Elementare Zahlentheorie - auf der Homepage von Tobias Kohn

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Peter Thurnheer
Elementare Zahlentheorie
Vorlesung vom Sommersemester 2006
Nach der Mitschrift von Lucia Keller und Tobias Kohn
Version vom 5. Mai 2010
2
I
NHALTSVERZEICHNIS
1 Vorbereitungen
1.1 Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Summationsformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Kettenbrüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
5
5
8
2 Primzahlen
15
2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.2 Fundamentale Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3 Arithmetische Funktionen
21
3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.2 Die Teilerfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.3 Die σ-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
4 Kongruenzen
31
4.1 Bemerkungen zur allgemeinen Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4.2 Anwendung: Primzahlsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
4.3 Anwendung: Der Vierquadratesatz von Lagrange . . . . . . . . . . . . . . 36
5 Der Primzahlsatz
5.1 Die Chebishev-Funktionen . . .
5.2 Die Riemannsche Zeta-Funktion
5.3 Der Satz von Wiener-Ikehara .
5.4 Der Primzahlsatz . . . . . . . .
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41
41
43
50
55
6 Geometrie der Zahlen
61
6.1 Fundamentale Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
6.2 Ein nichtlineares Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
7 Diophantische Approximation
69
7.1 Approximation von n Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
7.2 Approximation einer Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4
7.3 Grenzen diophantischer Appoximierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
7.4 Diophantische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
7.5 Zur ineffektiven Version des Satzes von Dirichlet . . . . . . . . . . . . . . 79
8 Transzendente Zahlen
85
8.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
8.2 Der Satz von Lindemann-Hermite-Weierstrass . . . . . . . . . . . . . . . . 87
8.3 Ausblicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
9 Ausklang: ein spezielles Problem
95
1V
1.1
ORBEREITUNGEN
Notation
Seien f, g, h Funktionen auf [0, ∞) und sei g(x) > 0 für alle x ≥ x0 . Dann bedeutet:
1. f (x) = O(g(x)), dass eine Konstante c existiert mit |f (x)| ≤ c · g(x) ∀x ≥ x0 .
2. f (x) = o(g(x)), x → ∞, dass lim
x→∞
f (x)
= 0.
g(x)
f (x)
= 1.
x→∞ g(x)
3. f (x) ∼ g(x), x → ∞, dass gilt: lim
4. f (x) = h(x) +
O(g(x))
, dass f (x) − h(x) =
o(g(x))
O(g(x))
o(g(x))
D EFINITION
Für a ∈ R ist [a] der Ganzteil von a: die grösste ganze Zahl kleiner gleich a.
D EFINITION
Eine Zahl b ∈ Z heisst Teiler von a ∈ Z, oder auch b teilt a – schreibe b|a – falls es ein
c ∈ Z gibt mit b · c = a.
D EFINITION
Zwei Zahlen a, b ∈ Z heissen teilerfremd, falls ihr ggT – schreibe (a, b) – gleich 1 ist.
1.2
Summationsformeln
S ATZ 1: A BELSCHE PARTIELLE S UMMATION
Sei 0 < λ1 < λ2 <
P· · · eine reelle Folge mit λn → ∞, n → ∞. Sei an eine komplexe
Folge mit A(x) = λn ≤x an und ϕ eine komplexe Funktion auf [0, ∞). Dann gilt:
6
1. V ORBEREITUNGEN
(I)
X
an · ϕ(λn ) = A(λk ) · ϕ(λk ) −
k−1
X
A(λn ) (ϕ(λn+1 ) − ϕ(λn )).
n=1
n≤k
(II) Falls ϕ eine stetige Ableitung auf [0, ∞) besitzt und falls gilt
lim A(x) · ϕ(x) = 0,
x→∞
so gilt:
∞
X
Z
∞
an · ϕ(λn ) = −
A(t) · ϕ0 (t)dt,
λ1
n=1
falls das Integral oder die Summe konvergiert.
B EWEIS
(I) Setze links an = A(λn ) − A(λn−1 ) (es sei A(λ0 ) = 0) und fasse neu zusammen.
(II) Es ist
Z
λn+1
ϕ(λn+1 ) − ϕ(λn ) =
ϕ0 (t)dt
λn
und A eine auf dem Intervall [λn , λn+1 ) konstante Treppenfunktion.
