11. September - Galaxisnetwork

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11. September
Die Lüge aus Staatsräson und
ihre verhängnisvollen Konsequenzen
Inhalt
EINLEITUNG UND ÜBERBLICK
Der 1 1 . September oder die „Lüge aus Staatsräson" ................................ 5
Michael Liebig
Operative Planung
Der Ablauf der Ereignisse
Die Schlüsselfragen
Huntington und die „amerikanische OAS"
Die „professionelle" Militärkaste
„Wenn wir nicht hassen, was wir nicht sind..."
Die „professionelle" Militärkaste und die „Krise der Demokratie"
Die verhängnisvolle Lüge
Ein Deutscher tanzt aus der Reihe
Ein prominenter Kampfflieger äußert sich
Unabhängige Untersuchung gefordert
Brisante Enthüllungen aus dem französischen Geheimdienstmilieu
Sie wollen es einfach nicht glauben
Die Folgen der „Lüge aus Staatsräson"
Eine Chronologie der Ereignisse des 1 1 . September................................. 1 8
Aus dem Nachrichtenbrief Reseau Voltaire
Eine „Autopsie" des 1 1 . September ......................................................... 20
Dr. Mahmoud Khalaf
Das „Planungsorgan"
Ausschalten von NORAD
Das „Targetting"
Schock im Weißen Haus
„Ein völliges Mißverhältnis"
Kommentar zu den Ausführungen von Dr. Mahmoud Khalaf................... 23
Ralf Schauerhammer
Israelische Spione in Putsch vom 1 1 . September verwickelt? .................. 26
Roger Moore
„Mutmaßliche israelische Spione in den USA festgehalten"
Weitergehende Ermittlungen
Amdocs und Comverse Infosys
Die Ecstasy-Mafia
Comverse Infosys, Bill Clinton & Monica Lewinsky
Wer schützt den Spionagering?
l. HAUPTSTÜCK
Zbigniew Brzezinski und der 11. September............................................ 30
Lyndon H. LaRouche
Die Untersuchung planen
Eine Reihe grundlegender Fakten
1 . Menschen machen Geschichte, aber...
Entwurf einer Wissenschaft der Strategie
Das historische Umfeld
Aufstieg und Niedergang der amerikanischen Macht
Brzezinski und Hitler
2. Kabale und Strategie
Auch Kissinger wird übel enden
Hitler mußte es erfahren
Die wirtschaftlichen Konsequenzen
3. Heines zweiter Grenadier
Kant, Hannah Arendt und der Faschismus
Die Debatte über die Wahrheit
„Ist das nicht die menschliche Natur?"
III. PERSONENPROFILE
William Yandell Elliott, der geistige Ziehvater der Putschisten .............. 61
Mark Burdman und Stanley Ezrol
Das britische Empire und die Konföderierten Staaten
Lord Lindsay und die „Tafelrunden"
„Das Finstere Zeitalter könnte erneut heraufziehen"
Kissingers Schuldigkeit
Robert Strausz-Hupe und das „Amerikanische Weltimperium"............. 64
Mark Burdman
Isaiah Bowman
Geopolitische Ceschichtsverdrehung
Novis Orbis Terrarum
FPRI und die Putschdrohungen der 60er Jahre
FPRI und die Freunde Ariel Scharons
Kurzprofil: Bernard Lewis...................................................................... 68
Die imperiale Strategie der US-Geopolitiker
Samuel Huntington und Zbigniew Brzezinski........................................ 71
Elisabeth Hellenbroich
Huntingtons „Clash of Civilizations"
Die Ära nach dem Kalten Krieg
Huntingtons Kampf der Kulturen
Zbigniew Brzezinski
Brzezinskis geopolitische Doktrin
„Die einzige Weltmacht"
Die Lehren des römischen Imperiums und der Geopolitik Mackinders
„Eurasisches Schachbrett" und „eurasischer Balkan"
„Protektorat Europa" und die zukünftige Rolle Rußlands
Wie soll der Westen mit Rußland politisch umgehen?
„Leben mit China"
Amerika als Kulturmodell
IV. ORGANISATIONEN UND STIFTUNGEN
American Enterprise Institute (AEI)........................................................ 83
Washington Institute for Near East Policy (WINEP)............................... 85
Smith Richardson Foundation, Inc......................................................... 87
John M. Olin Institute for Strategie Studies ........................................... 88
V. HISTORISCHER HINTERGRUND
H.G. Wells und die britische Geopolitik................................................ 90
Muriel Mirak-Weißbach
Das Ziel der Weltdiktatur
Das angestrebte Atommonopol
Das Sechs-Punkte-Programm
Die tiefere Bedeutung des Fulbright-Memorandums...............................94
Edward Spannaus
Das Fulbright-Memorandum
Eisenhowers Abschiedsrede
Der U-2-Zwischenfall und der Pariser Gipfel
Der Übergang zu Kennedy
Eisenhowers Abschied
Kennedy, der belagerte Präsident
„Operation Northwoods"
„Politische Kriegsführung"
Was wußte Fulbright?
Namenregister..................................................................................... 1 0 5
I. EINLEITUNG UND ÜBERBLICK
Der 11. September 2001 war ein versuchter Militärputsch in den Vereinigten Staaten,
organisiert von einer Clique im amerikanischen Militär, die man am ehesten mit den OASPutschisten in Frankreich Anfang der sechziger Jahre vergleichen kann. Der Putschversuch
hätte beinahe zu einer nuklearen Konfrontation zwischen den USA und Rußland geführt.
Diese unheilvolle Wahrheit wollte die Bush-Administration ihrer Bevölkerung nicht „zumuten"
und verlegte sich daher auf die abstruse Verschwörungstheorie „Es war Osama Bin Laden" —
eine Notlüge mit verheerenden Konsequenzen.
Der 11. September
oder die „Lüge aus Staatsräson"
VON MICHAEL LIEBIG
A
m Abend des 11. September präsentierte Präsident George W. Bush der Welt eine ziemlich
abstruse Verschwörungstheorie: Osama Bin
Laden und das terroristische Al-Qaida-Netzwerk seien
für die Anschläge in New York und Washington verantwortlich.
Man mag Präsident Bush zugute halten, daß er diese
Verschwörungstheorie als „Lüge aus Staatsräson"
betrachtet. Wäre die Wahrheit über das, was am 11.
September geschah, der Öffentlichkeit mitgeteilt worden, so wäre diese wohl als noch ungeheuerlicher empfunden worden als das, was an diesem Tag auf den Fernsehschirmen zu sehen war. Tatsächlich hatte ein Putschversuch stattgefunden, für den Elemente aus dem amerikanischen Militär- und Nachrichtenmilieu verantwortlich sind. Tatsächlich waren Bin Laden und islamistische Terroristengruppen an der Planung der Anschläge
unbeteiligt, bei deren Durchführung könnten Einzelfiguren aus dem islamistischen Milieu als Komparsen
benutzt worden sein, um falsche Fährten zu legen.
Wer da meint, daß in einer modernen Demokratie,
zumal in den Vereinigten Staaten, ein versuchter Staatsstreich unter bewußter Inkaufnahme großer Menschenverluste „unmöglich" sei, der sollte bedenken, daß 1963
Präsident John F. Kennedy und 1968 der Präsidentschaftskandidat Robert Kennedy ermordet wurden. Präsident Ronald Reagan überlebte 1 9 8 1 nur ganz knapp
einen Mordanschlag. Und in Oklahoma City wurde
1995 ein Behördengebäude in die Luft gesprengt, wobei
1 6 8 Personen getötet wurden. Bei all diesen Anschlägen, die jeweils verwirrten „Einzeltätern" in die Schuhe
geschoben wurden, ging es tatsächlich um politische
Weichenstellungen von nationaler bzw. internationaler
Bedeutung.
Um weltpolitische Weichenstellungen ging es auch
bei den Anschlägen am 1 1 . September.
Lyndon LaRouche, der von Anfang an den tatsächlichen Charakter der Ereignisse des 1 1 . September
erkannte, kam zu dieser Erkenntnis nicht mit Hilfe einer
quasi kriminalistischen Methodik. Die verdeckte Planung und Durchführung eines Staatsstreichversuchs in
einem der Öffentlichkeit unzugänglichen Milieu von
Militär- und Geheimdiensten kann man nicht auf dem
Weg der „Amateur-Kriminalistik" enthüllen. Und deshalb können wir hier auch keine Namen, Adressen oder
Dienstränge der für die Untaten des 1 1 . September Verantwortlichen nennen. Aber wir kennen aus der jüngeren Geschichte Beispiele, wie inmitten entwickelter Demokratien Militärcoups organisiert wurden. So sei hier
an die „Organisation d'Armee Secret" (OAS) in Frankreich erinnert. Anfang der 60er Jahre versuchte der
Coup-d'Etat-Apparat der OAS, der innerhalb der französischen Armee, innerhalb der Regierung und innerhalb
der Geheimdienste operierte, die Regierung gewaltsam
zu stürzen und Präsident Charles de Gaulle zu töten.
Operative Planung
Wenn man sich den zeitlichen Ablauf der Ereignisse am
1 1 . September genauer ansieht, muß man feststellen,
daß nach einer genau durchdachten „Choreographie",
d.h. im wörtlichen Sinne „generalstabsmäßig", vorgegangen wurde. Der Zeitrahmen der Planungen, Vorbereitungen und ihrer Verschleierung dürfte rund zwei
Jahre betragen haben. Die Anschläge wurden nach den
Grundsätzen der militärischen Operationsplanung als
integriertes Ganzes konzipiert. Die Interaktion der einzelnen Komponenten der Operation — Zielauswahl,
zeitliche Angriffssequenz, endogene und exogene
Anpassungsmaßnahmen bei Störungen — ist so konzi-
piert, daß die Gesamtwirkung der Operation maximiert
wird.
Die beabsichtigte Gesamtwirkung der Anschläge war
aber nicht die Zerstörung von „Symbolen der Vereinigten Staaten" — die beiden Türme des World Trade Centers in New York sowie des Pentagons und des Weißen
Hauses in Washington. Es ging auch nicht darum, möglichst viele Menschen zu töten, was man auf andere
Weise weit „wirksamer" hätte tun können. Vielmehr
sollte die Zerstörung der Ziele die Voraussetzungen zur
erfolgreichen Durchführung eines Rutsches schaffen —
das war der eigentliche Auftrag.
Nach der offiziellen Version dessen, was am 1 1 . September geschah, hätte der Ablauf der Ereignisse ganz
anders aussehen müssen, als es tatsächlich der Fall war.
Nach den Vorgaben der offiziellen „Cover-Story" —
Zerstörung „amerikanischer Symbole" mit maximaler
personeller und materieller Schadenswirkung — hätten
die Angriffsziele bereits gegen 9 Uhr am Morgen des 1 1 .
September erreicht sein müssen. Die vier „islamischen
Terroristen-Kommandos" hätten versuchen müssen, in
der kürzestmöglichen Frist ihre Zielorte zu erreichen
und ihre Ziele zu zerstören, denn jede Minute Flugzeit
barg unkalkulierbare Gefahren für den Erfolg der Operation: Widerstand von Besatzung und Passagieren,
technische Störungen, Entdeckung durch die Flugüberwachung und Abfangen durch Jagdflugzeuge oder
andere Abwehrmaßnahmen.
Der Ablauf der Ereignisse
Statt dessen betrug der Zeitraum zwischen dem Rammen des Nordturms des World Trade Centers und dem
Einschlag im Pentagon knapp eine Stunde. Wäre Flug
(JA 93 nicht um 1 1 . 0 3 Uhr abgestürzt (bzw. abgeschossen worden) und hätte sein Ziel — das Weiße Haus —
erreicht, dann wären fast zwei Stunden seit dem ersten
Angriff in New York vergangen gewesen. Warum die
merkwürdig in die Länge gezogene Zeitsequenz?
Die 1 7minütige Zeitdifferenz zwischen dem Rammen
des Nord- und Südturms des World Trade Centers ist
recht einfach zu erklären: Einerseits konnte so der personelle Schaden (Rettungskräfte und Schaulustige)
erhöht werden, andererseits — und das ist entscheidend
— war nun eine erhöhte Medienpräsenz vorhanden.
Der zweite Einschlag der „Flugzeugbombe" erzielte
eine massive Wirkung in den Massenmedien, die nun
vor Ort präsent waren und es als Echtzeitereignis weltweit verbreiteten.
Spätestens seit diesem Zeitpunkt wurden im amerikanischen Regierungsapparat Notstandsmaßnahmen eingeleitet. Im Weißen Haus, im Pentagon und anderen
Bundesbehörden fanden Krisensitzungen statt, um die
Lage zu beurteilen und Notmaßnahmen zu ergreifen.
Seltsamerweise wurden die Mittel und Maßnahmen, die
zum Schutz des Luftraums über der Bundeshauptstadt
Washington mit all ihren für die nationale Sicherheit
essentiellen Einrichtungen selbstverständlich vorhanden
waren, nicht aktiviert.
So konnte — mitten in die hektischen Krisensitzungen
der Regierung hinein — um 9.38 Uhr im Pentagon der
Einschlag (auf Baumwipfelhöhe) von Flug AA 77 erfolgen. Zielsetzung dieses Angriffs war offensichtlich die
möglichst weitgehende Zerstörung bzw. Lahmlegung
der personellen und technischen Führungssysteme im
Pentagon. Wie weit dies tatsächlich der Fall war, wissen
wir nicht, aber Verteidigungsminister Donald Rumsfeld
hat erklärt, daß er nach dem Einschlag von AA 77
zunächst versucht habe, bei der Bergung von Opfern im
Pentagon zu helfen. Man kann also davon ausgehen,
daß die Führungssysteme im Pentagon zumindest für
einige Zeit stark beeinträchtigt waren.
Der Angriff auf das Pentagon löste nun eine weitere
Kettenreaktion aus, die der Öffentlichkeit weitgehend
unbekannt ist: Die strategischen Nuklearstreitkräfte der
Vereinigten Staaten wurden in den höchsten Alarmzustand unterhalb des „echten" Angriffsbefehls — „DefCon3" — versetzt. Alle amerikanischen Militäreinrichtungen wurden weltweit in höchste Alarmbereitschaft
versetzt.
Unmittelbar darauf erfolgte die Aktivierung des korrespondierenden Alarmzustandes bei den russischen
Nuklearstreitkräften. Zum ersten Mal seit dem JomKippur-Krieg im Oktober 1 9 7 3 bestand ein Zustand
nuklearer Konfrontation zwischen den beiden großen
Nuklearmächten. Das Alptraum-Szenario einer neuen
„Kubakrise" war Realität geworden — aber unter chaotischen Bedingungen in Washington. Die „roten Telefone" zwischen der russischen und der amerikanischen
politischen und militärischen Führung wurden aktiviert.
Die Russen versuchten zu klären, was in den Vereinigten Staaten vorging und was es mit der Angriffsalarmierung der amerikanischen Nuklearstreitkräfte auf sich
hatte.
Man kann sich vorstellen, welche Anspannung, Erregung und Hektik im Weißen Haus nach dem Angriff auf
das Pentagon herrschte. Präsident George W. Bush hat
mehrfach öffentlich erklärt, daß das Weiße Haus das
vierte Angriffsziel am 1 1 . September gewesen ist. Wäre
der Angriff des vierten Flugzeuges UA 93 nach Plan verlaufen, so wäre das Weiße Haus gegen 10.30 Uhr
getroffen worden — mitten in den verzweifelten Versuch, eine nukleare Konfrontation zwischen Rußland
und den USA wieder unter Kontrolle zu bringen.
Das Führungschaos und die mögliche Ausschaltung
der wichtigsten Berater des Präsidenten im Präsidialamt
und dem Nationalen Sicherheitsrat nach einem Angriff
auf das Weiße Haus und die daraus folgenden Konsequenzen möchte man sich gar nicht vorstellen.
Der Präsident selbst befand sich in Florida, und es gab
glaubwürdige Hinweise, daß auch das Präsidentenflugzeug Air Force One ein Angriffsziel war. Vizepräsident
Cheney, Justizminister Ashcroft, Verteidigungsminister
Rumsfeld und Bushs innenpolitischer Berater Karl Rove
haben alle öffentlich erklärt, daß die Urheber der
Anschläge in einem Telefonanruf gegen 1 0 Uhr morgens
glaubwürdig mitgeteilt hätten, daß ihnen geheime
Sicherheitscodes und -prozeduren für des Weiße Haus
und das Präsidentenflugzeug bekannt wären. Außenmi-
Titelseite von Bild
am 1 2 . September
2001: Warum
Präsident Bush die
meiste Zeit des
1 1 . September Tausende Kilometer
von Washington
entfernt in der Air
Force One und auf
der nuklearstrategischen
Kommandozentrale
Offutt Air Force
Base verbrachte,
verrät die
Bildzeitung nicht.
nister Powell befand sich zu diesem Zeitpunkt in Peru.
Der Generalstabschef Gen. Hugh Shelton befand sich
über dem Atlantik auf dem Flug nach Europa.
Schlimmer noch, nach den morgendlichen Ereignissen
des 1 1 . September und bei zumindest beeinträchtigter
Führungsfähigkeit in Washington war nicht mehr mit
Sicherheit gewährleistet, daß alle Segmente der
Kommandostruktur der amerikanischen Nuklearstreitkräfte unter der Kontrolle des Präsidenten und Oberkommandierenden der US-Streitkräfte waren. Hatten
möglicherweise die verdeckt agierenden Putschisten
dezentrale Segmente der nuklearen Kommandostruktur
unter ihre Kontrolle gebracht? Denn für den Fall der Ausschaltung der regulären Befehlskette gab es alternative,
sogenannte „pre-designated" Kommandostrukturen.
Für wie gefährlich die Lage eingeschätzt wurde,
belegt die Tatsache, daß Präsident Bush am 1 1 . September zu der nuklearstrategischen Kommandozentrale
Offutt Air Force Base im Bundesstaat Nebraska — mehr
als 2000 km von Washington entfernt — fliegen mußte,
um definitiv sicherzustellen, daß alle Segmente der
nuklearen Kommandostruktur unter seiner Kontrolle
standen.
Auf dem Flug nach Offutt telefonierten Präsident Bush
und der russische Präsident Wladimir Putin miteinander, wodurch eine eskalierende amerikanisch-russische
Nuklearkonfrontation verhindert wurde. Die russische
Führung hatte zuvor bereits am gleichen Tag stattfindende Raketenübungen der russischen Streitkräfte abgebrochen. Putin teilte Bush mit, angesichts der Lage in
den Vereinigten Staaten werde er den Alarmzustand seiner Nuklearstreitkräfte wieder herunterfahren. Das hat
Bush später — im Beisein Putins — dreimal öffentlich
bestätigt (siehe auch LaRouches Aufsatz „Brzezinski und
der 1 1 . September"). Am frühen Nachmittag des 1 1 .
September befand sich Präsident Bush im Kommandozentrum der strategischen Nuklearstreitkräfte in Offutt.
Die Kontrolle über die Nuklearstreitkräfte war durch die
persönliche Präsenz des Oberkommandierenden sichergestellt. Man könnte wohl sagen, daß zu diesem Zeitpunkt die Lage in den Vereinigten Staaten wieder von
den Verfassungsorganen — mit dem Präsidenten an der
Spitze — kontrolliert wurde. Die unmittelbaren Ziele
der Putschisten waren durchkreuzt. In einer ersten ausführlichen Videokonferenz besprach sich Präsident
Bush mit seinen engsten Beratern und einigen Kabinettsmitgliedern.
Jetzt kann man vielleicht besser verstehen, daß am
Morgen des 1 1 . September die Umstände und die Ingredienzien vorhanden waren, mit denen ein Putsch von
Elementen aus dem Militär- und Geheimdienstmilieu
Aussicht auf Erfolg hätten haben können. Der Putschversuch hatte keinen unmittelbaren Erfolg, weil der
Angriff auf das Weiße Haus scheiterte und schließlich
das direkte Telefongespräch zwischen den Präsidenten
Bush und Putin die nukleare Konfrontation zwischen
Amerika und Rußland beendete.
Doch leider ist nun kein „Happy End" zu vermelden,
denn mit der „politischen Aufarbeitung" der Ereignisse
dieses Tages begann eine Serie vielleicht verständlicher,
aber verhängnisvoller Fehlentscheidungen. Statt der
Wahrheit wurde dem amerikanischen Volk und der
Welt die „Lüge aus Staatsräson" — „Es war Bin Laden
und AI Qaida" — präsentiert, die ihrerseits in den folgenden Monaten eine strategische Kettenreaktion in
Gang setzte und zunehmend in Richtung eines globalen
„Clash of Civilizations" abdriftete, so wie es im Plan der
Putschisten vorgesehen war.
Die Schlüsselfragen
Nachdem nun die „Choreographie" der Ereignisse des
1 1 . September deutlicher geworden ist, müssen folgende Fragen gestellt werden:
• Wer hat die Fähigkeit, eine hochkomplexe Operation
wie die vom 1 1 . September unerkannt zu planen und
verdeckt durchzuführen?
• Aus welcher ideologischen, mentalen und soziologischen Konstellation heraus können solch ungeheuerliche Taten ausgeheckt und geplant werden — und
zwar von Personengruppen, die dazu objektiv
befähigt sind?
• Welche finanziell-ökonomischen, politischen und
militärstrategischen Faktoren bilden den Hintergrund
und die bewegenden Kräfte, um Ereignisse wie die
am 1 1 . September auszulösen?
• Was war die vorauskalkulierte Wirkung, die mit den
Anschlägen vom 1 1 . September ausgelöst werden
sollte?
Die Beantwortung der ersten und der vierten Frage ist
so einfach wie schwerwiegend. Lyndon LaRouche hat
dies frühzeitig in einem Live-Radiointerview getan, das
parallel mit den Anschlägen stattfand. Und er hat dies
erneut in dem in dieser £/RN/\-Studie veröffentlichten
Aufsatz „Zbigniew Brzezinski und der 1 1 . September"
getan. Die dritte Frage haben wir bereits in dem Aufsatz
Der wirtschaftlich-strategische Rahmen der Anschläge
vom 7 7 . September im Oktober 2001 beantwortet, der
in dem E/RN/4-Bericht Systemkrise überwinden veröffentlicht wurde.
Die zweite Frage ist weit schwieriger, und gerade deshalb haben wir sie ins Zentrum dieser 7£/7?N/\-Studie
gestellt. Wenn Elemente aus dem Milieu von Militär und
Nachrichtendiensten in der Lage waren, die Anschläge
vom 1 1 . September verdeckt zu planen und durchzuführen, wie sieht es dann in den Köpfen dieser Elemente aus? Welche „Weltanschauung" haben sie? Aus welcher Mentalität heraus haben sie die Anschläge ausgeheckt? Wo liegen ihre geistigen Inspirationsquellen und
persönlichen Vorbilder? In welchen soziologischen
Konstellationen agieren sie?
Huntington und die „amerikanische OAS"
Bei dem Versuch, diese Fragen zu beantworten, ist es
außerordentlich hilfreich, sich mit der Person und dem
Werk Samuel P. Huntingtons zu beschäftigen, worauf
LaRouche in seinem Beitrag in dieser E//?/V/4-Studie hinweist. Huntington ist nicht nur, was allgemein bekannt
ist, einer der wichtigsten ideologischen Urheber der
Doktrin des „Clash of Civilizations" — also der strategischen Stoßrichtung, die dem Putschversuch vom 1 1 .
September zugrundeliegt.
Huntington ist auch der ideologische „Guru" der
„reaktionär-utopischen" Schule im amerikanischen
Militär und den Nachrichtendiensten. Huntingtons
Buch The Soldier and the State (Der Soldat und der
Staat] ist zu einer Art „Bibel" einer amerikanischen
Militärkaste geworden, die sich als „Staat im Staate" versteht. Huntingtons The Soldier and the State erschien
bereits 1 9 5 7 und hat seither 1 8 Auflagen durchlaufen!
1 9 2 7 in New York geboren, studierte Huntington an
den Universitäten Yale und Chicago politische Wissenschaften. 1 9 5 3 wurde er Assistent Professor of Government an der Universität Harvard. Nach der Veröffentlichung von The Soldier and the State schied er 1 9 5 8
unter ungeklärten Umständen plötzlich aus Harvard
aus. 1 9 6 2 kehrte er als Professor of Government nach
Harvard zurück, wo er bis heute lehrt. Wie Henry Kissinger, Zbigniew Brzezinski und McGeorge Bundy war
Huntington ein Schützling des Harvard-Professors William Yandell Elliott.
Huntingtons The Soldier and the State ist kein akademisches Werk im üblichen Sinne. Huntington hat vielleicht viele Bücher gelesen, Quellen und Akten studiert,
aber primär beruht sein Buch auf Mitteilungen und
offensichtlichen „Instruktionen" in Sinne eines „Auftragswerkes" genau solcher „professionellen", hochrangigen Militärs, die er in Soldier and the State verherrlicht.
Die „professionelle" Militärkaste
„Professionell" ist Huntingtons Lieblingsbegriff in diesem Buch, den er neben Militärs und Nachrichtendienstlern nur noch Bankiers und Juristen zubilligt. Daß
er dies tut, hat tiefgreifende Ursachen, denn Huntington
hält die Teile der amerikanischen Verfassung, die sich
mit Militär- und Sicherheitsfragen befassen, für fehlgeleitet, überholt und überflüssig. Besonders zuwider ist
ihm die in der US-Verfassung niedergelegte Konzeption
des Bürgersoldaten [citizen-soldier], die der allgemeinen Wehrpflicht und der Reservistenarmee zugrundeliegt. Die Vorgaben der US-Verfassung seien ein
„latentes Hindernis für das Entstehen militärischen Professionalismus". Der Bürgersoidat, der Wehrpflichtige
und der Reservist sei zwangsläufig ein „Amateur," der
für die nationale Sicherheit weder geistig noch militär-
technisch tauge. Zur Gewährleistung dieser bedarf es,
so Huntington, einer „professionellen" Militärkaste mit
einer eigenen, von der Gesellschaft abgegrenzten
„Weltanschauung", einem eigenen „professionellen
Ethos". Der „professionelle" Militär wisse und könne,
was die Bürger und Politiker nicht wissen und nicht
können.
Das in sich geschlossene Weltbild des „professionellen" Militärs und die daraus abgeleiteten Handlungsmaximen basieren auf Härte und unbedingtem Gehorsam. Der Mensch ist biologisch und psychisch gewaltbereit, machthungrig und besitzgierig. Das Menschenbild des „professionellen" Militärs ist deshalb
„pessimistisch" und sozialdarwinistisch. Staaten verhalten sich wie die Einzelmenschen, so wie dies Thomas
Hobbes in seinem Leviathan postuliert, weshalb Kriege
unvermeidbar seien. Geschichtlichen Wandel gibt es,
aber es gibt keinen Fortschritt in der Geschichte. Der
Geschichtsverlauf ist zyklisch. Hinzu kommen die
„unveränderlichen Fakten der Geographie" — sprich
Geopolitik — als Denk- und Handlungsfundament der
„professionellen" Militärs.
Für den deutschen Leser ist besonders festzuhalten,
daß Huntington seine Konzeption der „professionellen"
Militärkaste dadurch zu legitimieren versucht, indem er
Scharnhorst, Clausewitz und Moltke als ihre angeblichen Urheber präsentiert. Dabei geht er wohl davon
aus, daß seine englischsprachigen Leser die Schriften
Scharnhorsts nicht kennen und er deshalb die abstruse-
sten Behauptungen aufstellen kann. Absurder kann man
kaum argumentieren, wenn man den Schöpfer der
Armee der „Bürgersoldaten" in Preußen und Deutschland mit ihrem im Sinne der Klassik und des Humanismus hochgebildeten Offizierskorps als geistigen
Urheber einer „professionellen" Militärkaste und einer
Berufsarmee in Anspruch nimmt. Voller Verachtung läßt
sich Huntington über die Bundeswehr und die „Innere
Führung" aus. Letztere bezeichnet er als „Regression" in
„primitivere Formen zivil-militärischer Beziehungen",
die „zwangsläufig" die Bundeswehr verpolitisiert und
„ihre Kampfkraft reduziert". Daß Huntington dem
militärischen Widerstand gegen Hitler vorwirft, die Offiziere des 20. Juli 1944 hätten ihren militärischen „Professionalismus zugunsten der Politik aufgegeben", kann
dann kaum noch verwundern.
„Wenn wir nicht hassen, was wir nicht sind..."
Gleich auf den ersten Seiten von Der Soldat und der
Staat findet sich ein Zitat aus dem Roman Tote Lagune
der von feudalem Großgrundbesitz, Sklaverei und Ras-
von Michael Dibdin: „Es kann keine wahren Freunde
ohne wahre Feinde geben. Wenn wir nicht das hassen,
was wir nicht sind, können wir nicht das lieben, was wir
sind. Dies sind die alten Wahrheiten, die wir nach über
einem Jahrhundert sentimentaler Heuchelei schmerzhaft wiederentdecken. Jene, die sie verneinen, verneinen ihre Familie, ihre Erbschaft, ihre Kultur, ihr
Geburtsrecht, ihr wahres Selbst."
Genau diese Weltanschauung finden wir vier Jahrzehnte später in Huntingtons Traktat Clash of Civilizations, wo es heißt: „Die fundamentalere Trennung der
Menschheit durch Ethnizität, Religionen und Zivilisationen bleibt und verursacht neue Konflikte... Zivilisationen sind die letzten menschlichen Stämme, und der
Zusammenstoß der Zivilisationen ist ein Stammeskonflikt im globalen Maßstab... Die Beziehungen zwischen Gruppen verschiedener Zivilisationen... werden
fast nie eng, normalerweise kühl und oft feindselig
sein."
Huntingtons besondere Zuneigung gilt dem amerikanischen Süden des 1 9 . Jahrhunderts. Dies war der Süden,
Romantizismus", die Nachahmung der „mittelalterlichen
Ritterlichkeit", die Bewunderung für „das englische Ideal des Gentleman", die Beschränkung auf die Landwirtschaft und das „kriegerische Ideal" im Süden.
„In der Zeit vor dem Bürgerkrieg war es allein der
Süden, der dem militärischen Professionalismus bedeutende Unterstützung gab... Die Wurzeln des amerikanischen militärischen Professionalismus gehen auf den
Konservatismus des Südens im 1 9 . Jahrhundert zurück",
schreibt Huntington. Zu dieser Zeit seien beispielsweise
in dem Southern Literary Messenger wegweisende Aufsätze zu militärischen Fragen erschienen. Im Schöße
des Südens seien in der ersten Hälfte des 1 9 . Jahrhunderts die geistigen Grundlagen der amerikanischen
Militärkaste gelegt worden — und sie blieben bis in die
Gegenwart ihr „langfristiges intellektuelles Erbe." Der
amerikanische Bürgerkrieg wird als tragisches Ereignis
dargestellt, aber eine klare Verurteilung des Hochverrats
und der Rebellion der Konföderierten gegen die Verfassung und Staatsordnung der Vereinigten Staaten sucht
man vergebens.
sismus geprägt war. Huntington aber liebt den „feudalen
Die „professionelle" Militärkaste und die „Krise der Demokratie"
„Professionelle" Militärs sind „unpolitisch", die widerspruchslos jeden Befehl ausführen — für Huntington
idealtypisch vom amerikanischen Marine Corps oder
der französischen Fremdenlegion repräsentiert. Aber,
schreibt Huntington, wenn Politik und Gesellschaft
zusehends verweichlichen und degenerieren, dann
kommt der „professionellen" Militärkaste zwangsläufig
die ultimative Verantwortung für den Staat zu. Im Zweiten Weltkrieg, behauptet Huntington, habe der Generalstab in den Vereinigten Staaten nicht nur die Militärpolitik bestimmt, sondern faktisch die gesamte Außenpoli-
tik und weite Teile der Wirtschaftspolitik kontrolliert.
„Die Vereinigten Generalstabschefs unterstehen gegenwärtig keiner irgendwie gearteten zivilen Kontrolle",
zitiert Huntington zustimmend eine Äußerung Admiral
Leahys aus dem jähre 1 9 4 5 .
Während der Präsidentschaft Harry Trumans habe
sich die staatspolitische Dominanz der „professionellen" Militärführung weiter konsolidiert. In der Nachkriegszeit erlangten „militärische Persönlichkeiten und
Institutionen eine Autorität und einen Einfluß, die weit
über das hinausgehen, was militärische Professionelle
auf der amerikanischen Bühne jemals zuvor besessen
hatten". Dazu komme, daß wie nie zuvor ehemalige
Offiziere in die Politik und die Wirtschaft gegangen seien. Aber selbst dann noch habe das Problem darin
bestanden, daß es „bei der amerikanischen Festlegung
politischer Zielsetzungen nicht zuviel militärisches
Denken, sondern zuwenig davon" gegeben habe.
Der „professionelle" Militär haßt den „Idealismus",
der in der „Hobbesschen Welt" lebensuntüchtig macht.
Besondere Abneigung empfindet Huntington gegen
Militärs, die sich einer geistig-politischen Mission verpflichtet fühlen und den kulturellen, wirtschaftlichen
und sozialpolitischen Fortschritt befördern wollen. Seinen tiefsten Widerwillen richtet Huntington gegen
General Douglas MacArthur. Zweifelsohne war MacArthur der überragende Militär des 20. Jahrhundert, niemand hat wie er mit relativ begrenzten Mitteln (und
geringeren Verlusten) so große militärische Erfolge
erzielt. Huntington haßt das „Genialische" bei Militärführern, deren Geist and Handeln weit über das mediokre ideologische Korsett des „professionellen" Militärs
hinausreicht.
Zunächst vielleicht überraschend hat Huntington
zugleich eine tiefe Aversion gegen General Dwight D.
Eisenhower, dem er vorwirft, dem „professionellen
militärischen Ethos" untreu geworden sein. Huntingtons
The Soldier and the State wurde drei Jahre vor Präsident
Eisenhowers düsterer Warnung vor dem „militärisch-industriellen Komplex" in den Vereinigten Staaten veröffentlicht. Aber Huntington und seine
Auftraggeber im Militär und den
Nachrichtendiensten wußten wohl
schon damals, daß Eisenhower sie
sozusagen durchschaut hatte, und er
wußte, welche Gefahr Amerika von
dieser Seite droht.
Huntington beschreibt den Gegensatz zwischen dem Geist der „professionellen" Militärkaste einerseits und
der zivilen, politischen und „liberalistischen" Welt andererseits in den
letzten Seiten von The Soldier and
the State, indem er in einer geradezu
mythischen Vision die amerikanische
Militärakademie West Point mit der
nahegelegenen Kleinstadt Highland
Falls vergleicht:
„Die Gebäude [von Highland Falls]
sind nicht Teil eines Ganzen: sie sind
einfach nur eine bunte Ansammlung
unzusammenhängender
Konstruktionen, die zufällig nebeneinander
stehen, weil ihnen der gemeinsame,
einigende Zweck fehlt. Im militärischen Sperrgebiet
[von West Point] hingegen, auf der anderen Seite des
Südtores, existiert eine andere Welt. Dort herrscht
geordnete Ruhe. Die Teile existieren nicht für sich alleine, sondern akzeptieren ihre Unterordnung unter das
Ganze. Schönheit und Nützlichkeit verschmelzen in
grauem Stein. Hübsche Rasenflächen umgeben kompakte, ordentliche Häuser, die alle mit dem Namen und
Dienstgrad ihrer Bewohner gekennzeichnet sind. Die
Gebäude stehen zu allen übrigen als Teil eines Gesamtplans in fester Beziehung, und ihr Charakter und ihre
Lage symbolisieren ihren Beitrag — Steine und Ziegel
für die höheren Offiziere, Holz für die niedrigeren Ränge. Der Standort ist durchströmt vom Rhythmus und der
Harmonie, die sich ergibt, wenn der kollektive Wille die
individuelle Willkür ersetzt. West Point ist eine Gemeinschaft des strukturierten Zwecks, eine, in der das Verhalten der Menschen durch einen Kodex geregelt ist,
das Produkt von Generationen. Es gibt wenig Raum für
Vermessenheit und Individualismus. Die Einheit der
10
Gemeinschaft führt niemanden dazu, sich für mehr zu
halten, als er ist. Im Befehl findet man Frieden; in der
Disziplin Erfüllung; in der Gemeinschaft Sicherheit.
Den Geist von West Point findet man in der großartigen,
grauen, gotischen Kapelle; er geht vom Hügel aus und
beherrscht die Ebene und erinnert an Henry Adams'
Bemerkungen auf dem Berg St. Michel über die Einheit
des militärischen und des religiösen Geistes. Aber die
Einheit der Kapelle ist noch größer. In ihr verbinden sich
die vier großen Säulen der Gesellschaft: Die Armee, die
Regierung, das College und die Kirche...
West Point verkörpert das militärische Ideal im besten
Sinne; Highland Falls den amerikanischen Geist in seinem gewöhnlichsten. West Point ist eine graue Insel in
einer vielfarbigen See, ein Stückchen Sparta inmitten
von Babylon. Aber kann man bestreiten, daß die
militärischen Werte — Loyalität, Pflichterfüllung,
Zurückhaltung, Hingabe — diejenigen sind, die Amerika heute
am dringendsten braucht? Daß
die disziplinierte Ordnung von
West Point mehr zu bieten hat als
der grelle Individualismus der
Hauptstraßen? Auf den Soldaten,
den Schützern der Ordnung,
lastet eine schwere Verantwortung..."
Zbigniew Brzezinski, der Nationale Sicherheitsberater Jimmy
Carters, Mentor von Clintons
Außenministerin Madeleine Albright und Verkünder des amerikanischen „Neoimperialismus",
holte Huntington in den 70er
Jahren zu Beratungen der Trilateralen Kommission. Hier arbeitete
Huntington an der 1 9 7 5 von der
Trilateralen Kommission veröffentlichten Studie Krise der Demokratie mit. Schon damals
schrieb Huntington, den Vereinigten Staaten drohe ein „Übermaß an Demokratie": „Das
effektive Operieren eines demokratischen politischen
Systems erfordert normalerweise ein gewisses Maß an
Apathie und Nichtbeteiligung von seiten einiger gesellschaftlicher Gruppen und Individuen... Marginale Gruppen der Gesellschaft, wie die Schwarzen, werden jetzt
voll am politisen System beteiligt. Doch es besteht die
Gefahr, das politische System mit Forderungen zu überlasten, die seine Funktionen ausweiten und seine Autorität unterminieren... Wir haben erkannt, daß es möglicherweise wünschenswerte Grenzen des Wirtschaftswachstums gibt. Es gibt möglicherweise auch wünschenswerte Grenzen für die unbegrenzte Ausweitung
der Demokratie."
Huntingtons Sprache ist absichtsvoll verwickelt, aber
die Botschaft ist klar: Angesichts der „Krise der Demokratie" — und man müßte hinzufügen, angesichts der
systemischen Wirtschafts- und Finanzkrise — lastet eine
„schwere Verantwortung" auf der „professionellen"
Militärkaste.
Aus der
Frankfurter
Allgemeinen
Zeitung,
18. Januar
2002.
Interessanterweise hat jüngst in Deutschland auch
Prof. Wilfried von Bredow auf die Gefahr des militärischen „Neoprofessionalismus" in den Vereinigten Staaten aufmerksam gemacht. In einem Aufsatz in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 1 8 . Januar 2002
weist er darauf hin, daß das „neoprofessionelle" Modell
„auf den Politikwissenschaftler Samuel Huntington
zurückgeht]". Von Bredow sieht die Gefahr, daß die
amerikanischen Streitkräfte immer mehr zu einer Art
„Black Box" würden. Die Politik habe den Willen und
die Fähigkeit zur Kontrolle der Streitkräfte zunehmend
verloren und überlasse dem Militär „seinen eigenen
Raum". So „in Ruhe gelassen" wachse die Distanz der
„professionellen" Militärs zur Gesellschaft immer mehr.
Die US-Streitkräfte seien dabei, zu einer „liberal-freien Organisation" zu werden, die mit Verachtung und
Verbitterung auf die degenerierende Zivilgesellschaft
blicke, schreibt von Bredow. Während der militärische
„Professionalismus" behauptet, unpolitisch und unparteilich zu sein, „hat sich der Neoprofessionalismus der
neunziger Jahre deutlich politisiert. Das heißt, es besteht
die für eine Demokratie nicht besonders günstige Aussicht, daß sich in den Streitkräften ein die Werte und
Normen der zivilen Gesellschaft verachtendes Bild von
ihrer eigenen Rolle verfestigt. Hat die soziale Distanz
erst einmal eine gewisse Breite erreicht, wird die Reintegration von Streitkräften in die Gesellschaft immer
schwieriger."
In von Bredows Artikel gibt es keinen Bezug auf die
Ereignisse des 1 1 . September. Aber seine Warnung vor
den Gefahren des militärischen „Neoprofessionalismus"
in den Vereinigten Staaten kommt zum rechten Zeitpunkt. Auf dieses von Huntington propagierte ideologische und soziologische Milieu hat LaRouche verwiesen,
wenn es darum geht, die tatsächlichen Urheber der
Ereignisse des 1 1 . September zu suchen.
Die verhängnisvolle Lüge
Kommen wir zurück zum Nachmittag des 1 1 . September, als Präsident Bush während seines Aufenthaltes in
Offutt per Videokonferenz ausführlich mit Kabinettsmitgliedern und seinen engsten Beratern sprach. Bei dieser
Konferenz muß wohl die Entscheidung gefallen sein,
daß man dem amerikanischen Volk und der Welt die
Wahrheit über das, was an diesem Tag tatsächlich
geschehen war, nicht zumuten könne. Wenn die Wahrheit zu schrecklich oder zu wichtig ist, dann, so hatte es
Winston Churchill formuliert, muß sie von einer „Leibwache aus Lügen" gedeckt und verdeckt werden.
LaRouche hat ein gewisses Verständnis dafür zum Ausdruck gebracht, warum Präsident Bush und seine Berater sich auf die Lüge aus Staatsräson — „Es war Bin
Laden" — festgelegt haben und Bush dies in einer Fernsehansprache am Abend des 1 1 . September sozusagen
offiziell verkündete.
Auch die russische Führung unter Präsident Putin und
andere Regierungen, die über die wirklichen Ereignisse
Bescheid wissen, haben dies — bislang — akzeptiert.
Dennoch beharrt LaRouche darauf, daß die offizielle
„Cover-Story" zum 1 1 . September zu verhängnisvollen
Konsequenzen führen müsse und letztlich mehr und
schwerere Probleme schaffe, als sie angeblich verhindert. LaRouche hat konsequent und gegen massivsten
Widerstand darauf beharrt, daß es zur Wahrheit keine
Alternative gibt und dies in seinem Aufsatz in dieser EIRN/A-Studie ausgeführt.
Auch wenn LaRouche mit dieser Position ziemlich
einsam auf weiter Flur stand (und bis heute steht), so
haben sich doch auf der internationalen Bühne immer
mehr Stimmen erhoben, die die „Bin-Laden-war-es"Verschwörungstheorie in Frage stellen. Man muß hier
hinzufügen, daß diese Verschwörungstheorie in der
nichtöffentlichen Diskussion unter Kennern der Weltpolitik zusehends nicht nur angezweifelt, sondern als
Unsinn betrachtet wird.
Wir wollen im folgenden skizzieren, wie seit dem 1 1 .
September auch öffentlich die offizielle „Cover-Story"
angezweifelt und demontiert worden ist, und dies,
obgleich die amerikanische Regierung und weitgehend
gleichgeschaltete Medien immer neue „endgültige
Beweise" — abstruse Selbstbezichtigungsvideos, angebliche Täter und ihre Helfershelfer sowie dubiose Dokumente — präsentiert haben. Ja, man könnte sagen, daß
je hektischer die „Leibwache von Lügen" in Aktion tritt,
desto deutlicher offenbaren sich Widersprüche und
Ungereimtheiten in der offiziellen Version der Ereignisse des 1 1 . September.
11
Ein Deutscher tanzt aus der Reihe
Rund vier Monate nach dem 1 1 . September und nach
drei Monaten Krieg in Afghanistan wurden auch in
Deutschland in der „Mauer der Desinformation", die
von Regierungen und Medien aufgebaut wurde, um die
tatsächlichen Hintergründe der Anschläge von Washington und New York zu vertuschen, Risse sichtbar. In
einem ganzseitigen Interview mit dem Berliner Tagesspiegel, das am 1 3 . Januar 2002 veröffentlicht wurde,
warf Andreas von Bülow Fragen zum 1 1 . September auf,
die zuvor nur von LaRouche thematisiert worden waren.
Von Bülow gab keine definitiven Antworten, aber er
machte in aller Schärfe klar, daß die offizielle „Es-WarBin-Laden"-Verschwörungstheorie unhaltbar sei.
Der 64jährige von Bülow weiß, wovon er spricht. Er
war Staatssekretär im Verteidigungsministerium (19761980) und Forschungsminister (1980-1982). Er saß 25
Jahre im Bundestag, wo er der Parlamentarischen Kontrollkommission für die Geheimdienste angehörte und
den
„Schalck-Golodkowski-Untersuchungsausschuß"
leitete.
Gleich zu Beginn des Interviews sagte von Bülow, ihn
rege vor allem auf, daß bezüglich des 1 1 . September
„viele Fragen nicht gestellt werden," aber die politische
Öffentlichkeit gezielt in eine Sicht der Ereignisse
gedrängt werde, die er für völlig falsch halte. Zunächst
einmal seien viele Fragen zum 1 1 . September offen:
Warum wurden die 26 amerikanischen Geheimdienste
mit ihren immensen Budgets von den Anschlägen völlig
überrascht? Warum blieben die Abfangjäger der amerikanischen Luftwaffe die entscheidenden 60 Minuten am
Boden? Wie konnte das FBI dann aber eine Liste mit den
angeblichen Selbstmordattentätern nach nur 48 Stunden präsentieren?
„Wenn dieser Atta der entscheidende Mann bei der
Aktion war, so ist es doch seltsam, daß er das Risiko
eingegangen ist, äußerst knapp vorher erst mit einem
anderen Flugzeug nach Boston zu fliegen. Hätte diese
Maschine nur ein paar Minuten Verspätung gehabt,
wäre er nicht im Flugzeug gewesen, das entführt worden ist. Warum sollte ein raffinierter Attentäter das tun?
Man kann bei CNN übrigens nachlesen, daß keiner dieser Namen [der angeblichen islamischen SelbstmordTerroristen] auf der offiziellen Passagierlisten stand. Keiner hat eines der vier Check-in-Verfahren durchlaufen."
Zu all den Fragen und Widersprüchen über den 1 1 .
September erfahre man weder von offizieller Seite noch
über die Medien etwas, monierte von Bülow, statt dessen sei viel Propaganda in Gang gesetzt worden: „Mit
Hilfe der entsetzlichen Massenanschläge sind die westlichen Massendemokratien einer Gehirnwäsche unterzogen worden."
Von Bülow weiter: „Die Planung der Attentate war eine technische wie organisatorische Meisterleistung... Das
ist ohne langjährigen Rückhalt aus den geheimen Apparaten von Staat und Industrie undenkbar." Vor diesem
Hintergrund habe er bezüglich des 1 1 . September große
Schwierigkeiten damit zu glauben, „daß das alles ein
einzelner böser Mann in seiner Höhle ausgeheckt hat".
Wieso wurden in einer ansonsten hochprofessionell
geplanten und durchgeführten Operation von den
angeblichen Attentätern „Spuren wie eine trampelnde
Elefantenherde hinterlassen?", fragt von Bülow. Die
Spurenlegung „wie bei einer Schnitzeljagd" verfolge
einen offensichtlichen Zweck: Den Islam als Feindbild
aufzubauen. An die Stelle des früheren Feindbildes
Kommunismus seien die „Selbstmordattentäter des
Islam" gesetzt worden.
Die Idee mit dem neuen Feindbild Islam komme „von
Zbigniew Brzezinski und Samuel Huntington, zwei
Vordenkern amerikanischer Geheimdienst- und Außenpolitik", sagte von Bülow. „Schon Mitte der neunziger
Jahre meinte Huntington, die Menschen in Europa und
den USA brauchten jemanden, den sie hassen könnten
— das stärke die Identifikation mit der eigenen Gesellschaft. Und Brzezinski, der verrückte Hund, warb schon
als Berater von Präsident jimmy Carter für das alleinige
Zugriffsrecht der USA auf alle Rohstoffe der Welt, vor
allem Öl und Gas."
Auf den Einwurf, er klinge ja wie ein „Verschwörungstheoretiker", antwortete von Bülow: „Ja, ja. Das ist der
Spott derer, die gerne der amtlich verlautbarten Linie
folgen." Wenn man ihm Antiamerikanismus unterstelle,
so sage er: „Ich bin ein großer Verehrer dieser großen,
freien Gesellschaft und war das schon immer. Ich habe
in den USA studiert."
Von Bülow sagte, durch seine Arbeit im Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages zum
Komplex Schalck-Golodkowski habe er Anfang der
90er Jahre viel über Arbeitsmethoden von Geheimdiensten dazugelernt. Geheimdienste seien zwar sinnvoll zur Nachrichtenbeschaffung, aber da habe sich ein
großes Problem mit den verdeckten Operationen von
Geheimdiensten in Ost wie West entwickelt, wobei
„abseits jedes Völkerrechtes" Aufstände und terroristische Anschläge inszeniert, Drogen- und Waffenhandel
und Geldwäsche betrieben würden. „Da aber auf keinen Fall herauskommen darf, daß ein Geheimdienst dahintersteckt, werden mit großem Aufwand Spuren verwischt. Ich habe den Eindruck, daß derartige Geheimdienste 90 Prozent ihrer Zeit damit verbringen, falsche
Fährten zu legen. Damit, wenn irgendeiner die Mittäterschaft der Dienste behauptet, die Krankheit des Verschwörungswahns unterstellt werden kann. Die Wahrheit kommt oft erst Jahrzehnte später raus. Der CIA-Chef
Allen Dulles hat mal gesagt: Im Zweifel belüge ich sogar
den Kongreß!"
Ein prominenter Kampfflieger äußert sich
Bereits am 1 5 . September 2001 stellte der ägyptische
Präsident Hosni Mubarak in einem Interview mit CNN
wichtige Fragen zu den Angriffen in New York und Wa-
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shington. Mubarak ist ein ehemaliger Kampfflieger und
machte auf das große fliegerische Können der Selbstmordpiloten aufmerksam, das nicht durch das Fliegen
iner kleiner Sportmaschine oder ein paar Stunden an
einem Flugsimulator für Passagierjets erworben werden
könne.
Das gelte besonders für den Angriff auf das Pentagon,
meinte Mubarak. „Die Leute, die das taten, müssen lange Flugerfahrung in dieser Region gehabt haben. Das
Pentagon ist nicht sehr hoch. Wenn ein Pilot direkt auf
das Pentagon zufliegt, um es zu treffen, muß er in dem
Gebiet oft geflogen sein, um zu wissen, auf welche Hindernisse er treffen könnte, wenn er mit einer großen
Zivilmaschine an bestimmten Orten sehr tief fliegt...
Einige [mutmaßliche Selbstmord-]Piloten haben in Florida trainiert. Viele Leute lernen fliegen und haben
einen Pilotenschein, und das soll nun bedeuten, daß sie
auch zu einer solchen Terroraktion in der Lage wären?
Ich spreche als ehemaliger Pilot, ich kenne diese Dinge
sehr gut, ich habe schwere Maschinen geflogen und
Kampfflugzeuge. Ich weiß sehr gut, daß etwas derartiges
nicht so einfach ist. Deshalb sollten wir jetzt nicht vorschnell Schlüsse ziehen... Erinnern Sie sich an Oklahoma, da hieß es sofort, die Araber seien es gewesen, und
es waren nicht die Araber. Wer weiß?"
Während des September 2001 sprachen Mitarbeiter
von EIRNA mit mehreren Berufspiloten, die darauf hinwiesen, es sei wenig glaubwürdig, daß die Entführer alle
Flugzeugbesatzungen überwältigten, ohne daß auch
nur ein einziger Pilot die vier Ziffern zur verdeckten
Notfallmeldung an die Bundesluftfahrtbehörde (FAA)
eintippen konnte. In ein oder zwei Fällen sei dies denkbar, nicht aber in allen vier Fällen.
Der ehemalige Kommandeur der israelischen Luftwaffe General Ben Eliahu sagte im israelischen Radio, er
glaube, die Piloten seien „Amerikaner und keine Ausländer" gewesen. Dies meinte auch Andrej Kosjakow,
ehemaliger Assistent des Vorsitzenden des Geheimdienst-Unterausschusses des Russischen Obersten
Sowjets ( 1 9 9 1 - 9 3 ) . Am 1 4 . September sagte Kosjakow
gegenüber dem halbamtlichen Online-Dienst strana.ru
in Moskau, daß verschiedene Passagiere der entführten
Maschinen — darunter ein Berufsjournalist — mit ihren
Handys über die Flugzeugentführungen berichteten,
aber „kein einziger beschrieb, wie die Entführer aussehen, ihre Akzente, ihre Aussprache; die Anrufer sahen
keinen Anlaß, sie in irgendeiner Weise zu charakterisieren... Es drängt sich die Schlußfolgerung auf, daß sich
die Entführer äußerlich in keiner Weise von anderen
Passagieren unterschieden... Das stützt die Vermutung,
daß die Entführer ,kaukasisch' [wie Amerikaner oder
Europäer] aussahen."
Der Militärkommentator der israelischen Tageszeitung
Ha'aretz wies darauf hin, daß das Versagen der eingespielten Luftsicherheitsprozeduren mehr als merkwürdig
sei. Alle vier Flugzeuge wichen stark von ihrer
vorgeschriebenen Flugroute ab. Nach den gängigen Vorschriften versucht die FAA, sobald bei
einem Flugzeug eine Kursabweichung bemerkt
wird, den Piloten zu kontaktieren. Dies gilt um
so mehr, wenn auch noch die Transponder
abgeschaltet wurden. Gelingt die Kontaktaufnahme nicht, wird für den Luftraum der betroffenen Region der Notfall aktiviert. Mit genauen
Prozeduren wird festgestellt, ob das Flugzeug
entführt wurde oder außer Kontrolle geraten ist.
Weil der Zeitfaktor entscheidend ist, sind diese
Prozeduren klar definiert und eingeübt, damit
sie schnellstmöglich ausgeführt werden.
Neben der Luftraumüberwachung und Flugleitung durch die FAA wird der amerikanische
Luftraum auch durch das Nordamerikanische
Luftverteidigungskommando (NORAD) kontrolliert. NORAD behauptete, es habe keine Zeit
mehr gehabt zu reagieren — aber das ist
unglaubwürdig. Im Korridor Boston-New YorkWashington und seinem Umfeld gibt es Luftwaffenstützpunkte mit Abfangjägern in Alarmstart-Bereitschaft — vor allem im Umkreis Washingtons. Die Frage der verspäteten Reaktion
von NORAD ist so schwerwiegend, daß sie am
1 3 . September bei einer Senatsanhörung auch
Generalstabschef Myers, der ein Luftwaffengeneral ist, gestellt wurde. Myers antwortete
jedoch nur ausweichend. Das Versagen von
NORAD ist unmöglich auf Verwirrung in einer
unerwarteten Situation zurückzuführen. Es deutet vielmehr viel auf eine gezielte interne SaboDer Spiegel an vorderster Front, wenn es um die Verbreitung
der Cover-Story geht: So wie das FBi möchte, daß der 1 1 . September
tage der Reaktionsprozeduren bei FAA und
von der Welt wahrgenommen wird.
NORAD hin.
13
Unabhängige Untersuchung gefordert
Die Möglichkeit, daß hinter den Anschlägen vom 1 1 .
September eine „inneramerikanische Verschwörung"
steht, wurde in der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift Israel and Palestine ausführlich behandelt, die von dem
israelischen Friedensaktivisten Maxim Ghilan herausgegeben wird. I&P zählte drei mögliche Verschwörungen
als Ursache der Angriffe auf:
1 . Arabische Terroristen, vielleicht mit Unterstützung
eines antiamerikanischen arabischen Staates wie
Irak oder auch Afghanistan.
2. Ein amerikafreundlicher Provokateurstaat wie Israel,
der dadurch Amerika und die ganze Welt in einen
Kreuzzug gegen den Islam ziehen will.
3. Eine inländische amerikanische rechtsgerichtete
Kabale von Militärs und Politikern, die möglicherweise Fanatiker für ihre Zwecke benutzen — ob
weiße „Militias" oder Araber.
Zur dritten Möglichkeit schrieb I&P: „Eine solche hypothetische Gruppe einflußreicher amerikanischer Verschwörer fände sich möglicherweise unter den christlichen Fundamentalisten in den Südstaaten. Ihr protestantischer Flügel ist jetzt ein fester Bestandteil der
Regierung Bush. Ihr Einfluß im Repräsentantenhaus und
Senat ist erheblich. Ihr katholisches fundamentalistisches Gegenstück ist nicht weniger einflußreich in und
um Washington, in CIA, FBI und [der Drogenbekämpfungsbehörde] DEA oder in der Finanzwelt. Auch der
äußerste Rand der reichen und extremen Zionisten, darunter jene jüdischen Geldleute, die Ariel Scharon unterstützen, sollte als verdächtig gelten. Tatsächlich müßte
eine solche Verschwörung, falls sie existiert, beinahe
obligatorisch Verbindungen zur extremsten fanatischen
Minderheit in Israels Armee- und Geheimdienstestablishment haben, die freundschaftliche Beziehungen zu
ihrem christlichen Gegenstück in den USA unterhält."
Es gebe Kreise in den USA, heißt es weiter, die an
einem dramatischen Kurswechsel der Regierung — mit
oder ohne Präsident Bush — interessiert seien: „Eine
relativ kleine Anzahl von Personen im militärisch-industriellen Komplex oder an dessen Rande mußte feststellen, daß sie immer mehr an Einfluß auf die Präsidentschaft verloren. Sie sind auch wütend über Bushs
,Schwäche'. Der neue Krieg gegen den Terrorismus wird
diesen Netzwerken unerwarteten Einfluß und saftige
Budgets bescheren. Die stockende US-Wirtschaft wird
profitieren, die Arbeitslosigkeit sinken." Insbesondere
die Rüstungsindustrie werde ihre Produktion steigern.
Weiter heißt es: „Man wird an die Geheimdienste und
das Pentagon generös Gelder verteilen, rasende ,HauDrauf-Berater' und kriegslüsterne Offizielle wie Paul
Wolfowitz werden an Einfluß gewinnen, ultrakonservative und fundamentalistische Denkfabriken und andere Nebenschauplätze der Rechten werden florieren."
Notwendig sei „eine unabhängige Untersuchung der
Möglichkeit eines inländischen Terrorismus", schrieb
I&P. „Unabhängige und offizielle Ermittler täten gut daran, sich als erstes die Frage zu stellen, welche amerikanischen Piloten an den Flugzeugentführungen beteiligt
gewesen sein könnten. Listen von Golfkriegsveteranen
mit Verbindungen zu den ,Milizen' sollten besonders
unter die Lupe genommen werden." Natürlich beginne
alles mit der klassischen Frage: „Wer profitiert von dem
Verbrechen?" Man solle in Kreisen von Regierung, Politik, Wirtschaft, Bankenwelt und Geheimdiensten nach
Spuren einer möglichen Verschwörung suchen, ebenso
im Umfeld der „Milizen" und arabischer Terroristen.
Auch die „fanatischsten Ultrazionisten" sollten untersucht werden. Am Schluß heißt es: „Niemand darf von
den Ermittlungen ausgenommen werden."
Brisante Enthüllungen aus dem französischen Geheimdienstmilieu
Am 3 1 . Oktober veröffentlichte die französische Zeitung Le Figaro auf der Titelseite einen Artikel, der besagte, daß Osama Bin Laden noch im Juli 2001 im Amerikanischen Krankenhaus in Dubai behandelt und dort
von einem US-Geheimdienstler besucht worden sei. Es
besteht kein Zweifel daran, daß Le Figaro die dem Artikel zugrundeliegenden Informationen von hochrangigen politischen und nachrichtendienstlichen Kreisen in
Frankreich zugespielt wurden.
Diese Enthüllungen sind sicherlich nicht die „letzte
Wahrheit", vor allem angesichts der Tatsache, daß Elemente von AI Qaida oder ähnlichen Gruppen, soweit
sie überhaupt beteiligt waren, nur dekorative Randfiguren des Putschversuchs vom 1 1 . September waren. Das
mindert aber nicht die Bedeutung der Tatsache, daß die
eklatanten Widersprüche der offiziellen „Bin-LadenWar-Es"-Cover-Story aufgezeigt wurden.
Unter der Überschrift Juli 2 0 0 1 : Bin Laden trifft CIA
in Dubai" heißt es im Figaro, Bin Laden sei am 4. Juli
vom pakistanischen Quetta aus in Dubai eingetroffen
und direkt in das Amerikanische Krankenhaus Rebracht
14
worden, begleitet „von seinem Leibarzt und treuen
Gefolgsmann — möglicherweise dem Ägypter Ayman
Zawahiri —, vier Leibwächtern sowie einer algerischen
Krankenschwester". Dort hätten ihn nicht nur Familienangehörige besucht, sondern auch der „örtliche CIAMann". Letzterer wurde am nächsten Tag vom regierungskontrollierten französischen Radiosender Radio
France International als Larry Mitchell identifiziert. Laut
RFI besuchte Mitchell Bin Laden am 1 2 . Juli und flog am
1 5. Juli, einen Tag nach Bin Ladens Abreise, in die USA
zurück. Nicht gerade überraschend dementierte das
CIA-Hauptquartier die Berichte von Le Figaro und RFI
kategorisch, was sie keineswegs weniger glaubwürdig
macht.
Le Figaro berichtete weiter: „ 1 5 Tage später verhaftete der Grenzschutz der Vereinigten Arabischen Emirate
am Flughafen Dubai einen franko-algerischen islamischen Aktivisten namens Dschamel Beghal. Die französischen und amerikanischen Behörden wurden alarmiert. In Dubai verhört, sagte Beghal aus, er sei Ende
2000 von Abu Zoubeida — einer Führungsfigur in Bin
Ladens AI-Qaida-Organisation — nach Afghanistan gerufen worden. Beghals Mission: die amerikanische Botschaft in Paris in die Luft zu sprengen." Unter Berufung
auf arabische Diplomaten und französische Nachrichtendienste heißt es weiter, Frankreich habe sehr präzise
Informationen über terroristische Anschlagspläne an die
CIA weitergegeben.
„Im August wurde in der US-Botschaft in Paris eine
Krisensitzung mit dem [französischen Auslandsgeheimdienst] DSGE und den höchsten Vertretern amerikanischer Geheimdienste einberufen. Äußerst beunruhigt
forderten letztere von ihren französischen Kollegen sehr
präzise Informationen über den algerischen Aktivisten,
ohne jedoch den Zweck ihres fordernden Interesses zu
erklären. Als man fragte: ,Was befürchten Sie in den
kommenden Tagen?', antworteten sie [die US-Geheimdienstler] mit einem unverständlichen Schweigen."
Weit brisanter als die Enthüllungen in Le Figaro und
RFI sind die, die seit September in dem französischen
Nachrichtenbrief Reseau Voltaire veröffentlicht wurden,
denn sie stoßen zum Kern der Ereignisse: Hinter den
Angriffen vom 1 1 . September steht eine „Dissidentenfraktion im amerikanischen Militär". Reseau Voltaire ist
„linksliberal" ausgerichtet und steht vermutlich der in
französischen Regierungskreisen sehr einflußreichen
„Grand-Orient"-Loge nahe. Reseau Voltaire, der zweimal in Monat erscheint, wird häufig von französischen
Geheimdiensten und Polizeibehörden benutzt, um sensitive Informationen „durchsickern" zu lassen.
In seinen September-Ausgaben schrieb Reseau Voltaire: „Am 11.9.2001 zögerte George W. Bush den
ganzen Tag lang, ob er die Ereignisse als militärischen
Putschversuch oder als Angriff ausländischer Terroristen
interpretieren sollte... Es erscheint horrend, daß der Präsident der USA sich vorstellen konnte, amerikanische
Militärs könnten solche mörderischen Angriffe organisiert haben. Aber 1962 mußte Präsident John F. Kennedy sich einer größeren Verschwörung des Generalstabes
stellen, der auf die Rechtfertigung einer Invasion Kubas
abzielte." Bis zum Abend des 1 1 . September „dachte
kein Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats an terroristische Angriffe, alle dachten, es gehe ein ,Militärputsch' vor sich." Weiter heißt es in Reseau Voltaire:
„Zwischen 1 0 Uhr morgens und 20 Uhr abends dachten
die amerikanischen Offiziellen nicht, daß die Angriffe
die Frucht terroristischer Gruppierungen aus dem
Mittleren Osten seien, sondern daß es sich um einen
versuchten Militärputsch amerikanischer Extremisten
handelte, die fähig wären, einen Nuklearkrieg auszulösen."
In seiner Ausgabe vom 27. September veröffentlichte
Reseau Voltaire eine detaillierte Chronologie der Ereignisse am 1 1 . September, die von den Recherchen von
EIRNA weitestgehend bestätigt sind.
Sie wollen es einfach nicht glauben
Einer der wenigen Briten, die von Anfang an öffentlich
Zweifel an der offiziellen Linie zum 1 1 . September
anmeldeten, ist der Nahostexperte Fred Halliday, Professor für Internationale Beziehungen an der London
School of Economics. Am Abend des 1 1 . September
erklärte er gegenüber der BBC, er suche nach einem
inländischen Ursprung der Tat in den USA, ähnlich wie
beim Bombenanschlag von Oklahoma City 1 9 9 5 . Halliday betonte damals, es wäre ein Fehler, sich zu stark auf
die Bin Laden/lslamisten-Spur zu fixieren.
Am 25. November 2001 schrieb Halliday im Londoner Observer, die Welt erlebe nun die „Nachbeben" des
1 1 . September. Trotz des scheinbar reibungslosen Funktionierens der amerikanisch geführten „Koalition gegen
den Terrorismus" sei „in einem latenten, aber bisher
noch nicht dagewesenen Ausmaß die Konsolidierung
einer weltweiten Koalition antiamerikanischer Gefühle"
feststellbar. Dies beziehe sich auf die offizielle Version
der Geschehnisse am 1 1 . September und die daraus
gezogenen Konsequenzen der amerikanischen Regierung — den „Krieg gegen den Terrorismus." Wenn Regierungen „auf den Zug aufspringen, folgt die allgemeine Meinung dem nicht notwendigerweise. Auf der Ebene des Volksempfindens bildet sich ein Gegengewicht
heraus, und das nicht nur in der moslemischen Welt.
Man denke an die Opposition in großen Teilen Lateinamerikas gegen eine Unterstützung der US-Kampagne,
die weitverbreitete Opposition in Ostasien und in dem
normalerweise antimuslimischen Indien."
Am 23. November 2001 erschien in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung ein ganzseitiger Artikel, der sich
darüber beschwerte, daß die „arabische Öffentlichkeit"
sich weigere, die offizielle Erklärung der USA und anderer westlicher Regierungen und Medien zum 1 1 . September zu akzeptieren. Der Verfasser, ein gewisser Amr
Hamzawy von der Freien Universität Berlin, behauptete, die arabischen Medien und die arabische Öffentlichkeit stürzten sich auf „Verschwörungstheorien", um
„vom eigenen Versagen abzulenken". Hamzawy
beschreibt einige wirklich groteske (und nicht auf Arabien beschränkte) Verschwörungstheorien und fährt
dann fort, in der arabischen Welt sei die Annahme weit
verbreitet, „die amerikanischen Geheimdienste hätten
die Anschläge vom 1 1 . September selbst geplant und
verübt, um ihren längst vorbereiteten Generalangriff auf
die arabische und islamische Nation zu rechtfertigen".
Als Beispiel für eine solche „Verschwörungstheorie"
präsentierte Hamzawy das Editorial der halbamtlichen
ägyptischen Zeitung AI Ahram vom 3. November 2001.
Der Verfasser Dr. Mustafa Mahmud schrieb dort: „Allmählich wird die Wahrheit sichtbar. Es waren amerikanische Gruppen, welche die Anschläge vom 1 1 . September geplant und verübt haben. Die Milzbrandfälle in
den Vereinigten Staaten stellen einen weiteren Beleg
dafür dar."
Was der Autor dieses Artikels wohlweislich verschweigt, ist die Tatsache, daß die Analyse Lyndon
LaRouches über den Putschversuch von Elementen aus
dem amerikanischen Militär- und Nachrichtendienstmilieu am 1 1 . September eine massive Resonanz in den
— meist regierungskontrollierten — Medien der arabischen und islamischen Welt gefunden hat. Die Berichte
15
Aus der
Frankfurter
Allgemeinen
Zeitung vom
23. November
2001.
über LaRouches Analyse und Interviews mit ihm in
Radio- und Fernsehsendungen und in den Printmedien
sind so zahlreich, daß man sie unmöglich hier aufzählen kann.
Die Ablehnung der offiziellen „Bin-Laden-war-es"Version ist ein internationales Phänomen, das in dem
Maße zunimmt, wie immer neue „endgültige Beweise"
von der amerikanischen Regierung vorgelegt werden —
seien es immer neue „Bin-Laden-Videos" oder „Dokumente" aus Höhlen oder zerbombten Hütten in Afghanistan. Gleiches gilt für angebliche „terroristische
Planungszentren" in Hamburg, Frankfurt, Kuala Lumpur, Mailand, Paris oder Singapur, von denen die amerikanischen Behörden behaupten, daß dort die Anschläge vom 1 1 . September von „islamistischen Terror-Schläfern" ausgeheckt worden seien.
Gerade in Europa gilt, daß das, was an Lippenbe-
kenntnissen zum 1 1 . September in der Öffentlichkeit
gesagt wird, in eklatantem Gegensatz zu dem steht, was
privat gedacht und gesagt wird. Wer in den letzten
Monaten mit politischen Persönlichkeiten in Westeuropa über den 1 1 . September gesprochen hat, wird immer
wieder und in steigendem Maße feststellen, daß „hinter
vorgehaltener Hand" der Analyse LaRouches zugestimmt wird.
Der frühere italienische Staatsanwalt Ferdinande
Imposimato war auf Terrorismusfälle und ihre Hintergründe spezialisiert, darunter der Fall Moro und das
Attentat auf den Papst. Er weiß also, wovon er spricht,
wenn er sagt, „es wäre absurd, LaRouches Hypothese
einer Beteiligung inneramerikanischer Kräfte an den
Anschlägen des 1 1 . September und die Recherchen von
EIRNA zu ignorieren, denn sie beruht auf Tatsachen."
Die Folgen der „Lüge aus Staatsräson"
Über das, was am 1 1 . September tatsächlich geschah,
die Wahrheit zu sagen, ist auch deshalb eine zwingende Notwendigkeit, weil aus der „Lüge aus Staatsräson",
die Bin Laden und seine Netzwerke bezichtigt, die
Anschläge verübt zu haben, eine Kettenreaktion verheerender weltpolitischer Konsequenzen gefolgt ist. Der
„Krieg gegen den Terror" droht mit jedem Tag mehr
genau zu jenem „Krieg der Zivilisationen" zu degenerieren, den auszulösen das Ziel der Putschisten des 1 1 .
September war. Zugleich droht der „Krieg gegen den
Terror" in ein bitteres Zerwürfnis oder Schlimmeres mit
Rußland und China zu münden; was ebenfalls das Ziel
der Putschisten des 1 1 . September war. Die europäischen Alliierten der Vereinigten Staaten werden zunehmend gezwungen, gegen die amerikanische Regierung
Stellung zu beziehen. Dies um so mehr, seit zu Beginn
des Jahres 2002 die militärische Kampagne gegen die
16
„Weltoberbösewichter" Bin Laden/AI Qaida/Taliban
von den Kriegsdrohungen und -Vorbereitungen gegen
die „Achse des Bösen" — Irak, Iran und Nordkorea —
abgelöst worden ist.
Über die Notwendigkeit des Sturzes des Taliban-Regimes in Afghanistan bestand auch schon vor dem 1 1 .
September ein weitgehender Konsens unter den größeren Mächten der Region — Rußland, Indien, China, Iran
und die zentralasiatischen Länder. Gestützt wurden die
Taliban sowieso nur von Pakistan und Saudi-Arabien —
und mindestens bis 1998 von den USA. Die Art und
Weise, wie die Bush-Regierung dann den Krieg in Afghanistan geführt hat— und dieser Krieg ist noch nicht
vorbei —, hat aber die gesamte Region West-, Zentralund Südasien destabilisiert.
Pakistans innere Stabilität ist gegenwärtig mehr
gefährdet als jemals zuvor in der 54jährigen Geschich-
te seiner staatlichen Existenz. Die Spannungen zwischen Pakistan und Indien sind bis zum Rande eines
Finanz- und Sicherheits-Establishment, für die Samuel
Huntington, Zbigniew Brzezinski oder Paul Wolfowitz
neuen Krieges eskaliert. Die Schaffung langfristig ange-
das Sprachrohr bilden.
legter amerikanischer Militärbasen in Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan kollidieren mit den Sicherheitsinteressen Rußlands, Chinas und des Irans in Zentralasien. Iran, der konsistenteste Gegner des TalibanRegimes, ist — neben dem Irak — ins Zentrum amerikanischer und israelischer Drohgebärden gerückt. Die
offen angedrohten Militäroperationen gegen den Irak
Dabei besteht ein eklatanter Gegensatz zwischen der
sich täglich verschärfenden systemischen Finanz- und
Wirtschaftskrise einerseits und einem tolldreisten,
militärisch-politischen Triumphalismus, der ein unipola-
dürften zu einer Kettenreaktion in den arabischen Staaten führen, der die meisten arabischen Regierungen
zum Opfer fallen dürften.
Am gefährlichsten aber ist die Tatsache, daß das Scharon-Regime in Israel den amerikanischen „Krieg gegen
den Terror" systematisch für eine dramatische Eskalation
seiner Unterdrückungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten ausbeuten kann. Die Bush-Administration verfolgt zunehmend eine Politik des „Ge-
währenlassens" gegenüber dem Scharon-Regime, dessen strategisches Ziel nicht nur die Zerschlagung des
Osloer Abkommens von 1 9 9 3 und der PalästinenserBehörde unter Jassir Arafat ist, sondern die Vertreibung
der Palästinenser und die Schaffung eines „palästinensischen Staates" außerhalb der palästinensischen Gebiete
— beispielsweise in Jordanien.
Präsident George W. Bushs Bericht zur Lage der Nation am 29. Januar markiert einen weiteren unheilvollen
Wandel in der amerikanischen Politik. Der von Bush
proklamierte politisch-militärische Feldzug gegen die
„Achse des Bösen" bedeutet ein weiteres Abdriften in
Richtung auf einen „Krieg der Zivilisationen" — das
strategische Ziel der Fraktion im amerikanischen
res amerikanisches „Weltimperium" in greifbarer Nähe
sieht. Tatsächlich ist das „neue anglo-amerikanische
Imperium", während es vermeintlich zum allseits
gefürchteten Herren der Welt aufsteigt, finanziell-wirtschaftlich und militärisch hoffnungslos überdehnt. Die
Kosten der angedrohten weltweiten Kriege gegen Terroristen, „Achsenmächte" und „Schurkenstaaten" würden
selbst einen massiv erhöhten US-Verteidigungshaushalt
völlig überfordern. Die US-Wirtschaft verfügt längst
nicht mehr über die Reserven an brachliegenden produktiven Kapazitäten und qualifizierten Arbeitskräften,
die für solche weltweiten Kriegsaktionen notwendig
wären. Nicht zuletzt diese innere Schwäche steckt hinter der strategischen „Flucht nach vorne", deren Ausdruck Huntingtons „Clash of Civilizations" ist.
