5.7 KOHLENHYDRATE UND PROTEINE ----------------------------------------------------------------------------------------- 116 5.7.1 CDG 116 5.7.2 5.7.2.1 5.7.2.2 5.7.2.3 Zucker = Kohlenhydrate Kohlenhydrate Aufbau von Zuckern: Monosaccharide Funktion von Zuckern Struktur von Zuckern: Monosaccharide Glucose D oder L, α oder β, (+) oder (-) ? Eine Übersicht Überblick über die Familie der Aldosen Vorkommen, Verwendung und Physiologie von Glucose Verwendung von Glucose Physiologie von Glucose Stereoisomerie Enantiomere = Spiegelbildisomere Asymmetrie = Asymmetrisches C-Atom Chiralität: D und L D- und L-Glucose Diastereomere Enantiomere und optische Aktivität: (+) und (-) Anomere: α und β und Mutarotation 120 120 120 122 122 123 123 124 124 124 125 125 125 126 127 127 129 130 5.7.3 5.7.3.1 Disaccharide Glycosidische Bindung Fructose 131 131 5.7.4 5.7.4.1 Polysaccharide: Stärke und Cellulose Drill&Practice: Kohlenhydrate 134 5.7.5 5.7.5.1 Proteine Funktionen von Proteinen im Organismus 136 5.7.6 5.7.6.1 5.7.6.2 5.7.6.3 5.7.6.4 Aminosäuren Zwitterionen Natürlich vorkommende Aminosäuren Isoelektrischer Punkt Isoelektrische Fokussierung 137 138 139 140 5.7.7 5.7.7.1 Peptide und Peptidbindung Drill&Practice: Aminosäuren und Peptide 142 5.7.8 5.7.9 5.7.9.1 5.7.9.2 Polypeptide und Proteine Proteinstrukturen Primärstruktur Sekundärstrukturen α-Helix β-Faltblatt Drill&Practice: Proteine Tertiärstruktur Quartärstruktur 144 144 144 145 146 147 Der genetische Defekt bei CDG Vom Gen zum Protein 148 5.7.11 5.7.11.1 Enzyme: SchlüsselSchlüssel-Schloss Katalytisches Zentrum CDG: Abschliessende Betrachtung 151 152 5.7.12 5.7.12.1 5.7.12.2 5.7.12.3 5.7.12.4 5.7.12.5 5.7.12.6 5.7.12.7 5.7.12.8 5.7.12.9 NachweisNachweis-RK für Kohlenhydrate und Proteine GOD-Test (Glucose-Oxidase-Test): Glucose Nachweis von Glucose in Haushaltszucker Nachweis von Stärke in Kartoffeln und Äpfeln Fehlingprobe: Nachweis einer Aldehydgruppe Seliwanow Reaktion: Glucose/Fructose Xanthoprotein Reaktion: Proteine Biuret Reaktion: Proteine Drill&Practice CDG Lösungen zu den Fragen im Skript 153 153 154 154 154 154 154 155 157 5.7.2.4 5.7.2.5 5.7.2.6 5.7.9.3 5.7.9.4 5.7.9.5 5.7.10 131 132 136 137 141 143 144 148 150 153 SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine 5.7 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.1 CDG Die beiden Themen Proteine und Kohlenhydrate werden üblicherweise im Chemieunterricht thematisch getrennt behandelt. Für die Biochemie gehören Kohlenhydrate und Proteine aber untrennbar zusammen, da viele Proteine mit Molekülen verknüpft sind, die zu der Stoffgruppe der Zucker gehören. Dadurch erhalten Proteine eine ganz andere Eigenschaft. Fehlen diese Zuckerstrukturen an den Proteinketten, kann es zu gewissen Krankheiten kommen. Viele, aber nicht alle Proteine sind mit Zuckerstrukturen versehen, man sagt auch glycosyliert (glycos (gr.) = süss). Eine erst in den letzten Jahren entdeckte Krankheit, die vornehmlich bei Kindern auftritt, ist CDG, eine Abkürzung für Congenital Disorders of Glycosylation (angeborene Glycosylierungsstörung). Vieles zu CDG wurde 1999 erst publiziert. Die für den Unterricht verwendeten Dias und die in englischer Sprache gehaltenen Texte wurden mir aus der Arbeitsgruppe "Cell Physiology and Glycobiology" von Prof. E.G. Berger, Physiologisches Institut der Uni Zürich, zur Verfügung gestellt. (CDG Homepage unter http://www.cdgs.com/cdg1.htm) Aufgabe Entnehmen Sie den folgenden 4 Dias die wichtigste Information und fassen Sie sie in deutscher Sprache unter „Aussagen“ zusammen. Vokabelliste CDG multisystemic psychomotor • • • • first described around 1980 inherited multisystemic disorder abnormal glycosylation of glycoproteins estimated frequency 1:50’000 - 1:80’000 Regional distribution of CDG ataxia hypoplasia viele Organe betreffend Mentaler Ursprung bewusster Bewegungen Koordinationsschwierigkeiten Anzahl der Zellen die ein Organ bilden ist vermindert dysmorphysm veränderte Gestalt cardiomyopathy Herzmuskelerkrankung enteropathy Erkrankung des Darms haemorrhages Blutungen hypotonia zu niedriger Blutdruck cerebellar das Hirn betreffend synthase spezielles Enzym North America: 51 South America: 3 1 6 47 isomerase 23 4 27 23 31 19 29 2 4 18 transferase 4 12 5 Asia: 3 ER strukturveränderndes Enzym spezielles übertragendes Enzym endoplasmatisches Retikulum mannose Zucker Mannose dolichol membranständiger Anker 116 SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine Clinical features of CDG-I Ia (PMM2) Ib (PMI) Ic (ALG6) Id/e (ALG3) (DPM1) Psychomotor retardation, ataxia, cerebellar hypoplasia, dysmorphysm, inverted nipples, fat pads, cardiomyopathy. Protein losing enteropathy, haemorrhages. No psychomotor or mental retardation. Psychomotor retardation, hypotonia, epilepsy. No inverted nipples or cerebellar hypoplasia. Severe psychomotor retardation, dysmorphism, hypotonia, epilepsy. No inverted nipples or cerebellar hypoplasia. 117 CDG types Type Genetic defect Enzyme localization Ia phosphomannomutase (PMM2) cytosol Ib phosphomannose isomerase (PMI) cytosol Ic α1,3 glucosyltransferase (ALG6) ER Id α1,3 mannosyltransferase (ALG3) ER Ie dolichol-phosphate-mannose synthase (DPM1) ER IIa N-acetylglucosaminyltransferase II (HGAT2) Golgi IIb GDP-Fuc transporter Golgi Aussagen Aufgabe Erarbeiten Sie aus dem folgenden Text den molekularen Mechanismus von CDG, in dem Sie wichtige Stichpunkte an den Rand des Textes schreiben. Die Frage stellt sich: "Wo genau liegt der Fehler auf molekularer Ebene? Wie funktioniert das Zusammenspiel der Enzyme? Was passiert genau?" Diese Fragen kann die Zellphysiologie beantworten, ein Zweig der Molekularen Medizin. Die Glycosylierung von Proteinen findet in jeder Zelle statt. Dafür sind ein paar dutzend Schritte notwendig, die alle durch Enzyme katalysiert werden. Dieses Glycosylierungsnetzwerk kann mit einem System von Autobahnen, Strassen, Wegen und Zufahrten verglichen werden. Der Funktionsausfall mancher Enzyme ist mit der Sperrung einer dieser Fahrbahnen vergleichbar. Die wissenschaftliche Schwierigkeit liegt erstens in der Erstellung einer Strassenkarte, da nicht alle Fahrbahnen von vorn herein bekannt sind und zweitens in der Beurteilung der Wichtigkeit der Fahrbahn. Bleibt ein Auto auf einer kleinen Garagenzufahrt liegen, hat das natürlich viel weniger Auswirkungen als die Blockierung einer ganzen Autobahn. Ausserdem müssen kritische Kreuzungen, Engpässe, Abkürzungen und Umleitungen ausfindig gemacht werden. Die Betankung der Fahrzeuge spielt in diesem System auch eine Rolle. Auch die Produktion und die Montage der Reifen und der Autobatterie sind zu bedenken. Damit erhöht sich die Komplexität und Anfälligkeit des Systems ungemein. Zur Erforschung der Strassenkarte und der Fahrbahnbeurteilung wird die Hefe Saccharomyces cerevisiae eingesetzt. Diese, wie die menschlichen Zellen zu den Eucaryonten zählenden Zellen können leicht kultiviert werden. Von ihnen gibt es eine Unmenge sogenannter Mutanten, Zellen mit einzelnen Strassensperrungen, die es erlauben, einen neu gefundenen Strasse zu beurteilen. Kohlenhydrate und Proteine Wissenschaftlicher als das Strassenmodell hört sich die ganze Geschichte folgendermassen an. Aufgabe Lesen Sie den Text und versuchen Sie, das Wesentliche zu erarbeiten und die folgenden Fragen zu beantworten. In der Hefe wird im endoplasmatischen Retikulum (ER) ein Teil der Glycosylierung durchgeführt. Der bereits aktivierte Zucker Mannose (M) wird noch im Cytosol mit Hilfe des Enzyms DPM1 auf einen Anker, der in der ER Membran sitzt übertragen. Ein neues Produkt wird synthetisiert, daher gehört das Enzym DPM1 zur Familie der Synthasen. Durch einen Flip-Mechanismus wird der Anker in der Membran gewendet, die daran gebundene Mannose gerät in das Innere des ER (Lumen) und ist somit für weitere Verwendungen verfügbar (das wäre der Treibstoff im Strassenmodell). An einem neuen Anker wird mit Hilfe der Enzyme ALG1 bis ALG10 (die Strassen selbst) ein regelmässiger Zuckerbaum aus den Zuckern N-Acetyl-Glucosamin (GlcNAc), Mannose (M) und Glucose (G) aufgebaut. Auch die Enzyme selbst sind, wie der Anker, an die ER Membran gebunden. Die Zucker werden in einer regelmässigen Abfolge, fast wie an einem Fliessband zusammengeknüpft bzw. transferiert. Daher gehören diese Enzyme zur Familie der Transferasen. Jeder Verknüpfungsschritt benötigt ein anderes Enzym, da das Edukt im- N-linked glycosylation in yeast: the ER pathway CTP CDP GDP-M GDP Cytoplasm G ALG5 P P M SEC59 P DPM1 P P M dolichol P G Lumen M M M M M P ALG1 ALG2 M UDP UMP GDP GDP M M M M M M M M M M M M M M M M G G oligosaccharyl- G G G G transferase G G G M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M MM M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M M ALG3 ALG9 ALG12 ALG6 M M = dolichol ALG8 ALG10 G = glucose M = mannose = GlcNAc mer andersartig aussieht. Sobald der Zuckerbaum vollständig aufgebaut ist, wird er vom Enzym Oligosaccharyltransferase auf das Protein übertragen. Als Verknüpfungspunkt kommt hier nur die Aminosäure Asparagin in Frage. Die Proteine werden an den Ribosomen, die sich an der ER Membran auf der cytosolischen Seite befinden produziert und direkt in das Lumen des ER geschleust. Das so glycosylierte Enzym tritt seine Reise durch den Golgi Apparat zu den einzelnen Zellkompartimenten an. Dieser Verteilmechanismus ist teilweise auch abhängig von den korrekten Zuckerstrukturen auf dem entsprechenden Protein. SPF SCB_A KME 118 Kohlenhydrate und Proteine Aufgabe: Beschreiben Sie in 3 Sätzen den molekularen Mechanismus der Defekte für CDG Typ Ic, Id und Ie. Nehmen Sie das Dia CDG types zur Hilfe. Die Glycosylierung ist ein Beispiel für eine Posttranslationale Modifikation. Es gibt noch andere: Anhängen von Fettsäuren, Anhängen von Phosphatgruppen, Anhängen von Sulfatgruppen etc. Bisher ist erarbeitet worden, was CDG aus der Sicht der Kliniker bedeutet und was aus der Sicht der Zellphysiologie. Äusseres Erscheinungsbild und Mechanismus auf der molekularen Ebene wurden verknüpft. Es fehlt im Zusammenhang der Blick der Biochemie bzw. der Chemie. Fragestellung und Ziele • Was haben Zucker generell für eine Funktion? • Wie verhalten sie sich z.B. in wässriger Umgebung? • Wie werden Zucker zu einem Zuckerbaum aneinandergeknüpft? • Was gibt es noch für weitere Zuckermoleküle? • Wo ausser an Proteinen sind sie sonst noch wichtig. • Aus was sind Proteine aufgebaut? • Was unterscheidet Proteine von Enzymen? • Wie ist die spezielle Faltung von Enzymen zu verstehen? • Wie reagieren Enzyme auf äussere Einflüsse? • Was ist die Grundlage für ein defektes Enzym wie ALG6 oder ALG3? SPF SCB_A KME 119 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.2 Zucker = Kohlenhydrate Welche Zucker spielen bei CDG eine Rolle? 