auch der rechts davon folgende
Schaubereich verdient die volle Beachtung der Besucher,
kann man hier doch eine der wenigen überaus eindrucksvollen und aufschlussreichen Zeugnisse eines Nekropolenarbeiters besichtigen: die „Stele des Ipuye“. Der obere Teil,
der zwei Register der Stele ist Pharao Amenophis I. mit typischen Darstellungen gewidmet. Das zweite, untere Register hingegen zeigt den Nekropolenarbeiter Ipye mit seiner
Stele des Ipuye, Deir el-Medineh, Neues Reich, 19. Dynastie, Kalkstein, relifiert, Museo Egizio, Turin, Inv. Nr. Cat. 7357. Das obere
der in zwei Register unterteilten Stele zeigt die Frömmigkeit des Königs in Gegenwart der Götter. Dieser König – hier ganz rechts dargestellt – ist Amenophis I. (1525-1504 v. Chr.). Er trägt eine kurze Perücke und ein Diadem. Ihm voran geht der Gott Re-Harachte, um
ein Bildnis des Gottes Osoris-Chontamenti anzusprechen, hinter dem die Göttin Hathor steht. Wichtig ist bei der Darstellung der Größenmaßstab: Während die beiden Götter größer dargestellt sind als der König, ist die Göttin Hathor kleiner, von allen als kleinste abgebildet. Der untere Teil der Stele zeigt den Nekropolenarbeiter Ipuye mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn auf der linken, göttlichen
Seite. Ihnen gegenüber der älteste Sohn des Paares mit zwei Geschwistern, die Opfergaben bringen.
© Fondazione Museo delle Antichità Egizie di Torino, Foto: historischeausstellungen.de
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Frau und seinem kleinen Sohn auf der linken, göttlichen Seite und dem ältesten Sohn sowie zwei Geschwister auf der rechten, irdischen Seite, die
Opfergaben bringen. Die Stele verdeutlicht die tiefe Verbundenheit auch der
unteren Schichten mit den religiösen Vorstellungen im Alten Ägypten und
nicht zuletzt mit den Pharaonen, hier ganz konkret mit dem von irdischer zu
göttlicher Existenz aufgestiegenen Pharao Amenophis I., der als eine der
wenigen Pharaonen seiner Zeit zum Gott erhoben wurde.
Wiederum nur wenige Meter entfernt, folgt gleich der nächste Glanzpunkt
der Sonderschau. Nach dem Abschnitt „Der König“ schließt sich mit dem
Hauptbereich „Die Schrift“ ein die altägyptische Zivilisation prägender und
mit charakterisierender Aspekt an. Die von den Griechen als Hieroglyphen
(„heilige Zeichen“) betitelten ägyptischen Schriftzeichen, die sich aus Laut-,
Deut- und Bildzeichen zusammensetzen, katapultierten die Gesellschaft in
eine neue Entwicklungs- bzw. Zivilisationsstufe. Für die Ägypter war die
Schrift weit mehr als nur Informationsträger. Die Ägypter besaßen eine vielfältige schriftliche Kultur, die von Verwaltungs- und Wirtschaftstexten über
historische Aufzeichnungen und literarische Werke und den religiösen Mythen und Ritualen bis zu heilkundlichen Rezepturen reichte. „Im Alltags- und
Verwaltungsbereich setzte man von Anfang an auf eine Art Schreibschriftvariante der Hieroglyphen, die hieratische Schrift. Aus dieser entwickelte
sich um 700 v. Chr. die demotische Schrift, bei der die Zeichen noch stärker
verkürzt wurden.“ (Ausstellungstext) Die Menschen, die diese Texte niederschrieben, die Schreiber, genossen höchstes Ansehen und hatten große
Aufstiegschancen im Pharaonenreich: die Kenntnis
Großartiges Beispiel der filigran bemalten Sargensembles der
von Lesen und Schreiben öffnete die Türen zu al- so genannten „Dritten Zwischenzeit“ (1070-946): Sargensemlen höheren Ämtern. Die Schrift wurde als Infor- ble des Butehamun, Theben-West, Dritte Zwischenzeit, 21.