Der Putschversuch am 1 1 . September war von seinen
Urhebern als „Auslöser" für einen Weltkrieg der Zivilisationen gedacht. Der Putschversuch scheiterte
zunächst, aber seine Vertuschung durch die „Lüge aus
Staatsräson" setzte eine Kettenreaktion in Gang, die
doch noch dazu führen könnte, daß die Ziele der Putschisten des 1 1 . September erreicht werden. Deshalb
müssen wir zum Ausgangspunkt der Kausalkette
zurückgehen und die Wahrheit über den 1 1 . September
ans Tageslicht bringen. Dazu soll dieser EIRNA-Bericht
beitragen.
Cheney macht unfreiwillig Enthüllungen über den 1 1 . September.
Am 1 5 . Februar hielt US-Vizepräsident Cheney in Washington (D.C.) eine Rede anläßlich der Eröffnung des
„Maurice R. Greenberg-Zentrums für Geoökonomische Studien" des Council of Foreign Relations (CFR) — so
benannt nach dem Vorstandsvorsitzenden des Versicherungsgiganten American International Group (AIG), gegen
den pikanterweise derzeit wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten ermittelt wird. Bei dieser Gelegenheit stieß
Cheney nicht nur neue Drohungen gegen die „Achse des Bösen" aus, ihm entfuhren auch gewisse Äußerungen
über das, was am 1 1 . September wirklich geschah: ein versuchter Staatsstreich von Elementen innerhalb des USMilitärs und der amerikanischen Geheimdienste.
Cheneys Angst vor den wirklichen Tätern der Anschläge vom 1 1 . September zeigte sich in seiner Antwort auf
eine Frage von Georgie Anne Geyer vom Universal Press Syndicate. Cheney gab zu, daß die amerikanische
Regierung immer noch äußerst besorgt ist über mögliche weitere Anschläge: „Mit der Hauptgrund dafür, daß ich
mich oft an nicht genannten Orten aufhalte, ist offenkundig die Notwendigkeit, ein Beisammensein der führenden Mitglieder der US-Regierung bei einer vorhersehbaren Gelegenheit zu vermeiden... Das oberste Gebot für
uns lautet dabei, die Kontinuität der Regierung und die Nachfolge des Präsidenten zu sichern, und deshalb... bin
ich oft fort und nicht im Weißen Haus, wenn der Präsident dort ist, und umgekehrt."
Anders als bisher, sagte Cheney, „mußten wir nun über eine völlig andere Bedrohung nachdenken, wo wir es
mit Verschwörungen, wohlorganisierten Gruppen zu tun haben, die möglicherweise auch aus dem Ausland
unterstützt werden" — eine Formulierung, die wohl kaum auf AI Qaida oder Osama Bin Laden paßt — „und die
beispielsweise so etwas wie die Anschläge vom 1 1 . September organisieren können."
Dann fuhr Cheney fort: „Und ich persönlich glaube auch — und ich denke, dies tun viele Leute — daß die
Angreifer vom 1 1 . September offensichtlich vorhatten, in Washington viel mehr Schaden anzurichten, als es
ihnen gelungen ist, und daß die Leute, die das Flugzeug in Pennsylvania zum Absturz brachten, sehr viel dazu
beigetragen haben, einen Anschlag abzuwenden, der weit tödlicher gewesen wäre, wenn die Angreifer ihn
hätten zu Ende führen können." Dies ist ein deutlicher Hinweis auf den geplanten Anschlag auf das Weiße Haus,
der ungefähr 45 Minuten nach dem Anschlag auf das Pentagon erfolgen sollte.
17
Leicht gekürzte Version einer Chronologie aus dem geheimdienstnahen französischen OnlineNachrichtenbrief Reseau Voltaire vom 27. September 2001.
Eine Chronologie der Ereignisse
des 1 1 . September
Informationsbemerkung von Reseau Voltaire No. 235236, 27.9.01. Zweimal monatlich erscheinender vertraulicher politischer Nachrichtenbrief.
Die Darstellung beginnt mit dem Start der Flugzeuge auf
verschiedenen Flughäfen, von denen zwei im Abstand
von 18 Minuten die Türme des World Trade Centers
treffen.
9:22 Uhr: Präsident Bush, der gerade eine Grundschule
in Sarasota (Florida) besucht, wird von den Ereignissen unterrichtet. Er spricht am Telefon mit Vizepräsident Dick Cheney, der sich im Weißen Haus aufhält.
9:24 Uhr: Die Flugaufsichtsbehörde (FAA) setzt das
North American Aerospace Defense Command
(NORAD) über die Entführung von Flug Nr. 77 der
American Airlines in Kenntnis. NORAD gibt sofort
Befehl an zwei F - 1 6 von der
Basis in Langley (Virginia),
Sichtkontakt mit Flug 77 herzustellen. Weitere Flugzeuge
werden in die Luft gebracht,
um Washington zu schützen.
9:26 Uhr: Die FAA verbietet alle
Starts von Zivilflugzeugen
im gesamten Staatsgebiet.
9:30 Uhr: Die beiden F-16Jagdflugzeuge steigen auf.
(Anmerkung: Angesichts der
Position der entführten Boeing und der Geschwindigkeit der Flugzeuge werden 1 2 Minuten
vergehen müssen, bevor sie abgefangen werden
kann.)
9:30 Uhr: Präsident Bush verläßt die Veranstaltung. Er
erklärt: „Wir erleben heute eine nationale Tragödie.
Zwei Flugzeuge sind in das World Trade Center
gestürzt, was anscheinend ein Terrorangriff auf unser
Land ist. Ich habe mit dem Vizepräsidenten, dem
Gouverneur von New York und dem Direktor des
FBI gesprochen, und ich habe Befehl gegeben, alle
Bundesbehörden zu mobilisieren, um den Opfern
und ihren Familien zu helfen und um eine umfassende Fahndung einzuleiten, um diejenigen aufzuspüren, die das getan haben."
9:32 Uhr: Die Börse in New York wird geschlossen.
9:38 Uhr: AA-Flug 77 stürzt in das Pentagon (laut Verteidigungsministerium). NORAD nennt als Zeitpunkt
9:37 Uhr.
9:45 Uhr: Die FAA schließt den Luftraum der USA und
weist die 4873 zivilen Flugzeuge in der Luft an,
sofort zu landen.
18
9:45 Uhr: Präsident Bush erteilt den Befehl, jedes verdächtige Flugzeug abzuschießen.
9:47 Uhr: Präsident Bush verläßt Florida an Bord der Air
Force One, um nach Washington zurückzukehren.
Einige Journalisten erhalten die Erlaubnis, mit an
Bord zu gehen.
10:00 Uhr: Der britische Premierminister Tony Blair verläßt rasch einen Gewerkschafts-Kongreß und erklärt:
„Dieser Massenterrorismus ist der neue Dämon der
heutigen Welt. Er geht von Fanatikern aus, denen
menschliches Leben nichts bedeutet, und wir, die
Demokratien der Welt, müssen zusammen kämpfen,
um diesen Dämon vollständig von dieser Welt zu tilgen."
10:00 Uhr: Der Südturm des World Trade Centers bricht
in sich zusammen.
10:03 Uhr: (nach einer
Schätzung von NORAD)
United Airlines Flug 93
stürzt südlich von Pittsburgh ab. NORAD war
über diese Entführung
nicht informiert worden.
10:05 Uhr: Die Attentäter melden sich telefonisch beim Secret Service (dem Personenschutz
des Präsidenten), um
eine Botschaft zu übermitteln, deren Inhalt unbekannt ist. Um ihren Anruf
glaubwürdig zu machen, geben sie die Übertragungs- und Erkennungs-Codes von Air Force One
und dem Weißen Haus an.
Mit der Einschätzung, daß die Sicherheit der Präsidentenmaschine und des Weißen Hauses nicht mehr
gewährleistet ist, ordnet der Secret Service die Räumung des Weißen Hauses an und bringt Scharfschützen und Boden-Luft-Raketen in Stellung. Vizepräsident Cheney und Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice werden in einen unterirdischen Bunker
im Westflügel des Weißen Hauses gebracht. Sie stehen in Telefonkontakt mit Präsident Bush.
Zugleich wird Air Force One zu einem unbekannten
Ziel umgeleitet, tatsächlich zur Militärbasis Barksdale in Louisiana. Die Journalisten werden angewiesen, ihre Mobiltelefone auszuschalten. Die Präsidentenmaschine wird von F-1 5 und F-1 6 Kampfflugzeugen begleitet. Sie fliegt in niedriger Höhe einen ZickZack-Kurs. Das Kapitol wird geräumt. Die Abgeordneten werden mit Hubschraubern zu einem unterirdischen Atombunker gebracht.
1 0 : 1 0 Uhr: Ein Flügel des Pentagon stürzt ein.
1 0 : 1 3 Uhr: Das Hauptquartier der Vereinten Nationen
in New York wird evakuiert.
10:22 Uhr: Evakuierung des State Department, der
Weltbank und des Justizministeriums in Washington.
10:29 Uhr: Der Nordturm des WTC stürzt zusammen.
10:39 Uhr: Die FAA ordnet die Schließung aller Flughäfen an.
10:35 Uhr: Evakuierung aller Bundesgebäude in Washington.
10:46 Uhr: Außenminister Colin Powell, der sich auf
einem offiziellen Besuch in Lateinamerika befindet,
kehrt in die USA zurück.
10:54 Uhr: Israel schließt seine diplomatischen Einrichtungen weltweit.
10:57 Uhr: New Yorks Gouverneur George Pataki ordnet die Schließung aller Bundesgebäude an.
1 1 : 0 2 Uhr: New Yorks Bürgermeister Rudolph Giuliani
fordert die Einwohner auf, ihre Häuser nicht zu verlassen, und evakuiert Lower Manhattan.
12:00 Uhr: Die USA schließen ihre Grenze nach Mexiko.
1 2 : 1 5 Uhr: Noch immer sind 50 zivile Flugzeuge im
Luftraum der USA unterwegs.
13:04 Uhr: In Radio und Fernsehen wird eine Botschaft
Präsident Bushs vom Militärstützpunkt Barksdale
übertragen: „Ich stehe im regelmäßigen Kontakt mit
dem Vizepräsidenten, dem Verteidigungsminister,
dem nationalen Verteidigungsausschuß und meinem
Kabinett. Wir haben geeignete Schritte unternommen, um das amerikanische Volk zu schützen. Unsere Armee ist in höchster Alarmbereitschaft, und wir
ergreifen die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen,
um den Fortbestand und die Funktionsfähigkeit
unserer Regierung zu gewährleisten. Wir standen mit
den Führern des Kongresses und mit Regierungschefs
in der Welt in Verbindung, um ihnen zu versichern,
daß wir alles Notwendige veranlassen werden, um
Amerika und die Amerikaner zu schützen ... Die Entschlossenheit unserer großen Nation wird geprüft.
Lassen Sie sich nicht täuschen. Wir werden der Welt
zeigen, daß wir diese Prüfung bestehen werden."
Entgegen dem Eindruck dieser Erklärung hatte Präsident Bush keinen direkten Kontakt zu Präsident Wladimir Putin, der verzweifelt versuchte, ihn zu erreichen. Bush zweifelt nicht daran, daß die Russen mit
diesem Angriff nichts zu tun haben, und hält es nicht
für nötig, ihnen das zu versichern. Außerdem spricht
Bush in dieser Fernsehrede nicht mehr von Terrorismus.
13:44 Uhr: Verteidigungsminister Rumsfeld befiehlt den
Einsatz der Flotte und den Start von AWACs-Flugzeugen, um New York und Washington zu schützen.
Zwei Flugzeugträger, fünf Kreuzer und zwei Zerstörer werden in Marsch gesetzt.
13:47 Uhr: Präsident Bush fliegt mit der Air Force One
vom Stützpunkt Barksdale nach Offutt (Nebraska).
13:50 Uhr: Dulles Airport wird geschlossen. Der Washingtoner Bürgermeister Anthony Williams ruft im
District of Columbia den Notstand aus.
14:00 Uhr: Kanada schließt seinen Luftraum für internationale Flüge.
15:?? Uhr:/A/r Force One erreicht den Militärstützpunkt
Offutt (Nebraska), den Sitz des U.S. Strategie Command (dem die Atomwaffen unterstehen). Da die Angreifer über die Präsidenten-Codes verfügen, will
George W. Bush nötigenfalls durch seine persönliche
Anwesenheit seine Befehle glaubhaft machen. In
einem unterirdischen Bunker hält Bush eine Videokonferenz mit Dick Cheney und Condoleezza Rice
ab, die im Bunker des Weißen Hauses sitzen, sowie
mit Donald Rumsfeld und dem National Military
Joint Intelligence Center des Pentagon.
16:30 Uhr: Präsident Bush verläßt den Stützpunkt Offutt
an Bord der Air Force One, um zur Saint Andrew
Basis nahe Washington zu fliegen. Die Journalisten
bleiben an Bord.
17:00 Uhr: In London leitet Tony Blair eine Sitzung des
britischen Krisenkabinetts (Kobra-Komitee).
17:20 Uhr: Gebäude 7 des WTC stürzt ein.
17:30 Uhr An Bord von Air Force One informiert Pressesprecher Ari Fleischer die Reporter. Er berichtet
von Bushs Videokonferenz in Offutt und darüber,
daß Bush die Unterstützung der Verbündeten sowie
Rußlands erhalten habe. Er spricht nicht von Terrorismus.
18:50 Uhr Airforce One landet auf der Saint Andrew
Base bei Washington. Bush steigt in einen Helikopter um.
18:54 Uhr: Bush trifft im Weißen Haus ein. Eine Gruppe von Helikoptern der Marines ist unterwegs, um
zu verbergen, in welchem Helikopter Bush sitzt.
20:30 Uhr: Präsident Bush spricht zur Nation: „Heute
wurde unser Lebensstil, unsere Freiheit von einer
Reihe mörderischer und vorsätzlicher Terroranschläge getroffen ... Amerika, unsere Freunde und Verbündeten und alle jene, die Frieden und Sicherheit
in der Welt wünschen, werden zusammenstehen,
um den Krieg gegen den Terror zu gewinnen."
In dieser Rede taucht die Einschätzung „Terrorangriff" wieder auf, welchen Bush mehrmals als
„dämonisch" bezeichnet. Es ist nun nicht mehr eine
Frage, die Verantwortlichen für diesen besonderen
Terrorangriff zur Verantwortung zu ziehen, sondern
einen allgemeinen Krieg gegen den Terrorismus zu
führen. Präsident Bush übernimmt die am Morgen
von Tony Blair gegebene Erklärung als seine eigene.
20:35 Uhr: Präsident Bush trifft sich mit dem Nationalen Sicherheitsrat.
19
Vortrag bei einem Seminar des Zentrums für Asienstudien an der Universität Kairo
am 5. Dezember 2001.
Eine „Autopsie" des 1 1 . September
Dr. Mahmoud Khalaf hielt den folgenden Vortrag mit dem Titel „Wer beging die Angriffe vom 1 1 . September
und warum?" am 5. Dezember 2001 im Rahmen eines Seminars des Zentrums für Asienstudien der Universität
Kairo. Auf dem Treffen, das vom Direktor des Zentrums Prof. Mohammed Selim geleitet wurde, stellte Muriel
Mirak-Weißbach von der EIR-Nachrichtenagentur auch Lyndon LaRouches Analyse des 1 1 . September vor.
Dr. Khalaf ist strategischer Analyst, Generalmajor (a.D.), Fellow der Nasser-Militärakademie, Mitglied des
Londoner Royal College of Defense Studies (RCDS) sowie Ehrenmitglied der Association of the United States
Army in Fort Benning, Georgia. Er hat an Trainingskursen der US-Armee in den USA und in Deutschland
teilgenommen. Die Rede wurde aus dem arabischen Original übertragen.
D
er Vortrag von Frau Mirak, den ich gerade gehört
habe, war sehr anregend, weil er viele Fragen
des Gesamtkomplexes der Entwicklung vom 1 1 .
September bis heute beantwortet hat.
Ich möchte Ihnen nun einen wichtigen Teilaspekt darlegen: den Aspekt der militärstrategischen Analyse. Die
militärstrategische Analyse besteht nicht in Vorhersagen
und Spekulationen, sondern ist ein selbständiger Zweig
innerhalb der strategischen Wissenschaft. Sie hat ganz
und gar ihre eigenen Gesetze, ähnlich post mortemUntersuchungen, wobei man mit einer Autopsie eine
genaue Todesursache feststellen kann. Ich selbst habe
20 Jahre bei Sonderkommandos gearbeitet und ein tiefes Verständnis dieses Gebiets erlangt. Wer diese Operation analysiert, stellt fest, daß sie sehr kompliziert und
schwierig ist, wenn man sie als Ganzes überschaut. Ich
möchte es Ihnen in aller Kürze erklären...
Das „Planungsorgan"
Erstens sind wir mit einer technischen Operation extrem
großen Ausmaßes konfrontiert. Man muß davon ausgehen, daß das Planungsorgan dieser Operation mindestens hundert spezialisierte Techniker umfaßte, die mindestens ein Jahr Planungsarbeit leisten mußten. Jedes
Stadium dieser Operation hatte viele Details, jedes einzelne technische Detail erforderte besondere Maßnahmen, und jedes dieser technischen Details erforderte
Ablenkungs- und Verschleierungsmaßnahmen gegen
die zehn spezialisierten Organe in den USA, die in ihrer
Gesamtheit als intelligence community oder „die Dienste" bekannt sind. Ich will nicht CIA sagen, sondern lieber DIA, was für Defence Intelligence Agency steht. Die
DIA hat hochqualifizierte technische Fähigkeiten — ich
will nicht übertreiben, aber man könnte fast sagen, daß
sie jeden Quadratmeter dieses Planeten rund um die
Uhr audio-visuell überwachen kann. Dann gibt es die
National Security Agency.
Unsere Frage ist: Wie ist es möglich, daß die Dienste,
die einen Exekutivbefehl von Präsident Clinton und später ein OK von Präsident Bush hatten, diese Gruppe [AI
Qaida] ständig zu überwachen, nichts wußten? Wie
sollte diese Gruppe zwei Jahre lang direkt vor ihrer
Nase eine derartige Operation planen? Ich stimme meiner Vorrednerin Frau Mirak zu, daß es eine Unterwanderungsoperation gab. Bisher fiel es mir schwer, das
auszusprechen. Ja, es hat eine Unterwanderung des Sicherheitssystems und der US-Armee gegeben, und ich
werde das erklären.
Wir werden einige Fragen aufwerfen und versuchen,
diese möglichst kurz zu beantworten.
Ausschalten von NORAD
Die erste Frage ist das nordamerikanische Luftraum-Verteidigungssystem NORAD (North American Aerospace
Defense Command). Es ist ein sehr entwickeltes System
und sollte jedes Flugzeug erkennen, sobald es vom
Boden abhebt. Selbst wenn in Rußland die Räder eines
Flugzeugs von einer Startbahn abheben, weiß das dieses
System. Jetzt sind also die [entführten] Maschinen in der
Luft. Dr. Selim hat vorhin gesagt, die Piloten hätten keinen Notruf abgesetzt. Das ist nicht ganz richtig. Ein Pilot
hat die Federa Aviation Administration (FAA, zivile
Flugüberwachung) alarmiert. Er kontaktierte die FAA
20
und informierte sie, daß die Maschine entführt sei, und
dann wurde NORAD informiert. Doch die Sache ist
ungewöhnlich. Die Luftwaffenbasis Andrews [direkt bei
Washington] hat ihr eigenes Abwehrsystem, bestehend
aus zwei Kampfflugzeugen, die innerhalb von 2-3
Minuten in der Luft sein können. Die Staffel in Andrews
hat den Alarm im selben Moment erhalten, aber die
Flugzeuge blieben am Boden. Dieses Thema ist sofort
verschwunden, niemand sprach darüber. Das ist bemerkenswert. Dies beantwortet die Frage, warum Präsident
Bush zehn Stunden lang nicht nach Washington gelan-
gen konnte. Es bedeutet natürlich, daß in dieser Zeit
enorme Sicherheitslücken bestanden. Keiner im Weißen
Haus konnte ihn [Bush] vor 7 Uhr abends erreichen. Es
gab außerordentliche Vorbehalte.
Betrachten wir nun das Navigationssystem, damit Sie
sehen, wie schwierig die Operation war. Jedes kleine
Land hat ein Radarsystem, das Radarstrahlen aussendet,
und wenn das Signal auf ein Flugzeug trifft, wird es zur
Radaranlage zurückgeworfen und erscheint auf dem
Bildschirm. In den USA gibt es Tausende von Flügen.
Das Radarsystem ist „außen". In den USA macht man es
deshalb anders. Bildlich gesagt: Es ist nicht sinnvoll, den
ganzen Berg auszuleuchten, deshalb gibt man jedem
eine Lampe mit, damit er sich zurechtfindet. Jedes Flugzeug hat einen eingebauten Transponder. Dieser funktioniert automatisch und führt andere ins Ziel. Sobald
sich das Flugzeug einem Flughafen nähert, erhält es den
Zeitplan. Der Pilot kennt genau seinen Platz, er folgt
den Anweisungen und landet.
An diesem Punkt gibt es ein Rätsel. Es betrifft das erste
Flugzeug A A 1 1 . Ich wurde auf etwas aufmerksam. Die
Abflugzeit aller vier Maschinen lag im Zeitintervall von
7:58 bis 8:10. Zusammengenommen waren sie 1 3 2
Minuten in der Luft. Das erste Flugzeug startete um 7:59
und traf den Turm des WTC um 8:45. Der Flug dauerte
46 Minuten. Es machte ein Manöver, flog vorwärts,
machte dann eine Kehrtwende und traf in der 46. Minute den Turm. Wir wollen diese 46 Minuten mitrechnen.
Das Alter der angeblichen Entführer dieses Fluges, die
auf der veröffentlichten Liste standen, liegt zwischen 22
und 32 Jahren. Selbst wenn man das Alter von allen
zusammenzählt, wäre das nicht lange genug für das
hierfür nötige Training. Er [der Pilot/Entführer] schaltet
an Bord einer Boeing 767 den Transponder ab und findet ins Ziel, nur durch Satellitennavigation, über 46
Minuten?! Wann übernahm er die Kontrolle über die
Maschine? Wie konnte er alles abschalten und trotzdem
weiterfliegen? Er hat natürlich alles abgeschaltet, Transponder usw., weil er damit rechnete, daß die Luftverteidigung ihn verfolgen würde. Er schaltete es ab und
machte sein Flugmanöver. Diese Entführer müssen viel
über die Luftverteidigung gewußt haben, bis ins Detail,
z.B. daß die US-Luftwaffe und die Lauftraumüberwachung noch nie geübt haben, was man mit entführten
Zivilflugzeugen tut.
Da ist eine zweite Frage. Das hohe Niveau der Operation paßt nicht mit dem Niveau der präsentierten
„Spuren" zusammen. Wenn ein Polizist an den Ort
eines Verbrechens kommt, sucht er gewöhnlich nach
Spuren und Beweismitteln. Der Täter hat eine Fensterscheibe eingeschlagen, etwas gestohlen o.a. Aber bei
dieser Operation paßt die Perfektion, mit der die Flugzeuge geflogen wurden, nicht mit den Spuren zusammen — z.B. daß im Auto ein Handbuch „Wie fliege ich
ein Flugzeug" liegenbleibt.
Das „Targetting"
Eine weitere Frage ist das „targetting", die Zielauswahl.
Das Auswählen der Angriffsziele ist eine Wissenschaft
für sich. Es ist eine sehr komplizierte Angelegenheit.
Theoretisch gibt es natürlich unzählige mögliche
Angriffsziele. Aber die Fähigkeit, Ziele anzugreifen, ist
beschränkt. Manchmal ist nur ein einziger Angriff möglich. Oder man muß feststellen, welches Ziel Priorität
hat und als erstes angegriffen wird, welches als zweites
21
usw. Auch spielt es eine Rolle, ob das
Ziel in der Luft ist, auf dem Meer oder
unter der Erde oder ein Satellit im
Weltraum. Militärisch ausgedrückt:
Die Wahl des Zeitpunkts für den
Angriff auf jedes einzelne Ziel muß
viele Faktoren berücksichtigen. Einer
davon ist die sog. „Zieleskalation" (farget escalation). Die Aufgabe der Zielauswahl muß also von jemandem ausgeführt werden, der ein hochrangiger
militärischer Experte ist. Dieser Experte würde sich fragen: „Was greife ich
an? Womit? Und wann?"
An der zeitlichen Abfolge der
Anschläge ist etwas sehr ungewöhnlich. Bei der Analyse der Flüge A A 1 1
und UA1 75 stellen wir fest: Das erste
Flugzeug traf den ersten WTC-Turm
nach 46 Minuten. Das zweite Flugzeug traf den zweiten Turm nach 67
Minuten, 20 Minuten später. Warum?
Warum hat es 20 Minuten gewartet? Es
gibt eine wissenschaftliche Antwort.
Das eine ist das Konzept der Schadensverstärkung (escalation of strikes).
Das heißt, jemand beobachtet und registriert: Wo traf
der erste Schlag, und wo soll der zweite treffen. Das
andere ist die zeitliche Verzögerung. Nach dem ersten
Schlag warten sie einige Zeit, bis eilig die Rettungsmannschaften herankommen, und wenn alle Sanitäter
und Feuerwehrleute mit ihrer Ausrüstung da sind, schlagen die Angreifer zum zweitenmal zu. So ist es an diesem Tag in New York gewesen. Die Feuerwehren und
Rettungsmannschaften gingen in das WTC, dann stürzten die Türme ein, die Rettungskapazitäten waren verloren, und damit stieg die Zahl der Opfer.
Beim dritten Ziel [dem Pentagon] ist sehr interessant,
daß Flug AA77 um 8:10 Uhr vom Flughafen Dulles bei
Washington abhob, aber erst um 9:43 einschlug. Der
Flughafen Dulles ist höchstens zehn Flugminuten vom
Pentagon entfernt. Statt dessen flogen sie aber erst nach
Westen und drehten dann um. Warum wählten sie als
Zeitpunkt 9:43 Uhr? Warum die Verzögerung? Und
warum erst 45 Minuten nach dem zweiten Schlag?
Weil sich bis dann besonders fähige Kommandeure
dort versammelt hätten. Deshalb wurde der Hubschrauber-Landepiatz des Pentagon angegriffen. Sie stellten
sich vor, daß es eine solche Versammlung der Kommandeure zur militärischen Lagebeurteilung geben
würde. Sie wollten den Landeplatz treffen. Wer bei die-
sem Treffen anwesend sein würde, ist eine andere Frage. Es war eine taktische Maßnahme, die durchgeführt
wurde. Sie gingen davon aus, daß [Verteidigungsminister] Rumsfeld und seine Gruppe sich eilig versammeln
würden und ein Hubschrauber am Pentagon ankäme,
deswegen sollte genau zu diesem Zeitpunkt der Hubschrauber-Landeplatz getroffen werden. Sie griffen nicht
sofort nach dem Start des Flugzeugs an. Das Ziel war
sehr sorgfältig studiert. Tatsächlich ist ja auch das Flugzeug auf den Hubschauberlandeplatz gestürzt. Es war
zeitlich genau abgestimmt...
Dann war der nächste Schlag geplant, dabei ging es
um das vierte Flugzeug (Flug UA93). Es stürzte um
1 0 : 1 0 Uhr bei Pittsburgh ab. Es flog erst den ganzen
Weg nach Cleveland und drehte dann um. So zu fliegen, ist nicht einfach. Sie schalteten alle Navigationsinstrumente aus und flogen nur mit der Satellitennavigation weiter. Dabei flogen sie diese lange Zeit und drehten
dann um. Es war geplant, daß das Flugzeug um 10:30
das Weiße Haus treffen sollte. Es flog um 8:01 ab. Zweieinhalb Stunden — warum diese Verzögerung? Weil der
Präsident noch nicht im Weißen Haus war und sie
abwarten mußten, bis er und seine Berater dort eintreffen würden. Welcher Flugzeugentführer würde so denken? Es war geplant, um 10:30 zuzuschlagen.
Schock im Weißen Haus
Betrachten wir nun von dieser Perspektive ausgehend
die Lage im Weißen Haus. Natürlich weiß die Führung
in Amerika alle diese Dinge sehr, sehr genau. Sie haben
sehr wohl verstanden, was da ablief. Die Folge war ein
großer Schock... Wo war Präsident Bush an diesem Tag?
Er verließ Florida und flog zur Luftwaffenbasis Barksdale in Louisiana, er versetzte um 1 3:04 die US-Streitkräf-
22
te weltweit in Alarmzustand, dann flog er zur Luftwaffenbasis Offutt in Nebraska. Es dauerte sehr lange, bis
der Präsident, von drei Kampfjets eskortiert, wieder
nach Washington zurückkehrte und am Weißen Haus
eintraf (um 18:54) und um 20:30 seine Ansprache an
die Nation hielt. Warum blieb der Präsident all diese
Zeit Washington fern?
Es gab offensichtlich im System viel Konfusion, und
die Kampfflugzeuge kamen von der Basis in Langley,
etwa 250 km südlich von Washington. In dem Stadium,
als diese Flugzeuge bereit und in der Luft waren und
nach Washington kamen, war natürlich alles schon
vorüber und vorbei.
Das sind die Details, die ich zu diesem rätselhaften
Element nennen wollte.
„Ein völliges Mißverhältnis"
Nun kommt die große Frage nach der Vorbereitung und
Ausbildung der Personen, die einen solchen Plan abverfolgen und ausführen können. Wann wurden sie ausgewählt? Wann wurden sie trainiert? Wann haben sie ihre
Beobachtungen gemacht, ihre Informationen gesammelt
und ihre Probeläufe durchgeführt?
Was die Geheimdienste betrifft— Ich glaube, die USDienste, die derzeit jährlich etwa 1 5 0 Milliarden Dollar
kosten, könnten die entsprechenden Informationen
sammeln, sie haben „kritische Kommunikation" und
Spezialsatelliten. Jedes „kritische Ereignis" auf der Welt,
ob in Tokio oder Kairo, erreicht innerhalb von Minuten
mit allen Details den amerikanischen Präsidenten.
Es stellt sich hier die Frage: Es besteht ein völliges
Mißverhältnis zwischen der Perfektion dieser Operation
und den Fähigkeiten Bin Ladens und seiner Anhänger...
Wenn Präsident Bush eine Stunde nach seiner Ankunft
im Weißen Haus in seiner Rede um 20:30 Uhr sagen
konnte: „Es war Bin Laden!" und dem Militär den Einmarsch in Afghanistan befiehlt, dann war vorher schon
klar, daß dies bedeutet, daß er Bin Laden und seine
Anhänger zu gewaltigen Feinden der USA macht —
obwohl diese Leute ein Nichts sind und auch überhaupt
nichts vom Islam verstehen. Ich sage nicht, daß dahinter ein Plan steht, denn Planung braucht Zeit. Ich sage
aber: Das, was nach dem 1 1 . September geschah, war
vor dem 1 1 . September geplant. Alles war vorher vorbereitet. Die USA sollten unter dem Deckmantel der
Terrorismusbekämpfung allerlei mysteriöse Ziele erreichen.
Man betrachte, welche Menge an Munition jetzt auf
Afghanistan niedergeht. Afghanistan wurde in einen riesigen Übungsplatz verwandelt — man lernt ja schon im
ersten Jahr an der Militärschule, daß Flächenbombardements [im Gebirge] zu keinem Ergebnis führen, besonders wenn am Boden keine militärische Infrastruktur
vorhanden ist. Afghanistan ist eine Bergregion. Dieses
Bombardement ist unverständlich und völlig unklar.
Was geschieht da eigentlich, nach drei Monaten Einsatz
der schrecklichen US-Kriegsmaschinerie in Afghanistan,
gegen wen? Mögliche Antworten sind, daß neue Waffen
wie Neutronenbomben, bunkerbrechende Waffen u.a.
ausprobiert werden...
Am Ende bleibt die offene Frage: Wer hat die strategische Operation gegen die USA am 1 1 . September
geplant und ausgeführt?
Kommentar zu den Ausführungen von
Dr. Mahmoucl Khalaf
VON RALF SCHAUERHAMMER
D
r. Mahmoud Khalaf betrachtet den Anschlag des
1 1 . September vom Standpunkt einer Zielauswahl nach dem Prinzip der „escalation of strikes", d.h. eines militärtaktischen Vorgehens, bei dem
die zeitliche Abfolge der Schläge gegen verschiedene
Ziele so abgestimmt wird, daß die Wirkung der nachfolgenden Schläge durch die bereits erfolgten verstärkt
wird. Er betrachtet also nicht, wie es in den Medien
getan wurde, vier einzelne Flugzeugattacken — wobei
man den Blick fast ausschließlich auf das World Trade
Center (WTC) lenkte und den wesentlichen Angriff auf
das Pentagon fast aus den Augen verlor —, sondern
sieht primär die Gesamtheit aller vier Flüge A A 1 1 , UA
1 7 5 , AA77 und UA93, weiche er als einem einheitlichen taktischen Konzept untergeordnet betrachtet.
Um den konzeptionellen Unterschied deutlich hervortreten zu lassen, betrachten wir nun, wie die Attacke
in beiden unterschiedlichen Fällen ausgesehen hätte,
wenn sie völlig erfolgreich im Sinne ihrer Urheber
gewesen wäre. Der erste Fall ist der von den Medien
dargestellte Angriff von vier individuellen Flugzeugen,
von denen jedes für sich alleine versucht, ein vorgegebenes Ziel möglichst schnell und wirkungsvoll zu treffen. Der zweite Fall ist der nach dem Konzept der
„escalation of strikes" geführte Gesamtschlag, wie ihn
Dr. Khalaf beschreibt.
1 . Vier isolierte Schläge
Jedes Team versucht auf möglichst direktem Weg sein
Ziel zu erreichen, damit dieses nicht durch NORAD
oder den Widerstand der Fluggäste verhindert wird. In
der Tat wurde ja im Fall des letzten Flugs UA93 —
glaubt man den offiziellen Erklärungen — von Passagieren verhindert, daß dieser sein Ziel erreichte, während
die Abwehrleistungen von NORAD zum Erstaunen vieler Fachleute gleich Null war.
Die folgende Tabelle stellt dar, was wir entsprechend
dieses Konzepts gesehen hätten — nämlich zuerst einen
Einschlag im Pentagon und kurz darauf die Treffer im
23
WTC und in das Weiße Haus. All das wäre innerhalb
von weniger als einer Stunde abgelaufen.
Tabelle 1
Flug
Take-off Absturz Flugzeit
AA77
08:20
08:35
15
AA11
07:59
08:45
46
(JA 175 08:14
09:02
48
UA93
09:30
48
08:42
Ziel
Zeitdifferenz
Pentagon
WTC (Nordturm)
WTC (Südturm)
Weißes Haus
0
10
55
Tabelle 2
Abflug
Absturz Flugzeit
AA 77
AA 1 1
UA 1 7 5
UA 93
08:01
07:59
07:58
08:01
08
08 :45
08 :46
08 :49
15
46
48
48
Ziel
Zeitdifferenz
Pentagon
WTC (Nordturm)
WTC (Südturm)
Weißes Haus
Tabelle 4
Flug
Take-off Absturz Flugzeit
AA 11
Ziel
27
Noch eindeutiger wird das Bild, wenn wir nicht die
Zeit des tatsächlichen „Take-off" zum Ausgangspunkt
nehmen, welche die Attentäter nicht im voraus wissen
konnten, sondern die planmäßige Abflugzeit der Flüge.
Wir erhalten dann ein Bild, wie es sich für die Planung
von vier isolierten Anschlägen im Kopf der Attentäter
hätte ergeben müssen.
Flug
obwohl sie wegen der beiden ersten Flüge mit einer
höheren Aufmerksamkeit und Alarmierung hätten rechnen müssen. Das Bild wird noch deutlicher, wenn man
davon ausgeht, daß alle vier Flüge ihr Ziel tatsächlich
erreicht hätten. Das ist in Tabelle 4 dargestellt.
0
29
30
33
Der wesentliche Unterschied gegenüber Tabelle 1
entsteht dadurch, daß Flug UA93 zwar rechtzeitig abgefertigt wurde, dann aber 41 Minuten auf der Rollbahn
stand, bevor die Maschine abheben konnte. Das war
aber nicht vorauszusehen. Planmäßig wären alle vier
Flüge innerhalb von vier Minuten (zwischen 7:58 und
8:01) gestartet. Das hätte, wenn jedes sein Ziel möglichst schnell erreicht hätte, dazu geführt, daß zuerst das
Pentagon getroffen worden wäre und genau eine halbe
Stunde danach praktisch gleichzeitig beide Türme des
WTC und das Weiße Haus.
2. Ein einziger Angriff mit verstärkender
Wirkung der Schläge
Was wir in Wirklichkeit erlebten, war von ganz anderer
Natur als das, was bei Optimierung der einzelnen Flüge
zu erwarten war. Das wird deutlich, wenn man die Darstellung der wahren Geschehnisse in Tabelle 3 mit den
Tabellen 1 und 2, also den zu erwartenden Resultaten
bei Optimierung der einzelnen Flüge, vergleicht.
07:59
08:45
46
U A 1 7 5 08:14
09:02
48
AA77
UA93
08:20
09:38
78
08:42
10:30
108
Zeitdifferenz
WTC (Nordturm)
WTC (Südturm)
Pentagon
Weißes Haus
0
17
53
105
(hypothetisch)
Während die eingetretenen Ereignisse zum Konzept
von vier isolierten Flügen gar nicht passen oder zumindest viele Fragen offen lassen, passen sie sehr gut zu
dem von Dr. Khalaf dargestellten Konzept des „eskalierten" Angriffs. Dagegen tritt bei der Betrachtung vom
Standpunkt des eskalierten Angriffs eine andere Frage
auf, nämlich die des völligen Versagens von NORAD.
Konnten die Planer des Anschlags damit rechnen? Wie
konnten sie sicher sein, daß die Flüge AA77 und UA93
trotz ihrer erstaunlich langen Flugzeit nicht abgefangen
würden?
3. Einige zusätzliche Beobachtungen
Wenn man die Daten der Flüge A A 1 1 , UA1 75, AA77
und UA93 vom Standpunkt einer koordinierten Attacke
genauer betrachtet, so ergeben sich einige „seltsame
Zufälle", die vom Standpunkt isolierter Flüge nicht plausibel sind.
1 . Beim ersten Flug A A 1 1 wurde der Transponder genau
zu dem Zeitpunkt ausgeschaltet, als der dritte Flug
AA77 von der Landebahn abhob; sieben Minuten
später wich A A 1 1 vom planmäßigen Kurs ab. (Der
zweite Flug UA1 75 war bereits unterwegs).
2. UA1 75 verließ seine planmäßige Route fünf Minuten,
nachdem der erste Flug A A 1 1 im WTC einschlug,
verschwendete aber Zeit, indem er um ganz New
York City herumkreiste.
3. Der Flug AA77 verließ seine geplante Route eine
Minute, bevor UA1 75 ins WTC einschlug.
4. Der Flug UA93 verließ seine geplante Route vier
Minuten nach dem Einschlag von AA77 ins Pentagon.
Sollten das lauter Zufälle sein?
Tabelle 3
Flug
Take-off Absturz Flugzeit
AA 1 1
07 :59
08:45
UA 1 7 5 08 :14
09:02
AA 77
08 :20
09:38
UA 93
08 :42
10:03
46
48
78
81
Ziel
Zeitdifferenz
WTC (Nordturm)
0
WTC (Südturm)
17
Pentagon
53
Weißes Haus
78
(Pittsbungh)
Schon beim ersten Blick fällt auf, daß die beiden letzten Flüge AA77 und UA93 sehr viel länger brauchten,
als zum Erreichen ihres Zieles nötig war — und dies,
24
4. Eine „Leistungsbilanz" von FAA und
NORAD
Laut offiziell zugänglichen Informationen wurden die
folgenden Maßnahmen von der Luftfahrtbehörde FAA
und von der Flugsicherheit NORAD ergriffen.
8:38 Das Boston Air Traffic Center informiert NORAD
über All. (Der Transponder war zu diesem Zeitpunkt bereits seit 1 8 Minuten abgeschaltet.)
8:43 Die FAA informiert NORAD über U A 1 7 5 .
8:44 NORAD alarmiert die Basis in Otis, Massachusetts,
über A A 1 1 . (Die Entfernung dieser Basis von New
York ist 3 1 0 km, d.h. 20 Flugminuten für die
Abfangjäger.)
8:52 Zwei F - 1 5 A heben von Otis ab (d.h. 1 4 Minuten
nach Alarmierung von NORAD).
9 : 1 1 Die beiden F-15A erreichen New York City (26
bzw. 8 Minuten zu spät).
9 : 1 6 Die FAA informiert NORAD über UA93 (der Flug
bleibt noch bis 9:39 auf Kurs).
9:25 Die FAA informiert NORAD über AA77 (dessen
Transponder ist seit 8:56 abgeschaltet, seit 9:02 ist
das Flugzeug nicht mehr auf seinem planmäßigen
Kurs).
9:27 NORAD alarmiert den Luftwaffenstützpunkt
Langley (die Entfernung nach Washington beträgt
250 km, d.h. 1 4 Flugminuten).
9:35 Drei F - 1 6 heben von Langley ab.
Flug N r. A A 1 1
Von:
Boston-Log,an International AP/MA
Nach:
Los Angeles Int. AP/CA
81
Passagiere an Bord:
Crew an Bord:
11
Fluglinie:
American Arlines
Boeing 767-223ER
Flugzeugtyp:
Registriernummer:
N334AA
Konstruktionsnr.:
22332
Alter:
1 4 Jahre, 5 Monate
Abflugzeit:
07:59
Take-off:
07:59
Transponder abgeschaltet: 08:20(= Take-off AA 77)
08:27
Abweichen vom Kurs:
Zeitpunkt des Crashs:
08:45
Oberer Nördlicher
Ort des Crashs:
Turm des World Trade Center
Flug Nr. UA175
Von:
Boston-Logan Int. AP/MA
Nach:
Los Angeles-lnt. AP/CA
Passagiere an Bord:
56
Crew an Bord:
9
Fluglinie:
United Airlines
Typ:
Boeing 767-222
Registriernr.:
N612UA
Konstruktionsnr.:
21873
Alter:
1 8 Jahre, 7 Monate
Abflugzeit:
07:58
Take-off:
08:14
Transponder abgeschaltet:
??:??
Abweichen vom Kurs: 08:50 (Crash A A 1 1 + 5Min.)
Zeitpunkt des Crashs:
09:03
Ort des Crashs:
Mittlerer Südlicher Turm
des World Trade Center
9:40 FAA ordnet die Einstellung aller zivilen Flüge an.
9:49 Die drei F - 1 6 erreichen Washington (für das Pentagon um 1 4 Minuten zu spät).
Die Aktionen sind kaum nachvollziehbar, wenn man
weiß, daß in Europa derartige Alarmstarts normalerweise drei Minuten und maximal fünf Minuten benötigen,
und wenn man bedenkt, daß im militärischen Inventar
der USA über 3000 Überschallflieger vorhanden sind.
Im dem Gebiet, auf dem die Entführungen stattfanden
(d.h. dem Dreieck Massachusetts, Lake Erie, Virginia)
gibt es über 25 Stützpunkte der U.S. Air Force, Air
National Guard und U.S. Navy. Am 1 1 . September
waren aber nur zwei Jets 3 1 0 km von New York City
entfernt und drei Jets 250 km von Washington entfernt
verfügbar.
Flug Nr. AA77
Von:
Washington-Dulles Int.
Los Angeles Int.
58
6
American Airlines
Boeing 757-223
N644AA
24602
1 0 Jahre, 5 Monate
08:10
Take-off:
08:20
08:56
Transponder abgeschaltet:
Abweichen vom Kurs: 09:02 (Crash UA1 75-1 Min.)
Zeitpunkt des Crashs:
09:35
Ort des Crashs:
Pentagon-Gebäude, Washington
Nach:
Passagiere an Bord:
Crew an Bord:
Fluglinie:
Typ:
Registriernr.:
Konstruktionsnr.:
Alter:
Abflugzeit:
Flug Nr. UA93
Von:
New York-Newark Int. New Jersey
Nach:
San Francisco Int. Kalifornien
Passagiere an Bord:
38
Crew an Bord:
7
Fluglinie:
United Airlines
Typ:
Boeing 757-222
Registriernr.:
N591UA
Konstruktionsnr.:
28142
Alter:
3 Jahre, 9 Monate
Abflugzeit:
08:01
Take-off:
08:42
Transponder abgeschaltet:
09:40
Abweichen vom Kurs: 09:39 (Crash AA77+4 Min.)
Zeitpunkt des Crashs:
10:29
Ort des Crashs:
Bei Shanksville nahe Pittsburgh
25
Im Dezember 2001 strahlte der große amerikanische Fernsehsender Fox mehrere Berichte über
die breit angelegten Spionageaktivitäten israelischer Geheimdienste in den USA aus.
Israelische Spionagenetzwerke und
der 1 1 . September
VON ROGER MOORE
L
yndon LaRouche hat in seiner Analyse des Putschversuchs vom 1 1 . September von Anfang an nicht
nur von „verbrecherischen Elementen" im US-Militär und Geheimdienst, sondern auch von einer wahrscheinlichen Beteiligung britischer und israelischer Kreise gesprochen. Ein strategisches Ziel der Angriffe sei gewesen, die amerikanische Regierung in einen Krieg gegen die arabische und islamische Welt hineinzuziehen.
Inzwischen liegt offen zutage, daß der israelische Ministerpräsident Scharon und das israelische Militär systematisch auf diesen Krieg hinarbeiten, der zugleich den
„Zusammenprall der Zivilisationen" auslösen würde.
Vor diesem Hintergrund machte der Fernsehsender
Fox, der zum Imperium des Medienmoguls Rupert Murdoch gehört, hochbrisante Enthüllungen über die Tätigkeit israelischer Geheimdienst-Netzwerke in den USA
im Vorfeld des 1 1 . September. Am 1 1 . Dezember 2001
brachte Fox News einen ausführlicheren Bericht über
diesbezügliche Ermittlungen der US-Behörden, der am
1 2 . und 1 3 . Dezember fortgesetzt wurde.
Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, daß Fox
von amerikanischen Regierungsbehörden diesbezügli-
ches Material „zugespielt" wurde. EIR hatte bereits
zuvor erfahren, daß amerikanische Ermittlungsbehörden
dem Verdacht nachgingen, Scharon habe eigene nachrichtendienstliche Sondereinheiten nach Nordamerika
entsandt, die in die Ereignisse des 1 1 . September verwickelt sein könnten. Das Thema kam auf im Zusammenhang der Diskussion über die Ausweisung von fünf
Israelis, die am 1 1 . September festgenommen worden
waren. Sie hatten sich verdächtig gemacht, als sie vom
Dach eines Hauses in Hoboken (New Jersey) beobachteten, wie das World Trade Center auf der anderen Seite des Hudson in Flammen aufging.
In der New York Times vom 2 1 . November 2001 wurden die Namen der fünf Männer mit Paul Kurtzberg,
Oded Ellner, Omer Gavriel Marmari, Sivan Kurzberg
und Yaron Shmuel angegeben. Kurtzberg habe sich
„prinzipiell geweigert, etwas über seine Rolle in der israelischen Armee oder spätere Tätigkeiten für Personen mit
möglichen Verbindungen zum israelischen Geheimdienst" preiszugeben. Insgesamt wurden mehr als 60 Israelis nach dem 1 1 . September in den USA festgenommen.
,Mutmaßliche israelische Spione in USA festgehalten"
Dies ist der Titel des Beitrages in Fox News am 1 1 .
Dezember, der von dem Reporter Carl Cameron recherchiert wurde. Darin sagt Cameron:
„Etwa 60 Israelis, die nach Angaben von Ermittlern
Teil langfristig angelegter Spionageangriffe gegen die
amerikanische Regierung sind, zählen zu den Hunderten von Ausländern, die seit den Terrorangriffen des 1 1 .
September festgenommen wurden.
Die Israelis, von denen eine Handvoll als aktive israelische Militär- oder Geheimdienstagenten gelten, werden aufgrund von Einreiseverstößen bzw. nach dem
neuen Antiterrorismusgesetz festgehalten. Ermittler sagten, einige von ihnen hätten den Lügendetektortest nicht
bestanden, als sie über mutmaßliche nachrichtendienstliche Aktivitäten gegen die und in den Vereinigten Staaten verhört wurden.
Es gibt keine Hinweise darauf, daß die Israelis in die
Angriffe des 1 1 . September verwickelt sind, aber die
Ermittler vermuten, daß sie im Vorfeld Informationen
über die Angriffe gesammelt und nicht weitergegeben
haben könnten. Ein hochgestellter Ermittler sagte Fox
News, es gebe Querverbindungen', weigerte sich aber
auf Nachfrage strikt, weitere Einzelheiten zu nennen.
,Indizien, die diese Israelis mit dem 9. September in
26
Verbindung bringen, unterliegen der Geheimhaltung.
Ich kann Ihnen über die von uns gesammelten Informationen nichts sagen. Sie sind geheim', sagte die
Quelle."
Fox News berichtete weiter, daß eine kürzlich in
North Carolina entdeckte Gruppe von Israelis eine Wohnung in Kalifornien unterhalten haben soll, um eine
Gruppe von Arabern auszuspionieren, gegen die USBehörden wegen Terrorismusverbindungen ermitteln.
Die israelische Botschaft in Washington dementierte
den Fox-Bericht natürlich und bestritt kategorisch jegliche israelische Spionage gegen die Vereinigten Staaten.
Der Pressesprecher der Botschaft Mark Rogov sagte gegenüber EIR, oft gingen ehemalige israelische Militärangehörige in die USA, um sich dort für eine gewisse Zeit
ein finanzielles Zubrot zu verdienen. Mehr sei an der
Sache nicht dran.
US-Außenminister Powell hingegen rief bei einer
Pressekonferenz am 1 3 . Dezember im State Department
als ersten Fragesteller den £//?-Korrespondenten Bill
Jones auf und antwortete auf dessen Frage nach diesen
israelischen Spionageaktivitäten, er sei sich sehr wohl
bewußt, daß israelische Bürger festgenommen wurden,
und stehe in dieser Angelegenheit mit der israelischen
Regierung in Verbindung. Darüber hinausgehende Informationen seien Sache der amerikanischen Nachrich-
tendienste und der Ermittlungsbehörden, meinte Powell
kurz aber bestimmt.
Weitergehende Ermittlungen
Fox News berichtete weiter, der Sender habe „zahlreiche geheime Dokumente" erhalten, die zeigten, daß seit
Jahren systematisch und im großen Stil gegen die Vereinigten Staaten spioniert werde. „Bis zu 1 4 0 andere Israelis" seien schon vor dem 1 1 . September „im Rahmen
geheimer Ermittlungen" über vermutete israelische
Spionage in den USA festgenommen worden.
„Ermittler aus mehreren Regierungsbehörden gehören
zu einer Arbeitsgruppe, die seit Mitte der 90er Jahre in
diesem Komplex Beweismaterial sammelt. In den
Dokumenten sind Hunderte von Vorkommnissen in
Städten überall im Land aufgeführt, die nach Auffassung
der Ermittler ,sehr wohl als organisierte Nachrichtenbeschaffung' bezeichnet werden könnten.
Teilweise geht es bei den Ermittlungen um Israelis, die
angeblich Kunststudenten von der Universität Jerusalem
oder der Bezalel-Akademie sind. Sie hätten wiederholt
US-Regierungsbeamte angesprochen, um ihnen günstig
Kunstgegenstände zu verkaufen. Die Dokumente besagen, ihre Ziele seien Militärbasen, die Drogenbekämpfungsbehörde DEA, das FBI, Dutzende von Regierungseinrichtungen und sogar geheime Büros und Privathäuser von Geheimdienstmitarbeitern gewesen.
Andere Ermittlungen führten zu Festnahmen mehrerer
Dutzend Israelis, die Verkaufsstände in amerikanischen
Einkaufszentren betrieben, wo sie Spielzeuge wie
,Puzzlecar' und ,Zoomcopter' anboten. Ermittler vermuteten, daß dies nur eine Fassade war. Kurz nachdem die
New York Times und die Washington Post über die Festnahme von Israelis wegen Einwanderungsverstößen im
letzten Monat berichtet hatten, verschwanden die Verkaufsstände."
Reporter Cameron fragt dann nach den Motiven israelischer Spionageversuche in den USA und kommt zu
dem Schluß:
„Eine Untersuchung des Bundesrechnungshofes
[GAO] bezieht sich auf Israel als Land A und schreibt:
,Nach Darstellung einer US-Geheimdienstbehörde
betreibt die Regierung von Land A eine äußerst aggressive Spionage gegen die USA und ihre Verbündeten.' In
einem Bericht des Militärgeheimdienstes [DIA] heißt es,
Israel habe einen unersättlichen Appetit auf Informationen'. ,Die Israelis werden von einem starken Überlebensinstinkt getrieben, der jeden Bereich ihrer Politik
diktiert', heißt es in dem DIA-Bericht. Sie sammeln
aggressiv militärische und industrielle Technologien,
und die USA sind dabei ihr Hauptziel. ,Israel besitzt die
Ressourcen und die technischen Fähigkeiten, um seine
Ziele zu erreichen', heißt es in dem Dokument."
Amdocs und Comverse Infosys
Ein anderer Schwerpunkt der Spionagevorwürfe dreht
sich um zwei israelische Softwareunternehmen, Amdocs und Comverse Infosys, deren Forschungs- und Entwicklungsprojekte von der israelischen Regierung subventioniert wurden. Amdocs betreibt für die meisten
großen Telekomfirmen der Welt die Abrechnungssoftware, die bei jedem Telefonat, Faxschreiben und Internetkommunikation automatisch mitläuft. (Auch die
Deutsche Telekom arbeitet mit Amdocs.) Amdocs hat
Tausende Angestellte weltweit, die für die Wartung der
Software zuständig sind. Die Amdocs-Software verfolgt
bei den Telefongesellschaften jeden Anruf in Echtzeit zu
Rechnungszwecken. Der neue Bericht von Fox News
zitiert US-Regierungsquellen, die erklären, diese Rechnungssoftware lasse sich auch „anzapfen", so daß man
Telefonate und Datenübertragungen insgeheim und illegal abschöpfen könne. Ähnliches berichtete die Washington Times in einem Artikel über israelische Spionageaktivitäten schon am 29. Mai 2000.
Als verdächtig wurden Telekommunikationseinrichtungen im amerikanischen Hauptquartier von Amdocs
in Chesterfield (Missouri) genannt, über die möglicherweise bestimmte Telefonate zeitgleich nach Israel übertragen werden könnten.
Das andere Unternehmen, Comverse Infosys, verkauft an Polizei- und Justizbehörden in aller Welt Soft-
ware, die für das legale Abhören von Telefongesprächen
verdächtiger Personen bei strafrechtlichen Ermittlungen
verwendet wird.
Wie Fox News am 1 4 . Dezember berichtete, gab es
1 9 9 7 zum ersten Mal Ermittlungen gegen die beiden
israelischen Firmen in Los Angeles. Dies geschah im
Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren örtlicher und nationaler Polizeibehörden gegen ein israelisches Verbrechersyndikat, das Rauschgifthandel mit
Ecstasy betrieb, das von Israel und Europa aus nach
New York, Miami und Los Angeles gebracht wurde. Die
Polizei mußte damals feststellen, daß ihre eigenen
Abhöroperationen selbst wiederum abgehört wurden!
Fox News: „Laut geheimen Polizeidokumenten, die an
Fox News gelangten, haben die Gangster die Beeper,
die Handys und sogar häusliche Telefone der Polizei
angezapft. Als Ermittler herauszufinden versuchten,
woher die Informationen kommen konnten, stießen sie
auf Amdocs, eine Aktiengesellschaft aus Israel... Als die
Ermittler ihr eigenes Abhörsystem auf Lecks untersuchten, untersuchten sie potentielle Schwachstellen in den
Computern, die die abgehörten Gespräche anzapfen,
aufzeichnen und archivieren. Ein Hauptlieferant dafür
ist Comverse Infosys, das eng mit der israelischen
Regierung zusammenarbeitet."
27
Die Ecstasy-Mafia
In den Berichten der US-Drogenbekämpfungsbehörde
DEA (Drug Enforcement Administration) heißt es, israelische Verbrechersyndikate, die über russische Auswanderer mit der russischen Mafia verbunden seien, hätten
in den letzten Jahren den „Export" von Ecstasy nach
Nordamerika unter ihre Kontrolle gebracht. Der zuständige DEA-Beamte in Los Angeles, Assistant Special
Agent Michael Braun, erklärte auf einer Rauschgiftkonferenz im Mai 2000, der Ecstasy-Markt sei fest in der
Hand des israelischen Organisierten Verbrechens, welches modernste und sehr teure Kommunikations- und
Verschlüsselungsgeräte sowie hochprofessionelle Me-
thoden der Gegenüberwachung und der Neutralisierung polizeilicher Überwachung einsetze.
Die bisherigen Ermittlungen ergaben, daß diese israelischen Mafiasyndikate auf schon früher existierende
Methoden des Diamantenschmuggels aus Amsterdam
und Antwerpen zurückgreifen, um die Ecstasypillen in
die USA zu bringen. Vier oder fünf der nach dem 1 1 .
September inhaftierten Israelis waren den US-Behörden
aufgefallen, weil sie sich weigerten, ihr Appartement in
der Nähe des New Yorker World Trade Centers zu evakuieren. Es stellte sich heraus, daß diese Wohnung das
Hauptquartier eines Ecstasy-Drogenrings war.
Comverse Infosys, Bill Clinton & Monica Lewinsky
Nach geltendem US-Recht müssen Telekommunikationsfirmen stets eine Computerschnittstelle zu ihren
Kommunikationslinien einrichten, damit die Strafverfolgungsbehörden bei entsprechender richterlicher Genehmigung für laufende Ermittlungen Telefongespräche etc.
abhören können. Das große FBI-Büro in Quantico (Virginia) überwacht die Einhaltung dieses Gesetzes, und
nach Angaben von Fox News hat jemand innerhalb des
FBI dafür gesorgt, daß „jahrelang große Teile dieses
[Abhör-]Geschäfts Comverse zugute kamen". Etliche
Regierungsbeamte haben nach Ausscheiden aus dem
Dienst bei Comverse Infosys Beschäftigung gefunden.
Der Vorstandsvorsitzende von Comverse Government
Systems Corp., ein Tochterunternehmen von Converse
Infosys, das Abhörausrüstungen an Regierungsbehörden
verkauft, war Robert Marsh, ehemaliger General der
US-Luftwaffe.
Ironischerweise wurde dieser General Marsh unter Präsident Bill Clinton Leiter der staatlichen „Kommission
zum Schutz kritischer Infrastruktur", zu deren Aufgaben
es gehörte, Datenkommunikationssysteme vor uner-
wünschtem Anzapfen oder Störungen von außen zu
schützen.
Am 2 1 . Mai 2000 berichtete die Londoner Times unter
Berufung auf amerikanische Regierungsquellen, die israelische Regierung hätte E-Mails und andere Kommunikationen des damaligen Präsidenten Clinton angezapft.
„Die Enthüllungen kommen zu einem sensitiven Zeitpunkt, denn der israelische Ministerpräsident Ehud
Barak soll heute zu Gesprächen mit Clinton über den
Nahost-Friedensprozeß nach Washington fliegen", fügte
die Times damals hinzu. Bei der berüchtigten LewinskyAffäre machte Clinton auch persönlich eine entsprechende Andeutung. Im Bericht des Sonderermittlers Kenneth Starr wird Clinton zitiert, wie er zu Monica Lewinsky sagt, seine Telefongespräche würden von einem
anderen Land abgehört — er sagte nicht, welches. In
dem TVmes-Artikel heißt es, israelische Agenten hätten
ein Unternehmen namens Telrad unterwandert, das vom
größten Telekomkonzern Nordamerikas, Nortel, mit der
Entwicklung und Installierung eines neuen Kommunikationssystems im Weißen Haus beauftragt wurde.
Wer schützt den Spionagering?
Weder Fox News noch EIR sind derzeit in der Lage,
etwas Genaueres über mögliche Verwicklungen der 60
Festgenommenen in den Anschlag vom 1 1 . September
zu sagen. Fox hat lediglich angedeutet, daß die israelischen Agenten eventuell Vorabinformationen über die
Angriffe besaßen, die sie nicht an die US-Regierung
weiterleiteten. Das an sich wäre, sollte es sich als wahr
herausstellen, schon eine Ungeheuerlichkeit. Doch
man sollte eine andere, noch wichtigere Frage stellen:
Welche Stellen und Personen innerhalb der amerikanischen Regierung haben diese israelische Spionagetätigkeit jahrelang geschützt und warum?
Von 1 9 9 3 bis 1 9 9 9 war einer der wichtigsten FBI-Beamten bei Terrorismusermittlungen in der hochgeheimen
„Intelligence Division" des FBI ein gewisser Neu Herman. Er leitete eine Sondergruppe zur Terrorismusbekämpfung (Joint Terror Taskforce) in New York City zum
Zeitpunkt des Bombenanschlags auf das World Trade
Center im Februar 1 9 9 3 . Bis heute kann niemand
erklären, warum das FBI diesen Anschlag nicht verhin-
28
dem konnte, obwohl es in der Gruppe, die später wegen
des Anschlags verhaftet und verurteilt wurde, einen VMann hatte.
Bis 1999 war Herman zum Chef der Terrorismusabwehr in der Intelligence Division aufgestiegen. Doch in
diesem Jahr verließ er das FBI und wurde statt dessen
Leiter der „Fact-Finding Division" der Anti-Defamation
Lague (ADL) in New York. Diese „Informationssammelabteilung" der ADL arbeitet mit israelischen Regierungsstellen zusammen und vergibt „Untersuchungsaufträge" an verschiedene Unternehmen und Privatpersonen. Eine solche Person war Graham Knowles, der Verbindungsmann des V-Manns bei dem Bombenanschlag
von 1 9 9 3 , eine andere Roy Bullock aus San Francisco.
Der ADL-Mann Bullock wurde noch 1 9 9 3 beim deutschen Verfassungsschutz als „Extremismusexperte"
hofiert. Er befand sich gerade zu Gesprächen beim Berliner Landesverfassungsschutz, als sein Büro und Wohnhaus in San Francisco von der Polizei durchsucht wurden. Das FBI ermittelte gegen ihn wegen des Verkaufs
geheimer US-Regierungsunterlagen an ausländische
Geheimdienste.
Angefangen 1986 mit dem berüchtigten Spionagefall
Jonathan Pollard — dem zu lebenslanger Haft verurteilten israelischen Spion — bis jetzt zu den Festnahmen
im Zusammenhang mit dem 1 1 . September, zeigte sich
immer wieder, daß innerhalb der amerikanischen
Regierung ein wirksames Vorgehen gegen die israelische Spionage von hoher Stelle sabotiert wurde, oft
unter Einsatz massiver politischer Erpressung. Daran
zeigt sich, wie nötig es ist, dieser Korruption und Unterwanderung der US-Behörden ein Ende zu machen —
aber auch, wie schwierig es ist. Da Amdocs und Comverse Infosys auch in Europa präsent sind, muß man
außerdem davon ausgehen, daß auch europäische Polizeibehörden und Geheimdienste in durchaus ähnlicher
Weise „abgeschöpft" wurden.
29
l
II.
HAUPTSTÜCK
Lyndon LaRouche, Kandidat für die US-Präsidentschaftswahl 2004 innerhalb der
Demokratischen Partei, erläutert in dem folgenden Papier vom 23. Dezember 2001, dem
Kernstück dieses EIRNA-Berichts, nicht nur seine These eines noch andauernden
Putschversuchs in Washington, sondern auch die Grundgedanken der Militärstrategie und der
Staatskunst, die verstanden werden müssen, um einen „Weltkrieg der Zivilisationen"
zu verhindern und die Vereinigten Staaten auf den Kurs ihrer
freiheitlich-republikanischen Verfassung zurückzubringen.
Zbigniew Brzezinski und der 1 1 . September
VON LYNDON H. LAROUCHE
F
ür den, der willens und fähig ist, zu akzeptieren,
wie Geschichte wirklich funktioniert, lassen die
Umstände der Ereignisse des 1 1 . September nur
einen bündigen Schluß zu: Die entscheidenden Entwicklungen in den USA in dem Zeitraum zwischen
etwa 8.45 Uhr und 1 1 . 0 0 Uhr Ostenküstenzeit waren
der Ausdruck eines versuchten Militärputsches gegen
die amerikanische Regierung unter Präsident George W.
Bush.
Ich kam zu diesem Schluß schon sehr schnell in der
ersten Stunde dieses Zeitraums, als ich gerade ein fast
zweistündiges Live-Radiointerview gab. Meine Äußerungen in dieser Sendung wurden zu einem wichtigen
integralen Bestandteil der Folgeentwicklungen, nicht
nur in den USA, sondern auch in ihrer weiteren Ausstrahlung auf die ganze Welt.1
Für den, der über die
Sache diskutierte, gab
es nur zwei denkbare
Erklärungen dafür, wie
der bekannte Ablauf
der Ereignisse — worüber in diesem Zeitraum
sehr ausführlich berichtet wurde — überhaupt
möglich war:
Die erste, höchst verhängnisvolle Möglichkeit war,
daß die
Sicherheitsvorkehrungen, die früher einmal
gegen solche eventuellen Vorkommnisse eingeführt worden waren, inzwischen praktisch bis zur
Wirkungslosigkeit abgebaut wurden — was schon an
sich eine große Gefahr für die nationale Sicherheit
wäre.
Die zweite, wahrscheinlichere Möglichkeit war, daß
irgendwelche hochrangigen amerikanischen Militärs
diese ständigen Sicherheitsvorkehrungen, die auf jeden
Fall ausgereicht hätten, den Angriff auf das Pentagon
abzuwehren, an den entsprechenden Schalthebeln zum
30
Zbigniew
Brzezinskis
Unten:
Der zerstörte
Teil des Pentagon
in Washington
Stuart Lewis (EIRNSJ/DoD
erheblichen Teil „abgeschaltet" hatten.2
Für jeden mit vergleichbaren
Kenntnissen wie meinen eigenen
Erfahrungen
im Bereich der Raketenabwehrpolitik
mußte der Angriff auf
das Pentagon mit seinen an sich schon
nuklearen Implikationen auf die zweite
Alternative hindeuten. Jeder von uns,
der genug Kenntnisse in diesen Fragen hatte, erkannte
deshalb früher oder später in der Kombination der drei
durchgeführten Angriffe das Produkt einer wissentlichen
Tat von „Insidern". Schließlich erlaubte mein detailliertes Wissen über den Ansturm der strategischen Krise,
innerhalb derer sich die Angriffe abspielten, keinen
anderen Schluß, als daß dies ein versuchter Militärputsch war, dessen globalstrategische Absicht die denkbar unheilvollsten Implikationen hat.
den meisten Massenmedien weltweit rituell verbreitete
Zieht man diese Fakten in Betracht, so ist zu betonen,
daß die Politik, die die USA anschließend betrieben,
Märchen nur noch rechtfertigen, wenn sie besondere,
falsche Motive dafür haben, an einer mehr oder weniger
zwei wesentliche Probleme aufweist.
der gerade vorgegebenen offiziellen Linie entsprechenErstens: Warum haben die führenden Militärs und
den Interpretation festzuhalten.
Geheimdienstleute Präsident Bush offenbar nicht davon
Um die vorliegenden Fakten klar zu verstehen, muß
abgeraten, den früheren Handlanger amerikanischer
der
Leser erkennen, daß es nicht nur ein, sondern drei
„Sonderoperationen" Osama Bin Laden zum Hauptschuldigen in dieser Angelegenheit zu machen?
unterschiedliche Elemente gibt, die im Gefolge der
Die zweite, damit zusammenhängende Frage lautet:
Ereignisse des 1 1 . September untersucht werden müssen.
Warum bleiben viele offizielle Kreise auf der ganzen
Erstens der Putschversuch selbst, den man als intenWelt — obwohl sich die gegenteiligen Beweise seit dem
dierten „Zünder" der Gesamtoperation beschreiben
1 1 . September massiv angehäuft haben — bei der offikönnte. Die schlimmste vorstellbare Folge dieses
ziell abgesegneten Version „Es war Osama Bin Laden",
selbst wenn der Öffentlichkeit nach Monaten immer
Militärputsches, eine potentielle sich aufschaukelnde
nukleare Eskalation zwischen den Supermächten, wurnoch kein einziger stichhaltiger Beweis für diese
de durch ein rechtzeitiges Telefongespräch zwischen
Behauptung vorgelegt wurde?
US-Präsident George W. Bush und dem russischen PräDie Erkenntnisse, die bereits in den ersten zwei Stunden nach den Ereignissen des 1 1 . September explizit
sidenten Wladimir Putin vermieden.
Zweitens der allgemeine politisch-strategische Faktor
oder implizit vorlagen, sind ein Indizienbeweis des
der Politik des „Kampfes der
Typs, von dem man sagen
kann, er ist „zugegebenerZivilisationen" von Zbigniew Brzezinski, Samuel
maßen unvollständig, aber
Huntington u.a., wovon der
trotzdem schlüssig genug",
Putschversuch lediglich ein
um eine unmittelbare offiziuntergeordneter Teil war.
elle Reaktion bestimmen zu
können, um entsprechende
Diese Politik ist der Hauptmilitärische Handlungsvorschuldige und der zentrale
Teil der Gesamtoperation.
gaben in Kraft zu setzen
Sie ist der Hauptgegenstand
oder sogar neu zu definieren.3 Allein die Fakten, die
und die Zielscheibe dieses
Aufsatzes. Dieser Faktor
uns schon während bzw.
unmittelbar
nach
den
spiegelt sich seither sehr
lebhaft in den erbitterten
ersten zwei Stunden der
Weißes Haus
Fraktionskämpfen innerhalb
Angriffe des 1 1 . September
Putin und Bush am 1 3 . November 2001 in Washington
der US-Regierung und der
verfügbar waren, bildeten
führenden Nachrichtenmeschon eine Aufforderung zu
„Die schlimmste vorstellbare Folge
einem solchen sofortigen,
dien, beispielsweise in der
Debatte um die Forderung
entschiedenen
Handeln.
dieses Militärputsches, eine potentielle
nach einem Angriff auf den
Wäre eine derartige klare
sich aufschaukelnde nukleare Eskalation
Entscheidung, wie ich sie
Irak.
zwischen den Supermächten, wurde durch
während der besagten zwei
Drittens die einem Selbstmordattentäter
nicht unähnStunden äußerte, ausgeblieein rechtzeitiges Telefongespräch
ben, dann wäre das ein
liche Rolle des jetzigen israzwischen US-Präsident George W. Bush
elischen
Regimes,
das
potentiell strategischer Fühund dem russischen Präsidenten Wladimir
rungsfehler gewesen — ob
erkennbar die Absicht verseitens des
Präsidenten
folgt, einen größeren Krieg
Putin vermieden."
in Gang zu setzen — einen
oder seitens eines Staatsbürgers/Staatsmanns und Präsidentschaftskandidaten
Krieg, der unter anderem die Seibstauslöschung Israels
mit meinen besonderen Kenntnissen und Verantwortals Staat zur Folge haben würde. Diese immer deutlichere Gefahr der Selbstauslöschung bei einer Fortsetlichkeiten. Die späteren Ereignisse zeigten, daß der Präzung der jetzigen israelischen Politik war erklärtersident in diesem Zeitraum die richtige unmittelbare Entscheidung traf, und ich ebenso.
maßen die Sorge, die Ministerpräsident Rabin zur
Betrachtet man diese und verwandte Fragen mit
Unterstützung der Osloer Verträge motivierte. Der
einem Mindestmaß an kompetentem Wissen über den
Abschluß dieser Osloer Verträge war das Motiv für den
augenblicklichen Stand der Geschichte der modernen
Staatsstreich in Israel in Form der Ermordung Rabins.
europäischen Zivilisation als ganzer, so kommt man
Falls Israel seine derzeitige Kriegspolitik fortsetzt, würde
jenseits aller Zweifel, wenn auch nicht auf die Namen
es sich im Laufe der sich entfaltenden Ereignisse bald
im einzelnen, so doch auf die Führung der politischen
selbst zerstören, und das so sicher, wie man 1 9 3 9 das
Fraktionen, deren Interessen der Putschversuch diente.
Ende Hitlers hätte voraussehen können.
Angesichts dieser und verwandter Fakten werden PersoDie offizielle Aufmerksamkeit muß sich ganz besonders auf das zweite dieser drei miteinander verknüpften
nen mit den entsprechenden Vorkenntnissen das von
31
Elemente richten. Dennoch ist keine kompetente Einschätzung der Ereignisse möglich, wenn man auch nur
eines dieser drei Glieder in der Gleichung des 1 1 . September vernachlässigt. Erst wenn wir die drei genannten
Elemente als zusammenhängende Facetten eines einzigen Effekts erkannt haben und alle drei in dem Umfeld
der globalen Wirtschaftskrise, in dem sie existieren, eingeordnet haben, wird eine rationale Bewertung der
Ereignisse dieses Tages möglich. Jeder andere Ansatz
führt zu einer Fehleinschätzung, einer falschen Bewertung der Fakten.
Wie ich im Laufe meiner Ausführungen zeigen werde,
sind die Fakten, die auf die tatsächlichen Urheber dieses Angriffes auf die USA in seinen drei Aspekten hinweisen, nicht nur massiv, sondern beweiskräftig. Die
Beweise haben sich seit Jahren, ja seit Jahrzehnten und
länger angesammelt. Die meisten von Ihnen, für die der
Morgen des 1 1 . September überraschend kam, sollten
daran erinnert werden: Das Monster, das uns angegriffen hat, hat sich über Jahrzehnte hinweg an Sie herangeschlichen, in denen Sie — wie Washington Irvings
Gestalt des Rip van Winkle — geschlafen haben.
Um die tief zugrundeliegenden, weit zurückreichenden Verbindungen zwischen den drei unterschiedlichen
Teilen dieses Prozesses zu verstehen, müssen wir etwas
berücksichtigen, was man in einer Riemannschen (physikalischen) Differentialgeometrie als „Mehrfachverknüpfung" beschreiben würde.
Ein Beispiel: Zu den relativ einfacheren, aber äußerst
wichtigen Umständen, die man betrachten muß, gehört
die folgende Frage. In welchem Ausmaß hat die massive und implizit feindselige Bespitzelung und Unterwanderung der politischen und militärischen Führung der
USA durch den israelischen Militärgeheimdienst den
versuchten Militärputsch und sein politisch-strategisches Pendant mitgeprägt?
Eine tiefgehende Untersuchung der langdauernden,
immer weitgehenderen und aggressiveren Aktivitäten
israelischer Spione in den USA — z.B. das berüchtigte
„Mega"-Projekt, die jahrelange Durchdringung der
Sicherheit des Weißen Hauses unter Clinton durch die
Agenten der israelischen Geheimdienste — deutet darauf, daß eine zumindest erhebliche, wenn auch zufällige israelische Mitwirkung an der Schaffung des Umfeldes für die Ereignisse des 1 1 . September wahrscheinlich
ist.
Betrachten wir die jeweils unterschiedliche Rolle
sowie den gemeinsamen historisch-strategisch-wirtschaftlichen Rahmen dieser Kombination mehrerer voneinander abhängiger Elemente.
Die Untersuchung planen
Man muß also, wenn man die drei Aspekte des Angriffs
betrachtet, bei der Untersuchung der Kombination der
Ereignisse stets davon ausgehen, daß diese Kombination
auch der unmittelbare Ausdruck der Planung eines
militärischen Putschversuches ist — einer versuchten
kriminellen Militäroperation hochrangiger Verräter
innerhalb des amerikanischen Militärestablishments.
Man bedenke dabei folgendes.