X
Z
λk
an · ϕ(λn ) +
A(t) · ϕ0 (t)dt = A(λk ) · ϕ(λk ).
λ1
n≤k
Für k → ∞ geht die rechte Seite gegen 0 nach Voraussetzung. Falls also einer der
Ausdrücke links konvergiert, so auch der andere.
2
S ATZ 2
Sei g eine positive, monoton fallende Funktion auf [1, ∞). Dann gilt für x ≥ 1:
Z x
X
g(n) =
g(t)dt + A + O(g(x))
n≤x
1
mit einer nur von g abhängenden Konstanten A.
Wähle im Satz 2 g(t) = 1/t, dann ergibt sich der Spezialfall der harmonischen Reihe
(d. h. die Reihe 12 + 13 + 14 + · · ·):
1.2. S UMMATIONSFORMELN
7
S ATZ 3
Es gibt eine Konstante γ (Eulersche Konstante), so dass gilt:
X1
1
= ln x + γ + O
.
n
x
n≤x
Also:


X1
(I) γ = lim 
− ln x
x→∞
n
n≤x
(II) Die harmonische Reihe divergiert.
Anm.: Die Divergenz der harmonischen Reihe hat eine interessante statische Anwendung.
Stapelt man Dominosteine oder Bücher wie in der Abbildung, so lassen sie sich so stapeln,
dass der oberste Stein bzw. das oberste Buch beliebig weit aussen liegt.
B EWEIS
Setze
VON
S ATZ 2
Z
n+1
An = g(n) −
g(t)dt.
n
Zeige:
PN
(I)
n=M An ≤ g(M ) für alle M, N ∈ N, M < N .
P
(II) Die Reihe ∞
n=1 An konvergiert.
(III)
Z
[x]+1
g(t)dt
≤ g(x)
x
(IV) Satz 2 gilt mit A =
und
g([x] + 1) ≤ g(x).
P∞
n=1 An .
Beweis:
(I) Da g fallend: 0 ≤ An ≤ g(n) − g(n + 1), also
N
X
n=M
An ≤
N
X
n=M
g(n) − g(n + 1) = g(M ) − g(N + 1) ≤ g(M ).
8
1. V ORBEREITUNGEN
P
(II) Mit (I) ist N
n=1 An ≤ g(1) für alle N ∈ N. Die Partialsummenfolge ist beschränkt
und monoton wachsend, wegen An ≥ 0, die Reihe konvergiert also.
(III) Das folgt aus g positiv und monoton fallend und
x < [x] + 1 ≤ x + 1.
(IV) Für beliebiges M ∈ N ist mit (I):
A =
M
X
An +
n=1
=
=
An
n=M +1
M X
n=1
M
X
∞
X
Z
n+1
g(n) −
g(t)dt + O(g(M + 1))
n
Z
M +1
g(n) −
g(t)dt + O(g(M + 1)).
1
n=1
Für M = [x] folgt
X
Z
x
g(n) = A +
Z
1
n≤x
[x]+1
g(t)dt + O(g([x] + 1))
g(t)dt +
Z
x
x
g(t)dt + O(g(x))
= A+
1
2
1.3
Kettenbrüche
D EFINITION
Ein Bruch der Form
1
a0 +
1
a1 +
a2 + · · ·
1
aN −1 +
1
aN
mit aj ∈ R, aj > 0, j = 0, 1, 2, . . . , N heisst endlicher Kettenbruch. Wir schreiben dafür
auch einfacher
[a0 ; a1 , . . . , aN ].
1.3. K ETTENBRÜCHE
9
Offensichtlich lässt sich jeder endliche Kettenbruch in der Form
[a0 ; a1 , . . . , aN ] =
pN
qN
mit den den zwei Polynomen pN und qN schreiben. Dabei sind pN und qN Polynome
über Z in den entsprechenden Variablen:
pN = pN (a0 , . . . , aN ) und
S ATZ 4
Ist [a0 ; a1 , . . . , aN ] =
pN
qN ,
qN = qN (a1 , . . . , aN )
so gilt:
(I) p0 = a0 ; p1 = a0 a1 + 1; pn = an · pn−1 + pn−2 ,
n ≥ 2,
q0 = 1; q1 = a1 ; qn = an · qn−1 + qn−2 ,
n ≥ 2.