mations- und Kommunikationsträger immer mehr Dynastie (1070-946 v. Chr.), Holz, bemalt, lackiert. Ein Merkmal der Dritten Zwischenzeit waren die reich bemalten Särge,
zu einem wichtigen Machtinstrument. Die Schrei- die scheinbar die Notwendigkeit der Dekoration der Grabwänber profitierten von der ihnen zugewiesenen Auf- de ersetzten. Butehamun war königlicher Schreiber der Nekrogabe und konnten selbst durchaus Bekanntheit pole. Das Sargensemble besteht aus einem inneren und äußeren Sargdeckel. Die Bemalung des äußeren wiederholt sich
und Einfluss erlangen. Wie in vielen Bereichen des beim inneren Sargdeckel. Die Darstellungen imitieren im WeAlten Ägypten wurden solche Berufe nicht selten sentlichen Mumienbinden und zeigen religiöse Texte und Provom Vater auf den Sohn weitervererbt, so dass zessionen von Gottheiten. © Fondazione Museo delle
Antichità Egizie di Torino, Foto: historischeausstellungen.de
ganze Schreiber-Dynastien entstanden. Einer dieser Schreiber, die eine gewisse Berühmtheit erlangten, war Butehamun,
der königliche Schreiber der Nekropole von Theben. Butehamun lebte
zur Zeit der 21. Dynastie (1070-946
v.Chr.). Er hinterließ eines der glanzvollsten Beispiele bemalter Sargensembles aus der so genannten „Dritten Zwischenzeit“ (1070-946). Das in
filigranster Weise ausgemalte Sargensemble, dessen äußere Deckel im
Wesentlichen Mumienbinden imitieren, gehört heute zu den herausragenden Sehenswürdigkeiten des Ägyptischen Museums Turin und natürlich auch der Speyerer Ausstellung. Die Sargdeckel sind aber noch
weit mehr als rein ästhetische Schauobjekte: sie sind auch bedeutende
Zeugnisse der religiösen Rituale. So besitzt der innerste Sargdeckel
eine einzigartige Beschriftung, die das sogenannte Mundöffnungsritual
beschreibt. Hier werden die einzelnen Schritte auf dem Weg ins ewige
Mundöffnungsritual, Hölzerner Sargdeckel mit Inschrift, Dritte Zwischenzeit, 21. Dynastie (1070–946 v. Chr.), Museo Egizio, Turin.
Wie der Inschrift zu entnehmen ist, gehörte der Sarg dem Verwaltungsbeamten und königlichem Schreiber Butehamun. Der Sarg besteht aus mehreren Teilen. Einzigartig ist die Beschriftung im innersten Deckel. Hier findet sich das sogenannte Mundöffnungsritual.
Es beschreibt detailliert die einzelnen Schritte auf dem Weg ins ewige Leben. Weitere Versionen dieses Rituals finden sich auf Papyrus
oder auf Grabwänden. © Fondazione Museo delle Antichità Egizie di Torino
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Grab des Minhotep: Bäckerei, Holz, bemalt, Mittleres Reich,
12. Dynastie (1976-1793 v.Chr.), Museo Egizio, Turin. Nach
dem Glauben der Alten Ägypter mussten die Verstorbenen im
Jenseits die gleichen Arbeiten verrichten wie im Diesseits. Darum finden sich in vielen Gräbern Abbildungen von Arbeitern,
die diese Aufgaben für den Verstorbenen im Jenseits übernehmen sollten. Hier ist eine Szene aus einer Bäckerei dargestellt.
© Fondazione Museo delle Antichità Egizie di Torino
Leben dargelegt.
Auch in den folgenden Abschnitten kann der Besucher überaus sehenswerte und aussagekräftige Exponate besichtigen. Es ist hier angesichts der Bandbreite der dargebotenen Themen nicht möglich, alle anzusprechen, verwiesen sei jedoch noch auf den einzigartigen,
nahezu vollständig erhaltenen in
der Exposition präsentierten Fundkomplex aus dem Grab des Minhotep. Minhotep war ein hochgestellter Funktionsträger der Oberschicht und lebte zur Zeit des „Mittleren Reiches“ (2137-1781 v. Chr.). Das Grab selbst entstammt der
Grab des Minhotep, Minhotep
Porträt, Holz, Mittleres Reich,
Epoche der 12. Dynastie (um 1976-1793 v. Chr.) und ist also beinahe
12. Dynastie (1976-1793 v.Chr.),
4000 Jahre alt. Den Respekt und die Bewunderung der AusstellungsgäsMuseo Egizio, Turin. Die Holzte verdienen die Minhotep-Funde nicht nur aufgrund ihres Alters, sonstatue ist ein Beispiel für das hodern auch und insbesondere durch ihre hohe künstlerische Qualität.
he Qualitätsniveau der altägyptischen Werkstätten in Assiut.