5.7.2.1 Aufbau von Zuckern: Monosaccharide Zucker gehören zu den Kohlenhydraten. Der Ausdruck "Kohlenhydrat" ist eine Sammelbezeichnung für häufig vorkommende Naturstoffe. Es handelt sich hier entweder um Polyhydroxy-aldehyde (Aldosen) oder Polyhydroxy-ketone (Ketosen). Aldosen Ketosen Zucker sind niedermolekulare Kohlenhydrate, hauptsächlich bestehend aus Kohlenstoff und Wasser, bzw. Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Monosaccharide (Einfachzucker) sind die Grundbausteine für die hochmolekularen Kohlenhydrate. Thermolyse von Glucose 5.7.2.2 Funktion von Zuckern Löslichkeit von Glucose & Saccharose in diversen Lösungsmitteln Da Mannose und GlcNAc relativ teure Substanzen sind, werden alternativ Glucose und Saccharose (Haushaltszucker) betrachtet. Beurteilen Sie die Löslichkeit der Zucker in den Lösungsmitteln. Glucose Wasser Ethanol Hexan Saccharose SPF SCB_A KME 120 Kohlenhydrate und Proteine Auswertung Betrachtet man ganz allgemein Aldosen oder Ketosen, so fallen die vielen Hydroxy-gruppen auf, die mit polaren Lösungsmitteln sehr gut Wasserstoffbrücken ausbilden können (similia similibus solvuntur). Zucker sind daher in fast beliebigen Verhältnissen mit Wasser mischbar. Hochmolekulare Kohlenhydrate wie z.B. Stärke (s.u.) lassen sich hingegen nur schlecht in Wasser lösen. Es tritt höchstens ein Quellen ein. Welche Bedeutung hat die Eigenschaft der Zucker für glycosylierte Proteine? Welche Bedeutung hat eine Unterglycosylierung im Rahmen von CDG? Bedeutung der Kohlenhydrate bei Antikörpermolekülen Antikörpermoleküle, spezielle Y-förmige Moleküle des Immunsystems, sind ebenfalls glycosyliert. Ihre Funktion ist von der Glycosylierung abhängig. Eine defekte Glycosylierung des Antikörpermoleküls IgA führt beispielsweise zu einem schweren Nierenleiden, da die Moleküle zwar in die Niere hineinkommen können, sie dann aber nicht wieder verlassen, wie das normalerweise der Fall ist. Erweiterte Funktionen von Zuckern: Proteinfaltung, Entzündung, Tumormetastasierung, Eintrittspforten für Bakterien. SPF SCB_A KME 121 SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine 5.7.2.3 122 Struktur von Zuckern: Monosaccharide Glucose Fischer Projektion Ringschlussreaktion Ringform (Sesselform, Wannenform) Haworth Projektion 3 Regeln sind notwendig um die Struktur von Monosacchariden zu verstehen. 1. Das C-Atom der Aldehyd- oder Keto-Gruppe der Aldosen oder Ketosen ist partiell positiv geladen. Eine OH-Gruppe kann mit einem freien Elektronenpaar am partiell positiven C-Atom angreifen, wobei es zu einem Ringschluss kommt. Energetisch stabil sind 6er- und 5er-Ringe. 2. 3. Emil Fischer 1852 - 1919 Sir Walter Norman Haworth 1883 - 1950 CHO 1 H HO H H C 2 C 3 H C 4 OH C OH 5 H OH OH 6 HO 5 4 HO 3 H H H 2 6 CH2OH 5 O O H OH 4 1 OH OH OH 3 1 2 OH OH CH2OH 6 Offenkettige Form Fischer Projektion Ringform Variante I Sesselform Ringform Variante II Haworth Projektion OH-Gruppen, die in der Fischer Projektion rechts stehen, werden in der Haworth Projektion nach unten gezeichnet. Es besteht ein Gleichgewicht zwischen der offenkettigen und der Ringform. Das GG liegt auf der Seite der Ringform. SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine 5.7.2.4 D oder L, α oder β , (+) oder (-) ? Eine Übersicht Die Strukturen von Zuckern werden mit D oder L, α oder β, (+) oder (-) bezeichnet z.B. α-D(+)-Glucose. Im Folgenden sehen Sie einen Überblick über wichtige Zucker und es werden die Begriffe präsentiert aber noch nicht erläutert. Überblick über die Familie der Aldosen Vom Glycerinaldehyd zu den „Verwandten“ der Glucose. Abkürzung Bedeutung D-Glucose OH-Gruppe an C5-steht in der Fischerprojektion nach rechts L-Glucose OH-Gruppe an C5-steht in der Fischerprojektion nach links α-Glucose OH-Gruppe Haworth/Sesselform bei β-Glucose D-Zuckern nach unten bei L-Zuckern nach oben. OH-Gruppe an C1-steht in der Haworth/Sesselform bei (+) (-) D-Zuckern nach oben bei L-Zuckern nach unten. Licht wird durch eine Zuckerlösung nach rechts gedreht Licht wird durch eine Zuckerlösung nach links gedreht an C1-steht in der Aufgabe Zeichnen Sie die Strukturen (Fischer, Ringform, Haworth) von α-D-Mannose (C6H12O6) und vergleichen Sie sie mit der Struktur von α-D-Glucose Offenkettige Form Fischer Projektion Ringform Variante I Ringform Variante II Haworth Projektion 123 SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine 5.7.2.5 Vorkommen, Verwendung und Physiologie von Glucose Glucose kommt als D-Glucose in süssen Früchten, besonders in Trauben vor (daher auch der Name Traubenzucker) und als Monosaccharidbaustein in Stärke, Cellulose und Saccharose. Durch Assimilation bilden die Pflanzen in einer endothermen Reaktion D-Glucose. Reaktionsgleichung Für technische Zwecke kann Glucose aus Cellulose und Stärke gewonnen werden. Verwendung von Glucose Physiologie von Glucose In lebenden Zellen wird D-Glucose als schnell mobilisierbare Energiequelle genutzt. Der Verdauungsprozess ist eine Umkehrreaktion der Assimilation auch Dissimilation genannt. D-Glucose und Sauerstoff werden in einem exothermen Vorgang in CO2 und H2O umgewandelt. Das menschliche Blut enthält normalerweise 0.8 - 1.1 ‰ D-Glucose. Vor allem das Gehirn ist auf eine dauernde Zufuhr von D-Glucose angewiesen. Die etwa vom 45. Lebensjahr an verminderte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für D-Glucose soll für einige typische Alterserscheinungen des Menschen verantwortlich sein. Die Blut-Hirn Schranke ist eine Barriere aus Zellen, die für die meisten polaren Substanzen ab einer gewissen Grösse unpassierbar ist. D-Glucose wird mit einem speziellen Transporter durch die Zellmembran eingeschleust. Die Konstanthaltung der Glucosekonzentration im Blut ist sehr wichtig, da eine Über- oder Unterschreitung zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führt. Das bekannteste Problem ist Diabetes mellitus, bei dem auf Grund einer Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse zu wenig Insulin ins Blut gelangt. Insulin fördert die Aufnahme von D-Glucose aus dem Blut in die Zellen. Insulinmangel führt zu einer Konzentrationserhöhung von D-Glucose im Blut, starker D-Glucoseausscheidung im Harn und aussergewöhnlichem Durst. Damit wird der Wasser und Elektrolythaushalt stark gestört, was lebensbedrohlich werden kann. Unter den vielen existierenden Zuckern ist D-Glucose das weitaus wichtigste Monosaccharid. Die meisten "humanphysiologischen" Zucker lassen sich im Körper daraus synthetisieren. Nicht zuletzt wird Glucose wie auch Mannose zur Glycosylierung der Proteine benötigt. Ein weiterer Zucker, der bei CDG Bedeutung erlangt hat, ist das N-Acetylglucosamin (GlcNAc). Aufgabe Zeichnen Sie ein α-D-GlcNAc. Es handelt sich dabei um eine Glucose, die über eine Aminogruppe anstatt einer Hydroxy-gruppe am C2 mit einem Acetylrest verknüpft ist. Acetyl- O H3C C O H Acetat Essigsäure 124 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.2.6 Stereoisomerie Stereoisomere sind sog. Raumisomere. Die Teilchen besitzen die gleiche Bruttoformel und die gleiche Bindung der Atome Trotzdem haben die Teilchen ein unterschiedliches Aussehen. Denn die einzelnen Substituenten können im Raum unterschiedlich angeordnet sein. (Beispiele folgend) Enantiomere = Spiegelbildisomere Strukturen, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten, werden Enantiomere1 genannt. Enantiomere gehören zur Gruppe der Stereoisomere. Enantiomere lassen sich mit 2 Händen vergleichen. Die beiden Hände lassen sich zwar übereinanderlegen, sie lassen sich aber nicht zur Deckung bringen. Aufgabe Stecken Sie das Molekül Glycerinaldehyd zusammen, das eine grosse Ähnlichkeit zur Glucose besitzt. Formel HOH2C-CH(OH)-CHO Für die Zeichnung einer Fischer-Projektion sind folgende Regeln anzuwenden: Die längste C-Kette senkrecht anordnen. Sie ist nach hinten gekrümmt. Das am höchsten oxidierte C-Atome der Kette steht ganz oben: Reihenfolge -COOH > -CHO > -CH2OH > -CH3 (Säure-Aldehyd-Alkohol-Alkan) Die Substituenten links und rechts weisen zum Betrachter hin, also nach vorn. Es lassen sich zwei verschiedene Moleküle bauen, die sich wie Bild und Spiegelbild zueinander verhalten. Die Moleküle lassen sich nicht durch Drehung ineinander überführen. Steht die OH-Gruppe nach rechts2, spricht man von DGlycerinaldehyd, steht sie nach links3 von L-Glycerinaldehyd. Asymmetrie = Asymmetrisches C-Atom Das mittlere C-Atom des Glycerinaldeyhd ist ein sogenanntes asymmetrisches CAtom, d.h. es hat 4 verschiedene Substituenten und wird mit einem * bezeichnet. Enantiomere treten zwingend nur dann auf, wenn asymmetrische C-Atome vorliegen, d.h. Asymmetrie ist eine Voraussetzung für das Auftreten von Enantiomeren. 1 enantios (gr.) = entgegengesetzt dexter (lat.) = rechts 3 laevus (lat.) = links 2 SPF SCB_A KME 125 Kohlenhydrate und Proteine Chiralität: D und L Eine Schraube, die nicht mit ihrem Spiegelbild zur Deckung gebracht werden kann, ist chiral. Chiralität4 bedeutet so viel wie Händigkeit eines Objekts. Chiralität ist die notwendige und hinreichende Beziehung für das Auftreten von Enantiomeren = Spiegelbildisomere. Schrauben gespiegelt gespiegelte Schraube gedreht um 90° gegen rechts ist nicht identisch mit der ursprüglichen Schraube. Die Schraube ist chiral. Die Schrauben würden als D-Schraube und L-Schraube eindeutig bezeichnet. Die Schrauben sind also chiral und damit sind sie auch Enantiomere. Verknüpfung: Asymmetrisches C-Atom/Chiralität/Enantiomere Das Beispiel der Milchsäure CH3-CH(OH)-COOH soll die Begriffsverknüpfung verdeutlichen: Gibt es ein asymmetrisches C-Atom (= Chiralitiätszentrum)? Wenn ja, einzeichnen mit * Ist das Molekül chiral? Wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht? Existieren Enantiomere? Wenn ja, zeichnen Sie das Enantiomerenpaar in der Fischerprojektion. COOH H C HO CH3 Die Frage, ob Moleküle Enantiomere sind oder nicht, lässt sich leicht beantworten: Es müssen asymmetrische C-Atome vorliegen (4 verschiedene Substituenten), dann ist das Molekül chiral und dann existieren Enantiomere. 