(II) pn · qn−1 − qn · pn−1 = (−1)n−1
(III) pn · qn−2 − qn · pn−2 = (−1)n · an
n ≥ 1.
n ≥ 2.
B EWEIS
(I) Induktion nach n.
Verankerung:
p0
a0
= a0 =
q0
1
p1
1
a0 a1 + 1
= a0 +
=
.
q1
a1
a1
Induktionsschritt:
Sei n ≥ 2. Die Beziehungen (I) sollen bereits gelten für k = 0, 1, 2, . . . , n − 1,
anstelle von n. Zu zeigen:
pn
an pn−1 + pn−2
=
.
qn
an qn−1 + qn−2
Beweis: Es ist
[a0 ; a1 , . . . , an ] = [a0 ; a1 , . . . , an−1 +
1
].
an
Zweimalige Anwendung der Induktionsvoraussetzung.
pn
qn
1
= [a0 ; a1 . . . , an−1 + ]
an
an−1 + a1n pn−2 + pn−3
= an−1 + a1n qn−2 + qn−3
10
1. V ORBEREITUNGEN
an−1 pn−2 + pn−3 +
=
an−1 qn−2 + qn−3 +
pn−1 +
=
pn−2
an
qn−2
an
pn−2
an
qn−2
an
qn−1 +
an pn−1 + pn−2
an qn−1 + qn−2
=
(II) Nach Satz 4(I) ist p1 q0 − p0 q1 = 1 und
pn · qn−1 − pn−1 · qn = (−1)(pn−1 · qn−2 − pn−2 · qn−1 ).
Daraus ergibt sich (II) mit vollständiger Induktion.
(III) Analog wie (II).
2
S ATZ 5
Sei α = [a0 ; a1 . . . , an+1 ]. Dann gilt:
q n · α − pn =
B EWEIS
Mit α =
pn+1
qn+1
(−1)n
.
an+1 · qn + qn−1
und dem Satz 4(I) und 4(II):
q n · α − pn =
=
=
qn · pn+1 − pn q+1
qn+1
n
(−1)
qn+1
(−1)n
an+1 qn + qn−1
2
In Zukunft werden wir uns für endliche Kettenbrüche auf a0 ∈ Z und aj ∈ N, j ≥ 1
beschränken.
S ATZ 6
Seien a0 eine ganze und a1 , a2 , . . . natürliche Zahlen. Setzt man
vn =
so gilt:
pn
= [a0 ; a1 , . . . , an ],
qn
1.3. K ETTENBRÜCHE
11
(I) Die Zahl vn ist ein gekürzter Bruch,
(II) Es ist qn ≥ qn−1 + 1, also qn > n, n = 0, 1, . . .
(III) Es ist v2n+1 < v2n−1 und v2n > v2n−2 für n ≥ 1,
(IV) Für jede Folge a0 , a1 , . . . existiert
lim vn = lim [a0 ; a1 , . . . , an ].
n→∞
n→∞
B EWEIS
(I) Nach Satz 4(I) gilt pn ∈ Z, qn ∈ Z, also vn ∈ Q. Mit Satz 4(II): Falls d existiert mit
d|pn und d|qn , so gilt d| ± 1. Also ist d = 1 und damit (pn , qn ) = 1.
(II) Folgt aus Satz 4(I).
(III) Mit Satz 4(III) gilt:
vn − vn−2 =
pn qn−2 − pn−2 qn
(−1)n an
=
qn qn−2
qn qn−2
und damit: vn − vn−2 > 0 für gerades n und vn − vn−2 < 0 für ungerades n, da
nach Satz 4 an > 0 für n ≥ 1 und qj > 0.
(IV) Mit Satz 4(II) gilt:
vn − vn−1 =
pn qn−1 − pn−1 qn
(−1)n−1 n→∞
=
−→ 0,
qn qn−1
qn qn−1
(1.1)
weil qn > n. Zusammen mit (III) gilt:
v0 < v2 < v4 < · · · < v5 < v3 < v1 .