Wenn wir die Hinweise auf eine Absicht hinter dem
ersten dieser Elemente des Putsches bewerten wollen,
dürfen wir an die Untersuchung nicht mit der kindischen
Tatsachenverdrehung herangehen, auf die sich die meisten Presseorgane auf der Welt stützen. Wenn jemand
eine militärische „Palastrevolution" gegen die führende
Atommacht der Welt plant — oder auch „nur" gegen die
Regierung einer strategisch minder wichtigen Atommacht, wie Israel —, dann müssen diese Verschwörer
sich an strengste Maßregeln halten. Bei Putschversuchen
dieser höchsten Risikostufe ist die strengste nur vorstellbare Geheimhaltung unerläßlich. Bei der Untersuchung
derartiger Putschversuche werden rationale Leute an
höchster Stelle deshalb davon auszugehen haben, daß
selbst die meisten mehr oder weniger eingeweihten
Komplizen nicht genug wissen, oder vielleicht nicht lange genug leben, um den höchsten Kreis ihrer Auftraggeber zu beiasten. In solchen Fällen ist das Aufspüren und
Verhören der „Auftragskiller" wahrscheinlich nicht der
beste Weg zu verläßlichen Beweisen gegen die hochrangigen Verschwörer, die den Anschlag organisiert
haben. Deshalb muß man, statt bei den Ermittlungen die
Richtungen zu verfolgen, die die Verschwörer selbst
leicht vorhersehen konnten, die Untersuchung auf Wege
zu verläßlicheren Beweisen verlagern.
32
Abgesehen von glücklichen Zufallstreffern der Ermittler werden sich die Erkenntnisse, die man nach einem
solchen Putschversuch findet, im wesentlichen auf die
Dinge beschränken, die man im Gefolge einer Tat unter
den sehr speziellen Regeln eines solchen risikoreichen
Verschwörungsspiels zu erwarten hat. Bei der Untersuchung muß man deshalb die Beweise von einer offensichtlichen Flanke her sammeln. Man muß sich auf eine
Erkenntnis stützen, die eigentlich elementar sein sollte:
Es gibt kein Motiv für einen Putschversuch dieser Art,
wenn nicht eine plausible Absicht dahintersteckt, die
außerhalb und jenseits des Putschversuchs als solchem
liegt. Ein solcher versuchter Staatsstreich ist überhaupt
nur möglich, wenn vorher bereits feststeht, wie es nach
dem Putsch weitergehen soll — etwa indem signalisiert
wird, daß mit einer bestimmten, schon vorbereiteten
Aktion fortgefahren werden soll.
Für den kompetenten Spionageabwehrspezialisten
war deshalb die erste Frage, die sich allein schon aus
der Tatsache der Angriffe auf New York und Washington
an sich stellte: Was für eine Aktion sollte anschließend
durch die Wirkung dieser Angriffe entfesselt werden?
Man hätte den Putschversuch nicht mobilisieren können, wenn nicht schon von Anfang auch solche umfassenderen Absichten existiert hätten. Diese Absichten
sind allen relevanten Institutionen geläufig:
a) einen immer weiter eskalierenden Nuklearalarm auszulösen und
b) fast auf dem ganzen Planeten endlose religiöse und
andere Kriege zu entfesseln — die derzeit laufenden
Operationen der israelischen Streitkräfte sind der
wesentlichste Ausdruck davon. Nach den Ereignis-
sen des 1 1 . September gibt es nun keinen vernünftigen Zweifel mehr an solchen breit anlegten Absichten. Jede kompetente Spionageabwehr-Untersuchung und anschließende strategische Lagebeurteilung muß also entsprechend angelegt sein.
So wie bei den früheren Ermittlungen im Fall der vermuteten Komplizen des israelischen Spions Jonathan
Pollard oder wie in Edgar Allan Poes Kriminalgeschichte Der entwendete Brief können wir anhand des jetzt
vorliegenden Indizienbeweises für diese beiden Absichten erkennen, „welche Gattung von Raubtier" den
Impuls und die Fähigkeiten für einen solchen Putschversuch besaß, auch wenn wir noch nicht genau sagen
können, welche bestimmten Personen dieser Gattung
an der Spitze des eigentlichen Putsches standen.
Wir müssen deshalb noch einmal betonen, daß angesichts der Eigenart des Falls das relevante Vorgehen
gegen die Verschwörer niemals durch eine reduktionistische fieberhafte Jagd nach „Sherlock-Holmes"-artigen
Hinweisen auf bestimmte Hintermänner hintertrieben
werden darf. In solchen Fällen dürfen wir uns nicht zu
einer Art „Schnepfenjagd" auf die einzelnen Verschwörer verleiten lassen, sondern müssen die inhärent
begrenzten Ressourcen des Ermittlers auf die bescheidenere und dringlichere Aufgabe konzentrieren, die
eigentlichen Ziele hinter dem Komplott zu neutralisieren. Nur notorische Verlierer halten mitten in der
Schlacht inne, um Rache oder Skalps zu nehmen und
zu zählen.
Man muß daher bei der Untersuchung das Komplott
hinter dem 1 1 . September als ein Mittel zum Zweck
begreifen, und es ist dieser Zweck, auf den wir die Aufmerksamkeit richten und gegen den wir unsere Anstrengungen bündeln müssen. Es ist wie im Krieg: Sobald die
Verschwörung fehlgeschlagen ist, werden die Verschwörer verwundbar und lassen sich enttarnen, und
man kann sicher, ruhig und mit relativer Gelassenheit
ermitteln, wer im einzelnen wie beteiligt war.
Die Ereignisse jenes Tages stellten den Präsidenten
also vor zwei Aufgaben. Das eigentliche Endziel hinter
dem Putsch zu vereiteln, war das längerfristige Problem,
vor dem Präsident Bush und sein Kreis an diesem Morgen des 1 1 . September standen. Die unmittelbar drängendste Aufgabe für den Präsidenten bestand jedoch an
diesem Tag darin, die nuklearen Streitkräfte der USA
unter seine volle persönliche Kontrolle zu bringen.
Gemessen an den Umständen muß man feststellen, daß
er auf diese unmittelbare Herausforderung gut reagierte.
Um ganz zu ermessen, vor welcher Herausforderung
der Präsident stand, ist es angebracht, zu betonen, daß
ich selbst während des erwähnten fast zweistündigen
Radiointerviews, das zwischen 9 und 1 1 Uhr live ausgestrahlt wurde, vor der gleichen Herausforderung
stand.
Zur Verdeutlichung: in dieser Zeit befand ich mich in
der Situation, daß meine Bewertung des Angriffs, die
von der Radiostation gesendet wurde, genauso erfolgen
mußte, als hätte der Präsident der USA seine operationellen Schlußfolgerungen zu ziehen gehabt, wäre er
damals in meiner Position gewesen, oder ich in seiner.
Denn das ist von einem ernsthaften Kandidaten, der sich
um das Präsidentenamt der führenden Weltmacht
bewirbt, zu fordern. Wir können beispielsweise äußerst
dankbar sein, daß in diesem kritischen Augenblick nicht
der frühere Vizepräsident AI Göre an Präsident Bushs
oder an meiner Stelle saß.
So gesehen scheint es mir, daß Präsident Bush in diesen annähernd zwei Stunden, in denen ich auf Sendung
war, im wesentlichen die richtigen ersten Entscheidungen getroffen hat. Dies wissen wir aus den Fakten, die
uns explizit oder implizit vorliegen. Eine Tatsache, die
meine jetzige positive Bewertung von Präsident Bushs
Handlungsweise in dieser Hinsicht stützt, ist meiner Einschätzung nach der spätere, wiederholte Bericht des
Präsidenten über das Gespräch, das er in diesem entscheidenden Zeitraum mit dem russischen Präsidenten
Putin geführt hat.
Was jedoch die Entscheidungen der US-Regierung
angeht, die offenbar viel später an diesem Tag getroffen
wurden, war die Qualität der Arbeit des Weißen Hauses
gemischt. Die spätere Entscheidung, gegen Osama Bin
Laden und Afghanistan mit Bombenangriffen vorzugehen, war definitiv ein strategischer Fehler, und es zeigt
sich immer mehr, daß daraus internationale Konsequenzen erwachsen — so der sich verschärfende Konflikt
zwischen Pakistan und Indien —, die strategisch gesehen zunehmend gefährliche Implikationen für die ganze
Welt haben.
Abgesehen davon, daß es ein korrekter Impuls des
Weißen Hauses war, schnell etwas Geeignetes zu unternehmen, um den Verschwörern die strategische und
innenpolitische Initiative aus der Hand zu nehmen, war
die Entscheidung, Afghanistan zu bombardieren, ein
Fehler. Der Leser wird mir sicherlich zustimmen, daß
dieser Fehler verständlich war, wenn man die immer
neuen und größeren Dimensionen und Aspekte der
weltstrategischen Krise berücksichtigt, denen sich der
Präsident in den Stunden und Wochen nach den dramatischen Ereignissen jenes Morgens gegenübersah.
Ich will hier die Entscheidungen des Präsidenten nicht
zu rechtfertigen versuchen, ich möchte aber betonen,
daß man bei der Beurteilung seines Verhaltens unter
diesen Umständen in Rechnung stellen muß, in welcher
schwierigen Lage sich der Präsident befand. Anders als
die meisten heutigen politischen Berater auf der Welt
bin ich persönlich fest davon überzeugt, daß die Grundlage des Handelns in jeder Krise die Wahrheit sein muß,
und keine scheinbar bequemen Lügen, denn was auf
den ersten Blick als eine „nützliche" und „bequeme"
offizielle Lüge erscheinen mag, führt immer nur zur
Suche nach neuen Lügen, mit denen man die Probleme,
die die erste Lüge verursacht, zu vertuschen sucht.4
In jeder Krise auf Leben und Tod, wie der jetzigen,
muß sich der Präsident der USA einen hohen Grad an
Glaubwürdigkeit erwerben und erhalten. Der Versuch,
vermeintlich nützliche Lügen zu rechtfertigen, wird am
Ende diese Glaubwürdigkeit unterminieren — möglicherweise mit schrecklichen Konsequenzen. So ist die
Politik der USA nach Ablauf jenes Tages, des 1 1 . September, immer weiter den Pfad der Lügen herabgerutscht, die eine nach der anderen fabriziert wurden,
33
um frühere Lügen zu rechtfertigen oder ihnen den richtigen Public-Relations-"Dreh" zu geben. Wenn man
einen solchen „Schutzwall von Lügen", selbst „gutgemeinter" Lügen, errichtet, führt das stets auf die eine
oder andere Weise zu Ergebnissen, die oft genauso so
schlimm oder schlimmer sind als das Problem, das man
mit der ersten Lüge umgehen wollte. Am Ende ist man
dann oft hoffnungslos im Netz der eigenen Lügen gefangen.
Deswegen muß ich in einer solchen Krise die Rolle
übernehmen, die ich mit diesem Aufsatz ausführe.
Um die derzeitige amerikanische Lage kompetent einzuschätzen, müssen wir das übliche Hin-und-her-Gerede völlig außer acht lassen und begreifen, in welcher
Zwickmühle sich der Präsident, und wer immer sich als
seine vertrauenswürdigen Berater erwiesen haben
mögen, befunden haben. Wir müssen die Lage so
sehen, wie der Präsident und diese Berater sie gesehen
haben müssen, als sich das Dunkel über die gerade verstrichenen Stunden dieses gefährlichen Tages legte. Wir
müssen implizit alle wichtigen Umstände berücksichtigen, die in die Entscheidungen eingeflossen sind, die ab
der Zeit kurz nach 20 Uhr amerikanischer Zeit dieses
ersten Abends öffentlich bekannt wurden. Wir müssen
dabei unser Augenmerk auch auf den vergiftenden Einfluß jener Maulwürfe in der Regierung selbst lenken, die
sich — wie die Kreise um Richard Perle — seither als
Komplizen entweder der israelischen Streitkräfte oder
von Brzezinskis „Kampf der Kulturen" oder beider
gezeigt haben.
Eine Reihe grundlegender Fakten
In dieser Hinsicht darf man keine der grundlegenden
Umstände übersehen, unter denen die Entscheidung
fiel, Osama Bin Laden zum Schuldigen zu machen:
1 . Dieser Osama Bin Laden, von dem es heißt, er sei
früher ein Playboy gewesen und sei heute der „Alte
Fagin"* des internationalen Terrorismus, war und ist
wohl immer noch wirklich eine so elende Kreatur,
wie es diese Vorwürfe implizieren. Er war bösartig
genug, daß er die Rolle von Emma Coldmans Killer
oder von Emma Goldman selbst bei dem Mord an
US-Präsident McKinley gespielt haben könnte —
aber hätte der Bin Laden von heute die Möglichkeit
und die Mittel, diesen Angriff auf Präsident McKinley
auszuführen? Er ist der widerliche, verdreckte Trinker, der wegen Vorwurfs des Kindesmißbrauchs in
Zelle Nr. 1 3 1 3 einsitzt, aber wenn man ihn wegen
des 1 1 . September aburteilte, würde das die Gefahr
für die USA und für die menschliche Zivilisation, die
weiterhin von den frei herumlaufenden wahren
Tätern ausgeht, aus der Welt schaffen?
2 Den USA war der widerliche Charakter Bin Ladens
längst bekannt; er gehörte zu jenen Halunken, die
die USA und andere erst gegen die Sowjetunion und
dann gegen Rußland, Zentralasien, den Transkaukasus und andere Ziele einsetzten, und er war mit den
Taliban eine der Schaltstellen des Drogenhandels in
Zentralasien. Aber er befand sich nicht an einem Ort
der physikalischen Raumzeit, von dem aus er Teddy
Roosevelt [McKinleys Nachfolger] ins Weiße Haus
hätte bringen oder jetzt die Schrecken des 1 1 . September hätte organisieren können.
3. Zwar hat das von Präsident Bush wiederholt öffentlich mitgeteilte Telefongespräch zwischen ihm und
dem russischen Präsidenten Putin bew;rkt, daß die
ursprünglichen nuklearstrategischen Ziele des
Putschversuchs scheiterten, aber die Verantwortlichen dieses Putschversuchs laufen immer noch frei
herum und verbergen sich in den hohen Positionen,
die sie bereits am frühen Morgen des 1 1 . September
bekleideten, und sie sind auch heute noch gewillt,
gegen die US-Regierung und den Präsidenten loszuschlagen.
4. Die atomare Eskalation, die wie der Angriff auf das
Pentagon zeigte, das unmittelbare Ziel dieses Angriffes auf das Verteidigungsministerium war, sollte
offenbar als Sprungbrett für ein weiteres, großstrategisches Ziel dienen. Dieses großstrategische Ziel des
Putschversuches war klar, damals wie heute. Es war
bereits in dem Moment klar, als die parallelen
Angriffe gegen New York City und die Hauptstadt
der USA liefen. Viele führende Kreise in Europa und
anderswo haben dies sehr bald in den Stunden nach
den Ereignissen erkannt. Der Zweck des Putschversuchs war es, die USA zu zwingen, die Politik der
jetzigen israelischen Regierung und Armee zu unterstützen und sich damit für das von Zbigniew Brzezinskientwickelte Szenario weltweiter Religionskriege, den „Kampf der Kulturen", zu entscheiden.
5. Die Urheber dieses großstrategischen, geopolitischen Zieles waren führenden Europäern und anderen bereits gut bekannt. Der frühere US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski und sein stets dienstfertiger „Leporello" Samuel P. Huntington hatten das
Szenario vom „Kampf der Zivilisationen" berühmt
und berüchtigt gemacht. Es war bereits ziemlich
populär unter den „moralisch nicht ganz zurechnungsfähigen" Kongreßmitgliedern beider Parteien,
unter mächtigen US-Finanzkreisen sowie bei einem
erheblichen Teil wichtiger Stellen in der Bush-Administration selbst. Richard Perle und Paul Wolfowitz
sind typisch dafür, daß in den offiziellen Positionen
und politischen Planungsstrukturen der Administration sowie einflußreichen Stellen in den beiden
großen Parteien solche Raubtiere lauern.
6. Die strategische Reaktion der USA auf den Putschversuch bestand darin, gegen ausgewählte Ziele auf
der „Liste der üblichen Verdächtigen" vorzugehen,
darunter die Drogenhändlerregierung der Taliban
und Bin Laden. Dies hatte den offensichtlichen Nutzen, daß es der Bush-Präsidentschaft einen Weg bot,
Fagin ist eine Figur aus Charles Dickens' Oliver Twist, ein Taschendieb, der kleine Straßenjungs im Stehlen ausbildet — Die Redaktion.
34
„Der Schlüssel zum
Verständnis der Motive
der Anhänger des
Prof. William Yandell
Elliott, einen geopolitischen „Kampf der
Kulturen" anzustreben,
findet sich in einer Rede,
JUGITIVES'
•*
REUNION
Conversations at VanderUlt
May 3-5,1956
diesem Günstling Henry
A. Kissinger am 10. Mai
1982 im Chatham House
hielt.
William Yandell Elliott
(Kreis)
Unten:
Henry A. Kissinger
die strategische Initiative zurückzugewinnen und die
mit Brzezinskis Geopolitik verbundenen Kräfte vorübergehend auszumanövrieren.
Schon bald jedoch drohte diese Politik zum Bumerang zu werden. Die Ablenkungstaktik, die internationalen Energien gegen diese bewußt ausgewählten
und zugegebenermaßen widerwärtigen Ziele zu
richten, hatte den Effekt, die unmittelbare, größere
strategische Gefahr — nämlich einen größeren Krieg
gegen islamische Nationen — zumindest für den
Augenblick abzuwenden. Aber ebendiese größere
strategische Gefahr blieb nicht nur bestehen, sondern verschärfte sich noch unter der Wirkung der Afghanistan-Bombardierung. Es gab immer massivere
Erpressungsversuche — sogar von einer mächtigen
Fraktion in der politischen Führungsstruktur der USA
—, um Präsident Bush zu zwingen, sich hinter einen
Religionskrieg der israelischen Militärführung gegen
die arabischen Nationen des Nahen Ostens, etwa
den Irak, zu stellen und einen sich aufschaukelnden
„Kampf der Kulturen", d.h. einen geopolitisch motivierten Krieg zwischen den islamischen und anderen
Völkern Asiens, zu unterstützen.
Der heftige Fraktionskampf, der seither in der USRegierung offen tobt — u.a. die Vorstöße von Tom
Lantos und seiner Konföderierten im Kongreß —,
macht deutlich, daß die Angriffe des 1 1 . September
ein integraler Bestandteil der Absicht waren, die
Bush-Administration entweder hinwegzufegen oder
anderenfalls zu zwingen, sich in einen Religionskrieg zu stürzen, wie ihn Ariel Scharon mit seinem
provokanten Besuch auf dem „Tempelberg", dem AI
Haram AI Scharif in Jerusalem, in Gang zu setzen
versuchte.
9. Wenn der Plan der gegenwärtigen israelischen Regierung unter Scharon nicht vereitelt wird, wird die
Kombination aus einem sich beschleunigenden, kettenreaktionsartigen Zusammenbruch des Weltfinanz- und Währungssystems, einer Eskalation des
israelischen Kriegs gegen die islamischen Bevölkerungen und Israels geplanter Vergewaltigung des AI
Haram AI Scharif, der drittheiligsten Stätte des Islam,
die Welt in eine diesmal weltweite und nukleare
Neuauflage des Dreißigjährigen Krieges von 1 6 1 8 48 stürzen. Es war zweifellos genau ein solcher weltweiter geopolitischer Krieg, ein unlöschbarer religiöser Weltenbrand, den die Urheber des 1 1 . September
entflammen wollten.
Die eben angeführten Fakten sind notwendig, aber
nicht hinreichend. Wir müssen auch die Kompetenzen
entwickeln, die erforderlich sind, um das sehr spezielle,
tiefergehende Problem, das die genannten Fakten implizieren, zu untersuchen und Gegenmaßnahmen zu
ergreifen. Wir müssen sehr genau den Hintergrund der
Leute anschauen, deren Sonderinteressen in den anhaltenden, eskalierenden Implikationen der Ereignisse des
1 1 . September zum Ausdrucke kommen.
Wenn wir uns der Herausforderung stellen, vor die
diese Fakten die Führer der Welt stellen, müssen wir die
närrische reduktionistische Praxis vermeiden, nach
plausiblen Erklärungen für mehr oder weniger isolierte
Einzeltatsachen zu suchen. Wir müssen die Geometrie
des Denkens definieren — den Wahnsinn, der die
Schriften Brzezinskis, Huntingtons und ihresgleichen
seit dem 1 9 5 7 erschienenen Buch „Der Soldat und der
Staat" durchzieht. J Wie ich weiter unten in diesem Aufsatz betone: Es ist dieser verrückte, pervertierte Ceistes-
35
zustand, wofür alle die Hauptschriften Brzezinskis,
Huntingtons u.a. nur beispielhaft sind, der die widerstreitenden Kräfte und politischen Pläne in Bewegung
gesetzt hat.
Die Position auf der politischen Landkarte, von der
aus man diesen speziellen Wahnsinn definieren sollte,
ist das Musterbeispiel eines modernen Mephistopheles,
der Nashville-Agrarier Prof. William Yandell Elliott —
Anhänger der Ideen von H.G. Wells, der wie die legendäre Frau des Rabbis von Prag eine ganze Parade von
Golems produzierte, angeführt von Zbigniew Brzezins-
ki, Samuel P. Huntington, Henry A. Kissinger u.a., Monster, die der „Zauberlehrling" Elliott offenbar quasi aus
dem Schlamm erschuf.6
Der Schlüssel zum Verständnis der Motive der
Anhänger des Prof. William Yandell Elliott, einen geopolitischen „Kampf der Kulturen" anzustreben, findet
sich in einer Rede, die sein Günstling Henry A. Kissinger am 10. Mai 1 9 8 2 im Chatham House hielt.7 Mit der
so festgelegten Position auf der politischen Landkarte
werden wir weiter unten zu dem eigentlichen Kern von
Kissingers Rede zurückkehren.
I. Menschen machen Geschichte, aber
Damit wir uns in dem gegenwärtigen Nebel aus Medienphantasien und Regierungskonfusionen nicht verirren, müssen wir uns bei unserer Suche nach den wahren Hintergründen der Ereignisse des 1 1 . September bei
jedem unserer Schritte von einem Grundprinzip der
Geschichte leiten lassen. Ein Merksatz heißt: Menschen
machen Geschichte, aber umgekehrt macht die
Geschichte auch Menschen. Dieser Satz, richtig verstanden, ist ein Widerhall der höchsten Weisheit aller
antiken und modernen Staatskunst aus Quellen wie
Solon von Athen, den klassischen griechischen Tragödien, den Platonischen Dialogen und den großen historischen Dramen William Shakespeares und Friedrich
Schillers. Dieser Satz, richtig verstanden, ist unser einziges Hilfsmittel, um zu einem kompetenten, wahrheitsgemäßen Urteil darüber zu gelangen, mit welcher langfristigen, strategischen Politik die amerikanische Republik auf die Ereignisse des 1 1 . September reagieren muß.
Die Behauptung, hinter den Ereignissen des 1 1 . September stecke Osama Bin Laden, ist natürlich eine reine
„Verschwörungstheorie", für die der Öffentlichkeit bis
heute noch kein einziger wissenschaftlich haltbarer
Beweis vorgelegt wurde. So gesehen ist das Dogma „Es
war Osama" nur einer mehr von den vielen Fällen, wo
an die Stelle von Tatsachen und Wissenschaft reine
Erfindung gesetzt wird. Trotzdem ist die Verschwörung,
im richtigen Verständnis des Wortes, tatsächlich das
typischste Merkmal der ganzen Menschheitsgeschichte
— insbesondere in bedeutenden Fragen der Staatskunst.
'Wie erkennen wir nun den Unterschied zwischen der
tatsächlichen Verschwörung, die vorhanden sein muß,
und dem Märchen, das uns die meisten Massenmedien
über die Ereignisse des 1 1 . September auftischen?
Die Narren, die allerlei Arten von närrischen,
populären „Verschwörungstheorien" erfinden, lassen
sich im wesentlichen in zwei allgemeine Typen unterteilen. Der eine Typ ist offensichtlich: nämlich solche
Leute, wie etwa unehrliche Richter oder Staatsanwälte,
die eine Phantasievorstellung der Geschichte verbreiten
wollen: so als berichte man über nur einzelne Schauspieler, die auf einer leeren Bühne auftreten und alberne Reden führen, die außerhalb von Raum und Zeit auftauchen und interpretiert werden. Die symbolische und
andere Interpretation dieser bloßen Worte wird als
Bedeutung der Handlung aufgefaßt.8
In die zweite Klasse fallen die wild dreinschauenden
Fanatiker, die im Brustton der Überzeugung verkünden:
36
„Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien" und darü-
ber einen endlosen Vortrag halten, während schon der
sprichwörtliche Spaßvogel ein höheres Prinzip der
Gerechtigkeit demonstriert, indem er sich heimlich mit
den amüsierten Zuschauern verschwört und dem törichten Angeber das Hosenbein anzündet.
Die Natur der einzigartigen Fähigkeit, welche den
Menschen über alle niedrigeren Lebensformen erhebt,
macht die Verschwörung zum Wesen der menschlichen
Existenz, was Platon und alle großen Tragödiendichter
und Wissenschaftler in der gesamten Menschheitsgeschichte immer wieder unter Beweis gestellt haben.
Was den Menschen grundsätzlich von allen anderen Lebensformen unterscheidet und über sie erhebt, ist die
geistige Aktivität, die wir als „Vernunft", „Kognition"
oder „Erkenntnis" bezeichnen und die der russische
Wissenschaftler Wernadskij „Noesis" (aus dem Altgriechischen) nannte.9 Diese Wurzel, die Vernunft, versetzt
den Menschen in die Lage, willentlich Wirkungen hervorzubringen, die ganz anders sind als die sog. „objektiven Kräfte des historischen Determinismus", die sich
der typische beschränkte Statistiker vorstellt. Die Fähigkeit, nach Prinzipien frei zu handeln, ist die ureigenste
Eigenschaft des Menschen, aus der oft die wichtigsten
wahren Verschwörungen entspringen. 10
Menschen haben die nur ihrer Gattung eigene Fähigkeit, sich über das Gefängnis der illusorischen Sinneswahrnehmung zu erheben und experimentell verifizierbare universelle physikalische Prinzipien zu entdecken
— Prinzipien außerhalb und oft im krassen Gegensatz
zu den Überzeugungen derjeniger, die lieber an die tierische Sinneswahrnehmung glauben, wie sie niedrigere
Lebensformen eigen ist. Diese Fähigkeit, durch die
Erforschung paradoxer Aspekte der Sinneserfahrung
experimentell überprüfbare Hypothesen zu schaffen, ist
die Qualität der kognitiven Vernunft, die den einzelnen
Menschen und die Beziehungen unter den Menschen
auszeichnet. Das ist jene menschliche Vernunft, von der
verrückte Fanatiker wie die Empiristen, Immanuel Kant
und die Anhänger von Huntington und Brzezinski kategorisch behaupten, sie existiere nicht.
Während niedrigere Lebensformen sich nicht aus
eigener Geisteskraft über das ökologische und sonstige
Potential ihres biologischen Erbes erheben können,
kann die Menschheit Entdeckungen universeller physikalischer Prinzipien — wahre oder falsche — von
Generation zu Generation weitergeben. Dies Weiterge-
ben dieser spezifisch menschlichen Ideen bildet das,
was wir zu recht „Kultur" nennen. Geschichte und
Wesen der Menschheit zeigen sich dementsprechend in
der evolutionären Entwicklung oder Rückwärtsentwicklung gescheiterter oder relativ erfolgreicher Kulturen
und der Individuen innerhalb dieser Kulturen.
Mit anderen Worten: Das besondere Kennzeichen der
menschlichen Gattung ist, daß das einzelne Mitglied
dieser Gattung die angeborene, potentiell erhabene
Kraft besitzt, die Entwicklungsrichtung seiner Kultur zu
verändern — zusätzlich zum aktiven Weitervermitteln
der Erkenntnisse in der Kultur, die von früheren Generationen aus der eigenen oder anderen Kulturen hinterlassen wurden. 11
Die Fähigkeit, die Prozesse hinter dieser Entwicklung
verschiedener Kulturen und deren Wechselwirkungen
zu vergleichen und zu analysieren, erreicht ein relativ
höchstes, ausgezeichnetes Niveau mit dem Studium der
evolutionären Entwicklung jener Formen von Wissen,
die man mit den Prinzipien und der Praxis der klassischen Kultur und der klassischen neuzeitlichen Wissenschaft, die mit Nikolaus von Kues' Entdeckungen im 1 5 .
Jahrhundert angestoßen wurde, verbinden sollte. 12
Wenn wir uns den entscheidenden Herausforderungen im Zusammenhang mit den Folgen des 1 1 . September stellen wollen, müssen wir uns auf Wege der wissenschaftlichen Arbeit wagen, die im heutigen ziemlich
dekadenten akademischen Leben leider in der Regel
übersehen werden — ein Mangel, der für die heutige
europäische Zivilisation sehr schmerzhafte Folgen hat.
Die ganze Welt steckt heute in der schwersten allgemeinen Krise der Neuzeit. Unter diesen Umständen
müssen wir einiges radikal verändern — weg von der
närrischen Politik, an die sich die Nationen und ihre
Regierungen in letzter Zeit gewöhnt haben. Diese notwendigen, teilweise radikalen Änderungen in unserem
politischen Denken können uns sicher in die unmittelbar vor uns liegenden Jahre führen.
Die entscheidende Frage lautet daher: Wie können
wir sicher sein, daß die erhofften positiven Folgen unserer Entscheidungen auch wirklich eintreffen?
Das allerwichtigste bei unserer Reaktion auf die
Schrecken des 1 1 . September ist, nicht bloß die Schuldigen zu finden, sondern zu definieren, was wir tun
müssen, um unsere Zivilisation vor den Folgen dieses
Angriffs zu schützen. Das Entfernen eines infizierten
Organs sichert nicht notwendigerweise das Überleben
des Patienten. Um mit begründeter Zuversicht darüber
zu reden, welche Optionen nach den Ereignissen des
1 1 . September vor uns liegen, muß ich deshalb nun
meine eigene Methode langfristiger Prognostik, die sich
seit über einem Vierteljahrhundert immer wieder als
konkurrenzlos erfolgreich erwiesen hat, zusammengefaßt darlegen.
Entwurf einer Wissenschaft der Strategie
Mein grundlegendster und höchst erfolgreicher Beitrag
zum Studium der menschlichen Kulturen ist die Einführung des Begriffs der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte als einzige kompetente Grundlage der Definition einer physischen Wirtschaftswissenschaft und
damit zugleich als Grundlage für eine Klärung der Prinzipien einer universellen Methode in der Wirtschaftsgeschichte. Wie ich in zahllosen Veröffentlichungen dargelegt habe, wäre die einzige wissenschaftlich akzeptable Grundlage zur Messung der relativen Qualität einer
Kultur heute die Beurteilung, ob die Entwicklung von
Wissenschaft und Kunst in ihren wesentlichen Aspekten
es der Kultur ermöglicht, ihre potentielle relative Bevölkerungsdichte zu erhalten und zu erhöhen.
Wenn wir so an die physische Wirtschaftswissenschaft
herangehen, liefert uns das nicht nur die optimale
Grundlage für eine rigorose Erforschung der Vergangenheit, sondern auch zuverlässige Methoden zur Gestaltung des zukünftigen Resultates dieser Geschichte. Bei
diesem Studium sollte man das Hauptaugenmerk immer
auf die physikalisch funktionellen Merkmale des Fortschritts oder Niedergangs von Kulturen richten.
In einer ersten Annäherung bedeutet dies, daß wir die
nationalen oder vergleichbaren Einzelkulturen und die
Beziehungen zwischen mehreren Kulturen mindestens
über einen Zeitraum von einer oder mehreren Generationen untersuchen und herausfinden müssen, wie sich
Kulturen über Jahrhunderte hinweg veränderten. Auf
dieser Grundlage müssen wir dann herausfinden, wie
auch relativ kleine Veränderungen in diesen kulturellen
Prozessen — selbst kurzfristig von Einzelpersonen her-
beigeführte — die mittel- und sogar langfristige Evolution einer oder mehrerer Kulturen bedeutend verändern
können. Das physikalische Prinzip der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte liefert dabei den unverzichtbaren Schlüssel für eine korrekte Untersuchung.
Man konzentriere sich dabei auf die bewußte Einführung relativ kleiner, aber im weiteren Verlauf sehr
machtvoller Veränderungen der axiomatischen Eigenschaften einer Kultur, die oft von souveränen individuellen Persönlichkeiten ausgehen. Dies definiert den Wesensunterschied zwischen dem Verhalten menschlicher
Kulturen und den Gewohnheiten von Tieren.
Man kann nicht eindringlich genug warnen: Anders
als Adam Smith oder die orthodoxen Sozialdemokraten
und die Anarchosyndikalisten meinen, wird die Geschichte nicht durch den automatischen Pulsschlag
„objektiver geschichtlicher Kräfte" bestimmt. Alle
wesentlichen Entwicklungen in der Vorgeschichte und
Geschichte der menschlichen Gattung sind Resultate
individueller willentlicher Veränderungen des prinzipiellen Gangs der Ereignisse, die durch Neuerungen souveräner Individuen eingeführt werden.13 Damit ändert
die Menschheit ihre Kultur und revolutioniert auch das,
was Empiristen und andere Narren fälschlich als so oder
so unabänderliche axiomatische Eigenschaften der
menschlichen Natur hinstellen.
Dank meiner Entdeckungen auf dem Spezialgebiet
der physischen Wirtschaftswissenschaft sind wir nun in
der Lage, dieses Prinzip wissenschaftlicher Geschichtsbetrachtung, das manchmal „Voluntarismus" genannt
wird, zu verstehen und als Instrument langfristiger Pro-
37
gnose anzuwenden, um die wirtschaftlichen und verwandten Entwicklungen in und zwischen Kulturen allgemein fortschrittlich zu gestalten. Wenn wir Kulturen
in dieser Hinsicht untersuchen, können wir daraus
ableiten, auf welche Weise die axiomatischen und verwandten Neuerungen einzelner so eingesetzt werden
können, daß sich die Kultur vorhersehbar und zum Besseren verändert.
Wenn wir die physische Wirtschaftswissenschaft auf
diese Weise anwenden, können wir Fehlentwicklungen
in der Politik, die mittel- und langfristig zu kulturellen
und realwirtschaftlichen Katastrophen führen, leichter
erkennen und berichtigen. Ich meine Katastrophen wie
den gegenwärtigen Zusammenbruch des weltweiten
Finanz- und Währungssystems. Ich erläutere nun
zusammenfassend den unmittelbar relevanten Punkt.
Obwohl ich oben bereits betont habe, daß meine
eigenen Entdeckungen in diesem Wissenschaftsbereich
von einem anderen Ansatz ausgingen als diejenigen
Wernadskijs,14 gibt es zwischen unseren jeweiligen
Schlußfolgerungen weitreichende Übereinstimmungen
— einmal abgesehen von Unterschieden in seinem Verständnis der Noosphäre und in meiner Behandlungsweise der sehr vielen ähnlichen Schlußfolgerungen bei
meiner Entdeckung und Entwicklung des Prinzips der
potentiellen relativen Bevölkerungsdichte. Rekapitulieren wir noch einmal das Argument. Es handelt sich um
ein höchst wichtiges, wenn auch wenig verstandenes
Prinzip, welches für das Verständnis der tieferen Implikationen der Ereignisse des 1 1 . September herausragende Bedeutung hat.
Wie Wernadskij definiere ich das experimentell
bekannte Universum als vielfach vernetzte Mannigfaltigkeit dreier voneinander unabhängiger, aber in Wechselwirkung zueinander stehender Arten universeller
physikalischer Prinzipien. Dabei handelt es sich kurz
gesagt um die jeweiligen experimentell definierten
Bereiche des Nichtlebenden, des Lebenden und der
Kognition/Erkenntnis. Konzeptionell definiere ich das
Universum in Begriffen einer nichteuklidischen,
Riemannschen differentiellen (physikalischen) Geometrie.
So wie die Existenz lebender Prozesse ein Ausdruck
eines charakteristisch antientropischen universellen
Prinzips ist — im Gegensatz zu der falschen Vorstellung
einer universellen Entropie, wie sie Clausius, Grassmann, Kelvin, Boltzmann u.a. dem Universum als
Ganzem zusprachen —, so bedeuten die spezifisch
menschlichen Seelen- oder Erkenntnisprozesse, die sich
in Entdeckungen universeller Prinzipien in Wissenschaft
und Kunst ausdrücken, ein antientropisches Prinzip
(manchmal als spirituelles, geistiges oder Seelenprinzip
bezeichnet), das unabhängig von den Beschränkungen
nichtlebender und niedrigerer lebender Prozesse überall im Universum existiert. 15 Wir können also sagen,
ohne uns dem Verdacht eines blinden gnostischen
Mystizismus auszusetzen, daß das physikalische Universum aus drei experimentell definierten, vielfach vernetzten Phasenräumen besteht: nichtlebend, lebend
und geistig. Anders als die Gnostiker behaupten, ist jede
experimentell bestätigte individuelle Entdeckung eines
universellen physikalischen Prinzips an sich schon der
klarste und einfachste Beweis der physikalischen Wirksamkeit des sokratischen Seelenprinzips.
Diese universell wirksamen (kognitiven) Geisteskräfte
sind jene, die sich in der neuzeitlichen Experimentalphysik auf einzigartige Weise ausdrücken: in der souveränen kognitiv-schöpferischen Einsicht des einzelnen
Menschen, in dem individuellen schöpferischen sokratischen Akt der kognitiven Einsicht, auf den alle überprüfbaren Entdeckungen universeller physikalischer
Prinzipien zurückgehen.
Das Verständnis, auf welche Weise kognitiv entdeckte universelle physikalische Prinzipien die potentielle
relative Bevölkerungsdichte der Menschheit erhöhen,
liefert uns die notwendige konzeptionelle Grundlage für
die Wissenschaft der physischen Wirtschaft und somit
auch die Grundlage für eine umfassendere Untersuchung der sozialen Prozesse.
Während Wernadskij die Bedeutung des individuellen Aktes der wissenschaftlichen Entdeckung als Quelle
der wachsenden Macht der Menschheit über das Universum betont, sehe ich das Wirkprinzip nicht in erster
Linie in der relativ einfachen Beziehung der Natur zum
Individuum als solchem, sondern in der vorrangigen
Bedeutung des Individuums für die Veränderung der
bestimmenden kulturellen Prozesse, welche wiederum
eine Veränderung der funktionalen Beziehungen der
Menschheit zur Natur bewirken.^6
Dank der Erkenntnis, daß die für diesen sozialen Prozeß entscheidenden Prinzipien der klassischen künstlerischen Komposition als Ausdruck experimentell bewiesener, charakteristisch antientropischer universeller
physikalischer Prinzipien zu verstehen sind, konnte ich
die Methode langfristiger wirtschaftlicher und verwandter Prognose mit einzigartigem Erfolg revolutionieren. 17
Folglich war von meinen langfristigen und verwandten
Vorhersagen, die seit mehr als 30 Jahren stets recht
umfangreich in schriftlicher Form in der Öffentlichkeit
zirkulierten, keine einzige in der Kernaussage falsch,
während die Prognosen, die auf gegenteiligen Methoden beruhten und ausdrücklich das Gegenteil meiner
Prognosen behaupteten, allesamt komplett versagt
haben. 18
Das historische Umfeld
Diese Methode der Analyse und Vorhersage habe ich
erfolgreich auf die Krise angewandt, in deren Mittelpunkt der Einfluß der mörderischen, wahnsinnigen
Ideologie steht, die als Brzezinskis, Huntingtons und
Bernhard Lewis' Verschwörung zum „Kampf der Kulturen" bekannt ist. Für ein kompetentes Verständnis des
38
Problems, das sich durch den fraglichen Putschversuch
stellt, müssen wir diese Verschwörung und die damit
verbundenen Entwicklungen zum allgemeinen Umfeld
in Bezug setzen — dem gleichen Umfeld, in dem auch
die physische Wirtschaftswissenschaft angesiedelt ist.
Man kann die Ursachen oder die verrückte Wirkung der
Brzezinski-Verschwörung nicht wirklich rigoros und
kompetent beurteilen, ohne diese Strategie des „Kampfes der Kulturen" in die langfristige Evolution der inzwischen weltweit verbreiteten europäischen Zivilisation
einordnen.
Das Problem, das sich durch die entscheidenden
Implikationen der Ereignisse des 1 1 . September stellt,
muß daher in den Zusammenhang der letzten 600 Jahre der Weltgeschichte gestellt werden — und dort vor
allem in den Zusammenhang der großen Umwälzungen
in der europäischen und anderen Kulturen im Gefolge
der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika als
erstem erfolgreichen Modell eines modernen, souveränen, konstitutionell-republikanischen Nationalstaats.
Ich muß an dieser Stelle noch einmal in wesentlichen
Aspekten definieren, was ich unter der „neuzeitlichen
europäischen Zivilisation" verstehe. Ich entwickele diese Definition im Rahmen der angegebenen Prognosemethode und untersuche davon ausgehend die wesentlichen Lehren aus der Geschichte der neuzeitlichen
europäischen Kultur.
Zunächst zähle ich einige Kernfragen amerikanischer
Politik auf, die in den Zeiträumen 1400-1648, 16881 7 6 3 und 1 776-1901 wurzeln, die man nicht ignorieren
darf. Dann konzentriere ich mich auf die entscheidenden Aspekte der Entwicklungen des letzten Jahrhunderts, angefangen mit der Zeit 1 8 9 4 - 1 9 0 1 1 9 und weiter
bis zu dem laufenden Zusammenbruch des derzeitigen
Weltwährungs- und Finanzsystems. Dies sind dann die
wesentlichen typischen Fakten, die man berücksichtigen muß, um von Fall zu Fall zu beurteilen, was gerade
in den Köpfen führender politischer Kräfte in der Welt
vor sich geht.
Ich unterteile die weltweit einflußreiche neuzeitliche
europäische Kulturnach 1400 zusammenfassend in die
folgenden Hauptphasen:
1 . Die neuzeitliche Geschichte beginnt mit der Renaissance des 1 5 . Jahrhunderts mit Zentrum in Italien,
aus der die neuzeitliche Experimentalphysik und der
souveräne Nationalstaat geboren wurden.20
2. Große Teile der darauffolgenden beiden Jahrhunderte sind ein „kleines finsteres Zeitalter" der europäischen Zivilisation, wie Trevor-Roper und andere es
nennen: die von Venedig und den Habsburgern
dominierte Zeit gegen die Renaissance gerichteter
Religions- und anderer Kriege in dem Zeitraum
1 5 1 1 - 1 6 4 8 , bis mit dem Westfälischen Frieden der
moderne Nationalstaat wiedererstand.
3. Als nächstes folgte der Aufstieg einer am Vorbild
Venedigs orientierten anglo-holländischen Seemacht
— typisch sind die Anfänge der späteren Macht der
Britischen Ostindiengeselischaft im Umkreis des
Tyrannen Wilhelm von Oranien und danach 16891763.
4. Die Phase des amerikanischen Kampfes für die
Unabhängigkeit von der anglo-holländischen Tyrannei und von der imperialen Tradition der Habsburger
von 1 763 bis 1789 ist der wichtigste Bezugspunkt für
die anschließende Gegenreaktion gegen die Amerikanische Revolution, aus der nach der Ermordung
von US-Präsident McKinley 1 9 0 1 die gegenwärtige
anglo-amerikanische imperiale Seemachtsherrschaft
der Finanzoligarchie entstand. Diese Gegenreaktion
in Form der ursprünglich anglo-holländischen, neovenezianischen Finanziersherrschaft über große Teile der Welt wurzelt in dem philosophischen Empirismus, der die Welt in die derzeitige Zusammenbruchskrise des Währungs- und Finanzsystems getrieben hat.
5. In diesem Umfeld finden sich dann die weltweiten
revolutionären Auswirkungen der Amerikanischen
Revolution 1776-89; die in der US-Verfassung ausgedrückten Prinzipien wurden zum Vorbild und Bezugspunkt für jede grundsätzliche Alternative zu der
schwindenden Macht der dekadenten Habsburger
wie auch zu den gegenwärtig vorherrschenden,
ursprünglich anglo-holländischen Modellen einer
weltweiten imperialen Seemachtsherrschaft der
Finanzoligarchie.
6. Besonders seit der Auflösung der Sowjetunion 198991 sollte offenbar sein, daß die amerikanischen Revolutionen von 1776-89 und 1 8 6 1 - 7 6 die besten
Strömungen der europäischen Zivilisation für den
Kampf um eine wirkliche Republik um sich scharten.
Wie die dazwischenliegende und nachfolgende
Geschichte eindeutig gezeigt hat, geht von diesen
beiden amerikanischen Revolutionen seitdem und
noch heute die einzige bekannte Bedrohung der
neovenezianischen, anglo-holländischen Variante
einer maritimen, imperialen Finanzoligarchie und
des verderblichen Empirismus und seiner Derivate
aus. 21 Die besten Aspekte aller Volkswirtschaften seit
1 7 8 9 folgen dem Vorbild der Prinzipien des sog.
Amerikanischen Systems der politischen Ökonomie.
7. Mit dem Triumph der USA unter Präsident Abraham
Lincoln über die britische Monarchie und deren
Handlanger, die Konföderierten, kreiste der weltweite Konflikt zwischen Nationen und Kulturen um
die Wahl zwischen dem Amerikanischen System von
Alexander Hamilton, Mathew und Henry Carey
sowie Friedrich Lists und dem entgegengesetzten
britischen System der politischen Ökonomie. Selbst
wenn man die bedeutende Rolle der Sowjetunion
während des Großteils des 20. Jahrhunderts berücksichtigt — die Weltwirtschaft heute, nach 1 9 8 9 - 9 1 ,
ist im wesentlichen geteilt in zwei gegensätzliche
Kräfte, die man so kurz wie zutreffend als die beiden
gegnerischen Konzepte des amerikanischen Systems
und des anglo-holländischen Systems der politischen Ökonomie beschreiben kann. Alle anderen
Konflikte bewegen sich notwendigerweise historisch
im Umkreis des andauernden Konflikts zwischen
diesen beiden Konzepten.
Dieser letztere grundlegende Konflikt hat verschiedene Aspekte, die allerdings miteinander verwoben sind:
Erstens: Das Amerikanische System der politischen
Ökonomie, wie es der erste amerikanische Finanzminister Alexander Hamilton umschrieb, gründet auf dem
gleichen Prinzip vom Gemeinwohl, auf dem zuvor
schon die Idee des souveränen Nationalstaates und
deren Verwirklichung beruhte. Die Umsetzung dieses
39
Prinzips im Zug der Renaissance des 1 5 . Jahrhunderts
und der Herrschaft Ludwig XI. in Frankreich und Heinrich VII. in England definiert die geschichtliche Existenz
der neuzeitlichen europäischen Zivilisation. Die Vorstellung vom Gemeinwohl als eines der höchsten Prinzipien des Naturrechts steht im Mittelpunkt dessen, was
man die „amerikanische intellektuelle Tradition" nennen sollte — die Tradition, aus der ich komme und die
ich vertrete, während Prof. Elliotts Protege Henry Kissinger sie erklärtermaßen haßt.22
Zweitens: Die demokratisch-republikanische Form
des konstitutionellen Amerikanischen Systems der politischen Ökonomie ist dem anglo-holländischen „liberalen" System axiomatisch entgegengesetzt — das letztere beruht auf außerordentlicher Macht und Privilegien
der finanzoligarchischen Klasse, wie sie etwa die
Holländische und die Britische Ostindiengesellschaft
verkörpern. Der Streit zwischen Präsident Franklin D.
Roosevelt und Premierminister Winston Churchill
während des Zweiten Weltkrieges ist ebenso typisch für
die Konfliktpunkte wie der Konflikt zwischen mir und
den Kreisen um Elliotts Golems Kissinger, Huntington
und Brzezinski von 1 9 7 2 bis heute.
Drittens: Das anglo-holländische System beruht auf
der Hobbesschen oder ähnlichen Idee eines axiomatischen permanenten Konflikts zwischen und innerhalb
von Nationen. Das Amerikanische System der großen
Amerikaner wie John Quincy Adams, Abraham Lincoln
und Franklin D. Roosevelt dagegen zielt auf die Errichtung einer erweiterten, dauerhaften („multipolaren")
Prinzipiengemeinschaft völlig souveräner nationalstaatlicher Republiken. Die typische Ideologie der moralisch
und intellektuell heruntergekommenen Anhänger Professor William Yandell Elliotts in den letzten 50 Jahren
ist typisch für den Trend hin zu den extremsten Formen
eines neuen ultramontanen integral istischen Dogmas
eines Universalfaschismus (anders kann man es nicht
mehr nennen).23
Dementsprechend ist es die größte Tragödie für das
amerikanische Volk, daß immer wieder die Feinde des
Amerikanischen Systems in den USA selbst die Überhand gewinnen konnten. So wurden die Vereinigten
Staaten nach der Ermordung McKinleys im 20. Jahrhundert — mit Ausnahme der Präsidentschaft Franklin
D. Roosevelts — zunehmend korrumpiert und von
einer internationalen Finanzoligarchie beherrscht, die
manchmal als „die ABC-Kabale" (amerikanisch-britischkanadisch) von Finanz-, Rechts- und akademischen
Kreisen bezeichnet wurde. Dazu gehören einflußreiche
Finanzinteressen und die mit ihnen verbundenen
Rechtsanwaltskanzleien, die zusammen die Regierungseinrichtungen massiv unterwandert haben und von einflußreichen steuerfreien und anderen Denkfabriken hinter dem Einfluß von Elliotts Golems repräsentiert werden.
Der jetzt heranstürmende endgültige Zusammenbruch des gegenwärtig vorherrschenden Währungsund Finanzsystems ist im wesentlichen ein interner,
selbstverschuldeter Zusammenbruch des Systems, das
seit der Zeit unmittelbar nach dem Tode Franklin D.
Roosevelts die Welt kontrollierte und das seit dem
Zusammenbruch des Sowjetsystems vorübergehend
versucht, sich als globale imperiale Macht aufzuspielen.
Nur in diesem Rahmen der auf diese Weise definierten Geschichte der Neuzeit lassen sich die Gründe und
die Lösungsmöglichkeiten der Krise des 1 1 . September
angemessen verstehen. In der folgenden Chronologie
beschränke ich mich auf die wenigen Höhepunkte dieser Geschichte, die für ein kompetentes Verständnis der
jetzigen weltstrategischen Krise unverzichtbar sind.
Aufstieg und Niedergang der amerikanischen Macht
Die folgenden Entwicklungen ab 1789 sind die wichtigsten historisch-kulturellen Hintergründe der Bedeutung
der USA für die wesentlichen weltweiten Entwicklungen
des 20. Jahrhunderts.
Die zentrale Wasserscheide des Fortschritts der neuzeitlichen politischen Geschichte nach 1 7 1 4 war der
gemeinsame Vorstoß führender Vertreter der klassischen
kulturellen und wissenschaftlichen Tradition der neuzeitlichen europäischen Zivilisation für die Gründung
einer neuzeitlichen, souveränen, nationalstaatlich verfaßten Republik in den englischsprachigen Kolonien
Nordamerikas. Dieser Widerstand gegen die Tyrannei
sowohl der Habsburger als auch der anglo-holländischen imperialen Herrschaft ist noch heute das wichtigste Erbe der ganzen neuzeitlichen europäischen Geschichte. Der Triumph der Sache der amerikanischen
Unabhängigkeit und der Entwurf der US-Verfassung
1 787-89 bildeten den größten politischen Fortschritt der
Staatskunst der europäischen Zivilisation, bis dann in
der Folge des 1 4 . Juli 1 789 der Jakobinerterror in Frankreich begann.
Der Jakobinerterror 1789-94 und die darauffolgende
faschistische Tyrannei Napoleon Bonapartes unterbra-
40
chen jedoch vorübergehend die Verbindungen der USA
zu ihrem europäischen Verbündeten Frankreich, ohne
dessen Hilfe die amerikanische Unabhängigkeit kaum
möglich gewesen wäre.24
Nach Napoleon sorgte dann 1 8 1 4 - 1 5 der Wiener
Kongreß für eine zeitweise neue imperiale Machtaufteilung in Europa, wobei die britische Monarchie und
Habsburgs Heilige Allianz gemeinsam herrschten.
Unter diesen strategischen Bedingungen waren die USA
von 1789 bis zu Abraham Lincolns erfolgreichem Krieg
gegen die Konföderierten 1 8 6 1 - 6 5 weitgehend isoliert;
sie wurden von ausländischen Großmächten angegriffen und waren verräterischen Einflüssen im eigenen
Land ausgesetzt: mit London verbundenen Bankiers,
Sklavenhaltern der Südstaaten, habsburgischen Komplotten sowie den Auswüchsen des Pöbels der Familie
Bonaparte, die sich auf ihre Weise in unsere Angelegenheiten einmischten.
Als die USA die französischen Besatzungstruppen des
Marionettenkaisers der Habsburger und Napoleons III.
aus Mexiko vertrieben, traten sie damit erstmals als
Weltmacht auf, deren Einfluß nicht auf ihre Hemisphäre beschränkt war.23 Die US-amerikanischen Siege von
1 8 6 1 - 6 5 setzten sich in einem Prozeß agro-industrieller
Entwicklung fort, der sich u.a. in der Jahrhundertausstellung in Philadelphia 1 8 7 6 zeigte. Der Erfolg des Amerikanischen Systems von Henry Carey im Zeitraum 1 8 6 1 76 führte dazu, daß Deutschland, Rußland, Japan und
viele andere Nationen nicht nur wesentliche Aspekte
des Amerikanischen Systems übernahmen, um ihre
Volkswirtschaften zu verbessern, sondern auch daraus
lernen wollten, wie die USA mit dem transkontinentalen
Eisenbahnprogramm den amerikanischen Kontinent
vom Atlantik bis zum Pazifik erfolgreich erschlossen
hatten.
Von der Schlacht bei Cettysburg 1 863 bis zur Ausstellung in Philadelphia 1 8 7 6 entwickelten sich die USA
somit zur stärksten Bedrohung sowohl für das britische
Empire als auch für die Überreste der Habsburgertyrannei. Deshalb organisierte ein von London geführtes und
von den Habsburgerinteressen gestütztes Spionagenetz
den Mord an Präsident Lincoln, begann einen Wirtschaftskrieg gegen die USA und förderte verräterische
Strömungen in den USA, bis hin zu dem Mord an Präsident McKinley im Jahr 1 9 0 1 , bei dem Emma Goldman
vom Settlement House in der New Yorker Henry Street
mitwirkte.
Zugegeben, auch nach McKinley haben die USA im
20. Jahrhundert noch relativ an militärischer und wirtschaftlicher Macht hinzugewonnen — aber es waren
nicht mehr die USA, wie sie durch Präsident Lincolns
Sieg entstanden waren.
Kompetente Untersuchungen der amerikanischen
Innen- und Außenpolitik der vergangenen hundert Jahre
konzentrieren sich darauf, welche Implikationen es hatte, daß sich Lincolns Sieg über die Konföderierten ins
Gegenteil verkehrte, als nacheinander zwei Parteigänger der Konföderierten Präsident wurden: Theodore
Roosevelt und der Ku-Klux-Klan-Anhänger Woodrow
Wilson (und später der Oligarch Calvin Coolidge). Wie
Präsident Franklin D. Roosevelt gegenüber den amerikanischen Wählern, aber auch gegenüber Winston
Churchill wiederholt betonte, gibt es im politisch-wirtschaftlichen Prozeß der USA eine grundsätzliche Spaltung: Die amerikanische intellektuelle Tradition der
Gründerväter steht axiomatisch gegen die amerikanische Tory-Tradition — die Leute, die „britische Methoden aus dem 1 8 . Jahrhundert" bevorzugten, wie Roosevelt es formulierte. Jeder, der die amerikanische
Geschichte anders erklären will als vor dem Hintergrund dieses grundlegenden kulturellen und moralischen Konflikts innerhalb unserer Nation, beweist damit
nur sein Unverständnis oder seine Böswilligkeit.
Wenn wir den gesamten Zeitraum des weltweiten
Machtanstiegs der neuzeitlichen europäischen Zivilisation seit der Renaissance des 1 5 . Jahrhunderts überblicken, müssen wir den größten Teil der Zeit von 1 9 0 1 2001 relativ gesehen als ein „neues finsteres Zeitalter"
der Menschheitsgeschichte bewerten.26 Zwei Weltkriege, die Große Depression und der Aufstieg faschistischer Diktaturen nach dem Ersten Weltkrieg, der sogenannte „Kalte Krieg", die Welle intellektueller und
moralischer Dekadenz — wofür die zahllosen Zog inge
William Yandell Elliotts nur ein typisches Beispiel sind
—, die Mordanschläge und politischen Putsche in
Nord- und Südamerika und Europa zwischen 1962-65
sowie der Niedergang der amerikanischen und europäischen Volkswirtschaften ab 1965 und dem schlimmen
Verfall der Finanz- und Währungspolitik 1 9 7 1 - 2 0 0 1 —
dies alles rechtfertigt die Bezeichnung „kulturelles finsteres Zeitalter" völlig.
Nur der Führung Franklin Roosevelts und dem wirtschaftlichen Wiederaufbau zwischen 1945-63 in Nordund Südamerika, Japan und Europa verdanken wir eini-
ge Lichtblicke in einem ansonsten schrecklichen und
jetzt immer rascheren Niedergang der Welt von 1 9 0 1
bis 2001.
Die Zeit 1962-65 war eine Phase intensiver Krise, darunter: faschistoide, militärputschartige Vorstöße gegen
die amerikanische Regierung, die Kuba-Krise von 1962,
die Mordanschläge auf den großen französischen
Staatspräsidenten Charles de Gaulle, der politische
Staatsstreich gegen den britischen Premierminister
Harold Macmillan, der erzwungene frühzeitige Rücktritt
des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, die
Ermordung Präsident Kennedys, der Beginn des ersten
Indochinakrieges der USA, die Krankheit der ersten
Amtszeit des britischen Premierministers Harold Wilson
und der erzwungene Rücktritt Bundeskanzler Erhards in
Deutschland. Diese und andere wichtige Ereignisse dieser Zeit bedeuten eine Zäsur zwischen der allgemeinen
wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung während des
Nachkriegswiederaufbaus 1945-63 und dem immer
rascheren allgemeinen moralischen und wirtschaftlichen Niedergang, für den Richard Nixons an den KuKlux-Klan angebiederter Präsidentschaftswahlkampf
1966-68 ein überdeutliches Signal war.
Mit Ausnahme sehr weniger Lichtblicke ist es seit dieser zentralen Wende von 1962-65 mit der weltweit verbreiteten europäischen Zivilisation in moralischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht immer schneller
bergab gegangen.
So wie der Jakobiner-Terror 1 789-94 die Bedingungen
dafür schuf, daß die erste faschistische Tyrannei unter
Napoleon Bonaparte entstehen konnte, so schuf die
wiedererlangte Kontrolle der britischen Monarchie über
die USA unter den Präsidenten Theodore Roosevelt,
Woodrow Wilson und Calvin Coolidge günstige Voraussetzungen für den Aufstieg der faschistischen Tyranneien des 20. Jahrhunderts, z.B. unter Mussolini und
Hitler, die sich ausdrücklich an den Traditionen der
faschistischen Herrschaft des selbsternannten Cäsaren
und Pontifex Maximus Napoleon Bonaparte orientierten.
Betrachten wir die Entwicklung der Nachkriegsgruppe
des Harvard-Professors und Nashville-Agrariers Elliott
vor dem gesamten Hintergrund der Entwicklungen in
Frankreich von 1 7 8 9 - 1 8 1 5 , des faschistischen Diktators
Napoleon III. und der neuromantischen Seuche des
Kulturpessimismus — angefangen mit den Existentialisten Schopenhauer und Nietzsche bis zu Adolf Hitler,
Martin Heidegger und Theodor W. Adorno —, dann
sollte es uns nicht überraschen, wenn wir erkennen, daß
die Ideologien des Kultes eines globalisierten oder Universalfaschismus wie bei Huntington und Brzezinski
41
heute, typische Vertreter einer neuen Seuche faschistischer Ideologie sind, die implizit noch schlimmer sind
als die berüchtigsten Protagonisten der 20er und 30er
Jahre.
Vor seinem leider zu frühen Tod hatte sich Präsident
Franklin Roosevelt bei den Planungen für die Nachkriegszeit vorrangig darum bemüht, ein Bretton-WoodsSystem zu errichten, das nicht nur die Verheerungen
von Depression und Krieg in Europa und auf dem amerikanischen Kontinent heilte, sondern das auch die Seuche von Adam Smiths „Freihandelssystem" sowie sämtliche Überreste des portugiesischen, holländischen, britischen und französischen Kolonialismus ein für allemal
beseitigen sollte. Der Leichnam des Präsidenten war
noch nicht ganz kalt, da begannen seine Nachfolger
schon mit brutalen Militäraktionen zur Rekolonialisierung und zur Einleitung eines von London inszenierten
neuen strategisch-militärischen Konflikts zwischen den
USA und ihrem ehemaligen Kriegsverbündeten, der Sowjetunion.
Das Bretton-Woods-System war, obwohl es kein wirklich gerechtes System war, in bestimmtem Maße und in
wichtigen Aspekten sehr erfolgreich, verglichen mit
dem rundum gescheiterten System der freien Wechselkurse ab 1 9 7 1 , das derzeit gerade der ganzen Welt um
die Ohren fliegt.
Die Bedeutung der Krise von 1962-65 liegt darin, daß
sie eine neue Ebene der gegenseitigen Abhängigkeit
zwischen den rivalisierenden anglo-amerikanischen
und sowjetischen Atomsupermächten schuf. Im Zuge
dieser Veränderungen wurden gleichzeitig auch die
zentralen wirtschaftlichen und anderen staatstragenden
Axiome der Zeit vor 1 9 6 2 rigoros und oftmals blutig
ausgemerzt, und so wurde der Weg frei für den allgemeinen sog. „kulturellen Wertewandel", der am stärksten die nach 1 945 geborene Generation von Studenten
u.a. prägte.
In dieser Verwirrung nach der Krise von 1962-65
gelangte der angesammelte Müll der „linken" Richtung
von H.G. Wells und Bertrand Russell und des „rechten"
kulturellen Abschaums der „Nashville Agrarier"-Nachfahren der Gründer des Ku-Klux-Klans zunehmend in
einflußreiche Positionen des kulturellen und politischen
Lebens der USA.
Wenn man berücksichtigt, wie die Nettoinvestitionen
in grundlegende Infrastruktur nach 1 9 7 1 zurückgingen,
und wie das wissenschaftliche und industrielle Potential, das die Mondlandung ermöglicht hatte, in den 70er
Jahren immer rapider verloren ging, so muß festgestellt
werden: Seit 1966/67 erlebt die amerikanische Binnenwirtschaft einen langfristigen Wachstumsrückgang, und
seit 1 9 7 1 wandelte sich dies zu einem Prozeß der absoluten Schrumpfung der Binnenwirtschaft.
Am schlimmsten war diese wirtschaftliche Desintegration unter dem von Brzezinski handverlesenen Präsidenten Jimmy Carter. Seit 1 9 7 7 erlitten die früher stolzen und optimistischen unteren vier Fünftel der Einkommensbezieher in Amerika einen immer schnelleren
Rückgang ihres Anteils am Nationaleinkommen,
während die amerikanische Volkswirtschaft gleichzeitig
immer mehr darauf angewiesen war, mit Hilfe der ang-
42
lo-amerikanischen politischen Macht, andere Nationen
— vor allem in Süd- und Mittelamerika, Afrika und Asien — durch Finanz- und Währungsschwindel und
„Globalisierung" auszuplündern.
Mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Systems
1989-91 wurde die anglo-amerikanische Finanzoligarchie zum vermeintlich unangefochtenen imperialen
Herrscher der Welt, der alle anderen Nationen, einschließlich des westlichen Kontinentaleuropas, quasi
auf den Status von Satrapien oder noch weniger reduzierte. Die massive Ausplünderung der Sowjetunion,
vor allem von 1 9 9 1 - 9 8 , war dabei die größte Subvention einer ansonsten intern zusammenbrechenden Wirtschaftsmacht der Anglo-Amerikaner.
Als 1997-98 die inhärent unvermeidlichen internationalen Finanz- und Währungskrisen eintraten, war praktisch nichts mehr übrig, was die anglo-amerikanischen
Finanzinteressen noch ausplündern konnten. Das
unvermeidliche Ende der heutigen Politik der herrschenden anglo-amerikanischen Finanzinteressen war
klar und deutlich sichtbar. Diesen Interessen schlug die
Stunde, ihnen wurde etwas verkündet, was sie nur als
die kommende Götterdämmerung verstehen konnten.
Deshalb wird die Welt seit diesem Wandel nach 1 9 9 6
von Ereignissen wie denen im Gefolge des 1 1 . September erschüttert.
Die USA könnten einigermaßen bequem aus dieser
Krise herauskommen. Es wäre zwar vorübergehend mit
nicht gerade geringen Strapazen verbunden, aber wie
Franklin Roosevelts Politik von 1933-45 zeigt, wäre es
nicht notwendig, Lösungsmöglichkeiten außerhalb der
Prinzipien unserer Verfassung von 1 789 zu suchen. Tatsächlich habe ich — angefangen mit meiner in den USA
landesweit ausgestrahlten Berliner Fernsehansprache
vom Oktober 1988 — immer wieder konkrete, praktikable Perspektiven dafür aufgezeigt, wie die USA unter
den Bedingungen des damals von mir prognostizierten
baldigen Zusammenbruchs des sowjetischen Systems
eine neue und bessere Rolle in der Welt übernehmen
könnten.
Während der gesamten letzten 35 Jahre, in deren Verlauf ich meine heutige internationale Bedeutung erlangte, habe ich stets betont, daß eine Rückkehr zum „Amerikanischen System der nationalen Ökonomie", wie es
US-Finanzminister Alexander Hamilton nannte, unserer
Regierung die grundsätzliche politische Orientierung
geben würde, um unserem Volk und den Völkern anderer Nationen einen endlosen Fortschritt immer besserer
Lebensbedingungen zu ermöglichen, was auch das
Angebot einer neuen Partnerschaft mit der wirtschaftlich zerstörten Sowjetunion einschloß. Dies gilt heute
immer noch.
Die Gefahr von Militärputschen und ähnlichen
Schrecklichkeiten in den USA selbst hat nichts mit
irgendeinem ehrenwerten wirtschaftlichen Eigeninteresse Amerikas zu tun. Nur für die gewaltigen Exzesse der
Finanzparasiten sind die von mir vorgeschlagenen
Reformen eine Bedrohung. Die Gefahr kommt von
denen, die lieber die ganze Welt zur Hölle schicken
würden, als den USA ihre Verfassung und damit eine
Politik für das Gemeinwohl des Volkes zurückzugeben.
Brzezinski und Hitler
Betrachten wir, um die Ereignisse des 1 1 . September
wenn man den Zustand der britischen Wirtschaft heute
besser zu verstehen, noch einmal Hitlers Staatsstreich
bedenkt — leider bedauernswert falsch war.
vom Januar-März 1 9 3 3 . Es gab und gibt nichts, was die
Jener Schacht, der Hitler im Dienste der mit Montagu
explizit anglo-amerikanischen Maßnahmen, durch die
Norman verbundenen anglo-amerikanischen Finanziers
Hitler in Deutschland an die Macht kam, entschuldigen
an die Macht brachte, wurde im März 1 9 3 3 Präsident
könnte. Hätte der von Montagu Normans Komplizen
der Reichsbank. So verließ Schacht, sich in Sicherheit
wiegend, auf die Zustimmung der anglo-amerikanikorrumpierte Reichspräsident Hindenburg nicht Reichskanzler von Schleicher entlassen, so hätte der Amtsanschen Finanzgrößen, Hitlers Mobilisierung für den spätritt von Präsident Franklin Roosevelt in den USA im
teren Einmarsch in die Sowjetunion zu beginnen, wie
März 1 9 3 3 den Zweiten Weltkrieg verhindert. Wäre von
sie in dessen geopolitischem Buch Mein Kampf
Schleicher bis zu Roosevelts Inauguration im Amt
angekündigt war. Wegen der Verhandlungen zwischen
geblieben, dann hätten Deutschland und die VereinigMolotow und Ribbentrop verliefen die Geschehnisse
ten Staaten praktisch identische
dann ein wenig anders, als England
erfolgreiche Wirtschaftsprogrames sich vor der Abdankung König
me gehabt, und es wäre niemals
Edwards VIII. vorgestellt hatte, aber
zum Zweiten Weltkrieg gekomdavon einmal abgesehen war der
men.
Zweite Weltkrieg bereits um 1934Kurz, die dem Londoner Hitler36 unausweichlich geworden.
Unterstützer Montagu Norman
Es gab im Verlauf der bekannten
nahestehenden anglo-amerikaniGeschichte immer wieder klar defischen Finanzinteressen haben im
nierte kritische Augenblicke der EntJanuar 1 9 3 3 gezielt gehandelt,
scheidung, an denen der allgemeine
damit der Zweite Weltkrieg nicht
Trend einer nachfolgenden, neuen
verhindert wurde. Sie hinderten
Geschichtsepoche so oder so prakReichsbankpräsident Hjalmar Schacht
tisch schon vorausbestimmt war. Die
führende Kreise Kontinentaieuro(links) und sein Hintermann, der britipas daran, ein Bündnis mit AmeriEreignisse in Deutschland vom Janusche Zentralbankchef Montagu Norman.
ka einzugehen, mit dem eine der
ar-März 1 9 3 3 waren typisch für solamerikanischen intellektuellen Trache entscheidenden historischen
„ Wie Henry Kissinger
dition entsprechende Politik weltMomente. Es ist grausam, aber wahr
später, so war Montagu
weit vorherrschend geworden
und auch notwendig, zu berichten,
wäre. Wie Henry Kissinger später,
daß
mit der Entscheidung der deutNorman und seinen
so war Montagu Norman und seischen Militärführung im Jahr 1934,
Kumpanen die Hölle auf
nen Kumpanen die Hölle auf Erden
trotz der Ermordung des Kanzlers
Erden lieber als eine Welt
lieber als eine Welt unter dem Einvon Schleicher nichts gegen Hitler
fluß der amerikanischen intellektuzu tun, der Untergang der deutschen
unter dem Einfluß der
ellen Tradition.
Generäle vom Juli 1944 schon voramerikanischen
Ich habe Mitte der 70er Jahre
auszuahnen war. Nach diesem Mord
intellektuellen Tradition."
persönlich eine vergleichbare kleiwar der Tod Hindenburgs nur noch
ne Erfahrung gemacht.
die letzte Formsache, die den Weg
Bei einem Treffen mit einem
für Hitlers Machtkonsoiidierung freiführenden Vertreter einer großen britischen Partei faßte
machte. Nur die führenden Persönlichkeiten in
ich zusammen, vor welcher Alternative das IWF-System
Deutschland, die diese fatalen, von London gewünschder freien Wechselkurse der Jahre 1 9 7 1 - 7 5 stand. Ich
ten Entscheidungen der Jahre 1 9 3 3 - 3 4 zuließen, trifft
argumentierte in Kürze, es wäre besser, wenn bestimmeine wesentliche Mitschuld an den Schreckiichkeiten,
te britische Interessen, die meine Vorschläge normalerdie aus diesen Entscheidungen folgten.
weise rundweg ablehnten, vielleicht doch den Weg der
Die Wirkung des voluntaristischen Prinzips in der
von mir vorgeschlagenen Weltwährungsreform einGeschichte hat also oft seine Schattenseiten.
schlügen, wenn sie sich nur daran erinnerten, was dabei
Die britische Rolle bei Hitlers Machtübernahme und
herauskam, als ihre Vorgänger den Schacht-Günstling
das Versagen der deutschen Generäle, die nicht verhinHitler in Deutschland an die Macht brachten. Ich schilderten, daß Hitler erst Reichskanzler und dann Diktator
derte die Lage kurzgefaßt als eine Alternative zwischen
wurde, ist nur ein typisches Beispiel für diese Schattendem „Schock" einer notwendigen Währungsreform und
seite. Wäre auch noch der Militärputsch gegen Franklin
den Folgen einer Fortsetzung der damals betriebenen
Roosevelt zu Beginn seiner Amtszeit erfolgreich geweWiederbelebung der Schachtschen Austeritätspolitik.
sen, dann wäre das 20. Jahrhundert eines der finstersten
Die Antwort auf meine Argumente war abrupt und
Zeitalter der ganzen Menschheitsgeschichte geworden.
kühl: „Ich bin mir sicher, wir würden Schacht Ihrem
Deshalb ist für mich das Beispiel, wie bestimmte deutSchock vorziehen." Ein Vierteljahrhundert später kann
sche Militärführer zuließen, daß Hindenburg Hitler an
man feststellen, daß ich offensichtlich recht hatte und
die Macht brachte, auch heute noch eine der furchtbardie britische Reaktion auf meine Argumentation —
sten Lehren der neuzeitlichen Geschichte. Die Ereignis-
43
se des 1 1 . September sind, wenn man sie im Lichte des
„Kampfs der Kulturen" von Huntington-BrzezinskiLewis betrachtet, für uns der wichtigste unmittelbarste
Grund ähnlicher Art, heute um das Schicksal der
Menschheit zu bangen.
Es ist kein irgendwie gearteter Faktor des objektiven
nationalen Interesses der Vereinigten Staaten, der die
Kräfte hinter den gefährlichen Verrückten wie Brzezinski und Huntington dazu treiben würde, schreckliche
Religionskriege und universalfaschistische Diktaturen
zu entfesseln. Wie die Lakaien der todgeweihten Götter
des Olymp, für die sie sich implizit halten, und wie die
Hintermänner von Scharons Feldzug, würden sie eher
das Universum zerstören, als einen Rückschlag für die
Sache ihrer wahnsinnigen Ideologie hinzunehmen. Sie
würden lieber in ihrer eigenen Hölle regieren, als nach
einem erhabenen Frieden zu streben.
Es gibt keinen vernünftigen Grund für das, was Scharon tut, oder für das, was die Unterstützer von Brzezinskis geopolitischem Wahnsinn vorhaben; doch weiß
jeder, der die Geschichte wirklich kennt, daß es dennoch geschehen kann, wenn man es nicht verhindert.
II. Kabale und Strategie
Zu Beginn des vorangegangenen Kapitels wiederholte
ich meine seit langem gehegte Ansicht, daß kompetente Strategie für zivilisierte Nationen schon immer eine
andere Bezeichnung für das war, was ich oben als Kultur definiert habe. Das galt für Augustinus' Lehre vom
gerechten Krieg ebenso wie für Moses Mendelssohn,
der das militärische Ausbildungsprogramm entwarf, aus
dem in Deutschland der beispielhafte Gerhard Schamhorst hervorging.
Oder, um das gleiche aus der Sicht der Wissenschaft
der Leibnizschen Monadologie und der Riemannschen
physikalischen Differenzialgeometrie zu veranschaulichen: Man findet die wesentlichen Elemente der Strategie nicht unter den Elfenbeinturmphantasien auf einer
Schautafel, auf einem Tisch oder im Sandkasten auf dem
Kinderspielplatz; vielmehr liegt das Wesen der Geschichte — so wie bei den großen Entdeckungen in der
Naturwissenschaft und in den charakteristischen Merkmalen der spezifischen physikalischen Geometrie dieses Bereiches — in der kognitiven Natur des menschlichen Individuums, der Quelle positiver Veränderungen.
Deshalb ist die Tatsache, daß das klassisch-humanistische Programm, das zur Grundlage des späteren deutschen militärischen Generalstabs wurde, von Moses
Mendelssohn entworfen wurde (auf Ersuchen von Wilhelm Graf Schaumburg-Lippe), nicht nur eine der
ergötzlichsten Ironien der modernen Militärgeschichte;
es ist auch eines der wichtigsten Beispiele für richtiges
strategisches Denken. Ich betone das hier wegen des
klaren Gegensatzes zu der inhärenten Mischung aus
Bösartigkeit, Wahnsinn und dem Hang zur Selbstvernichtung in der strategischen Doktrin der Kreise um die
unmoralische Harvard-Gruppe Elliott, Brzezinski, Huntington, Kissinger sowie ihrer Komplizen im Berufsmilitär innerhalb der USA und Israels heute.