4 cheir (gr.) = Hand SPF SCB_A KME 126 SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine Aufgaben Welche C-Atome der folgenden Moleküle sind asymmetrisch? (Stern einzeichnen) Handelt es sich um chirale Moleküle und wenn ja, um die D- oder L-Form? (rechtes Molekül erst nach Fischer umorientieren und dann D oder L bestimmen) H HOH2C C O HO C C HOOC HOH2C OH CH3 H CH3 HOH2C C COOH H D- und L-Glucose Glucose besitzt mehrere asymmetrische C-Atome. Welche? Für die D/L Nomenklatur wird das asymmetrische C-Atom gewählt, was am weitesten vom höchst oxidiert C-Atom entfernt liegt. Bei Glucose ist das C5. D- und L-Glucose sind Enantiomere, da nicht nur die OH-Gruppe an Position 5 verändert, sondern das ganze Molekül gespiegelt wurde. Aufgabe Zeichnen Sie zur abgedruckten D-Glucose die L-Glucose und bestätigen Sie, dass sich die Enantiomeren nicht durch Drehungen ineinander überführen lassen. Zeichnen Sie zur abgedruckten L-Threose die D-Threose. Welches C-Atom ist hier für die D/LNomenklatur zuständig? CHO 1 H HO H H C OH C H C OH H C OH HO 2 3 4 5 CHO 1 CH2OH C OH C H 2 3 CH2OH 6 4 D-Glucose L-Glucose D-Threose L-Threose Diastereomere D-Glucose und D-Mannose bezeichnet man als Diastereomere. Nur die OHGruppe an Position 2 ist vertauscht. Diastereomere sind Stereoisomere aber keine Enantiomere. Konkret: D-Glucose und D-Mannose sind keine Spiegelbilder. D-Glucose D-Mannose CHO CHO 1 H HO H H 1 C OH HO C H HO C OH H C OH H 2 3 4 5 CH2OH 6 C H C H C OH C OH 2 3 4 5 CH2OH 6 In der Reihe der D-Hexosen (Zucker mit 6 C-Atomen) handelt es sich also um Diastereomere. 127 SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine Aufgabe Sind D-Altrose und L-Galactose Enantiomere oder Diastereomere? Überlegen Sie erst theoretisch, zeichnen Sie dann in der Fischer-Projektion. Aufgabe Zeichnen Sie β-D-Glucose und β-L-Glucose in der Haworth Schreibw.. Achten Sie darauf, dass das Ring O-Atom immer hinten rechts und das C1 immer rechts steht. Hier die Übersicht: D CH2OH D O CH2OH OH O α OH β L L O CH2OH β OH OH O CH2OH α 128 Kohlenhydrate und Proteine SPF SCB_A KME 129 Enantiomere und optische Aktivität: (+) und (-) Chirale Moleküle haben eine ganz erstaunliche Eigenschaft. Eine wässrige GlucoseLösung hat die Fähigkeit polarisiertes Licht (Licht in einer Ebene) zu drehen, was optische Aktivität genannt wird. Optische Aktivität von Glucose und Fructose Lichtwellen, die sich ausbreiten, haben keine Vorzugsrichtung der Schwingungsebenen. Mit Hilfe eines Polarisationsfilters kann man leicht durch das Herausfiltern einer Schwingungsebene linear polarisiertes Licht herstellen. Durch einen nachgeschalteten zweiten Polarisationsfilter lässt sich eine allfällige Drehung des Lichts durch eine, in den Strahlengang gehaltene Lösung, analysieren. Der Drehwinkel α lässt Rückschlüsse auf die Art des Stoffes und auf die Dichte der Lösung zu. Wird das Licht von einer Glucose-Lösung nach rechts gedreht, so handelt es sich um eine (+)-Glucose Lösung, wird es nach links gedreht um eine (-)-Glucose Lösung. Die Enantiomeren D und L lassen sich nicht mit dem Drehsinn (+) und (-) direkt kombinieren: Für die Milchsäure ist die D-Form die Form, die das Licht nach links dreht: [D(-)-Milchsäure]. Für Glycerinaldehyd ist die D-Form rechtsdrehend [D(+)-Glycerinaldehyd]5. Betrachtet man die physikalischen Eigenschaften von Enantiomeren wie Schmelztemperatur oder Löslichkeit in Wasser, so sind sie völlig identisch, ausser eben in ihrer optischen Aktivität. Mit Hilfe der optischen Aktivität lässt sich die Dichte einer Lösung und damit die Konzentration des Stoffes bestimmen. Drehwinkel α Zusammenhang zwischen Dichte und Konzentration α = αSP • ρ • l ρ=c•M l = Länge des Polarimeterrohrs in dm ρ = Dichte der Lösung in g . mL-1 αSP = stoffspezifische Konstante (spezifischer Drehwinkel) c = Konzentration des Stoffes M = molare Masse des Stoffes Aufgabe Eine Lösung von D(-)-Milchsäure zeigt einen Drehwinkel α von – 2°. Die Länge des Polarimeterrohres beträgt 20 cm. Berechnen Sie die Konzentration der Milchsäurelösung, wenn der spezifische Drehwinkel – 3.82° . mL . g-1 . dm-1 beträgt. 5 D(+) ist eigentlich eine unnötige Doppelbezeichnung, denn D(-) gibt es nicht. Aus Gründen der Klarheit wird aber diese Form der Bezeichnung gewählt. SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine Anomere: α und β und Mutarotation D(+)-Glucose besitzt einen spezifischen Drehwinkel von +112° . mL . g-1 . dm-1. Lässt man eine wässrige Glucose Lösung etwas stehen, so verändert sich der spezifische Drehwinkel bis 53° . mL . g-1 . dm-1. Dies lässt sich durch das Vorkommen von Anomeren am C1-des Glucosemoleküls in der Haworthschreibweise erläutern. In der Fischer Projektion der Glucose ist es nicht egal von welcher Seite aus, von links oder von rechts, die OH-Gruppe der Position C5 den Ring zur Aldehydgruppe bildet. Hier ist es jedoch möglich, dass die aus dem planaren Aldehyd hervorgegangene OH-Gruppe von Position C1 nach oben oder unten zeigt. Steht die OH-Gruppe am C1 nach unten spricht man von α-D-Glucose, nach oben von β-D-Glucose. Man bezeichnet das C1 auch als anomeres Kohlenstoffatom. 6 CH2OH H 5 O 4 OH OH 3 3 4 2 OH OH OH H C 1 O 3 1 2 OH 6 CH2OH 5 O O C 1 2 OH OH OH 6 CH2OH H 5 O 4 6 CH2OH 5 O 4 H OH OH 3 OH α−D -Glucose OH 1 2 β−D-Glucose OH Die Anomeren α-D(+)-Glucose und β-D(+)-Glucose sind selbstverständlich rechtsdrehend aber interessanterweise unterschiedlich stark drehend. α-D(+)-Glucose: spezifischer Drehwinkel +112° . mL . g-1 . dm-1 β-D(+)-Glucose: spezifischer Drehwinkel +19° . mL . g-1 . dm-1 Das α-Anomere öffnet den Ring und über die offenkettige Form wird das βAnomere gebildet, bis sich das Gleichgewicht dieser drei Moleküle eingestellt hat. Dieser Vorgang wird Mutarotation6 genannt. Das Gleichgewicht liegt bei ca. 37% α-D(+)-Glucose und 63% β-D(+)-Glucose (offenkettige Form <1%). In der Haworth Projektion ist D und L an der Position der -CH2OH Gruppe am C5 gut zu erkennen. In der D-Glucose zeigt sie nach oben, in der L-Glucose nach unten, so wie auf S. 128 gezeichnet wurde. α und β sind relativ zu D und L zu sehen. Hier noch einmal die Übersicht: D CH2OH D O OH O α OH 6 CH2OH mutare (lat.) = ändern β L L O CH2OH β OH OH O CH2OH α 130 SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine 5.7.3 Disaccharide Struktur und Aufbau der Monosaccharide sind jetzt bekannt. Nun stellt sich die Frage, wie man Monosaccharide zu Disacchariden und Polysacchariden miteinander verknüpfen kann, was ja beim CDG Zuckerbaum zu erkennen ist. 5.7.3.1 Glycosidische Bindung Zwei Zucker lassen sich miteinander verknüpfen, indem 2 OH-Gruppen benachbarter Zuckermoleküle eine sog. glycosidische Bindung unter Wasserabspaltung bilden. Dabei wird in Leserichtung angegeben an welchen C-Atomen sich die OHGruppen befinden, die eine Bindung eingehen. Im folgenden Beispiel handelt es sich um eine α-1,4 glycosidische Bindung zwischen zwei α-D-Glucose Molekülen. 6 CH2OH 5 O 6 CH2OH 5 O 4 OH OH 1 4 2 3 OH OH OH OH 3 2 1 OH OH 6 CH2OH 5 O 6 CH2OH 5 O 4 OH OH 3 1 4 OH O 3 2 OH 1 2 OH OH Ein technisch und ernährungsphysiologisch interessantes Disaccharid ist die Saccharose. Sie findet sich hauptsächlich in Zuckerrohr, Zuckerrüben, Datteln und Süssmais. Der normale Haushaltszucker, der nach einem mehrstufigen Reinigungsprozess aus Zuckerrüben "raffiniert" wird, besteht aus Saccharose. Saccharose ist ein Disaccharid bestehend aus α-D-Glucose und β-D-Fructose (Fruchtzucker). Fructose Aufgabe Fructose (Formel C6H12O6) gehört nicht zu den Aldosen sondern zu den Ketosen. Sie ist etwa 40% süsser als Saccharose selbst. Zeichnen Sie in der Fischer Projektion in völliger Analogie zur D-Glucose die DFructose mit der Carbonylgruppe an C2 anstatt an C1. Stecken Sie mit Hilfe des Baukastens in Analogie zur Glucose eine ringförmige Fructose mit einem Fünfring. Für die α- und β-Nomenklatur wird hier nicht das C1 betrachtet sondern das C2. Zeichnen Sie eine β-D-Fructose in der Haworth Projektion. Fischer Projektion Haworth Projektion + H2O 131 Kohlenhydrate und Proteine Aufgabe Zeichnen Sie das Disaccharid Saccharose. Beteiligt daran ist eine α-D-Glucose und eine β-D-Fructose in einer 1,2 glycosidischen Bindung (alles in Leserichtung beschrieben). Nehmen Sie das Steckmodell zur Hilfe. Aufgabe Welche glycosidischen Bindungen sind bei CDG Typ Ic und Id betroffen? Zeichnen Sie das Disaccharid des Typs Id (was nicht gebildet wird.) Saccharose wird verwendet zum Süssen von Speisen und Getränken, zur Lebensmittelkonservierung (Konfi) aber auch zur Herstellung von Kunststoffen, Ethanol und Glycerin. Obwohl Saccharose im Vergleich zu Proteinen und Fetten kalorienarm ist, ist es wenig ratsam, viel davon zu konsumieren, da der Stoffwechsel vom essentiellen Vitamin B1 abhängig ist. Haushaltszucker selbst enthält aber keine Vitamine. Auch Honig ist vom wissenschaftlichen Standpunkt als eine Mischung von Mono- und Disacchariden einzustufen, ohne grosse Mengen an Vitaminen. Honig ist wegen seiner Klebrigkeit und dem hohen Anteil an Monosacchariden, die im Mundraum als Nahrungsquelle für Streptococcus mutans dienen, jedoch noch leichter Karies auslösend als Saccharose. Vollkornprodukte enthalten hingegen viele Kohlenhydrate und Vitamin B1 und gelten als die Lieferanten für Monosaccharide, insbesondere für Glucose. Im Körper kann Glucose dann verstoffwechselt werden oder fungiert als Ausgangsstoff für die enzymatische Synthese anderer Zucker wie Mannose oder GlcNAc. 