Somit existieren die beiden Grenzwerte
`1 = lim v2n
n→∞
und
`2 = lim v2n+1
n→∞
und nach (1.1) ist
`1 = `2 = lim vn .
n→∞
2
12
1. V ORBEREITUNGEN
Der Kettenbruchalgorithmus
(Zuordnung einer reellen Zahl α ∈ R zu einem Kettenbruch)
• Für α ∈ Z ist einfach α 7→ a0 , fertig.
• Sei also α 6∈ Z. Setze α = a0 + α11 , a0 = [α], α1 > 1. Ist α1 ∈ Z, dann bricht das
Verfahren ab. Ist aber α1 6∈ Z, dann wiederhole den Prozess.
1
, a1 = [α1 ],
α2
1
α = a0 +
a1 + α12
..
.
α1 = a1 +
a2 > 1
Man kann jeder rellen Zahl einen unendlichen Kettenbruch zuordnen. Ist α ∈ Q, so ist
der Kettenbruch endlich.
1
,
α1
1
= a1 +
,
α2
1
= a2 +
,
α3
1
= a3 +
,
α4
..
.
1
,
= an +
αn+1
α = a0 +
α1
α2
α3
αn
a0 = [α]
a1 = [α1 ]
a2 = [α2 ]
a3 = [α3 ]
an = [αn ]
α = [a0 ; a1 , a2 , . . . , an , αn+1 ].
Ist α 6∈ Q, dann bricht das Verfahren sicher nicht ab.
Ist α ∈ Q, so sind alle αn ∈ Q, αn > 0, n = 1, 2, . . . Setze αk =
(rk , sk ) = 1. Falls αn+1 existiert, so gilt:
0 < sn+1 < sn ≤ s1
∀n ≥ 1,
rk
sk
mit rk , sk ∈ N,
(1.2)
d. h. es können nur endlich viele Nenner sk und damit Zahlen αk ∈ Z auftreten. Das
Verfahren bricht also ab.
B EWEIS VON 1.2
Für ein wn ∈ Z gilt:
0 < αn − an =
rn − an sn
wn
1
=
=
< 1.
sn
sn
αn+1
1.3. K ETTENBRÜCHE
13
Also gilt 0 < wn < sn . Damit ist
αn+1 =
sn
rn+1
=
sn+1
wn
mit sn+1 ≤ wn < sn , da (rn+1 , sn+1 ) = 1. Das beweist (1.2).
2
S ATZ 7
Jede rationale Zahl lässt sich als endlichen Kettenbruch darstellen.
S ATZ 8: Z USAMMENFASSUNG
Sei α ∈ R \ Q. Der Kettenbruchalgorithmus ordnet α einen nichtabbrechenden Kettenbruch [a0 ; a1 , . . .] zu, mit a0 ∈ Z, aj ∈ N, j = 1, 2, . . ..
α = [a0 ; a1 , . . . , an , αn+1 ],
Der n-te Näherungsbruch vn =
pn
qn
ak = [αk ]
= [a0 ; a1 , . . . , an ] ist ein gekürzter Bruch, wobei gilt:
(I) p0 = a0 , p1 = a1 a0 + 1, . . . , pn = an pn−1 + pn−2 ,
q0 = 1, q1 = a1 , . . . , qn = an qn−1 + qn−2 ,
(II) qn+1 ≥ qn + 1 > n + 1, n = 1, 2, . . .,
(III) pn qn−1 − pn−1 qn = (−1)n−1 , n ≥ 1,
(IV) qn α − pn =
(−1)n
αn+1 qn +qn−1 ,
n ≥ 1,
(V) Die Folgen v2n und v2n+1 konvergieren monoton wachsend bzw. fallend gegen
α.
B EWEIS
(I)–(IV): Sätze 4 bis 6.
(V):
Monotonie, Konvergenz und Satz 6: Mit Satz 8(IV),(II):
1
n→∞
α − pn =
−→ 0
qn
qn (αn+1 qn + qn−1 )
Also
lim vn = lim
n→∞
n→∞
pn
= α.
qn
2
B EMERKUNG :
14
1. V ORBEREITUNGEN
(I) Die Kettenbruchdarstellung einer irrationalen Zahl ist eindeutig.
(II) Es ist e = [2; 1, 2, 1, 1, 4, 1, 1, 6, 1, 1, 8, 1, . . .].