Fazit
Sie ist kunstvoll gearbeitet und
Wer meint, in den nicht wenigen Altägypten-Ausstellungen der letzten
befindet sich in einem hervorraZeit schon alles Wichtige und Wissenswerte erfahren zu haben, der
genden Erhaltungszustand. Minhotep lässt sich als aufrecht stekann sich in der überaus sehenswerten und aufschlussreichen Sonhende Figur darstellen. Bemerderschau „Ägyptens Schätze entdecken – Meisterwerke aus dem
kenswert sind die Details, die bis
Ägyptischen Museum Turin“ im Historischen Museums der Pfalz in
zu weiß gemalten Fingernägel
und ehemals intarsierten Augen
Speyer eines Besseren belehren lassen. Die Großexposition zählt
reichen. © Fondazione Museo
zweifellos zu den Aufsehen erregendsten, facettenreichsten und nicht
delle Antichità Egizie di Torino
zuletzt vor allem auch zu den erkenntnisreichsten Ausstellungen zur
Thematik, die im deutschen Sprachraum in den letzten Jahren zu besichtigen waren.
Hervorzuheben ist einerseits die große Zahl spektakulärer
Schätze aus dem Turiner Museum, andererseits aber
ebenso die zahlreichen Zeugnisse, die einmal nicht der
obersten Herrschaftsschicht zuzuordnen sind, sondern
von Mitgliedern der Mittelschicht, ja gar von Nekropolenarbeitern und Handwerkern stammen. Diese auf die in
ihren Möglichkeiten und Dimensionen natürlich beschränkte, auf die Breite der Gesellschaft angelegte Darstellung mit dem Fokus auf die alles beherrschenden religiösen Vorstellungen und Rituale visualisiert die Beseelung der gesamten Gesellschaft durch die altägyptische
Religion. Sie belegt, dass es sich bei den Jenseitsvorstellungen, die in den Pyramiden ihre außergewöhnlichste
und weltweit faszinierende Manifestation erhielt, eben
nicht um eine fantastisch anmutende, ja mythische Ideologie einer abgehobenen Eliteclique handelt, sondern um
einen gesellschaftlich tief verankerten Jenseitsglauben,
der die Grundlage der gesamten altägyptischen Zivilisation bildete. Die Menschen, egal welcher Gesellschaftsschicht sie auch jeweils angehörten, hatten dasselbe Ziel
vor Augen, den selben Traum: den Traum vom ewigen
Leben. Der wesentliche Unterschied bei der Verfolgung
Nachy, Standstein, Flachrelief, Neues Reich, 18.–19. Dynastie (1550–1186 v. Chr.), Museo Egizio, Turin Einzigartig in ihrem Erhaltungszustand zeigt die Stele bis heute farbige Bemalungen und Schriftzeichen. Das Objekt steht beispielhaft für die Ausstattung eines
Privatgrabs wohlhabender Bürger. Die Inschrift verrät, dass es sich hier um Nachy, einen frommen Mann, handelt. Im oberen Teil ist er
mit den Göttern Osiris und Anubis zu sehen. Der mittlere Teil zeigt ihn mit seiner Ehefrau Nefertari. Im unteren Teil reihen sich die
Söhne und Töchter des Paars aneinander. © Fondazione Museo delle Antichità Egizie di Torino
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ihres Ziels und der Ausübung ihrer Religion bestand vor allem und grundlegend in
ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Position und damit in den wirtschaftlichen Voraussetzungen, also den materiellen Möglichkeiten, den Traum vom ewigen Leben rituell
umzusetzen. Neben den zum Teil atemberaubenden Exponaten und der Visualisierung einer gemeinschaftlich veranlagten, zwar durch die Obrigkeit initiierten, aber
keineswegs auf sie beschränkten religiösen Ausrichtung, ist es insbesondere die