5.7.4 Polysaccharide: Stärke und Cellulose Vollkornprodukte als Lieferanten für Monosaccharide, enthalten die Zucker in polymerer Form. Stärke und Cellulose sind zwei der wichtigsten Polysaccharide. Stärke besteht aus bis zu 10.000 α-D-Glucose Einheiten. Sie wird unterteilt in Amylose, die in einem schraubenförmig gewundenen Riesenmolekül nur α-1,4 glycosidischen Verknüpfungen enthält und Amylopektin, das zusätzlich noch Seitenketten mit α-1,6 glycosidischen Verknüpfungen enthält. Auf Grund der vernetzten Struktur ist Amylopektin wasserunlöslich und quillt nur leicht in heissem Wasser, während Amylose wasserlöslich ist. Amylose bildet aus geometrischen Gründen die schraubenförmigen Gebilde, in denen sich Iod-Moleküle einlagern können. Der so erzeugte Komplex ist blau. SPF SCB_A KME 132 SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine Struktur der Amylose aus α-D-Glucose mit (α-)1,4 glycosidischen Verknüpfungen 6 CH2OH 5 O 4 1 4 OH OH 6 CH2OH 5 O OH 2 O 3 1 4 2 OH O 3 OH 6 CH2OH 5 O 1 4 2 OH O 3 OH 6 CH2OH 5 O 3 OH 1 2 OH OH Stärke kommt in Kartoffeln, Getreidekörnern, Teigwaren und Reis vor und dient als Reserve und Nährstofflieferant. Im Mund wird durch das Enzym Amylase die Amylose in das Disaccharid Maltose aufgespalten. Im Magen-Darm-Trakt kommt es dann zum weiteren Abbau. Aufgabe Zeichnen Sie das Disaccharid Maltose Stärke findet sich in Pflanzen als Stärkekörner. Beim Kochen von Lebensmitteln wird die Stärke chemisch nicht gespalten. Welcher eher physikalische Vorgang könnte dann beim Kochen ablaufen? Da Cellulose für den Menschen unverdaulich ist und nicht als Lieferant für Monosaccharide in Frage kommt, soll sie hier nur der Vollständigkeit halber gestreift werden. Cellulose ist aus β-D-Glucose in einer 1,4 Verknüpfung aufgebaut. Im Gegensatz zur Amylose bilden sich hieraus keine schraubenförmige Strukturen, sondern gestreckte Riesenfäden. Interessant ist, dass sich 60-70 CellulosePolymere parallel zueinander legen können (Mikrofibrille). Die einzelnen Stränge werden durch Wasserstoffbrücken stabilisiert (eingekreist), was dem Stoff Cellulose die makroskopische Festigkeit verleiht. 6 CH2OH 5 O 4 O OH 3 O 1 4 2 OH 6 CH OH 2 5 O 4 O OH 3 OH 5 H2C 6 O H 2 O OH 5 OH OH O 3 4 4 1 O 1 2 6 CH2OH 5 O OH 3 3 4 4 1 O OH 3 OH 3 OH 5 6 H2C O 6 CH OH 2 5 O 2 6 CH2OH 1 2 OH OH O O H O 1 2 OH 4 2 1 O O 3 OH OH 2 O 5 CH OH 6 2 1 O Cellulose findet sich in Baumwolle, Flachs und Hanf (ca. 100%), Holz (50%), Stroh (30%) und pflanzlichen Zellwänden. 133 SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine 5.7.4.1 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Drill&Practice: Kohlenhydrate Was heisst und was bedeutet CDG? Nennen Sie 3 klinische Argumente, an denen man Kinder mit CDG erkennen kann. Der Mechanismus des Defekts bei CDG ist nicht gerade simpel. Beschreiben Sie ganz prinzipiell den Defekt auf molekularer Ebene. Löst sich Zucker besser in Wasser oder Benzin? Begründen Sie. Zeichnen Sie den Zucker D-Gulose in der Haworth Schreibweise. Orientieren Sie sich an der Tabelle der Aldosen. Um welchen Zucker handelt es sich? Im rechten Bild ist eine Hexose gezeigt, so wie sie üblicherweise in der Chemie gezeichnet wird. Um herauszufinden, um welchen Zucker es sich handelt, müssen die Bindungen so gedreht werden, dass eine Fischer-Projektion entsteht. Das ist nicht ganz einfach, wenn kein Handmodell zur Verfügung steht. Gehen Sie folgendermassen vor: 1) Die Bindungen sind nummeriert. Drehen Sie das Molekül zuerst um Bindung 2, in einem nächsten Schritt um Bindung 3 und dann um Bindung 4. Halten Sie bei Bindung 2 zunächst virtuell die ganze Bindung mit der rechten Hand fest und drehen Bindung 3 nach oben, da wo im Moment die OH-Gruppe steht. Hinweis: Drehen Sie die Bindungen,die jetzt in der Papierebene sind, auch wieder in die Papierebene. Hinweis: Bedenken Sie, dass bei solchen Drehungen um Bindungen, Substituenten, die nach hinten stehen nach vorn kommen und Substituenten, die nach vorn stehen nach hinten kommen. 2) Wenn Sie eine Art cyclisches Molekül (Rückgrat) erhalten haben, drehen Sie das ganze Molekül mit der CHO-Gruppe nach oben und schauen auf das Rückgrat, um eine Fischer-Projektion zu erhalten. Zeichen Sie dann nach Fischer und vergleichen Sie dann mit dem Aldosen-Stammbaum. Hinweis: Der Aldosen-Stammbaum zeigt nur die D-Zucker. Sollte es sich bei dem Molekül um einen L-Zucker handeln, müssen sie das ganze D-Molekül im AldosenStammbaum spiegeln. Bei welchem der folgenden Molekülpaare handelt es sich um Enantiomere? Begründen Sie mit Hilfe einer korrekten Zeichnung. Welches Molekül hat ein chirales Zentrum? Cl OH H H OHC 134 OH OHC Cl 8. HO Cl H OHC OH H Cl CHO Sind die folgenden Moleküle chiral? Fertigen Sie Zeichnungen an. Für die Aminosäuren Glycin und Alanin nutzen Sie das Internet. a) Propan-1,2-diol b) Butansäure c) Glycin d) Alanin 9. Der Nobelpreis im Jahr 2001 für Chemie ist für die "enantioselektive Synthese" vergeben worden. Was ist das und für was lässt sich so etwas nutzen? Spekulieren Sie etwas. 10. Mit Hilfe der Messung einer optischen Drehung kann man die molekulare Masse eines Stoffes bestimmen. Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Drehwinkel α und der molaren Masse M? 11. Manche Naturfasern von Pflanzen sind aus langen und gleichlaufenden Cellulosepolymeren aufgebaut. Durch welche Kräfte werden die Makromoleküle zusammengehalten? Zeichnen Sie einen vereinfachten Ausschnitt. Machen Sie die Bindungen deutlich. Zeichnen Sie keine Details. 12. Weshalb fördert der Zuckerkonsum die Bildung von Karies? Lösungen unter www.dinternet.ch.vu weiter zu Drill&Practice. OH 5 HOH2C 4 OH 3 2 OH 1 CHO OH Kohlenhydrate und Proteine Lernziele Zucker Die Lernenden sollen wissen • • • • • • • • • • • • • an welchen Stellen der menschlichen Physiologie Zuckerbausteine ihre Bedeutung haben. welche Auswirkung ein Fehlen von Monosacchariden haben kann (CDG). was CDG als Beispiel für einen Glycosylierungsdefekt ist (Übersicht). welche Funktion Zuckern aus chemisch-physikalischer Sicht zukommt. wie Monosaccharide aufgebaut sind. wie Konzentrationen von Zuckern physikalisch gemessen werden können. was Fischer und Haworth Schreibweisen sind. wieso die Monosaccharide eine so grosse Vielfalt besitzen. welche Bedeutung Glucose zukommt. wie Monosaccharide verknüpft werden. woraus sich für den Körper Monosaccharide gewinnen lassen. was Saccharose ist. wie Stärke und Cellulose aufgebaut sind und worin sie sich unterscheiden. Der Übergang zu den Proteinen ist mit den bereits erwähnten Fragen verbunden: Was ist die Grundlage für ein defektes Enzym wie ALG6 oder ALG3 bei CDG? Wie sieht die Ursache auf Molekülebene aus? Welche Funktion erfüllen Proteine und Enzyme im Körper? Aus was sind Proteine aufgebaut? Was heisst Schlüssel-Schloss-Modell? Was unterscheidet Proteine von Enzymen? Wie ist die spezielle Faltung von Enzymen zu verstehen? Wie reagieren Enzyme auf äussere Einflüsse? SPF SCB_A KME 135 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.5 Proteine Proteine besitzen eine hervorragende Stellung in der belebten Welt (von proteios: erstrangig). Nur sie können einen Organismus am Leben erhalten. Für den menschlichen Organismus schien nach Abschluss des Human Genome Projects (2001) klar, dass er aus etwa 30’000 – 40’000 Genen besteht (nicht 100.000 wie zuvor angenommen). Die korrigierte Fassung von Ende 2004 lieferte eine Genzahl von nur noch 20’000 - 25’000, nicht mehr als ein durchschnittlicher Wurm oder eine Hefe besitzt. (Das Bakterium E. coli hat ca. 3500 Gene). Mit diesen Genen können jedoch 300.000 bis 400.000 verschiedene Proteine mit unterschiedlichen Funktionen erzeugt werden. Aus einem Gen können somit bis zu 10 verschiedene Proteine entstehen z.B. durch unterschiedliche Verzuckerung. Wie viele menschliche Proteine sind bereits bezüglich ihrer Funktion bekannt? Die SWISS-PROT Protein Sequence Data Bank in Genf gibt die Antwort: http://www.expasy.ch/cgi-bin/sprot-search-de. (Enter Search Keywords Zeile "homo sapiens"; deaktivieren des Kästchens TrEMBL, submit. Dann noch show only reviewed klicken). Sie erhalten eine Zahl der bekannten Humansequenzen und eine Auflistung aller Proteine. Anzahl bekannter humaner Proteine: (Entwicklung siehe S. 157) Die Eintragungen in SWISS-PROT bieten sehr viele Information. Es wimmelt dort nur so von Abkürzungen. Vieles muss an dieser Stelle unweigerlich unverständlich bleiben. Welche Informationen bietet die Eintragung für ein Protein in SWISS-PROT? 5.7.5.1 Enzyme: Transport: Speicherung: Bewegung: Stützfunktion: Immunabwehr: Hirn: Funktionen7 von Proteinen im Organismus Biologische Katalysatoren, die als Werkzeuge eingesetzt werden. Lipasen z.B. spalten Nahrungsfette enzymatisch im Darm, in dem sie die Esterbindung lösen. Sauerstoff wird am Protein Hämoglobin in roten Blutkörperchen transportiert Eisenionen, die für das Hämoglobin benötigt werden, sind in der Leber an Transferrin/Ferritin gebunden. Koordination von Actin und Myosin im Muskel führt zur Bewegungsfähigkeit Kollagen als Bestandteil der Knorpel, Haare bestehen aus Keratin Antikörper Übertragung von Nervenimpulsen durch Proteine auf Zelloberflächen (z.B. Acetylcholinrezeptoren) Um Defekte von Proteinen wie bei CDG zu verstehen, muss zuerst verstanden werden, wie Proteine überhaupt funktionieren. Um die Funktion von Proteinen zu verstehen ist es absolut unerlässlich zu wissen, wie Proteine aufgebaut sind. Um den Aufbau von Proteinen zu verstehen ist es notwendig, sich die kleinsten Untereinheiten, die Aminosäuren und deren Bindungen zuerst anzuschauen. 