2P
RIMZAHLEN
D EFINITION
Eine Zahl p ∈ N heisst Primzahl, wenn sie genau zwei positive Teiler hat.
2.1
Einleitung
Primzahlen:
2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, . . . , 101, 103, 107, 109, . . . , 257, . . . , 65 537, . . . , |11 {z
. . . 1} ,
317 Stellen
. . . , 107 570 463 · 10225 ± 1, . . . , 230 402 457 − 1, . . .
(Die fettgedruckten Primzahlen heissen Fermatzahlen . Die letzte Zahl wurde am 15.
Dezember 2005 entdeckt.)
B EMERKUNG :
1. Primzahlzwillinge: Zwei Primzahlen mit Differenz 2 heissen Primzahl-Zwillinge.
Vermutung: Es gibt unendlich viele Primzahlzwillinge.
Viggo Brun bewies 1919, dass
X
p,p+2 prim
1
p
konvergiert.
Chen Jingrun bewies 1973: Es gibt unendlich viele Primzahlen p, so dass p + 2 eine
Primzahl oder das Produkt von zwei Primzahlen ist.
n
2. Fermatzahlen: Fermatzahlen sind Primzahlen von der Form Fn = 22 + 1, n =
0, 1, 2, . . .
Fermat vermutete, dass Fn prim ist für alle n ∈ N. Euler fand aber 1732: F5 =
641 · 6 700 417.
Vermutung heute: Alle Fn mit n ≥ 5 sind zusammengesetzt.
16
2. P RIMZAHLEN
Gauss zeigte 1796 (19-jährig): Das reguläre N -Eck ist mit Zirkel und Lineal konstruierbar genau dann, wenn N ein Produkt von 1 mit verschiedenen Fermatschen
Primzahlen und/oder einer nicht negativen Potenz von 2 ist.
3. „Repunit“ (Repeatet Units):
Vermutung: Es gibt unendlich viele Primzahlen, die in Dezimalschreibweise lauter
Ziffern 1 enthalten.
B EISPIEL : 11, 1 111 111 111 111 111 111, 11
. . . 1} , . . .
| {z
317 Stellen
4. Goldbach (1742):
Vermutung: Jede gerade Zahl ist die Summe von 2 Primzahlen.
Chen Jingrun (1966): Jede gerade Zahl ist die Summe zweier Zahlen, wovon eine
prim ist und die andere eine Primzahl oder das Produkt zweier Primzahlen ist.
I. Vinogradov (1937): Jede genügend grosse ungerade Zahl ist die Summe von 3
Primzahlen.
2.2
Fundamentale Sätze
S ATZ 9
(I) Jede natürliche Zahl grösser 1 kann als Produkt von Primzahlen dargestellt werden.
(II) Diese Darstellung ist eindeutig bis auf die Reihenfolge der Faktoren.
B EWEIS
Beruht auf dem Axiom: Prinzip des kleinsten Elements (K)1 :
Jede nichtleere Teilmenge von natürlichen Zahlen enthält ein kleinstes Element.
Zeige:
(I) (K) ⇒ Jede natürliche Zahl > 1 besitzt einen positiven Teiler, der eine Primzahl
ist.
(II)
1
• (K) ⇒ „Division mit Rest“: Zu a, b ∈ Z, b ≥ 1, existieren eindeutig bestimmte
Zahlen q, r mit a = bq + r, 0 ≤ r < b.
(K) ist äquivalent zum Prinzip der vollständigen Induktion
2.2. F UNDAMENTALE S ÄTZE
17
• ⇒ Gilt a|bc und (a, b) = 1, so gilt auch a|c.
• ⇒ Satz 9b)
2
S ATZ 10: E UKLID
Es gibt unendlich viele Primzahlen.
B EWEIS
Indirekt.
Annahme: Es gibt nur endlich viele Primzahlen, nämlich 2, 3, 5, . . . , p.
Sei P = (2 · 3 · 5 · . . . · p) + 1. Dann ist P durch keine der Zahlen 2, . . . , p teilbar. Da dies
gemäss Annahme alle Primzahlen sind, ist P durch keine Primzahl teilbar. Das ist ein
Widerspruch zu Satz 9.