Wie ich zu Beginn des letztes Kapitels zusammenfassend darlegte, leitet sich ein kompetentes Verständnis
von Strategie prinzipiell aus dem wesentlichen Unterschied zwischen der physikalischen Geometrie des
menschlichen Handels einerseits und dem für das Verhalten der Tiere charakteristischen Bereich andererseits
ab. Dies bedeutet, wie z.B. Mendelssohns Phädon zeigt:
Jede wirklich wissenschaftliche strategische Doktrin
beruht, ebenso wie jede große Erneuerung der klassischen Kultur in Wissenschaft und Künsten, auf einem
modernen Verständnis von Platons sokratischer Definition der Unsterblichkeit der souveränen individuellen
44
menschlichen Seele. Damit stellt sich die Frage: Für
welche wahrhaft unsterbliche Sache soll ein Mensch für
andere sein Leben hingeben? Entgegen der utopischen
„Negation der Negation" des Krieges als „ewiger Friede" beim unmoralischen Immanuel Kant und entgegen
der pervertierten Vorstellung vom Frieden als endlosem
Krieg bei Huntington: Es gibt nur eine Sache, für die ein
Mensch berechtigterweise sein Leben aufs Spiel setzen
soll — das ureigenste Interesse seiner unsterblichen Seele. Aus diesem Motiv heraus mag ein guter Mensch
Wunder vollbringen — und es ist auch schon oft geschehen!
Oder, um es anders zu formulieren, das sterbliche
Individuum hat nur das eine dauerhafte Interesse am
Leben, das Potential dieses sterblichen Lebens zu benutzen, um das wesentliche Interesse seiner unsterblichen
Seele zu erfüllen. Wir werden alle einmal früher oder
später sterben, was ist also dann unser weiterwirkendes
Eigeninteresse? Was für einen Beitrag für die weitere
Verbesserung der Zukunft wird unser Leben leisten,
wenn wir einmal tot sind? Was ist dann noch für uns
von Bedeutung? So werden mutige junge Soldaten sterben, während alte Soldaten — wie Präsident Charles de
Gaulle — vielleicht überleben, um durch dieses längere Leben zu dienen. Wie sieht der Beitrag unseres
Lebens für die Verbesserung des Gemeinwohls aller
Menschen, unserer Nation und der ganzen Menschheit,
aus, der nach uns weiterlebt?
Dies ist das Prinzip der Strategie, von dem sich der
Staat ebenso lenken lassen muß wie jedes moralische
Mitglied dieser Gesellschaft.
Der Fortschritt in der Entwicklung und im Verständnis
der Militärstrategie der neuzeitlichen europäischen Kulturen — von Leonardo da Vinci und Niccolö Machiavelli bis zu den revolutionären Neuerungen von Geistesriesen wie Lazare Carnot und Scharnhorst — reflektiert von seinem Wesen her die Entstehung der neuzeitlichen klassisch-humanistischen Idee vom wissenschaftlichen Fortschritt per se — ebenfalls Strategie. Der
Ursprung dieser Anwendung der Wissenschaft und
modernen klassisch-humanistischen künstlerischen
Komposition auf die Staatskunst im allgemeinen und auf
die militärische Praxis im besonderen liegt in der Entstehung des neuzeitlichen souveränen Nationalstaates.
Das oberste Prinzip, auf dem dieser Staat gründet, ist die
Förderung des Gemeinwohls aller Mitglieder gegenwärtiger und zukünftiger Generationen. Dies ist das wesent-
liehe Prinzip der neuzeitlichen europäischen Kultur im
allgemeinen und daher auch der kompetenten moder-
nen Strategie und militärischen Lehre und Praxis im
besonderen.
Die Hauptfragen einer so verstandenen Strategie wurden von den besten klassischen Spezialisten bereits in
beträchtlichem Ausmaß behandelt — auf vielerlei nützliche Arten, und teilweise hervorragend. Wie ich nun
darlegen werde, ermöglichen es mir jedoch meine eigenen wirtschaftswissenschaftlichen Entdeckungen, der
Sache noch viel weiter auf den Grund zu gehen und
Dinge zu erkennen, die früheren Erörterungen entgangen sind. Zu betonen ist, daß strategische Fragen vom
gleichen Standpunkt aus betrachtet werden müssen wie
die Förderung der Pro-Kopf-Arbeitsproduktivkraft durch
langfristige Investitionen in Wissenschaft und Technik,
die das Vermögen eines Volkes in bezug auf die potentielle relative Bevölkerungsdichte steigern.
So verfügt eine Gesellschaft durch die Verbesserungen
in der sozialen Praxis, die sich aus einer gesteigerten Lebensqualität ihrer Mitglieder ergeben, über ein strategisches Potential, das dem jeder oligarchischen Gesellschaftsform überlegen ist.
Die inneren und äußeren Gegner unserer amerikanischen Republik ließen sich in ihren Vorstellungen von
Macht von ihrer unmoralischen Bewunderung kriegerischer und mächtiger Ungeheuer leiten. Folgerichtig
übersehen sie in ihrem Versuch der Perfektionierung
ihrer eigenen Bestialität in der Regel die Lehre aus dem
Schicksal des mächtigen Tigers, der in der von Menschen aufgestellten Falle gefangen ist oder durch
menschliche Pfeile oder Gewehrkugeln hingestreckt
wird. An Ende wird weder Muskelkraft noch die „Rache
der verrückten Akademiker" der Smith-Richardson-,
Olin- oder Mellon-Scaife-Stiftung obsiegen, sondern die
Macht der Erkenntnis.
Auf diese Weise gelang es dem französischen König
Ludwig XL, die mächtige Gruppe seiner Gegner auszumanövrieren. Und genau so setzte Heinrich VII. in England eine revolutionäre Steigerung der Kultur und
Macht seiner Nation in Gang. Im Mittelpunkt der Strategie steht es, den Gegner der Zivilisation dazu zu verleiten, auf einem realwirtschaftlichen Terrain zu kämpfen,
das entwickelt wurde, um der edleren Gesellschaftsform
inhärent Vorteile an die Hand zu geben. Man sichert
einen dauerhaften Sieg, indem man den potentiellen
Gegner soweit bringt, daß er die Vorteile, die unser Sieg
ihm bringt, dem Ruin beider Seiten durch einen ungerechten Krieg vorzieht. Hier liegt der Schlüssel dazu,
warum auf die Lakaien des im Kern faschistischen
Romantikers und Nashville-Agrariers Elliott der Untergang wartet.
General MacArthur hat den Krieg im Pazifik schneller, besser und mit viel geringeren Verlusten gewonnen,
als seine Kritiker das gekonnt hätten, weil er, anstatt
unnötigerweise die Atombombe abzuwerfen, unnötige
Schlachten vermied und seine Kräfte soweit als möglich
gegen die wesentliche strategische Schwäche der Inselnation Japan konzentrierte. Wären die Atombomben
nicht abgeworfen worden, so hätte es wahrscheinlich
nur noch wenige Wochen gedauert, bis die wirksamen
Blockaden die widerstrebenden japanischen Militärführer gezwungen hätten, den Kapitulationsplan ihres Kaisers zu akzeptieren, aber Amerika hätte nicht in einem
völlig unnötigen Angriff Menschenleben verloren, und
das Kriegsende wäre für die Japaner wie für uns viel
schöner geworden.
So benutzte Carnot auf verschiedene Weise die
inhärente Überlegenheit Frankreichs — als vom Erbe
der Fronde befreite, führende Wissenschaftsnation der
damaligen Welt, deren Bauern gerade aus der feudalistischen Leibeigenschaft befreit waren —, um die drohende Auflösung der französischen Nation abzuwenden
und sämtliche ausländischen Invasionsheere jener Jahre
vernichtend zu schlagen. So wandten die Freunde
Friedrich Schillers dessen Studien über die von den
Habsburgern angeführten Religionskriege der Zeit 1 5 1 1 1648 an, um Rußland und seinen preußischen Verbündeten zu zeigen, wie man Kaiser Napoleons scheinbar unbesiegbarer Grande Armee eine tödliche Falle
stellt.
Der charakteristische Feind der Sache der Gründung
und Verteidigung der Institution des neuzeitlichen souveränen Nationalstaats war und ist die oligarchische
Tradition, die von der Kultur so bösartiger Gesellschaftsformen wie dem antiken Römischen Reich vererbt wurde. Dazu zählen auch die mit dieser Reichsidee verbundenen romantischen Traditionen, wie man sie noch
heute in der zum Faschismus neigenden kulturellen,
rechtlichen und militärischen Lehre und Politik z.B. bei
Elliotts Harvard-Co/ems antrifft.
Die wichtigsten Waffen dieser edlen Auseinandersetzung sind die Waffen der Erkenntnis — die ultimative
Waffe der Veränderung in dem Sinne, wie Platon ein
Prinzip der Veränderung als universell und grundlegend
definierte. Das wesentliche Merkmal des wirklich
gerechten Krieges in sieben Jahrhunderten neuzeitlicher
europäischer Zivilisation war der Einsatz von Entdeckungen universeller physikalischer Prinzipien —
sowohl sog. physikalische Prinzipien als auch solche
der klassischen Künste —, welche souveränen Nationalstaaten jene Veränderungen ermöglichten, durch die
sie die Macht von Imperien und anderen oligarchischen
Herrschaftsformen ausmanövrieren konnten. Das
Kampfpotential des einzelnen und seiner Einheit besteht
letztlich nicht in seiner Muskelkraft, sondern — wie bei
der besten, an der Auftragstaktik orientierten deutschen
militärischen Ausbildung in der Tradition Scharnhorsts
— in der Entwicklung seiner Erkenntniskraft, die es ihm
ermöglicht, angesichts mehr oder weniger unvermeidlicher und unerwarteter Aufgaben neue Flankenmanöver
zu konzipieren.
Die Revolution der Kriegführung in Frankreich von
1792-94 unter der militärischen Führung des Soldaten
und Wissenschaftlers Lazare Carnot und mit der Hilfe
seiner Mitarbeiter von der Ecole Polytechnique, ist auch
typisch für die fortgesetzte revolutionäre Weiterentwicklung der Kriegführung der Kreise der deutschen klassischen Humanisten Scharnhorst, Friedrich Schiller und
Wilhelm von Humboldt gegen den Faschisten Napoleon Bonaparte.27 Typisch für diese große Revolution im
Kriegswesen war, daß die Führung einer Masseninfante-
45
rie durch traditionelle berittene Oligarchen ersetzt wurde durch Bürgersoldaten wie den Ingenieur und Wissenschaftler Carnot und den klassisch-humanistisch
ausgebildeten Artilleristen Scharnhorst. Wenn wir einmal von der zweifelhaften und scheinbar unausrottbaren Eitelkeit Jominis absehen, können wir die Reformen
in West Point unter Sylvanus Thayer als Fortführung der
aus den Reformen von Carnot, Scharnhorst u.a. gezogenen Lehren innerhalb der Entwicklung der amerikanischen Tradition nach 1 8 1 5 betrachten.
Lincoln hat den Krieg 1 8 6 1 -65 gegen die Konföderierten mehr als gewonnen, und dabei half ihm der Einfluß des größten Ökonomen der damaligen Welt, Henry C. Carey. Careys Weisheit führte gegen die inhärente
moralische und wirtschaftliche Unterlegenheit (pro
Kopf) des Sklavenhaltersystems die inhärente agro-industrielle moralische Überlegenheit der Union ins Feld.
Ganz ähnlich liegt die inhärent selbstzerstörerische
Narrheit von Brzezinskis geopolitischem „Kampf der
Kulturen" in der Tatsache, daß die sozialen Kräfte, die
unter seiner Strategie eingesetzt werden sollen, nur vorhanden wären, wenn die weltweite menschliche Gesellschaft auf ein viel niedrigeres moralisches und wirtschaftliches Niveau als heute abstürzt. Dieser Sieg seiner schlechten Sache wäre der gemeinsame Untergang
der ganzen Menschheit, und bei so etwas gibt es keinen
Sieger.
Ja, der Krieg ist off eine harte Sache, auch wenn die
Befehlshaber und die von ihnen eingesetzten Leute
noch so gut und geschickt sind. Manchmal müssen
auch sehr grausame Schiachten gefochten werden, weil
sie für den Ausgang des ganzen Konfliktes entscheidend
sind; man entscheidet sich für sie nur, um andere
Schlachten so weit als möglich oder ganz zu vermeiden.
Heute müssen wir unsere [militärstrategischen] Planer
an ein Prinzip erinnern, das früher als selbstverständlich
galt: Das richtige Ziel ist es, das Schlachtfeld und den
Gegner zu beherrschen, nicht, ihn zu vernichten.
Auch Kissinger wird übel enden
Ironischerweise ist die pervertierte Mentalität von Brzezinski u.a. ein Echo der gleichen Konföderierten, die im
Ku-Klux-Klan-Erbe von Professor Elliotts NashvilleAgrariern auferstanden sind. Konzentrieren wir uns auf
den Versuch Elliotts und seiner Mitläufer, eine globale
imperiale Strategie zu entwerfen, die auf einer Vorliebe
für das Bild des Konföderierten von der „verlorenen
Sache" rückständiger Ländlichkeit und Sklaverei beruht.
Dadurch wird etwas bloßgestellt, worin man die leicht
auszunutzende axiomatische strategische Schwäche
jedes Dogmas von Elliotts Handlangern wie Kissinger,
Brzezinski, Huntington und ihren Konföderierten erkennen sollte.
Das gleiche, was man von Elliotts intellektuellem Harvard-Gezücht heute sagen kann, ließe sich — mit einer
wichtigen Einschränkung — auch darüber sagen, wie
Adolf Hitlers Ideologie seinen eigenen Untergang herbeiführte.
Diesen und ähnlichen Beispielen liegt ein tiefergehender, gemeinsamer Ausdruck dieses Prinzips zugrunde, das in bestimmter Art und Weise die ganze neuzeitliche Geschichte durchzieht. Beschäftigen wir uns jetzt
mit dem entscheidenden Fehler, der — genauso wie
Hitler — die Konföderierten und Anhänger von erbärmlichen Schurken wie dem Nashville-Agrarier Elliott sich
selbst vernichten ließ.
Seit dem Zusammenbruch des selbstverschuldet todgeweihten Römischen Reiches in seiner Westhälfte um
das Jahr 300 gab es zahlreiche Versuche, der Zivilisation wieder aufzuhelfen und an die hellenistische Kultur
ein halbes Jahrtausend vorher — bis etwa zur Zeit des
Mordes der Römer an Archimedes 2 1 2 v.Chr — anzuknüpfen.
So erlebte man während der dunkelsten Perioden des
sog. „finsteren Zeitalters" in Europa das Auftauchen des
Islam, der starke Renaissancekräfte in das Mesopotamien des Abbasiden-Kalifats, nach Ägypten und Spanien
führte. Die Zusammenarbeit zwischen Kalif Harun AI
Raschid und Karl dem Großen ist dafür typisch. Als
46
Karls Errungenschaften von den einfallenden Normannen und anderen ruiniert wurden, existierten gleichzeitig von Indien bis zu Ibn Sinas Iran Renaissanceeinflüsse.
In dem nun gerade zu Ende gegangenen Jahrtausend
gab es von Anfang an beständige Versuche, Europa von
der verkommenen Feudalherrschaft zu befreien. Typisch
für diese immer wieder vorhandenen Bemühungen sind
Abaelard von Paris, die großen Kathedralen wie
Chartres sowie die Hohenstaufen und Gleichgesinnte.
Typisch ist auch das große Werk des Dante Alighieri
und dessen Fortsetzung durch Petrarca.
Kennzeichnend für die Konflikte zwischen diesen Renaissance-Vorstößen und der von Venedig und seinem
viehischen Instrument, dem Haus Plantagenet, organisierten Verderbtheit, war eine wiederholte Zerstörung
der politischen und anderen realen Ressourcen, auf die
die intellektuellen Grundlagen der Renaissance-Bemühungen angewiesen waren. Der Zusammenbruch der
Gesellschaft in der Periode vom Zweiten bis zum Vierten Kreuzzug, der alptraumhafte Wahnsinn der Inquisition und die nach dem Vierten Kreuzzug noch ein Jahrhundert lang andauernde Fortsetzung des ultramontanen Vorstoßes für eine allgemeine „Globalisierung" verschlechterte den realwirtschaftlichen Zustand der
Gesellschaft so sehr, daß — in Verbindung mit einer
wucherischen internationalen Schuldenpyramide ähnlich der nach 1 9 7 1 entstandenen heute — Europa im
1 4 . Jahrhundert in ein selbstverschuldetes, massenmörderisches „neues finsteres Zeitalter" stürzte.
Die wiederholte Lehre aus der Geschichte ist: Der
Fortschritt der Gesellschaft erfordert unaufhörliche neue
wissenschaftlich-technische und ähnliche Verbesserungen in der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur
und der physischen Produktivität sowie ständige technologische Verbesserungen in den Lebensbedingungen
der Bevölkerung. Begleitet und gefördert werden solche
erfreulichen Entwicklungen durch den Anstieg und die
Ausbreitung kognitiven Wissens und die damit einher-
gehende Steigerung der physischen produktiven Arbeitskraft. Solche Entwicklungen müssen durch starke
politische Bewegungen und Institutionen befördert werden. Werden diese Bewegungen und Institutionen zerstört, droht die ganze Kultur wieder zu verfallen und der
Absturz in ein neues finsteres Zeitalter. Diese dringende
Warnung richtet sich besonders an die heute herrschenden Kreise in Regierungen und anderen Stellen.
Im Gesamtverlauf der europäischen Geschichte seit
dem Aufstieg des antiken Griechenland war die furchtbarste Entwicklung von allen der Aufstieg des alten Rom
und das rechtliche, moralische und militärische Erbe,
welches dieses Imperium und seine kulturelle Tradition
der weltweit ausgedehnten europäischen Zivilisation
seither auferlegt hat. In der Neuzeit war der Faschismus,
der als Reaktion auf die Amerikanische Revolution von
1776-1 789 geboren wurde und der aus dem Jakobinerterror von 1 789-94 und Napoleons Tyrannei entstand,
der extremste Ausdruck davon, welche Krebsgeschwüre
das romantische Erbe noch heute hervorbringt.
Huntingtons Buch The Saldier and the State (Der Soldat und der Staat) aus dem Jahr 1 9 5 7 und alle wichtigen
Produkte Huntingtons und Brzezinskis seitdem repräsentieren diese faschistische Tradition in der extremen
Form, die sich in der Kombination der Politik des
„Kampfs der Kulturen" mit den Ereignissen des 1 1 . September ausdrückt. Huntingtons Definition des Berufssoldaten ist nur die Heldenanbetung dieses spezifischen
faschistischen Typs, der den Nationalstaat stürzen und
eine Karikatur des alten heidnischen Römischen Reiches als heutige Weltregierung gründen soll.
Die Wurzel des Bösen, das bei Huntington und Brzezinski zum Ausdruck kommt, ist kulturell: ein Haß auf
die menschliche Natur, wie sie beispielsweise Moses
Mendelssohn definierte. Deshalb hegt die Kabale der
Elliott-Anhänger — wie Brzezinski, Huntington und Kissinger — nicht nur einen Haß auf die amerikanische
intellektuelle Tradition und will sie zerstören; im Grunde hassen sie — genau wie ihre Vorgänger Friedrich
Nietzsche, Thomas Huxleys Schüler H.G. Wells, Aleister Crowley und Bertrand Russell — die Menschheit,
oder, wie Nietzsche und seine Anhänger, Gott selbst.
Deshalb ist es jetzt eine quasi instinktive Reaktion der
oligarchischen Strömung der Gesellschaft, gezielte
Schritte einzuleiten, die unbewußt oder sogar bewußt
ein neues finsteres Zeitalter heraufbeschwören sollen.
Sie verlegen sich auf malthusianische und ähnliche
Maßnahmen und Handlungen, die alle implizit darauf
abzielen, das Bildungsniveau und den Lebensstandard
der breiten Bevölkerung zu senken. Das war der vorherrschende Trend in der amerikanischen und internationalen Währungs-, Wirtschafts-, Strategie- und Kulturpolitik, wie wir ihn in den USA besonders stark in den
letzten 35 Jahren erfahren haben...
Entsprechend schafft die entgegengesetzte Politik —
die Förderung eines höheren allgemeinen Lebensstandards der Bevölkerung, verbunden mit systematischem
wissenschaftlich-technischem und damit einhergehendem Fortschritt der Erkenntnisfunktionen — eine Bevölkerung, die oligarchischer Tyrannei widersteht, während
die Zerstörung der Instrumente des wissenschaftlichen
und sonstigen kulturellen Fortschritts die Bevölkerung
entmenschlicht und sie immer viehischer macht — so
wie es dem Großteil der amerikanischen Bevölkerung,
u.a. besonders den heutigen Kindern, seit den großen
Schocks der Jahre 1962-65 ergangen ist.
Es gibt viele Fälle in der Geschichte und, aus ihren
Artefakten ableitbar, auch in der Vorgeschichte, die veranschaulichen, daß zumindest die meisten der großen
Katastrophen, die in der Vergangenheit zum Sturz von
Imperien und zur Auflösung von Zivilisationen führten,
ein Grundprinzip widerspiegeln: Jede Gesellschaft, die
der allgemeinen Richtung folgt, wie sie einflußreiche
pro-oligarchische Verschwörungen — wie die von
Wells-Russell und die Kabale der Nashville-Agrarier —
seit den 50er Jahren verstärkt in Gang gesetzt haben,
wird sich damit selbst zerstören.
Der Kern des Arguments läßt sich folgendermaßen
zusammenfassen.
Das Beispiel der Amerikanischen Revolution von
1776-89 zeigt, daß eine besser ernährte und ausgebildete, fortschrittlichere Bevölkerung — so wie die Amerikaner jener Zeit bessere Lebensbedingungen und
Möglichkeiten hatten als die Völker Europas — die Verantwortung für ihr eigenes Schicksal tragen kann und als
ein Volk die geistige Verantwortung für ihre eigenen Entscheidungen übernimmt. Typisch dafür sind sowohl die
Unabhängigkeitserklärung von 1 7 7 6 als auch die Verfassung von 1789, die beide hinsichtlich ihrer inhaltlichen Qualität und Kohärenz allen späteren Verfassungen anderer Nationen überlegen sind. So haben wenige
Menschen ein großes Werk geschaffen.
Die aversiven und gefährlichen Bedingungen, die der
Jakobinerterror 1789-94, Napoleons Tyrannei und die
Unmoral der großen Machtblöcke des nachnapoleonischen Europa unserer jungen Republik auferlegten,
sorgten dafür, daß unsere Nation isoliert, unterdrückt
und leichter korrumpierbar war. Wir konnten uns von
dem moralischen Niedergang, für den die Erweiterung
der Sklaverei typisch war, zeitweise erholen — dank
Lincolns Sieg über das Böse, für das in den letzten hundert Jahren die Nashville-Agrarier beispielhaft stehen.
Die großen Feinde unserer Nation haben stets versucht, uns zu vernichten, indem sie uns zuerst dazu verleiteten, daß wir uns selbst zerstören — so wie sie dies
seit den Krisen von 1962-65 mehr oder weniger erfolgreich getan haben.
In unserer gesamten Geschichte als Republik seit
1 776 war die wichtigste Stoßrichtung des Versuchs, uns
zu zerstören — ob durch Feinde von außen oder durch
Verräter und Irre im Innern —, immer die Propagierung
des falschen, radikal empiristischen Dogmas vom „Freihandel". Indem sie uns dazu verleiteten, uns dem „Freihandel" und entsprechenden Dogmen zu verschreiben,
haben sie einen großen Teil unserer Volkswirtschaft zerstört, ihr weiteres Wachstum gehemmt und wachsende
Teile unseres Volks verarmen lassen — so wie die Institution der Sklaverei auch die geistigen Lebensbedingungen der Nichtsklaven ruinierte und sie gleichzeitig auch
physisch ausbeutete.
Lassen wir uns von all diesen schrecklichen Fakten
nicht den Mut nehmen. Unsere Einsicht in die unmora-
47
lischen Methoden heutiger Menschheitsfeinde wie
Elliotts Harvard-Brut lenkt unseren Blick — hoffentlich
— auf zwei zwanghafte und tödliche Strategiefehler bei
ihnen, die wir potentiell ausnutzen können. Indem sie
der Gesellschaft die Mittel nehmen, von denen deren
Stärke abhängt, machen sie die Gesellschaft, über die
sie herrschen wollen, entsprechend anfälliger für ihren
eigenen Ruin — sei er von selbst ausgelöst oder von
außen aufgezwungen oder eine Kombination von beidem. Genau diese Entwicklung sehen wir heute in den
USA, in der früheren Sowjetunion, in West- und Mitteleuropa, in Afrika und in ganz Nord- und Südamerika.
Kurz, die Leute in den Fußstapfen von Wells, Russell,
Elliott usw. sind wild darauf fixiert, in das Boot, das sie
so hassen, ein Loch zu schlagen; nur übersehen sie
dabei, daß sie mit dem Boot höchstwahrscheinlich
selbst mit untergehen werden. Oder — wie Russell ein-
mal zu erkennen gab — es ist ihnen lieber, daß die
ganze Welt zum Teufel geht, als daß sie in einer Welt
leben müßten, in der die amerikanische intellektuelle
Tradition herrscht. Man betrachte hier nur die gegenwärtige faschistische Militärdiktatur in Israel, die so
fanatisch entschlossen ist, ihre Pläne zu verwirklichen,
daß sie scheinbar lieber in den selbstverschuldeten
Untergang rast, als auch nur darüber nachzudenken,
unter welcher alternativen Politik ein vernünftiges Israel
überleben könnte. Elliotts Mannschaft, und die wahrhaft fanatischen Anhängern von Wells und Russell,
wünschen scheinbar nichts sehnlicher als die Ekstase,
auf dem Wagnerianer-Scheiterhaufen ihrer eigenen Götterdämmerung zu verbrennen.
Vergleichen wir dies mit gewissen relevanten Ironien
darin, wie Hitlers malthusianische Ideologie Deutschland unter seiner Tyrannei in die Selbstzerstörung führte.
Hitler mußte es erfahren
Lügner und ihnen geistig verwandte Narren haben versucht, die charakteristischen Prämissen des Nazismus
fälschlich auf angebliche Ursprünge wie die „deutsche
Ideologie" allgemein, den preußischen Militarismus
oder den Einfluß des „deutschen Industrialismus"
zurückzuverfolgen. Genau das Gegenteil ist wahr: So
wie in der amerikanischen Geschichte der verwandte
Fall der quasi-faschistischen Konföderierten Staaten
oder wie die Nashville-Agrarier und andere Anhänger
ihrer „verlorenen Sache", so war auch der Nazismus
eine Krankheit, die alles zerstörte, was unter ihre Herrschaft geriet. Wie Hitler das wissenschaftlich-industrielle und andere von früher her vorhandene Potential in
Deutschland ausbeutete, während er versuchte,
Deutschlands eigene kulturelle Wurzeln zu zerstören,
das veranschaulicht uns ausgezeichnet die heutige
Beziehung zwischen der Krankheit — Elliotts Brut —
und dem kulturellen Erbe der Nation, die sie befällt.28
Wie Mussolini war Hitler explizit ein Faschist nach
dem Vorbild der Ideologie und dem Vorgehen Napoleon
Bonapartes in Frankreich, aber auch eine noch unmoralischere Variante der nachnapoleonischen Romantik in
der Abstammungslinie des faschistischen Ideologen
G.W.F. Hegel29 und der noch heute wirksamen Wellen
des Kulturpessimismus und ähnlicher Verkommenheit
bei den neukantianischen existentialistischen Ideologen
Schopenhauer, Nietzsche, Martin Heidegger, Karl Jaspers, Theodor Adorno, Hannah Arendt u.a.30
Die Nazis waren auch fanatische, axiomatisch wissenschaftsfeindliche Malthusianer — die Politik der
„nutzlosen Esser" und der „Todeslager" ist allzu typisch
für dieses axiomatische Element. Die eigentliche Aufgabe, die London den Nazis ursprünglich zugedacht hatte, war jedoch die, das wissenschaftlich-industrielle und
militärwissenschaftliche Erbe Deutschlands dazu einzusetzen, um eine Kriegsmaschinerie zu schaffen, die sich
selbst zerstört, indem sie ebenso im russischen Morast
zugrundegeht wie Napoleons Große Armee. Die
inhärent exzellenten Überreste des Erbes der deutschen
klassisch-humanistischen Bewegung in der deutschen
wissenschaftlichen, künstlerischen und Scharnhorst-
48
Moltke-Tradition gehörten also zu den (sozusagen
„erbeuteten") Werkzeugen, die das Hitler-Regime für
seine militärischen Ziele vergeudete.
Tatsächlich waren — wie ein früher Bekannter Huntingtons, Oberst Trevor Dupuy, 1984 schrieb — die
deutschen Militärinstitutionen gerade wegen der Tradition Scharnhorsts und Helmuth von Moltkes (der „alte"
Moltke) selbst noch im Zweiten Weltkrieg pro Kopf
betrachtet faktisch denen aller anderen Nationen überlegen.31 Im wesentlichen gründet dieses überlegene
Potential auf der Tradition der „Auftragstaktik", dem von
Scharnhorst eingeführten und vom „alten" Moltke
besonders betonten Ausbildungs- und Führungsprinzip
gegenüber unteren Offiziersgraden und Unteroffizieren.
Diese Tradition war von den klassisch-humanistischen
Kreisen um Schiller und die Humboldt-Brüder sozusagen „eingeimpft" worden. Es liegt eindeutig außerhalb
der Vorstellungskraft eines Huntington, zu erkennen,
daß die Auftragstaktik nichts anderes ist als die Methode der klassisch-humanistischen Bildung auf das Kriegswesen übertragen.
Ergänzend läßt sich etwas über die Rolle der deutschen Wissenschaft sagen.
Die neuzeitliche Geschichte der deutschen Wissenschaft erlebte zwei entscheidende Phasen. Die erste
betrifft die Ausläufer der in Italien konzentrierten Wissenschaft des 1 5 . Jahrhunderts — damals das Weltzentrum der Wissenschaft. Dieser Entwicklungsstrang verlief über Brunelleschi, den Begründer der modernen
Experimentalwissenschaft Nikolaus von Kues, über
Kues' Anhänger und Nachfolger Luca Pacioli und Leonardo da Vinci, über den Begründer der umfassenden
modernen Mathematik Johannes Kepler bis zu den wissenschaftlichen Entwicklungen um Gottfried Leibniz,
bei denen Frankreich im Mittelpunkt stand. Die zweite
Phase begann unter der Führung des Leibniz-Anhängers
Abraham Kästner, dem Lehrer Gotthold Lessings und
Carl Gauß', und verlief weiter zu den deutsch-französischen Kreisen von Lazare Carnot, Gaspard Monge,
Alexander von Humboldt, Lejeune Dirichlet, Wilhelm
Weber und Bernhard Riemann.
Im Verlaufe dieses Bündnisses anti-empiristischer
Leibniz-Anhänger unter französischen und deutschen
Wissenschaftlern — und auch mit dem Wissenschaftler
Benjamin Franklin, der einmal Kästners Gast war —
ging die Rolle des Weltführers in wissenschaftlichen
Entdeckungen von Frankreich, das diese Stellung seit
der Zeit Jean-Baptiste Colberts innehatte, auf Deutschland über.
Dieser Verlust der führenden Position Frankreichs in
der Wissenschaft war das Ergebnis von drei miteinander
verwandten, aber unterschiedlichen zerstörerischen
Einflüssen, die die Anhänger des Empirismus in Frankreich eingeführt hatten.32 Erstens wurde die von Monge
und Legendre geleitete Ecole Polytechnique, die damals
führende wissenschaftliche Einrichtung der Welt, unter
Napoleons Diktatur ruiniert. Das zweite war der zunehmende politische Einfluß von Anhängern des Leibnizfeindlichen Empirikers Leonhard Euler — stellvertretend
dafür steht Lagrange —, durch den die französische
Wissenschaft zunehmend unter den korrumpierenden
Einfluß von Laplace, Cauchy, Poisson u.a. geriet. Das
dritte waren die politischen Anordnungen der Restaurationsmonarchie, die nach dem Wiener Kongreß von den
Briten in Frankreich eingesetzt wurde, womit die Ecole
vollends zerstört wurde, als Monge ins innere Exil und
Lazare Carnot ins äußere Exil nach Polen und dann
nach Preußen gehen mußte, während die Schwindler
Laplace und Cauchy an die Spitze gesetzt wurden.
Das beste der französischen Wissenschaft blieb der
Welt hauptsächlich dank der Intervention Alexander
von Humboldts erhalten, der mit der ursprünglichen
Ecole Polytechnique verbunden und zu jener Zeit ein
enger Verbündeter Carnots war. In der Zeit der Bourbonen-Restauration rettete Humboldt — der wichtigste
Förderer von Carl Gauß — viele wesentliche Beiträge
der französischen Wissenschaft über Kanäle wie Crelle's
Journal. Um die Mitte des 1 9 . Jahrhunderts hatte Humboldts Einfluß entscheidend dazu beigetragen, die
Errungenschaften der deutschen Wissenschaft zu konsolidieren; im Mittelpunkt standen dabei die großen Köpfe wie Gauß, Wilhelm Weber, Dirichlet und Riemann.
Um diesen Punkt zusammenzufassen: Die Entwicklungsspanne der deutschen Wissenschaft von Kepler bis
Riemann umfaßt den Aufstieg Frankreichs zum internationalen Zentrum des wissenschaftlichen Fortschritts bis
zum Jakobiner-Terror 1 789-94 sowie den von Humboldt
über die Kreise Lazare Carnots und der Ecole Polytechnique organisierten Übergang zum Aufstieg Deutschlands zur Weltführung in der Wissenschaft Ende der
20er Jahre des 1 9 . Jahrhunderts. Trotz des Widerstandes
der entgegengesetzten englischen und französischen
„Aufklärungs"-Fraktion machte diese französisch-deutsche Entwicklung der modernen Wissenschaft seit der
Renaissance Fortschritte und wurde zur vorherrschenden offiziellen Position in den wissenschaftlichen Institutionen Deutschlands, bis ein klarer Niedergang einsetzte, als Hermann Helmholtz und die Anhänger des
radikalen Positivisten Ernst Mach die Überhand gewannen. Seit jener Zeit ist es — trotz einiger wichtiger
Schritte nach vorn in wichtigen Bereichen — mit der
allgemein anerkannten akademischen Vorstellung von
Wissenschaft und Wissenschaftsmethode massiv und
immer rascher bergab gegangen; besonders zu nennen
ist dabei die Rolle Bertrand Russells und seiner Konföderierten in vielen Nationen von den 90er Jahren des
1 9 . Jahrhunderts bis heute.
Diese fortschrittlichen Entwicklungen in der deutschen Wissenschaft im 1 8 . und 1 9 . Jahrhundert verliefen teilweise parallel zur Geschichte der anti-romantischen, klassischen Kultur in Deutschland während jener
Jahrhunderte, überlappten sich vielfach aber auch mit
ihr. Diese Verbindung wird unterstrichen durch den Verweis darauf, wie vehement die Anführer der klassischen
Renaissance in Deutschland im 1 8 . Jahrhundert — Kästner, Lessing und Mendelssohn — das Erbe von Leibniz
und von J.S. Bach gegen die Dekadenz von Rameau
und Fux in der Musik und Antonio Contis Netzwerk um
Voltaire, Euler, Lambert, Lagrange, Laplace, Cauchy u.a.
in der Naturwissenschaft verteidigt haben. Die Wiederbelebung der klassischen Methode in der Kunst, für die
der Einfluß von Goethe, Schiller und Heinrich Heine
gegen die Romantiker typisch ist, zeigte sich auch in der
Geschichte der klassischen — anti-romantischen —
Kompositions- und Aufführungspraxis in der Musik bei
Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Felix Mendelssohn, Schumann und Brahms.
Alle diese ausdrücklich klassischen, anti-romantischen Strömungen im Militärwesen, in der Naturwissenschaft und in den Künsten bildeten für gewöhnlich
im Familienleben der entsprechenden Menschen eine
Einheit. So gingen etwa in meinem Fall das gemeinsame
Abendessen und ähnliche amerikanische intellektuelle
Traditionen direkt auf einen Vorfahren zurückging, der
als Zeitgenosse Abraham Lincolns geboren war. Ein solches kulturelles Erbe überdauert meist drei, vier oder
mehr Generationen, wenn es nicht durch irgendeinen
traumatischen Eingriff zerstört wird. Sowohl in dem vom
Neffen des britischen Königs Edward VII., dem närrischen romantischen Kaiser Wilhelm, fehlgeleiteten
Deutschland wie auch im später von Hitler in Besitz
genommenen Deutschland war noch eine lebendige,
entscheidende, breite Strömung des Erbes der deutschen Klassik aus der zweiten Hälfte des 1 8 . und der
ersten Hälfte des 1 9 . Jahrhunderts lebendig, die auf den
Einfluß von Kästner, Lessing, Mendelssohn, Haydn,
Mozart, Goethe, Schiller, Beethoven, Scharnhorst, den
Humboldts usw. zurückging.
So wurde auch das klassische kulturelle Erbe Deutschland, das von der Hitler-Diktatur beträchtlich ausgehöhlt und unterdrückt wurde, in der Zeit unmittelbar
nach Hitler gleich wiederbelebt, bis es im Gefolge der
Krisen von 1962-65 ab der Mitte der 60er Jahre zugrunde gerichtet wurde. Während der Hitler-Zeit selbst
konnten die Machthaber über die Errungenschaften der
früheren deutschen Kultur verfügen.
Allerdings war es auch dieses klassische Erbe, was die
Nazi-Ideologen am meisten haßten und fürchteten. Daß
Goebbels' Propagandaministerium über die offiziellen
Soldatensender klassische Werke an die Truppen ausstrahlte, ist typisch dafür, wie besorgt das Regime darum
war, sich bei den Deutschen möglichst akzeptabel zu
machen. Die Aktivitäten des großen Dirigenten Wil-
49
heim Furtwängler zum Schütze seiner jüdischen Musikerfreunde zeigen in typischer Weise, warum das HitlerRegime vorsichtig war und seine „Abrechnung" mit den
Traditionen der deutschen Bevölkerung auf die Zeit
nach einem angestrebten Sieg im Krieg verschob.
Typisch für das paradoxe Schicksal von Wissenschaft
und Technik unter den Nazis ist, daß das deutsche
Raumfahrtprogramm weitgehend unterdrückt wurde,
bis die „Wunderwaffen"-Hysterie des Regimes einsetzte.
Die effektivsten Institutionen in Deutschland unter
Hitlers Herrschaft — u.a. im Militär, in der Wissenschaft
und im technischen Fortschritt der Industrie und Infrastruktur — waren diejenigen, die der Nazi-Ideologie am
stärksten entgegenstanden. Es war in vieler Hinsicht
dem ähnlich, wie die Faschisten in Amerika nach 1945
— typisch waren in den 50er und 60er Jahren Leute wie
Elliott und die Anhänger Bertrand Russells — das wissenschaftliche und andere Potential der USA, das die
Gesinnungsgenossen Russells und der Nashville-Agrarier besonders haßten, für ihre Zwecke benutzten, um
die Vereinigten Staaten in eine Richtung zu drängen, die
der amerikanischen intellektuellen Tradition, die diese
Errungenschaften geschaffen hatte und ausdrückte,
genau entgegengesetzt war.
Die Politik der „Weltregierung durch atomare Abschreckungswaffen", die Wells, Russell und ihre zahlreichen Komplizen in der Zeit von 1 9 1 3 - 1 9 4 6 eingeführt hatten, wurde unausweichlich nicht nur eine Politik zur Zerstörung des modernen Nationalstaates einschließlich der USA selbst, sondern auch ein Vorwand,
den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt zu
blockieren, ja mehr noch, durch die „Rock-Drogen-SexGegenkultur" und die Verbreitung des verwandten
„neumalthusianischen" Kultes, die Uhr des wissenschaftlichen Fortschritts zurückzustellen und früher
erreichten technischen Fortschritt wieder rückgängig zu
machen.
Auf diese Weise zerstören die Anhänger und Komplizen der Wells-Russell-Kabale und der Nashville-Agrarier und ähnlich Gesinnte die Mittel, die für dauerhafte
militärische Siege notwendig sind, und deshalb sind sie
bestrebt, Territorien und Menschen, die sie mangels Mitteln nicht mehr beherrschen können, einfach zu zerstören.
Um diesen Aspekt abzurunden: Die Strategie der
Nazis für die Zeit von Hitlers Herrschaft war in allen
wesentlichen Elementen Ausdruck eines Impulses, der
notwendig zur Selbstzerstörung der Teile der Welt
führen mußte, die nach Hitlers Strategien und Politik
zerstört oder sogar ausgelöscht werden sollten. Diese
selbstzerstörerische Haltung der Nazis gegenüber den
Völkern und Territorien, die sie besetzt hatten oder
unterwerfen wollten, war eine Imitation des Römischen
Reiches, das bereits mit dem Beginn der großen Eroberungswelle ab dem Ende des dritten Jahrhunderts v.Chr.
in sich zusammenzubrechen begann. Dieses besondere, entscheidende Element einer letztlich selbstmörderischen Torheit in Hitlers Ideologie und Praxis wiederholte sich in einem größeren Maßstab in den Auswirkungen des wachsenden Einflusses der Anhänger und Kumpane von H.G. Wells, Bertrand Russell und den Nashville-Agrariern im Falle der USA und Großbritanniens
heute.
Die wirtschaftlichen Konsequenzen
Mir geht es hier vor allem darum, zu unterstreichen,
warum die „Erfolgschancen" der Handlanger der SmithRichardson-, Olin- und Mellon-Scaife-Stiftungen heute
weit schlechter sind als die der Hitler-Bande vor fast 70
Jahren. Die Zerstörung der Ressourcen im Herrschaftsbereich der britischen Monarchie und der USA in den
letzten 35 Jahren, seit dem Wendepunkt der Jahre 196265, ist relativ betrachtet viel weiter fortgeschritten als
die Selbstzerstörung Deutschlands und der besetzten
Gebiete unter Hitler damals.
Für den Vergleich der Lage zu Beginn der Depression
von 1929-33 mit der, die sich in den letzten 35 Jahren
entwickelt hat, ist folgendes zu bedenken.
In der Periode vom Beginn des Krieges der USA gegen
die Konföderierten 1 8 6 1 bis zum Ende des Jahres 1 9 1 7
gab es einen vergleichsweise schwindelerregenden Aufbau des wirtschaftlichen und militärischen Potentials;
dies wurde noch beschleunigt durch die Auswirkungen
der Mobilisierung der britischen Monarchie für ihr geopolitisches Abenteuer, das als der Erste Weltkrieg
bekannt wurde. Trotz einer beträchtlichen Abrüstung
und Wirtschaftsdepressionen nach 1 9 1 7 war der Kern
des militärischen und verwandten Potentials, das Ende
1 9 1 7 existierte, immer noch mobilisierbar, als Londons
Handlanger Schacht 1 9 3 3 Deutschlands Aufrüstung für
das später der Zweite Weltkrieg genannte Abenteuer in
50
Gang setzte — ein Zeitraum von 1 5 Jahren. Die derzeitige in die Tiefe gehende Zerstörung der Volkswirtschaften Nord- und Südamerikas sowie Europas wurde
bereits in den Wendejahren 1962-65 begonnen. Und
diese Zerstörung des produktiven und damit zusammenhängenden Potentials der Bevölkerungen und
Volkswirtschaften in Amerika und Europa lief in den
vergangenen gut 35 Jahren mit stets wachsendem Tempo weiter.
Die heute noch andauernden Balkankriege der jüngeren Zeit sowie die jüngsten israelischen Operationen
gegen die Palästinenser und die US-Operationen in Afghanistan sind typisch für die Auswirkungen der Kombination wirtschaftlicher, kultureller und militärischer
Faktoren, die das kumulative Endergebnis aus 36 Jahren
— fast zwei Generationen — Paradigmawandel in Kultur, Wirtschaft und Strategie insbesondere in den USA
sind.
Die zunehmende Abhängigkeit von Luftschlägen —
wobei immer mehr die Extreme betont werden, vom
massiven Abwurf „normaler" Bomben (wie zur Zeit des
Zweiten Weltkriegs) bis zu weitreichenden Abstandswaffensystemen — ist weniger ein Ausdruck der Luftüberlegenheit als vielmehr des Verlustes der Fähigkeit,
in traditioneller Weise vor Ort politisch entscheidende
Kontrolle zu gewinnen. Manche halten diese Verände-
rungen für einen Fortschritt, in Wahrheit aber bedeutet
dieses Ersetzen einer Politik der politischen Kontrolle
am Boden durch eine Politik der völligen Zerstörung,
daß Supermächte tendenziell am Boden immer stärker
angegriffen werden, wo immer dies bequem möglich
ist. So verwandelt sich im ironischen Zeitalter der
Superwaffen der militärische Konflikt mehr und mehr in
eine Parodie des Konflikts der Steinzeit — ein Trend,
dessen letzte Konsequenz nicht die imperiale Herrschaft
ist, sondern der Zerfall von Möchtegern-Imperien unter
der zersetzenden Wucht des allgemeinen Absturzes in
ein mehr oder weniger den ganzen Erdball umfassendes
neues finsteres Zeitalter.
Die Geschichte kennt Narrheiten, die denen von
Elliots Komplizen durchaus ähnlich sind. Man denke an
Shelleys berühmtes Kurzgedicht Ozymandias, oder an
den Untergang aller Kulturen Mesopotamiens vom Fall
der als Sumer bekannten dravidischen Seekolonie bis
heute. Man denke daran, wie Babylon und die nachfolgenden Achämeniden sich selbst zum Untergang verurteilten. Man denke an den Untergang Roms, der durch
die Fehler seiner eigenen Kultur verschuldet war — u.a.
durch eine Militärpolitik, wie sie derzeit von den Komplizen des verstorbenen Professor Elliott nachgeahmt
wird, vor allem aber durch die tragische Politik, mit Hilfe der sogenannten „öffentlichen Meinung" herrschen
zu wollen (ähnlich wie heute das „Projekt Demokratie"). Man denke an den Untergang, der die triumphierenden Feinde des Hohenstaufenkaisers Friedrich II.
Mitte des 1 4 . Jahrhunderts auf ihrem siegreichen
Marsch in das „neue finstere Zeitalter" erwartete.
Was die fanatischen Anhänger von H.G. Wells, Bertrand Russell, Professor Elliott, die Smith-Richardson-,
Olin- und Mellon-Scaife-Stiftungen etc. uns allen und
auch sich selbst bescheren, ist die Zerstörung durch den
beschleunigten Absturz der Menschheit in ein neues finsteres Zeitalter — wahrscheinlich in planetarer Größenordnung. Wo bleibt da ihre Aussicht auf Sieg? Es wäre
kein Sieg von Menschen, sondern ein Sieg von Epidemien, Pandemien und Tierseuchen — eine Herrschaft
von Parasiten und Saprophyten, die geistlos über die
menschliche Gattung triumphieren, weil diese sich
selbst zu Fall gebracht hat.
Dauerhafte friedliche Beziehungen in der Menschheit
sind nur möglich, wenn diese Beziehungen der ganzen
Menschheit einen mehr oder weniger unverzichtbaren
gegenseitigen Nutzen bringen. Solche dauerhaften
Beziehungen wiederum hängen ab von der kulturellen
und technologischen Entwicklung, die sukzessive Verbesserungen der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte der ganzen Menschheit ermöglicht hat.
In der Praxis erfordert ein solches Verständnis von
Beziehungen zwischen Menschen und ihren Nationen
nicht nur, daß diese Praxis gegenseitig von Nutzen ist;
eine Voraussetzung — und zwar eine zwingende — ist
daneben auch die Einsicht der Partner in die wesentlichen Eigenschaften einer solchen Beziehung. Was eine
Person mit einer anderen verbindet, ist nicht bloß die
Tatsache, daß die Existenz des einen dem anderen
nützt, sondern es müssen auch beide erkennen, daß dieser Nutzen existiert.
So sollte man die US-Außenminister John Quincy
Adams zugeschriebene Idee einer Prinzipiengemeinschaft (community of principle) souveräner Republiken
in ganz Amerika verstehen. Wir müssen gemeinsam versuchen, eine solche Prinzipiengemeinschaft aufzubauen, aber wir müssen auch sicherstellen, daß die beabsichtigte Errichtung einer solchen nutzbringenden
Beziehung tatsächlich auch für alle Beteiligten effektiv
von Nutzen sein wird.
!= Heines zweiter Grenadier
Huntingtons Buch The Sold/er And The State (Der Soldat und der Staat) aus dem Jahr 1957, auf dessen 1 8 .
Auflage ich mich beziehe, ist Ausdruck der langfristig
verbreiteten Dekadenz, zu der die amerikanische
Militärpolitik und Weltstrategie im Laufe der letzten 50
Jahre degradiert wurde... Schon die literarische Qualität
von Huntingtons Text hätte bestenfalls ausgereicht, Harvard und die Mittelmäßigkeit in Verruf zu bringen.33
Sein Argumentationsstil ist der eines logischen Positivismus', der sich selbst zu karikieren versucht; die Handschrift ist nicht die eines eigenständigen Denkers, sondern die typische Hinterlassenschaft eines akademischen Meßdieners aus dem Kreis von Elliotts Golems.
Seine Argumentationsmethode ist eine Ansammlung
willkürlicher, schlüpfriger „Elfenbeinturm"-Definitionen, wie sie ein pedantischer Professor seinen armen
leichtgläubigen Studenten an der Tafel vortragen würde.
Unglücklicherweise ist seine mangelnde Fähigkeit,
wirklich zu denken, noch das geringste Problem dieses
Buchs. Wie ich vor 55 Jahren während meines Militärdienstes in Asien gelernt habe, sind die dümmsten
Schlangen manchmal auch die giftigsten.
Die Gestalt des Berufssoldaten, die aus dem dicken
Nebel von Huntingtons Definitionen auftaucht, ist eine
Parodie jenes erbärmlichen Faschisten aus der besiegten Armee Napoleons, den Heinrich Heine in seinem
Gedicht Die Grenadiere als den ewig kaisertreuen Grenadier typisch schildert. (Robert Schumann nannte seine berühmte Vertonung des Gedichts Die beiden Grenadiere}.
Die Grenadiere
Von Heinrich Heine
Nach Frankreich zogen zwei Grenadier,
Die waren in Rußland gefangen.
Und als sie kamen ins deutsche Quartier
Sie ließen die Köpfe hangen.
Da hörten sie beide die traurige Mär,
Daß Frankreich verloren gegangen,
Besiegt und zerschlagen das tapfere Heer
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.
51
Da weinten zusammen die Grenadier
Wohl ob der kläglichen Kunde.
Der eine sprach: „Wie weh wird mir,
Wie brennt meine alte Wunde!"
Der andere sprach: „Das Lied ist aus,
Auch ich möcht mit dir sterben,
Doch hab ich Weib und Kind zu Haus,
Die ohne mich verderben."
„Was schert mich Weib, was schert mich Kind,
Ich trage weit bessres Verlangen;
Laß sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind —
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!
daß sie die Vorstellung eines Wahrheitsprinzips in der
Politik fanatisch ablehnen. Das zweite ist, daß sie die
naturrechtlichen Begriffe im Zusammenhang mit jener
einzigartigen, heiligen Qualität des menschlichen
Lebens, die ich zu Beginn dieses Aufsatzes im 1 . Kapitel unter der Rubrik „spirituell" behandelt habe,
mißachten und sogar hassen. Diese beiden axiomatisch
verderblichen Qualitäten ihrer Argumentation sind —
wie hier von mir — als ein jeweils unterschiedlicher,
aber kohärenter Ausdruck von etwas inhärent absolut
Bösem zu diagnostizieren.
Gewähr mir, Bruder, eine Bitt;
Wenn ich jetzt sterben werde,
So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,
Begrab mich in Frankreichs Erde.
Das Ehrenkreuz am roten Band,
Sollst du aufs Herz mir legen,
Die Flinte gib mir in die Hand,
Und gürt mir um den Degen.
So will ich liegen und horchen still,
Wie eine Schildwach im Grabe,
Bis einst ich höre Kanonengebrüll
Und wiehernder Rosse Getrabe.
Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
Viel Schwerter klirren und blitzen;
Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab —
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen!"
So ist also der selbsternannte Demokratieapostel Huntington in der Praxis ein Faschist. Er ist ein erklärter Prophet einer besonderen Art des Faschismus, des Universalfaschismus. Er propagiert ein universalfaschistisches
Weltreich, das seine verblendeten Anhänger mit der
magischen Vision einer kommenden Epoche eines weltweiten amerikanischen Imperiums lockt — eine Parodie
des aus eigener Schuld todgeweihten antiken Rom.
Ich habe in diesem Aufsatz schon wiederholt auf Henry Kissingers Rede im Chatham House vom 1 0 . Mai
1 9 8 2 hingewiesen. Eine Auflistung relevanter Schriften
von Huntington, Brzezinski und einiger ihrer notorischen Komplizen ist diesem Aufsatz beigefügt; ebenso
eine Aufstellung von einigen der wichtigsten steuerbegünstigten Stiftungen und verwandten Institutionen und
Personen. Entscheidend an diesen Referenzen ist, daß
sie ausreichen, um zu belegen, daß diese politischen
Entwürfe und ihre Autoren für etwas stehen, was mit
den ursprünglichen Absichten, die ich in Huntingtons
Der Soldat und der Staat erkenne, inhaltlich völlig übereinstimmten.
Mit diesem Buch von Huntington als Referenzpunkt
konzentriere ich mich in dem abschließenden Teil dieses Berichts jetzt auf zwei durchgängig erkennbare,
typische und hochrelevante Merkmale des Geisteszustands von Huntington (und Brzezinski). Das erste ist,
Die Grenadiere in Rußland.
Napoleon auf dem Rückzug.
Kant, Hannah Arendt und der Faschismus
Hannah Arendt, die Existentialistin und zeitweilige
Geliebte und Mitarbeiterin des Nazi-Philosophen Martin Heidegger, beharrte vehement auf der Doktrin, daß
es keine Wahrheit gebe, sondern nur Meinungen. Sie
unterstrich dabei, daß diese Idee ihre philosophische
Geltung im 20. Jahrhundert dem fortdauernden Einfluß
Immanuel Kants verdankte, dessen kritische Schriften
mit seiner Kritik der reinen Vernunft begannen. Schon
Friedrich Schiller hatte diese verderbliche Qualität von
Kants Einfluß erkannt und deshalb vor Kant gewarnt.
Auch Heinrich Heine, der Verfasser des Gedichts Die
Grenadiere, verwies in der berühmten ersten Ausgabe
seiner Schrift über Religion und Philosophie in Deutschland auf diese faschistische Qualität in Kants neoromantischem Einfluß.
Arendt selbst führt bei ihrer Argumentation zu Kants
Bedeutung unter den modernen existentialistischen Philosophen als Autorität ihren Mentor Karl Jaspers an.
Dieselbe existentialistische Doktrin, der Haß auf die
Idee, daß eine Wahrheit existiert, ist ein zentraler
Bestandteil der Nachkriegs-Propagandaschriften über
Die autoritäre Persönlichkeit von Theodor Adorno,
Hannah Arendt u.a.
In vielen amerikanischen Bildungseinrichtungen werden heute die Studenten terrorisiert und erniedrigt von
dem Einfluß jener Autoritäten, die im Gefolge von Adorno, Arendt u.a. darauf bestehen, es gäbe keine Wahrheit, sondern nur Meinungen oder sog. „Interpretationen". Kant war allerdings nicht so plump und ungebildet wie die gewöhnlichen dogmatischen Sozialtheoretiker an unseren heutigen Schulen und Hochschulen.
Seine Argumentation hatte zumindest den Anschein von
Rationalität und war daher besser geeignet, die gebildeten Schichten zu täuschen. Kants Einfluß auf diesem
Gebiet hat sich in den letzten 200 Jahren bis heute
erwiesen...
In der weltweit ausgebreiteten europäischen Zivilisation sind die wichtigsten Bekräftigungen der grundsätzlichen Verpflichtung, auf Fragen und andere intellektuelle Herausforderungen wahrhaftig zu antworten,
hauptsächlich auf die sokratischen Dialoge zurückzuführen. Es bedeutet, daß man kein moralisches Recht
hat, etwas zu glauben, nur weil man es zu glauben
gelehrt wurde; es ist auch nicht gestattet, einem Problem auszuweichen, indem man sich statt auf Beweise
auf mutmaßliche religiöse Autoritäten stützt, wie das die
gefährlichsten Gruppen unter den heutigen religiösen
Fanatikern tun. Wirklich moralisch sind nur Menschen,
die für alles, was sie als wahr bezeichnen, auch persönlich einstehen. Für diese Menschen ist ein solches Verantwortungsbewußtsein ein Ausdruck einer souveränen
Qualität persönlicher individueller Autorität, und sie
übernehmen grundsätzlich eine persönliche Verantwortung für die Folgen der Handlungen, die sie aus dem als
wahr Erkannten heraus vornehmen oder zu denen sie
andere veranlassen.
Im realen Universum bedeutet Wahrhaftigkeit nicht
die Autorität eines festen Glaubenssatzes, der als
Schatztruhe der absoluten Wahrheit betrachtet wird,
sondern die Verpflichtung, die den Individuen einer
Gesellschaft einzeln oder gemeinsam innewohnenden
Kräfte zu wecken, damit sie zu einem Urteil gelangen,
welches den besten zur Verfügung stehenden Fakten
und Möglichkeiten der Gesellschaft wahrhaft entspricht.
Wahrhaftigkeit ist auch die Entschlossenheit, jeden
Glaubenssatz aufzugeben, den man wahrhaftig als Irrtum erkannt hat.
Das Problem, Wahrheit zu definieren, liegt in dem
entscheidenden Punkt, auf den Immanuel Kant in seinen Kritiken weist: dem Prinzip der Hypothese. Kant,
der die Wahrheit haßte, kannte seinen selbstgewählten
Gegner gut und arbeitete fleißig daran, gerade diese einzigartige menschliche Qualität — die Vernunft — in
seinen auserwählten Opfern, soviele seine Doktrin nur
erreichen konnte, auszumerzen. Indem Kant rundum
ableugnet, daß die Hypothese wirksam existiert — diese Verleugnung ist ein Hauptthema seiner Kritik der reinen Vernunft —, leugnet er auch, daß eine Erkenntnis
der Wahrheit möglich ist. Auf diesen Punkt gründeten
die existentialistischen Nachfolger des Nazi-Vorläufers
Nietzsche — der Nazi Heidegger sowie Jaspers, Adorno, Arendt und Heideggers Anhänger Jean-Paul Sartre
— ihre nazistischen und verwandten Lehren.
Dieser Einfluß Kants ist von besonderer Bedeutung für
die politischen und soziologischen Charakteristika von
Elliotts Harvard-Schülern und — was noch wichtiger ist
— für die häßlichen Konsequenzen aller politischen
Praxis, die sich auf ihre Glaubenssätze gründet.
Kant vertrat ursprünglich den britischen Empirismus;
schon vor den 80er Jahren des 1 8 . Jahrhunderts war er
einer der führenden deutschen Vertreter des Empirismus
David Humes geworden. Er war zeit seines Lebens eng
mit den über ganz Europa verstreuten Leibniz-feindlichen Salons verbunden, die ursprünglich von Conti initiiert worden waren und denen auch Voltaire und der
Physiokrat Quesnay angehörten. Zu diesem Netz gehörte auch der Salon um Schlüsselfiguren der Berliner Akademie wie den Leibnizfeind und Reduktionisten Leonhard Euler. Um Kants Argumentation in seiner Reihe der
Kritiken zu folgen, muß man den Einfluß von Eulers
Angriffen gegen Leibniz in den Briefen an eine deutsche
Prinzessin berücksichtigen, denn dort findet man in
Eulers unwahrer Kernaussage die Matrix der Argumentation gegen die Wahrheit, die sich in Kants Kritiken
wiederholt.
Kant, sogar der Kant der Kritiken, repräsentiert denselben Empirismus wie früher schon Paolo Sarpi, Galileo,
Bacon, Hobbes, Locke, Antonio Conti, Newton, Mandeville, Quesnay und Hume. Kant drückt jedoch das
Wesen des Empirismus erstmals in den Kategorien einer
aristotelischen Argumentationsform aus. Kant verlegt
sich auf denselben Mathematiker-Zaubertrick wie vor
ihm der Newton-Anbeter Euler bei seinem Angriff auf
Leibniz' Kalkulus im allgemeinen und dessen Monadologie im besonderen.
Ob nun in der ursprünglichen Form Sarpis oder in
Gestalt des aufpolierten Empirismus von Euler, Lagrange, Kant, Laplace u.a., der Empirismus war seit der Her-
ausbildung des anglo-holländischen Modells im 1 7 .
Jahrhundert immer die charakteristische Ideologie der
gegenwärtig gefährdeten anglo-amerikanischen Version
einer maritim-imperialen finanzoligarchischen Herrschaft venezianischen Stils. Der so definierte Empirismus ist die einzige Religion, an die die Finanzoligarchie
wirklich glaubt, wenn es hart auf hart kommt. In diesen
Kreisen, so wie bei Hobbes und Locke, heißt der Empirismus auch: „Ist das denn nicht die ,menschliche
Natur'?" Von daher ist diese empiristische Tradition
unter anderem der Ursprung des modernen Faschismus.
Sie ist die axiomatische Grundlage der universal-faschistischen Charakteristik von Elliott, seinen Golems und
den finanzoligarchischen Interessen, deren typischer
Ausdruck die Smith-Richardson-, Olin- und MellonScaife-Stiftungen sind.
Nach den jetzt folgenden Bemerkungen, in denen ich
das hier zu behandelnde Problem in den entsprechenden Kontext stelle, werde ich klarmachen, warum Kants
intellektueller Biographie eine so große Bedeutung beizumessen ist.
Die Debatte über die Wahrheit
Schon seit den ersten historisch belegten Auseinandersetzungen über diese Frage der Hypothese stehen zwei
bestimmte, miteinander zusammenhängende politische
Fragen zur Debatte. Erstens stellt sich die Frage, ob die
individuelle Sinneswahrnehmung das Universum wahrheitsgemäß wiedergibt. Die zweite Frage ist, ob es eine
glaubhafte Tradition gibt — oftmals eine Ideologie
genannt —, die man den Sinneswahrnehmungen überlagern kann oder sollte, damit sie unser Handeln in
Reaktion auf das Universum, wie es sich innerhalb der
Grenzen der Sinneswahrnehmung darstellt, lenken
kann?
Willkürliche Formen religiösen oder sonstigen Glaubens sind Beispiele für solche überlagerten Traditionen
bzw. ihre in jüngerer Zeit zurechtgeschusterten Äquivalente. In der weltweit verbreiteten europäischen Zivilisation seit dem antiken Griechenland etwa war die
wichtigste Auseinandersetzung bei der Definition von
Wahrheit bzw. Erfahrung im physikalischen Universum
stets die Kontroverse zwischen der klassischen sokratischen Methode Platons und den sogenannten reduktionistischen Systemen, die wir noch heute aus der allgemein anerkannten Schulmathematik als Version einer
sog. euklidischen Geometrie kennen.
Um zum Kern der beiden Fragen vorzudringen,
betrachte man, wie im 1 5 . Jahrhundert aus der langen
Verderbnis des romantischen Einflusses die moderne
europäische Zivilisation und Wissenschaft auftauchte.
Meine Mitarbeiter und ich haben oft geschildert, warum
es so wichtig ist, aufzuzeigen, wie das schon früher von
der griechischen Wissenschaft errungene Wissen, daß
die Sonne den Mittelpunkt des Sonnensystems bildet,
unter dem Lügengebäude des romantischen Schwindlers Claudius Ptolemäus begraben wurde. Wir haben
wiederholt beschrieben, wie Johannes Kepler mit der
Entdeckung des Prinzips der universellen Gravitation
die unwissenschaftlichen Methoden von Ptolemäus,
Kopernikus und Tycho Brahe erfolgreich widerlegte.
Dieser Aspekt der antiken bis neuzeitlichen europäischen Astronomie ist eine der einfachsten Illustrationen
der Tatsache, daß der Aufstieg des Römischen Reiches
und sein späteres Erbe ein drastischer kultureller Niedergang war, von dem sich die europäische Kultur
erst erholte, als in der Zeit von Brunelleschi, Nikolaus
von Kues und Leonardo da Vinci bis Kepler die Methoden der klassischen Wissenschaftskultur wiederbelebt
wurden.
Keplers Gründung einer ersten Annäherung an eine
umfassende mathematische Physik ist der angemessene
Rahmen, um aufzeigen, wie in den vergangenen sieben
Jahrhunderten neuzeitlicher europäischer Geschichte
um die entscheidenden Fragen der Wahrheitsfindung
gekämpft wurde.
Unter dem im feudalen Europa vorherrschenden Einfluß der Ideologie des heidnischen Roms und der daraus
hergeleiteten Romantik beruhten die am weitestgehenden anerkannten Denksysteme axiomatisch auf bestimmten Elfenbeinturm-Annahmen, die man gewöhnlich mit dem Namen Aristoteles verbindet. Typisch ist,
daß noch bis weit ins 1 7 . Jahrhundert hinein viele Theologen den romantischen Schwindel des Claudius Ptolemäus verteidigten. Man ging davon aus, daß es gewisse kategorische Organisationsprinzipien im Universum
gäbe, die a priori existieren und vom menschlichen
Geist nicht in Frage gestellt oder zurückgewiesen werden konnten. Mit anderen Worten: eine Ideologie.
Daher kommen solche pathologischen Behauptungen
wie: „Man kann die menschliche Natur nicht verändern!" Ähnlich ging man davon aus — wie noch das
Werk neuzeitlicher Figuren wie Kopernikus und Tycho
Brahe —, daß physikalischer Raum und Zeit axiomatisch „euklidisch" wären.
Wer an solche Elfenbeinturm-Systeme glaubt, muß
also beobachtete Daten, wie z.B. Positionen von Planeten oder Sternen, in die Grundannahme einpassen, daß
alles im Universum mit den aristotelischen Elfenbeinturm-Annahmen übereinstimmen muß. Diese ideologische Dummheit haben alle sich sonst widersprechenden Systeme von Ptolemäus, Kopernikus, Brahe und
auch Galileo gemeinsam.
Kepler war der erste, der gegen dies den Begriff experimentell beweisbarer universeller physikalischer Prinzipien in den Aufbau einer umfassenden mathematischen
Physik einführte. Kepler nahm die Daten, die bewiesen,
daß die Umlaufbahn des Mars den aprioristischen,
euklidischen Annahmen von Ptolemäus, Kopernikus
und Brahe widersprach. Kepler stellte sich selbst die
Aufgabe, die in das Sonnensystem eingebaute Absicht
zu finden, die der beobachteten Differenz zwischen den
tatsächlichen Planetenumlaufbahnen und den Behauptungen des aristotelischen Elfenbeinturm-Dogmas entsprach. Wenn eine solche Absicht in dem von Kepler
eingeführten Sinne experimentell bewiesen wird, nennt
man sie ein universelles physikalisches Prinzip. Dieser
Begriff der Absicht, den Kepler in seiner Neuen Astronomie benutzt, heißt auch Hypothese. Eine solche platonische Hypothese liefert, sobald sie bewiesen ist, der
neuzeitlichen zivilisierten Gesellschaft ein Fallbeispiel
für die rigorose wissenschaftliche Bedeutung des
Begriffs Wahrheit.
Das gilt unmittelbar für die Physik; es ist aber, wie ich
in allen meinen Arbeiten zu den Prinzipien der physischen Ökonomie und Prognose betont habe, auch das
Modell für die Wahrheit von Prinzipien künstlerischer
Komposition und Wiedergabe sowie für eine Politik
nach den klassischen Prinzipien der Staatskunst, wie sie
die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung und die
US-Verfassung von 1789 prägen.
Kepler lehnte sich zwar an Arbeiten von Platon, Nikolaus von Kues, Luca Pacioli und Leonardo an, aber er
stellte mit seinem astrophysikalischen Werk zum ersten
Mal systematisch die Aufgabe, die Wirksamkeit universeller physikalischer Prinzipien durch entscheidende
experimentelle Messungen zu beweisen. Das war für
neuzeitliche Denker nichts Neues — weder für Nikolaus von Kues, der diese Rolle des Messens in der Wissenschaft definierte, noch für seine Nachfolger Pacioli
und da Vinci, und auch nicht für die relevanten Wissenschaftler aus vorrömischer Zeit —, aber es war das
wichtigste Element der Geburt einer Revolution im
europäischen Denken nach 1400 und wurde zur
Grundlage eines großen Fortschritts der europäischen
Wissenschaft und Wirtschaft gegenüber allen früheren
Gesellschaftsformen. Der Erfolg von Keplers Entdeckung schuf also einen revolutionären Fortschritt für
die Verteidigung des Prinzips der wißbaren Wahrheit.
Kepler definierte somit als erster wirkliche Astrophysik im Gegensatz zu einfacher Astronomie. Jede Kompetenz in der modernen Physik wurzelt in dieser Keplerschen Revolution. Die entscheidende Frage bei Kepler
und allen nachfolgenden wissenschaftlichen Entdeckungen ist: Was tritt an die Stelle des ElfenbeinturmAberglaubens über das Universum, der mit der aristotelisch aufgefaßten euklidischen Geometrie verbunden
war? Die Bedeutung von Keplers Entdeckungen bezüglich dieser Frage liegt darin, daß das von Kepler gewählte, implizit universelle Gebiet — die experimentelle
Astrophysik — als Ausgangspunkt für die Suche nach
Wissen über wahrhaft universelle physikalische Prinzipien allgemein in einzigartiger Weise geeignet war.
Keplers neue Astrophysik und Fermats experimentelle
Demonstration des Paradoxes der kürzesten Zeit (statt
des kürzesten Wegs) zusammengenommen stürzten die
Autorität des Versuchs, die Physik auf das blinde Vertrauen des Reduktionisten in ein durch euklidische Geometrie erklärbares physikalisches Universum zu gründen. Die Arbeiten von Huyghens, Leibniz und Bernoulli zu den Implikationen von Keplers und Fermats Entdeckungen führten zu der Feststellung, daß eine antieuklidischen Geometrie notwendig ist — erst bei Gauß'
Lehrer Abraham Kästner, und dann über Gauß' Arbeiten zum Prinzip der Krümmung bis zu Riemanns Widerlegung aller Formen aprioristischer Geometrie, sowohl
der sog. euklidischen als auch der nichteuklidischen.
Riemann führte Keplers Nachweis der vorrangigen
Autorität von Absicht (Hypothese) wie auch experimentell bewiesenen universellen physikalischen Prinzipien
zu ihrem folgerichtigen Schluß. Nach Riemanns Durchbruch in seiner Habilitationsschrift von 1854 gab es in
einem kompetenten Verständnis der Physik keinen Platz
mehr für Wissenschaft, Zeit, Raum und Materie, wie sie
in der reduktionistischen Lesart der euklidischen Geometrie dargestellt wurden. Alle Definitionen, Axiome
und Postulate aus dem Elfenbeinturm reiner Ideologie
wurden beiseitegefegt; an die Stelle der reduktionistischen Begriffe von abstraktem Raum, Zeit und Materie traten jetzt nur noch experimentell bestätigte universelle physikalische Prinzipien.
Deshalb ist das vielleicht Weitreichendste meiner
eigenen Arbeit die Erkenntnis, wo in der Physik
bestimmte Klassen von Prinzipien ihren Platz haben, die
für gewöhnlich in der Schublade der künstlerischen
Komposition abgelegt werden. Es sind Prinzipien, die
sich durch dieselben Vorstellungen von ontologischem
Paradox, Hypothese und universellem Prinzip definieren lassen, wie man sie mit den abiotischen oder biologischen Experimentbereichen verbindet. Sie werden
zusammengefaßt unter dem Begriff „anti-romantische
klassische Prinzipien". Um meine eigenen Entdeckungen richtig einzuordnen, mußte ich zuerst erkennen,
daß das physikalische Universum, das meine Entdeckungen definierten, sich nur angemessen verstehen
ließ, wenn man die von Riemann eingeführten revolutionären Konzepte einer physikalischen Differentialgeometrie anwandte.
Klassische Prinzipien erscheinen in der künstlerischen
Komposition im Zusammenhang mit Ironie und Metapher im entwickeltsten Sinn ihrer praktischen Bedeutung. So verstanden haben diese Begriffe eine eindeutige physikalisch wirksame Bedeutung.
Anders als gewisse praktisch gehirnlose Grammatiker
meinen, denen die Vorstellung einer syllogistischen
Unvollständigkeit oder Ambivalenz ein Graus ist, geht
es bei jeder wichtigen Aussage zu jedem Thema in jeder
Sprache darum, eine reale Erfahrung wiederzugeben,
die in einer formalen sprachlichen Schilderung ein
Widerspruch in sich selbst wäre.
Das beste Beispiel für ein solches Thema in der Sprache liefert das Paradox der Lichtspiegelung-Lichtbrechung in Fermats Darstellung des vieldeutigen Konzeptes der „kürzesten Zeit". Die Entdeckung des allgemeinen Prinzips der relativistischen Zeit, die dieses Paradox
auflöst, macht dieses Paradox zu einer echten Metapher
im platonischen Sinne.
Aus solchen Gründen läßt sich das reale Universum
mit keinem formalen Sprachgebrauch und keinem formalen mathematischen System beschreiben. Der Prozeß der Erstellung jener experimentell nachprüfbaren
Hypothesen, die uns zum Wissen neuer universeller
physikalischer Prinzipien führten, sollte unsere Hauptsorge bei der Bemühung um eine Perfektionierung des
Sprachgebrauchs sein. Die Vernunft ist nicht dazu da,
eine Übereinstimmung mit bestehenden Regeln zu
erzwingen, sondern dazu, die Gesellschaft zu zwingen,
die Wahrheit zu erkennen, die uns zuerst immer als
Bekräftigung von etwas erscheint, was dem kognitiv
blockierten Formalisten oder sonstigen Nicht-Poeten
ein Fehler oder eine Ungereimtheit erscheint.
Die Mehrdeutigkeiten in der Aussage, die man schaffen muß, um eine tatsächlich paradoxe Wirklichkeit zu
beschreiben, sind also der Aspekt der Sprache, der sich
auf den Prozeß bezieht, der durch das Erkennen des
Vorhandenseins ontologischer Paradoxa die Schaffung
gültiger Hypothesen auslöst.
Die tieferen und weitergehenden Implikationen des
soeben zusammengefaßten Punktes müssen im Lichte
des grundlegenden Problems der wissenschaftlichen
Erforschung des biotischen und abiotischen Sektors
betrachtet werden. Die beiden oben beschriebenen Fälle — Keplers Entdeckung der Astrophysik und Fermats
Arbeit über die „kürzeste Zeit" — unterstreichen die Tatsache, daß wirkliches menschliches Wissen über die
Welt jenseits unserer Sinneswahrnehmung nur auf eine
Weise erworben werden kann: durch kognitives Auflösen der ontologischen Paradoxa, die bei dem Versuch
einer Erforschung des jenseits der menschlichen Sinneseindrücke wirkenden Universums auftreten.
Fortschritt machen wir, indem wir erkennen, daß die
Sinneswahrnehmung das Universum falsch wiedergibt.
Wir korrigieren diese Irrtümer der Sinneseindrücke,
indem wir experimentell bestätigte Vorstellungen über
universelle physikalische Prinzipien entwickeln, welche
sich mit unseren Sinnesorganen nicht direkt beobachten
lassen. Wissenschaftlich erwachsene Kulturen erkennen
deshalb, daß das Universum der Sinneswahrnehmung
nicht das wirkliche Universum ist, sondern nur ein
merkwürdig verzerrter Schatten, den die Wirklichkeit
auf unsere Sinne wirft.