7 Informationen zu Funktionen und Strukturen von Proteinen finden sich in der Protein-Daten-Bank PDB unter http://www.rcsb.org/pdb/ SPF SCB_A KME 136 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.6 Aminosäuren Aminosäuren (AS) heissen in vollem Wortlaut Aminocarbonsäuren. Insgesamt sind etwas 200 AS bekannt. Meistens sind damit die 20 α-Aminocarbonsäuren gemeint, die am Aufbau von Proteinen beteiligt sind. α beschreibt die Position, an der die Amino-Gruppe (-NH2) zu finden ist. β- und γ-Aminosäuren kommen in der Natur praktisch nicht vor. beta beta O C alpha C C OH gamma O O OH OH gamma NH2 NH2 variabel konstant Die 20 in Proteinen verwendeten α-Aminosäuren bestehen immer aus einer konstanten Grundeinheit, und einem variablen Rest (A), der den unterschiedlichen Aminosäuren ihre Funktion verleiht. In den meisten Fällen existiert bei den AS eine L- und eine D-Form. Die L-Form findet sich in der Natur, nicht aber die D-Form (was ja bei den Zuckern genau anders war: die D-Zucker finden sich in der Natur.) Für die Nomenklatur wird hier bei den AS das α-C-Atom benutzt und die Stellung der -NH2 Gruppe beschrieben. Dabei wird das am höchsten oxidierte C-Atom wieder nach oben geschrieben und der Rest „A“ nach unten. Aufgabe (Lösung S. 157) Zeichnen Sie die D- und L-Form der obigen Aminosäure als Strichformel und als Fischer Projektion. Schreiben Sie für den variablen Teil einfach „A“. D-Aminosäuren L-Aminosäuren Sind D- und L-Aminosäuren wirklich Enantiomere, (wie ja D/L bei Zuckern Spiegelbildisomere = Enantiomere sind)? Prüfen Sie. 5.7.6.1 Zwitterionen Aminosäuren liegen bevorzugt als Zwitterionen vor, d.h. sie enthalten eine positive als auch eine negative Ladung. Woran liegt das? (Lösung S. 157) COOH H2N C H A Durch die beiden Ionenladungen besitzen die im reinen Zustand farblosen, festen Substanzen einen hohen Schmelzpunkt, da sie als Salze zu betrachten sind. Der Schmelzpunktbereich dieser Salze liegt zwischen 220 und 300 °C. Aufgabe (Lösung S. 157) Vergleichen Sie die AS Glycin mit Essigsäure. Glycin hat einen Schmelzpunkt von 232 °C und Essigsäure von 16.5 °C. Was ist der Grund? (Es ist sinnvoll beide Strukturen vergleichbar aufzuzeichnen.) SPF SCB_A KME 137 5.7.6.2 138 SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine Natürlich vorkommende Aminosäuren 20 20ααAminosäuren Aminosäuren geordnet nach ihrer Funktion in Proteinen Hydrophile Aminosäuren Neutrale AS Basische AS CH 2 C OH H2N CH2 CH2 CH2 CH2 Serin (Ser, S) C C CH OH C HN CH2 NH CH2 CH2 HO C CH OH NH 2 Arginin (Arg, R) Threonin (Thr, T) C CH OH CH2 CH2 CH2 CH2 C C CH O NH2 OH H3C C CH CH NH2 HC OH HC CH 3 H 3C CH CH NH2 Phenylalanin (Phe, F) O CH C CH CH2 C C CH HC C CH NH2 CH NH Tryptophan (Trp, W) CH CH3 NH2 OH H3C CH2 OH CH2 Prolin (Pro, P) O O CH CH2 C CH H2C Leucin (Leu, L) CH3 OH O H N C CH OH OH NH 2 CH2 C HC Valin (Val, V) OH OH O CH OH C C CH Alanin (Ala, A) Asparaginsäure(Asp D) CH2 O C Cystein (Cys, C) NH2 O C O NH 2 CH OH Tyrosin (Tyr, Y) NH2 Glutamin (Gln, Q) CH CH CH CH Histidin (His, H) C C C O H3C CH CH 2 CH2 CH Glycin (Gly, G) NH2 HS C HO O C HC OH NH2 C HC N NH2 Asparagin (Asn, N) O C HC O O H N O CH O C OH NH2 H OH CH Glutaminsäure(Glu, E) NH2 O CH2 O NH2 CH2 O C NH2 Lysin (Lys, K) CH C HO CH2 O CH H2N O NH2 NH2 HO Unpolare AS O CH CH3 Saure AS O O HO Hydrophobe Aminosäuren S C CH NH2 Isoleucin (Ile, I) OH H3C CH2 CH2 C CH NH2 Methionin (Met, M) Essentielle Aminosäuren OH Kohlenhydrate und Proteine 5.7.6.3 Isoelektrischer Punkt Zwitterionen können als Säuren wie auch als Basen reagieren. Teilchen mit solchen Eigenschaften werden ganz allgemein amphotere Teilchen genannt (Ampholyte). Aufgabe Eine Aminosäure wie hier Tyrosin liegt im Gleichgewicht mit ihrer Zwitterionenstruktur vor. Verwirrenderweise haben wir es bei AS mit 2 Säuren und 2 Basen in einem einzigen Molekül/Zwitterion zu tun. Aus den pKs- und pKb-Werten lässt sich entnehmen, auf welcher Seite das Gleichgewicht liegt. pKs = 2.2 pKb = 11.8 COO COOH H2N pKb = 4.89 C H3 N pKs = 9.11 H + C H CH2 CH2 ? OH OH Aufgabe (Lösung S. 157) Werden AS in stark sauren Lösungen gelöst (H3O+ vorhanden), so werden Sie protoniert. Sie liegen dann als Kation vor. Werden sie in stark basischen Lösungen gelöst (OH- vorhanden), so werden sie deprotoniert. Sie liegen dann als Anion vor. Zeichnen Sie die Strukturen der protonierten und deprotonierten AS Tyrosin. COO H 3N + C - H CH2 + H3O+ + OH- OH pH-Wert Bei einem bestimmten pH-Wert ist die Aminosäure ohne Nettoladung, da sich die Anzahl der positiven und negativen Ladungen im Teilchen gerade ausgleichen. Dieser sog. Isoelektrische Punkt (IEP, pI) ist abhängig vom Aminosäurerest8 und charakteristisch für die Aminosäure (in den meisten Fällen nicht bei pH 7, wie fälschlicherweise oft angenommen wird). Beim Tyrosin z.B. liegt er bei 5.7, d.h. bei pH 5.7 ist die zwitterionische Struktur erreicht. [Bedenken Sie noch einmal den Unterschied zwischen teilchenspezifisch (hier der pI) und lösungsspezifisch (hier der pH).] Löslichkeit von Tyrosin in einer wässrigen Lösung pH = 5.7 8 Eine Aminosäurenübersicht findet sich bei http://www.mcb.ucdavis.edu/courses/bis102/AAProp.html SPF SCB_A KME 139 SPF SCB_A KME Kohlenhydrate und Proteine 5.7.6.4 Isoelektrische Fokussierung Die pI-Werte lassen sich einfach aus tabellierten Angaben errechnen. Rechenformeln und Angaben werden in allfälligen Prüfungen geliefert. Alanin Arginin Asparagin Asparaginsäure Cystein Glutamin Glutaminsäure Glycin Histidin Isoleucin Leucin Lysin Methionin Phenylalanin Prolin Serin Threonin Tryptophan Tyrosin Valin Ala Arg Asn Asp Cys Gln Glu Gly His Ile Leu Lys Met Phe Pro Ser Thr Trp Tyr Val A R N D C Q E G H I L K M F P S T W Y V pKs1 -COOH 2.34 2.18 2.02 1.88 1.71 2.17 2.19 2.34 1.82 2.32 2.36 2.18 2.28 2.58 1.99 2.21 2.16 2.38 2.20 2.29 pKs2 -NH3+ 9.69 9.09 8.8 9.6 10.78 9.13 9.67 9.6 9.17 9.76 9.60 8.95 9.21 9.24 10.60 9.15 9.12 9.39 9.11 9.72 pKR R-Gruppe Neutrale und unpolare AS pI = 13.2 Saure AS pI = 3.65 8.33 Basische AS pI = 4.25 6.0 10.53 Aufgabe (Lösung S. 157) Berechnen Sie für die AS Asparaginsäure, Lysin und Threonin die pI Werte. Die Bezeichnung saure-, basische- und neutrale- AS, hängt vom Rest R ab. Passt diese Klassifizierung mit dem pI überein? Aufgabe Eine Mischung der oben behandelten AS wird in einer Lösung mit niedrigem pHWert gelöst (alle Stoffe liegen als Kationen vor) und auf ein Gel gegeben, das noch zusätzlich einen pH-Gradienten von 0 bis 14 hat. Man legt eine Spannung an, so dass die AS durch das Gel wandern. Wo wird gestartet? Wanderungsrichtung? + Pol und - Pol? Wo stoppen sie? Den Vorgang nennt man auch Isoelektrische Fokussierung. pH 0 pH 14 pKs1 + pKs2 2 pKs1 + pKR 2 pKs2 + pKR 2 140 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.7 Peptide und Peptidbindung Wie werden AS miteinander verknüpft? Peptide sind Verbindungen von mindestens 2 und maximal 10 Aminosäuren, die über eine Peptidbindung miteinander verknüpft sind. Die Bindung, die chemisch gesehen eine Amidbindung ist, erfolgt unter Abspaltung von Wasser. Nach Konvention werden Peptide so geschrieben, dass die freie Aminogruppe links steht und die freie Carboxygruppe rechts. Alle Moleküle sind um Einfachbindungen mehr oder weniger leicht drehbar. Die Amidbindung ist, obwohl als Einfachbindung gezeichnet nicht frei drehbar, da eine Mesomerie vorliegt. Dadurch wird die Struktur planar und unflexibel, was wiederum einen grossen Einfluss auf die Struktur von Proteinen hat. Aufgabe Zeichnen Sie beim folgenden Tetrapeptid die planaren, starren Amidbindungen ein, sowie die sich gut drehenden Einfachbindungen. (Die geometrische Darstellung ist übrigens nicht optimal. Man erkennt die Bindungswinkel nicht gut, da alles linear gezeichnet ist.) SPF SCB_A KME 141 Kohlenhydrate und Proteine Es gibt jedoch auch bei den sich drehenden Einfachbindungen eine Vorzugsrichtung. Die AS Kette lässt sich so drehen, dass alle Reste R1 bis R4 auf einer Seite liegen oder dass sie abwechselnd liegen. Die Lage auf einer Seite ist energetisch aber sehr ungünstig, da sich die Reste behindern, man spricht auch von sterischer Hinderung. Daher ist eine Struktur, die die Reste abwechselnd platziert die energetisch günstigste. 5.7.7.1 1. 2. 3. 4. 5. Drill&Practice: Aminosäuren und Peptide Zeichnen Sie die Bildung eines Dipeptids aus Asparaginsäure und Phenylalanin. Wie viele Kombinationsmöglichkeiten fallen Ihnen ein? Wie viele Aminosäurekombinationen sehen Sie bei 3 AS? Nehmen Sie von oben die Kombination Asp-Phe und verestern Sie die freie Carboxy-gruppe mit Methanol. Sie haben den Süssstoff Aspartam (Canderel, NutraSweet) hergestellt. Spekulieren Sie, welchen Einfluss die L- und DFormen der Aminosäuren haben. Was sagt http://www.zusatzstoffe-online.de zur toxikologischen Beurteilung dieser Substanz? Vergleichen Sie die Peptidbindung mit einer glycosidischen Bindung. Was ist ähnlich, was ist unterschiedlich? Nylon ist eine Kunstfaser. Stellen Sie Nylon her aus Adipinsäure HOOC(CH2)4-COOH und 1,6 Diaminohexan H2N-(CH2)6-NH2. Um welchen Bindungstyp handelt es sich hier? Lösungen unter www.dinternet.ch.vu weiter zu Drill&Practice. SPF SCB_A KME 142 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.8 Polypeptide und Proteine Polypeptide bestehen aus etwa 10-100 Aminosäuren. Als Proteine bezeichnet man natürlich vorkommende Polypeptidketten mit ca. 100-2000 Aminosäuren. Alle Aminosäurekombinationen sind möglich. Ist das Insulin, das bekanntlich in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird und die Aufnahme von Glucose aus dem Blutstrom in die Zellen fördert, ein Peptid, ein Polypeptid oder schon ein Protein? Analysieren Sie. Fällt Ihnen etwas auf? Als Beispiel für Proteine bietet sich ein Rückblick auf das CDG an. Das Enzym ALG6 ist das zentrale Enzym bei CDG Typ 1c. Es überträgt Glucose auf den Zuckerbaum, oder wenn es defekt ist eben nicht. Wie viele Aminosäuren hat ALG6? Gehört es wirklich zu den Proteinen? Zur Beantwortung dieser Frage wird mal ein anderes Datenbanknetz probiert: National Center for Biotechnology Information in Bethesda, MD. Wie in der Grafik zu erkennen ist, werden hier Literaturdatenbanken (PubMed, Medline), Proteindatenbanken, DNADatenbanken (GenBank), Strukturdatenbanken (PDB, RCSB) u.a. miteinander vernetzt. Man steigt über www.ncbi.nlm.nih.gov ein und wählt im SEARCH Feld "PubMed" aus. Nach "ALG6" suchen. Von Imbach T, Burda P, Kuhnert P, Wevers RA, Aebi M, Berger EG, Hennet T. ist die Originalpublikation der Zürcher Forschungsgruppe. Ein Klick präsentiert eine Zusammenfassung. Das Icon FREE PNAS gibt die Möglichkeit, den Originalartikel einzusehen, der bei den Proceedings of the National Academy of Sciences erschienen ist. Gehört ALG6 jetzt zu den Proteinen oder nicht? SPF SCB_A KME 143 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.9 Proteinstrukturen Die AS-Kette von ALG6 ist sicher nicht einfach nur langgestreckt, sondern besitzt eine bestimmte räumliche Struktur. Proteinstrukturen werden eingeteilt in Primärstruktur, Sekundärstruktur, Tertiärstruktur und Quartärstruktur. 5.7.9.1 Primärstruktur Die Aminosäuresequenz, also die Abfolge der Aminosäuren wird als Primärstruktur bezeichnet. (N-Terminus links, C-Terminus rechts) z.B. +H 3N-His-Ser-Gln-Gly-COO Die Primärstruktur hat wesentlichen Einfluss auf die Faltung des Proteins, die Sekundärstruktur. 