Darstellung des Lebensalltags der gemeinen Leute, die der Präsentation eine weitere
Bestnote verleiht. Zu selten wurden bislang solche thematischen Einlassungen in
kulturgeschichtlichen Überblicksausstellungen überhaupt umgesetzt. Man muss dabei allerdings auch relativierend konstatieren, dass dieser Umstand durchaus nachvollziehbaren Ursachen geschuldet ist, sind eben solche Zeugnisse des Mittelstands
und des gemeinen Volkes doch eher rar gesät. Nicht jedes Museum weist eine solche Vielfalt und zugleich Qualität in seiner Sammlung auf wie das Ägyptische Museum Turin. Umso mehr darf man sich über die Speyerer Großexposition freuen. Sie
bietet einen einzigartigen Mix aus herrschaftlichem Glanz, Glaubens- und Jenseitsvorstellungen und Alltagsgeschichte. Als i-Tüpfelchen oder Krönung dieser vortrefflichen Ausstellung darf man schließlich zurecht die große wissenschaftliche Leistung
mit dem in der Darbietung erzielten einzigartigen Dialog zwischen den alten, aus
dem 19. Jahrhundert, also aus der Gründerzeit der Ägyptologie stammenden Funden
von Assiut und den neusten Erkenntnissen aktueller Grabungen vom selben Fundort
bezeichnen. Der Besuch der sehr beeindruckenden, großartigen Sonderschau ist
höchst empfehlenswert.
Die Ausstellung kompakt
Ägyptens Schätze entdecken – Meisterwerke aus dem Ägyptischen Museum
Turin
Ort und Dauer:
Historisches Museum der Pfalz, Speyer, Domplatz 4, 67346 Speyer
11. März bis (ursprünglich 2. September, verlängert bis) 14. Oktober 2012
Veranstalter:
Historisches Museum der Pfalz, Speyer, in enger Kooperation mit dem Ägyptischen Museum, Turin (I), der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz, und
der Freien Universität, Berlin
Ausstellungstyp:
Sonderausstellung
Vorbereitungszeit:
ca. 2 Jahre
Ausstellungskuratoren: Dr. Eckart Köhne (Gesamtleitung/ Direktor Historisches Museum der Pfalz),
Wolfgang Leitmeyer (Kurator, Ausstellungs- und Projektleitung, wissenschaftliches Konzept) und Susanne Narock M.A. (wiss. Konzept) sowie Dr. Michael
van Elsbergen und Prof. Dr. Ursula Verhoeven (wissenschaftliche Beratung)
Exponate:
über 350 Exponate
Leihgeber:
Ägyptisches Museum, Turin sowie eine Leihgabe der British Library, London
Ausstellungsfläche:
2.400 m²
Ausstellungstexte:
26 Wandtexte
Öffnungszeiten:
Di-So: 10-18 Uhr , montags geschlossen, jedoch an Feiertagen geöffnet
Eintritt:
13 €, ermäßigt: 11 €, Familienkarte: 24 €
Gruppen (ab 10 Personen): 11 € pro Person
Studenten, Kinder und Schüler (6-17 Jahre): 4 €
Audioguide:
in deutsch, englisch und französisch: im Eintrittspreis enthalten
Führungen:
Gruppenführungen (max. 25 Personen):
Wochentage: Kosten: 60 € + ermäßigter Eintritt pro Person
Wochenende und Feiertage: Kosten: 70 € + ermäßigter Eintritt pro Person am
Bei Schulklassen jeweils: + 3 € pro Person Eintritt
Infos und Buchung: Tel.: 06232 620222:
Publikation:
Katalog: 256 Seiten, über 300 Farbabbildungen, 24 x 28 cm: im Museum :
24,80 €, im, Buchhandel: 39,95 €, Prestel Verlag (ISBN: 978-3-7913-5192-6)
Allgemeine Infos:
Tel.: 06232 620222, Fax: 06232 620223
Internet:
www.museum.speyer.de bzw. www.aegypten.speyer.de
eMail:
[email protected]
Titel:
(© Dr. Martin Große Burlage, [email protected], Tel.: 02572 959496)
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