Wir sollten in gleicher Weise erkennen, daß die Prinzipien der sozialen Zusammenarbeit, mit denen die
Gesellschaft ihre potentielle relative Bevölkerungsdichte erhöht, gleichzeitig auch diejenigen sind, die selbst
gültige Hypothesen über Prinzipien von Beziehungen
zwischen Menschen im Phasenraum des schöpferischen Denkens hervorrufen — so wie bei der wissenschaftlichen Erforschung des abiotischen Phasenraums
in unserem Denken jene gültigen Hypothesen hervorgerufen werden, die sich als universell gültige physikalische Prinzipien erweisen.
Willkürliche Kunst, wie etwa symbolische Kunst, ist
inhärent falsch, weil sie sich keinem Hypothesenprinzip
verantwortlich fühlt. Der Unterschied wird deutlicher,
wenn wir die Beziehung zwischen plastischer und nichtplastischer Kunst einerseits und Staatskunst andererseits
untersuchen. Da die Kunst sich auf einen mit der Geschichte verbundenen Prozeß in der Menschheit bezieht, sind die Lehren einer Kunst, die ihrem geschichtlichen Standort gerecht wird, die Grundlage für die beste
Staatskunst. Entsprechend wird eine Kunst, die historisch
unwahr ist, eine schlechte Praxis der Staatskunst und
Leiden der Nation und ihres Volkes nach sich ziehen. So
stellt sich die Frage der Wahrhaftigkeit in der Kunst; nur
Kunst, die diese moralische Herausforderung selbstbewußt annimmt, darf zu recht klassisch genannt werden.
„Ist das nicht die menschliche Natur?"
Den empirischen Beweis dafür, daß das menschliche
Individuum grundsätzlich anders ist als alle anderen
lebenden Geschöpfe und über ihnen steht, finden wir in
der Beziehung zwischen dem Prinzip der Hypothese
und der experimentellen Beweisführung, die aus einer
Hypothese ein bewiesenes universelles physikalisches
Prinzip macht. Das Prinzip der Wahrheit und das der
Hypothese sind also nur zwei Facetten derselben Wirklichkeit. Diese Wahrheit beweist auch, daß die menschliche Natur anders ist als die empiristische Vorstellung
von der menschlichen Gesellschaft.
Die Empiristen, die diese Besonderheit — die Hypothese —, die den Menschen über die Tiere erhebt,
ableugnen, wie etwa Galileos Schüler Hobbes, verordneten hingegen das, was Locke, Hume, der Physiokrat
Quesnay, Mandeville, Adam Smith, Jeremy Bentham
sowie Huntingtons und Brzezinskis Co/em-Kollege Kissinger als britische „menschliche Natur" definierten.
Bemerkenswerterweise wies Kissinger richtig darauf
hin, daß es bei dem Konflikt zwischen Präsident
Franklin Roosevelt und dem britischen Premierminister
Churchill während des Zweiten Weltkrieges um eben
diese Frage ging — und implizit ist auch klar, daß dieser Punkt Kissingers langjähriger persönlicher Feindschaft mir gegenüber zugrundeliegt; er betrachtet mich
als Bannerträger der amerikanischen intellektuellen Tradition, die er erklärtermaßen haßt.
Die Tatsache, daß unter allen Geschöpfen allein die
menschliche Gattung zur souveränen, individuellen
Erkenntniskraft fähig ist, definiert die Natur des Menschen als von allen anderen Gattungen unterschieden.
Dieser Unterschied des menschlichen Individuums zu
den Tieren ist die empirische Grundlage für die Vorstellung der physikalisch wirksamen Existenz des geistigen
Bereichs als eines Phasenraums in dem, was als Riemannsche differentielle physikalische Geometrie des
Universums als ganzem aufgefaßt werden muß.
Diese Besonderheit des souveränen kognitiven Individuums ist die Grundlage für die funktionelle Bedeutung
des Naturrechts — den Begriff der übergeordneten Verantwortung für das Gemeinwohl aller menschlichen
Individuen und ihrer Nachkommen.
Dieser Begriff der physikalisch wirksamen, universellen Funktion des Gemeinwohls ist auch die Grundlage
für die gesetzmäßige Definition menschlicher Beziehungen. Ich fasse die folgenden, höchst wichtigen
Überlegungen zusammen.
Erstens: Die Kreativität, die jene Hypothesen aufstellt,
von denen der Bestand der Menschheit abhängt, existiert als Handlungs- und Wirkungsform für den Menschen, sie drückt sich aber nur auf zweierlei Weise aus.
Unmittelbar ist unsere einzige Quelle für solche Hypothesen der Erkenntnisprozeß des souveränen Individuums. Im weiteren bestehen soziale Beziehungen — w i e
etwa die Zusammenarbeit bei der Anwendung gültiger
universeller Prinzipien — nur in einem angemessenen
Austausch zwischen den jeweils völlig souveränen Prozessen von Individuen.
Zweitens: Die Wirksamkeit solcher entdeckter Prinzipien beweist, daß das Universum als ganzes so komponiert ist, daß es den Befehlen der Menschheit, wenn diese sich als gültige Hypothesen äußern, Folge leistet.
So steht geschrieben im ersten Kapitel der Schöpfungsgeschichte, daß der Mensch als Abbild des
Schöpfers des Universums geschaffen ist und daß die
menschliche Gattung die einzigartige Autorität und Verantwortung hat, über dieses Universum zu herrschen.
Das Bild von Mann und Frau als souveräne Individuen
ist das Bild der Erkenntnisfähigkeit, die den Menschen
unter allen Lebewesen auszeichnet.
Das ist die wesentliche, experimentell nachgewiesene
universelle Wahrheit der Sache.
Damit zurück zu den wesentlichen Fragen der Staatskunst, die sich durch die Obszönitäten von Elliots
Golems stellen.
Der moderne souveräne Nationalstaat, der den langfristigen wissenschaftlichen und verwandten Fortschritt
— erkennbar an der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte der Menschheit — fördert, ist deshalb überlegen — und gegenwärtig auch absolut notwendig —,
weil nur ein solcher Staat in der Lage ist, die verfassungsmäßige Verpflichtung zur Förderung des Gemeinwohls (und der Landesverteidigung) zu erfüllen, indem
durch die Schöpfung langfristiger, niedrigverzinster Kredite die Produktivität der Menschheit pro Kopf und pro
Flächeneinheit erhöht wird. Für diese Kreditschöpfung
braucht man protektionistische Maßnahmen zur Regulierung von Handel und Produktion, hauptsächlich, um
die typischen Übel des sogenannten „Freihandels" —
zerstörerische Abnutzungserscheinungen oder schlichtweg Anarchie in den wesentlichen Produktions-, Handels- und Konsumtionsprozessen — zu verhindern.
Nach der Periode immer rascheren Zusammenbruchs
in der weltweiten Finanz-AA/ährungskrise und Weltwirtschaftskrise — die zwei unterschiedliche Dinge sind,
sich aber gegenseitig beeinflussen —, hat die Welt einen
Punkt erreicht, an dem die Zivilisation als solche nicht
mehr weiterexistieren kann, wenn sie nicht zu dem
Modell der souveränen nationalstaatlichen Republik
zurückkehrt, das im amerikanischen Bürgerkrieg 1 8 6 1 65 verteidigt wurde.
Die Gegner dieser Politik waren und sind die teuflischen Kräfte der imperial denkenden Finanzoligarchie,
je offensichtlicher der selbstverschuldete Untergang
des anglo-oligarchischen Systems im Verlauf des 20.
Jahrhunderts wurde, um so dümmer und störrischer
wurden die einst stolzen herrschenden Kreise der
finanzoligarchischen Macht. Im letzten Jahrhundert
beherrschten sie weitgehend das Leben des ganzen Planeten mit ihren geopolitischen blutigen Spielen — zwei
Weltkriege und andere Schrecklichkeiten, die alle im
wesentlichen darauf abzielten, diejenige Gesellschaftsform, die ihre Hegemonie bedrohte, für immer auszumerzen.
Wie im Römischen Reich oder in den Kriegen der
Ultramontanisten im mittelalterlichen Europa oder den
Religionskriegen von 1 5 1 1 - 1 6 4 8 , sagen die Interessen,
die Elliotts Golems und ihre Unterstützer benutzen,
sinngemäß: Unterwerft euch unserem Willen, wie verrückt dieser auch sein mag, oder wir bringen euch alle
um; vielleicht bringen wir euch aber auch sowieso um.
Auf diese Weise bringt die Menschheit finstere Zeitalter
über sich — diese Warnung sollten wir im Zuge des 1 1 .
September aus dem Fall des zweiten Grenadiers in Heines Gedicht gelernt haben.
Es geht also um einen Konflikt zwischen zwei Menschenbildern, die sich gegenseitig ausschließen — ihres
gegen unseres. Sie vertreten das Böse im strengsten Sinne des Wortes.
Wenn man sich also über die Implikationen dessen,
was Elliott, seine Golems und ihre oligarchischen Hintermänner im Laufe der Zeit seit den Anfängen Brzezinskis, Huntingtons und Kissingers in Harvard getan
haben, im klaren ist: Kann dann irgendein denkender
Mensch noch ehrlich sagen, es überrascht ihn, was am
1 1 . September geschehen ist — oder was in Afrika und
anderen Teilen der Welt als anglo-amerikanisch gesteuerter Völkermord für finanzoligarchische Interessen
praktiziert wird? Wenn Sie gelesen und verstanden hätten, was solche Lakaien wie Elliotts Golems in den vergangenen Jahrzehnten geschrieben, in ihren Reden
angekündigt und eigenhändig getan haben, könnten Sie
dann noch ernsthaft behaupten, Sie seien nicht gewarnt
worden?
Anmerkungen
1 . Siehe „LaRouche: Let Calm Heads Prevail To Stop Destabilization", Transkript eines Interviews mit Moderator Jack
Stockwell am 1 1 . September 2001 im Radiosender von Utah,
in EIR 2 1 . Sept. 2001; und „A Conversation With LaRouche
In A Time Of Crisis", ein Interview mit John Sigerson (EIR),
erstellt für das Kabelfernsehprogramm „The LaRouche
Connection", in EIR, 28. Sept. 2001 (auf deutsch in Neue
Solidarität Nr. 39 vom 26. Sept. 2001).
2. Wenn man die ständigen Atomkriegs-Sicherheitseinrichtungen
und vor allem die Vorkehrungen zur Regierungskontinuität
berücksichtigt.
3. Die Bezeichnung „zugegebenermaßen lückenhaft, aber dennoch schlüssig" ist eine Umformulierung des Grundprinzips
hinter Leibniz' ursprünglicher Entdeckung des Kalkulus. Sie
ist auch das Grundprinzip jeden Riemannschen Ansatzes der
4.
5.
6.
7.
Differentialgeometrie. Diese Methode unterscheidet sich ausdrücklich vom reduktionistischen Denken eines Euler,
Lagrange, Cauchy, Grassmann u.a.
Hollywood sollte eine besondere Auszeichnung an den Produzenten verleihen, der den unglaubwürdigsten Trickfilm des
Jahres gedreht hat. Der Preis sollte „Der Osama" heißen und
in Erinnerung an die Fälscher der „Hitler-Tagebücher" verliehen werden.
Samuel P. Huntington, „The Soldier And The State: The Theory And Politics Of Civil-Military Relations", Cambridge, Belknap Press of Harvard University Press, 1957.
Zum Hintergrund von Elliott und der Ideologie der NashviiieAgrarier siehe Stanley Ezrol, „Seduced From Victory: How
The Lost Corpse Subverts The American Intellectual Tradition", EIR, 3. Aug. 2 0 0 1 .
Henry A. Kissinger, „Reflections on a Partnership: British and
American Attitudes to Postwar Foreign Policy, Address in
57
Commemoration of the Bicentenary of the Office of Foreign
State. Der Kontrast zur klassischen Tradition der Strategie —
Secretary," 10. Mai 1982, Royal Institute of International
wie sie neuzeitliche Militärstrategen wie Lazare Carnot, Gerhard Scharnhorst oder im Zweiten Weltkrieg General
Affairs (Chatham House), London.
8. Es ist klinisch bedeutsam, daß die populärsten „Verschwörungstheorien" heute den besonders pathologischen
Stil infantiler Phantasie widerspiegeln, der in Der Herr der
Ringe, Harry Potter und dem Po/femon-Kult oder in den aus
dem Umkreis des Utopistentrios H.G. Wells, Bertrand Russell
und Aleister Crowley in die Welt gesetzten „magischen" und
ähnlichen dämonischen Kulten zu finden ist. Die charakteri-
stische geistige Tätigkeit, die diese Kulte ausdrücken, ist eine
magische Macht des Willens, die außerhalb der realen physikalischen Raumzeit agiert. Weil mit dem verirrten Helden
eines solchen Phantasielebens oder der auf gleichartiger Fiktion gegründeten sog. „Science Fiction" eine Belohnung
assoziiert wird, bildet sich bei den Opfern solcher Kulte ein
Gefühlszustand heraus, der sie sich hysterisch auf vergleichbare Verschwörungstheorien als emotional dankbare Glaubensstrukturen stürzen läßt. Auf der gleichen Pathologie
gründen die gnostischen religiösen Kulte.
Zur Erbauung akademisch gründlicher Leser füge ich hinzu:
Aus der Sicht der neuzeitlichen Physik fällt der Fehler solcher
populären Verschwörungstheorien in die gleiche Kategorie
wie die falsche Astrophysik von Claudius Ptolemäus,
Kopernikus, Tycho Brahe, Galileo Galilei und Isaak Newton.
Solche „Verschwörungstheorien" wollen der Interpretation
von Fakten (physikalischen Daten) immer eine vorgefaßte
Elfenbeinturmvorstellung über das Universum überstülpen,
z.B. die aristotelische Elfenbeinturmannahme, die vollkommen regelmäßige Wirkung müsse immer kreisförmig sein. In
der realen Wissenschaft dagegen müssen wir — entgegen der
Methode des Schwindlers Galileis und anderer — die physikalische Geometrie der von uns untersuchten Daten herausfinden, so wie es Kepler getan hat, und ableiten, was in diesem Universum möglich ist, indem wir experimentell entdecken, welche Geometrie der Phasenraum hat, in dem die
Daten tatsächlich auftreten.
9. Siehe auch Lyndon H. LaRouche, The Economics of The
Noosphere, Washington, 2001; sowie ders., The Spirit of Russia's Science, EIR, vom 7. Dezember 2001.
1 0 . Dieser pathologische „objektive historische Determinismus"
ist der gängigste Ausdruck dieser irrational-kultischen Glaubensstruktur unter Anarchosyndikalisten und anderen sozialistischen Sekten, die der Ideologie von der „Arbeiterklasse"
anhängen. Typisch für diese Pathologie ist Engels' mystifizierende Beschwörung der „schwieligen Arbeiterhand". Eine der
gängigsten Ursachen für das Scheitern des Sozialismus als
politisch-ökonomisches System ist dessen „Klassenfeindschaft" zur „Intelligenz" — seine Abneigung gegen die
schöpferischen Kraft des Geistes, von der jeder bedeutende
Fortschritt der menschlichen Lebensbedingungen einschließlich der Wirtschaft abhängt. Der Ursprung dieser nominell
sozialistischen Verblendung ist für gewöhnlich der Kult des
britischen Empirismus, der von dem Venezianer Paolo Sarpi
und seinen Anhängern und Nachfolgern dogmatisiert wurde.
Die Lehre Mandevilles, Quesnays „Laissez-faire" und Adam
Smiths „Freihandel" sind inhärent irrationale, magische Kulte, eingeführt auf der „flachen Erde" der empiristischen Dogmen. Weil sie die Existenz der Vernunft überhaupt verneinen,
können diese Kulte behaupten, sie hätten das Weltgeheimnis
entdeckt, das alles und jedes erklärt.
1 1 . Auf die Tatsache, daß im Universum ein Wesen existiert, der
Mensch, das zur Ebene des Erhabenen aufsteigen kann,
gründet Leibniz seinen berühmten Satz, dies sei „die beste
aller möglichen Welten".
1 2. Diese klassischen Traditionen werden voller Haß verhöhnt in
dem Werk, aus dem die Strategie des „Zusammenpralls der
Kulturen" wesentlich abgeleitet wurde: der explizit faschistischen Ideologie in Samuel Huntingtons The Soldier And The
Douglas MacArthur verkörpern — verdeutlicht den Gegensatz zwischen zivilisierten Formen strategischen Denkens in
der Neuzeit und der faschistischen Ideologie, auf der Napoleon Bonaparte und seine Nachfolger wie Napoleon III.,
Mussolini und Hitler ihre modernen „Heil Caesar!"-Parodien
seelenloser Legionäre des antiken Roms gründeten. Das
genannte Buch The Soldier And The State wurde zum ersten
Mal 1 9 5 7 veröffentlicht und erlebte mindestens 1 8 Auflagen.
Wie die entsprechenden späteren Schriften Brzezinskis und
Huntingtons zeigen, enthält dieses Buch bereits das ideologische Kernstück der Politik, die Brzezinski 1 9 9 7 in Die einzige Weltmacht beschreibt.
1 3 . Am deutlichsten wird dies durch die Beschäftigung mit dem
Modellfall des Unternehmers, der Erfolg hat, indem er entweder ständig neue universelle physikalische Prinzipien entdeckt oder aus solchen Entdeckungen ständig neue Technologien oder Kombinationen von Technologien entwickelt.
Der Schlüssel zum erfolgreichen Beitrag des Individuums bei
der Anwendung des Amerikanischen Systems der politischen
Ökonomie sind nicht Aktiengesellschaften, sondern Organisationen, die dem Vorbild solchen Unternehmertums folgen.
1 4 . LaRouche, a.a.O.
1 5 . Ich gebrauche den Begriff „spirituell" (geistig) in einer streng
definierten physikalischen Bedeutung. Er bezeichnet die
experimentell nachweisbaren, positiven Wirkungen (bspw. in
Form von „Produkten"), die nur durch die Anwendung des
Aktes der Entdeckung eines experimentell beweisbaren universellen physikalischen Prinzips auftreten. Zusätzlich ist zu
bemerken, daß dies nichts anderes ist als der Beiklang von
„geistig" im Sinne der kognitiven Lösungen, die Theologen
treffend „geistige Übungen" nennen.
1 6 . Es ist nicht die Technik, die Kulturen verändert, sondern es ist
die wiederholte kognitive Erfahrung von Prinzipienentdeckungen, welche die Vorstellung der Gesellschaft über die
Zusammenarbeit bei der Anwendung solcher Entdeckungen
zur Verbesserung ihres realwirtschaftlichen Verhältnisses zur
Natur verändern. Zur Kultur siehe meine Behandlung kognitiver „Supergene" bei der Entwicklung wissenschaftlichen
und anderen kulturellen Fortschritts in meiner Schrift The Spirit Of Russia's Science.
1 7 . Meine eigenständigen Entdeckungen bestanden in der
Erkenntnis, daß die Prinzipien künstlerischer Komposition,
die man im Sinne Platons als „klassisch" bezeichnet, und Entdeckungen universeller physikalischer Prinzipien, wenn auch
auf unterschiedliche Weise, für das wachsende Potential
einer Gesellschaft gleichermaßen entscheidend sind. Bei der
Suche nach einer Methode, um die Steigerung der potentiellen Bevölkerungsdichte auf der Grundlage dieser Kombination von Prinzipien in Form von Funktionen dazustellen,
erkannte ich, daß meine Entdeckungen in einer Riemannschen Differentialgeometrie dargestellt werden mußten.
1 8 . Der Unterschied zwischen meiner Prognosemethode und
den herkömmlichen „08/15"-Varianten der heutigen universitären Lehrpläne entspricht dem Unterschied zwischen den
Prognosemethoden in Johannes Keplers Werk und denen seiner im Verhältnis dazu gescheiterten Vorgänger Claudius Ptolemäus, Kopernikus und Tycho Brahe. Wie bei Kepler ist
mein Ausgangspunkt der langfristige „Zyklus"; die axiomati-
sche Charakteristik dieses langfristigen Zyklus' ist dann die
Grundlage für die Abschätzung der Implikationen der kurzund mittelfristigen Veränderungen. Das Schwergewicht muß
auf den langfristigen axiomatischen Grundannahmen liegen,
nach denen sich der komplette große Zyklus entfaltet; man
darf nicht versuchen, langfristige Ergebnisse aus statistischen
Interpretationen kurz- bis mittelfristiger Modelle abzuleiten.
1 9 . Die britische Monarchie hat zwar mittels der Ermordung von
US-Präsident McKinley 1 9 0 1 die USA „gefangengenommen",
aber die Vorbereitungen für den Ersten Weltkrieg begann der
Hauptschuldige, der britische König Eduard VII., schon mit
Ereignissen wie der Dreyfus-Affäre und der Faschoda-Krise
hängig von dessen inneren Strukturen oder Herrschaftsmethoden — Britanniens Überleben in Frage stellte... Britannien
verkündete selten absolute moralische Grundsätze und vertraute, trotz seiner Errungenschaften in diesem Bereich, sel-
von 1 8 9 8 für Frankreich und milden britischen Manipulationen der kriegerischen Aggressionen Japans von 1894-1905.
20. Man vergleiche dies mit der bewundernswerten, etwas
ten auf den Erfolg der Technik. In philosophischer Hinsicht
blieb es Hobbes treu: Es erwartete das Schlimmste und wird
selten enttäuscht. In moralischen Fragen pflegte Britannien
abweichenden These des verstorbenen Friedrich Freiherr von
der Heydte in Die Geburtsstunde des souveränen Staates
(Regensburg 1952). Siehe dazu auch den Vergleich, den Helga Zepp-LaRouche in ihrer Rede „Eine neue Renaissance der
Kulturen" am 6. Mai 2001 in Bad Schwalbach zog. Von der
Heydte beschreibt, wie um die Idee des souveränen Nationalstaats gerungen wurde; Nikolaus von Kues brachte in seiner Concordantia Catholica die vorangegangen Arbeiten
traditionell einen bequemen ethischen Egoismus: es glaubte,
was gut für Britannien sei, sei auch gut für den Rest der
Dante Alighieris und anderer in die notwendige Form.
2 1 . Mit Empirismus meine ich die Wiederbelebung der mittelalterlichen aristotelischen Methode des William von Ockham
durch den berüchtigten Venezianer Paolo Sarpi. Durch Sarpi
und seine Kreaturen wie Galileo Galilei, Sir Francis Bacon
und Thomas Hobbes entwickelten sich der britische Empirismus des 1 8 . Jahrhunderts und der französische Descartismus
und vereinigten sich zur sogenannten Aufklärung des 1 8 .
Jahrhunderts. Typisch für die methodische Auseinandersetzung ist der Gegensatz zwischen der neuzeitlichen wissen-
schaftlichen Strömung — von Nikolaus von Kues über Pacioli, Leonardo da Vinci und deren Nachfolger wie Johannes
Kepler, Leibniz, Gauß, Riemann — und den typischen empiristischen Absurditäten von Reduktionisten wie Leonard
Euler, Lambert, Lagrange, Laplace, Cauchy, Clausius, Helmholtz und den heutigen radikalen Positivisten.
22. So Kissinger am 1 0 . Mai 1982, als er in einer Rede vor dem
Chatham House erklärte:
„Alle Berichte zur anglo-amerikanischen Allianz während
des Zweiten Weltkriegs und der frühen Nachkriegszeit lenken die Aufmerksamkeit auf die beträchtlichen philosophischen Unterschiede zwischen Franklin D. Roosevelt und
Winston Churchill, die unsere unterschiedliche nationale
Geschichte widerspiegeln. Amerika, das niemals von außen
in seinem Überleben bedroht war, betrachtete Kriege als
historische Verirrung, die durch bösartige Menschen oder
Institutionen hervorgerufen werden; wir dachten nur an den
Sieg in Form der bedingungslosen Kapitulation der Achsenmächte. Großbritannien hatte so viele unterschiedliche
Aggressionen erlebt, daß es eine so persönliche Sichtweise
der Geschichte nicht riskieren wollte; sein Blick war auf die
Nachkriegszeit gerichtet, und es versuchte, die Strategie der
Kriegszeit so umzupolen, daß eine sowjetische Vorherrschaft
in Mitteleuropa vereitelt würde. Viele führende Amerikaner
warfen Churchill vor, er sei unnötig von Machtpolitik besessen, zu kraß antisowjetisch, zu kolonialistisch in seiner Haltung zu dem, was man heute die Dritte Welt nennt, und zu
wenig interessiert am Aufbau der grundlegend neuen internationalen Ordnung, nach welcher der amerikanische Idealismus immer tendiert hat. Die Briten hielten die Amerikaner
zweifellos für naiv, moralistisch und unwillig, ihre Verantwortung für die Sicherung des globalen Gleichgewichts zu
übernehmen. Der Streit wurde im Sinne der amerikanischen
Vorstellungen entschieden — meiner Ansicht nach zum
Schaden der Sicherheit in der Nachkriegszeit...
Der Streit zwischen Britannien und Amerika während und
Welt... Im 1 9 . Jahrhundert war die britische Politik ein und
vielleicht der entscheidende Faktor in einem europäischen
System, das 99 Jahre lang Frieden ohne einen größeren Krieg
ermöglichte...
[In der Nachkriegszeit] waren die Briten so sachlich hilfreich,
daß sie in einem Ausmaß an inneren amerikanischen Diskussionen beteiligt wurden, wie dies wohl nie zuvor zwischen souveränen Nationen praktiziert wurde. Während meiner Amtszeit spielten die Briten bei einigen bilateralen amerikanischen Verhandlungen mit der Sowjetunion eine frucht-
bare Rolle — sie haben sogar beim Entwurf des entscheidenden Vertrages geholfen. In meiner Inkarnation im Weißen
Haus informierte ich damals das britische Foreign Office besser und arbeitete enger mit ihm zusammen als mit dem amerikanischen State Department..."
23. Zum Thema Universalfaschismus betrachte man die Schriften
des zeitweiligen Kissinger-Kumpans Michael Ledeen. Die
Verbindungen zum Faschismus der Mussolini- und Hitlerzeit
laufen u.a. über die Familie des CIA-Manns James Jesus
Angleton und die Sympathisanten von Ezra Pound.
24. Die Bezeichnung „faschistisch" ist weder zufällig noch übertrieben. Napoleon Bonaparte war der erste moderne faschistische Diktator, und die Tyranneien von Faschisten wie
Napoleon III., Benito Mussolini, Adolf Hitler usw. folgten
ausdrücklich an diesem Vorbild. Faschismus ist der Versuch,
eine cäsarische Regierungsform zu schaffen, die ausdrücklich
dem Vorbild der rechtlichen und anderen Traditionen des
Römischen Reiches folgt, als Alternative sowohl zu den
gescheiterten Relikten des Erbes der Feudalzeit wie auch zu
dem gefürchtetsten Gegner der Faschisten — nämlich Regierungsformen, die mit dem Amerikanischen System der politischen Ökonomie einhergehen. Gegen den Einfluß der amerikanischen Verfassung kämpften zwischen 1 789 und 1 81 5 die
Jakobiner, Barras und Napoleon im Bündnis mit den Habs-
burgern unter Metternich.
25. Nach Präsident Lincolns Siegen über die anglo-spanischfranzösischen Marionettenregimes der Konföderierten und
Maximilians war das Regime des faschistischen Tyrannen
Napoleons III. dem Untergang geweiht.
26. McKinleys Ermordung im Jahr 1 9 0 1 fällt in den gleichen zeitlichen Rahmen wie zwei andere Wendungen der weltstrategischen Lage zugunsten des britischen Empire. Die erste war
die Degeneration Frankreichs in den 90er Jahren des 1 9 .
Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem Dreyfus-Prozeß,
der Faschoda-Krise und dem formellen Eintritt in die Entente
Cordiale mit England unter Eduard III. Damit überlappte sich,
daß die Briten Japan zwischen 1895 und 1905 in Kriege
gegen China, Korea und dann Rußland schickten.
27. Die fortdauernde Verbindung zwischen den Mitgliedern der
Ecole Polytechnique Lazare Carnot und Alexander von Humboldt deuten darauf, auf welche Weise die Fraktionierung in
der Wissenschaft die tiefergehende politische Spaltung
nach dem Zweiten Weltkrieg war natürlich kein Zufall. Die
widerspiegelte. Die führende Strömung der europäischen
britische Politik stützte sich auf zwei Jahrhunderte Erfahrungen mit dem europäischen Mächtegleichgewicht, Amerika
auf zwei Jahrhunderte von dessen Zurückweisung.
Während Amerika sich immer als von den Weltangelegenheiten isoliert gesehen hatte, war Britannien jahrhundertelang höchst wachsam für die Gefahr, daß die Vorherrschaft
irgendeines Land auf dem europäischen Kontinent — unab-
Naturwissenschaft bis zum Tode Bernhard Riemanns verläuft
von Nikolaus von Kues über nachfolgende Persönlichkeiten
wie Leonardo da Vinci, Kepler, Leigniz, Kästner und Carnots
Fraktion in der Ecole Polytechnique, Alexander von Humboldt, Gauß, Wilhelm Weber, Humboldts Protege Dirichlet
bis zu Riemann. Die entgegengesetzte Strömung in der Wissenschaft war die der Empiristen und Kantianer, darunter der
Schwindler Leonhard Euler, Lambert, Lagrange, Laplace,
Cauchy, Clausius, Grassmann, Heimholte, Felix Klein u.a.
Die Übereinstimmung von Carnots Militärpolitik mit der von
Scharnhorst u.a. — die Betonung des Prinzips der Verteidi-
gung — sowie Carnots Exil im deutschen Magdeburg nach
dem Antritt der von London eingesetzten korrupten Restaurationsmonrachie der Bourbonen in Frankreich stellt eine Parallele zur Rolle der anti-empiristischen Entdeckungen Fresnels und Amperes dar, wobei letzterer typisch für die CarnotFraktion in der Ecole war. Wie US-Außenminister John Quincy Adams in beispielhafter Weise betonte, sucht die Strategie
der souveränen nationalstaatlichen Republik die Plage des
Konfliktes durch eine Prinzipiengemeinschaft souveräner
Nationen zu überwinden.
28. Wenn wir die entscheidende Rolle des Reformjudentums des
orthodoxen Juden Moses Mendelssohn bei der Entwicklung
von Wissenschaft und klassischer Kultur in Deutschland seit
der Mitte des 1 8 . Jahrhunderts berücksichtigen, muß in jeder
ehrlichen Diskussion über die deutsche Kultur der Beitrag der
Juden zu dieser Kultur besonders betont werden. Die Vernichtung des deutschen Juden, und auch des Juden der osteuropäischen Jiddischen Renaissance, war der erste entscheidende Schlag in dem Plan der Nazis, die deutsche Kultur auszulöschen.
29. Hegels Identifikation mit dem Faschismus zeigt sich früh an
seiner Bewunderung für den Tyrannen Bonaparte als Helden.
Nach dem Wiener Kongreß wurde Hegel zum vehementen
Apologeten Fürst Metternichs, und er arbeitete eine Staatstheorie für Preußen aus, die zu den Lehren seines Komplizen
Savigny und den faschistischen Rechtslehren von Carl
Schmitt u.a. führte.
30. Das Konzept der autoritären Persönlichkeit von Adorno,
Arendt u.a. war in der Nachkriegszeit typisch dafür, wie
Deutschlands faschistische ideologische Argumentation
gegen die Existenz der Wahrheit von neukantianischen Exi-
60
stentialisten wie Jaspers und seiner Anhängerin Arendt entwickelt wurde.
3 1 . Trevor Nevitt Dupuy, A Genius for War: The Cerman Genera/ Staff 1807-1945, Fairfax/Virginia 1984. Siehe auch v.
Moltkes Buch über den Deutsch-Französischen Krieg sowie
die Einführung von Michael Howard in der englischen Ausgabe: Helmuth v. Moltke, The Franco-Cerman War of 187071, London 1992.
32. Der Empirismus und sein Nachfolger, der Posivitismus,
erreichten den Einfluß, den sie in den deutschen Kulturen
heute haben, allgemein in drei Stufen. Er wurde ursprünglich
von dem zeitweiligen Herren Venedigs, Paolo Sarpi, als vereinfachtes Produkt aristotelischer „Elfenbeinturm"-Methoden
geschaffen; die Grundlage war dabei Sarpis Bewunderung des
mittelalterlischen Irrationalisten Wilhelm von Ockham. Der
ursprüngliche englische Empirismus von Sir Francis Bacon
und Thomas Hobbes wurde direkt von Sarpi und seinem per-
sönlichen Lakaien Galileo Galilei in England eingeführt. Eine
spätere Entwicklungsphase war ein europaweites Netz von
Salons, die sämtlich zum Ziel hatten, den Einfluß der damals
führenden wissenschaftlichen Persönlichkeit der Welt, Gottfried W. Leibniz zu zerstören. Im Mittelpunkt dieses Netzes
stand der venezianische Agent Abt Antonio Conti in Paris, der
„Vater" der französischen und britischen „Aufklärung" des 1 8 .
Jahrhunderts. Im 1 9 . Jahrhundert erschien eine noch radikalere Variante des Empirismus in Form des Positivismus. Die
Extremform hiervon ist der logische Positivismus, der manchmal auch „radikaler Empirismus" genannt wird.
33. Daß Huntington und Brzezinski nach der Erstveröffentlichung des Buches quasi aus Harvard vertrieben wurden,
zeugt davon, daß es damals Autoritäten in Harvard gab, die
meine heutige Einschätzung der intellektuellen Qualitäten
des Buches teilten. Elliott setzte schnell Kissinger in alle privilegierten Positionen und Funktionen ein, aus denen Brzezinski damals entfernt worden war.
III.
PERSONENPROFILE
Der von den Putschisten des 11. September angestrebte weltweite „Krieg der Kulturen" und die
Errichtung einer universalfaschistischen Ordnung, eines anglo-amerikanischen Imperiums
anstelle der souveränen Nationalstaaten, wird seit Jahrzehnten von einem kleinen, doch einflußreichen Personenkreis propagiert. Wir stellen die wichtigsten von ihnen in Einzelprofilen vor.
William Yandell Elliott, der geistige Ziehvater
der Putschisten
VON MARK BURDMAN UND STANLEY EZROL
E
iner der führenden philosophischen und ideologischen Ziehväter der Anhänger der utopischen
Strategie in den USA war William Yandell Elliott
(1896-1979). Von 1 9 2 5 bis 1 9 6 3 prägte Elliott maßgeblich die einflußreiche Fakultät für „Government" der
Universität Harvard, der bedeutendsten amerikanischen
Universität zur Ausbildung politischer Eliten, der er
zeitweise auch direkt als Dekan vorstand. Er gründete
und leitete die Harvard „Summer School" von 1949 bis
1960 und ernannte seinen Lieblingsschüler Henry Kissinger zum Leiter des internationalen Seminars der Harvard-Summer School of Arts and Sciences and of Education sowie zum Leiter des Seminars für Verteidigungsstudien der Summer School.
An dieser „Harvard Summer School" und den angeschlossenen Seminaren nahmen über die Jahre hinweg
zahlreiche Vertreter der Führungselite vieler Länder der
Welt teil. Diese intensiven Sommerkurse richteten sich
an „Personen im Alter zwischen 26 und 45 Jahren, die
kurz davor stehen, in ihren Heimatländern Führungspositionen einzunehmen". Damit war Elliott in einer
Position, in der er zahllose Regierungschefs, Parlamentarier und Verwaltungsfachleute aus Ländern aller Kontinente beeinflussen konnte (wobei die Namen der meisten Seminarteilnehmer niemals veröffentlicht wurden).
Elliott hatte reichlich Erfahrung mit der Regierungsar-
beit. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg diente
er fünf Regierungen in verschiedenen Funktionen als
Berater. Er war der geistige Ziehvater von mindestens
fünf Nationalen Sicherheitsberatern und Mentor zweier
Außenminister. Zu seinen Schützlingen, um deren Ausbildung er sich in Harvard persönlich kümmerte,
gehören Personen, die immer wieder in diesem Bericht
genannt werden — darunter Zbigniew Brzezinski,
Samuel Huntington und Kissinger —, daneben aber
auch McGeorge Bundy und Dean Rusk. Brzezinski, Kissinger und Bundy dienten als Nationale Sicherheitsberater, und Kissinger war auch Außenminister. Huntington gehörte in der Amtszeit von Präsident Jimmy Carter
dem Nationalen Sicherheitsrat unter Brzezinski an.
Dean Rusk war vom gerade gewählten John F. Kennedy auf Anraten Elliotts zum Außenminister ernannt worden. Als Elliott dann Harvard im Sommer 1963 verließ,
nahm er einen Posten als „Berater" im Außenministerium ein, wobei er eng mit Rusk zusammenarbeitete. Der
Sommer 1 9 6 3 war ein sehr folgenreicher Zeitabschnitt.
Nur wenige Monate später wurde Präsident John F. Kennedy ermordet, und die USA verstärkten ihr Engagement
in Vietnam besonders nach dem Mord an Kennedy massiv. Rusk gehörte zu den vehementesten Befürworter des
Vietnamkrieges.
Das britische Empire und die Konföderierten Staaten
Von diesen persönlichen Beziehungen abgesehen, liegt
die herausragende Bedeutung Eiliotts für das amerikanische politische Establishment darin, daß er zwei der folgenreichsten, eng miteinander verknüpften oligarchischen Traditionen des 20. Jahrhunderts verkörperte.
Zum einen wurde er nach seiner Ausbildung am Balliol-College in Oxford einer der führenden amerikanischen Vertreter des britischen „Round Table", eines
Geheimbundes, der vom britischen Außenminister und
Rassisten Cecil Rhodes an der Wende vom 1 9 . zum 20.
Jahrhundert gegründet worden war, um die imperialen
britischen Interessen zu fördern. Er war der Archetyp
jener Denkweise in den USA, die Präsident Franklin D.
Roosevelt als „Amerikanische Tories" abkanzelte (in
Erinnerung an die nordamerikanischen Kolonisten, die
sich während der Amerikanischen Revolution 1775-83
auf die Seite der britischen Monarchie stellten). Wie seine britischen Privatlehrer verglich Elliott die Ausbildung
der Studenten mit der Aufzucht und Dressur von Tieren.
Zweitens gehörte Elliott zu den führenden Köpfen der
sogenannten „Nashville-Agrarier" und „Fugitive"-Organisationen in den USA, die beide der Bewahrung und
Erinnerung der Kultur und Wirtschaft der Sklavenhalterstaaten verpflichtet waren. Die südlichen Sklavenhalterstaaten bildeten die „Konföderierten Staaten von Amerika" (Alabama, Arkansas, Florida, Georgia, Louisiana,
Mississippi, North Carolina, South Carolina, Tennessee,
Texas und Virginia), die sich nach dem Amtsantritt Prä-
61
sident Lincolns von den USA lossagten und von der
Union unter dem Oberbefehl Lincolns im Bürgerkrieg
von 1 8 6 1 bis 1 8 6 5 besiegt wurden. Elliott selbst wurde
in eine Südstaatenfamilie in Tennessee hineingeboren,
die am Ende des 1 9 . Jahrhunderts enge Verbindungen
zu den Kontrolleuren des rassistisch-terroristischen KuKlux-Klan unterhielt.
Die „Agrarier" wurden 1930 in Nashville, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Tennessee, gegründet. Die
Gruppe bezog ihren Namen aus ihrer Vorliebe für die industriefeindlichen, auf Plantagen begründeten, protofeudalen („agrarischen") Südstaaten im Nordamerika der
Zeit vor dem Bürgerkriegs. Typisch für diese Mentalität
ist die folgende Äußerung eines ihrer führenden Ideologen Frank Lawrence Owsley: „Der Norden war kommerziell und industriell, und der Süden war agrarisch
ausgerichtet... Der industrielle Norden forderte hohe
Zölle ... Es war ein ausbeuterisches Prinzip, das auf Kosten des Südens ging und den Norden begünstigte ... Der
industrielle Norden forderte interne Verbesserungen —
Straßen, Eisenbahnen, Kanäle — auf Kosten des Landes,
um seine Güter besser auf die Märkte im Süden und Westen transportieren zu können ... Der Süden lehnte die
internen Verbesserungen auf Kosten des Landes ab, weil
er einen geringeren Transportbedarf hatte ... Der Norden
favorisierte eine von der Regierung kontrollierte Bank."
Owsley schrieb dies in dem Essay „Der unbezähmbare Konflikt" als Beitrag zum Gründungsdokument der
Nashville-Agrarier von 1 9 3 1 mit der Überschrift Ich
beziehe Stellung: Die Revolte des jungen Südens gegen
die Maschinenkultur, das unterzeichnet war mit: „zwölf
Südstaatler". In dieser gemeinsamen Erklärung beschreiben sie unverhohlen ihre Geisteshaltung: „Alle ziehen
die Lebensart des Südens dem vor, was als amerikanische' oder vorherrschende Lebensart bezeichnet wird ...
agrarisch versus industriell..."
Elliott, ein bedeutender Vordenker in diesen Kreisen,
war tief in einer kultischen, mystischen Weltsicht verwurzelt, und er war überzeugt, daß „Mythen" notwendig seien, um eine Gesellschaft zu führen. Er hielt es
daher für erforderlich, im amerikanischen Militär eine
Geisteshaltung der sog. „Ritterlichkeit" wiederzubeleben. Diese schöpfte er aus zwei Quellen. Die eine war
die Legende von König Artus und seiner Tafelrunde
(Round Table), die im mittelalterlichen England spielt.
Noch 1 9 6 8 schrieb er einen dicken Wälzer mit dem
Titel A Round Table for the Republic, worin er die
„Tafelrunde der Artussage" pries. Den zweiten Bezugspunkt bildete die „Ritterlichkeit", welche die Aristokratie der Plantagenbesitzer in den Sklavenhalterstaaten
vor dem amerikanischen Bürgerkrieg „ausgezeichnet"
hätte. Ganz in Übereinstimmung damit lobte er in der
Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg den „amerikanischen
Südstaaten-Soldaten" als denjenigen, der wegen seines
geistig-kulturellen Erbes am stärksten von der Haltung
durchdrungen sei, den „Kommunismus zu bekämpfen".
Was diesen letzten Punkt angeht, findet man hier eine
der deutlichsten Übereinstimmungen zwischen dem
Denken Elliotts und den Ideen seines Studenten Samuel
Huntington. Huntington idealisiert 1 9 5 8 in seinem
Buch Der Soldat und der Staat den Süden der Vorbürgerkriegszeit („antebellum") — mit seiner Kultivierung
der „Gewalt", seiner Ritterlichkeit, einer verklärten Vorstellung des Soldaten und einer atavistischen Verklärung
des Feudalismus — als Vorbild für den römisch-imperialen „militärischen Professionalismus", den er im
Nachkriegsamerika verwirklicht sehen will. Diese Übereinstimmung zwischen Huntington und Elliot berührt
eines der zentralen Paradoxa — genauer: Verrücktheiten — der heutigen militärischen Utopisten: Sie sind
geradezu besessen davon, andererseits aber auch dazu
gezwungen, ihre Politik mit Ideologien wie „Ritterlichkeit" und „Kreuzzügen" zu untermauern, weil ihre industriefeindliche Ideologie die industrielle Basis, auf die
sich jede gesunde Militärpolitik stützt, unterhöhlt.
Die Bedeutung der „Südstaatenfrage" für die zugrundeliegende Dynamik in dem Putsch-Prozeß, der am 1 1 .
September begann, kann kaum übertrieben werden.
Wie Lyndon LaRouche seit der Zeit kurz vor den USWahlen im November 2000 wiederholt betont hat, stellt
die sogenannte „Southern Strategy", die „SüdstaatenStategie", die gefährlichste innere Bedrohung für die
USA dar. Die Südstaaten-Strategie ist ein Vorstoß im
politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich,
die USA unter das Joch der heutigen Vertreter jener korrupten oligarchischen Kräfte zu zwingen, die im 1 9 .
Jahrhundert von Lincoln und seinen Mitstreitern besiegt
worden waren. Diese Kreise sind von einer Weltsicht
geleitet, die rassistisch, malthusianisch und anti-industriell, und zusätzlich häufig auch „religiös fundamentalistisch" geprägt ist.
Innerhalb der Regierung von George W. Bush steht
Justizminister John Ashcroft dieser Haltung am nächsten. Die LaRouche-Bewegung hatte in den ersten
Wochen 2001 versucht, die Bestätigung Ashcrofts im
Senat zu verhindern. Es überrascht wenig, daß Ashcroft
innerhalb der Regierung der vehementeste Verfechter
weitreichender Maßnahmen in Richtung eines Polizeistaates ist, wie sie von den Putschisten erwünscht sind.
Dazu gehört die Militarisierung des Lebens in Amerika,
in völliger Übereinstimmung mit Huntingtons Vorstellungen in Der Soldat und der Staat.
Lord Lindsay und die „Tafelrunden"
Als Elliott am Balliol-College studierte, kam er unter die
Fittiche von A.D. Lindsay, der in den ersten Jahrzehnten
des 20. Jahrhunderts der Ziehvater von britischen imperialistischen Ideologen wie dem Historiker Arnold Toynbee war. Lindsay gehörte jener seltsamen Denkungsart
an, die als „britischer christlicher Sozialismus" bekannt
wurde, wobei er diese Weltanschauung erstaunlicher-
62
weise zu weiten Teilen aus seiner Begeisterung für Thomas Hobbes' Leviathan ableitete. Er wurde eine Hauptstütze der frühen „Fabian Socialist Movement". Seine
Tochter schrieb über ihn, er sei ein „Anhänger der Aristokratie" gewesen, „der sich selbst und seinen Freunden vorgaukelte, er sei ein Idealist, ein Radikaler und
Kollektivist".
In seinen späteren Jahren wurde Lindsay Professor in
Balliol. Von 1947 bis 1 9 5 0 war er Vorsitzender des Akademischen Rates der Institution „Wilton Park" in Großbritannien. In dieser Funktion überwachte er die
„Umerziehung" zahlreicher deutscher Nachkriegspolitiker, die nach England gebracht wurden, um nach „britischen politischen Methoden" umerzogen zu werden.
Durch seinen Oxford-Lehrer Lindsay wurde Elliott in
den von Rhodes begründeten Round Table eingeführt,
der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts von
Lord Alfred Milner, dem Vorstandsvorsitzenden des
kolonialen Bergbaukonzerns Rio Tinto Zinc, geleitet
wurde. Die Hauptaufgabe des Round Table bestand darin, Rezepte und Strategien für ein zu erneuerndes und
reorganisiertes Britisches Weltreich zu entwerfen.
Hauptziel einer solchen Strategie ist es, die Vereinigten
Staaten in irgendeiner Form wieder in den Schoß des
„Mutterlandes" zurückzuführen. So könnten sich die
USA etwa, so kalkulierten die „Roundtabler", einer
Gruppe quasi-autonomer Einheiten namens „Commonwealth" anschließen. Zahlreiche führende Strategen des
Round Table gaben freimütig zu, daß dies nur ein „neuer Name für das Empire" sei. Elliott war langjähriges
Mitglied des New Yorker Council on Foreign Relations
(CFR), dem amerikanischen Zweig des Londoner Royal
Institute of International Affairs (RIIA, oder „Chatham
House"), der wichtigsten britischen Denkfabrik des
Round Table.
„Das Finstere Zeitalter könnte erneut heraufziehen"
1 9 3 2 preis Elliott in seinem Buch The New British
Empire das britische Weltreich nach dem Ersten Weltkrieg als „den vielleichtgrößten modernen politischen
Organismus". 1935 behauptete er in einem Essay für
das Magazin Southern Review, der „Nationalismus" sei
die Ursache des Krieges, und setzte sich für die Schaffung „edlerer Mythen" ein, um „eine Ordnung aus dem
Chaos neu zu gestalten, so wie es das Heilige Römische
Reich tat".
Im gleichen Jahr forderte er in der Schrift The Need for
Constitutional Reform (Die Notwendigkeit einer Verfassungsreform) die Umgestaltung der Vereinigten Staaten
nach britischem Vorbild. Die Kernidee bestand darin,
die amerikanischen Bundesstaaten durch „regionale
Commonwealths" zu ersetzen und die Machtbefugnis
gewählter Amtsinhaber durch eine permanente Bürokratie nach dem Vorbild der britischen Zivilverwaltung
zu beschneiden. Das Finanzministerium und Außenministerium der USA sollten von „permanenten Staatsbeamten im Ministerrang geleitet werden... Leiter der
gesamten Regierungsbürokratie sollte ein Beamter nach
dem Vorbild des Permanenten Britischen Finanzministers sein... Alle Ernennungen müssen von ihm bestätigt
werden." Darüber hinaus forderte er, daß die „großen
Interessen" die US-Wirtschaftspolitik bestimmen sollten
— eine deutliche Referenz an die führenden Bankiers,
Finanziers und die amerikanische „Aristokratie".
Solche Ideen haben nach 1940 besonderes Gewicht
gewonnen. In jenem Jahr arbeitete er im Exekutivausschuß einer Gruppe, die eigens dafür eingerichtet worden war, auf den Kriegseintritt der USA auf Seiten Großbritanniens hinzuarbeiten und die Welt entlang der
Doktrin von H.G. Wells' „Offener Verschwörung" zu
gestalten. Diese Gruppe veröffentlichte ein gemeinsame
Erklärung mit dem Titel: The City of Man: A Declaration
of World Democracy, in der ein Kriegseintritt der USA
mit dem Ziel gefordert wurde, ein einheitliches Weltreich unter der Führung einer „demokratischen Aristokratie" zu errichten. Unter dieser Herrschaft sollte Demokratie praktisch zu einer „Weltreligion" werden,
deren Hauptaufgabe die Wahrung des „Schatzes englischer Kultur" wäre.
Nach dem Zweiten Weltkrieg profilierte sich Elliott
öffentlich als starker „Antikommunist", was der Stimmung im Lande nach 1 9 4 7 entsprach. Wie wir an anderer Stelle berichten, war er ein führendes Mitglied im
knallhart antikommunistischen Foreign Policy Research
Institute (FPRI), das 1 9 5 5 gegründet wurde und dem
später vorgeworfen wurde, insgeheim mit Kreisen aus
dem amerikanischen Militär einen Putsch gegen die
gewählte US-Regierung zu planen.
Elliott trat auch unter dem Banner des „Antikommunismus" weiterhin für die Abschaffung des Nationalstaates und für eine Weltordnung unter anglo-amerikanischer oligarchischer Führung ein. Seine bestialische
Weltanschauung wurde in einem Essay des Jahres 1949
unter dem Titel Können wir im Rahmen des Gesetzes
eine freie Welt organisieren? ausgebreitet, worin er
schrieb: „Wenn die Menschheit darauf versessen ist,
Zigmillionen in allen großen Bevölkerungszentren auszulöschen, dann könnte erneut ein Finsteres Zeitalter
heraufziehen, und die Insekten könnten ans Ruder kommen, um ihrerseits zu versuchen, eine höhere Lebensform hervorzubringen... Im Kern geht es um die Frage,
wie eine zukünftige Weltordnung geschaffen werden
kann, die den Nationalismus ersetzt."
Kissingers Schuldigkeit
Elliots krassester und gleichzeitig zweifelhaftester Beitrag zum amerikanischen politischen Leben der Nachkriegszeit ist die Förderung seines Lieblingsschülers,
Henry Kissinger. Wie erwähnt machte er Kissinger zum
Leiter der internationalen Seminare der Harvard-Summer School of Arts and Sciences and of Education sowie
zum Herausgeber des „intellektuellen" Journals des
Seminars Confluence, An International Forum, das von
der Ford-Stiftung und der Smith-Richardson-Stiftung
finanziert wurde. Elliott gründete dieses Journal, damit
„eine neue Ordnung geboren wird". Elliotts Schützling
McGeorge Bundy gehörte ebenfalls zum Beraterstab
des Journals.
Elliott verschaffte Kissinger eine feste Anstellung an
der Harvard „Faculty of Government", indem er ihn
gegen den Widerstand einiger hochrangiger Professo-
63
ren, die Kissinger für schrecklich mittelmäßig hielten, in
einem ersten Schritt 1 9 5 4 im Harvard Center for International Affairs unterbrachte. Seine Förderung Kissingers war so offenkundig, daß Samuel Huntington kürzlich in einem Interview enthüllte, er sei eifersüchtig
gewesen, daß Elliott — den Huntington außerordentlich
verehrte — Kissinger bevorzugte: „Wir warteten in
[Elliotts] Vorzimmer, während die Minuten verstrichen,
und ärgerten uns darüber, daß er sich verspätete, weil er
sich die Zeit nahm, diesen einen Studenten zu unterrichten, von dem sich Elliott besonders viel versprach.
Dann öffnete sich die Tür und dieser pausbäckige Student kam heraus."
1 9 5 7 widmete Kissinger sein Buch A World Restored
„Professor William Y. Elliott, dem ich mehr verdanke,
sowohl intellektuell als auch menschlich, als ich je vergelten kann". Dieses Buch ist ein Lobgesang auf die
Diplomatie des britischen Außenministers Lord Castlereagh und des österreichischen Außenministers und
späteren Staatskanzlers Fürst Metternich während und
nach dem Wiener Kongreß von 1 8 1 5 . Kissinger stellt
diesen Kongreß als Modell einer „Weltordnung" dar
und bezeichnet dieses „Konzert der Nationen" und
„Mächtegleichgewicht" verschiedentlich als Vorbild seiner „Diplomatie". Er hat nie ein Geheimnis daraus
gemacht, daß ein Hauptgrund seiner Bewunderung für
Castlereagh und Metternich deren fanatische Ablehnung der republikanischen Werte der Amerikanischen
Revolution war.
Diese Sichtweise legte Kissinger am 10. Mai 1 9 8 2 im
Rahmen einer Rede im Londoner Chatham House, dem
Sitz des Royal Institute for International Affairs, offen
dar. Dort schilderte er seine Affinität für das von Thomas
Hobbes hergeleitete Menschenbild, welches der britischen imperialen Politik zugrunde liegt und im völligen
Gegensatz zu den Ideen der Amerikanischen Revolution steht. Bei der Gelegenheit stellte sich Kissinger im
Streit um die grundsätzliche Ausrichtung der Nachkriegspolitik zwischen dem amerikanischen Präsidenten
Franklin Roosevelt und dem britischen Ministerpräsidenten Winston Churchill auf die Seite Churchills.
Auf einer Sommerkonferenz von Elliotts Freunden und
Mitarbeitern anläßlich von Eliiotts Abschied von der
Universität Harvard, an der auch drei Gründungsmitglieder der Nashville-Agrarier teilnahmen, erklärte Kissinger: „Ich kann sicher sagen, daß mein Leben durch
Bill Elliot grundlegend verändert wurde."
Tatsächlich wurde ganz Amerika von Elliott und seinen Schützlingen grundlegend verändert, und dies
geschieht immer noch — zu einem immer höheren
Preis für die menschliche Zivilisation.
Robert Strausz-Hupe und
das „Amerikanische Weltimperium"
VON MARK BURDMAN
S
trausz-Hupe
ist
der
„Doyen" unter den amerikanischen
Geopolitikern und hatte wichtige diplomatische Funktionen inne.
Er hatte außerordentlichen
Einfluß sowohl auf die Welt
der amerikanischen Denkfabriken als auch auf Teile des
amerikanischen Militärs.
Obwohl nicht mehr persönlich tätig — er wird bald 99
jähre alt — wächst sein Einfluß weiter. Ein wichtiger Faktor dabei ist das von ihm
gegründete Foreign Policy
Research Institute (FPRI) in
Philadelphia.
Einige
der
führenden Mitglieder und
Mitarbeiter des FPRI sind die
Protagonisten, um die sich
dieser Sonderbericht dreht,
wie etwa William Yandell
Elliott und Samuei P. Huntington.
64
Isaiah Bowman
Robert Strausz-Hupe
(oben) und
Isaiah Bowman
Strausz-Hupe verließ Österreich 1 9 2 3 und arbeitete
anschließend in Europa für eine New Yorker Investmentbank. Diese Periode seines Lebens liegt in geheimnisvollem Dunkel. In seiner Autobiographie gibt er
weder die Art seiner Tätigkeit an, noch nennt er die
Bank, für die er tätig war. Bis zum heutigen Tag will seine Familie nicht preisgeben, was er während dieser Zeit
wirklich trieb.
Manche Experten leiten aus dieser eigentümlichen
Selbstzensur dieser Jahre ab, daß er in irgendeiner Weise in die dunkle Finanzierung der NSDAP in Deutschland verwickelt war. Auch wenn die ganze Wahrheit
darüber vielleicht niemals bekannt werden wird, steht
es durchaus im Einklang mit dieser spekulativen Vermutung, daß Strausz-Hupe in seiner Autobiographie
erzählt, bereits 1 9 3 1 habe er in Diskussionen in London
die Machtergreifung Adolf Hitlers „vorausgesagt".
Schon früh in seiner Karriere begeisterte sich StrauszHupe für eine historische Persönlichkeit, die sein Idol
und Vorbild wurde: Napoleon Bonaparte. Seine Fazination und tiefe Verehrung für Napoleon ist für die Herausbildung seiner besonderen „geopolitischen" Weltanschauung von besonderer Bedeutung, für die er später
berühmt oder besser berüchtigt wurde. Vielleicht weil
es für seine „Reputation" nicht so gut war, so offen den
französischen Diktator zu verehren, vermieden spätere
Auflagen seiner Autobiographie die hymnischen Bezüge auf Napoleon aus der ersten Ausgabe.
Anfang der 40er Jahre geriet Strausz-Hupe durch zwei
Ereignisse ins öffentliche Rampenlicht: Zum einen wurde Isaiah Bowman, einer der bedeutensten Geopolitiker
der USA, sein Mentor, und er verfaßte 1942 das Buch
The Geopolitics of Space and Power (Die Geopolitik
von Raum und Macht).
Isaiah Bowman ist nicht jedermann bekannt, er ist
aber in der Tat einer der wichtigsten Strategen Amerikas
des 20. Jahrhunderts — wenn auch im negativen Sinne.
US-Präsident Woodrow Wilson ernannte ihn auf Rat
seines engen Beraters, des fanatischen anglophilen
Obersten Edward House aus Texas, zum Leiter der amerikanischen Strategieplanungsdelegation bei der Versailler Friedenskonferenz 1 9 1 9 . Er war führend an den Planungen in Versailles beteiligt, wo die Karten in Europa
neu gezeichnet wurden. Die Folgen davon sind noch
heute spürbar. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg half
Bowman dabei, den New Yorker Council on Foreign
Relation« als amerikanischen Ableger des Londoner
Royal Institute of International Affairs (RIIA— „Chatham
House") zu gründen.
Bowman blieb bis zum Zweiten Weltkrieg ein führender Kopf auf dem Gebiet der amerikanischen „politischen Geographie". Er verfaßte zahlreiche Schriftstücke
über Sowjetrußland, die er an US-Präsident Franklin D.
Roosevelt richtete, die aber auf dessen Denken offenbar
wenig Einfluß hatten. In diesen Schriften drückte er seine tiefe Bewunderung für den britischen Geopolitiker
Sir Haiford Mackinder aus, dem er jedoch vorhielt, die
Bedrohung, die von Rußland, der Großmacht des kontinentalen „Kernlandes", für die anglo-amerikanischen
„Randmächte" ausgehe, nicht ausreichend verstanden
zu haben. Vor allem diese antirussischen Tiraden hatten
prägenden Einfluß auf das Denken und die Schriften des
Napoleon-Fetischisten Robert Strausz-Hupe.
Geopolitische Geschichtsverdrehung
Während des Zweiten Weltkriegs brachte Bowman
Strausz-Hupe in eine geheime Forschungsgruppe an der
Washingtoner Kongreß-Bibliothek, die sich mit der
„Umsiedlung von Bevölkerungen nach dem Krieg"
befaßte. Erkenntnisse der Gruppe wurden an Bowman
weitergegeben, der sie wiederum dem Office of Strategie Services (OSS), dem Vorläufer der Central Intelligente Agency (CIA) zugänglich machte.
Strausz-Hupes Buch Ceopolitik: der Kampf um Raum
und Macht von 1942 gilt heute immer noch als grundlegend für die Entwicklung einer „amerikanischen Geopolitik". Er stellt sich darin selbst in eine Reihe mit den
Arbeiten Mackinders und des Nazi-Ideologen Karl
Haushofer. Um seine Argumente zu untermauern,
bedient sich Strausz-Hupe einiger abenteuerlicher
historischer Verdrehungen, die darauf abzielen, die
„Geopolitik" in den Kontext amerikanischer Geschichte
zu stellen.
Zunächst behauptet er völlig aus der Luft gegriffen,
die Geopolitik Haushofers und die Nazi-Ideologie vom
„Lebensraum" gingen auf die Ideen der „Nationalökonomie" zurück, wie sie im 1 9 . Jahrhundert Friedrich List
entwickelt habe. Er schreibt: „Der Kampf ums nationale
Überleben... wird um die Neuverteilung des Raumes
geführt." Das britische Empire habe wegen seiner schieren Größe „in aller Welt expansive Bestrebungen
blockiert." Aber mit dem Auftreten der Nazis wäre dies
in Frage gestellt worden, da laut Nazi-Ideologie alle
inneren sozio-ökonomischen Probleme „durch die
Eroberung von Raum und immer mehr Raum" gelöst
würden.
Nach Strausz-Hupes verdrehter Sicht sei Friedrich List
der erste gewesen, der „die Theorie des Raumes als
Vorbedingung für nationale Größe" entwickelt habe.
Die Schlußfolgerung Lists in „Das Nationale System der
Politischen Ökonomie" münde laut Strausz-Hupe in
dessen Überzeugung., daß Deutschland „sein Manufak-
turwesen und seinen Handel durch protektionistische
Maßnahmen und ein Schiffahrtsgesetz ausdehnen muß.
Aber für den wirtschaftlichen Fortschritt braucht es ein
ausgedehntes und ausreichend zusammenhängendes
Territorium, das von der Nord- und Ostsee bis zur Adria
und zum Schwarzen Meer reicht." Somit habe List, „der
Freund von Henry Clay und Schüler Alexander Hamiltons, die Theorie vom Lebensraum erfunden".
Tatsächlich ist Haushofers Geopolitik ein „Mackinder
mit umgekehrten Vorzeichen": Da die britische Macht
auf der Beherrschung der Weltmeere beruhe, müsse die
deutsche Macht auf der Expansion nach Eurasien beruhen, argumentierte er. Eine zentrale Aussage seiner Pläne lautete jedoch, das Überleben einer Macht sei von
der Landwirtschaft und nicht von der Industrie abhängig
— ein völliger Gegensatz zu Lists Vorstellungen. Darüber hinaus wurzelte Haushofer tief in einem mystischen
Rassismus, der in der Verehrung Tibets gipfelte. Auch
dies steht völlig im Gegensatz zu dem Konzept des
„Amerikanischen Systems" von Clay, Hamilton und List,
die Strausz-Hupe aus Unwissenheit oder Boshaftigkeit
zu seinen Gewährsleuten der Geopolitik machen will.
Ebenso absurd sind die Behauptungen Strausz-Hupes,
die Geopolitik Haushofers basiere ganz wesentlich auf
der amerikanischen Monroe-Doktrin. Er schreibt: „Die
Monroe-Doktrin ist die erste und vielleicht bedeutendste Anwendung geopolitischer Prinzipien, und Haushofer... war in seinen Theorien von amerikanischen Realitäten inspiriert... Ein großer Teil der jüngsten deutschen
geopolitischen Literatur ist der Interpretation dieser
Doktrin gewidmet."
Bestenfalls kann dies als Strausz-Hupes persönliche
Auslegung der Monroe-Doktrin aus der Sicht Theodore
Roosevelts aufgefaßt werden. Denn der imperialistisch
denkende Theodore Roosevelt hat in seiner Präsidentschaft von 1 9 0 1 bis 1908 diese Doktrin als Rechtfertigung für die selbstherrliche Einmischung der USA in
Mittel- und Südamerika mißbraucht. Die ursprüngliche
Monroe-Doktrin, wie sie der bedeutende amerikanische
Staatsmann (und spätere Präsident von 1824 bis 1828)
John Quincy Adams 1 8 2 3 als Außenminister entwarf,
war explizit antiimperialistisch ausgerichtet. Die USA
verpflichteten sich darin zur Errichtung einer „Prinzipiengemeinschaft zwischen souveränen Nationalstaaten"
in den Amerikas, um die Pläne der Habsburger und
anderer europäischer Imperialmächte auf dem amerikanischen Kontinent zu durchkreuzen.
Die beiden Behauptungen Strausz-Hupes enthüllen
den tiefen Haß dieses großen „Verteidigers amerikanischer Interessen" auf die Grundlagen des „Amerikanischen Systems" der Wirtschaft und Staatsführung.
Novis Orbis Teirarum
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Strausz-Hupes wichtigster Schritt die Schaffung des Foreign Policy Research
Institute (FPRI) im Jahre 1955, das er bis 1969 als außerordentlicher Professor der Universität von Pennsylvania
leitete. 1 9 5 7 begründete er das FPRI-Journal Orbis, A
Journal of World Affairs, das seither als Sprachrohr der
schärferen imperialistischen Töne amerikanischer Strategen in Erscheinung getreten ist. Zu den ersten Redakteuren des Blattes gehörten damals der Harvard-Professor William Yandell Elliott, Mentor der führenden Köpfe amerikanischer Utopisten wie Kissinger, Huntington,
Brzezinski und McGeorge Bundy, sowie Henry Kissinger selbst.
In der ersten Ausgabe von Orbis schrieb StrauszHupe: „Die Aufgabe, vor der die Vereinigten Staaten
stehen, ist die Vereinigung der Welt unter ihrer Führung
innerhalb dieser Generation... Diese Aufgabe muß
wegen zweier vordringlicher Überlegungen in naher
Zukunft erreicht werden: 1 . Das politische Erscheinen
der asiatischen Völker verändert zusammen mit ihrem
ungeheuren Bevölkerungswachstum das internationale
und regionale Gleichgewicht der Mächte tiefgreifend
und kündigt regionale und internationale Konflikte und
Kriege an. 2. Innerhalb absehbarer Zukunft werden eine
Reihe von Ländern außerhalb der Vereinigten Staaten,
der Sowjetunion und Großbritanniens in den Besitz von
Nuklearwaffen und anderen Massenvernichtungsmitteln
gelangen...
Die Errichtung einer solchen universeilen Ordnung ist
nun zur einzigen Alternative zu Anarchie und Zerstörung geworden, die der Mensch angerichtet hat, seit
seine Vorfahren die Höhlen verließen. Die alleinige Frage bleibt daher, welches Volk es sein wird, das die Weltordnung nach seinem Bilde und unter seiner Herrschaft
gestalten wird...
Wird die kommende Weltordnung ein amerikanisches
Weltreich? Es muß so sein... Die kommende Ordnung
wird die letzte Phase in einem historischen Übergang
markieren... Die Mission des amerikanischen Volkes
besteht darin, die Nationalstaaten zu begraben, ihre
hinterbliebenen Völker in größeren Bündnissen zu vereinigen und mit seiner Macht mögliche Saboteure der
neuen Weltordnung niederzudrücken... In den nächsten
etwa 50 Jahren gehört die Zukunft Amerika. Das amerikanische Imperium und die Menschheit werden nicht
Gegensätze sein, sondern eher zwei Namen für die universelle Ordnung in Frieden und Glück. Novis orbis terrarum (lateinisch für ,neue Weltordnung', die Red)."
Mit dem Untergang der Sowjetunion 1 9 9 1 wurde dieser Aufsatz in der Orb/s-Ausgabe Januar 1991/Dezember 1992 erneut abgedruckt. Der neue Herausgeber des
Journals, Daniel Pipes (siehe unten), erklärte, StrauszHupe habe das Ende des Kommunismus vorhergesehen
und die Vereinigten Staaten würden und sollten kurz vor
Ende des Jahrtausends ein neues Weltreich begründen.
Pipes erinnerte daran, daß der Name „Orbis" von dem
Ausdruck „novis orbis terrarum" stamme.
FPRI und die Putschdrohungen der 60er Jahre
In den 70er und 80er Jahren konnte Strausz-Hupe seine
geopolitischen Neigungen auf dem sensiblen Gebiet der
amerikanischen Diplomatie ausleben. Er diente als
amerikanischer Botschafter in Belgien (1972-73),
Schweden (1974-76), der NATO ( 1 9 7 6 - 1 9 7 7 ) und der
Türkei ( 1 9 8 1 - 8 9 ) .
Bevor wir auf diese beiden Jahrzehnte eingehen, muß
eine wenig bekannte, aber sehr bedeutsame Episode der
amerikanischen Geschichte aus den 60er Jahren erzählt
werden, die zur Ermordung von Präsident John F. Kennedy im November 1 9 6 3 führte. Strausz-Hupe und das
FPRI waren in üble Dinge verwickelt, die im Einklang
mit ihrer utopischen Weltanschauung des „Amerikanischen Weltreiches" standen, die wir oben beschrieben
haben.
Anfang der 60er Jahre begannen mehrere hochrangige amerikanische Patrioten vor der gefährlichen Politisierung von Elementen des amerikanischen Militärs zu
warnen, Elemente, die unter dem Motto „Kampf gegen
66
den Kommunismus" zu einer Konfrontation mit der
Sowjetunion und ähnlichen Verrücktheiten entschlossen waren. Es gab eine lebhafte Debatte über die Möglichkeit eines Staatsstreiches in den USA. Ausdruck
dafür war der 1 9 6 2 gedrehte vielbeachtete Film Sieben
Tage im Mai, der einen solchen Putsch fiktiv durchspielt.
Einer der Patrioten war der demokratische Senator
William Fulbright, damals Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Senats. Fulbright schrieb an Verteidigungsminister Robert McNamara im Juli 1 9 6 1 , sechs
Monate nach Kennedys Amtsantritt, eine persönliche
Mitteilung mit dem Titel „Propagandaaktivitäten von
Militärangehörigen in der Öffentlichkeit". Ohne das
Wort Putsch zu gebrauchen, warnte er darin, daß es ein
gefährliches Muster politischer Aktivitäten seitens amerikanischer Offiziere gebe, welches ihn an die gegen de
Gaulle gerichtete „Organisation de l'Armee Secrete"
(OAS) in Frankreich erinnere. Die Revolte der französi-
berühmt oder besser berüchtigt wurde. Vielleicht weil
es für seine „Reputation" nicht so gut war, so offen den
französischen Diktator zu verehren, vermieden spätere
Auflagen seiner Autobiographie die hymnischen Bezüge auf Napoleon aus der ersten Ausgabe.
Anfang der 40er Jahre geriet Strausz-Hupe durch zwei
Ereignisse ins öffentliche Rampenlicht: Zum einen wurde Isaiah Bovvman, einer der bedeutensten Geopolitiker
der USA, sein Mentor, und er verfaßte 1 9 4 2 das Buch
The Ceopolitics of Space and Power (Die Geopolitik
von Raum und Macht).
Isaiah Bowman ist nicht jedermann bekannt, er ist
aber in der Tat einer der wichtigsten Strategen Amerikas
des 20. Jahrhunderts — wenn auch im negativen Sinne.
US-Präsident Woodrow Wilson ernannte ihn auf Rat
seines engen Beraters, des fanatischen anglophilen
Obersten Edward House aus Texas, zum Leiter der amerikanischen Strategieplanungsdelegation bei der Versailler Friedenskonferenz 1 9 1 9 . Er war führend an den Planungen in Versailles beteiligt, wo die Karten in Europa
neu gezeichnet wurden. Die Folgen davon sind noch
heute spürbar. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg half
Bowman dabei, den New Yorker Council on Foreign
Relations als amerikanischen Ableger des Londoner
Royal Institute of International Affairs (RIIA — „Chatham
House") zu gründen.
Bowman blieb bis zum Zweiten Weltkrieg ein führender Kopf auf dem Gebiet der amerikanischen „politischen Geographie". Er verfaßte zahlreiche Schriftstücke
über Sowjetrußland, die er an US-Präsident Franklin D.
Roosevelt richtete, die aber auf dessen Denken offenbar
wenig Einfluß hatten. In diesen Schriften drückte er seine tiefe Bewunderung für den britischen Geopolitiker
Sir Haiford Mackinder aus, dem er jedoch vorhielt, die
Bedrohung, die von Rußland, der Großmacht des kontinentalen „Kernlandes", für die anglo-amerikanischen
„Randmächte" ausgehe, nicht ausreichend verstanden
zu haben. Vor allem diese antirussischen Tiraden hatten
prägenden Einfluß auf das Denken und die Schriften des
Napoleon-Fetischisten Robert Strausz-Hupe.
Geopolitische Geschichtsverdrehung
Während des Zweiten Weltkriegs brachte Bowman
Strausz-Hupe in eine geheime Forschungsgruppe an der
Washingtoner Kongreß-Bibliothek, die sich mit der
„Umsiedlung von Bevölkerungen nach dem Krieg"
befaßte. Erkenntnisse der Gruppe wurden an Bowman
weitergegeben, der sie wiederum dem Office of Strategie Services (OSS), dem Vorläufer der Central Intelligence Agency (CIA) zugänglich machte.
Strausz-Hupes Buch Geopolitik: der Kampf um Raum
und Macht von 1 9 4 2 gilt heute immer noch als grundlegend für die Entwicklung einer „amerikanischen Geopolitik". Er stellt sich darin selbst in eine Reihe mit den
Arbeiten Mackinders und des Nazi-Ideologen Karl
Haushofer. Um seine Argumente zu untermauern,
bedient sich Strausz-Hupe einiger abenteuerlicher
historischer Verdrehungen, die darauf abzielen, die
„Geopolitik" in den Kontext amerikanischer Geschichte
zu stellen.
Zunächst behauptet er völlig aus der Luft gegriffen,
die Geopolitik Haushofers und die Nazi-Ideologie vom
„Lebensraum" gingen auf die Ideen der „Nationalökonomie" zurück, wie sie im 1 9 . Jahrhundert Friedrich List
entwickelt habe. Er schreibt: „Der Kampf ums nationale
Überleben... wird um die Neuverteilung des Raumes
geführt." Das britische Empire habe wegen seiner schieren Größe „in aller Welt expansive Bestrebungen
blockiert." Aber mit dem Auftreten der Nazis wäre dies
in Frage gestellt worden, da laut Nazi-Ideologie alle
inneren sozio-ökonomischen Probleme „durch die
Eroberung von Raum und immer mehr Raum" gelöst
würden.
Nach Strausz-Hupes verdrehter Sicht sei Friedrich List
der erste gewesen, der „die Theorie des Raumes als
Vorbedingung für nationale Größe" entwickelt habe.
Die Schlußfolgerung Lists in „Das Nationale System der
Politischen Ökonomie" münde laut Strausz-Hupe in
dessen Überzeugung, daß Deutschland „sein Manufak-
turwesen und seinen Handel durch protektionistische
Maßnahmen und ein Schiffahrtsgesetz ausdehnen muß.
Aber für den wirtschaftlichen Fortschritt braucht es ein
ausgedehntes und ausreichend zusammenhängendes
Territorium, das von der Nord- und Ostsee bis zur Adria
und zum Schwarzen Meer reicht." Somit habe List, „der
Freund von Henry Clay und Schüler Alexander Hamiltons, die Theorie vom Lebensraum erfunden".
Tatsächlich ist Haushofers Geopolitik ein „Mackinder
mit umgekehrten Vorzeichen": Da die britische Macht
auf der Beherrschung der Weltmeere beruhe, müsse die
deutsche Macht auf der Expansion nach Eurasien beruhen, argumentierte er. Eine zentrale Aussage seiner Pläne lautete jedoch, das Überleben einer Macht sei von
der Landwirtschaft und nicht von der Industrie abhängig
— ein völliger Gegensatz zu Lists Vorstellungen. Darüber hinaus wurzelte Haushofer tief in einem mystischen
Rassismus, der in der Verehrung Tibets gipfelte. Auch
dies steht völlig im Gegensatz zu dem Konzept des
„Amerikanischen Systems" von Clay, Hamilton und List,
die Strausz-Hupe aus Unwissenheit oder Boshaftigkeit
zu seinen Gewährsleuten der Geopolitik machen will.