5.7.9.2 Sekundärstrukturen Proteine sind nicht einfach verknäult, sondern bilden geordnete Strukturen aus. Zu den wichtigsten Sekundärstrukturen gehören die α-Helix und die β-Faltblatt Struktur. Aufgabe (Lösung S. 158) Analysieren Sie beide Strukturen. Was sind die Besonderheiten? Wie unterscheiden sie sich? Wie kommen die Bindungen zustande und damit die Strukturen? α-Helix β-Faltblatt SPF SCB_A KME 144 Kohlenhydrate und Proteine Definitionen Die α-Helix besteht aus einer schraubenförmigen Struktur, die durch Wasserstoffbrückenbindungen von C=O und NH Gruppen stabilisiert wird. Die Polypeptidkette ordnet sich so, dass sie alle Seitenketten nach aussen stellt. Eine volle Umdrehung der α-Helix entspricht 3.6 Aminosäuren. In der β -Faltblatt Struktur ist die Polypeptidkette gestreckt, aber nicht flach, sondern wegen der Starrheit der Peptidbindung, wie in einer gefalteten Blattstruktur angeordnet. Die Peptidbindungen befinden sich auf den Flächen, die Seitenketten stehen abwechselnd nach oben und unten. β-Faltblatt Strukturen lassen sich aus parallel geführten und anti-parallel geführten Peptidketten erzeugen. 5.7.9.3 Drill&Practice: Proteine 1. Fertigen Sie eine Handzeichnung von einer α-Helix an, aus der die wesentlichen Punkte zu erkennen sind. Primärstruktur soll sein: Ala, Ala, Leu, Glu, Ala, Met, Glu 2. Fertigen Sie eine Handzeichnung von einer parallelen β-Faltblatt Struktur an, aus der die wesentlichen Punkte zu erkennen sind. Primärstruktur soll sein: Val, Tyr, Ile, Tyr, Val, Val (das Ganze 2 x nebeneinander für parallele Struktur) Lösungen unter www.dinternet.ch.vu weiter zu Drill&Practice. Die Primärstruktur beeinflusst massgeblich die Ausbildung von Sekundärstrukturen. Daher lässt sich in gewissen Grenzen eine Proteinstruktur vorhersagen. Proteine, die Glu, Ala, Leu oder Met enthalten, bilden gerne Helixstrukturen aus, Proteine mit Tyr, Val, Ile gerne Faltblattstrukturen. (nnPredict bei http://www.cmpharm.ucsf.edu/~nomi/nnpredict.html bietet eine Sekundärstrukturvorhersage online an. Man muss nur eine Proteinsequenz eingeben.) SPF SCB_A KME 145 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.9.4 Tertiärstruktur Auch die Strukturelemente α-Helix und β-Faltblatt haben im Proteingesamtgebilde eine gewisse Ordnung zueinander. Meist gehen weit entfernte Aminosäuren Bindungen miteinander ein: Wasserstoffbrückenbindungen , Disulfidbrücken , ionische Wechselwirkungen und van der Waals Wechselwirkungen . Aufgabe (Lösung S. 158) Notieren Sie, welche der 20 Aminosäuren sich für die Bindungen bis eignen. Nehmen Sie die Aminosäuretabelle zur Hilfe. Welche Tertiärstruktur kann man beim Insulin (S. 143) sehr gut erkennen? Die Tertiärstrukturbildung über eine Disulfidbrücke kann sehr schön beim Antikörpermolekül IgG1 betrachtet werden. Dies ist das bereits vorgestellte Yförmige Antikörpermolekül. Hier erhält man einen Eindruck, was mit dem Protein passiert, wenn die Disulfidbrücke fehlt. Auch lässt sich folgendes Protein-Prinzip erläutert. Hydrophobe Bereiche versucht das Protein im inneren, wasserunzugänglichen Teil zu verbergen, während geladene Aminosäuren gewöhnlich auf der Oberfläche zu finden sind, denn Gleiches löst Gleiches. SPF SCB_A KME 146 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.9.5 Quartärstruktur Proteine können aus mehreren gleichen aber auch verschiedenen Polypeptidketten aufgebaut sein. Man spricht auch von Untereinheiten eines Proteins, die sowohl kovalent über Disulfidbrücken, als auch nicht kovalent gebunden sein können. Der ganze Prozess wird Oligomerisierung genannt. Auch das lässt sich gut am Antikörpermolekül IgG1 betrachten. Es besteht aus mehreren Untereinheiten, die über Disulfidbrücken gebunden sind. Zusammenfassung Hämoglobin Tutorial http://www.umass.edu/microbio/chime/hemoglob/2frmcont.htm Das Thema Proteinstrukturen lässt sich noch einmal im Gesamtüberblick am Beispiel des Hämoglobins durchdenken. Das Hämoglobin besteht aus dem Protein Globin mit 4 Untereinheiten (Quartärstruktur), 2 α- und 2 β-Ketten, und 4 Häm/Fe2+-Komplexen (Graphik links). Die 4 Untereinheiten sind nicht kovalent gebunden. Das Globin besitzt keine β-Faltblatt Struktur, dafür aber eine ganze Anzahl α-Helices (Graphik rechts, eine der 4 Untereinheiten). Sauerstoff kann in der Lunge an den Eisen/Häm-Komplex gebunden werden und wird mit Hilfe der roten Blutkörperchen zu den Geweben transportiert z.B. Muskeln, die für die Verrichtung ihrer Funktion Energie und somit Sauerstoff verbrauchen. Das dabei entstehende Kohlenstoffdioxid wird vom gleichen, frei gewordenen Hämoglobin wieder abtransportiert und in den Lungen erneut gegen Sauerstoff ausgetauscht9. 9 BSE ist auch so eine Proteinstrukturgeschichte. Sollten Sie noch Zeit und Lust haben, greifen Sie doch auf BSE, der nackte Wahnsinn http://www.swisseduc.ch/chemie/schwerpunkte/bse/ zurück. SPF SCB_A KME 147 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.10 Der genetische Defekt bei CDG Sie mögen sich vielleicht fragen, was denn nun aus ALG6, ALG3 und DPM1 geworden ist. Betrachten wir der Einfachheit halber nur ALG6. Vom Gen zum Protein Kennen Sie sich aus mit DNA, mRNA, tRNA, Ribosomen, Basentripletts, Transkription und Translation, Restriktionsenzyme, DNA-Sequenzierung nach Sanger? SPF SCB_A KME 148 Kohlenhydrate und Proteine SPF SCB_A KME 149 Inwiefern unterscheidet sich das ALG6, was zu CDG 1c führt, vom ursprünglichen Protein? Im Originalartikel in PNAS http://www.pnas.org/cgi/content/full/96/12/6982 lässt sich die Antwort finden. Es ist grundsätzlich so, dass bei Untersuchungen von Proteinen, die DNA analysiert wird, denn DNA oder RNA lässt sich technisch sehr viel leichter untersuchen als ein Protein, so dass man immer von der DNA Ebene auf die Proteinebene schliesst. Aufgabe (Lösung S. 158) Finden Sie den Unterschied zwischen der Originalsequenz des Alg6 Gens und der Sequenz eines CDG Patienten. Abgedruckt ist ein Strang der DNAOriginalsequenz. Das Protein beginnt bei Position 239 mit ATG. Notieren Sie die ersten 10 Aminosäuren mit Hilfe der Codesonne. Bedenken Sie, dass ein T in der DNA einem U in der mRNA entspricht. Der Einfachheit halber ist die Sequenz unten noch mal grösser abgedruckt. ORIGIN 1 61 121 181 241 301 361 421 481 541 601 661 721 781 841 901 961 1021 1081 1141 1201 1261 1321 1381 1441 1501 1561 1621 1681 1741 1801 1861 1921 tcggcacgag tgactatttg ataacatttc ttaaaagtac ggagaaatgg gtctcttaat gagacactgg tgataacaat cctatgtgca tggatatgag gctgatttac gaaaaagatt tggacatttt atcttgtgac gatggaactt aggcctcaaa cttcgttctc aagactcttc cttcaatgtc cttttgtttt ttccaaagga ccaagtacat aattcctttt attgaaggat tgtaacttcc ttccatttct tttgtttctt tcctcctcag cttcctgttc aaatcagaag aaatgtgaac ttttgagaac aataaatgta cagcggccgg gaaaccaagc aagaagtgat tctggcactg tacttgatga tcttattcag caagaaataa ttacagtatt tatgtggcaa agtcaggcac atacctgcag gctaatgcat caatataatt tgcgacctcc taccacgcct ggaaaggggt tgctggctgc ccggttgatc tttctgaaga acgtttttga ttcaaattta gaaaaatcca atgtctactt gaactcctaa ttttcaatat gtgaggaaat atctcagtca aaactaccgg ttcttggtat aaaatcagct agtgctgaaa catggaacca tatggagacc cgggcggcgg atcattaaaa aacatttctc gtgctgtgtt cagtagtggt gtgctggtaa cttttaattt ggggattgga agtttataaa ataagctctt tggttttgta tatgcatctt ctgtgagtct tagggtcact tgccattttt ttgtgttgct cattctttac gtggattatt ttaaggatat gcctgcttcc cactggttag ttctcttggt ggtttttact tgccctctgt ttgaaaagac atcttccatg tcactatggt acttgttttc actttaacat agctgtattc ggttttgtga caggaaagga aaaaaaaaaa ggatacttct acatagacat ttctctcaaa ctgctaattg tgaacaagaa aagaagtgat ttcttcccct ccctaaattt tttaatagga ctaacagtac accgcctatg tttggtgatt accggtcaaa caatggtatt ttacccacct cttacagctt tccagactgg attgctctcc catgcgtaca acagttttaa ctgttgttgc ttaaaagaaa gctgtatcca ggccttattc tggctttgct ttgtggggtg ggcattttgc ttagctataa ttgcttttta cttggcaagt agttaagcta gcttgtattg agaaagggaa caaaccctgc tgaggataaa gtagccaata tttgccacgt cacatccaat tgcatgcata aaattaatac ctgtgcgcta tcattctttt gtcactacca gtctgcttag tgtgtcaaca tttagtatgc tgtgacaaca atggcatttt ttctgaagaa gaactgcagt ttttacattt ctttccagaa gcttctgacg ttgatgactg tgtattggtg tgttttgtat tattattatg tgggattcca ctaaacaaat tgtttcctaa actttttgct atgtataaat aatggtgaaa agtcattgtt aaaaaaaaaa// aatcaagttt cgaagaatcg tgaccacgtt gaagaactat gatggacagt atgaagctca ttaacagcag atcatagtct atacatcacg ttgctgatct tctcaactaa ttatagacta ttcttggaat attataaaca gttttaaaaa ttgtggcttc aggttctaag tttggtgcag taataatgag ttcagccctc tattttcttt ttttaagtga tacctcttct ttatagcttg tgaaatcctt ttatacaata tcacactgga cttgcttgaa aaagtggaag acaaatgtga gaaattacca gtctacacaa Codesonne von innen nach aussen lesen GAC = Asp Die ersten 10 AS im Alg6 (ab DNA# 239) gaagaactatggagaaatggtacttgatgacagtagtg… Irgendwo um Position 1200 stimmen Original (o) und Patienten (p) DNA nicht überein. Finden Sie den Unterschied. Welche AS ist verändert? Translatieren Sie die Sequenz startend ab ¦, beginnend mit AS Position 326. o1201 ttccaaaggattc¦aaatttacactggttagctgtgcgctatcattctttttattttcttt AS#325¦ p1201 ttccaaaggattc¦aaatttacactggttagctgtgtgctatcattctttttattttcttt AS#325¦ Welche AS ist betroffen? Nummer? Veränderung? Markieren Sie den Unterschied in der Aminsäuresequenz. 1 61 121 181 241 301 361 421 481 mekwylmtvv sdnnlqywgl lliyipavvl iscdcdllgs sfvlcwlpff sfcftflsll eipfmstwfl fsisvrkylp nflfflvyfn vligltvrwt dyppltayhs yccclkeist lafclainyk tereqtlqvl paciklilqp lvstfsmlpl cftflsriiq iiimwdsksg vslnsysgag llcayvakfi kkkianalci qmelyhalpf rrlfpvdrgl sskgfkftlv llkdellmps ylflisvitm rnqkkis kppmfgdyea npdwialhts llypglilid fcfllgkcfk fedkvaniwc scalsfflfs vvttmaffia vlltlmtvtl qrhwqeitfn rgyesqahkl yghfqynsvs kglkgkgfvl sfnvflkikd fqvheksill cvtsfsifek dppqklpdlf lpvkqwyfns fmrttvliad lgfalwgvlg lvklacivva ilprhiqlim vslpvclvls tseeelqlks svlvcfvscl Kohlenhydrate und Proteine Handelt es sich auf der DNA Ebene um eine Insertion einer Base, eine Deletion oder eine Mutation? Erachten Sie die Veränderung des Proteins als schwerwiegend? (siehe auch im Originalartikel im Abschnitt DISCUSSION, 2. Absatz) Warum spricht man bei Enzymen wie Alg6 von Schlüssel-Schloss-Prinzip? 