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D.U.D.A!
Edlere Werte als
die „Hoamat“
Der Universalmusiker und vorbildliche Nestbeschmutzer
Werner Pirchner kommt 2014 auf die Bühne zurück –
genauer gesagt: auf die Leinwand.
Das Filmporträt D.U.D.A! Werner Pirchner wagt einen
vergnüglichen Blick auf die Tiroler Ausnahmefigur.
Von Marian Wilhelm
Christian Berger gibt in D.U.D.A! Auskunft über all das. Zusammen mit Pirchner drehte er 1974 den für die Doku namensgebenden Kult-Kurzfilm Der Untergang des Alpenlandes, der zuletzt im vergangenen Jahr im Leokino zu sehen
war. Berger meinte im MOLE-Interview dazu: „Das war das
Ergebnis dieser Lust, sich von einem gewissen ,Heimatleid‘
zu befreien, einem Druck, gegen den ich gar nichts habe,
denn wenn es keinen Druck gibt, wie soll man die Freiheit
schätzen?“
Heimat? heißt auch ein Stück Pirchners und das Fragezeichen
macht den Unterschied. Pirchner und seine Mitstreitenden
konnten der „Hoamat“ im damaligen Tirol nicht entrinnen.
Sie war aber zugleich auch ihr produktiver Reibebaum. „Wir
ham ja in Tirol nicht viel mehr Wahl gehabt als zwischen militanten Katholen und Ex-Nazis – und da war der Werner a
super Figur“, bringt es Berger im Film auf den Punkt.
Heutzutage ist dieser Druck für viele zwar nicht mehr spürbar, die Heimattümelei ist aber immer noch da. Als Traditionsbewusstsein deklarierte Kontinuitäten und patriotischer
Provinzialismus hingen und hängen der Volkskultur immer
noch nach. Der produktive Widerstand scheint jedoch uninteressanter geworden zu sein. Erst kürzlich meinte der Komponist Johannes Maria Staud, im Kontext der Aufarbeitung
der Tiroler NS-Musikgeschichte: „Gerade heute ist es wohltuend, Werner Pirchners erfrischend antipatriotisches Halbes Doppelalbum wieder zu hören … Pirchner liest dem ,aufrechten‘, verlogen-katholischen, groben und intoleranten Tiroler ... mit beißender Ironie gehörig die Leviten.“ So etwa im
Pastoral-Rap Mein Gewissen erlaubt mir nicht ... oder in einem Walter Krajnc gewidmeten Stück mit dem Titel Anstatt
eines Denkmals für den Bruder meines Lehrers, der im Krieg,
weil er sich weigerte, Geiseln zu erschießen, ermordet wurde.
Auch Regisseur Malte Ludin hatte sich schon in seiner Doku
2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß für den Umgang mit den
blinden Flecken einer problematischen Vergangenheit interessiert. Es geht darin um seine eigene Familie und seinen
MOLE13 — kulturelle Nahversorgung
Selten ist Musik so witzig ohne nur witzig zu sein. Allein
das Lesen der Songtitel auf seinem Halben Doppelalbum ist
eine Freude.
Doch Werner Pirchner war mehr als ein kritisch-anarchischer
Spaßvogel: Zunächst als Jazz-Musiker international erfolgreich, wurde er als Autodidakt zum beachteten Komponisten – immer im Spagat zwischen E- und U-Musik. Die unverwechselbaren Ö1-Signations stammen ebenfalls von ihm
und machen ihn damit zum meistgespielten Komponisten
des Senders. Und Jean-Luc Godard ließ sich – man mag es
kaum glauben – von der Musik des Tirolers zum Film Nouvelle Vague inspirieren.
Malte Ludin gibt in seiner Musikdoku viele Hörbeispiele aus
dem „PWV“ (Pirchner Werkverzeichnis): „Mir wurde klar, wie
viel Kraft, Kühnheit, Witz und Tiefe in Pirchners Kompositionen steckt. Werner Pirchner ist für mich das seltene Beispiel eines Menschen, der sich seine Autonomie als Künstler erkämpft und sie radikal verteidigt hat.“
Gefördert wurde das Filmprojekt neben dem ORF, dem Österreichischen Filminstitut und Filmstandort Austria auch
vom Land Tirol. Es ist die erste Langproduktion der Tiroler
Wildruf Film, die D.U.D.A! auch mit zusätzlichen Eigenmitteln auf die Beine stellte. Bisher vorwiegend auf Werbefilm
und Design spezialisiert, will Wildruf in Zukunft weitere größere Filmprojekte hierzulande produzieren. Die in Volders
beheimatete Firma bringt damit, abseits der von Wien oder
Bollywood aus produzierten geförderten Projekte, nicht nur
inhaltlich frischen Wind ins „Filmland Tirol“.
D
och wer ist Werner Pirchner? Diese Frage stellt Regisseur Malte Ludin zu Beginn seines Films den Fußgängern in Hall. Allzu viel Erfolg hat er dabei nicht,
den meisten ist der berühmteste Musiker der Stadt unbekannt.