Ebenso absurd sind die Behauptungen Strausz-Hupes,
die Geopolitik Haushofers basiere ganz wesentlich auf
der amerikanischen Monroe-Doktrin. Er schreibt: „Die
Monroe-Doktrin ist die erste und vielleicht bedeutendste Anwendung geopolitischer Prinzipien, und Haushofer... war in seinen Theorien von amerikanischen Realitäten inspiriert... Ein großer Teil der jüngsten deutschen
geopolitischen Literatur ist der Interpretation dieser
Doktrin gewidmet."
Bestenfalls kann dies als Strausz-Hupes persönliche
Auslegung der Monroe-Doktrin aus der Sicht Theodore
Roosevelts aufgefaßt werden. Denn der imperialistisch
denkende Theodore Roosevelt hat in seiner Präsidentschaft von 1 9 0 1 bis 1 9 0 8 diese Doktrin als Rechtfertigung für die selbstherrliche Einmischung der USA in
Mittel- und Südamerika mißbraucht. Die ursprüngliche
Monroe-Doktrin, wie sie der bedeutende amerikanische
Staatsmann (und spätere Präsident von 1824 bis 1828)
John Quincy Adams 1823 als Außenminister entwarf,
war explizit antiimperialistisch ausgerichtet. Die USA
verpflichteten sich darin zur Errichtung einer „Prinzipiengemeinschaft zwischen souveränen Nationalstaaten"
in den Amerikas, um die Pläne der Habsburger und
anderer europäischer Imperialmächte auf dem amerikanischen Kontinent zu durchkreuzen.
Die beiden Behauptungen Strausz-Hupes enthüllen
den tiefen Haß dieses großen „Verteidigers amerikanischer Interessen" auf die Grundlagen des „Amerikanischen Systems" der Wirtschaft und Staatsführung.
Novis Orbis Terrarum
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Strausz-Hupes wichtigster Schritt die Schaffung des Foreign Policy Research
Institute (FPRI) im Jahre 1955, das er bis 1969 als außerordentlicher Professor der Universität von Pennsylvania
leitete. 1 9 5 7 begründete er das FPRI-Journal Orbis, A
Journal of World Affairs, das seither als Sprachrohr der
schärferen imperialistischen Töne amerikanischer Strategen in Erscheinung getreten ist. Zu den ersten Redakteuren des Blattes gehörten damals der Harvard-Professor William Yandell Elliott, Mentor der führenden Köpfe amerikanischer Utopisten wie Kissinger, Huntington,
Brzezinski und McGeorge Bundy, sowie Henry Kissinger selbst.
In der ersten Ausgabe von Orbis schrieb StrauszHupe: „Die Aufgabe, vor der die Vereinigten Staaten
stehen, ist die Vereinigung der Welt unter ihrer Führung
innerhalb dieser Generation... Diese Aufgabe muß
wegen zweier vordringlicher Überlegungen in naher
Zukunft erreicht werden: 1 . Das politische Erscheinen
der asiatischen Völker verändert zusammen mit ihrem
ungeheuren Bevölkerungswachstum das internationale
und regionale Gleichgewicht der Mächte tiefgreifend
und kündigt regionale und internationale Konflikte und
Kriege an. 2. Innerhalb absehbarer Zukunft werden eine
Reihe von Ländern außerhalb der Vereinigten Staaten,
der Sowjetunion und Großbritanniens in den Besitz von
Nuklearwaffen und anderen Massenvernichtungsmitteln
gelangen...
Die Errichtung einer solchen universellen Ordnung ist
nun zur einzigen Alternative zu Anarchie und Zerstörung geworden, die der Mensch angerichtet hat, seit
seine Vorfahren die Höhlen verließen. Die alleinige Frage bleibt daher, welches Volk es sein wird, das die Weltordnung nach seinem Bilde und unter seiner Herrschaft
gestalten wird...
Wird die kommende Weltordnung ein amerikanisches
Weltreich? Es muß so sein... Die kommende Ordnung
wird die letzte Phase in einem historischen Übergang
markieren... Die Mission des amerikanischen Volkes
besteht darin, die Nationalstaaten zu begraben, ihre
hinterbliebenen Völker in größeren Bündnissen zu vereinigen und mit seiner Macht mögliche Saboteure der
neuen Weltordnung niederzudrücken... In den nächsten
etwa 50 Jahren gehört die Zukunft Amerika. Das amerikanische Imperium und die Menschheit werden nicht
Gegensätze sein, sondern eher zwei Namen für die universelle Ordnung in Frieden und Glück. Novis orbis terrarum (lateinisch für ,neue Weltordnung', die Red)."
Mit dem Untergang der Sowjetunion 1 9 9 1 wurde dieser Aufsatz in der Orb/s-Ausgabe Januar 1991/Dezember 1992 erneut abgedruckt. Der neue Herausgeber des
Journals, Daniel Pipes (siehe unten), erklärte, StrauszHupe habe das Ende des Kommunismus vorhergesehen
und die Vereinigten Staaten würden und sollten kurz vor
Ende des Jahrtausends ein neues Weltreich begründen.
Pipes erinnerte daran, daß der Name „Orbis" von dem
Ausdruck „novis orbis terrarum" stamme.
FPRI und die Putschdrohungen der 60er Jahre
In den 70er und 80er Jahren konnte Strausz-Hupe seine
geopolitischen Neigungen auf dem sensiblen Gebiet der
amerikanischen Diplomatie ausleben. Er diente als
amerikanischer Botschafter in Belgien (1972-73),
Schweden (1974-76), der NATO ( 1 9 7 6 - 1 9 7 7 ) und der
Türkei (1981-89).
Bevor wir auf diese beiden Jahrzehnte eingehen, muß
eine wenig bekannte, aber sehr bedeutsame Episode der
amerikanischen Geschichte aus den 60er Jahren erzählt
werden, die zur Ermordung vo:i Präsident John F. Kennedy im November 1 9 6 3 führte. Strausz-Hupe und das
FPRI waren in üble Dinge verwickelt, die im Einklang
mit ihrer utopischen Weltanschauung des „Amerikanischen Weltreiches" standen, die wir oben beschrieben
haben.
Anfang der 60er jähre begannen mehrere hochrangige amerikanische Patrioten vor der gefährlichen Politisierung von Elementen des amerikanischen Militärs zu
warnen, Elemente, die unter dem Motto „Kampf gegen
66
den Kommunismus" zu einer Konfrontation mit der
Sowjetunion und ähnlichen Verrücktheiten entschlossen waren. Es gab eine lebhafte Debatte über die Möglichkeit eines Staatsstreiches in den USA. Ausdruck
dafür war der 1 9 6 2 gedrehte vielbeachtete Film Sieben
Tage im Mai, der einen solchen Putsch fiktiv durchspielt.
Einer der Patrioten war der demokratische Senator
William Fulbright, damals Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Senats. Fulbright schrieb an Verteidigungsminister Robert McNamara im Juli 1 9 6 1 , sechs
Monate nach Kennedys Amtsantritt, eine persönliche
Mitteilung mit dem Titel „Propagandaaktivitäten von
Militärangehörigen in der Öffentlichkeit". Ohne das
Wort Putsch zu gebrauchen, warnte er darin, daß es ein
gefährliches Muster politischer Aktivitäten seitens amerikanischer Offiziere gebe, welches ihn an die gegen de
Gaulle gerichtete „Organisation de l'Armee Secrete"
(OAS) in Frankreich erinnere. Die Revolte der französi-
sehen Generäle, erklärte Fulbright, wäre „ein Beispiel
für das Ausmaß der Gefahr".
In die subversiven Aktivitäten, die Senator Fulbright
nannte, waren an maßgeblicher Stelle auch Militäroffiziere in Verbindung mit dem Foreign Policy Research
Institute verwickelt. Das FPRI unter Strausz-Hupe wurde
zusammen mit anderen Institutionen hinter rechtsextremen, konservativen Ausrichtungen wie der Smith
Richardson Foundation von Fulbright beschuldigt, Propagandamaterial für das Militär zu erstellen, worin eine
Politik vertreten werde, die im Gegensatz zu der von
Präsident Kennedy vertretenen Politik stehe. Im Kern
ging es dabei um Strausz-Hupes Lieblingsidee der sogenannten „Vorwärts-Strategie", aktive Maßnahmen innerhalb des kommunistischen Blocks gegen die Sowjetunion zu ergreifen. Laut Fulbright hätten das FPRI und
andere „extrem radikale rechte Redner und/oder Materialien" verbreitet, das letztlich dazu führen würde, „die
Außen- und Sicherheitspolitik der Regierung im öffentlichen Bewußtsein zu verurteilen". Fulbright forderte eine
Untersuchung der Beziehungen des FPRI und anderer
zum amerikanischen Generalstab, um zu klären, „ob
diese Beziehungen nicht darauf hinauslaufen, offiziell
eine Ansicht zu unterstützen, die von der Haltung der
Regierung abweicht."
Strausz-Hupe wurde in dem Fulbright-Memorandum
an mehreren Stellen persönlich als jemand erwähnt, der
an diesen Aktivitäten beteiligt sei. Im Oktober 1 9 6 1 war
Strausz-Hupe dadurch so entnervt, daß das FPRI einen
privaten Brief an „Mitarbeiter, Freunde und Unterstützer" verbreitete, worin Fulbright angegriffen und versichert wurde: „Im Foreign Policy Research Institute wird
kein finsterer Plan verfolgt, Militärangehörige in den
Vereinigten Staaten dazu zu bewegen, einen Staatsstreich wie bei der mißlungenen französischen Affäre in
Algerien in die Wege zu leiten".
FPRI und die Freunde Ariel Scharons
In den 90er Jahren schlug Orbis noch radikalere Töne
an, als die Leitung des Journals an Daniel Pipes überging, der auch Direktor des FPRI wurde. Pipes, Sohn
eines der „Falken" des Kalten Krieges Richard Pipes, gilt
als führender Nahostexperte, der jedoch die Friedensinitiativen von Lyndon LaRouche scharf angegriffen hat.
Regelmäßig und besonders nach dem 1 1 . September
sind in Amerika in verschiedenen Zeitungen regelmäßige Kommentare von Daniel Pipes zu lesen, in denen er
1 . einen aggressiven, globalen Krieg gegen den sogenannten „militanten Islam", 2. 10Oprozentigen Rückhalt
Amerikas für das Regime von Ariel Scharon in Israel
und 3. die Aufkündigung des Abkommens von Oslo
1 9 9 3 fordert, das einen Friedensprozeß zwischen Israel
und den Palästinensern mit Unterstützung der ClintonRegierung in Gang gesetzt hatte. Dies läßt sich nur als
der krude Versuch deuten, die Lehren von Strausz-Hupe
über das „Amerikanische Weltreich" und die „Neue
Weltordnung" mit der Expansionspolitik Scharons für
ein „Großisrael" zu verbinden.
Es ist keine Überraschung, daß im derzeitigen Vorstand von FPRI/Orb/s auch Samuel Huntington sitzt.
Auch die übrigen Vorstandsmitglieder repräsentieren
eine ansehnliche „Schurkengalerie". Dazu gehören u.a.:
• Der britische Arabienspezialist Bernard Lewis von
der Universität Princeton, von dem Huntington den
Begriff des „Krieges der Zivilisationen" übernommen
hat, nachdem Lewis diesen in einem Artikel im Magazin
Atlantic Monthly Anfang der 90er Jahre erstmals
gebraucht hatte.
• Der ehemalige amerikanische Justizminister Richard Thornburgh, der unter Präsident George Bush sen.
die sogenannte „Thornburgh-Doktrin" entwickelte,
wonach die USA das Recht beanspruchen, sich einseitig in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen.
• Der ehemalige CIA-Chef James Woolsey, der sich
heute für die „Phase II" des Anti-Terror-Krieges gegen
den Irak einsetzt, sowie
• der Kosmetik-Erbe Ronald Lauder, einer der wichtigsten Finanziers des jetzigen israelischen Regierungschefs Ariel Scharon wie auch des früheren Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.
Unter Pipes Führung in den 90er Jahren wurden FPRI
und Orbis zu aggressiven Fürsprechern der Scharon und
Netanjahu nahestehenden extrem rechten zionistischen
Lobby in Amerika.
Einige Monate nach Erscheinen von Samuel Huntingtons Aufsatz „Clash of Civilizations" in der Sommerausgabe 1 9 9 3 von Foreign Affairs begründeten Pipes und
das Nahostforum des FPRI das Middle Fast Quarterly,
um eine extrem proisraelische Position zu fördern.
In den letzten Jahren waren die Aktivitäten des FPRI
oft mit denen des Washington Institute for Near Hast
Policy (WINEP) identisch. Zu den Vorstandsmitgliedern
von WINEP gehörten in den letzten Jahren Leute wie der
jetzige stellv. US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz
und der Leiter des Defense Policy Board Richard Perle,
zentrale Figuren der „Krieg-der-Kulturen"-Kreise im
Pentagon. Patrick Clawson, Leiter der WINEP-Forschungsabteilung, schreibt regelmäßig für Orbis und ist
leitender Redakteur von Pipes' Middle East Quarterly.
FPRI und WINEP haben die Schriften führender
„Stammtisch-Propagandisten" des „Clash of Civilization" wie Steven Emerson, Laurie Mylroie und David
Wurmser verbreitet.
Bemerkenswert an diesem Inzuchtnetzwerk aus Huntington, FPRI und WINEP ist außerdem, daß sie alle zwischen 1998 und 2000 reichliche Geldzuwendungen
von immer dergleichen kleinen Gruppe neokonservativer Stiftungen erhielten: Smith Richardson, Olin, Sarah
Scaife (eine der Stiftungen aus dem Imperium des Pittsburgher Mega-Milliardärs Richard Mellon Scaife) und
Bradley. Huntington allein erhielt in diesem Zeitraum
5 Millionen Dollar von drei dieser Stiftungen (ohne
Scaife).
67
Kurzprofil: Bernard Lewis
Der führende Orientalist des britischen Establishments ist der Urheber
der geopolitischen Konzepte des „Krisenbogens" und des „Kampfes der Kulturen".
Geboren: 1 9 1 6 , London
Ausbildung: B.A. und Ph.D. Universität London, School
of Orientai and African Studies.
Laufbahn: Professor für Isiamstudien an der Universität
London (1938-74); Tätigkeit für den britischen Militärgeheimdienst (1940-45); Professor für Islamstudien an
der Universität Princeton (1974-86); Prof.emer. der Universität Princeton (bis heute).
Profil: Dr. Bernard Lewis ist unter den heute noch
lebenden Orientexperten der britischen Nachrichtendienste bei weitem der renommierteste. Seit er 1974 in
die Vereinigten Staaten geschickt wurde, übte er prägenden Einfluß auf Zbigniew Brzezinski und Samuel P.
Huntington aus, vornehmlich in bezug auf deren
Bemühungen, die USA in ein britisches „Großes Spiel"
in Zentralasien hineinzuziehen. Auch seine Beziehungen zu Richard Perle reichen bis in die Mitte der 70er
Jahre zurück.
Sowohl Brzezinskis Politik des „Krisenbogens" aus der
Carter-Ära als auch Huntingtons Dogma vom „Zusammenstoß der Kulturen" aus den 90er Jahren stammen ursprünglich von Lewis und sind im Grunde nur neuere
Versionen des altbekannten „Großen Spiels" der Geopolitik. Die gesamte Politik der Regierung Carter gegenüber dem Persischen Golf, Afghanistan und dem südlichen Teil der Sowjetunion hat Lewis entworfen. Die
Unterstützung der Regierung Carter für den Sturz des
Schahs im Iran und die Installierung des Khomeini-Regimes waren wesentliche Komponenten des damals
wohlbekannten „Bernard-Lewis-Plans", der die Balkanisierung des Nahen Ostens bezweckte.
Lewis erhielt seine Ausbildung am Institut für Orientund Afrikastudien der Universität London, das vormals
als „Colonial Department" oder Kolonialabteilung
bekannt war. Hier wurden die Akten der britischen East
India Company aufbewahrt, und viele britische Diplomaten und Geheimdienstleute studierten hier.
1940-45 war Lewis für den britischen Militärgeheimdienst tätig, und zwar u.a. im „Arab Bureau" des britischen Außenministeriums. Während seiner ganzen
Laufbahn hielt er diese Verbindungen aufrecht. Viele
seiner Schriften wurden von" Royal Institute of International Affairs (RIIA, Chatham House) veröffentlicht.
Seine erste Intervention in die anglo-amerikanische
Nahostpolitik erfolgte 1 9 6 1 , als sein Buch The Emer-
Bernard Lewis
gence Of Modern Turkey (Die Entstehung der modernen
Türkei) erschien. Es ist ein Angriff auf das politische Vermächtnis Kemal Atatürks, des Begründers der modernen Türkei, wobei Lewis der Wiederbelebung des
Osmanischen Reiches das Wort redet, das er als geopolitischen Rammbock gegen die Sowjetunion, bzw.
deren islamische Südflanke, einzusetzen gedenkt.
1967 schrieb Lewis The Assassins: A Radical Sect In
Islam (Die Assassinen: Eine radikale islamische Sekte),
worin er den während der Kreuzzüge aktiven Haschischesser-Kult der Assassinen als rechtmäßige Spielart des Islams darstellt. Das Buch wurde vom RIIA veröffentlicht.
Als Professor in Princeton und Mitarbeiter des Princeton Center for Advanced Studies, das dem Vorbild des
All Souls' College der Universität Oxford folgte, rückte
Lewis zum Berater mehrerer aufeinanderfolgender USRegierungen auf.
Der Krisenbogen
Im November 1 9 7 6 gewann Jimmy Carter die Präsidentschaftswahl. Der Nationale Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski machte Lewis zum inoffiziellen strategischen Chefberater. Lewis' Plan, die vom britischen
Geheimdienst geschaffene Muslim-Bruderschaft in allen
südlichen Sowjetrepubliken zu fördern, wurde weithin
68
als Politik des „Krisenbogens" und als „Bernard-LewisPlan" bekannt. Er wurde u.a. am 1 5 . Januar 1 9 7 9 in
einer Titelgeschichte des Magazins Time unter der
Überschrift: „Der Krisenbogen: Iran und eine Region
wachsender Instabilität" erörtert.
Der Artikel begann mit einem Zitat Brzezinskis: „Ein
Krisenbogen zieht sich an der Küste des Indischen Ozeans entlang: fragile soziale und politische Strukturen in
einer Region, die für uns lebenswichtig und von Zerfall
bedroht ist. Das daraus entstehende politische Chaos
könnte von Elementen erfüllt werden, die unseren Werten feindlich und unseren Gegnern freundlich gesonnen
sind."
Allerdings läßt die Time-Story keinen Zweifel daran,
daß Lewis, Brzezinski und andere Verfechter des „Krisenbogens" das daraus folgende Chaos zu ihrem geopolitischen Vorteil zu nutzen trachteten: „Langfristig könnte der Gärungsprozeß in dem Bogen sogar deutliche
Gelegenheiten für den Westen hervorbringen. Der Islam
läßt sich zweifellos mit dem Sozialismus vereinbaren,
aber dem atheistischen Kommunismus steht er feindlich
gegenüber. Die Sowjetunion ist bereits die fünftgrößte
islamische Nation der Welt. Im Jahr 2000 könnte die
riesige islamische Bevölkerung in den Grenzrepubliken
bereits die Zahl der heute noch vorherrschenden Slawen übersteigen. Aus den islamischen Demokratien an
der sowjetischen Südgrenze könnte ein fanatisches
Bekehrertum zum Koran über die Grenzen hinweg in
diese politisch unterdrückten Sowjetstaaten hineinschwappen und dem Kreml Probleme bereiten ... Was
auch immer die Lösung sein mag, es besteht eine klare
Notwendigkeit für die USA, wie Kissinger sagen würde,
das ,geopolitische Momentum' zurückzugewinnen.
Mehr als alles andere wird dies dabei helfen, im Krisenbogen Ordnung zu halten."
Fünf Monate nach Erscheinen dieses Time- Artikel s,
und sechs Monate vordem sowjetischen Einmarsch in
Afghanistan, unterschrieb Präsident Carter einen geheimen Befehl aus der Feder Brzezinskis, womit die verdeckte Finanzierung der afghanischen Mudschahedin
begann.
Der Kampf der Kulturen
Im September 1990 verkündete Lewis eine neue angloamerikanische Initiative: den „Kampf der Kulturen".
Sein Aufruf zu einer neuen Ära der Religionskriege
erschien im Atlantic Monthly unter dem Titel „Die Wurzeln musiimischer Wut". Darin schreibt Lewis: „Der
Islam, kennt ebenso wie andere Religionen ... Zeiten, in
denen er einige seiner Anhänger zu einer Stimmung von
Haß und Gewalt reizt. Zu unserem Unglück erlebt ein
Teil ... der islamischen Welt derzeit eine solche Periode,
und viel ... von diesem Haß richtet sich gegen uns."
Wahrheitswidrig behauptet Lewis, das „Christentum"
und das „Haus des Islam" befänden sich seit 1 4 Jahrhunderten unausgesetzt im Kampf gegeneinander, und
seit 300 Jahren würde der Islam belagert „durch eine
Invasion fremder Ideen und Gesetze und Lebensweisen ... Der Wutausbruch gegen diese fremdartigen,
ungläubigen und unverständlichen Kräfte, die seine
Vorherrschaft untergraben, seine Gesellschaft zerrissen
und schließlich das Heiligtum seiner Heimat verletzt
hatten, konnte nicht ausbleiben. Es war also natürlich,
daß diese Wut sich in erster Linie gegen den Jahrtausendfeind richten und ihre Kraft aus alten Glaubensrichtungen und Bindungen beziehen würde."
Unter der Zwischenüberschrift „A Clash of Civilizations" verkündet Lewii, unweigerlich würde nun eine
Welle des islamischen Fundamentalismus zu einem
großen Zusammenstoß führen, wobei die Vereinigten
Staaten „zum Brennpunkt des aufgestauten Hasses und
Ärgers" würden. „Es sollte jetzt klar sein, daß wir es mit
einer Stimmung und einer Bewegung zu tun haben, die
bei weitem über die Ebene von Themen und politischen
Strategien und den dahinter stehenden Regierungen
hinausgeht. Das ist nichts Geringeres als ein Zusammenstoß von Kulturen — die vielleicht irrationale, aber
sicherlich historische Reaktion eines alten Rivalen
gegen unser jüdisch-christliches Erbe, unsere säkulare
Gegenwart und die weltweite Ausbreitung von beidem." Nachdem er den Zusammenstoß für unweigerlich erklärt hat, versucht Lewis, seine Begeisterung zu
verhüllen, indem er warnt: „In der Zwischenzeit muß
man auf allen Seiten sehr vorsichtig sein, um zu verhindern, daß aus der Zuspitzung von Unterschieden und
der Wiederbelebung alter Vorurteile die Gefahr einer
neuen Ära von Religionskriegen erwächst." Allerdings
verschweigt Lewis, daß seine ganze Strategie des „Krisenbogens" auf der Aktivierung des sogenannten „militanten islamischen Fundamentalismus" basiert, der vor
allem auf die schon in 20er Jahren entstandene und
vom britischen Geheimdienst geförderte Muslim-Bruderschaft zurückgeht.
„Libanortisierung"
1992, im Gefolge des Golfkrieges, verkündete Lewis in
der Zeitschrift des New Yorker Council on Foreign Relations, Foreign Affairs, die Ära des Nationalstaates sei im
Mittleren Osten nun an ihr Ende gekommen, und die
gesamte Region solle sich auf eine ausgedehnte Periode
der „Libanonisierung" — d.h. den Zerfall in sich gegenseitig bekämpfende Teilstücke, Gewalt und Chaos — gefaßt machen. „Das Verblassen des Pan-Arabismus", so
Lewis, „hat all jenen, die an etwas Besseres, Wahreres
und Hoffnungsvolleres glaubten als die unbewegliche
Tyrannei ihrer Herrscher und die bankrotten Ideologien,
die ihnen von außen aufgedrängt werden, nur den isla-
mischen Fundamentalismus als attraktivste Alternative
übriggelassen."
1998 war es niemand anderer als Bernard Lewis, der
Osama Bin Laden zu Berühmtheit verhalf, indem er für
die November/Dezember-Ausgabe von Foreign Affairs
einen Artikel verfaßte, in dem er das „schwarze Schaf"
aus Saudi-Arabien als ernsthaften Vertreter des militanten Islam darstellte. Lewis' Artikel mit der Überschrift
„Lizenz zum Töten: Osama Bin Ladens Erklärung des
Heiligen Kriegs" zollt Bin Laden höchste Anerkennung
und preist dessen „Erklärung des Heiligen Krieges gegen
Juden und Kreuzritter" als „großartiges Stück beredter,
69
zuweilen sogar poetischer arabischer Prosa ..., aus dem
eine Version der Geschichte spricht, die den meisten
Leuten im Westen nicht geläufig ist".
Osama Bin Laden ließ seine Kriegserklärung am 23.
Februar 1998 los, sechs Monate vor den Bombenanschlägen auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia.
Am nächsten Tag schon fand man Bernard Lewis' Unterschrift unter einem „Offenen Brief an Präsident Bill Clinton", der von einem bis dahin unbekannten „Komitee
für Frieden und Sicherheit am Golf" ausging und von
der US-Regierung volle Unterstützung für einen
Militäreinsatz zum Sturze Saddam Husseins forderte.
Der Offene Brief rief zum Flächenbombardement des
Irak auf. Außerdem solle die US-Regierung den Irakischen Nationalkongreß (eine zutiefst korrupte und
ansonsten untätige Oppositionsgruppe mit Sitz in London, die am Tropf amerikanischer und britischer Dienste hing) auf der ganzen Linie finanziell und militärisch
unterstützen.
Mitunterzeichner dieses Offenen Briefes waren der
ehem. demokratische Kongreßabgeordnete Steven
Solarz, das anglo-israelische Sprachrohr Richard Perle,
der im Zusammenhang mit der Iran-Contra-Affäre verurteilte Elliott Abrams, ein Kollege des israelischen Spions Jonathan Pollard namens Steven Bryen, Frank Gaffney, AI Göres Mentor Martin Peretz, Paul Wolfowitz,
WINEP-Forschungsdirektor David Wurmser und Dov
Zakheim.
Bernard Lewis' Sohn Michael Lewis ist Direktor der
hochgeheimen „Abteilung für Oppositionsforschung"
des American-lsraeli Public Affairs Committee (AIPAC),
eine der wichtigsten Quellen von Propaganda und Desinformation, welche gegenwärtig in den USA Kongreß
und Medien mit kriegslüsternen Aufrufen zu ebendem
„Kampf der Kulturen" saturiert, für den Bernard Lewis
sich seit Jahrzehnten stark macht.
Seit dem 1 1 . September wird Lewis fast täglich von
irgendeinem US-Fernsehsender interviewt und hält
Reden bei allen neokonservativen Denkfabriken in Washington und Umgebung.
70
Am 1 9 . November 2001 erschien im Magazin New
Yorker eine weitere Apologie Bin Ladens aus Lewis'
Feder, worin er sich auf seine eigene Schrift über den
Assassinen-Kult bezieht, um zu unterstreichen, daß Bin
Laden eine legitime Tradition im Islam verkörpere: „Für
Osama Bin Laden markiert das Jahr 2001 die Wiederaufnahme des Kriegs um die religiöse Vorherrschaft auf
der Weit, der im 7. Jahrhundert begann ... Wenn Bin
Laden die islamische Welt überreden kann, seine
Ansichten und seine Führung zu übernehmen, dann
liegt ein langer und bitterer Kampf vor uns, und nicht
nur für Amerika. Früher oder später werden AI Qaida
und damit verbundene Gruppen mit den anderen Nachbarn des Islam kollidieren — Rußland, China, Indien —
, die sich wohl weniger zieren werden als die Amerikaner, wenn es darum geht, ihre Macht gegen Muslime
und deren Heiligtümer einzusetzen. Wenn Bin Laden
mit seinem Kalkül recht und mit seinem Krieg Erfolg hat,
dann erwartet die Welt eine dunkle Zukunft, besonders
den Teil, wo der Islam hochgehalten wird."
Veröffentlichungen: The Arabs in History (London,
1950); The Emergence of Modern Turkey (London and
New York, 1 9 6 1 ) ; The Assassins (London, 1967); The
Muslim Discovery of Europe (New York, 1982); The
Political Language of Islam (Chicago, 1988); Race and
Slavery in the Middle East: An Historical Enquiry (New
York, 1990); Islam and the West (New York, 1993);
Islam in History, 2nd edition (Chicago, 1993); The Shaping of the Modern Middle East (New York, 1994); Cultures in Conflict (New York, 1994); The Middle East: A
Brief History of the Last 2,000 Years (New York, 1995);
The Future of the Middle East (London, 1998); A Middle East Mosaic: Fragments of Life, Leiters and History
(New York, 2000).
Weitere Verbindungen: Direktor des Foreign Policy
Research Institute; Beirat der Redaktion der Zeitschrift
Orb/s; schreibt häufig für New Yorker, Atlantic Monthly,
New York Review of Books.
Die imperiale Strategie
der US-Geopolitiker Samuel Huntington und
Zbigniew Brzezinski
VON ELISABETH HELLENBROICH
I
n seiner „Rede zur Lage der Nation" am 20. Januar
habe Churchill unter Bezugnahme auf die kommunisti-
2002 rief US-Präsident George W. Bush zum weltweiten Feldzug gegen den Terrorismus auf. Er sprach
von „parasitären Terroristen", die sich wie „tickende
Zeitbomben" rund um den Globus versteckt halten,
bereit, jederzeit mit Giftgasattacken und Massenvernichtungswaffen gegen die USA loszuschlagen. Dabei
würden die Terroristen von Staaten wie Nordkorea, Iran
sche Beherrschung Osteuropas vom „Eisernen Vorhang"
gesprochen, der sich über ganz Europa erstrecke: von
Stettin im Baltikum bis nach Triest an der Adria: „Heute
und Irak geschützt, die eine „Achse des Bösen" bildeten. Bushs Rede stieß weltweit auf massive Ablehnung
und wurde besonders scharf von den Regierungen Europas attackiert. Der Präsident kündigte gleichzeitig das
größte Aufrüstungsprogramm der USA seit dem Koreakrieg an — eine offensichtlich verzweifelte Maßnahme,
um von der verheerenden Wirtschaftskrise der USA
abzulenken und die Welt auf einen „dritten Weltkrieg"
zieht sich dieser Eiserne Vorhang von den Ausbildungslagern der Terroristen in den Bergen und Tälern Zentralasiens über die Wüsten Somalias, Sudans und SaudiArabiens bis nach Singapur, Indonesien, die Philippinen
— und reicht bis nach Europa und USA."
Will man analysieren, was sich hinter diesem immer
penetranter zur Schau getragenen amerikanischen
„Unilateralismus" verbirgt, so muß man dies vor dem
Hintergrund der „paradigmatischen Wende" betrachten,
die sich in den USA seit den Ereignissen des 1 1 . September vollzogen hat.
Der Putschversuch des 1 1 . September (siehe Einlei-
vorzubereiten.
tung) wurde von einer bestimmten politischen Fraktion
Ähnlich arrogante Töne wurden auch auf der diesjährigen Münchner Wehrkundetagung angeschlagen. So
erklärte dort der amerikanische Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz, es gehe darum, „Jagd zu machen"
auf die Terroristen, die sich nicht nur in Afghanistans
Bergen, sondern auch in den Städten Europas und der
USA versteckt hielten. Angesichts der Terrorismusgefahr
müßten sich alle Länder der Welt entscheiden: Entweder sind sie für Frieden, Sicherheit, Recht und Ordnung
— was auf die überwiegende Mehrheit der Länder
zuträfe — „und das heißt, sie stehen an unserer Seite im
im US-Establishment — dazu gehören Ideologen und
Geopolitiker wie Samuel Huntington, Henry Kissinger
und Zbigniew Brzezinski — „politisch und ideologisch
instrumentalisiert", um im Rahmen eines angeblich
unausweichlichen „Konflikts der Zivilisationen" eine
neue Ära „neoimperialer Kriege" rund um den Globus
einzuleiten.
„The West against the Rest" lautet der Schlachtruf dieser „Kulturkrieger," deren Denken in der Tradition des
Römischen Reiches wurzelt. Getreu dem Hobbesschen
Grundsatz Homo homini lupus est (Der Mensch ist des
Kampf zwischen Gut und Böse". Die Länder jedoch, die
Menschen Wolf) vertreten sie die sozialdarwinistische
den Terrorismus tolerierten und sich weigerten, dagegen
vorzugehen — oder diesen weiterhin unterstützten —,
würden, so drohte Wolfowitz, die „entsprechenden
Konsequenzen zu tragen haben".
Senator Joseph Lieberman von der Demokratischen
Partei erinnerte an die berühmte Fulton-Rede Winston
Churchills aus dem Jahre 1946. Damals, so Lieberman,
Auffassung, daß sich beim „Kampf jeder gegen jeden"
nur das Recht des Stärkeren durchsetzen werde. Es ist
diese bestialische philosophische Grundauffassung vom
Menschen, verbunden mit dem Image des „siegreichen
römischen Legionärs", die charakteristisch ist für die
von diesen Kreisen vertretene „neoimperiale" Geopolitik.
Huntingtons „Clash of Civilizations"
1 9 9 6 erschien Samuel P. Huntingtons Buch
„The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order" im New Yorker Verlag Simon und Schuster. (Kampf der Kulturen, die Neugestaltung der Weltpolitik im
2 1 . Jahrhundert lautet der deutsche Titel
seines Buches, das 1 9 9 7 erschien). Dabei
handelt es sich um ein „geopolitisches Projekt" aus der Denkschuie einer bestimmten
anglo-amerikanischen „imperialen" Fraktion. Zu dieser Fraktion gehören u.a Jimmy
Carters
ehemaliger
Sicherheitsberater
Zbigniew Brzezinski, der zu Beginn der 80er
Jahre die Afghanzi-Operation im Abwehrkrieg gegen den Kommunismus entwarf,
sowie Henry Kissinger und der englische
Geopolitiker und Oxforder Islamexperte Ber-
nard Lewis.
Getreu der These des alten britischen Geopolitikers Sir Haiford Mackinder „Wer das
eurasische Herzland kontrolliert, kontrolliert
die Welt", vertreten diese Geopolitiker die
Auffassung, daß der Krieg der Zukunft auf
dem eurasischen Schachbrett ausgetragen
71
werde. Dabei geht es um die Frage, inwieweit die USA
ihre Vormachtstellung als einzig verbliebene Weltmacht
in Eurasien ausbauen und jeden potentiellen Rivalen
ausschalten kann. Vom Standpunkt dieser Geopolitiker
stellt eine „eurasische Wirtschaftsallianz" zwischen China, Indien, Rußland und den islamischen Ländern (z.B.
dem Iran) eine Bedrohung für das „Mächtegleichgewicht", die größte Bedrohung für die „einzig verbliebene Hegemonialmacht" USA dar.
Der wahre Grund ihrer geopolitischen Obsession ist
das, was die Autoren in ihren Studien geflissentlich verschweigen: die globale Weltfinanzkrise und deren Auswirkungen auf den „Westen" bzw. die Vormachtstellung
der USA. Huntington und Brzezinski vertreten die Position einer Elite, die um jeden Preis an den Paradigmen
ihres untergehenden Finanzimperiums festhalten will
und dabei einen „Kreuzzug" gegen den Rest der Welt —
und damit einen dritten Weltkrieg — vom Zaun zu brechen gewillt.
Die Ära nach dem Kalten Krieg
Es war diese Fraktion fanatischer Geopolitiker, die nach
dem Ende des Kalten Krieges 1989/90 mit einer gezielten Eindämmungspolitik und einer ganzen Reihe von
Kriegen (Golfkrieg „Operation Wüstensturm", Balkankriege) versuchte, die wirtschaftlichen Kräfte Europas
militärisch zu binden und somit die Perspektive eines
Marshallplans für die Entwicklung Ost- und Mitteleuropas bzw. den Aufbau eines auf Infrastrukturkorridoren
beruhenden Eurasischen Dreiecks — wie es 1 9 8 8
bereits der amerikanische Ökonom Lyndon LaRouche
für Osteuropa und Eurasien vorgeschlagen hatte — zu
sabotieren.
Unter dem Schlagwort „Neue Weltordnung" und
„Globalisierung" verkündeten zu Beginn der 90er Jahre
die Geopolitiker Brzezinski, Huntington und Kissinger,
daß mit dem Ende des Kalten Krieges die USA als einzig
verbliebener „Hegemon" das neu entstandene Machtvakuum füllen und eine „Neue Weltordnung" einleiten
werde.
• Anfang 1 9 9 1 , also zur Zeit des Golfkrieges, verfaßte der Harvard-Professor und Brzezinski-Freund Samuel
P. Huntington einen Artikel für die Januar/Februar-Ausgabe von Survival, einer Publikation des International
Institute for Strategie Studies, in dem er die Forderung
aufstellte, die amerikanische Politik gegenüber Eurasien
müsse sich auf die geopolitischen Maximen des britischen Geopolitikers Sir Haiford Mackinder stützen.
• 1 9 9 3 veröffentlichte Huntington in Foreign Affairs,
der Zeitschrift des Council on Foreign Relations, zum
ersten Mal seine These vom „Clash of Civilizations".
Dieser auf abstrusen Prämissen aufbauende Artikel löste
damals eine außerordentlich große Kontroverse aus.
Huntingtons „Kampf der Kulturen" war ein „geopolitisches Projekt", das damals gezielt von bestimmten einflußreichen Denkfabriken gefördert wurde. Unter anderem war das Projekt Ergebnis einer Vorlesungsreihe, die
Huntington Anfang der 90er Jahre am American Enterprise Institute zum Thema „Das sich verändernde
Sicherheitsumfeld und Amerikas nationale Interessen"
gehalten hatte. Diese Vortragsreihe wurde sowohl von
der H. Smith Richardson Foundation als auch dem Harvard angegliederten John M. Olin Institute — das unter
Leitung Huntingtons steht — finanziell gefördert.
In den letzten Jahren haben die Smith Richardson
Foundation und das Olin Institute zusammen mit der
Lynde und Harry Bradley Foundation — die Mittel für
die Arbeit des Olin Institute in Harvard bereitstellt —
vornehmlich Projekte finanziert, in denen neoliberale
Wirtschaftspolitik, „Freie Marktwirtschaft" und „geopolitische" Konfrontation gegen die Länder des Entwicklungssektors propagiert werden. In den 80er Jahren
gehörten diese Institutionen zu den wichtigsten „privaten" Geldgebern für verschiedene Vorhaben, die der
damalige US-Vizepräsident George Bush sen. als Teil
des bekannten Programms „Projekt Demokratie" koordinierte; aus diesem Project Democracy erwuchs dann
ein ganzer Komplex illegaler Waffen- und Drogengeschäfte, zu dem auch der „Iran-Contra"-Skandal gehörte. In den 80er Jahren finanzierte die Smith Richardson
Foundation eine von Dennis King eingeleitete großangelegte Verleumdungskampagne gegen Lyndon H.
LaRouche.
• Im Herbst 1 9 9 6 beteiligte sich Zbigniew Brzezinski
an der Gründung eines neuen „Zentralasien-lnstituts"
an der Fakultät für Höhere Internationale Studien der
Johns-Hopkins-Universität. Für die großzügige finanzielle Ausstattung dieses Instituts sorgte damals dieselbe
Smith Richardson Foundation, in deren Vorstand Brzezinski sitzt und die sich zu diesem Zeitpunkt ebenso
maßgeblich dafür einsetzte, daß Huntingtons Thesen
vom „Clash of Civilizations" 1 9 9 6 als Buch erscheinen
konnten.
Huntingtons Kampf der Kulturen
Huntingtons These vom bevorstehenden „Kampf der
Kulturen" basiert auf simplistischen Behauptungen, die
als selbstevidente Wahrheiten, sozusagen als „sich
selbst erfüllende Prophezeiungen" präsentiert werden.
Was sind die Kernthesen des Autors?
1 . in der Weit nach dem Kalten Krieg wird der „Konflikt
der Supermächte" durch den „Kampf der Kulturen"
ersetzt. Die Menschen auf der Welt werden sich, so die
72
These des Autors, in wachsendem Maße nach „kulturellen Kampflinien" differenzieren, und Konflikte zwischen „Kulturgruppen" bzw. Gruppen verschiedener
Zivilisationen werden zum zentralen Faktor der globalen Politik.
Und weiter: „Die Kalte-Kriegs-Ordnung ist vorbei. Die
fundamentalere Einteilung der Menschheit nach ethnischer Zugehörigkeit, Religion und Zivilisation bleibt,
und daran werden sich neue Konflikte entzünden ...
Zivilisationen sind letztendlich Stämme, und der
Zusammenstoß der Zivilisationen ist ein Stammeskonflikt auf Weltmaßstab ... Beziehungen zwischen Gruppen unterschiedlicher Zivilisationen ... werden so gut
wie nie enge Beziehungen sein, sondern gewöhnlich
kühl und oft feindselig."
Auf den Begriff gebracht heißt das: Staaten definieren
ihre politischen Interessen nicht in Kategorien „wirtschaftlicher Zusammenarbeit", sondern in kulturellen
Gegensatzbegriffen. Unter bewußter Auslassung der
wirtschaftlichen Frage als eines bestimmenden Faktors
der Politik stellt Huntington somit die pauschale Behauptung auf, im 2 1 . Jahrhundert werde die interkulturelle Auseinandersetzung um politische Ideen abgelöst
von einer „interkulturellen Auseinandersetzung um Kultur und Religion".
„Nicht-westliche Kulturen bekräftigen selbstbewußt
den Wert ihrer eigenen Grundsätze. Eine auf kulturellen
Werten basierende Weltordnung ist im Entstehen begriffen: Gesellschaften, die durch kulturelle Affinität verbunden sind, kooperieren miteinander. Universalistische Ansprüche bringen den Westen zunehmend in
Konflikt mit anderen Kulturkreisen — am gravierendsten
mit dem Islam und China."
2. Die eigentliche Ursache für einen „Zusammenstoß
der Kulturen" sieht Huntington in der „demographischen" und wirtschaftlichen Verschiebung des „Machtgleichgewichts" zwischen den Kulturkreisen: der
Westen (Nordamerika und Europa) verliert an Einfluß.
So werde der Westen sowohl demographisch als auch
hinsichtlich der Kontrolle von Territorien und der Industrieproduktion an Einfluß verlieren.
3. Huntington spricht von zukünftigen Kulturkriegen als
„Bruchlinienkriegen": „So wie es aussieht, werden die
Beziehungen zwischen Staaten und Gruppen aus unterschiedlichen Kulturkreisen nicht besonders eng und
häufig sogar feindselig sein. Doch sind einige interkulturelle Beziehungen konfliktträchtiger als andere ... Auf
der Mikroebene verlaufen die umkämpftesten Bruchlinien zwischen dem Islam und seinen orthodoxen, hinduistischen, islamischen, afrikanischen bzw. westlichchristlichen Nachbarn. Auf der Makroebene ist die ausschlaggebende Teilung diejenige zwischen ,dem
Westen' und ,dem Rest', wobei der heftigste Zusammenprall zwischen muslimischen und asiatischen
Gesellschaften einerseits und dem Westen andererseits
stattfindet."
Huntington macht keinen Hehi daraus, daß es sich
bei den von ihm prognostizierten Kriegen um „Ressourcen- und Bevölkerungskriege" handeln werde, mit
denen der Westen (sprich die USA) seine Vormachtstellung sichern will. So war für ihn der Golfkrieg „der erste
nach dem Kalten Krieg um Ressourcen geführte Krieg
zwischen Kulturen. Es ging darum, ob der Großteil der
größten Erdölreserven der Welt von der saudiarabischen Regierung und von Emiratsregierungen kontrolliert werde, deren Sicherheit von der westlichen Militärmacht abhinge, oder von unabhängigen antiwestlichen
Regimen, die imstande und wohl auch gewillt wären,
die Ölwaffe gegen den Westen einzusetzen ... Vor dem
Krieg gab es zwischen Iran, Irak, dem Golfkooperationsrat und den USA Gerangel um den Einfluß am Golf.
Nach dem Krieg war der Persische Golf zu einem amerikanischen Teich geworden." Ein ähnlicher Krieg werde sich sehr wahrscheinlich in der Zukunft zwischen
Iran und dem Westen abspielen, lautet die Voraussage
Huntingtons.
4. Huntington spricht von blutigen Religions- und Kulturkriegen, die vor allem zwischen dem Islam, dem
asiatisch/buddhistisch/konfuzianischen Kulturkreis und
der westlichen Kultur ausgetragen würden. Dabei sieht
er den Hauptkonflikt der Zukunft zwischen dem
„Westen" und dem Rest der Welt — zwischen den moslemischen und asiatischen Gesellschaften auf dereinen
Seite und dem Westen auf der anderen.
5. Hauptauslöser für den künftigen Zusammenstoß der
Kulturen sind laut Huntington „Muslimischer Bevölkerungsdruck" und „asiatisches Wirtschaftswachstum".
Während der Westen an demographischem und wirtschaftlichem Einfluß verliere, verstärkten die asiatischen
Kulturen wirtschaftliche und militärische Macht, und
der Islam erlebe „eine demographische Explosion" mit
destabilisierenden Folgen für die muslimischen Länder
und ihre Nachbarn.
Während das asiatische Selbstbewußtsein im wirtschaftlichen Wachstum gründe, stamme das muslimische Selbstbewußtsein aus sozialer Mobilisierung und
Bevölkerungswachstum.
„Jede dieser beiden Herausforderungen hat jetzt und
bis ins 2 1 . Jahrhundert weltweit einen stark destabilisierenden Einfluß auf die Politik ... Die wirtschaftliche Entwicklung Chinas und anderer asiatischer Gesellschaften
liefert den jeweiligen Gesellschaften die Anreize und
die Ressourcen, im Umgang mit anderen Ländern fordernder aufzutreten. Das Bevölkerungswachstum in
muslimischen Ländern und besonders die Expansion
der Alterskohorte der 1 5 - bis 25jährigen schaffen das
Rekrutierungspotential für Fundamentalismus, Terrorismus, Aufstände und Migration." In den ersten Jahren des
2 1 . Jahrhunderts sei mit wachsendem Wiedererstarken
nichtwestlicher Macht und Kultur und mit dem Kampf
der Völker nichtwestlicher Kulturen gegen den Westen
und untereinander zu rechnen.
Huntingtons Beschreibung der Gründe für die „muslimische Gefahr" ist eine Abwandlung des LebensraumDenkens der Nazis: „Größere Populationen benötigen
mehr Ressourcen, und daher tendieren Menschen aus
Gesellschaften mit dichter und/oder rasch wachsender
Bevölkerung dazu, sich auszubreiten, Territorium zu
besetzen und Druck auf andere, demographisch weniger dynamische Völker auszuüben. Das islamische Bevölkerungswachstum ist daher ein wesentlicher, mit
ausschlaggebender Faktor für Konflikte zwischen Muslimen und anderen Völkern entlang den Grenzen der
islamischen Welt."
6. Die größte Gefahr sieht Huntington jedoch in Eurasien, wo er den „Aufstieg Chinas" als „potentielle Quelle
73
eines großen kulturellen Krieges zwischen Kernstaaten"
betrachtet.
Dabei sieht er als gefährlichste Bedrohung für den
Westen, über den es zu einem „Kampf der Kulturen"
kommen wird, die sich herausbildende „eurasische Allianz" zwischen „Rußland, China, Iran und Indien". Der
Aufstieg Chinas, verbunden mit dem wachsenden
Selbstbewußtsein dieses „größten Mitspielers in der
Geschichte der Menschheit", werde die internationale
Stabilität zu Beginn des 2 1 . Jahrhunderts enormen Belastungen aussetzen. Der Aufstieg Chinas zur beherrschenden Macht in Ost- und Südostasien laufe, so Huntington, den amerikanischen Interessen, wie sie immer
wieder gesehen worden sind, diametral zuwider.
Huntington vergleicht die von China ausgehende
„Gefahr" mit dem „wilhelminischen Deutschland" in
der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Die Entwicklung
Chinas zur dominierenden Zentralmacht in Ostasien
stelle das zentrale amerikanische Interesse in dieser
Region der Welt in Frage. Es müsse daher im amerikanischen Interesse liegen, so Huntington, auf die Möglichkeit eines Krieges vorbereitet zu sein, um eine chinesische Vorherrschaft in Ostasien zu verhindern.
„Auf jeden Fall werden asiatisches Wirtschaftswachstum und muslimischer Bevölkerungsdruck in den kommenden Jahrzehnten zutiefst destabilisierende Auswirkungen auf die etablierte westlich dominierte internationale Ordnung haben. Den bedeutendsten Zuwachs
an Machtressourcen und weltpolitischem Einfluß werden die ostasiatischen Gesellschaften mit rapidem Wirtschaftswachstum verzeichnen. Die Entwicklung in China, sofern sie noch wenigstens ein Jahrzehnt andauert,
wird eine massive Machtverschiebung unter den Kulturen bewirken. Darüber hinaus könnte Indien bis dahin
in ein rapides wirtschaftspolitisches Wachstum eingetreten sein und sich als Hauptakteur der Weltpolitik entpuppen. Unterdessen wird das muslimische Bevölkerungswachstum erhebliche destabilisierende Auswirkungen auf das globale Machtgleichgewicht haben. Die
riesigen Zahlen von jungen Leuten mit Hochschulreife
werden der islamischen ,Resurgenz' weiter Auftrieb
geben und verstärkt muslimische Migration fördern.
Infolgedessen werden die ersten Jahre des 2 1 . Jahrhunderts die anhaltende Resurgenz nichtwestlicher Macht
und Kultur sowie den Zusammenprall der Völker nichtwestlicher Zivilisationen mit dem Westen und miteinander erleben."
7. Ist Huntingtons Beschreibung der chinesischen, der
islamischen und anderer Zivilisationen schon inkompetent, so grenzt sein Bild vom „Westen" ans Lächerliche.
Für die wesentlichen Eigenschaften des „Westens",
die seit der Renaissance des 1 5 . Jahrhunderts eine
Zunahme der Weltbevölkerung durch Entwicklung und
weltweite Verbreitung von Wissenschaft, Technologie
und menschlichem Fortschritt ermöglichten, zeigt Hun-
74
tington in dem, was er über die westliche Zivilisation
sagt, nicht das geringste Verständnis.
Der „Westen" ist für Huntington das britische imperiale System und die Philosophie der Aufklärung eines
Thomas Hobbes. Huntington gebraucht Ausdrücke wie
„euro-amerikanische Zivilisation" und „westliches Christentum" abwechselnd mit dem Begriff „westlicher
Imperialismus". Dies gleichzusetzen, paßt natürlich
genau in sein Konstrukt vom „Kampf der Kulturen", weil
sich der Westen damit als perfektes Feindbild für die
anderen nicht-westlichen Kulturen anbietet. Als Beweis
für die „europäische Expansion" und den „Ansturm des
Westens", wie er es nennt, zählt er denn auch auf, im
Jahre 1800 habe das britische Empire 1,5 Mio. Quadratmeilen Fläche und eine Bevölkerung von 20 Mio.
Menschen gehabt; das weltumspannende Viktorianische Empire im Jahre 1900 aber 1 1 Mio. Quadratmeilen
mit 390 Mio. Menschen.
Daß es Huntington nicht wirklich um die Verteidigung
der Werte westlicher Zivilisation geht, zeigt sich an seiner auffallenden Ignoranz bzgl. der Tradition der christlich-abendländischen Kultur. Dies trifft besonders für
seinen Mangel an Kenntnis über die Renaissance zu, die
auf dem Menschenbild aufbauend, daß der Mensch als
Ebenbild Gottes geschaffen und somit fähig ist, am Werk
des Schöpfers teilzunehmen und dieses weiterzuentwickeln, die Grundlagen für die moderne Welt legte.
Huntington verschweigt, daß im Rahmen dieser humanistischen Renaissance-Tradition herausragende Exponenten wie Kardinal Nikolaus von Kues mit seinem
Werk De pace fidei ein Programm für den „Dialog der
Kulturen" entwickelte, in dem er fordert, daß der Dialog
der Kulturen und Religionen von der höchsten Ebene,
dem für alle Menschen gemeinsam geltenden Wert ausgehen sollte — der Verteidigung der Würde des Menschen.
Huntington entwickelt am Schluß seines Buches ein
abstruses Szenario für einen Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China, der sich an der Frage der
eurasischen Entwicklung entzünden werde. Eine Fiktion, wo China Vietnam bekriegt und später zusammen
mit Japan die USA angreift. Gleichzeitig kämpft Indien
gegen Pakistan, die Araber gegen die Israelis, Rußland
gegen China; auf Bosnien, Algerien und Marseiile fallen
Atombomben; dazu kommen verwickelte Kriegsszenarios auf dem Balkan und in der Ägäis. Die USA, Europa,
Rußland und Indien stecken „in einem wahren Weltkrieg gegen China, Japan und die meisten islamischen
Länder". Dieser „dritte Weltkrieg" endet schließlich mit
dem Einmarsch der russischen und westlichen Streitkräfte auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Um
sich sozusagen ein Alibi für seine monströsen Thesen zu
verschaffen, schreibt Huntington am Schluß des
Buches, angesichts der von ihm dargelegten Kulturkriegsszenarien sei es ratsam, wenn der Westen in den
Dialog mit anderen Kulturen eintreten würde.
Zbigniew Brzezinski
Neben
dem
Harvard-Professor
Samuel Huntington gehört Zbigniew
Brzezinski, der ehemalige Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy
Carter, zu den heute einflußreichsten Geopolitikern im außenpolitischen Establishment der USA.
Aus polnischem Kleinadel stammend und in Polen aufgewachsen,
wanderte Brzezinski zu Beginn der
50er Jahre in die USA aus. Er heiratete eine Tochter des ehemaligen
tschechoslowakischen Präsidenten
Eduard Benes, in dessen Regierung
auch Joseph Korbel, der Vater der
früheren US-Außenministerin Madeleine Albright, als Assistent des
damaligen Außenministers Masaryk
diente. (Brzezinski war der Mentor von Madeleine
Albright, die ihre Karriere im Stab von Brzezinskis
„Nationalem Sicherheitsrat" NSA begann.)
•
Nach dem Studium der politischen Wissenschaften
an der McGill University und der Erlangung seines
Doktorgrades an der Harvard University 1953-56,
wurde Brzezinski Instructor and Research Fellow
beim Russian Research Center der Harvard University (1953-56).
• 1960-62: Associate Professor for Public Law and
Government an der Columbia University.
• 1 9 6 1 - 6 2 : Mitglied des Joint Committee on Contemporary China Social Science Research Council.
• 1962-77: Forschungsdirektor des Institute for International Change.
• 1966-68: Mitglied im Planungsrat des US-Außenministeriums.
• 1 9 7 7 - 8 1 : Berater des US-Präsidenten für „Nationale
Sicherheitsfragen" mit Kabinettsrang.
• Seit 1 9 8 1 ist Brzezinski Berater am Center for Strategie and International Studies (CSIS) und Mitglied
im President's Foreign Intelligente Advisory Board
(PFIAB), dem einflußreichen außenpolitischen Beratungsgremium des US-Präsidenten.
• 1 9 7 3 gründete Brzezinski mit Hilfe von David
Rockefeller die Trilaterale Kommission — ein unter
Führung der USA stehendes einflußreiches meinungsbildendes internationales Forum, an dem regelmäßig Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur
von den USA, Japan und Westeuropa teilnehmen.
Auf Brzezinskis Anregung schrieb Samuel Huntington 1 9 7 5 im Auftrag der Trilateralen Kommission die
Studie „Crisis of Democracy", in der
sich dieser (siehe oben) kritisch mit
den Prämissen der Demokratie unter
den Bedingungen sich verschärfender wirtschaftlicher und sozialer Krisen auseinandersetzte.
Bekannt als notorischer Rußlandhasser, entwickelte Brzezinski Ende
der 70er Jahre sein berüchtigtes
Konzept vom (islamischen) „Krisenbogen", der sich u.a. auch über ein
Gebiet südlich der damaligen
Sowjetunion erstrecken und insbesondere diese Region destabilisieren
sollte. Außerdem schrieb er ein
Memorandum an den damaligen
Präsidenten Jimmy Carter — dessen
Sicherheitsberater er war —, worin
Brzezinski dem US-Präsidenten sechs Monate vor dem
Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan riet,
die afghanischen Mudschahedin-Kämpfer für einen
„Heiligen Krieg" gegen die Sowjetunion auszurüsten
und zu finanzieren, was langfristig den Kollaps des
sowjetischen Regimes beschleunigen werde. „Ende
1978 entwickelte ich meine These vom ,Krisenbogen',
die ich in einem am 28. Februar 1 9 7 9 an den Präsidenten gerichteten Memorandum darlegte", schreibt Brzezinski in seinen Memoiren. „Damals forderte ich die
Errichtung eines Sicherheitsmechanismus, mit dessen
Hilfe die Macht und der Einfluß der USA in der Region
des Nahen Ostens befestigt werden sollte. Ich rückte
damals von der noch vom US-Außenministerium empfohlenen Politik einer Demilitarisierung des Indischen
Ozeans ab." Brzezinski setzte sich seinerzeit nachdrücklich für die Ausweitung der US-Präsenz in der
Region ein; u.a. empfahl er den Ausbau neuer Stützpunkte im Indischen Ozean und am Persischen Golf.
Bedeutsam ist weiter, daß sich Brzezinski in seiner
„Krisenbogen"-Doktrin ausdrücklich auf das Werk von
Prof. Bernard Lewis bezog, einem in Oxford ausgebildeten Mitarbeiter des britischen „Arabien-Büros", der
später an der Universität Princeton in den USA tätig war.
Lewis entwarf einen umfassenden Plan für die Abschaffung der Nationalstaaten in Eurasien und war der erste,
der 1990 in einem Artikel der September-Ausgabe der
Zeitschrift Atlantic Monthly den Begriff „Kampf der Kulturen" prägte. In diesem Artikel schrieb Lewis, die „muslimische Wut" laufe auf „nichts weniger hinaus als
einen Kampf der Kulturen, der vielleicht irrationalen,
aber sicher historischen Reaktion eines alten Rivalen
unseres jüdisch-christlichen Erbes".
Brzezinskis geopolitische Doktrin
Am 2. November 2000 präsentierte Zbigniew Brzezinski im Buchclub des Berteismann-Konzerns in München in einer Rede über „Globalisierung und Kultur" die
geopolitischen Prämissen seines Denkens: Die Weltpolitik werde künftig nur noch von einer hegemoniaien
Macht, den USA, bestimmt, so der einstige Sicherheitsberater Carters und Mitbegründer der Trilateralen Kommission. Dabei werde das 2 1 . Jahrhundert von der amerikanischen Kultur, der „ersten universellen Kultur im
Zeitalter der Globalisierung", bestimmt. Gewaltige
Umwälzungen im Bereich der Kommunikation und der
biologischen Forschung würden in Zukunft das Bild
Konflikte" voraussagte. „Schurkenstaaten" wie Nordkorea könnten eines Tages Kernwaffen gegen Südkorea
vom Menschen und der Geschichte verändern. Sei bislang das Bild des homo sapiens bestimmender Faktor
und Japan einsetzen. Angesichts der Gefahr, daß in
der Geschichte gewesen, so beginne nun eine „posthumane Ära", in der der Mensch die Fähigkeit besitze,
sich selbst zu schaffen (d.h. zu klonen), sagte Brzezinski, der sich in seinem 1 9 7 2 geschriebenen Buch „Technotronic Age" als glühender Verfechter der „postindustriellen Revolution" zu erkennen gegeben hatte. Ihm
Korea und Japan eines Tages der Wunsch nach Abzug
der amerikanischen Truppen laut werden könnte, gelte
es eine globale Sicherheitsallianz, eine Art weltumspannende OSZE, aufzubauen, in der die USA den Ton angä-
ben. „Eine OSZE Eurasiens könnte zum Anfang eines
rudimentären Systems der Sicherheitszusammenarbeit
werden. Teil dieser Struktur wären größere Mächte wie
scheint — wie einst Teddy Roosevelt — eine „Neue
Japan, Indien, China, die USA und die EU."
Weltordnung" vorzuschweben, die auf sozialdarwinistischen Ideen und dem nietzscheanischen Konzept der
„Herrenrasse" beruht.
Provokativ erklärte Brzezinski bei seinem Vortrag in
München, heute erlebe man das Ende des „Zeitalters
des Westfälischen Friedens", das „Ende der internationalen Politik", die sich auf das Prinzip des Nationalstaats gründete. Jetzt stehe man am Beginn der „posthu-
Um Rußland einzudämmen, müsse man den Ausbau
der NATO und der EU bis an Rußlands Grenzen zügig
manen Geschichte" — eine radikale Absage an die auf
dem Erbe der Renaissance aufbauenden Errungenschaften der europäischen Zivilisation und ein Rückfall in ein
von Kultur- und Religionskriegen bestimmtes finsteres
Zeitalter.
Zukünftige Konflikte würden, so Brzezinski, vor allem
im „östlichen Teil Eurasiens" heraufziehen, wo er den
„Ausbruch anarchistischer Gewalt, die vom Iran bis
nach China reicht", sowie ethnisch/nationalistische
vorantreiben. Arrogant erklärte Brzezinski, Rußland solle sich vor „nostalgischen" Großmachtphantasien in
acht nehmen, denn dies schaffe geopolitische Konflikte.
So lebten „ 1 5 Mio. Muslime an Rußlands Peripherie",
die sich gegen Rußland auflehnen könnten, während
Rußland im Südosten an China mit seinen 1 , 2 Mrd.
Menschen und einer wesentlich dynamischeren Wirtschaft grenze.
Diese Rede ebenso wie die geopolitischen Thesen,
die Brzezinski 1 9 9 7 in dem Buch Die einzige Weltmachtdarlegte, zeigen das Denken eines Geopolitikers,
dessen „neoimperiale Politik" in immer stärkerem Maße
zur Handlungsmaxime der US-Administration geworden ist.
Die einzige Weltmacht"
In dem Buch Die einzige Weltmacht, das
1999 unter diesem Titel auch in Deutschland
veröffentlicht wurde, legt Brzezinski die
Kernthesen seiner die künftigen Ereignisse in
der Welt bestimmenden „eurasischen Geostrategie" dar.
Das Eurasische Schachbrett werde zu dem
Schauplatz, auf dem in der Zukunft das Spiel
um die globale Vorherrschaft, d.h. um die
Vorherrschaft der USA als einzig verbliebener Weltmacht ausgetragen werde. Die USA
würden dabei als „Schiedsrichter" auftreten,
um das Aufkommen jedes potentiellen Rivalen, der die
Vormachtstellung und Interessen der USA auf diesem
Schauplatz der Weltpolitik bedrohen könnte, energisch
zu unterbinden. Entscheidende Bedeutung komme
dabei dem „eurasischen Balkan" zu — einer Region, in
der sich 60% der Weltenergievorräte befinden, die zu
sichern und vor dem Zugriff anderer Rivalen zu schützen, vom Standpunkt der USA höchste strategische Priorität erhält.
Während gemäß der von Brzezinski entwickelten eurasischen Geostrategie alles
darauf ausgerichtet sein müsse, den Einfluß
Rußlands und Chinas in Eurasien zurückzudrängen, komme Europa die Funktion
des „Brückenkopfs auf dem eurasischen
Kontinent" zu. Militärisch auf absehbare
Zeit als „Protektorat der USA" füngierend,
soll Europa als „Sprungbrett" für eine weitere Ausdehnung amerikanischer Vormachtstellung in Eurasien dienen. Um
ihren Einfluß in Eurasien zu vergrößern,
würden die USA alles daran setzen, die NATO-Erweiterung voranzutreiben mit dem Ziel, auch Rußland in
Europa und in die NATO-Strukturen einzubinden und
langfristig auf ein „transeurasisches Sicherheitssystem"
sowie auf ein „transatlantisches Handelssystem" zwischen den USA und Europa hinzuarbeiten, das die Möglichkeit eines Europa als Wirtschaftsrivalen der USA
unterbinden solle. Dies sind, in aller Kürze, die Kernthesen des Buches.
Die Lehren des römischen Imperiums und der Geopolitik Mackinders
Das Buch liefert einen klinisch interessanten Einblick in
die Weltanschauung dieses fanatischen Geopolitikers,
der sich in diesem Werk ganz als getreuer Anhänger der
geopolitischen Lehre Sir Haiford Mackinders und Karl
Haushofers zu erkennen gibt und sich besonders fasziniert zeigt vom Model! des Römischen Imperiums —
76
seiner Kultur und den Machttechniken, mit dem sich
dies Imperium über Jahrhunderte an der Macht hielt.
Als einzige Weltmacht nach dem Kalten Krieg dränge
sich der Vergleich der USA mit den großen Imperien
auf, schreibt Brzezinski am Anfang seines Buches: Dazu
zählt er das Römische Reich, die Chinesische Dynastie,
das Mongolenreich bis hin zu den Hegemonialstaaten
Europas, Spanien, Frankreich und Großbritannien.
Die Überlegenheit dieser Imperien beruhte, wie Brzezinski betont, in einem hohen Maße auf der effizienten
Organisation, der Fähigkeit, wirtschaftliche Ressourcen
umgehend für militärische Zwecke zu transformieren,
sowie auf einem gut funktionierenden System der Herrschaftssicherung. Allen diesen Imperien war gemein,
daß sie neben diesen Machtressourcen — abgesehen
vom Mongolenreich — über eine kulturelle Überlegenheit verfügten, was zur Folge hatte, daß Herrscher wie
Beherrschte die imperiale Macht als selbstverständlich
betrachteten und anerkannten. Häufig sei es gerade der
Verlust dieser kultureilen Superiorität gewesen, der den
Untergang des jeweiligen Imperiums einleitete.
„Diese Imperien gründeten ihre Macht auf eine Hierarchie von Vasallenstaaten, tributpflichtigen Provinzen,
Protektoraten und Kolonien", schreibt Brzezinski, und
fährt fort, daß sie die Völker jenseits der Grenzen
gemeinhin als „Barbaren" betrachteten. „Bis zu einem
gewissen Grad lassen sich diese anachronistischen
Begriffe durchaus auf einige Staaten anwenden, die sich
gegenwärtig innerhalb
des
amerikanischen
Orbits befinden... Wie
in der Vergangenheit
beruht auch die imperiale Macht Amerikas in
hohem Maße auf der
überlegenen Organisation und auf der Fähigkeit, riesige wirtschaftliche und technologische
Ressourcen umgehend
für militärische Zwecke
einzusetzen, auf dem
nicht genauer bestimmbaren, aber erheblichen
kulturellen
Reiz des
American way of life
sowie auf der Dynamik und dem ihr innewohnenden
Wettbewerbsgeist der Führungskräfte in Gesellschaft
und Politik."
Die Aura des Römischen Reichs gründete auf dem
Civis Romanus sum, dem Status eines römischen Bürgers. Dieses hoch entwickelte „zentralistische Staatswesen" mit einer autarken Wirtschaft und einem hochentwickelten System politischer und wirtschaftlicher
Organisation, schreibt Brzezinski bewundernd, habe
seine Macht „besonnen und gezielt" ausgeübt. „Ein
nach strategischen Gesichtspunkten angelegtes, von der
Hauptstadt ausgehendes Netz von Straßen und Schiffahrtsrouten gestattete — im Falle einer größeren Bedrohung — eine rasche Umverlegung und Konzentration
der in den verschiedenen Vasallenstaaten und tributpflichtigen Provinzen stationierten römischen Legionen..."
Besonders beeindruckend sei daher das römische
Militärsystem gewesen. „Auf dem Höhepunkt seiner
Macht zählten die im Ausland eingesetzten römischen
Legionen nicht weniger als 300 000 Mann — eine
beachtliche
Streitkraft,
die
dank
römischer
Überlegenheit in Taktik
und Bewaffnung wie
auch dank der Fähigkeit
des Zentrums, seine
Truppen relativ schnell
umzugruppieren, noch
tödlicher wurde". (Brzezinski, der das „erstaunlich" findet, merkt im
Vergleich an, „daß die
über wesentlich mehr
Einwohner verfügende
Supermacht
Amerika
1996 die äußeren Bereiche ihrer Einflußsphäre durch 296 000 in Europa stationierte Berufssoldaten schützte".)
Römer zu sein, das bedeutete, der zivilisierten, nichtbarbarischen Welt anzugehören. „Civis Romanus sum
vermittelte gegenüber den Nichtrömern den Status des
römischen, des zivilisierten' Bürgers und ist Ausdruck
kultureller Überlegenheit. Es diente dem ,imperialen
Sendungsbewußtsein' als Rechtfertigung."
Solange sich das Imperium seine innenpolitische
Energie und Geschlossenheit bewahren konnte, sei ihm
von außen kein ernstzunehmender Konkurrent um die
Macht erwachsen, schreibt Brzezinski.
Aber das Römische Reich sei schließlich zerfallen,
und die entscheidenden Faktoren, die zum Kollaps dieses fast tausendjährigen Reiches führten, waren gemäß
Brzezinski sein „kultureller Hedonismus" und, damit
verbunden, die Dekadenz der politischen Eliten sowie
seine „imperiale Überdehnung" und eine tiefgreifende
Wirtschafts- und Sozialkrise, die der Bevölkerung Opfer
auferlegte, die diese, nur um das Imperium am Leben zu
erhalten, nicht mehr zu tragen bereit war. Die Kombination dieser Faktoren habe schließlich dazu geführt,
daß das Römische Imperium gegenüber den „Barabarenvölkern" in seiner unmittelbaren Nachbarschaft
wehrlos wurde. (In einem 1 9 9 3 erschienenen Werk Out
ofControl hatte Brzezinski davor gewarnt, daß es genau
diese Faktoren sein werden, die eines Tages den Status
der USA als einziger Supermacht unterminieren werden).
Im Gegensatz zum Römischen Reich, dem Mongolenreich und dem britischen Empire, von denen keines
eine wirkliche Weltmacht war, sei der Geltungsbereich
der heutigen Weltmacht USA jedoch „einzigartig",
schlußfolgert Brzezinski.
„Nicht nur beherrschen die Vereinigten Staaten sämtliche Ozeane und Meere, sie verfügen mittlerweile auch
über die militärischen Mittel, die Küsten mit Amphibienfahrzeugen unter Kontrolle zu halten, mit denen sie
bis ins Innere eines Landes vorstoßen und ihrer Macht
politisch Geltung verschaffen können. Amerikanische
Armeeverbände stehen an den westlichen und östlichen
Randgebieten des eurasischen Kontinents und kontrollieren außerdem den Persischen Golf."
Ein Blick auf die Weltkarte zeige, daß „der gesamte
Kontinent von amerikanischen Vasallen und tribut-
77
Pflichtigen Staaten übersät (ist), von denen
einige allzu gerne noch fester an Washington
gebunden wären".
Die Kernthese des Buchs lautet: Die Beherrschung des „eurasischen Kontinents" wird zum
entscheidenden geostrategischen Faktor für
den Machterhalt der einzigen Weltmacht USA.
Dabei spielen folgende Faktoren eine Rolle:
• 75% der Weltbevölkerung leben auf dem
eurasischen Kontinent, wo 60% des Weltbruttosozialprodukts erwirtschaftet wird und
sich die produktivsten Regionen Eurasiens,
nämlich Westeuropa und Japan, befinden.
Ungefähr drei Viertel aller bekannten Ressourcen der Welt liegen in Eurasien.
• Alle potentiellen Herausforderer der USA auf
politischem
und/oder
wirtschaftlichem
Gebiet sind ausnahmslos eurasische Staaten.
Das bringt Brzezinski zur eigentlichen
Hauptthese seines Buches:
Eurasien ist mithin „das Schachbrett, auf
dem der Kampf um globale Vorherrschaft auch
in Zukunft ausgetragen wird". Einer der prominentesten geopolitischen Theoretiker, Haiford Mackinder, leistete Anfang dieses Jahrhunderts Pionierarbeit,
als er nacheinander die Begriffe „eurasische Zentralregion" (die ganz Sibirien und einen Großteil Zentralasien
umfaßte) und ostmitteleuropäisches „Herzland" prägte
und jede dieser beiden Regionen als Sprungbrett zur
Erlangung der Herrschaft über den ganzen Kontinent
bezeichnete. Zum Durchbruch verhalf er seiner Theorie
mit dem berühmten Ausspruch:
„Wer über Osteuropa herrscht, beherrscht das Herzland;
Wer über das Herzland herrscht, beherrscht die Weltinsel;
Karte aus Die einzige Weltmacht
Wer über die Weltinsel herrscht, beherrscht die Welt."
„Eurasische Geostrategie" bedeute demnach heute für
die USA, so Brzezinski, „die drei großen Imperative
imperialer Geostrategie" zu beherzigen:
• Absprachen zwischen den Vasallen zu behindern
und ihre Abhängigkeit in Fragen der Sicherheit zu
bewahren;
• die tributpflichtigen Staaten fügsam zu halten und zu
schützen
• und dafür zu sorgen, daß die „Barbarenvölker" sich
nicht zusammemschließen.
„Eurasisches Schachbrett" und „eurasischer Balkan"
Zwischen den westlichen und östlichen Randgebieten
Eurasiens dehnt sich, wie Brzezinski in seinem Buch
schreibt, ein gewaltiger dünnbesiedelter, derzeit politisch instabiler und in organisatorischer Auflösung
begriffener mittlerer Raum, der früher von mächtigen
Konkurrenten der USA besetzt wurde; Ziel der Kontrolle über diesen Raum war einst, Amerika aus Eurasien
herauszuhalten. Südlich von diesem großen zentraieurasischen Plateau liege eine „politisch anarchische",
aber an Energievorräten reiche Region, die sowohl für
die europäischen wie auch die ostasiatischen Staaten
wichtig werden könnte.
„Das riesige, merkwürdig geformte eurasische
Schachbrett, das sich von Lissabon bis Wladiwostok
erstreckt, werde zum eigentlichen Schauplatz des globalen Spiels."
Brzezinski spricht von fünf Hauptakteuren, fünf geopolitischen Dreh- und Angelpunkten auf dem eurasischen Schachbrett: Frankreich, Deutschland, Rußland,
China und Indien sind die Hauptakteure, während die
Ukraine, Aserbeidschan, Südkorea, die Türkei und der
Iran lediglich geopoiitische Dreh- und Angelpunkte von
entscheidender Bedeutung darstellen.
78
Ähnlich wie Huntington hält Brzezinski — vor allem,
seitdem Rußlands früherer Ministerpräsident Jewgenij
Primakow dieses Konzept erstmals als programmatische Politik formulierte — eine immer dynamischer
werdende „eurasische Entwicklungsallianz" zwischen
Rußland, China und dem Iran (sowie Indien), für eine
der größten Bedrohungen der Vormachtstellung der
USA in Eurasien. „Das gefährlichste Szenario wäre möglicherweise eine große Koalition zwischen China, Rußland und vielleicht dem Iran, ein nicht durch Ideologie,
sondern durch die tiefsitzende Unzufriedenheit aller
Beteiligten geeintes antihegemoniales Bündnis."
Die wirkliche Obsession Brzezinskis ist jedoch Rußland, der einzige ernstzunehmende Gegenspieler der
Weltmacht USA. Durch den Zusammenbruch der
Sowjetunion sei ein „schwarzes Loch", ein Vakuum entstanden, und die geopolitischen Erschütterungen zu
Beginn der 90er Jahre hätten zu einem bedeutsamen
Wandel im Status des Kaspischen Beckens und Zentralasiens geführt.
Wesentlich für die Eindämmung Rußlands und daher
geopolitisch von höchster Priorität sei deshalb der
„eurasische Balkan". Brzezinski spricht sogar in diesem
Zusammenhang ausdrücklich von einem „ethnischen
Hexenkessel", der von den künftigen Transportwegen,
die zwischen den reichsten und produktivsten westlichen und östlichen Randzonen Eurasiens bessere Verbindungen herstellen sollen, durchzogen wird.