5.7.11 Enzyme: Schlüssel-Schloss Das Übersichtsbild zur Glycosylierung (S. 118) zeigte, dass sich ALG6 in der Membran des ER befindet. Dort erfüllt es die Funktion, dass es am inneren Rand der Membran eine Glucose mit dem Zuckerbaum (Mannose) glycosidisch verknüpft. Daher wird das Protein als Transferase bezeichnet. Es ist kein Transportprotein wie Hämoglobin, es ist ein sehr spezifisch wirkender biologischer Katalysator, auch Enzym genannt, der aus der chemischen Reaktion der Verknüpfung wieder unbeschadet hervorgeht. Für jede glycosidische Bindung mit unterschiedlichen Edukten (Substraten) wird ein anderes Enzym benötigt. SwissProt zeigt ca. 150 Eintragungen mit dem Stichwort Glucosyltransferase wie Alg6 es ist, für alle Species von Mensch bis Hefe. Enzyme sind substratspezifisch und wirkungsspezifisch: sie nutzen nur ganz bestimmte Substrate und ermöglichen nur eine ganz bestimmte Reaktion. Der abgebildete Enzym-Substrat-Komplex könnte nicht anders gebildet werden. Als Modellvorstellung wird häufig das Schlüssel-Schloss-Modell herangezogen. Der Schlüssel (Substrat) passt nur bei einer ganz bestimmten Form ins Schloss (Enzym). Wird die Struktur des Enzyms verändert, so ergibt dies möglicherweise eine veränderte physiologische Wirkung. SPF SCB_A KME 150 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.11.1 Katalytisches Zentrum Enzymatische Defekte beruhen nicht nur auf Veränderungen der Primär- bis Quartärstruktur sondern auf der Störung der ablaufenden chemischen Reaktion im katalytischen Zentrum. Dies könnte, rein spekulativ, der Grund für das Nichtfunktionieren von ALG6 sein. Da das katalytische Zentrum von ALG6 aber nicht bekannt ist, muss der Reaktionsmechanismus auch im Dunkeln bleiben. Der Reaktionsmechanismus des Proteins Lysozym, dessen Raumstruktur 1965 als erstes Enzym aufgeklärt wurde, ist hingegen bekannt. Lysozym ist eine Hydrolase und spaltet Polysaccharidketten des Mureins (bakterielle Zellwandkomponenten) zwischen GlcNAc und NAcetylmuraminsäure, die β-1,4 glycosidisch verknüpft sind (Substratspezifität und Wirkungsspezifität). Der genaue Ablauf ist nicht so wichtig, wohl aber die Prinzipien die dahinter stecken. • Bindung des Substrats über AS-Seitenketten: ionische Anziehungskräfte, Wasserstoffbrückenbindungen oder van-der-Waals Kräfte • Interaktion der Seitenketten mit dem Substrat: vom Glu35 wird ein Proton abgegeben; die negativ geladene Carboxylatgruppe des Asp52 stabilisiert bzw. bindet an die zwischenzeitlich auftretende positive Ladung am C-Atom. • Enzym = Katalysator (verändert sich nicht) Die Graphik zeigt auch, dass das katalytische Zentrum durch weit entfernt liegende AS gebildet werden kann, sie müssen nur räumlich zusammentreffen. Daher ist einer Primärstruktur von aussen nicht anzusehen, wo das aktive Zentrum liegt. SPF SCB_A KME 151 Kohlenhydrate und Proteine CDG: Abschliessende Betrachtung CDG ist eine multisystemische Entwicklungsstörung bei Kindern, die 1980 entdeckt und deren genetische Grundlagen teilweise aufgedeckt wurden. Abhängig vom Typus ist die Glycosylierung aller Proteine gestört. Beispielhaft wurde ALG6 eine Glc-Transferase betrachtet. Eine Mutation im Protein an Position 333 erzeugt eine starke Transferleistungsreduzierung der Knüpfung der glycosidischen Bindung. Dies mag daran liegen, dass die Sekundär-, Tertiär- oder Quartärstruktur gestört wurde, da alle Proteine für ihre Funktion eine bestimmte, korrekte Faltung besitzen müssen. Andererseits könnte aber auch das katalytische Zentrum gestört sein, das nur ganz spezifische Substrate (in diesem Fall den Zuckerbaum und der aktivierte Zucker der übertragen werden soll) gebunden werden. Der Schlüssel passt nicht mehr ins Schloss. Eine abschliessende Beurteilung kann nur die Struktur des Enzyms liefern, die im Moment noch nicht bekannt ist, da aus der Primärstruktur nur äusserst schlecht (eigentlich gar nicht) auf die räumliche Anordnung geschlossen werden kann. Eine Therapie für CDG Patienten ist zur Zeit nicht in Sicht. Die einzige Möglichkeit den Defekt zu beheben, ist eine Gentherapie, also der Austausch des defekten gegen das gesunde Gen, das in allen Körperzellen durchgeführt werden müsste. So bleibt zur Zeit nur der schwache Trost, dass man durch die Analyse des Transferrins (Eisenionen speicherndes Protein) im Serum die Krankheit wenigstens als CDG diagnostizieren kann. Eine vollständige Besprechung der sog. Isoelektrischen Fokussierung (IEF) würde hier zu weit führen, wurde aber schon für Aminosäuren auf S. 140 im Prinzip besprochen. Prinzipiell wird die Gesamtladung des Transferrins analysiert. Bei korrekter Glycosylierung wird der Zuckerbaum mit einer Sialinsäure abgeschlossen. Die Sialinsäuren tragen eine negative Carboxylatgruppe (-COO-). Unvollständig glycosylierte Transferrin Proteine enthalten weniger negative Ladungen, man könnte auch sagen, das ganze Protein ist gesamthaftig positiver geladen. Dies zeigt sich in einer Isoelektrischen Fokussierung, wo Proteine u.a. nach ihrer Ladung aufgetrennt werden, durch eine zusätzliche schwarze Bande (Pfeil), die in der Normalkontrolle nicht sichtbar ist. Somit lässt sich an einer Blutprobe eindeutig bestimmen, ob ein Patient an CDG leidet oder nicht. SPF SCB_A KME 152 Kohlenhydrate und Proteine Lernziele Proteine Die Lernenden sollen wissen • • • • • • • • • • • wie Aminosäuren aufgebaut sind und welche physikalischen Eigenschaften sie haben. wie und warum AS klassifiziert werden. was eine Peptidbindung ist. was der besondere geometrische Aufbau einer AS für Konsequenzen haben kann. wie Proteine aufgebaut sind. was der Unterschied zwischen Proteinen und Enzymen ist. welche Funktion Proteine und Enzyme im Körper erfüllen. wie die Faltung von Proteinen (3D-Struktur) im Detail zu verstehen ist. was unter katalytischem Zentrum und Schlüssel-Schloss-Modell zu verstehen ist. was die Ursache für eine Fehlfunktion von Enzymen sein kann. wie Enzyme auf äussere Einflüsse reagieren. Die Lernenden sollten • die Bedeutung der vernetzen Protein-DNA-Literatur-Struktur Datenbanken erkannt haben. 5.7.12 5.7.12.1 Nachweis-RK für Kohlenhydrate und Proteine GOD-Test (Glucose-Oxidase-Test): Glucose Saccharose, Glucose oder Fructose werden in Wasser gelöst. Ein Glucose-Teststäbchen wird 10s in die Lösung getaucht und der Wert an der Referenzskala abgelesen. 5.7.12.2 Nachweis von Glucose in Haushaltszucker In 2 kleinen Erlenmeyerkolben werden je ½ Löffel Saccharose in 5 ml Wasser gelöst. Zu dem einen Kolben wird 1 mL 5 mol/L HCl-Lösung zugegeben. Beide Kolben werden einige Minuten auf einem Ceranfeld mit dem Bunsenbrenner gekocht. Zur Neutralisierung der HCl-Lösung werden ca. 2-4 mL 1 mol/L NaOH-Lösung zugegeben, bis der pH = 7 ist. Dies ist mit pH-Papier zu prüfen. Ein Glucose-Teststäbchen wird 10s in die Lösung getaucht und der Wert an der Referenzskala abgelesen. Unter welchen Umständen wird in Saccharose Glucose nachgewiesen? Was ist die Aufgabe der HCl-Lösung? SPF SCB_A KME 153 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.12.3 Nachweis von Stärke in Kartoffeln und Äpfeln Einige Apfelschnitze und einige Kartoffelschnitze werden in 2 verschiedenen Bechergläsern separat in 50 mL Wasser 2 min lang ausgekocht, das Becherglas dann unter fliessendem Wasser etwas abgekühlt und der pH Wert überprüft. Notfalls wird mit wenig verd. Natronlauge auf pH 7 eingestellt (pH-Papier). Je eine Probe wird mit 1 Tropfen der rot-braunen Iod-Kaliumiodidlösung versetzt. Blaufärbung zeigt das Vorhandensein von Stärke an, da sich die Iodmoleküle in die schraubenförmig gewundene Stärke (Polysaccharid aus Glucose) einlagern können. Enthalten Äpfel und/oder Kartoffeln Stärke? 5.7.12.4 Fehlingprobe: Nachweis einer Aldehydgruppe Ein halber Spatel Glucose bzw. Fructose wird in einem Reagenzglas in 2 mL Wasser gelöst und 4 mL frisch hergestellte Fehling-Lösung (2 mL Fehling1 und 2 mL Fehling2) zugegeben. Das Gemisch wir im siedenden Wasserbad erwärmt (250 mL Becherglas). Beobachtung? Gibt es Unterschiede zwischen Glucose und Fructose? 5.7.12.5 Seliwanow Reaktion: Glucose/Fructose Ein halber Spatel Glucose und ein halber Spatel Fructose werden in verschiedenen RG in 2 mL Wasser gelöst und 5 Tropfen Seliwanow Reagenz zugegeben. Das Gemisch wir im siedenden Wasserbad erwärmt. Ist Seliwanow-Reagenz spezifisch für Fructose? 5.7.12.6 Xanthoprotein Reaktion: Proteine In einem RG werden 2 mL Proteinlösung mit ca. 0.5 mL konz. Salpetersäure vermischt und über der Brennerflamme erhitzt. Durch welche Beobachtung können Proteine nachgewiesen werden? 5.7.12.7 Biuret Reaktion: Proteine 2 mL Proteinlösung wird in einem RG mit 2 mL 1 mol/L Natronlauge gemischt. Nach Zugabe von 5 - 10 Tropfen 0.25 mol/L CuSO4-Lösung wird die Veränderung beobachtet. SPF SCB_A KME 154 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.12.8 Drill&Practice CDG Bearbeiten Sie den allgemein gehaltenen Text zu CDG aus dem Unimagazin der Universität Zürich, Heft4, 2006, S.16-17. Fügen Sie in der rechten, leeren Spalte die Detailinformationen aus dem gesamten Kapitel ein. Verwenden Sie kurze Sätze in Fachsprache und einfache Zeichnungen. FORSCHUNG WENN ZUCKERKETTEN KRANK MACHEN Etwa die Hälfte der Proteine im menschlichen Körper sind Glykoproteine. Wenn sie falsch zusammengebaut werden, verursacht das Krankheiten. Der Biologe Thierry Hennet erforscht diese Vorgänge. Von Susanne Haller-Brem Thierry Hennet skizziert sein Forschungsobjekt auf ein Blatt Papier und erklärt: «Als Rückgrat müssen Sie sich ein Protein vorstellen. Daran sind Seitenketten aus Zuckermolekülen angeheftet, deren Struktur an einen verästelten Baum erinnert.» Der Professor für Humanbiologie befasst sich seit 1996 mit der Glykosylierung – so wird in der Fachsprache der Vorgang genannt, bei dem in der Zelle Zuckereinheiten an Proteinmoleküle angehängt werden. Hennet und sein Team charakterisieren Gene und Enzyme, die am Aufbau von Zucker-Protein-Strukturen beteiligt sind, und untersuchen eine Gruppe von genetischen Krankheiten, die durch eine gestörte Glykosylierung verursacht werden. RÄSELHAFTE KRANKHEIT Vor 25 Jahren beschrieb der belgische Kinderarzt Jaak Jaeken erstmals ein bisher unbekanntes Krankheitsbild bei Zwillingen. Die beiden Mädchen zeigten eine verlangsamte körperliche und geistige Entwicklung, schielten, hatten nach innen gewölbte Brustwarzen und eigenartige Fettpolster am Gesäss. Ausserdem waren zwei Proteinwerte abnorm. Jaeken fand heraus, dass es sich dabei um Glykoproteine handelte, doch diese Verbindungen waren damals noch wenig untersucht. Die Erforschung dieser rätselhaften Erkrankung ging deshalb nur schleppend voran. Dass Jaeken und andere Mediziner in den Jahren darauf weitere Patienten mit abnormen Glykoprotein-Werten und etwas anderen Symptomen als bei den Zwillingsschwestern fand, machte die Sache nicht einfacher. Schliesslich gab man dieser Gruppe