Lediglich zwei auskunftsfreudige Zeitgenossen aus der Haller Kulturszene finden sich, wohl nicht ganz zufällig, und erzählen ihm von Pirchner.
„D.U.D.A! entsprang dem Wunsch, den Bekanntheitsgrad des
,Zappa aus Tirol‘ zu erweitern, ihm posthum noch meine Referenz zu erweisen und den Hut zu ziehen vor dem genialen Klangschmied“, schreibt Ludin zum Ausgangspunkt des
D.U.D.A!-Projekts. Für Jüngere ist Werner Pirchner oft nur
ein Name. Manch einer kennt noch sein Porträt an der Wand
des Treibhaus-Kellers: Lässig mit der Zigarette im Mund erinnert es nicht nur an die Zeit vor dem Rauchverbot, sondern an die Anfänge der Tiroler Kulturszene in den 70ern
des vorigen Jahrhunderts. Treibhausherr und Pirchnerfreund
Norbert Pleifer ist einer jener Zeitzeugen, die im Film von
der „bleiernen Zeit“ berichten: „Es war der Soundtrack von
unserem jungen Rebellentum.“
Pirchner ist symptomatisch für den heutigen Bezug zu dieser
Zeit: Wer generationenbedingt nicht dabei war, weiß oft wenig bis nichts – es scheint manchmal fast so, als ob die Erinnerung an die hart erkämpfte Freiheit und die Lebendigkeit
innerhalb der kulturellen Enge von damals verdrängt wird.
Fotos: Gert Chesi, Lukas Dostal
niemals nicht untergegangen
»wenn’d nit
lachen kannsch,
dann kannsch di
irgendwie
sofort eingrabn«
Vater, den NS-Kriegsverbrecher Hanns Ludin. Der Film war
2005 immerhin im Programm der Berlinale vertreten und
verwendet Musik von Werner Pirchner: „Der Tiroler ‚Nestbeschmutzer‘ erwies dem deutschen Pendant einen unschätzbaren Dienst“, meinte Malte Ludin. Pirchner, der seine Kindheitserinnerungen an die Kriegszeit in Hall selbst eindrucksvoll geschildert hat, bemerkte zu dieser Zeit einmal lapidar: „I
moan, de Leit, de gsagt ham, sie ham alle nix gwusst, I woas
nit, was mit de los is.“
In D.U.D.A! fokussiert Ludin sein Porträt aber doch mehr
auf den Musiker Werner Pirchner. Natürlich war die Musik bei Pirchner immer mit dem Politischen verbunden. Oft
wurde sie als „Neue Volksmusik“ oder „kritische Heimatmusik“ apostrophiert. Frei nach seinem Motto „Wenn’d nit lachen kannsch, dann kannsch di irgendwie sofort eingrabn“
spielt aber auch Humor in Pirchners Stücken eine große Rolle.
Das beweisen auch die vielen Hörbeispiele in D.U.D.A!
D.U.D.A! stellt Pirchner nicht auf ein Podest. Dort würde er
auch gar nicht hinpassen. Der Berliner Malte Ludin stellt
Pirchner als überaus interessanten Zeitgenossen vor und
bringt ihn als Beispiel für einen lebendigen, modernen Heimatbezug zurück in die Gegenwart, auch als Beispiel für einen
lebendigen, modernen Bezug zu Tirol. Dabei wird die Person
um Werner Pirchner nicht nur von seiner Frau Elfriede und
weiteren WegbegleiterInnen, sondern auch von jenen kommentiert, die nichts mit ihm anzufangen wissen. So wie die
Schützenkompanie, die Malte Ludin um einen Wirtshaustisch versammelt und die unisono meint, die „Volksmusik“
dieses „schrägen Typen“ sei nichts für sie.
Werner Pirchner ist also immer noch ein „Stachel im Fleisch“
des auch heute noch offiziell hochgehaltenen Bekenntnisses
zu Brauchtum, Tradition und den „alten Werten“.
„In dem Bestreben edlere Werte als ,Hoamat‘, ,Scholle‘ und
,Vaterland‘ zu besingen“ legte Werner Pirchner 1974 seine
eigene Spaßversion von Tirol isch lei oans vor – eine bittere
Ironie angesichts der Tatsache, dass zum 40-Jahr-Jubiläum
des Halben Doppelalbums noch immer 2.000 Euro Strafe darauf stehen, die Andreas-Hofer-Landeshymne „unter Begleitumständen zu spielen oder zu singen, die nach allgemeinem
Empfinden die ihr gebührende Achtung verletzen.“
M
D.U.D.A! Werner Pirchner
feiert seine Weltpremiere bei der
Diagonale − Festival des österreichischen Films in Graz und startet ab
28. März österreichweit in den Kinos.
Link
www.wernerpirchner.com
www.duda-derfilm.at
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