Mit seinem Hinweis auf die Bedeutung des „eurasischen Balkan" erneuert Brzezinski das „Große Spiel",
das im 1 9 . Jahrhundert besonders England, Rußland und
das untergehende Osmanische Reich in endlose Kriege
um die Kontrolle der strategisch wichtigen Region Zentralasien-Transkaukasus verstrickte.
In seinem Buch wirft er deshalb die Frage auf, wie
sich eine erneute Vorherrschaft Rußlands im Transkaukasus und in Zentralasien verhindern ließe. Der „eurasische Balkan" werde zu einem entscheidenden Faktor,
um Rußlands Einfluß in Eurasien zurückzudrängen.
Im Kapitel Das Schwarze Loch schreibt er:
„Rußlands Verlust seiner beherrschenden Position an
der Ostsee fand sein Pendant am Schwarzen Meer, zum
einen wegen der Unabhängigkeit der Ukraine, zum
anderen, weil die jetzt unabhängigen kaukasischen
Staaten — Georgien, Armenien und Aserbeidschan —
die Möglichkeiten der Türkei verbesserten, ihren verlorengegangenen Einfluß in der Region aufs Neue geltend
zu machen ... Mit der Unabhängigkeit der zentralasiatischen Staaten hatte sich Rußlands südöstliche
Grenze an einigen Stellen um mehr als tausend Meilen
nach Norden verschoben. Die neuen Staaten verfügen
über riesige Mineral- und Erdölvorkommen, die ausländische Interessenten anlocken mußten ... Da sie von der
Türkei, dem Iran, Pakistan und Saudi-Arabien unterstützt wurden, waren die zentralasiatischen Staaten entgegen russischen Hoffnungen nicht geneigt, ihre neue
politische Souveränität gegen eine selbst gnädige wirtschaftliche Integration mit Rußland zu tauschen ... Für
die Russen mußte das Gespenst eines möglichen Konflikts mit den islamischen Staaten entlang der gesamten
Südflanke Rußlands (die zusammen mit der Türkei, dem
Iran und Pakistan mehr als 300 Millionen Menschen
aufbieten) Anlaß zu ernster Besorgnis sein."
Weiter führt Brzezinski aus, daß der Transkaukasus
und Zentralasien für Rußland das seien, was das „Pulverfaß Balkan" für Westeuropa sei.
In dem Kapitel „Der eurasische Balkan" schreibt er
weiter:
„Das Wort Balkan beschwört in Europa Bilder von
ethnischen Konflikten und Stellvertreterkriegen der
Großmächte herauf. Auch Eurasien hat seinen Balkan,
aber der ist viel größer, dichter bevölkert und religiös
und ethnisch noch heterogener. Der eurasische Balkan
liegt innerhalb jenes großen Rechtecks, das die angesprochene Kernzone globaler Instabilität einschließt
und Teile von Südosteuropa, Zentralasien sowie einige
Gebiete Südasiens, die Region um den Persischen Golf
und den Nahen Osten umfaßt...
Der eurasische Balkan bildet den inneren Kern dieses
großen Rechtecks und unterscheidet sich von seinem
äußeren Umfeld durch ein besonderes Merkmal: er ist
ein Machtvakuum. Zwar sind auch die meisten Staaten
in der Golfregion und im
Nahen Osten alles andere
als stabil, doch üben im
Endeffekt die USA dort eine
Schiedsrichterfunktion aus.
Die instabile Region steht
mithin unter dem Einfluß
einer einzigen Macht, die
einen mäßigenden Einfluß
ausübt. Im Gegensatz dazu
erinnert der eurasische Balkan wirklich an den uns aus
der Geschichte dieses Jahrhunderts vertrauteren Balkan in Südosteuropa: Die
dortigen Staaten sind nicht
nur hochgradig instabil,
ihre Lage und innenpolitische Verfassung fordern die
mächtigen Nachbarn zum
Eingreifen geradezu heraus,
und jeder widersetzt sich
mit Entschlossenheit den
Bestrebungen der anderen,
die Vorherrschaft in der Region zu erlangen. Es ist dieses wohlvertraute Phänomen des Machtvakuums mit
der ihm eigenen Sogwirkung, das die Bezeichnung
,eurasischer Balkan' rechtfertigt...
Außerdem kommt ihm [dem ,eurasischen Balkan']
sicherheitspolitische Bedeutung zu, weil mindestens
drei seiner unmittelbaren und mächtigsten Nachbarn
von alters her Absichten darauf hegen, und auch China
ein immer größeres Interesse an der Region zu erkennen
gibt...
Viel wichtiger aber ist der eurasische Balkan, weil er
sich zu einem ökonomischen Filetstück entwickeln
könnte, konzentrieren sich in dieser Region doch ungeheure Erdgas- und Erdölvorkommen, von wichtigen
Mineralien einschließlich Gold ganz zu schweigen."
Zu der Zeit, als Brzezinski Die einzige Weltmacht
79
schrieb, war er als Berater des Erdölkonzerns Amoco für
Geschäfte am Kaspischen Meer tätig. Er übte diese
und Sicherheit auf dem Spiel. In erster Linie geht es
Amerika um Zugang zur Region, über den bis zum
Funktion bis zur feindlichen Übernahme des Konzerns
durch British Petroleum aus. Amoco spielte eine
Zusammenbruch der Sowjetunion Moskau allein verfü-
wesentliche Rolle bei der Bildung des Erdölkonsortiums
Azerbaijan International Operating Co. (AIOC), das
nach dem Machtantritt von Hejdar Alijew im Juni 1993
gen konnte. Alle Bahntransporte, Erdgas- und Erdölpipelines und sogar der Flugverkehr wurden über das
Zentrum geleitet. Die russischen Geopolitiker sahen es
gegründet wurde.
natürlich lieber, wenn es so bliebe, da sie genau wissen,
daß derjenige, der den Zugang zur Region unter Kon-
Fazit der Brzezinskischen Geopolitik: Die USA sollten mehr Augenmerk auf den eurasischen Balkan len-
trolle oder unter seiner Herrschaft hat, aller Wahrscheinlichkeit nach auch den geopolitischen und öko-
ken und dabei alles unternehmen, die Länder Zentral-
nomischen Gewinn einheimst... Genau diese Überlegung hat der Pipeline-Frage für die Zukunft des Kaspischen Beckens und Zentralasien eine so zentrale Bedeutung verliehen."
Diese Aussage ist natürlich besonders seit dem Ausbruch des Afghanistankrieges von aktueller Brisanz.
asiens, wie z.B. Usbekistan und auch die Türkei, massiv
zu unterstützen, denn es stehe sehr viel auf dem Spiel:
„In diesem Hexenkessel geopolitischer Macht stehen
somit der Zugang zu möglicherweise großem Reichtum,
die Erfüllung nationaler und/oder religiöser Missionen
„Protektorat Europa" und die zukünftige Rolle Rußlands
Um die Vorherrschaft Amerikas in Eurasien zu sichern,
müsse Westeuropa und in zunehmendem Maße auch
Mitteleuropa, nicht zuletzt wegen der NATO als einem
Einflußinstrument der USA, ein amerikanisches „Protektorat" bleiben, „dessen alliierte Staaten an Vasallen und
Tributpflichtige von einst erinnern," lautet die Forderung
Brzezinskis. Amerikas zentrales geostrategisches Ziel in
Europa lasse sich danach einfach zusammenfassen,
schreibt Brzezinski am Ende seines Buches: Durch eine
glaubwürdige transatlantische Partnerschaft müsse der
„Brückenkopf der USA auf dem eurasischen Kontinent
so gefestigt werden, daß ein wachsendes Europa ein
brauchbares Sprungbrett werden kann, von dem aus
sich eine internationale Ordnung der Demokratie und
Zusammenarbeit nach Eurasien hinein ausbreiten läßt".
Für die Sommerausgabe der neokonservativen Zeitschrift The National Interest verfaßte Brzezinski im Sommer 2000 einen Aufsatz unter dem Titel „Leben mit dem
neuen Europa", dem in der Herbstausgabe derselben
Zeitschrift ein weiterer Artikel mit der Überschrift
„Leben mit Rußland" folgte. Unter dem Titel „Geostrategic Triad: Living with China, Europe and Russia" wurde diese Aufsatzserie 2001 in Buchform veröffentlicht.
In nicht zu überbietender Arroganz legt Brzezinski in
„Leben mit dem neuen Europa" die zukünftige Rolle
Europas dar:
„Die transatlantische Allianz ist das Sprungbrett für
das globale Engagement der USA und gibt Amerika die
Möglichkeit, seine Rolle als Schiedsrichter in Eurasien,
der zentralen Arena der Macht wahrzunehmen."
Trotz seiner wirtschaftlichen Stärke, so die Botschaft
Brzezinskis an die Europäer, bleibe Europa ein „Protektorat der USA". Ja, so Brzezinski, „es ist nicht nur eine
Tatsache, daß das Bündnis zwischen Amerika und Europa ungleich ist, es ist auch wahr, daß sich die vorhandene Asymmetrie zwischen den beiden wahrscheinlich
noch zugunsten Amerikas ausweiten wird." Mit dem
„Wirtschaftsboom und der technologischen Innovation"
in den USA könne Europa auch vereint nicht mithalten.
Daher „werden die USA wahrscheinlich noch für mindestens eine Generation die einzige wirkliche globale
Macht" und „die dominierende Macht der transatlanti-
80
sehen Allianz im ersten Viertel des 2 1 . Jahrhunderts"
bleiben.
Europa — daran läßt Brzezinski keinen Zweifel —
werde vom amerikanischen Standpunkt als „Satrapie"
betrachtet: Ideal für die USA wäre ein politisch vereintes Europa, das als fleißiges NATO-Mitglied bereit sei,
Einsätze der NATO außerhalb des Einsatzgebietes mitzumachen, um die globale militärische Last Amerikas
zu verringern und „Amerikas geopolitische Interessen in
bezug auf Rußland und den Nahen Osten zu unterstützen", schreibt Brzezinski.
Die amerikanische Führung solle jedoch nicht darauf
bestehen, daß Europa gegenüber der amerikanischen
Vorherrschaft völlig „unterwürfig" sei, was eigentlich
„ideal" wäre; denn dies würde zu viele „Ressentiments"
erzeugen und insbesondere die Deutschen „in die Arme
der Franzosen" treiben.
Wie das Dilemma im Kosovo deutlich gemacht habe,
seien die politisch-militärischen Kapazitäten Europas
äußerst begrenzt; Europa sei nicht einmal in einem
schwachen Land in der Lage, eine Friedensmission
durchzustehen. Dies mache erneut deutlich, daß Europa „kein unabhängiger Akteur auf der internationalen
Bühne werden kann".
Amerika brauche sich daher definitiv keine Sorge über
einen potentiellen Rivalen Europa zu machen. Denn
Europa werde angesichts seiner begrenzten militärischen Kapazitäten und der „geographischen Nähe" zu
den die Stabilität bedrohenden („Schurken"-)Staaten
„weiterhin Amerika brauchen, um wirklich sicher zu
sein". Um Europa wirtschaftlich einzubinden, schlägt er
außerdem ein transatlantisches Freihandelsabkommen
vor.
Während Europa seine Rolle als Protektorat der USA
wahrnehmen solle, gelte es insbesondere dafür zu sorgen, daß Rußland nie wieder davon träume, den imperialen Status als Großmacht wiederzugewinnen. In seinem Aufsatz „Leben mit Rußland" erklärt Brzezinski
ultimativ, daß Rußland als Verlierer des Kalten Krieges
gar keine andere Wahl habe, als sich dem Diktat der
einzig verbliebenen Supermacht USA zu unterwerfen
und sich langfristig in den Westen, sprich in die EU- und
NATO-Struktur „einbinden" zu lassen. Die Einbeziehung Rußlands in die transatlantische Gemeinschaft sei
„notwendiger Stützpfeiler jeder langfristigen amerikanischen Strategie, um die Stabilität auf dem eurasischen
Mega-Kontinent zu konsolidieren". Es müßten geostrategische Bedingungen geschaffen werden, so Brzezinski
weiter, „welche die Russen davon überzeugen, daß es
in Rußlands Selbstinteresse liegt, ein wahrhaft demokratischer und europäischer postimperialer Nationalstaat
zu werden — ein Staat, der eng mit der transatlantischen Gemeinschaft verbunden ist".
Brzezinski beschreibt den beispiellosen wirtschaftlichen Niedergang und demographischen Kollaps Rußlands, das weniger Investitionen pro Jahr vom Westen
erhalten habe als Polen. Mit einer Bevölkerung, die
allein in den letzten Jahren von 1 5 1 auf 1 4 6 Mio.
geschrumpft sei — China habe 1,2 Mrd. Menschen —,
sehe sich Rußland im Süden 295 Mio. Muslimen gegenüber. 20 Mio. von ihnen lebten innerhalb der russischen
Grenzen. Im Jahre 2025 würde Rußland es mit 450 Mio.
Muslimen im Süden zu tun haben (ohne die 85 Mio. türkischen Muslime). Aufgrund der in dieser Region herrschenden wirtschaftlichen Schwäche und Volatilität
würden viele junge Muslime extremistisch werden, was
in Gebieten wie Tschetschenien einen besonders starken
antirussischen Reflex auslösen würde. (Anfang Januar
2001 wurde Brzezinski zum Leiter der amerikanischtschetschenischen Freundschaftsgesellschaft ernannt!)
Ungeachtet dieser Tatbestände setzten, so Brzezinski,
die russische Elite und das Militär jedoch — wie es in
der neuen Militärdoktrin zum Ausdruck komme — alles
daran, den einstigen Supermachtstatus wiederzugewinnen. Der wirtschaftliche Wiederaufbau Rußlands werde
dabei von den Militärs als Voraussetzung betrachtet, um
die politische Macht Rußlands im Kontext einer „neuen
Eurasischen Union" aufzubauen.
Ein von allen Seiten „belagertes" Rußland, das sich
insbesondere neu aufflammenden „islamischen" Konflikten im Süden gegenübersehe, werde „jedoch implodieren", so Brzezinski. Genau hier sieht der Geopoiitiker die Möglichkeit, Rußland — per Diktat sozusagen
— in die Strukturen des Westens einzubinden bzw. zu
„zwingen".
„Die ernstzunehmende Möglichkeit, daß sich Konflikte wie Buschfeuer in Zentralasien ausbreiten, könnte
Rußlands ablehnende Haltung gegenüber einem größeren westlichen Engagement in der Region entschärfen.
Moskau könnte dann nicht nur stärkeren westlichen
Wirtschaftsaktivitäten in der Region positiv gegenüberstehen, sondern auch einer größeren Rolle friedenserhaltender Maßnahmen der OSZE und vielleicht sogar
auch der NATO zustimmen."
Wie sol! der Westen mit Rußland politisch umgehen?
Brzezinski vergleicht den Zusammenbruch Rußlands mit
dem des Osmanischen Reiches. Im Gegensatz zu
Deutschland und Japan sei Rußland von den Siegern des
Kalten Krieges weder besetzt noch der politischen Umerziehung seitens der „Siegermächte" unterworfen worden. Der Westen, vor allem die USA, so rät Brzezinski,
sollte seine Beziehungen zum „offiziellen Rußland" abbauen und sich statt dessen auf die „nächste Führungsgeneration" in Rußland konzentrieren, die nur noch
„eine vage Erinnerung" daran haben dürfte, was Rußland
einmal war. Dies schließe die systematische finanzielle
Förderung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
und die gezielte Vergabe von Studienstipendien ein, mit
deren Hilfe junge Leute in den USA „mit den Werten der
Demokratie" vertraut gemacht werden sollten.
Der Westen müsse ein Umfeld schaffen, das „jeden
russischen Versuch, die geopolitische Uhr zurückzustellen, entmutigt" und Illusionen und Nostalgie über
den früheren Supermachtstatus verhindere. Zusammen
mit Europa sollten die USA Rußland gegenüber klar
machen, daß die einzige Chance für die Zukunft eine
Mitgliedschaft in der EU und NATO sein wird. Zukünftige NATO-Beitritte dürften nicht von einer Zustimmung
Rußlands abhängig gemacht werden, erklärt Brzezinski
kategorisch. „Viele europäische Länder — vor allem die
baltischen Staaten — wollen und haben das Recht, Teil
der EU und NATO zu sein." Der nächste Präsident der
USA sollte deshalb, so rät Brzezinski, die Verbündeten
drängen, die Aufnahme jedes demokratischen europäischen Staates, der die Kriterien für eine NATO-Mitgliedschaft erfülle, noch vor dem Jahr 2002 voranzutreiben.
Brzezinski entwirft die Vision eines von Vancouver bis
Wladiwostok reichenden Sicherheitssystems, wobei
neben der OSZE-Struktur die „NATO eines Tages Kerneiement eines transkontinentalen Sicherheitssystems
werden" könne. „Somit könnte sich eine geostrategische Lage herausbilden, in der die russische Elite selbst
erkennt, daß Rußlands einzige Option die beste Option
ist: nämlich wahrhaft demokratisch und ein postimperialer Staat zu werden, der bereit ist, sich in die transatlantische Gemeinschaft,einbinden' zu lassen."
.Leben mit China"
Hatte Brzezinski in seinem Buch Die einzige Weltmacht
erklärt, daß die USA in Zukunft China als „fernöstlichen
Anker" aufbauen sollten, dessen Macht mit Hilfe des
amerikanisch-japanischen Militärbündnisses eingedämmt werden solle, so betont er in dem im Frühjahr
2001 in der Zeitschrift National Interest erschienenen
Aufsatz „Leben mit China," daß die „eurasische Politik
heute an die Stelle der europäischen Politik auf der
Bühne des Weltgeschehens getreten (ist)." Sei die amerikanische Politik im 20. Jahrhundert von der Europäischen Politik bestimmt gewesen, so seien heute „verschiedene eurasische Mächtekonstellationen wesentlich
für die globale Stabilität". Die chinesisch-amerikanischen Beziehungen würden in diesem Kontext von zentraler Bedeutung werden. Brzezinski sieht sie auf einer
Stufe mit den amerikanisch-russischen, amerikanisch-
81
japanischen und amerikanisch-indischen Beziehungen.
Das heute militärisch und ideologisch unbedeutende
China könne eines Tages jedoch zu dem großen globalen Herausforderer der USA werden. Doch gleichzeitig
sagt der Ceopolitiker Brzezinski große Probleme für
China voraus. So könne das Land nicht auf Dauer mit
dem Widerspruch eines kommunistischen Systems und
der freien Marktwirtschaft leben, ohne daß es zu großen
innenpolitischen Krisen käme, zumal auch in China
bald eine neue Generation die Macht übernehmen werde. Laut Brzezinski werde die Frage der Menschenrechte sehr wichtig; außerdem werde sich das Regime
bemühen, die sozioökonomische Kluft zwischen Regi-
me und Gesellschaft zu verdecken. Fragen wie Tibet,
Falun Gong und die Unterdrückung von Minderheiten
könnten spätestens innerhalb einer Dekade zum Zündfunken für eine schwere innenpolitische Krise in China
werden. Abschließend rät Brzezinski Washington zu
einer geopolitischen Strategie, bei der es alles tun sollte, um China weiter einzudämmen — natürlich unter
Beibehaltung der gegenwärtigen (TMD-)Militärstrategie;
außerdem solle Washington die Taiwan-Frage vorsichtig
behandein und zugleich dafür sorgen, daß China in ein
von Japan/China ausgehendes „Eurasisches Sicherheitsbündnis" militärisch, politisch und wirtschaftlich „eingebunden" wird.
Amerika als Kulturmodell
1 9 7 2 verfaßte Brzezinski das Buch Between Two Ages:
America's Role in the Technotronic Era (Harper Verlag).
In diesem Buch legte er die paradigmatische, kulturelle
Wende der Informationsgesellschaft dar, die mit der
„postindustriellen Revolution", d.h. der Revolution in
der Kybernetik, der Kommunikation und der Information eingeleitet worden sei. Mit der „postindustriellen
Gesellschaft", so Brzezinski schon damals, werde auch
der Nationalstaat, ein Ergebnis der industriellen Revolution, überholt, und es werde die Grundlage für eine
neue „globalisierte" Welt gelegt. Im Buch Outofcontrol
(1993) beschreibt er die postindustrielle Gesellschaft als
eine „hauptsächlich an Pragmatismus, Information, Demokratie und philosophischem Skeptizismus" ausgerichtete Gesellschaft, die politisch und sozial auf einem
Zwei-Klassenmodell aufbaue, bei dem sich eine (kleine)
Klasse, der es wirtschaftlich relativ gut gehe, psychologisch vom großen Rest der Welt, d.h. dem in relativer
Armut lebenden, überwiegenden Teil der Menschheit
isoliert.
Viele Jahre später stellte Brzezinski in dem erwähnten
Buch Die einzige Weltmacht in Analogie zum Römischen Reich die These auf, daß sich der Einfluß Amerikas als globale Ordnungsmacht vor allem auf die Hegemonie der amerikanischen Kultur gründe.
Darunter versteht Brzezinski die Beherrschung der
weltweiten Kommunikationssysteme durch die USA, die
indirekte Einflußnahme auf ausländische Eliten, insbe-
sondere aber die weltweite Kontrolle der Unterhaltungsindustrie und Massenkultur durch Amerika:
„Amerikas Massenkultur besitzt, besonders für die
jugendlichen in aller Welt, eine geradezu magische
Anziehungskraft. Ihre Attraktion mag von dem hedonistischen Lebensstil herrühren, den sie entwirft; ihr weltweit großer Anklang ist jedenfalls unbestritten. Amerikanische Fernsehprogramme und Filme decken etwa
drei Viertel des Weltmarktes ab. Die amerikanische
Pop-Musik ist ein ebenso beherrschendes Phänomen,
während Amerikas Marotten, Eßgewohnheiten, ja sogar
seine Mode zunehmend imitiert werden." Die InternetSprache sei Englisch, und ein überwältigender Teil des
Computer-Schnickschnacks stamme ebenfalls aus den
USA und bestimme somit nicht unwesentlich die Inhalte der globalen Kommunikation. Außerdem dränge jährlich eine halbe Million ausländischer Studenten in die
USA, „die Absolventen amerikanischer Universitäten
sind in den Regierungskabinetten aller Herren Länder
vertreten".
Trotz aller Bewunderung für die „kulturelle Ausstrahlung" der USA, warnt Brzezinski in diesem Buch, wie
auch in dem 1993 geschriebenen Werk Out of Control
davor, daß — wie beim Untergang des Römischen Reiches — genau dieser „kulturelle Hedonismus" und die
wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme in
den USA in der Zukunft den Kollaps dieser „einzigen
Weltmacht" USA herbeiführen könnten.
Bibliographie
Zbigniew Brzezinski: Out of Control. Global Turmoil on the Eve
of the 21 st Century, Maximilian Publishing Company, 1 9 9 3 .
Zbigniew Brzezinski: Living with China; Living with Europe;
Living with Russia, The National Interest, 2000. (Vom CSIS
2001 als Studie unter dem Titel A geostrategic Triad veröffentlicht).
Elisabeth Hellenbroich: „Malthusianismus und anglo-amerikani-
Samuel P. Huntington: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung
der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, Holger Fliessbach Europa
Verlag, 1999. (Englischer Originaltitel: Clash of civilizations,
Simon and Schuster, 1996.)
Samuel P. Huntington: The Crisis of Democracy. Report on the
Covernability of Democracies to the Trilateral Commission,
New York University Press, 1 9 7 5 ; (Chapter III: The United
sche Geopolitik", in £/RN/\-Studie C/obalisierung macht
krank, Wiesbaden, 2000.
States)
Zbigniew Brzezinski: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie
Sabine Feiner: Weltordnung durch US-Leadership. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden, 2000.
der Vorherrschaft, Beltz Quadriga Verlag, Berlin, 1997. (Titel
der Originalausgabe: The Crand Chessboard. American Primacy and it's Ceostrategic Imperatives, Harper Collins
Publishers Inc., 1 9 9 7 )
Zbigniew Brzezinski: Came Plan. How to conduct the U.S.-Soviet Contest, The Atlantic Monthly Press, Boston/New York,
1986.
Mark Burdman: Samuel Huntington propagiert den Rückfall in
die Barbarei in Neue Solidarität, Jg. 24, Nr. 1 9 vom 7.5.1997,
und
Scott Thompson: Eine „ölige Familie". Die Brzezinskis und das
„Große Spiel" im Transkaukasus in Neue Solidarität, Jg. 26,
Nr. 41 vom 1 3 . 1 0 . 1 9 9 9 . Siehe auch The „Open Conspirators" Behind Sept. 11 Coup Plot in EIR, 25. Januar, 2002.
82
IV. ORGANISATIONEN UND STIFTUNGEN
Die Finanzierung, Propaganda und Regierungsunterwanderung der „Clash of Civilizations"Fraktion läuft im wesentlichen über eine Reihe — in Europa wenig bekannter — Stiftungen
und Denkfabriken. Auffällig ist die enge finanzielle und personelle Verzahnung
dieser Einrichtungen untereinander.
American Enterprise Institute (AEI)
Washington, D.C.
American Enterprise Institute
for Public Policy Research
GESCHICHTE UND POLITIK:
FINANZIERUNGSQUELLEN:
Das 1943 gegründete American Enterprise Institute
(AEI) in Washington ist seit Beginn der 90er Jahre Tummelplatz und Brötchengeber der „Neokonservativen",
die radikalen Freihandel propagieren und die amerikanische Außenpolitik in geopolitische Konfrontationen
zum Aufbau eines „neuen Empire" auf der Grundlage
der Globalisierung drängen. Über seine Direktoren, Forscher und Geldgeber ist das AEI eng mit dem Foreign
Policy Research Institute (FPRI) verbunden, das von
Robert Strausz-Hupe ins Leben gerufen wurde.
Zu anderen Gruppierungen, deren Aktivitäten sich mit
denen des AEI überlappen, zählen die rechtsextremen
Unterstützer der Politik Ariel Schärens, Benjamin
Netanjahus und der rechtsgerichteten Kreise des israelischen Militärs. Zu nennen sind hier besonders: das
American-Israeli Public Affairs Committee (AIPAC), das
Washington Institute on Near Hast Policy (WINEP), das
Washingtoner Center for Security Policy (CSP) und das
Jewish Institute for National Security Affairs (JINSA).
Dieses Netzwerk ist aufgrund seiner Verbindungen zu
den israelisch-sowjetischen Spionageoperationen um
Jonathan Jay Pollard in den 80er Jahren auch als „X
Committee" bekannt. Es hat sich darauf spezialisiert,
den amerikanischen Regierungsapparat zu infiltrieren,
um die US-Politik zu beeinflussen und Staatsgeheimnisse auszuspionieren. Unter der Reagan-Administration
waren viele Mitglieder des X Committees im Verteidigungsministerium und den Nachrichtendiensten tätig,
aber unter Präsident Clinton waren sie in diesem Netz
von Denkfabriken und Lobbygruppen beschäftigt. Diese
Leute sammeln nicht nur Informationen, sie können
auch immer wieder erfolgreich britische und israelische
Desinformation verbreiten, besonders im US-Kongreß.
2001 traten einige Schlüsselpersonen dieses Kreises in
den Dienst der Regierung George W. Bush, wo sie jetzt
darauf hinarbeiten, einen weltweiten Religionskrieg
gegen den „Islam" vom Zaun zu brechen.
Zwischen 1 9 8 8 und 2000 erhielt das AEI Zuwendungen
in Höhe von 25 773 583 Dollar von der Bradley Foundation, der Olin Foundation, der Smith Richardson
Foundation und den Stiftungen der Familie Scaife.
Damit ist das AEI eine außergewöhnlich reiche Denkfabrik im neokonservativen Lager. Mit dieser Kriegskasse
unterstützt das AEI wichtige Protagonisten des „Kampfes
der Kulturen".
WICHTIGE THEMEN:
Seit den Anschlägen vom 1 1 . September übt das AEI
immer wieder scharfe Kritik an Präsident Bushs Entscheidung, eine internationale Koalition für den Kampf
gegen den Terrorismus aufzubauen. Einer der führende
Köpfe des AEI, Michael Ledeen, hat US-Außenminister
Colin Powell vorgeworfen, er „bringt uns alle um", weil
Powell einen Palästinenserstaat befürwortete und einen
Krieg gegen den Irak ablehnte.
Kernziele des AEI in den letzten zehn Jahren waren
und sind: praktisch alle arabischen Staaten zu Gegnern
zu machen (wie von der israelischen Rechten gefordert);
Saddam Hussein zu stürzen; die Verträge von Oslo zu
annullieren; den Iran, Libyen und andere islamische
Länder mit Sanktionen zu belegen; keine friedliche
Annäherung der USA an China zu versuchen; keine
strategische Zusammenarbeit zwischen Rußland, China
und den USA zuzulassen; die NATO zu erweitern und
außerhalb des Vertragsgebietes einzusetzen; mit dem
UN-Sicherheitsrat zu brechen, damit die USA frei von
Rücksichtnahmen als „einzige Supermacht" agieren
können; ballistische und regionale Raketenabwehrsysteme zu stationieren, um China und Rußland zu provozieren (aber keine Forschung zu Defensivwaffen auf der
Grundlage neuer physikalischer Prinzipien zu betreiben, die tatsächlich die USA schützen könnten); Freihandel und Globalisierung durchzusetzen.
1 9 9 6 wurde das AEI zum Mittelpunkt des Vorstoßes
83
für einen neuen Kalten Krieg über die neu gegründete
New Atlantic Initiative (NAI), die ähnlich wie die Trilaterale Kommission in den 70er Jahren ein „Aktionsforum" für die von Brzezinski inspirierte Geopolitik sein
sollte. Bei der Gründung der NAI erklärte die frühere
britische Premierministerin Margaret Thatcher, Rußland habe nie aufgehört, der Feind des Westens zu sein,
und das ein neues „Feindbild" wären die „Schurkenstaaten" der islamischen Welt — also fast wörtlich
Huntingtons „Kampf der Kulturen". Brzezinski, Huntington sowie Henry Kissinger gehören alle persönlich
zur Gründungsgruppe des NAI.
WICHTIGE MITARBEITER:
in der folgenden Liste sind die wichtigsten Mitarbeiter
des AEI und der NAI aufgeführt. Mitarbeiter des AEI sind
durch einen Stern hervorgehoben.
IAB=lnternational Advisory Board
(Internationaler Beirat),
EC=Executive Committee (Vorstand)
Conrad Black, Präsident der Hollinger Corp.; gründete
den „Kongreß von Prag", das Gründungstreffen der
NAI 1996, an dem er auch persönlich teilnahm
Baronin Margaret Thatcher, Mitinitiatorin der NAI;
frühere britische Premierministerin
Sir Henry Kissinger, Vorsitzender NAI/IAB
Lane Kirkland, stellv. Vorsitzender, NAI/IAB; früherer
Präsident des US-Gewerkschaftsdachverbandes AFLCIO; Gründungsmitglied der Trilateralen Kommission
George Shultz, Mitinitiator der NAI; früherer USAußenminister (unter Präsident George Bush sen.).
Edward Streator, Vorsitzender NAI-EC
* Christopher DeMuth, Vorstand NAI-EC; Präsident des
American Enterprise Institute
John O'Sullivan, Gründungsmitglied der NAI; Vorstand
NAI-Exekutivrat; Redakteur der National Review
Otto Graf Lambsdorff, Mitglied NAI-EC; europäischer
Vorsitzender der Trilateralen Kommission
Peter Mandelson, Mitglied NAI-EC, früherer britischer
Handels- und Tourismusminister; Vorstandsmitglied
der britischen Labour Party.
* Jeffrey Gedmin, Executive Director der NAI; AEI.
Gerald Frost, Forschungsdirektor NAI-IAB (Großbritannien)
* John Bolton, AEI, zeitweise Staatssekretär in der Administration George W. Bush
Zbigniew Brzezinski, NAI-IAB
Lord Chalfont, (Gwyne Jones, Life Baron 1964),
NAI/IAB. OBE, MC, Privy Council (Britischer Kronrat). Nach einer militärischen Laufbahn zwischen
1940-61 wurde Chalfont Militärkorrespondent der
Times, ehemaliger Staatsminister im britischen Auswärtigen Amt; früherer Ständiger Vertreter Englands
bei der WEU und seit 1 9 6 4 Mitglied des Kronrates.
Ende der 70er Jahre nahm er an den Planungen der
Israelis bei deren „Terror-gegen-Terror"-Kampagne
teil.
Edwin j. Feulner, Mitglied von NAI/IAB; Präsident der
Heritage Foundation; Präsident der Mont-PelerinGesellschaft; Mitglied des Congressional Policy
84
Advisory Board (USA); Mitglied des Beirates des
Center for Security Policy
* Newt Gingrich, früherer Präsident des US-Abgeordnetenhauses
* Samuel P. Huntington, NAI/IAB; Mitglied der Trilateralen Kommission, Autor der Bücher The Crisis of
Democracy und Der Kampf der Kulturen; Demokratieexperte der National Endowment for Democracy
(NED)
Max Kampelman, NAI/IAB
* Jeanne Kirkpatrick, NAI/IAB; frühere amerikanische
UN-Botschafterin, wissenschaftliches Mitglied des
AEI; Mitglied des Beirates des Center for Security
Policy.
William Kristol, NAI/IAB; Herausgeber des Weekly
Standard (im Besitz von Murdoch), Sohn des zionistischen Neokonservativen und AEI-Fellow Irving
Kristol.
* Michael Ledeen, NAI/IAB; Jewish Institute for National Security Affairs (JINSA); wissenschaftlicher Mitarbeiter des AEI; Forschungsarbeiten für das Jerusameler Institute for Advanced Strategie and Policy
Studies (IASPS); hochrangiger Zuträger israelischer
Dienste
* Joshua Muravchik, NAI, auch JINSA, CSP, WINEP
* Richard Perle, NAI/IAB; Vorstandsmitglied der Hollinger Corp., früherer stellv. US-Verteidigungsminister
(wo er sich wegen seines angeblichen harten Antikommunismus „Fürst der Finsternis" nennen ließ);
Mitarbeiter des Jerusalemer IASPS; Mitglied des Beirates des Center for Security Policy; Resident Fellow, AEI; American Israel Policy Action Council;
NAI, JINSA, WINEP, CSP, bekannt als „Nationaler
Sicherheitsberater" des Senatsmehrheitssprechers
Trent Lott
Daniel Pipes, NAI/IAB; schrieb ein Buch über Verschwörungstheorien, in dem Lyndon LaRouche verleumdet wird; Herausgeber des Middle East Quarterly, fanatischer Unterstützer Ariel Scharons, Sohn des
amerikanischen Sowjetexperten Richard Pipes (AEI).
Norman Podhoretz, NAI/IAB; Herausgeber des Commentary Magazine und Publizist; führender Neokonservativer; Vater von John Podhoretz, der für die
New York Post (Murdoch) arbeitet.
Sir Charles Powell, NAI-EC, IAB; Vorstandsmitglied der
Jardine Matheson Trading Co., Bruder von Blairs
Stabschef Jonathan Powell.
Irwin Stelzer, NAI/IAB; führender neokonservativer Mitarbeiter des Zeitungsimperiums von Rupert Murdoch; Berater von Tony Blair; Kolumnist für Murdochs Sunday Times, New York Post und des für seine Clinton-Feindschaft bekannten Weekly Standard;
Fellow am AEI
Lord Weidenfeld, NAI/IAB
Paul Wolfowitz, Seminarleiter am NAI; Dekan an der
Paul- Nitze School for Advanced International Studies; stellv. US-Verteidigungsminister; richtete den
25. Jahrestag der Gründung der Trilateralen Kommission aus; entwarf einen Plan zum Sturz Saddam Husseins mit militärischen Mitteln; Mitglied des Congressionai Policy Advisory Board, sowie CSP, JINSA,
CPAB, NAI und WINEP.
Weitere wichtige Mitarbeiter des AEI:
Lawrence Lindsey, radikal freimarktwirtschaftlicher
Ökonom, Berater von George W. Bush
Charles Murray, Verfasser der Buches The Bell Curve
Laurie Mylroie, Adjunct Fellow am AEI, das ihr Buch
Revenge veröffentlichte, worin Saddam Hussein Ter-
rorangriffe gegen die USA wie der erste Anschlag auf
das World Trade Center 1993 angelastet werden
Michael Novak, Verfechter neoliberaler Wirtschaftspolitik in katholischen Kreisen
James Woolsey, wichtigster Befürworter eines Krieges
gegen den Irak in der Öffentlichkeit; JINSA, Defense
Policy Board, CSIS.
Washington Institute for Near East Policy
(WINEP)
GESCHICHTE UND POLITIK:
Das Washington Institute for Near East Policy (WINEP)
ist eine Frontorganisation der berüchtigten Mega-Gruppe und der ultrarechten Vertreter des American Israel
Policy Action Council (AIPAC). Bei der Finanzierung
der Gründung halfen „Barbi" und Laurence Weinberg,
führende Geldgeber von AIPAC, die den Australier Martin Indyk, damals Berater des Britischen Commonwealth bei Israels Ministerpräsident Schamir, überzeugten, zu AIPAC zu wechseln und dann WINEP zu gründen. Das Institut gibt sich als „akademische" und objektive Denkfabrik, strebt aber die Umsetzung der Politik
von Ariel Scharon für die Annullierung der Osloer Verträge und Wiedererlangung israelischer Kontrolle über
die Palästinensergebiete an.
Informierte Washingtoner Insider erklären das Versagen der Regierung Clinton bei den Friedensverhandlungen von Barak und Arafat im August 2000 und später
bei den Gesprächen im ägyptischen Taba mit schlichter
Sabotage durch zwei WINEP-"Maulwürfe" in der Regierung: Sonderbotschafter Dennis ROSS, heute „Counselor
and Distinguished Fellow" bei WINEP, und US-Botschafter in Israel (1999-2001) Martin Indyk, ein Gründer von WINEP. Im September 2000 war Indyk der
höchstrangige US-Diplomat, dessen Sicherheitsunbedenklichkeitseinstufung zurückgesetzt wurde. Dies
geschah unmittelbar, bevor Ariel Scharon mit mehr als
3000 israelischen Soldaten zum Scharm El Scheich (Felsendom) auf dem Jerusalemer Tempelberg stieg, und es
wird vermutet, daß Indyk an der Vorbereitung von Scharons Provokation beteiligt war. Diese Provokation löste
eine neue Intifada in den Palästinensergebieten aus, bei
deren Bekämpfung durch israelische Soldaten bisher
mehr als 800 Demonstranten und Palästinenserführer
starben.
2001 bot WINEP 57 Schriften an, fast ein Drittel
davon aus der Feder von Daniel Pipes und der
ursprünglichen Herausgebergruppe von Pipes Publikation Middle East Quarterly, die vom Foreign Policy Research Institute (FPRI) in Philadelphia, Pennsylvania
veröffentlicht wird. WINEPs „Forschungsdirektor"
Patrick Clawson kommt ebenfalls vom FPRI und gab
von 1981-92 unter dem Patronat von Pipes' Mentor
Strausz-Hupe die FPRI-Zeitschrift Orbis heraus.
In einer neueren Schrift (Januar 2002) beschwert sich
Clawson über die „beschleunigte Wirtschaftshilfe" der
Regierung George W. Bush an Ägypten and beschuldigt
Präsident Mubarak fälschlich, er habe „Selbstmordanschläge gegen Israel verharmlost". Clawson protestiert
auch dagegen, daß Bush einen palästinensischen Staat
fordere, der friedlich Seite an Seite mit Israel existieren
soll.
Der Irak ist ein anderer „Lieblingsfeind" von WINEP,
und das schon seit dem Golfkrieg. So schrieb Laurie
Mylroie vom FPRI 1 9 9 1 ein Traktat mit dem Titel Die
Zukunft des Irak. WINEP publizierte auch Schriften von
David Wurmser , der heute am AEI tätig ist und in Zeitungsartikeln die Bombardierung des Irak fordert.
Die Zeitschrift Washington Report on Middle East
Affairs berichtete in ihrer Juli/August-Ausgabe 1994, das
von Pipes und Strausz-Hupe herausgegebene Magazin
Middle East Quarterly habe in der Erstausgabe Beiträge
von Bernard Lewis, der eigentlich den Begriff vom
„Kampf der Kulturen" prägte, und von Indyk, dem Spitzenvertreter von AIPAC und Gründer von WINEP, enthalten. In dem WRMEA-Artlkel heißt es weiter, Lewis'
Sohn Michael Lewis leite AlPACs supergeheime „Oppositions-Forschungsabteilung", die Professoren, Autoren
und Journalisten mit Material über Nahostexperten versorgt, die ihre Ansichten nicht teilen.
Und obwohl WINEP alles versucht, seine „akademische" Fassade aufrecht zu erhalten, überlappen sich seine Aktivitäten inhaltlich mit den extremsten israelischen
Fanatikern, bis hin zu Gruppen, die den Tempelberg „in
die Luft sprengen" wollen. So veranstaltete die Zionist
Organization of America (ZOA) am 6. Februar 2001 ein
Seminar im Rayburn House Office Building in Washington, um die Kandidatur Ariel Scharon für das Ant des
Ministerpräsidenten zu unterstützen. Das Seminar trug
den Titel „Die Wahl in Israe : Implikationen für den Frie-
85
den im Nahen Osten, die Politik der USA und das amerikanische Judentum". Redner waren u.a. Daniel Pipes
vom FPRI, Frank Gaffney und Douglas Feith vom Center for Security Policy, Morton Klein von der ZOA und
das WINEP-Ehepaar David und Meyrav Wurmser.
David Wurmser, der auch am AEI ist, wie auch Meyrav
Wurmser, die Executive Director des Middle Hast Media
and Research Institute (MEMRI) in Washington ist,
gehören zu den vehementesten Propagandisten für
einen Krieg gegen den Irak und den Sturz oder die
Ermordung von Saddam Hussein.
Am 1 8 . September, nur eine Woche nach dem Angriff
auf das WTC und das Pentagon, gab Meyrav Wurmser
in einem prominenten Gastkommentar in der Washington Times unter der Überschrift „Keine Ausflüchte mehr"
die Schuld für die Anschläge den „Schurkenstaaten Irak,
Iran, Syrien, Libyen" sowie den Ägyptern und den Palästinensern, die mit institutionellem Antisemitismus und
Haß auf Israel und den Westen das Klima für den 1 1 .
September geschaffen hätten. Sie attackierte besonders
Arafat und die neue Intifada seit September 2000 als
Ausgangspunkt für den 1 1 . September und fordert, es
müsse gegen diese Regierungen Klage erhoben werden.
FINANZIERUNGSQUELLEN:
1 0 5 0 0 0 $ Zuschüsse von der Bradley Foundation,
1991-92.
469 509 $ Zuschüsse von der Smith Richardson
Foundation für die Jahre 1996-2000.
Außerdem versammeit WINEP von allen „Clash of
Civilization"-lnstitutionen in seinem Kuratorium die
größte Konzentration an Mitgliedern der Mega-Gruppe.
1999 waren es: Edgar Bronfman, Charles Bronfman,
Michael Steinhardt, Marvey Meyerhoff und bis zu seinem Tode Charles Schusterman (Schusterman wurde
bei Mega von seiner Frau Lynn ersetzt).
1985 halfen die führenden AlPAC-Spender Barbi und
Laurence Weinberg bei der Anschubfinanzierung. Die
Weinbergs finanzieren immer noch sehr große Teile der
Aktivitäten von WINEP.
B Ei RAT:
Warren Christopher
Lawrence S. Eagleburger, Kissinger Associates
Alexander Haig
Max M. Kampelman, CSIS, NAI
Jeane Kirkpatrick, AEI, NAI
Samuel W. Lewis
Edward Luttwak, CSIS
Michael Mandelbaum
Robert McFarlane
Martin Peretz, New Republic, Mentor AI Cores
Richard Perle, AEI, NAI, JINSA, Defense Policy Board
James Röche
Eugene V. Rostow, NAi
George P. Shultz, NAI
Paul Wolfowitz, siehe AEI
Mortimer Zuckerman
86
FÜHRENDE MITARBEITER:
Robert Satloff, Executive Director
Dennis B. ROSS, Counselor, Distinguished Fellow
Patrick Clawson Director for Research
Laurie Mylroie, gelegentliche politische Analysen
Martin Indyk, erster Executive Director
Oberst Nitzan Alon, Israeli Defense Forces
Joshua Muravchik, Adjunct Scholar
Daniel Pipes, Adjunct Scholar
Michael Rubin, Adjunct Scholar
ASSOZIIERTE INSTITUTIONEN:
JINSA:
JINSA greift mit anderen Schwerpunkten die gleichen
Themen wie das AEI und WINEP auf und konzentriert
sich auf die Unterwanderung amerikanischer militärischer und verteidigungspolitischer Institutionen.
Wichtige Mitarbeiter:
Tom Newmann, Executive Director; Michael Ledeen,
Paul Wolfowitz, Jeane Kirkpatrick, Joshua Muravchik
und Richard Perle (siehe AEI); Steven Bryen, der in den
70er Jahren der Spionage für Israel überführt wurde;
Shoshona Bryen, Communications Director; James
Woolsey, ehem. CIA-Direktor, steht AI Göre nahe, war
vehement gegen die Regierung Primakow; Yossef
Bodansky, fanatischer Zionist und selbsternannter Terrorismusexperte, leitet die House Republican Study Group
Terrorism Task Force; Yonah Alexander, Prof. an der
George Washington University, Terrorismusexperte,
vehement anti-islamisch; Doug Feith, auch bei CSP;
Eugene Rostow, auch bei AEI, NAI.
AIPAC:
Wird von Fortune als zweitmächtigste Lobby in den
USA eingestuft. Gegründet Anfang der 50er Jahre, ist es
„die führende pro-israelische Lobby Amerikas". AIPAC
hat ein praktisch permanentes Austauschprogramm mit
der israelischen Regierung und dient als Trainingsbereich und „Abschlußschulung" für Leute, die in den
USA eingesetzt werden.
Politische Ziele: Ende der 90er Jahre Opposition gegen
den russischen Ministerpräsidenten Jewgenij Primakow;
Sturz des irakischen Staatschefs Saddam Hussein; Aufrechterhaltung der Sanktionen gegen den Iran und
andere islamische Länder; Opposition gegen die Osloer
Verträge und Palästinenserchef Jassir Arafat; Unterstützung verstärkter Militär- und Finanzhilfen an Israel;
Beförderung Israels zur führenden Nation in der USPolitik gegen Terrorismus.
Führende Mitarbeiter: Neal Sher, ehem. Leiter des Office of Special Investigations (OSI) am US-Justizministerium;
Tom Dine, ehem. Executivdirektor;
Wolf Blitzer, ehem. AlPAC-Mitarbeiter, heute Korrespondent von CNN am Weißen Haus;
Assistant Secretary of State Martin Indyk, ehem. hoher
AlPAC-Vertreter und Gründer von WINEP, rekrutiert aus
dem Stab von Israelis Ministerpräsident Jitzhak Schamir, nach Tätigkeit beim Australischen Nationalen
Sicherheitsrat US-Botschafter in Israel; Dennis ROSS, USSonderbotschafter in Israel.
Smith Richardson Foundation, Inc.
GESCHICHTE:
Gegründet 1 9 3 5 in North Carolina mit Stiftungsstartkapital der Brüder Henry Smith Richardson — Besitzer der
Vick Chemical Company (Hustenbonbons, Vapo-Rub)
— und Lunsford Richardson. Den organisatorischen Teil
übernahm Eugene Stetson jr., Assistant Manager der
New Yorker Zweigstelle von Brown Brothers Harriman.
In den ersten Jahren bemühte sich die Stiftung dank
einer Absprache mit der Steuerbehörde IRS zunächst
darum, ihr Vermögen zu erhöhen und ließ ihre Arbeit
erst einmal ruhen.
H. Smith Richardson hatte die Gründung des America
First Committee finanziert, das gegen einen Krieg mit
Hitler-Deutschland agitierte. Sein wesentliches Argument dabei war, daß die USA „zusammen mit den Kommunisten" gegen Hitler kämpften. Richardsons Frau war
stolz darauf, mit Nancy Langehorne aus Virginia verwandt zu sein, die Lord Astor heiratete und mit ihrem
Ehemann von ihrem Besitz Cliveden in England aus die
Nazis unterstützte.
Die Smith Richardson Foundation (SFR) nahm ihre
Arbeit 1 9 5 6 auf und war zunächst die Finanzierungsquelle des Foreign Policy Research Institute. Ende der
50er Jahre vergab die Stiftung mehrere Stipendien an
einen damals wenig bekannten Mitarbeiter der Universität Harvard, Dr. Henry Kissinger, womit dieser Seminare für ausländische Führungspolitiker und eine Zeitschrift namens Confluence finanzierte.
Die Stiftung gab 1 9 5 9 Zuschüsse für Seminare zu strategischen Fragen für Reserveoffiziere, die vom USMilitär und vom Institute for American Strategy auf der
Grundlage eines Curriculums des FPRI, am Naval War
College durchgeführt wurden. Vor Propagandaaktivitäten wie diesen hatte Senator J. William Fulbright in seinem berühmten Memorandum vom August 1 9 6 1
gewarnte (siehe das entsprechende Kapitel in diesem
Bericht).
Während der Iran-Contra-Operationen gehörte die
Smith Richardson Foundation zu einem „Lenkungsausschuß privater Spender", der mit dem Nationalen Sicherheitsrat eine Propagandakampagne für diese Operationen koordinierte.
Die SRF bezuschußte Dennis King bei dessen Verleumdungsbuch Lyndon LaRouche and the New Ameri-
Zbigniew Brzezinski
Samuel P. Huntington
Fred C. Ikle, Distinguished Scholar, seit 1 9 8 8 CSIS; vorher Staatssekretär im Pentagon (Undersecretary of
Defense for Policy); Direktor der Arms Control and
Disarmament Agency; Leiter des Social Science
Department der RAND Corp.
Roderick MacFarquhar, Vorsitzender des Department of
Government an der Harvard University; ehem.
Direktor des John King Fairbank Center for East Asian Research; ehem. Fellow am RIIA; ehem. Mitglied
des britischen Parlaments.
General Edward C. Meyer (a.D.), Vorsitzender, Mitretek
Systems, Inc.; CSIS Senior Advisory Group on
Homeland Defense 4/5/2000; Stabschef der Armee
von Juni 1979 bis Juni 1983.
Arvid R. Nelson, Kurator (Trustee); im Direktorium von
Burns & Burns Associates, Inc.
Jane B. Preyer
Adele Richardson Ray, Kurator.
Lunsford Richardson, Jr., Kurator; Vorstandsvorsitzender der Richardson Corp.; Stellv. Vorstandsvorsitzender der Lexington Global Asset Managers, Inc.
Peter L. Richardson, Kuratoriumsvorsitzender und Präsident, Vorsitzender der Mitglieder und Gouverneure des Center for Creative Leadership.
Stuart S. Richardson, Kurator, Vorstandsvorsitzender der
Lexington Global Asset Managers, Inc.; Mitglied des
Center for Creative Leadership.
lsabel V. Sawhill, Senior fellow in Economic Studies,
Brookings Institution.
John B. Shoven, Direktor des Institute for Economic
Policy Research an der Universität Stanford.
Eugene William Stetson III., Filmproduzent
Ben Wattenberg, Senior fellow am AEI; Moderator der
Fernsehsendung Think Tank in PBS-TV; Mitgründer
der Coalition for a Democratic Majority.
Edward F. Zigler, Sterling professor of psychology an
der Yale University.
Kuratorium:
W. Winburne King III., Anwalt bei Adams Kleemeier
Hagan Hannah & Fouts; Gouverneur des Center for
Creative Leadership.
can Fascism (1 989).
STAB:
VORSTAND
(BOARD OF GOUVERNORS):
Douglas J. Besharov; Joseph j. und Violet Jacobs Scholar für Sociai Weifare Studies am AEI, Direktor des
Social and Individual Responsibility Project, Professor an der University of Maryland School of Public
Affairs seit 1 9 9 2
Peter L. Richardson, Vorsitzender.
Marin Strmecki, Stellv. Vorsitzender, Programmdirektor,
davor außenpolitischer Berater von Richard Nixon;
arbeitete für Brzezinski als Forschungsassistent am
CSIS; Mitglied des Beirates des Nixon Center (wo
Kissinger Ehrenvorsitzender ist).
Robert L. Coble, stell v. Präsident von CFO.
87
ROSS F. Hemphill, Schatzmeister.
Arvid R. Nelson, Sekretär.
GELDZUWENDUNGEN IN DEN LETZTEN JAHREN:
(in Dollar)
LAUFENDE AKTIVITÄTEN:
Central Asia Institute SAIS — von der SRF vorgeschlagen und unterstützt, 1 9 9 6 mit aktiver Beteiligung Brzezinskis gegründet; über 1 , 5 Mio.$ von 1996-2000.
Center for Strategie Education, SAIS — Programm für
Sicherheitsstudien unter Leitung von Eliot Cohen, von
der SRF 1997-2000 mit über 580 000 $ unterstützt.
Center for Creative Leadership, Greensboro im USBundesstaat North Carolina — Ausbildungsort für GAund Secret-Service-Agenten sowie für fast alle Personen,
die in den US-Streitkräften den Rang eines Generals
erreichten; die SRF lieferte 1970 das Startkapital und
unterstützte das Zentrum im Jahr 2000 mit mehr als
400 000 $.
John M. Olin Institute for Strategie Studies
WELCOME TO THE JOHN M. OLIN INSTITUTE FOR STRATEGIC STUDIES
HARVARD UNIVERSITY
GESCHICHTE:
Gegründet am 1 . Juli 1989, kurz vor dem Fall der Berliner Mauer, mit Hilfe eines auf vier Jahre befristeten
Zuschusses der Olin Foundation von 1,39 Mio. Dollar.
Das Institut hat vor allem die Aufgabe, „eine führende
Rolle beim Erkennen nationaler Sicherheitsherausforderungen für die USA zu spielen", und wurde von Samuel
Huntington von seiner Gründung bis zum Januar 2000
geleitet. Das Institut ist eine „selbständige Einheit" zur
„Institutionalisierung und Erweiterung" des Studienprogramms „Nationale Sicherheit" des (jetzt Weatherhead)
Center for International Affairs in Harvard, das seit
1 9 7 8 von Huntington geleitet wurde und zu dessen Beirat 1999-2000 auch Brzezinski gehörte. Kissinger war
der erste Vizedirektor des 1958 von Robert R. Bowie gegründeten Center.
Huntingtons Artikel in Foreign Affairs von 1 9 9 3 „The
Clash of Civilizations" ging auf ein Vorhaben des OlinInstituts Anfang der 90er Jahre mit dem Titel „Die sich
ändernde Sicherheitslage und die amerikanischen Nationalinteressen" zurück, das von der Smith Richardson
Foundation finanziert wurde. Das Projekt beschäftigte
sich auch mit dem Trend zu Kleinkriegen und der
„Revolution im Militärwesen" sowie den Implikationen
des wirtschaftlichen „Mächtegleichgewichts" für die
zukünftige US-Außenwirtschaftspolitik.
Das Institut unterhielt von 1 9 9 4 bis 1 9 9 7 ein Zweigbüro in Mexiko, das eine Konferenz zur NATO-Erweiterung und eine Vortragsreihe in der US-Botschaft zum
Thema „Clash of Civilizations" anläßlich von Huntingtons Mexiko-Besuch im Mai 1 9 9 7 veranstaltete. Ein Projekt über die Rolle des amerikanischen Militärs und das
Wesen der zivil-militärischen Beziehungen wurde
1995-97 von der Smith Richardson Foundation finanziert.
Seminare über die amerikanischen nationalen Interessen nach dem Kalten Krieg, einschließlich des Einsatzes
88
des US-Militärs im Ausland und der Globalisierung,
wurden 1998-2000 von Steve Forbes finanziert.
Ein vom Office of Net Assessment gefördertes Projekt
über Sicherheitsfragen in Ostasien mit Schwerpunkt auf
China und langfristiger regionaler strategischer Konkurrenz wurde 1999 abgeschlossen. In diesem Rahmen
fand im April 1 9 9 7 eine Konferenz im Naval War College statt.
Huntingtons Studie über Veränderungen der amerikanischen Nationalidentität und deren Auswirkungen für
die amerikanische Rolle in der Welt wurde von 1999 bis
2001 von der Smith Richardson- und der Bradley-Stiftung unterstützt.
LEHRKÖRPER:
Samuel P. Huntington — Albert J. Weatherhead III University Professor, Direktor des WCFIA, Vorsitzender
der Harvard Academy for International and Area Studies des WCFIA. Rücktritt als Direktor des Olin Institute im Januar 2000.
Alastair lain Johnston — Laine Professor of China in
World Affairs. Gastdozent am Stanford Center for
International Security and Cooperation im Herbst
1999. Er war Mitglied von CFR Study Groups und
des IISS.
Stephen Peter Rosen — Direktor seit Januar 2000, zuvor
stellvertretender Direktor. Beton Michael Kaneb Professor of National Security and Military Affairs. Er
war als Zivilist Assistent des Direktors für Net Assessment im Verteidigungsministerium; Direktor für
politisch-militärische Angelegenheiten des NSC-Stabes; Professor am Strategy Department, Naval War
College. Kodirektor einer Sommerstudie des Verteidigungsministeriums im Juli-August 2000, in der
alternative amerikanische Strategien für Asien entwickelt wurden.
Monica Duffy Toft — stellvertretende Direktorin; Assi-
stenzprofessorin für Public Policy an der Kennedy
School of Government. Sie war Forschungspraktikantin bei der RAND Corporation.
Stephen M. Walt — Robert and Renee Belfer Professor
of International Affairs an der Kennedy School of
Government. Zuvor Politologe an der University of
Chicago. Er erhielt ein Smith Richardson Foundation
Stipendium. Redaktionsmitglied von Foreign Policy.
MITARBEITER:
Eliot Cohen — Direktor des Center for Strategie Education an der Paul H. Nitze School of Advanced International Studies (SAIS) der Johns Hopkins University; Mitglied im Project for the New American Century; ein Wolfowitz-Protege.
Michael Desch, stellvertretender Direktor und leitender
Forschungsassistent am Olin Institute von September
1993 bis August 1998; Assistenzprofessor und stellvertretender Direktor an der Patterson School of
Diplomacy and International Commerce der University of Kentucky.
Richard Wilcox — seit Februar 2000 Olin-Stipendiat
beim National Security Council, verantwortlich für
die U.S. Peacekeeping Reform Agenda.
FINANZIERUNGSQUELLEN:
Olin Foundation — stellte die Cründungsgelder zur Ein-
richtung des Instituts zur Verfügung; bestreitet die
laufenden Kosten; über 5,6 Millionen Dollar von
1 9 8 9 bis 2000.
Smith Richardson Foundation — finanziert Forschungsprojekte.
Bradley Foundation — finanziert Stipendien; hat Forschungsprojekte finanziert.
Office of Net Assessment, Verteidigungsministerium —
finanziert Forschungsprojekte.
Steve Forbes — hat Seminare finanziert.
LAUFENDE AKTIVITÄTEN:
Samuel Huntingtons Buch von 1 9 9 6 The Clash of
Civilizations wird in 25 Sprachen übersetzt.
Ein Austauschprogramm mit der Parteischule des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas, eine
Weiterentwicklung des vom Verteidigungsministerium
unterstützten Projekts über Sicherheit in Asien.
Eine Studie über militärische und strategische Planung
in Perioden zwischen Kriegen, unterstützt von Verteidigungsministerium und WCFIA.
Ein Workshop über politische Gewalt und Friedenssicherung.
Ein mehrjähriges Projekt über die biologischen
Grundlagen kognitiver Funktionen, gefördert von der
Smith Richardson Foundation und dem Office of Net
Assessment.
89
V. HISTORISCHER HINTERGRUND
Die Geschichte der „Clash of Civilizations"-Fraktion beginnt mit den Plänen britischer Imperialisten zu Anfang des 20. Jahrhunderts, ihr marodes Empire zu retten und eine malthusianische
„Weltregierung" zu schaffen, die sich auf den Terror der Atombombe stützt. In der Nachkriegszeit warnten die US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower und John F. Kennedy vor der Gefahr
einer extremistischen Fraktion im amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat.
H.G. Wells und die britische Geopolitik
VON MURIEL MlRAK-WEISSBACH
D
ie heutigen Propagandisten des „Kriegs der Kulturen", der mit dem Putschversuch vom 1 1 . September ausgelöst werden sollte, sind bekannt:
William Yandell Elliott, Samuel Huntington, Zbigniew
Brzezinski, Henry Kissinger, Robert Strausz-Hupe und
andere. Weniger bekannt ist, daß die geistigen Ahnen
dieser geopolitischen Strategen aus Großbritannien
kamen, aus den Kreisen um den sog. Coefficients Club
und später den Round Table. Diese oligarchischen Gremien hatten sich zum Ziel gesetzt, Möglichkeiten zu finden, das britische Empire vor dem Zerfall zu bewahren,
der sich Anfang des 20. Jahrhunderts abzeichnete. Ihre
amerikanischen Ableger versuchen heute, in Panik
angesichts des zerbrechenden globalen Finanzsystems,
die gleichen Lehren anzuwenden, um den Zusammenbruch der amerikanischen Vorherrschaft zu verhindern
und die Welt unter eine universalfaschistische „neue
Weltordnung" zu zwingen.
Der Coefficients Club traf sich ab 1902 monatlich im
Londoner St. Ermin's Hotel. Zu den Mitgliedern gehörten die beiden Begründer der Geopolitik Lord Alfred
Milner und Haiford Mackinder, Sir Edward Grey, R.B.
Haldane und Lord Robert Cecil — alle Mitglieder der
liberalen Regierung während des Ersten Weltkriegs —,
Bertrand Russell, der später die Entwicklung der Atombombe als Mittel zur Unterwerfung der Nationen unter
eine Weltordnung begrüßte, die „sozialistischen"
Begründer der Fabian Society Beatrice und Sydney
Webb, sowie allen voran Herbert George Wells oder
H.G. Wells — der Mann, der die „Offene Verschwörung" zur Weltherrschaft formulierte.
Die meisten „Koeffizienten" wurden später Mitglieder
des Round Tabie, der auch als „Clivedon Set" bekannt
war. William Yandell Elliott, der spätere Lehrer Kissingers, Brzezinskis und Huntingtons, wurde von seinem
Tutor in Oxford, A.D. Lindsay, in den Round Table eingeführt. Im Laufe der Zeit brütete dieser „Runde Tisch"
die einflußreichsten Denkfabriken Englands aus, darunter das Royal Institute for International Affairs (RllA)
und auch dessen amerikanischen Ableger, den Council
on Foreign Relations (CFR), aus dem heraus die heutigen Geopolitiker wie Brzezinski und Huntington operieren.
Es eab unter den Coefficients zwar unterschiedliche
90
H.G. Wells
Auffassungen über die einzusetzenden Methoden, aber
in ihrem zentralen Ziel waren sie sich einig: die Errichtung einer diktatorischen Weltregierung unter Kontrolle
der britischen Oligarchie. Dazu sollten Elemente der
amerikanischen Elite einverleibt und indoktriniert werden, die vor allem militärische und finanzielle Mittel zur
Verfügung stellen sollten. 1 Des weiteren wollte man die
Großmächte des eurasischen Kontinents, insbesondere
Rußland, Deutschland und Frankreich, in einem
„Mächtegleichgewicht" gegeneinander ausspielen, um
die britische Herrschaft zu erhalten. Es war dieser Kreis,
der die Pläne für die beiden geopolitischen Weltkriege
ausheckte.
Das Ziel der Weltdiktatur
Der wichtigste Ideologe der Gruppe war zweifellos
H.G. Wells.2 In zahllosen Büchern und Artikeln porträtierte Wells den neuen Universalfaschismus, dessen
Grundidee es war, die Welt als einen Weltstaat (nach
dem Vorbild des Empire) zu organisieren, der von der
anglo-amerikanischen Elite zentral über ein sog. „Weltdirektorat" regiert würde. Diese diktatorische Schaltstelle hätte weltweit die Kontrolle über die Rohstoffe, die
Produktionsstätten, Kreditvergabe, Handel und Güterverteilung. Zusätzlich würde sie mittels Geburtenkontrolle, Eugenik und Sterilisierung eine rücksichtslose Bevölkerungskontrolle ausüben.
Der Weltstaat entstehe, sobald aller „Nationalismus",
d.h. alle Nationalstaaten — falls notwendig durch Krieg
— zerstört seien. Deshalb müsse das Weltdirektorat
über militärische Mittel, einschließlich Massenvernichtungswaffen, verfügen.
Wells behauptete, mit dem Weltstaat könne man
einen „ewigen Frieden" erreichen: „Die Verwirklichung
dieser Neuordnung hat Verschiedenes zur Voraussetzung. Für jeden klar denkenden Menschen steht fest,
daß der Unsinn eines immer vernichtenderen Krieges
nicht aus der Welt geschafft werden kann, solange die
Völker nicht einer allgemeinen politischen Kontrolle
unterstellt und solange gewisse durch das Anwachsen
der Bevölkerung, durch wirtschaftliche Konkurrenz und
gesteigerte Ansprüche hervorgerufene Ursachen nicht
beseitigt werden. Will man das unbestrittene Übel des
Krieges vermeiden, will man jenen Grad von Wohlstand
und Kraft erreichen, der uns jetzt vorschwebt, so muß
eine wirksame Weltkontrolle nicht nur der Rüstungen,
sondern auch der Produktion und des Warenmarktes,
der Völkerbewegung und der Bevölkerungszunahme
einsetzen. Es ist unsinnig, anders als auf der Grundlage
einer solchen Kontrolle von Frieden und weltumfassendem Fortschritt zu träumen."
Ein Kernpunkt in Wells' utopischer Vision ist seine
fanatische malthusianische Vorstellung einer weltweiten
Bevölkerungskontrolle, um — wie er und Julian Huxley
sagten — den „Vermehrungssturm" der Menschheit aufzuhalten. Wells studierte drei Jahre lang bei Julians
Großvater Thomas Huxley. Dieser hatte eng mit Charles
Darwin zusammengearbeitet und ihn bewegt, seine
Evolutionstheorie aufzuschreiben. Darwin, Huxley und
Wells waren sich darin einig, daß der Mensch nur ein
höheres Tier sei, dessen Überlebensfähigkeit von seiner
Fähigkeit zur Anpassung an die Umwelt abhänge. Dazu
müsse man die „Kardinalfrage der Bevölkerungsdichte"
lösen: „Nur durch kluge Beeinflussung der Bevölkerungszahl vermag der Mensch sich außerhalb des Existenzkampfes zu stellen, der bisher für die Abwandlung
der Arten bestimmend war. Eine andere Möglichkeit,
diesen Kämpfen zu entgehen, gibt es für ihn nicht."
Wells war Vizepräsident der 1 9 2 1 entstandenen
„Gesellschaft für konstruktive Geburtenkontrolle".
Deren Präsidentin Marie Stopes sympathisierte mit der
1908 von Darwins Vetter Francis Galton gegründeten
„Eugenikgesellschaft", die eine menschliche Superrasse
züchten wollte. Geburtenkontrolle und Sterilisation der
Schwachen und Armen waren fester Bestandteil im Programm von Stopes und Wells. Dies bezog sich ganz
besonders auf die damaligen Kolonialgebiete, wo Wells
„eine erschreckende Zunahme der geringwertigen Bevölkerung, von Leuten, die körperlich und geistig unterwertig sind", festgestellt hatte.
Wie sollte die universalfaschistische Ordnung
geschaffen werden? Wells schlug zwei Vorgehensweisen vor, die sich gegenseitig ergänzen sollten: einerseits
Überredungskunst, andererseits der psychologische Terror eines menschheitsbedrohenden Krieges. 1 9 0 1 verwendete Wells in seinem Buch Antizipierungen der
Wirkung des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts auf das menschliche Leben und Denken zum
ersten Mal den Begriff „Offene Verschwörung". Das Ziel
der Verschwörung ist die Errichtung eines „Weltstaats
mit einheitlicher Sprache und einheitlicher Herrschaft",
den er die „Neue Republik" nannte. „Ich glaube, die
Offene Verschwörung wird zunächst als eine bewußte
Organisation intelligenter und wahrscheinlich in einigen Fällen reicher Männer erscheinen, als eine Bewegung mit ausgeprägten sozialen und politischen Zielen,
die zugestandenermaßen den größten Teil des bestehenden Apparates der politischen Kontrolle ignoriert,
oder ihn als beiläufiges Werkzeug zur Erreichung dieser
Ziele nutzt. In den frühen Phasen wird sie sehr lose
organisiert sein, eine bloße Bewegung einer Anzahl von
Leuten in eine gewisse Richtung, die alsbald mit einer
gewissen Überraschung das gemeinsame Ziel, auf das
sie sich hin bewegen, herausfinden werden."
Wells charakterisiert die Offene Verschwörung als ein
fließendes System von Konzernen, Universitäten und
militärischen Diensten, die sich wie ein Staat verhalten,
„eine Art offener Geheimgesellschaft... eine zwanglose
und offene Freimaurerei. Auf allen erdenklichen Wegen
werden sie den Apparat der vorgeblichen Regierung
beeinflussen und kontrollieren."
Das angestrebte Atommonopo!
Die zweite Methode beschreibt er in der Novelle Befreite Welt aus dem Jahr 1 9 1 4 , einem fiktiven Bericht über
den Einsatz der Atomkraft. Zunächst wird die Entdeckung der Kernspaltung als großer wissenschaftlicher
Durchbruch mit unbegrenzten Anwendungsmöglichkeiten vorgestellt. Dann aber führt die Entwicklung der
Kernenergie im weiteren Verlauf der Geschichte zum
Zusammenbruch der Kohle-, Stahl- und Ölindustrie.
Daraus resultieren soziale Unruhen, Streiks und schließlich im Jahr 1 9 5 6 ein Weltkrieg, bei dem die Atombombe eingesetzt wird:
„Und nun, unter dem Schock der Atombomben,
waren große Teile der Bevölkerung, die sich bisher in ungeheuren schmutzigen Städten zusammengedrängt hatten, entwurzelt und strömten mit
91
katastrophalen Auswirkungen in die ländliche
Umgebung. Es war, als hätte eine grausame
Macht schließlich die Geduld mit der menschlichen Unvernunft verloren und mit Bedacht die
Welt erschüttert, um die Bevölkerung zweckmäßiger zu verteilen. Die ausgedehnten Industriezonen und großen Städte, die von Bomben
verschont geblieben waren, hatten durch den
völligen wirtschaftlichen Zusammenbruch mit
ähnlichen großen Schwierigkeiten zu kämpfen
wie die zerstörten Gebiete, und die ländlichen
Gegenden wurden durch Horden umherziehender zügelloser Fremder in Unruhe versetzt. In
manchen Teilen der Welt herrschten Hungersnöte, und vielerorts wüteten Seuchen ... Die Ebenen
Nordindiens, wo gewalttätige Patrioten die Eisenbahnen und großen Bewässerungssysteme zerstört hatten, von denen das Wohl des Landes in
immer stärkerem Maß abhängig geworden war,
litten besonders große Not. Ganze Ortschaften
waren wie ausgestorben, niemand kümmerte
sich darum, und selbst die Tiger und Panther, die
die wenigen Überlebenden anfielen, schleppten
sich, von Krankheit geschwächt, in den Dschungel zurück, um dort zu sterben. Große Gebiete
Chinas wurden von räuberischen Banden terrorisiert."
Wie auch Bertrand Russell betont hat, wäre der
Schock einer solchen Katastrophe, wie der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki, so groß, daß Nationen aus Furcht ihre Souveränität und Unabhängigkeit
aufgeben und einem Weltdirektorat ausliefern würden:
„Die Atomkatastrophe, die die Menschen aus den Städten, aus ihrem Geschäftsleben und ihren ökonomischen
Beziehungen vertrieb, erschütterte auch die überkommene Denkweise und die unreflektierten Überzeugungen und Vorurteile, die sie von ihren Vorfahren übernommen hatten. Um einen Ausdruck aus der alten Chemie zu gebrauchen, die Menschen wurden in den Entstehungszustand versetzt; sie wurden von alten Bindungen befreit und waren auf Gedeih und Verderb zu einer
neuen Gesellschaftsbildung bereit."
Wells war sich darüber bewußt, daß es Widerstand
gegen die Offene Verschwörung geben würde, insbesondere aus den Industrienationen Westeuropas und
Amerikas, die auf dem völlig entgegengesetzten christlichen Menschenbild gründeten. Die Offene Verschwörung mußte also vorbereitet werden: „Da nun
einmal in der heutigen Welt Armeen bereitstehen, um
gewalttätig vorzugehen, so muß die Offene Verschwörung in sich hinreichende Möglichkeiten bereithalten, militärischer Gewalt zu trotzen und Armeen, die
sich ihr in den Weg stellen, zu bekämpfen und zu vernichten."
Und weiter: „Die Offene Verschwörung wird durch
ihre eigenen Organisationen oder unter Zuhilfenahme
von Polizei- und Militärgewalt der ihren Ideen zugänglichen Staaten für freien Verkehr, Aufhebung der Gren-
92
zen, für Redefreiheit und Aufrechterhaltung des Friedens in unterdrückten Landstrichen kämpfen müssen. Es
ist nicht einzusehen, weshalb die Offene Verschwörung, die auf dem Prinzip der Verneinung eines
jeglichen Nationalismus beruht, schädliche und halsstarrige Staatswesen nur darum schonen sollte, weil
gerade sie auf ihrem Fleckchen Erde das Prinzip des
Nationalismus aufrecht erhalten wollen."
Wells stellte sich auch einen Zusammenprall der Kulturen vor, falls Entwicklungsländer sich der Offenen Verschwörung widersetzten. Deren Widerstand würde sich
aber nicht gegen die neue Ordnung an sich richten,
sondern gegen die Industrieländer, die als die Vorkämpfer der neuen Diktatur gesehen würden. Er schrieb:
„Zum Teil werden sich diese kritischen Widerstände der
verfallenden Gemeinwesen außerhalb der atlantischkapitalistischen Sphäre nicht so sehr gegen die sich entwickelnden Methoden der kommenden Weltgemeinschaft richten, als viel mehr gegen die westlichen Traditionen und Vorbehalte, die sich hemmend über sie gelagert haben, und insoweit kann der Zusammenprall des
Ostens und des Westens den Zielen der Offenen Verschwörung sogar förderlich sein. Über dem Kampf der
alten Traditionen und der daraus erwachsenden heillosen Verwirrung vermag es sehr wohl zu einer schnellen
Annahme der auf die Offene Verschwörung abzielenden Ideenverbinduneen kommen."
Das Sechs-Punkte-Programm
Wells faßte sein Credo, das er ausdrücklich seine „neue
Religion" nannte, in sechs Punkten zusammen:
„ 1 . Wir stehen unerschütterlich auf dem Standpunkte,
daß jede bestehende Regierung und unsere Zustimmung zu ihr nur provisorischen Charakters ist — und
handeln danach.
2. Wir sind entschlossen, mit allen verfügbaren Mitteln
die Konflikte zwischen diesen Regierungen, ihren
Mißbrauch von Menschen und Eigentum zu militärischen Zwecken und ihren Widerstand gegen die
Errichtung eines Weltwirtschaftssystems auf ein
Minimum herunterzudrücken.
3. Wir verlangen die Übereignung des privaten, kommunalen oder staatlichen Eigentums, zumindest in
den Fällen des Kredit- und Transportwesens wie
auch der Massengüterproduktion an ein der Allgemeinheit verantwortliches Weltdirektoriat, das nur
die allgemeinen Ziele der Menschheit im Auge
haben darf.
4. Wir bestehen auf praktischer Anerkennung der Notwendigkeit, biologische Fragen, wie die der Bevölkerungsdichte und der Volksgesundheit, einer Weltkontrolle zu unterwerfen.