von Krankheiten den Namen CDG, eine Abkürzung von «Congenital Disorders of Glycosylation », auf Deutsch «angeborene Störungen der Glykosylierung». Die genaue Natur der Glykoproteine wurde erst in den letzten zwanzig Jahren entdeckt. Inzwischen sind rund 250 Gene respektive Enzyme bekannt, die bei der Herstellung von Glykoproteinen eine Rolle spielen. Mittels dieser Enzyme wird an bestimmten Orten in der Zelle Schritt für Schritt ein verästelter Baum aus Zuckermolekülen zusammengebaut. Heute weiss man, dass etwa die Hälfte der Proteine im menschlichen Körper Glykoproteine sind. «Das gleiche Protein kann unterschiedlich grosse Zuckeranteile und auch ganz verschiedene Zucker-Bausteine enthalten. Dadurch gewinnen die gleichen Proteine neue Eigenschaften, die ihre Funktion in vivo beeinflussen», erklärt Thierry Hennet. Die Zuckerketten bringen also eine zusätzliche funktionelle Vielfalt in die Biologie. Bekannte Beispiele für Zuckerketten sind etwa die menschlichen ABO-Blutgruppen. Nur ein winziger Zuckeranteil entscheidet, ob jemand die Blutgruppe A, B, AB oder Null hat. «Zucker können also nicht nur Energiebausteine sein, sondern auch Informationsmoleküle », sagt Hennet. Bei der Erforschung des CDG-Syndroms arbeiten Ärzte und Grundlagenforscher aus verschiedenen Ländern eng zusammen. Heute weiss man, dass Glykoproteine bei sehr vielen Lebensvorgängen eine wichtige Rolle spielen, so zum Beispiel bei der Zelldifferenzierung, der Organentwicklung, der Signalübertragung, der Immunabwehr, bei Stress und Entzündungen oder der Entstehung von Krebs. Dadurch wird auch verständlich, weshalb die Symptome von CDG-Patienten so unterschiedlich sein können. Biochemisch gesehen liegt allen Formen des CDG-Syndroms eine Störung der Glykosylierung von Proteinen zugrunde. Im Laufe SPF SCB_A KME 155 Kohlenhydrate und Proteine der letzten Jahre konnten viele neue Defekte identifiziert werden, und es kommen laufend neue dazu. «Der Zuckeranteil fehlt bei den Patienten nie vollständig, die Zuckerketten an den Proteinen sind entweder nur leicht verändert, oder aber die Verzuckerung ist nur bei einem Teil der Moleküle gestört», sagt Thierry Hennet. In der Regel wird das CDG-Syndrom mit Hilfe eines einfachen Bluttests diagnostiziert. Als Leitprotein dient Transferrin, das im Körper Eisen transportiert und dessen Zuckeranteil bei CDG-Patienten ebenfalls einen Defekt aufweist. Dadurch verändert sich seine elektrische Ladung, was sich einfach nachweisen lässt. Allerdings ist es nicht möglich, mit dem Transferrin- Test die genaue Art der Glykosylierungsstörung zu bestimmen. Vor allem für jenen Typ, der sich durch die Einnahme des Zuckers Mannose therapieren lässt, ist eine genaue Diagnose enorm wichtig. UNVOLLSTÄNDIGE MEHRFACHZUCKER Um die Art der Glykosylierungsstörung herauszufinden, führt Hennets Arbeitsgruppe zusätzliche Tests mit Hautproben von Patienten durch. Dafür verwenden sie Fibroblasten, das heisst Bindegewebszellen, die sich im Labor gut vermehren lassen, und füttern diese Zellen mit radioaktiv markierten Zuckern und verfolgen dann die Synthese von Mehrfachzuckern in den Zellen. Stellt man eine Anhäufung von unvollständig ausgebildeten Mehrfachzuckern in den Fibroblasten fest, deutet dies auf einen Fehler im Glykosylierungs-Stoffwechsel hin. Indem die Aktivität bestimmter Enzyme gemessen wird, können Reaktionen, die unzureichend oder gar nicht ablaufen, identifiziert werden. Aufgrund dieser Forschung wäre die Entwicklung einer Enzymersatztherapie denkbar, bei der dem Körper das fehlerhafte Glykosylierungsenzym künstlich zugeführt wird. Doch solche Therapien sind noch in weiter Ferne, unter anderem auch deshalb, weil die Glykosylierung in Zellkompartimenten stattfindet, die nur schwer zugänglich sind. Die Synthese von ZuckerProtein-Komplexen ist ein sehr konservativer Prozess. Die ersten paar Schritte der Glykosylierung laufen in der menschlichen Zelle und in den einzelligen Hefepilzen gleich ab. Deshalb können bestimmte Erkenntnisse, die am Modell Hefe gewonnen werden, direkt auf menschliche Zellen übertragen werden. Hefezellen bieten den Vorteil, dass sie ohne grossen Aufwand im Labor gezüchtet werden können. Ausserdem lassen sie sich einfach genetisch manipulieren. Zahlreiche verschiedene Hefemutanten mit unterschiedlichen Defekten im GlykosylierungsStoffwechsel dienen deshalb den Forschern und Forscherinnen als eine Art Referenz. Hautproben von CDG-Patienten können dann mit diesen Hefemutanten verglichen werden. Als Referenz für die Glykosylierung arbeiten die Fachleute mit Mutanten der Taufliege Drosophila oder mit Mäusen. Solche Untersuchungen könnten konkrete Hinweise liefern, um neue Formen von CDG zu identifizieren, hofft Hennet. ENTLASTUNG FÜR BETROFFENE Auch wenn bislang die Behandlungsmöglichkeiten von CDG in den meisten Fällen sehr begrenzt sind, ist die Diagnosestellung wichtig, darin sind sich die Fachleute einig. Einerseits beendet sie eine häufig lange Suche nach der Ursache und bringt endlich Ruhe in das Leben der betroffenen Familie. Und erst die Diagnose macht eine genetische Beratung und eventuell eine pränatale Diagnostik bei einer weiteren Schwangerschaft möglich. Die Erkenntnisse über die Glykosylierung zeigen, dass selbst auf molekularer Ebene Lebewesen mehr als eine Zusammensetzung von Genen und Proteinen sind. Die Komplexität und Vielfalt der Glykoproteine lässt vermuten, dass viel Arbeit nötig sein wird, um den Bauplan des Menschen exakt zu kennen. Die Aufklärung des menschlichen Genoms war nur ein Schritt in diese Richtung. KONTAKT Prof. Thierry Hennet, Physiologisches Institut der Universität Zürich, [email protected] SPF SCB_A KME 156 Kohlenhydrate und Proteine 5.7.12.9 Lösungen zu den Fragen im Skript Proteine mit bekannter Funktion 7025(25.05.2001)/8361(05.08.2002)/10691(29.03.2004)/11556(09.11.2004)/1374 9(18.04.2006)/14991(27.11.2006)/17483(25.10.2007)/25697(13.10.2009) Aminosäurenzeichung Zeichnen Sie die D- und L-Form der obigen Aminosäure als Keilstrichformel und als Fischer Projektion. Schreiben Sie für den variablen Teil einfach „A“ (AS-Rest). O O C A C A OH H NH2 COOH C OH CH NH2 NH2 COOH H C COOH H2N NH2 C H A A L-Aminosäuren D-Aminosäuren Hält man einen Spiegel zwischen die beiden Zeichnungen, so sieht man, dass es sich um Enantiomere handelt. Es handelt sich um chirale Moleküle wenn R ≠ H. Zwitterionen Die -COOH Gruppe ist eine Carbonsäure und die -NH2 Gruppe eine Aminogruppe. Die Carbonsäuregruppe ist eine Säure, die Aminogruppe eine Base. Es kommt zu einer Protonenübertragungsreaktion innerhalb des gleichen Teilchens. Somit wird ein Zwitterion erzeugt. Vergleich Glycin/Essigsäure COO H3 N + - C COOH H H H Glycin C H H Essigsäure Glycin und Essigsäure unterscheiden sich nur in der Aminogruppe. Das hat aber weitreichende Konsequenzen. Essigsäure ist kein Zwitterion, da keine Base (Aminogruppe) zur Verfügung steht. Essigsäure bleibt ein Molekül mit relativ geringem Schmelzpunkt. Zwitterionen COOH H3 N + C COO H3 N H CH2 + - C COO H2N H CH2 + H3O+ C - H CH2 + OH- OH OH OH Kation Zwitterion Anion pH-Wert pI pI(Asp) = 2.77, sauer pI(Lys) = 9.74, basisch pI(Thr) = 5.64, neutral Die Klassifizierung sauer, basisch, neutral passt mit dem Isoelektrischen Punkt überein. (Für „neutral“ pI 5.64 müssen wir ein Auge zudrücken. Der pI ist in der Nähe von pH = 7. Das lassen wir als „neutral“ durchgehen.) SPF SCB_A KME 157 Kohlenhydrate und Proteine SPF SCB_A KME Helix/Faltblatt-Gemeinsamkeiten Beides sind Strukturen, die durch Wasserstoffbrücken zusammengehalten werden. Sie untescheiden sich eigentlich gar nicht, ausser durch die unterschiedliche Anordnung der AS-Reste. Tertiärstrukturen 1. alle, Grundgerüst 2. Cys 3. saure und basische AS 4. unpolare AS Beim Insulin lässt sich sehr gut die Disulfidbrücke über die Cysteine erkennen. Alg6 Die ersten 10 AS im Alg6 gaagaactatggagaaatggtacttgatgacagtagtg… MetGluLysTrpTyrLeuMetThrValVal Translation: o1201 ttccaaaggattc¦aaatttacactggttagctgtgcgctatcattctttttattttcttt AS#325¦LysPheThrLeuValSerCysAlaLeuSerPhePheLeuPheSer p1201 ttccaaaggattc¦aaatttacactggttagctgtgtgctatcattctttttattttcttt AS#325¦LysPheThrLeuValSerCysValLeuSerPhePheLeuPheSer Aminosäure #333 wurde von Ala nach Val verändert: Ala333Val 1 61 121 181 241 301 361 421 481 mekwylmtvv sdnnlqywgl lliyipavvl iscdcdllgs sfvlcwlpff sfcftflsll eipfmstwfl fsisvrkylp nflfflvyfn vligltvrwt dyppltayhs yccclkeist lafclainyk tereqtlqvl paciklilqp lvstfsmlpl cftflsriiq iiimwdsksg vslnsysgag llcayvakfi kkkianalci qmelyhalpf rrlfpvdrgl sskgfkftlv llkdellmps ylflisvitm rnqkkis kppmfgdyea npdwialhts llypglilid fcfllgkcfk fedkvaniwc scalsfflfs vvttmaffia vlltlmtvtl qrhwqeitfn rgyesqahkl yghfqynsvs kglkgkgfvl sfnvflkikd fqvheksill cvtsfsifek dppqklpdlf lpvkqwyfns fmrttvliad lgfalwgvlg lvklacivva ilprhiqlim vslpvclvls tseeelqlks svlvcfvscl Eine Insertion ist eine neu eingefügtes Nukleotid, bei einer Deletion fehlt ein Nukleotid. Hier handelt es sich um eine Mutation (Veränderung) von C T. Erachten Sie die Veränderung des Proteins als schwerwiegend? Die Veränderung von Ala zu Val ist eigentlich nichts Besonderes, denn beide gehören zu den unpolaren AS, Val ist nur etwas grösser als Ala. Es konnte aber an anderen Proteinen gezeigt werden, dass solch ein Austausch Einfluss haben kann auf die Proteinfunktion. Die Nähe dieser AS zu einer über viele ähnliche Proteine konservierten Region, legt nahe, dass die katalytische Domäne beeinflusst wird. Konservierte ähnliche Proteinbereiche werden üblicherweise als wichtig für die Funktion eingestuft. Der Austausch einer einzigen Aminosäure kann, einen grossen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit von Proteinen haben. Die Interpretation liegt nahe, dass auch fehlende oder eingefügte AS einen nicht abzuschätzenden Effekt haben könnten. (Ganz sicher würde der Austausch eines Cysteins, das an einer Disulfidbrücke beteiligt ist, verheerende Folgen haben.) Warum spricht man bei Enzymen wie Alg6 von Schlüssel-Schloss-Prinzip? Scheinbar wird durch den Austausch die Transferleistung nicht völlig abgeschaltet. Möglicherweise wird das katalytische Zentrum etwas „verdreht“, so dass nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip, der zu bindende Zucker nicht mehr optimal zum wachsenden Zuckerbaum positioniert wird (Spekulation). 158