5. Mit Gültigkeit für die ganze Welt muß dem Individuum ein Minimum an Freiheit und Wohlstand gewährleistet werden. Und:
6. Als oberste Pflicht gilt der Einsatz des persönlichen
Daseins für die Ziele der Errichtung eines Weltdirektoriats, das zur Durchführung dieser Aufgaben und
zur allgemeinen Förderung menschlichen Wissens,
Können und Vermögens fähig ist."
ihnen, falls sie es wünschen, den Krieg auf immer zu
beenden... Das British Empire, sagte ich, und nichts
anderes hat der Vorbote eines solchen Weltstaates zu
sein."
Bertrand Russell schrieb an Wells, nachdem er Die
Offene Verschwörung gelesen hatte: „Ich kenne nichts,
mit dem ich mehr einig wäre." Zweifellos würden sich
heute Samuel Huntington, Zbigniew Brzezinski, Henry
Kissinger und andere dem voll und ganz anschließen.
Wells läßt keinen Zweifel daran, daß die Errichtung
eines Weltstaates mit aller Macht durchgesetzt werden
müsse, wenn nötig auch durch einen großen Krieg. In
seiner Autobiographie schreibt er: „Der Friede wird aufrechterhalten werden — gewaltsam. Für Generationen.
Den Unterschied, den die Leute zwischen moralischer
und physischer Gewalt machen, ist unzulänglich und
ungesund. Das Leben ist ein Konflikt, und der einzige
Weg zu universalem Frieden kann nur über die Niederwerfung und Zerstörung jeder unterlegenen Macht
erreicht werden... Fünf oder sechs Länder höchstens
sind in der Lage, einen modernen Krieg zu führen, und
es bedarf nur einer intelligenten Abmachung unter
Verwendete Schriften von H.G. Wells
The Way the World is Going — Cuesses and Forecasts of the
Anmerkungen
1 . Lord Cecil Rhodes schrieb 1 8 7 7 in seinem Testament die Idee
fest, auf der Grundlage des britischen Empire ein Weltreich
zu gründen. Lord Alfred Milner, Hochkommissar in Südafri-
ka und Mitglied des Round Table, war Verwalter des CecilRhodes-Trusts.
Rhodes hatte verfügt, „einen Trust zu gründen für die Errichtung, Förderung und Entwicklung einer Geheimgesellschaft,
deren wahres Ziel und wahrer Zweck die Ausdehnung der
britischen Herrschaft über die ganze Welt ist... die Besetzung
des gesamten afrikanischen Kontinents, des Heiligen Landes,
des Euphrat-Tals, der Inseln Zypern und Candia [römischer
Name der Insel Kreta], von ganz Südamerika, der Inseln im
Pazifischen Ozean, soweit sie noch nicht in britischem Besitz
sind, des gesamten Malayischen Archipels, der Küsten Chinas
und Japans durch britische Siedler und endlich die Rückeroberung der Vereinigten Staaten von Amerika als integraler
Bestandteil des britischen Empire. Die Konsolidierung des
gesamten Empire ... die Grundlegung einer derartig großen
Macht, die Kriege unmöglich macht und die besten Interessen der Menschheit fördert."
2. Die Materialsammlung für dieses Kapitel besorgte Stephan
Marienfeld.
Years ahead. Doubleday, Doran, New York 1 9 2 9 . Die in diesem Buch veröffentlichten Aufsätze erschienen vierzehntägig
im New Yorker Times Magazine 1 9 2 7 unter der allgemeinen
Überschrift „The Way the World is Going".
Befreite Welt
Experiment in Autobiography, New York, Macmillan Co, 1 9 3 4 .
The Outlook for Homo Sapiens (1942) An amalgamation and
modernisation of two books. The Fate of Homo Sapiens
(1939), and The New World Order (1940).
Die Offene Verschwörung, Paul Zsolnay Verlag GmbH, Berlin,
Wien, Leipzig 1928.
The Work, Wealth and Happiness of Mankind, 1 9 3 2 .
93
Die tiefere Bedeutung
des Fulbright-Memorandums
VON EDWARD SPANNAUS
S
echs Monate nach dem Amtsantritt der neuen
Regierung unter Präsident John F. Kennedy warnte
der Vorsitzende des außenpolitischen Senatsausschusses, Senator J. William Fulbright aus Arkansas, vor
der Gefahr einer Revolte rechtsextremer Offiziere gegen
die Regierung. Obwohl Fulbright selbst nicht das Wort
„Putsch" verwendete, taten dies andere — unter anderem einige, die sich offenbar getroffen fühlten und
dementierten, einen solchen Putsch zu planen.
Hintergrund des „Fulbright-Memorandums"1 vom Juli
1 9 6 1 war die Entlassung von Generalmajor Edwin Walker im April 1 9 6 1 , der seine Truppen in Augsburg
(Deutschland) mit Propagandamaterial der John-BirchGesellschaft indoktrinierte. Dies war jedoch nur der
berüchtigtste Fall recht ausgedehnter politischer
Umtriebe amerikanischer Offiziere, wozu auch die
Zusammenarbeit von Militärs mit Frank Barnett von der
H. Smith-Richardson-Stiftung, mit Robert StrauszHupes damals in der Universität von Pennsylvania
angesiedeltem Außenpolitischen Forschungsinstitut
(FPRI) und dem Institut für Amerikanische Strategie
(IAS) zählte.
Aber der eigentliche Kontext — und es ist sicher, daß
Fulbright dies nicht alles wußte — war ( 1 ) der außergewöhnliche und weitgehend geheime Aufbau von Sondereinsatz-Kapazitäten und -Operationen in den letzten
Monaten der Regierung Eisenhower und (2) Eisenhowers eigene Warnungen vor der Gefahr, die „unseren
Freiheiten und dem demokratischen Prozeß" durch den
wachsenden Einfluß des „militärisch-industriellen Komplexes" drohe, nachdem Eisenhower acht Jahre lang
einen harten Kampf gegen seine eigenen Militärchefs
geführt hatte.
Nur wenige Monate nach Fulbrights Warnung begannen im Pentagon geheime Planungen für die „Operation Mongoose" — den Sturz (oder die Ermordung) Fidel
Castros, wozu schon bald Pläne gehörten, die Regierung Kennedy durch Terrorakte in einen Krieg gegen
Kuba zu treiben. Aus dieser Operation von Pentagon
und CIA, in deren Mittelpunkt kubanische Exilanten
standen, führen viele Spuren in die komplexe Operation, die im November 1963 zur Ermordung von Präsident J.F. Kennedy selbst führte.
Das Fulbright-Memorandum
Das Fulbright-Memorandum wurde im Juli 1 9 6 1 als persönliche Mitteilung aus dem Senat an den damaligen
Verteidigungsminister Robert McNamara verfaßt.2 Das
Memorandum hatte den Titel „Propaganda-Aktivitäten
militärischen Personals gegenüber der Öffentlichkeit"
und begann mit der Bemerkung, seit einer Direktive des
Nationalen Sicherheitsrates von 1 9 5 8 sei es in den Vereinigten Staaten durchaus üblich, „militärisches Personal und Einrichtungen zu nutzen, um die Öffentlichkeit
gegen die Gefahr des Kalten Krieges zu wappnen". Fulbright berichtete, private Organisationen hätten allerdings Material vorbereitet, das dann vom Militär verteilt
wurde, dessen Inhalt der Politik des Präsidenten zuwiderlaufe. Bei den Programmen, die aufgrund der Direktive von 1 9 5 8 durchgeführt würden, seien „extrem
rechtsradikale Referenten und/oder Materialien benutzt
worden, mit dem wahrscheinlichen Ergebnis, daß die
Außen- und Innenpolitik der Regierung in den Augen
der Öffentlichkeit verdammenswert" erscheine.
Fulbright spielte dann folgendermaßen auf einen
Militärputsch an: „Es ist vielleicht weit hergeholt, die
Revolte französischer Generale als Beispiel für die letztendliche Gefahr anzuführen. Trotzdem haben militärische Offiziere — Franzosen wie Amerikaner — ein
gemeinsames Charakteristikum, das sich aus ihrem
Beruf ergibt, und weltweit haben zahlreiche Militärs
,den Finger am Abzug'. Diese Gefahr mag vielleicht
94
sehr klein erscheinen, der amerikanischen Tradition und
sogar der amerikanischen Militärtradition widersprechen — aber sie gilt auch für den ,langen Kampf im
Halbdunkel' [womit er sich auf Kennedys Charakterisierung des Kalten Kriegs als Konflikt bezog, der möglicherweise ,nicht in unserer Lebenszeit beigelegt werden' könne] und für die Existenz eines amerikanischen
Militärprogramms zur Unterrichtung der Öffentlichkeit."3
Fulbright forderte eine Überprüfung der Mission und
der Operationen der Nationalen Kriegsschule — ob sie
den Vereinigten Generalstabschefs (JCS) unterstellt
bleiben solle — und riet auch dringend, die Beziehungen zwischen dem Außenpolitischen Forschungsinstitut (FPRI), dem Institut für Amerikanische Strategie
(IAS), der Richardson-Stiftung, dem National War College und den Vereinigten Generalstabschefs zu überprüfen — „von dem Standpunkt, ob diese Beziehungen
nicht auf eine offizielle Unterstützung einer Sichtweise
hinauslaufen, die der der Regierung widerspricht".
Fulbright verwies auf elf Beispiele zweifelhafter Bildungs- und Propagandaaktivitäten, an denen Militärpersonal beteiligt war. Dazu gehörten:
— die in Fort Smith und Little Rock (Arkansas) abgehaltene Konferenz „Strategie zum Überleben", bei der
George S. Benson und andere Redner des Harding-Coiiege in Searcy (Arkansas) den Ton angaben. (Der Predi-
ger Benson, einer der Führer der „Kirche Gottes", aus
der u.a. auch Kenneth Starr hervorging, hatte Verbindungen zum britischen Geheimdienst.) Das HardingCollege produzierte den weitverbreiteten Film Kommunismus auf der Landkarte, der Frankiin Roosevelt (weil
er die Sowjetunion anerkannt habe) und General George C. Marshall (weil er die kommunistische Übernahme
Chinas zugelassen habe) für die Ausbreitung des Kommunismus verantwortlich machte.
— Ein Seminar über „Kriegsführung in der vierten
Dimension" in Pittsburgh, an dem prominente Redner
des 1AS teilnahmen, die behaupteten, die Außenpolitik
der USA seit dem Zweiten
Weltkrieg
habe
den
Sowjets in die Hände
gespielt, und einige von
Kennedys Beratern hätten
„Philosophien hinsichtlich
außenpolitischer Angelegenheiten, daß es dem
Durchschnittsamerikaner
kalt den Rücken hinunterläuft".
— Weitere Konferenzen
und Seminare, die für den
Film Operation Abolition
(der McCarthys Ausschuß
für Unamerikanische Aktivitäten im Repräsentantenhaus HUAC verherrlichte)
warben und an denen Dr.
Fred C. Schwartz vom
„Christlichen Antikommunistischen Kreuzzug", Herbert Philbrick und Frank
Barnett von der Richardson-Stiftung als Redner
teilnahmen, und die allesamt vor der kommunistischen Subversion und Infiltration warnten und die Politik der Regierung Kennedy
verurteilten.
Das Fulbright-Memorandum hatte zahlreiche Anhänge, darunter Artikel aus dem Bulletin of the Atomic
Scientists, die sich mit dem Buch Amerikanische Strategie für das nukleare Zeitalter befaßten, das als Entwurf
eines Master-Curriculums für Militärseminare dargestellt
wurde. Das Buch wurde von Frank Barnett, dem damaligen Forschungsdirektor des IAS und der RichardsonStiftung, verfaßt und enthielt Beiträge von Robert
Strausz-Hupe — dem Direktor des FPRI — und Oberst
William Kintner, der damals dem FPRI zugeteilt war.
Das Fulbright-Memorandum löste, wie zu erwarten
war, eine gewaltige Kontroverse mit zahlreichen Artikeln und Kommentaren sowie nicht geringen Aktivitäten hinter der Bühne aus.
So begannen beispielsweise das FPRI und sein Direktor Robert Strausz-Hupe eine Kampagne, in der sie
bestritten, sich für einen Militärputsch einzusetzen. Das
FPRI zirkulierte am 1 8 . Oktober 1 9 6 1 einen privaten
Brief an „Mitarbeiter, Freunde und Unterstützer", das
einen Angriff auf Fulbright und eine längere Verteidigung der eigenen Aktivitäten enthielt. Darin hieß es
u.a.: „Das Außenpolitische Forschungsinstitut ist stolz
darauf, mit den vier Organisationen verbunden zu sein,
die in Fulbrights Memorandum erwähnt sind. Eine
Untersuchung unserer Beziehungen zu ihnen wird
jedoch eine Enttäuschung für unsere Kritiker sein. Es
gibt keine sinistren Verschwörungen im Außenpolitischen Forschungsinstitut, das Militärpersonal der Vereinigten Staaten zu einem Militärputsch nach dem Vorbild der fehlgeschlagenen französischen Affäre in Algerien zu inspirieren."
Kurze Zeit danach verfaßte Strausz-Hupe einen Brief
an das Bulletin of the Atomic Scientists und schickte
eine
Kopie mit einem
Begleitbrief („Lieber Bill")
an William Yandell Elliott.
Elliott war bei einigen der
fraglichen Seminare als Redner aufgetreten, u.a. im Juli
1960 am National War College und im April 1961 in
Chicago.4
Das Zirkulieren des Fulbright-Memorandums führte
auch dazu, daß ein besonderer Unterausschuß des
Senatsverteidigungsausschusses mit umfassenden
Anhörungen über die Frage
der „Militärpolitik zur Überprüfung der Informationen
und Vorträge über den Kalten Krieg" beauftragt wurde.
Diese Anhörungen fanden
Ende 1 9 6 1 und in der ersten
Jahreshälfte
1962
statt.
Edwin Walker war natürlich
ebenso einer der Schwerpunkte der Anhörungen wie
die Seminare des IAS. Aber die Art, wie die Anhörungen
abliefen, führte dazu, daß man eine fragwürdige Unterscheidung machte zwischen den vom FPRI, Frank Barnett und dem IAS durchgeführten Seminaren — die als
„vernünftig" eingestuft wurden — und irgendwelchen
verrückten „cookle-doodle" oder „Rinnstein-Seminaren" (wie Barnett sie bezeichnete).
Als Walker im April 1 9 6 2 vor dem Ausschuß aussagte,
begann er mit der Behauptung, die Streitkrafte würden
durch eine nationale Politik gelähmt, die „nicht gewinnen" wolle und vor dem Sieg zurückschrecke. „Ich bin
ein Opfer dieser Politik des Nichtgewinnens", erklärte
er. Die zivile Kontrolle über das Militär sei in ein kommissarisches Kontrollsystem verwandelt worden. Der
Wille, dem Kommunismus zu widerstehen, werde systematisch erstickt. „Eine ungeschriebene Politik der Kollaboration und des Einverständnisses mit der internationalen kommunistischen Verschwörung hat mich zum Sündenbock gemacht."
95
Eisenhowers Abschiedsrede
Nur sechs Monate vor Fulbrights Memorandum hatte
Präsident Dwight David Eisenhower vor dem
„militärisch-industriellen Komplex" gewarnt. In seiner
Abschiedsrede am 1 7 . Januar 1 9 6 1 sagte Eisenhower:
„Ein lebenswichtiges Element des Friedens ist
unser Militärestablishment. Unsere Waffen müssen mächtig sein, bereit zum sofortigen Handeln,
so daß kein potentieller Aggressor in Versuchung
geraten möge, seine eigene Zerstörung zu riskieren.
Die Organisation unseres Militärs hat heute nur
noch wenig mit dem zu tun, was irgendeiner
meiner Vorgänger in Friedenszeiten oder sogar
die kämpfenden Männer des Zweiten Weltkriegs
oder in Korea kannten.
Bis zum letzten unserer Weltkonflikte hatten die
Vereinigten Staaten keine Rüstungsindustrie.
Amerikanische Hersteller von Pflugscharen konnten, wenn es die Zeiten erforderten, auch
Schwerter herstellen. Aber jetzt können wir eine
improvisierte Verteidigung der Nation nicht mehr
riskieren; wir sind dazu verurteilt, eine permanente Rüstungsindustrie von gewaltigen Ausmaßen zu schaffen. Hinzu kommen dreieinhalb
Millionen Männer und Frauen, die unmittelbar
im Verteidigungsestablishment beschäftigt sind.
Wir geben jährlich mehr für die militärische
Sicherheit aus als den Nettogewinn aller Unternehmen in den Vereinigten Staaten.
Dieses
Zusammentreffen
eines
immensen
Verteidigungsestablishments und einer großen
Rüstungsindustrie ist für Amerikaner eine neue
Erfahrung. Der Gesamteinfluß — wirtschaftlich,
politisch, und sogar geistig — ist in jeder Stadt,
jedem Landtag, jeder Behörde der Vereinigten
Staaten zu spüren. Wir erkennen die imperative
Notwendigkeit dieser Entwicklung. Aber wir dürfen nicht versäumen, ihre schwerwiegenden
Implikationen zu erkennen. Es geht um unsere
Anstrengungen, um unsere Ressourcen und um
unser Wohlergehen — und um die Struktur unserer Gesellschaft selbst.
In den Beratungen der Regierung müssen wir uns
vor der — beabsichtigten oder unbeabsichtigten
— Ansammlung unerwünschten Einflusses des
militärisch-industriellen Komplexes hüten. Das
Potential für das verhängnisvolle Anwachsen
unangemessener Macht existiert und wird weiter
existieren.
Wir dürfen das Gewicht dieser Kombination niemals unsere Freiheit oder unsere demokratischen
Prozesse in Frage stellen lassen. Wir sollten uns
auf nichts einfach verlassen. Nur ein wachsames
und wissendes Bürgertum kann nachdrücklich für
die richtige Mischung der riesigen industriellen
und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit
unseren friedlichen Methoden und Zielen sorgen,
so daß Sicherheit und Freiheit gemeinsam prosperieren."
96
Dwight
D. Eisenhower
Eisenhowers Warnung — die im März 1 9 6 1 von Präsident Kennedy und 1 9 6 2 von Gen. a.D. Douglas
McArthur wiederholt wurde — wird normalerweise
einfach als Anspielung auf die wachsende Macht der
Rüstungsindustrie abgetan. Aber es gibt gute Gründe,
anzunehmen, daß sie mehr war als das — und daß
Eisenhower, als er warnte, der politische Einfluß des
Militärestablishments sei „in jeder Stadt, in jedem Landtag" zu spüren, nicht nur das Militär meinte, sondern
auch jene Kabale der von der Wall Street finanzierten
Stiftungen, Denkfabriken und privaten Institutionen, die
sich für eine gewaltige Aufrüstung und für eine Konfrontation mit der Sowjetunion einsetzten.
Um die Umstände zu begreifen, unter denen Kennedy 1 9 6 1 sein Amt antrat und die letztendlich zu seiner
Ermordung beitrugen, ist es notwendig, sich an die weitgehend vergessenen Kämpfe zu erinnern, die Präsident
Eisenhower während seiner eigenen Regierung — vor
allem in den letzten beiden Jahren — gegen die Kalten
Krieger und das Militär führte.
Die Wahrheit ist, daß „Ike" Eisenhower vom Beginn
seiner ersten Regierung an immer wieder mit den Generalstabschefs aneinandergeriet — was diese von einem
Fünf-Sterne-General nicht erwartet hatten. Schon Ende
1 9 5 4 befanden sich die Generalstabschefs in offener
Opposition gegen Ikes Kürzungen im Militärbudget,
denn entsprechend seinem Glauben an die „massive
Vergeltung" hielt es Eisenhower weder für nützlich noch
für klug, die konventionellen Streitkräfte weiter aufzurüsten. Er argumentierte wiederholt, übermäßige Rüstungsausgaben beeinträchtigten die Wirtschaft, und
eine starke und gesunde Wirtschaft sei die beste Verteidigung.
Der Militärhaushalt und die strategische Doktrin
waren nicht die einzigen Bereiche, in denen Differenzen bestanden. 1 9 5 4 setzten sich die Generalstabschefs, als Frankreich in Indochina besiegt wurde, mit
eifriger Unterstützung des Außenministers John Foster
Dulles bei drei Gelegenheiten für den präventiven Einsatz von Nuklearwaffen ein. Die beiden ersten Male
wollten sie diese gegen die Vietminh einsetzen, beim
drittenmal gegen China, nachdem Frankreich insistiert
hatte, China stünde unmittelbar davor, zugunsten Ho
Chi Minhs in Vietnam zu intervenieren.
Eisenhower berief die Generalstabschefs zu sich und
sagte ihnen, ein Atomschlag gegen China werde mit
Sicherheit Rußland in den Krieg hineinziehen; der einzige Weg, einen solchen Krieg zu führen, sei daher,
gleichzeitig Atomschläge gegen China und gegen Rußland zu führen. Er halte es für möglich, Rußland zu zerstören, sagte er, forderte seine Generäle jedoch auf,
über die Frage nachzudenken: „Was machen wir mit
einem solchen Sieg? Wir hätten dann ein riesiges Gebiet
von der Elbe bis Wladiwostok... entwurzelt und zerstört,
ohne Regierung, ohne Kommunikation — nur eine
Region des Hungers und der Desaster. Ich frage sie, was
würde die zivilisierte Welt dann wohl tun? Ich wiederhole, es gibt keinen Sieg außer dem durch unsere Erfindungsgabe."5
Die vierte Gelegenheit, bei der sich die Generalstabschefs für einen Atomkrieg einsetzten, war im Frühjahr
1 9 5 5 während der Krise an der Straße von Formosa (Taiwan). Während Eisenhower einen Krieg mit den Chinesen vermeiden wollte, sprachen die Generalstabschefs
und der Verteidigungsminister öffentlich von einem
unmittelbar bevorstehenden Krieg gegen China, was Ike
zu dem Ausruf veranlaßte: „Diese Kerle wissen wohl
nicht, daß sie einen Boss haben" — und zu der Drohung, er werde wenn nötig das Verteidigungsministerium selbst leiten.
Als 1 9 5 5 Maxwell Taylor Stabschef der Armee wurde,
geriet er durch seinen Einsatz für die „flexible Antwort"
— kleinere, mobilere Einheiten, die begrenzte Kriege
z.B. gegen sowjetisch unterstützte Aufstände in der dritten Welt führen könnten — in offenen Konflikt mit
Eisenhowers Doktrin der massiven Vergeltung. Anstatt
sich auf einen öffentlichen Disput mit seinem Obersten
Kommandeur einzulassen, begann Taylor, Verbündete
im Kongreß und an den Hochschulen für seine Politik
der „flexiblen Antwort" zu rekrutieren. Zu seinen Rekruten gehörten John F. Kennedy, Paul Nitze und McGeorge Bundy; und so wurde der Boden dafür bereitet,
daß Taylor unter der Regierung Kennedy die Militärpolitik bestimmte.
Nachdem die Sowjets 1 9 5 7 den ersten Sputnik in den
Weltraum geschossen hatten, wurde Eisenhower angegriffen, er hätte es zugelassen, daß sich ein „WeltraumRückstand" entwickelt habe — auch wenn die Frage
schon vorher im Raum stand. Adlai Stevenson hatte sie
schon 1 9 5 6 in seinem Wahlkampf angesprochen. 1 9 5 7
hatte die US-Luftwaffe einen Bericht veröffentlicht, in
dem prognostiziert wurde, daß die Sowjets bis 1963
Erstschlagskapazitäten entwickeln würden — eine Einschätzung, der sogar die CIA vehement widersprach.
Im gleichen Jahr leitete H. Rowan Gaither von der
Ford-Stiftung eine Kommission, die zu dem Schluß
kam, die Sowjets würden die USA schnell einholen und
schon bald die Fähigkeit haben, einen Überraschungsangriff mit Interkontinentalraketen zu führen. Der
Bericht forderte eine gewaltige Aufrüstung — worauf Ike
antwortete, er wolle die USA nicht in einen „Garnisonsstaat" verwandeln. Drei Mitglieder der Kommission forderten sogar einen präventiven Nuklearkrieg.
1 9 5 8 veröffentlichte dann die Rockefeller-BrothersStiftung einen Bericht zur Nationalen Sicherheit, der zu
dem Schluß kam: „Wenn die gegenwärtigen Trends
nicht umgekehrt werden, wird sich das weltweite
Gleichgewicht zugunsten des Sowjetblocks verschieben." Auch dieser Rockefeller-Bericht forderte eine
deutliche Steigerung der Verteidigungsausgaben.
Die Washington Post goß 1 9 5 8 noch Öl ins Feuer,
indem sie eine Serie von Joseph Alsop veröffentlichte,
der mit falschen Zahlen den Eindruck erzeugte, die USA
würden bei der Produktion von Interkontinentalraketen
hinter die Sowjets zurückfallen. Im privaten Gespräch
bezeichnete Eisenhower Alsop als „die wohl niedrigste
Form tierischen Lebens auf der Erde".
Ike war sich sicher, daß die Behauptungen über den
„Raketen-Rückstand" nicht stimmten, aber er konnte die
Geheiminformationen aus den Flügen der U-2 und
anderen Überwachungsmaßnahmen, die den Rückstand der Sowjets belegten, nicht preisgeben. Ike wußte
auch, daß die USA die relativ unverwundbaren PolarisUnterseeboote als Raketenabschußbasen entwickelten,
was bedeutete, daß die USA eine massive Zweitschlagskapazität als Antwort auf einen sowjetischen Erstschlag
behalten würden.
Noch dazu erzeugte die Propagandamaschine des
Kalten Krieges den Eindruck im Land, daß Eisenhower
auf die Berlinkrise von 1 9 5 8 und 1 9 5 9 nicht stark genug
reagierte, und man verlangte, er solle eine Generaimobilmachung anordnen und Volksaufstände in Osteuropa
anstiften. Eisenhower betrachtete diese Forderungen
und das unaufhörliche Lobbying für größere Rüstungsausgaben als „eine Hysterie, die weitgehend politische
Gründe hat". Sein Biograph Stephen Ambrose schreibt
in seinem Bericht über diese Zeit: „Eine der großen Aufgaben Eisenhowers war es, die Menschen zu beruhigen."
Der U-2-Zwischenfall und der Pariser Gipfel
In der Furcht, Richard Nixon könne sein Nachfolger
werden — obwohl er Nixon der nächsten Alternative,
Nelson Rockefeller, noch bei weitem vorzog — verbrachte Eisenhower einen Großteil seiner letzten beiden Amtsjahre mit dem Versuch, ein Ende des Rüstungswettlaufs und einen weltweiten Frieden herbeizuführen.
Dabei geriet Eisenhower immer mehr in Widerspruch
zu seinem eigenen Verteidigungsministerium, zu den
Generalstabschefs und zur CIA, die sich beispielsweise
für vermehrte U-2-Flüge über der Sowjetunion — die
Ike für provokant hielt — und für höhere Rüstungsausgaben einsetzten. Im März 1 9 5 9 sah sich Eisenhower
gezwungen, die Generalstabschefs daran zu erinnern,
daß „das Militär in diesem Land ein Werkzeug und kei-
97
ne politische Körperschaft ist; die Generalstabschefs
sind nicht dafür zuständig, hochpolitische Entscheidun-
gen zu treffen".
Eisenhower hoffte, seine Präsidentschaft auf dem Gipfeltreffen mit Chruschtschow in Paris mit einer Vereinbarung über die Einstellung der Atomtests abzuschließen. Dagegen wehrten sich nicht nur die Demokraten
— die sich auf den Präsidentschaftswahlkampf 1960
vorbereiteten — vehement, sondern auch seine eigene
Administration, vor allem die Generalstabschefs. Auch
innerhalb der Republikanischen Partei widersetzte sich
Rockefeiler Eisenhowers Friedenspolitik. Alle gingen
mit der Forderung in den Präsidentschaftswahlkampf
1960, die Rüstungsausgaben auszuweiten. Als das
Militär Eisenhower wegen seiner Opposition gegen den
vorgeschlagenen Bomber B-70 offen widersprach und
der Stabschef der Luftwaffe vor dem Kongreß sagte, der
B-70 sei „lebenswichtig" für die Verteidigung der Nation, verurteilte Eisenhower die öffentliche Opposition
des Militärs gegen ihren Obersten Kommandeur als
„verdammt nahe am Verrat".
Der Pariser Gipfel und Ikes Pläne, ein Testverbot und
eine Detente mit den Sowjets zu vereinbaren, wurden
am 1 . Mai 1960 durch den Absturz eines U-2-Spionageflugzeugs der CIA in der Sowjetunion zunichte gemacht. In der U-2-Affäre wurde Ike gleich doppelt hereingelegt — vor allem von Allen Dulles, was er erst später erkannte.
Erstens insistierte Dulles zu Eisenhowers Bestürzung
im Frühjahr 1960 auf einem weiteren U-2-Flug, der, so
argumentierte Eisenhower, das Gipfeltreffen zunichte
machen würde, falls irgendetwas schief gehen sollte.
Dulles und der stellv. CIA-Direktor Richard Bisseil versicherten dem Präsidenten, das Flugzeug werde, falls
irgendetwas schief gehen sollte, durch einen Selbstzerstörungsmechanismus vernichtet und der Pilot getötet
werden, so daß die Sowjets keine Beweise finden würden. Daher bestritt Eisenhower, als das Flugzeug
abstürzte, unvorsichtigerweise, von dem Flug irgendetwas zu wissen. Chruschtschow ließ ihn genüßlich in die
Falle tappen und konnte dann nicht nur das Flugzeug
vorweisen, sondern auch den noch sehr lebendigen
Piloten Gary Powers. Es ist sehr gut möglich, daß das
Flugzeug vorsätzlich sabotiert wurde, um Eisenhowers
Pläne zu vereiteln und den Gipfel scheitern zu lassen.
Dieser Zwischenfall markierte im Grunde das Ende
der Präsidentschaft Eisenhowers, denn danach führte er
nur noch Rückzugsgefechte gegen seine eigene Regierung, wobei die Generalstabschefs sich öffentlich seiner
Politik widersetzten. Im Juni kollabierten auch die Abrüstungsgespräche in Genf, und schon bald war der
Rüstungswettlauf in Eisenhowers Augen außer Kontrolle. Er erklärte, das nukleare Arsenal der USA sei viel
größer als alles, was notwendig sei, um die Überlegenheit gegenüber den Sowjets zu sichern, und das halte er
für „verrückt" und „gewissenlos".
Der Übergang zu Kennedy
Allen Dulles und die mit ihm verbündete „Sondereinsatzkommando"-Fraktion im Pentagon nutzten Ikes
Schwächung dazu aus, ihre Operationen für die nächste
Regierung vorzubereiten — egal, ob der Nachfolger
Nixon oder Kennedy hieß. Dazu gehörte die Eskalation
der Vorbereitungen für eine paramilitärische Invasion
Kubas. Von Dulles unter Druck gesetzt, stimmte Eisenhower der Schaffung einer paramilitärischen Truppe zu,
widersetzte sich jedoch einer Invasion, solange keine
tragfähige Exilregierung vorhanden war. Und wie immer
bestand Ike darauf, daß jede paramilitärische Operation
der CIA klein und abstreitbar blieb.
Dulles, Edward Lansdale und ihren Verbündeten im
Pentagon gelang es kurz vor den Novemberwahlen, das
Sondereinsatzzentrum der Armee in Fort Bragg (NordCarolina) zu gründen. Ihre Pläne wurden stark gefördert,
als es ihnen gelang, Maxwell Taylor in seinem letzten
Jahr als Stabschef der Armee 1 9 5 9 für das Programm der
„unkonventionellen Kriegsführung" zu gewinnen. Mehr
als jeder andere förderte Taylor die Verbindung von
Sondereinsatzkräften der Armee mit der CIA im Rahmen
von Maßnahmen zur Aufstandsbekämpfung.
Das Curriculum der Special Warfare School wurde
von Oberst Edward Lansdale verfaßt, dem (offiziell von
der Luftwaffe besoldeten) führenden Experten der CIA
für Aufstandsbekämpfung, der den größten Teil der 50er
Jahre auf den Philippinen und in Vietnam verbracht hatte.
Gleichzeitig weiteten die CIA und die mit ihr verbundenen Befürworter der Sondereinsätze im Pentagon
98
John F. Kennedy
1960 ominöserweise ihre „Berater"-Tätigkeit in Vietnam
aus, um den kommenden Präsidenten wieder einmal
vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Man sollte sich daran erinnern, daß Präsident Eisenhower entschieden dagegen gewesen war, den Franzosen in Indochina aus der Patsche zu helfen. Als er noch
Kommandeur der NATO war, riet er den Franzosen,
Indochina in die Unabhängigkeit zu entlassen. Eisenhower teilte im Großen und Ganzen Franklin Rooseveits
antikolonialistische Ansichten und sagte 1 9 5 3 zu Winston Churchill, der Kolonialismus im alten Stil habe keine Zukunft; bei seinem ersten Treffen mit Churchill und
dem französischen Premier Laniel soll Ike die Überzeugung gewonnen haben, sie seien blind in der Frage des
Kolonialismus. Auch später weigerte sich Eisenhower,
die Franzosen in Algerien zu unterstützen, und sagte:
„Wir können nicht unser altes Prinzip aufgeben, die
nationale Freiheit und die Selbstbestimmung zu unterstützen, und wir können uns nicht den Kolonialisten
anschließen."
1954, als die Niederlage der Franzosen näher rückte,
war Eisenhower mit Forderungen nach einer amerikanischen Invasion konfrontiert, die vom Einsatz von
Bodentruppen bis zur Bombardierung Vietnams mit
Atomwaffen reichten. Ike erklärte, eine solche Invasion
„würde uns dem Vorwurf des Imperialismus und des
Kolonialismus aussetzen". Als die Generalstabschefs
und der Nationale Sicherheitsrat nach der Niederlage
der Franzosen bei Dien Bien Phu empfahlen, China mit
Atomwaffen anzugreifen, antwortete Eisenhower: „Ihr
seid wohl verrückt geworden. Wir können diese
schrecklichen Waffen nicht zum zweitenmal innerhalb
eines Jahrzehnts gegen Asiaten einsetzen. Mein Gott!"
Trotzdem stimmte Eisenhower Dulles' Forderung zu,
unter der Führung der CIA amerikanische Militärberater
nach Vietnam zu entsenden; Lansdale wurde Mitte
1954 von den Philippinen nach Vietnam geschickt, um
die Militärmission in Saigon zu leiten — die den Boden
für das Anwachsen der amerikanischen Interventionstruppen unter den Regierungen Eisenhower und
Kennedy bereitete.
Vor seiner Ermordung hatte Kennedy jedoch seine
Absicht bekanntgegeben, die US-Truppen nach Hause
zu holen und den Krieg zu beenden. Kennedys Politik
wurde buchstäblich innerhalb weniger Tage nach seiner
Ermordung geändert, so daß die USA Anfang der 70er
Jahre mehr als 50 000 Soldaten in Vietnam im Einsatz
hatten — was unter Eisenhower undenkbar gewesen
wäre.
Um die Lage zusammenzufassen: In der Zeit bis zur
Amtsübergabe an Präsident John F. Kennedy war Eisenhower sowohl von republikanischer als auch von demokratischer Seite Angriffen wegen seiner Verteidigungspolitik ausgesetzt und mit einer zunehmenden Aufregung
über den „Raketen-Rückstand" konfrontiert. Er hatte den
Kampf um die Einschränkung der Militärausgaben verloren, und seine Hoffnung auf ein Friedensabkommen und
eine Detente mit den Sowjets lag in Scherben. Und die
„Sondereinsatz"-Kapazitäten im Schnittpunkt von CIA
und Militär wurden in Vorbereitung einer amerikanischen Beteiligung am Krieg in Vietnam und anderen
„begrenzten" Kriegen rapide ausgeweitet.
Eisenhowers Abschied
Beispielhaft für das, womit Eisenhower von Seiten der
Betreiber des „Kriegs der Kulturen" konfrontiert war, ist
das 1 9 6 0 veröffentlichte Buch A Forward Strategy for
America (Eine Vorwärts-Strategie für Amerika), das von
Strausz-Hupes Außenpolitischem Forschungsinstitut
publiziert wurde.
Das Buch ging von der Annahme aus, Amerika sei
dabei, den Kalten Krieg zu verlieren. Die Sowjets würden ihn gewinnen, und es sei illusorisch, zu glauben,
man könne irgendeine generelle Einigung mit den
Sowjets erreichen. Strausz-Hupe et al. behaupteten, seit
etwa 1 9 5 5 seien die USA „in eine unbequeme Falle
geraten, die ihnen von den Kommunisten" mit Hilfe der
Abrüstungspläne gestellt wurde, und die amerikanische
Führung versuche, „die Weltmeinung in der Frage der
Abrüstung zu besänftigen". Sie vertraten die Ansicht, bei
den Verhandlungen über den Atomteststop seit Oktober
1 9 5 8 habe „die amerikanische Politik — vor allem
durch das unilaterale Moratorium bei den Tests — die
nationale Sicherheit tatsächlich in Gefahr gebracht".
Das ganze Argument für eine aggressive „Vorwärtsstrategie" gegen den Kommunismus zielte zweifellos
gegen die US-Politik der Regierung Eisenhower, die
Strausz-Hupe et al. als gescheitert betrachteten. Dies
war der Hintergrund der Abschiedsrede Eisenhowers im
Januar 1 9 6 1 . Neben seiner Warnung vor dem wachsenden Einfluß des militärisch-industriellen Komplexes
erklärte Eisenhower auch seine Enttäuschung über sein
Scheitern bezüglich des Abrüstungsabkommens:
„Abrüstung mit beiderseitiger Ehre und Vertrauen
ist weiterhin imperativ... Weil diese Notwendigkeit so deutlich und offensichtlich ist, bekenne
ich, daß ich meine Verantwortung in diesem
Bereich mit einem definitiven Gefühl der Enttäuschung niederlege. Jemand, der wie ich die
Schrecken und fortdauernde Traurigkeit des Krieges kennt, der weiß, daß ein weiterer Krieg diese
Zivilisation, die so langsam und mühsam in Tausenden von Jahren aufgebaut wurde, völlig vernichten würde. Daher wünschte ich, heute sagen
zu können, daß der Frieden in Sicht ist. Glücklicherweise kann ich sagen, daß der Krieg vermieden wurde."
Kennedy, der belagerte Präsident
Vier Tage später legte Präsident John F. Kennedy den
Amtseid ab. Da er sich im Wahlkampf gegenüber Eisenhower als Falke gebärdet hatte, waren er und sein Bruder Robert empfänglich für Allen Dulles' Schmeicheleien. Die erste Falle, die ihnen gestellt wurde, war die
Invasion an der Schweinebucht im April 1 9 6 1 —wobei
die Invasionstruppe von den von Eisenhower bewilligten 300 Mann auf 3000 Mann angewachsen war. Die
Generalstabschefs waren überzeugt, daß die CIA-Operation fehlschlagen würde, schwiegen jedoch und
ließen zu, daß Präsident Kennedy grünes Licht gab.
Neben der Überschätzung der Bereitschaft des kubanischen Volkes zu einem Aufstand gegen Castro durch die
CIA war für das Scheitern der Operation das Absagen
der geplanten Luftangriffe entscheidend. Dafür wurde
Kennedy verantwortlich gemacht, obwohl die Anord-
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nung von seinem Nationalen Sicherheitsberater McGeorge Bundy getroffen wurde.
Kennedy übernahm die volle Verantwortung für den
Fehlschlag, war jedoch entschlossen, herauszufinden,
warum es dazu gekommen war. Leider berief er
Maxwell Taylor aus dem Ruhestand zurück, um eine
Untersuchungskommission zu leiten: die „Cuba Study
Group". Von diesem Zeitpunkt an, wenn nicht schon
früher, ging CIA-Direktor Allen Dulles daran, Taylor als
Hauptverfechter der Aufstandsbekämpfung und unkonventionellen Kriegsführung im Weißen Haus zu gewinnen. Zur Kuba-Kommission gehörten auch Bobby Kennedy und natürlich Dulles, dem es gelang, die Anhörungen der Kommission so zu inszenieren, daß nicht die
CIA, sondern die Generalstabschefs und das Militär für
das Schweinebucht-Fiasko verantwortlich gemacht wurden.
Dulies gelang es auch, die Verhandlungen der Kommission dahin zu manipulieren, daß sie sich nicht nur
mit der Vergangenheit, sondern auch mit der Zukunft
befaßte, so daß Jack und Bobby Kennedy zu der Überzeugung gelangten, es sei dringend notwendig, die Ausbildungs- und Einsatzkapazitäten für die Aufstands- und
Kleinkriegsbekämpfung auszuweiten.
Aber Präsident Kennedy zog auch noch eine weitere
Lehre daraus — daß er versuchen mußte, die CIA und
das Militär unter Kontrolle zu bringen. Von Taylor beraten, verfaßte Kennedy das Memorandum über Nationale Sicherheitsmaßnahmen NSAM 55, das den Generalstabschefs die Verantwortung für verdeckte Operationen in Friedenszeiten übertrug. Diese mußte dazu der
CIA entzogen werden — die, so wurde argumentiert,
dafür ohnehin nie zuständig gewesen war. Tatsächlich
wollten die Generalstabschefs, die von dem eher traditionalistischen Gen. Lyman Lemnitzer geleitet wurden,
diese Verantwortung gar nicht haben, und die CIA wollte sie nicht abgeben, so daß Kennedys Politik nie umgesetzt wurde.
Die zweite Falle, die man Kennedy stellte, war Vietnam. Am gleichen Tag, als die Schweinebucht-Invasion
zusammenbrach — dem 20. April 1 9 6 1 —, stimmte
Kennedy dem Vorschlag zu, das Programm zur Aufstandsbekämpfung in Vietnam auszuweiten. Kopf der
zur Durchführung dieses Programms geschaffenen
Arbeitsgruppe war der stellv. Verteidigungsminister Ros-
Kennedy mit CIA-Direktor Allen Dulles (Mitte)
well Gilpatric (ein Anwalt der Wall Street), ihr Operationschef Lansdale — der durch ein persönliches Briefing
für den Präsidenten über Vietnam nur eine Woche nach
dessen Amtsantritt seinen Fuß in die Tür gesetzt hatte.
Aber Kennedy bekam auch noch andere, entgegengesetzte Ratschläge zu Vietnam, die eine bleibende Wirkung auf ihn hatten — von Gen. a.D. Douglas MacArthur. Kennedy rief MacArthur erstmals Ende April 1 9 6 1
an und führte im Juli 1961 ein dreistündiges Gespräch
mit ihm im Weißen Haus. MacArthur gab Kennedy seine berühmte Warnung, sich nicht auf einen Landkrieg in
Asien einzulassen, und riet ihm dringend, einen militärischen Aufmarsch in Vietnam oder anderswo in Asien zu
vermeiden. Außerdem erklärte er, die sogenannte
„Domino-Theorie" sei lächerlich. 1 9 6 3 , als Kennedy
unter enormem Druck stand, den Vietnam-Konflikt zu
eskalieren und amerikanische Kampftruppen zu entsenden, sagte er oft: „Wenn ihr General MacArthur dazu
bringt, daß er zustimmt, dann tue ich es auch."
Im Oktober 1 9 6 3 legte Kennedy dann seine VietnamPolitik im NSAM 263 offiziell fest, in dem er den Rückzug von 1000 amerikanischen Soldaten bis Weihnachten 1 9 6 3 und des größten Teils der übrigen US-Truppen
aus Vietnam bis 1 9 6 5 anordnete. Sechs Wochen später
war Kennedy tot, und seine Politik wurde praktisch
sofort geändert.
„Operation Northwoods"
Ende 1 9 6 1 hatte die Cuba Study Group zur Bildung der
„Cuba Task Force" geführt, deren Ziel der Sturz Fidel
Castros durch die sogenannte „Operation Mongoose"
war. Operationschef der Cuba Task Force war — nicht
überraschend — Edward Lansdale.
Es ist bekannt, daß das Kuba-Projekt die Ermordung
Castros vorsah. Nicht bekannt war bis vor kurzem, daß
die Kuba-Arbeitsgruppe 1 9 6 2 auch Terrorakte gegen die
Vereinigten Staaten vorschlug, um die USA in einen
Krieg gegen Kuba zu ziehen.
Der Terrorplan von 1 9 6 2 wurde „Operation Northwoods" getauft und vom Vorsitzenden der Vereinigten
Generalstabschefs Lyman Lemnitzer unterschrieben.
100
Aber wie die Dinge nun einmal liefen, ist es ziemlich
sicher, daß er von Lansdale und seiner Kuba-Arbeitsgruppe verfaßt und Lemnitzer anschließend nur zur
Unterschrift vorgelegt wurde, damit dieser ihn Verteidigungsminister Robert McNamara übergab.
Lemnitzers Begleitschreiben zu dem Plan besagte, die
Generalstabschefs hätten das beiliegende Memorandum
„erwogen". Es beschreibe Vorwände, „die eine Rechtfertigung für eine Militärintervention in Kuba liefern
könnten". Er gehe davon aus, „daß die Hauptverantwortung für die Ausarbeitung der militärischen und
paramilitärischen Aspekte des Grundplans einer einzigen Agentur übertragen wird", und empfehle, diese Ver-
antwortung den Generalstabschefs zu übertragen. In
dem fraglichen Memorandum mit dem Titel „Rechtfertigung einer militärischen Intervention der USA in Kuba"
heißt es, man gehe davon aus, daß eine politische Entscheidung für eine Militärintervention der USA „nach
einer Periode erhöhter amerikanisch-kubanischer Spannungen erfolgen werde, welche die Vereinigten Staaten
in eine Lage bringt, in der sie Anlaß zu berechtigten
Beschwerden haben". Die Meinung der Welt und der
Vereinten Nationen „sollte günstig beeinflußt werden,
indem die kubanische Regierung als übereilt und unverantwortlich, sowie als besorgniserregende und unberechenbare Bedrohung des Weltfriedens hingestellt wird".
Dann werden eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die man dazu ergreifen könne, um eine Rechtfertigung für eine amerikanischen Militärintervention zu
erhalten.
Der erste Vorschlag war eine „Serie wohl koordinierter
Zwischenfälle" auf und beim Stützpunkt der US-Marine
in der Guantanamo-Bucht auf Kuba; dabei sollten
freundlich gesinnte Kubaner in kubanischen Militäruniformen Unruhen auf dem Stützpunkt inszenieren, Munition in die Luft jagen, Feuer legen, Flugzeuge auf dem
Flugplatz anzünden, ein Schiff im Hafen sabotieren und
ein Schiff nahe der Hafeneinfahrt versenken.
Zweitens, hieß es, könne man „einen ,erinnert euch
an die Maine'-Zwischenfall arrangieren... Man könnte
ein Schiff in der Guantanamo-Bucht sprengen und Kuba
verantwortlich machen", oder ein ferngesteuertes Schiff
in kubanischen Gewässern in die Luft jagen. Das
Memorandum stellt kühl fest: „Die Listen der Opfer in
amerikanischen Zeitungen würden eine hilfreiche Welle nationaler Empörung auslösen."
Das Memorandum fährt fort: „Wir könnten eine Terrorkampagne des kommunistischen Kuba im Gebiet von
Miami, in anderen Städten von Florida oder sogar in
Washington entwickeln, die sich gegen kubanische
Flüchtlinge richtet, die in den Vereinigten Staaten
Schutz suchen. Wir könnten ein Schiff mit Kubanern auf
dem Weg nach Florida versenken (real oder simuliert).
Wir könnten Anschläge auf das Leben kubanischer
Flüchtlinge in den Vereinigten Staaten herbeiführen...
Die Explosion einiger Plastikbomben an sorgfältig
ausgewählten Stellen, die Verhaftung kubanischer
Agenten und die Freigabe vorbereiteter Dokumente
wären ebenfalls hilfreich..."
Weiter wurde vorgeschlagen, man könne mit imitierten sowjetischen Kampfflugzeugen Zivilflugzeuge belästigen, Schiffe angreifen oder ferngelenkte amerikanische Militärflugzeuge zerstören. Auch „Entführungsversuche gegen zivile Flug- oder Bodenfahrzeuge" wurden
vorgeschlagen, und sogar — der am detailliertesten ausgeführte Plan aller dieser Vorschläge — der simulierte
Abschuß eines gecharterten Zivilflugzeugs in kubanischem Luftraum.
Präsident Kennedy lehnte den Plan ab, und das Militär
ordnete an, alle diesbezüglichen Dokumente zu zerstören. Trotzdem blieben einige der Dokumente erhalten und kamen, durch strengste Geheimhaltung jahrzehntelang verborgen, erst in jüngster Zeit ans Licht.
„Politische Kriegsführung"
Parallel zu den von Dulles und Lansdale betriebenen
Operationen im Apparat der CIA und des Militärs gab es
die „privaten" Operationen des FPRI-Richardson-IASNetzwerks, wovon im Fulbright-Memorandum die Rede
ist.
Eine der Schlüsselfiguren dieses Netzwerks war Frank
Barnett, der damalige Forschungsdirektor der H. SmithRichardson-Stiftung, der gleichzeitig auch Programmdirektor des IAS war. Um der historischen Kontinuität willen sei darauf hingewiesen, daß Barnett 1 9 6 1 half, Prescott Bushs National Strategy Information Center
(NSIC) zu gründen, das später große Geldmengen von
Richard Mellon Scaife erhielt. Das NSIC wiederum
brachte 1 9 8 1 Reagans Exekutivanordnung 1 2 3 3 3 hervor — die „Verfassung" der „geheimen Nebenregierung", die uns unter der Reagan-Bush-Regierung u.a.
die „Iran-Contra-Affäre" bescherte.
1 9 5 1 hatte Barnett vorgeschlagen, Amerika solle eine
unter den Ostblock-Flüchtlingen rekrutierte Fremdenlegion einrichten, die er als „Brigade der gefangenen
Nationen" bezeichnete. Sie sollte sich aus Russen,
Polen, Ungarn, Ukrainern, Chinesen, Koreanern und
anderen zusammensetzen. Barnett riet auch dazu, einen
eigenen Kabinettsposten für die Strategie des Kalten
Krieges sowie ein „West Point der politischen Kriegsführung" zu schaffen.
1 9 6 1 scheint Barnett seine Idee einer Fremdenlegion
aufgegeben zu haben. Statt dessen setzte er sich nun für
eine Kombination von Kleinkrieg und Terrorismus ein,
die er als „politische Kriegsführung" bezeichnete. Sozusagen als spezifische Fortsetzung der Vorwärts-Strategie
des FPRI von 1 9 6 0 schrieb er einen Aufsatz, den er im
März 1 9 6 1 unter dem Titel „Vorschlag für eine politische Kriegsführung" im Military Review veröffentlichte.
Darin definierte Barnett „politische Kriegsführung" als
etwas, das weit über bloße Propaganda hinausgeht:
„Politische Kriegsführung ist der anhaltende Versuch einer Regierung oder einer politischen
Gruppe, gegen einen definierten ideologischen
Feind Macht zu erringen, zu erhalten oder auszuweiten — durch alle Maßnahmen unterhalb
eines heißen Krieges regulärer Militärkräfte, ohne
dabei die Drohung mit einem solchen Krieg auszuschließen. Kurz, politische Kriegsführung ist
eine Form des Krieges und keine Öffentlichkeitsarbeit. Sie besteht aus einem Teil Überzeugung
und zwei Teilen Irreführung. Sie umfaßt verschiedene Formen des Zwangs und der Gewalt, darunter Streiks und Unruhen, Wirtschaftssanktionen, die Unterstützung von Guerillas oder Stellvertreterkriegen und, wenn nötig, die Entführung
oder Ermordung der Eliten des Gegners."
Barnett sprach dann nicht weiter von Unruhen und
Morden, und forderte eine langanhaltende Kampagne,
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um wichtige militärische und zivile Führer für den
Kampf gegen den Kommunismus zu mobilisieren und
auszubilden. Er beschwerte sich, daß die Freie Welt sich
nicht einmal einig sei, den Kommunismus als Feind zu
definieren. In einigen Ländern, beklagte er sich, seien
kommunistische Parteien legal, könnten Kommunisten
ungestört Geld für ihre subversiven Tätigkeiten sammeln, an Universitäten lehren und Gewerkschaften kontrollieren — sogar in lebenswichtigen Industrien. „Der
Westen hat noch keinen klar definierten Feind. Wir
gestehen noch nicht einmal ein, daß wir uns im Krieg
befinden... Wir haben keine gemeinsamen ideologischen Ziele."
Er argumentierte, die meisten chinesischen und
sowjetischen Fortschritte könnten rückgängig gemacht
werden, würde die öffentliche Meinung der westlichen
Demokratien die Natur der kommunistischen Aggression genug beachten. Aber „wenn das amerikanische
Volk seine Hausaufgaben über Mao, Lenin und Clausewitz nicht macht, wird es wahrscheinlich Druck auf
Washington ausüben, die Sozialleistungen zu erhöhen"
(sie). So, wie das britische Volk am Vorabend von Dünkirchen Luxus und „Frieden in unserer Zeit" verlangt
habe, schrieb Barnett, „könnte sich eine amerikanische
Öffentlichkeit, der die kommunistischen Ziele und
Techniken gleichgültig sind, für mehr Leistungen für
Randgruppen, Sonderinteressen und Privilegien als
üblich einsetzen".
Als Beispiel für das, was getan werden müsse,
beschrieb Barnett eine Seminarreihe, die gemeinsam
von Militär und dem Institut für Amerikanische Strategie durchgeführt werde. Das IAS sei 1 9 5 8 gegründet
worden und werde von der H. Smith Richardson-Stiftung gefördert; man könne es als „reisende Bürgerkriegsschule" bezeichnen. Das IAS habe den Generalstabschefs ein zweiwöchiges Strategieseminar für Offi-
ziere der Reserve und der Nationalgarde vorgeschlagen,
an dem Ausbilder, politische Führer, Geschäftsleute, Redakteure und Verleger etc. teilnehmen sollten. Es sei
1 9 5 9 am National War College abgehalten und der
Lehrplan dazu über den langanhaltenden Konflikt mit
den Kommunisten und mögliche amerikanische Gegenstrategien vom FPRI erstellt worden. Seitdem, prahlte
Barnett, seien mehr als 25 weitere regionale Wochenendseminare im ganzen Land abgehalten worden.
Barnett schlug vor, seine Legionen der „politischen
Kriegsführung" auf vier bestimmte Segmente der militärischen Gesellschaft anzusetzen: ( 1 ) ROTC-Studenten
[Reserveoffizier-Ausbildungskorps; an vielen Hochschulen der USA war die Teilnahme in den 60er Jahren vorgeschrieben] und Ausbilder von Reservisten; (2) Soldaten, die als Lehrer, Redakteure, Geschäftsleute etc. wieder ins Zivilleben zurückkehren werden; (3) ausländische Offiziere, die zur Ausbildung in den Vereinigten
Staaten sind und persönliche Freundschaften mit ihren
Kollegen in den USA entwickeln; und (4) pensionierte
Offiziere und Reserveoffiziere, vor allem solche, die im
Ausland in amerikanischen Banken, Unternehmen und
Handelsvereinigungen oder im Inland tätig sind.
Er schloß mit einem Plädoyer, das US-Militär solle
„mit seiner disziplinierten Organisation, seinen Ausbildungsmethoden und zivilen Kontakten über das ROTC,
die Reservisten und die Industrie" eine führende Rolle
dabei übernehmen, „nicht-militärisch", d.h. politisch,
Krieg zu führen.
Das Zusammentreffen von Barnetts Vorschlägen mit
Maßnahmen der Art, wie sie Edward Lansdale und das
Büro für Sonderoperationen im Pentagon unter der
Regierung Kennedy durchführten, sollte offensichtlich
genug sein, daß auf einen Kommentars verzichtet werden kann.
Was wußte Fulbright?
Noch eine letzte Anmerkung. Nach den Anhörungen
des Kongresses 1 9 6 1 - 6 2 über die Propaganda des
Militärs und die Aktivitäten zur „Ausbildung für den Kalten Krieg" wurden diese Seminare und ähnliche Aktivitäten trotz Barnetts grandiosen Plänen offenbar zeitweilig auf Eis gelegt. Aber 1965 schlug Edward Lansdale — der inzwischen von den Regierungsdiensten „pensioniert" worden war — vor, die Seminare über den Kalten Krieg wiederzubeleben. Er war der Hauptverfasser
des Vorschlags an den Amerikanischen Sicherheitsrat,
dessen Funktionär er damals war, ein neues Forum zu
schaffen, das in der Nähe von Culpeper (Virginia) eingerichtet wurde: das Freedom Studies Center. (Das
Gelände gehörte noch bis vor kurzem dem Amerikanischen Sicherheitsrat.)
Dem Planungskomitee des Freedom Studies Center
gehörte auch ein gewisser Ed Butler an, der nur zwei
102
Jahre später eine wesentliche Rolle dabei spielte, eine
„Legende" um Lee Harvey Oswald, den Sündenbock für
den Kennedy-Mord, in die Welt zu setzen.
Wie wir anfangs bemerkten, warnte das FulbrightMemorandum, daß die politischen Aktivitäten des
Militärs und privater Institutionen wie des FPRI und der
Richardson-Stiftung unter der offiziellen Aufsicht des
Militärs eine Gefahr für Kennedys Programm und Politik
darstellten. Wieviel Fulbright darüber wußte, daß Präsident Kennedys Leben bedroht war, ist nicht bekannt —
aber es steht fest, daß Fulbright Kennedy einige Wochen
vor dessen fataler Reise warnte, nicht nach Dallas zu
fahren. Angesichts dessen, was wir heute wissen —
auch über die neue Gefahr eines Militärputschs — ist es
sicherlich angebracht, über Fulbrights Warnung von
1 9 6 1 nachzudenken.
Anmerkungen
1 . Der Verfasser dankt der Abteilung für besondere Schriften der
Bibliothek der Universität von Arkansas, wo die Papiere von
J. William Fulbright aufbewahrt werden, für ihre Unterstützung.
2. Senator Fulbrights Memorandum wurde am 2. August 1 9 6 1 im
Protokoll des Kongresses, S. 14433-14439 (Senat) abgedruckt. Es war nicht, wie James Bamford irrtümlich in seinem
2001 veröffentlichten Buch Körperschaft der Geheimnisse
schreibt, ein Bericht an den Außenpolitischen Senatsausschuß. Trotzdem hat Bamfords Buch das Verdienst, die Aufmerksamkeit des Verfassers auf die Existenz des FulbrightMemorandums und der „Operation Northwoods", die darin
beschrieben wird, gelenkt zu haben.
3. 1 9 5 8 - 1 9 6 1 schlug Charles de Gaulle drei Putschversuche
gegen die französische Regierung nieder und überlebte insgesamt 1 4 Mordanschläge. Eine Gruppe von Offizieren, die
auf de Gaulle und andere politische Führer Frankreichs
wütend war, weil diese Algerien die Unabhängigkeit
gewähren wollten, organisierte eine Untergrundorganisation,
die sich Organisation Armee Secrete (OAS) nannte. Der zivile Führer der OAS war Jacques Soustelle, ein Mitglied des
französischen Parlaments und früherer Generalgouverneur
von Algerien. Aufgrund der Untersuchungen der französischen Regierung über die Verantwortung der OAS für die
Putsch- und Mordversuche war Soustelle gezwungen, ins italienische Exil zu gehen. Die zwielichtige Organisation Permindex, mit der Soustelle seit dem Zweiten Weltkrieg verbunden war, wurde aus Frankreich ausgewiesen, als entdeckt
wurde, daß sie der OAS als internationale Geldquelle gedient
hatte. Permindex war später in die Morde an Kennedy und
Martin Luther King verwickelt.
4. Korrespondenz mit dem FPRI und Strausz-Hupe, Sammlung
William Yandell Elliott, Fach 100, Archiv der Hoover-lnstitu-
tion. Stanford, Kalifornien.
5. Stephen E. Ambrose, Eisenhower: der Präsident, Simon and
Schuster, New York, 1984.
103
NAMENREGISTER
Abaelard, Peter 46
Abrams, Eiliott 70
Adams, John Quincy 40, 5 1 , 66
Adenauer, Konrad 41
Adorno, Theodor 41, 48, 53
AEI 85, 87
Albright, Madeleine 10, 75
Alexander, Yonah 86
Alighieri, Dante 46
Alijew, Hejdar 80
Alon, Nitzan 86
Alsop, Joseph 97
Amdocs 27, 29
America First Committee 87
American Enterprise Institute 72, 83
American Israel Policy Action Council
84, 85
American-lsraeli Public Affairs Committee 70, 83
Amoco 80
Anti-Defamation Lague (ADL) 28
Arafat, Jassir 1 7 , 85
Archimedes 46
Arendt, Hannah 48, 53
Aristoteles 54
Ashcroft, John 6, 62
Atatürk, Kemal 68
Atta, Mohammed 1 2
Augustinus 44
Außenpolitische
Forschungsinstitut 94, 95, 99
Azerbaijan International Operating Co.
80
Barak, Ehud 85
Barnett, Frank 94, 95, 1 0 1 , 102
Beghal 1 4
Benes, Eduard 75
Bernoulli, Johann bzw. Jakob 55
Berteismann-Konzern 75
Besharov, DouglasJ. 87
Bin Laden, Osama 5, 7, 14, 1 6 , 1 7 , 3 1 ,
33, 34, 36, 69, 70
Bissell, Richard 98
Black, Conrad 84
Blitzer, Wolf 86
Bodansky, Yossef 86
Bolton, John 84
Bowie, Robert R. 88
Bowman, Isaiah 65
Bradley Foundation 83, 86, 89
Bradley-Stiftung 88
Brahe, Tycho 54
Braun, Michael 28
Bredovv, Wilfried von 1 1
British Petroleum 80
Bronfman, Charles 86
Bronfman, Edgar 86
Brookinas Institution 87
Brunelleschi, Filippo 48
Bryen, Shoshona 86
Bryen, Steven 70, 86
Brzezinski, Zbigniew 8, 10, 1 2 , 1 7 , 34,
35, 40, 41, 44, 47, 52, 61, 68, 71,
72, 75, 78, 81, 84, 87, 88
Bullock, Roy 28
Bülow, Andreas von 1 2
Bundy, McGeorge 8, 63, 97, 100
Bush, George W. 5, 6, 7, 1 1 , 14, 1 5 ,
17, 30, 31, 33, 34, 62, 71
Bush sen., George 72
Butler, Ed 1 0 2
Cameron, CArl 26
Carey, Henry 39, 4 1 , 46
Carnot, Lazare 44, 45, 48
Carter, Jimmy 10, 42, 6 1 , 68, 75
Castlereagh, Lord R. S. 64
Cauchy, Augustin 49
Cecii, Lord Robert 90
Center for Creative Leadership 87, 88
Center for International Affairs 88
Center for International Security and
Cooperation 88
Center for Security Policy 84
Center for Strategie and International
Studies 75
Center for Strategie Education 88
Central Asia Institute 88
Central intelligence Agency CIA 65,
97, 99, 100
Chalfont, Lord 84
Cheney, Richard 6, 1 7
Christopher, Warren 86
Churchill, Winston 1 1 , 40, 4 1 , 64, 71
Clausewitz, Carl von 9
Clawson, Patrick 67, 85, 86
Clay, Henry 65
Clinton, Bill 28
Coalition for a Democratic Majority 87
Coble, Robert L. 87
Coefficients Club 90
Cohen, Eliot 88, 89
Colbert, jean-Baptiste 49
Comverse Infosys 27, 28, 29
Congressional Policy Advisory Board
84
Conti, Antonio 49, 53
Coolidge, Calvin 41
Council on Foreign Relations 63, 65,
69, 72, 88, 90
Crowley, Aleister 47
C S 1 S 8 5 , 87
CSP 84
Darwin, Charles 91
de Gaulle, Charles 5, 4 1 , 44
Defense Policy Board 85
DeMuth, Christopher 84
Desch, Michael 89
Dibdin, Michael 9
Dine, Tom 86
Dirichlet, Lejeune 48, 49
Dulles, Allen 1 2 , 98, 99, 100, 1 0 1
Dulles, John Foster 97
Dupuy, Trevor 48
Eagleburger, S. 86
Fast India Company 68
Edwards VIII. 43
Eisenhower, Dwight D. 10, 96, 97, 99
Eliahu, Ben 1 3
Eiliott, William Yandell 8, 36, 40, 41,
44, 46, 48, 51, 54, 57, 61, 62, 63,
66,95
Ellner, Oded 26
Emerson, Steven 67
Erhard, Ludwig 41
Euler, Leonhard 49, 53
Feith, Douglas 86
Fermat, Pierre 55
Feulner, Edwin j. 84
Forbes, Steve 89
Ford-Stiftung 63, 97
Foreign Policy Research Institute 63,
64, 83, 85, 87
FPRI 87, 102
Franklin, Benjamin 49
Freedom Studies Center 102
Friedrich II. 51
Frost, Gerald 84
Fulbright, William 66, 87, 94, 1 0 2
Furtwängler, Wilhelm 50
Gaffney, Frank 70, 86
Gaither, H. Rowan 97
Galton, Francis 91
Gauß, Carl 48
Gedmin, Jeffrey 84
Generalstabschefs 97, 100, 1 0 1
Geyer, Georgie Anne 1 7
Ghilan, Maxim 1 4
Gilpatric, Roswel! 100
Gingrich, Newt 84
Goebbels, Joseph 49
Goldman, Emma 34, 41
Göre, AI 33, 86
Grey, Sir Edward 90
Haig, Alexander 86
Haldane, R.B. 90
Haliiday, Fred 1 5
Hamilton, Alexander 39, 65
105
Hamzawy, Amr 1 5
Harun AI Raschid 46
Harvard University 75
Haushofer, Karl 65, 76
Hegel, G.W. 48
Heidegger, Martin 4 1 , 48, 53
Heine, Heinrich 5 1 , 53
Heinrich VII. 40, 45
Helmholtz, Hermann 49
Hemphill, ROSS F. 88
Herman, Neil 28
Hitler, Adolf 9, 4 1 , 4 3
Hobbes, Thomas 9, 62, 64, 74
Hollinger Corp. 84
House, Edward 65
Humboldt, Wilhelm von 45, 48
Humboldt, Alexander von 49
Hume, David 53
Huntington, Samuel P. 8, 9, 10, 1 1 , 1 2 ,
Kissinger, Henry 8, 36, 40, 43, 44, 52,
56, 57, 61, 63, 64, 66, 71, 84, 87,
88
Klein, Morton 86
Knowles, Graham 28
Kopernikus 54
Korbel, Joseph 75
Kosjakow, Andre] 1 3
Kristol, Irving 84
Kristol, William 84
Ku-Klux-Klan 62
Kurtzberg, Paul 26
Kurzberg, Sivan 26
Lagrange, Joseph-Louis 49
Lambsdorff, Otto Graf 84
Lansdale, Edward 98, 99, 100, 1 0 2
Lantos, Tom 35
Laplace 49
Ibn Sina 46
LaRouche, Lyndon 5, 8, 1 1 , 62, 67, 72
Lauder, Ronald 67
Leahys, Admiral 9
Ledeen, Michael 83, 84, 86
Leibniz, G.W. 48, 53, 55
Lemnitzer, Lyman 100
Leonardo da Vinci 44
Lessing, G.E. 48
Lewinsky, Monika 28
Ikle, Fred C. 87
Imposimato, Ferdinande 1 6
Lewis, Bernhard 38, 67, 68, 7 1 , 75, 85
Lewis, Michael 70
Indyk, Martin 85, 86
Institut für Amerikanische Strategie 94,
102
Institut für Orient- und Afrikastudien
68
Institute for Advanced Strategie and
Policy Studies 84, 88
Lewis, Samuel W. 86
Lieberman, Joe 71
Lincoln, Abraham 39, 40, 4 1 , 46, 62
Lindsay 62, 63, 90
17, 34, 35, 38, 40, 41, 44, 47, 48,
5 1 , 5 2 , 57, 6 1 , 6 2 , 64,67,68, 7 1 ,
72, 75, 78, 84, 87, 88
Hussein, Saddam 70, 83, 86
Huxley, Julian 91
Huxley, Thomas 47, 91
Huyghens, Christian 55
Institute for American Strategy 87
International Institute for Strategie Studies 72
Irakischen Nationalkongreß 70
Iran-Contra-Operationen 87
Jardine Matheson Trading Co. 84
Jaspers, Karl 48, 53
Jewish Institute for National Security
Affairs 83, 84
JINSA 84, 85
John M. Oiin Institute 72
John-Birch-Cesellschaft 94
Johns-Hopkins-Universität 72
Johnston, Alastair lain 88
Kampelman, Max M. 84, 86
Kant, Immanuel 53
Karl dem Großen 46
Kästner, Abraham 48, 55
Kennedy, Bobby 100
Kennedy School of Government 89
Kennedy, John F. 1 5 , 4 1 , 6 1 , 66, 94,
96, 97, 99
Kepler, Johannes 48, 54, 55
King, Dennis 72, 87
Kintner, William 95
Kirkland, Lane 84
Kirkpatrick, Jeanne 84, 86
106
Lindsey, Lawrence 85
List, Friedrich 39, 65
Ludwig XI. 40, 45
Lunsford Richardson 87
Luttwak, Edward 86
Lynde und Harry Bradley Foundation
72
Milner, Alfred 63, 90, 93
Mitchell, Larry 1 4
Molotow, Wjatscheslaw M. 43
Moltke, Helmuth von 9, 48
Monge, Gaspard 48
Monroe, James 65
Mubarak, Hosni 1 2
Muravchik, Joshua 84, 86
Murray, Charles 85
Mussolini, Benito 41
Myers, Gen. Richard 1 3
Mylroie, Laurie 67, 85, 86
Napoleon 40, 4 1 , 45, 48, 64
Napoleon III. 40, 41
National Endowment for Democracy
84
National Strategy Information Center
101
National War College 94, 102
Nationale Sicherheitsrat 99
Nationalen Sicherheitsrat 87
Naval War College 88
Nelson, Arvid R. 87, 88
Netanjahu 67, 83
New Atlantic Initiative 84
Newmann, Tom 86
Nietzsche, Friedrich 4 1 , 47, 48
Nikolaus von Kues 37, 48, 74
Nitze, Paul 97
Nixon, Richard 4 1 , 87, 97
Norman, Montagu 43
Nortel 28
Novak, Michael 85
NSDAP 64
O'Sullivan, John 84
Office of Net Assessment 88, .89
Office of Strategie Services 65
Olin Foundation 83, 88
Oranien, Wilhelm von 39
Organisation d'Armee Secret" (OAS) 5
MacArthur 1 0 , 4 5 , 100
MacFarquhar, Roderick 87
Mach, Mach 49
Machiavelli, Niccolö 44
Mackinder, Haiford 65, 71, 72, 76, 78,
90
Macmillan, Harold 41
Mahmud, Mustafa 1 5
Mandelbaum, Michael 86
Mandelson, Peter 84
Marmari, Omer Gavriel 26
Marsh, Robert 28
Marshallplan 72
Masaryk, lan 75
McArthur, Douglas 96
McFarlane, Robert 86
McGill University 75
McKinley, William 34, 39, 40, 41
McNamara, Robert 66
Mega 32, 85, 86
Mendelssohn, Moses 44
Metternich, Fürst 64
Meyer, Edward C. 87
Meyerhoff, Marvey 86
Organisation de l'Armee Secrete 66
Oswald, Lee Harvey 1 0 2
Owsley, Frank Lawrence 62
racioli, Luca 48
Patterson School of Diplomacy and
International Commerce 89
Paul H. Nitze School of Advanced
International Studies 89
Paul-Nitze School for Advanced International Studies 84
Peretz, Martin 70, 86
Perle, Richard 34, 67, 68, 84, 86
Petrarca 46
Philbrick, Herbert 95
Pipes 66, 67, 84, 85, 86
Pipes, Richard 67, 84
Platon 36, 44
Podhoretz, John 84
Podhoretz, Norman 84
Poisson, Simeon Denis 49
Pollard, Jonathan 29, 33, 83
Powell, Colin 7
Poweil, Sir Charles 84
Aus der
Frankfurter
Allgemeinen
Zeitung vom
23. November
2001.
über LaRouches Analyse und Interviews mit ihm in
Radio- und Fernsehsendungen und in den Printmedien
sind so zahlreich, daß man sie unmöglich hier aufzählen kann.
Die Ablehnung der offiziellen „Bin-Laden-war-es"Version ist ein internationales Phänomen, das in dem
Maße zunimmt, wie immer neue „endgültige Beweise"
von der amerikanischen Regierung vorgelegt werden —
seien es immer neue „Bin-Laden-Videos" oder „Dokumente" aus Höhlen oder zerbombten Hütten in Afghanistan. Gleiches gilt für angebliche „terroristische
Planungszentren" in Hamburg, Frankfurt, Kuala Lumpur, Mailand, Paris oder Singapur, von denen die amerikanischen Behörden behaupten, daß dort die Anschläge vom 1 1 . September von „islamistischen Terror-Schläfern" ausgeheckt worden seien.
Gerade in Europa gilt, daß das, was an Lippenbe-
kenntnissen zum 1 1 . September in der Öffentlichkeit
gesagt wird, in eklatantem Gegensatz zu dem steht, was
privat gedacht und gesagt wird. Wer in den letzten
Monaten mit politischen Persönlichkeiten in Westeuropa über den 1 1 . September gesprochen hat, wird immer
wieder und in steigendem Maße feststellen, daß „hinter
vorgehaltener Hand" der Analyse LaRouches zugestimmt wird.
Der frühere italienische Staatsanwalt Ferdinande
Imposimato war auf Terrorismusfälle und ihre Hintergründe spezialisiert, darunter der Fall Moro und das
Attentat auf den Papst. Er weiß also, wovon er spricht,
wenn er sagt, „es wäre absurd, LaRouches Hypothese
einer Beteiligung inneramerikanischer Kräfte an den
Anschlägen des 1 1 . September und die Recherchen von
EIRNA zu ignorieren, denn sie beruht auf Tatsachen."
Die Folgen der „Lüge aus Staatsräson"
Über das, was am 1 1 . September tatsächlich geschah,
die Wahrheit zu sagen, ist auch deshalb eine zwingende Notwendigkeit, weil aus der „Lüge aus Staatsräson",
die Bin Laden und seine Netzwerke bezichtigt, die
Anschläge verübt zu haben, eine Kettenreaktion verheerender weltpolitischer Konsequenzen gefolgt ist. Der
„Krieg gegen den Terror" droht mit jedem Tag mehr
genau zu jenem „Krieg der Zivilisationen" zu degenerieren, den auszulösen das Ziel der Putschisten des 1 1 .
September war. Zugleich droht der „Krieg gegen den
Terror" in ein bitteres Zerwürfnis oder Schlimmeres mit
Rußland und China zu münden, was ebenfalls das Ziel
der Putschisten des 1 1 . September war. Die europäischen Alliierten der Vereinigten Staaten werden zunehmend gezwungen, gegen die amerikanische Regierung
Stellung zu beziehen. Dies um so mehr, seit zu Beginn
des Jahres 2002 die militärische Kampagne gegen die
16
„Weltoberbösewichter" Bin Laden/AI Qaida/Taliban
von den Kriegsdrohungen und -Vorbereitungen gegen
die „Achse des Bösen" — Irak, Iran und Nordkorea —
abgelöst worden ist.
Über die Notwendigkeit des Sturzes des Taliban-Regimes in Afghanistan bestand auch schon vor dem 1 1 .
September ein weitgehender Konsens unter den größeren Mächten der Region — Rußland, Indien, China, Iran
und die zentralasiatischen Länder. Gestützt wurden die
Taliban sowieso nur von Pakistan und Saudi-Arabien —
und mindestens bis 1 9 9 8 von den USA. Die Art und
Weise, wie die Bush-Regierung dann den Krieg in Afghanistan geführt hat— und dieser Krieg ist noch nicht
vorbei —, hat aber die gesamte Region West-, Zentralund Südasien destabilisiert.
Pakistans innere Stabilität ist gegenwärtig mehr
gefährdet als jemals zuvor in der 54jährigen Geschich-
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