2
Weitere Beweise:
• Polyá, mit Hilfe der Fermatzahlen
• Sätze 11, 12, 35 (in dieser Vorlesung)
B EMERKUNG : Zu jedem N ∈ N gibt es N aufeinanderfolgende ganze Zahlen, die nicht
prim sind. Mit M = (N + 1)! gilt nämlich:
2|(M + 2), 3|(M + 3), . . ., (N + 1)|(M + N + 1).
S ATZ 11
Es gibt unendlich viele Primzahlen der Form p = 4k − 1, k ∈ N.
B EWEIS
Übung. Man kann analog zum Euklidschen Beweis argumentieren, wenn man beachtet,
dass das Produkt von zwei Zahlen der Form 4k + 1, k ∈ N wieder eine Zahl dieser Form
ergibt.
2
Dirichlet: Ist (a, b) = 1, so enthält die arithmetische Folge ak + b, k ∈ N, unendlich
viele Primzahlen.
S ATZ 12
Sei p prim. Für genügend grosses x ∈ R gilt:
(I) S(x) =
X1
p≤x
p
> log(log x) −
1
2
18
2. P RIMZAHLEN
(II) P (x) =
Y
p≤x
1
1
(1 − )−1 > log x + γ + O( )
p
x
Also: Die Summe
X1
p≤x
p
und das Produkt
Y
p≤x
(γ: Eulersche Konstante)
1
(1 − )−1 divergieren.
p
B EWEIS
Zeige:
1. Seien x > 0 gegeben, m ∈ N, so dass x ≤ 2m ist. Dann gilt
X
Y
1
1
1
1 + + ... + m ≥
.
p
p
n
p≤x
n≤x
2. Für 0 < n < 1 gilt
(α)
1
1−n
> 1 + n + . . . + nm (geometrische Reihe)
1
(β) log( 1−n
)−n<
n2
2(1−n)
3. Satz 12
Beweis:
1. Sei n = pα1 1 · . . . · pαr r ≤ x (pr prim). Dann gilt für v = 1, 2, . . . , r
log(x) ≥ log(n) ≥ log(pαv v ) = log(eαv log(pv ) ) = αv · log(pv )
log(x)
log(x)
≤
≤ m.
log(pv )
log(2)
Somit enthält die Menge p, p2 , . . . , pm p ≤ x alle möglichen Primzahlpotenzen,
die in der Zerlegung eines n ≤ x vorkommen können. Durch Ausmultiplizieren der
linken Seite in (1) erhält man im Nenner damit alle natürlichen Zahlen n ≤ x, und
das beweist (1).
⇒
2. Für 0 < n < 1 ist
αv ≤
1
1 − nm+1
>
= 1 + n + . . . + nm
1−n
1−n
und
log
1
1−n
− n = − log(1 − n) − n =
n2 n3
n+
+
+ ... − n
2
3
n2 n3
1
+
+ . . . < (n2 + n3 + . . .)
2
3
2
2
n
n2
=
(1 + n + n2 + . . .) =
.
2
2(1 − n)
=
2.2. F UNDAMENTALE S ÄTZE
19
3. Sei x gegeben und m wie in (1).
(II) Setze in (2) (α) n = p1 :
Y
−1
Y
1
1
>
1 + + ... + m
P (x) =
p
p
p≤x
p≤x
X1
1
= log(x) + γ + O
.
≥
n
x
1
1−
p
n≤x
Das letzte Gleichheitszeichen folgt aus Satz 3.
(I) Setze in (2) (β) n = p1 :


X1
1
(1 − )−1  −
p
p
p≤x
p≤x
"
!
#
X
X
1
1
1 −1
=
log
1−
−
<
2
p
p
2p (1 − p1 )
p≤x
p≤x
log(P (x)) − S(x) = log 
Y
∞
1X
1
1X
1
≤
2
p(p − 1)
2
n(n − 1)
n=2
p≤x
∞ 1X
1
1
1
1
1
=
−
=
lim 1 −
=
2
n−1 n
2 N →∞
N
2
=
n=2
⇒
1
1
1
S(x) > log(P (x)) − > log log(x) + γ + O
−
2
x
2
1
≥ log(log(x)) −
(für x genügend gross).
2
2
F. Mertens:
X1
p≤x
p
= log(log x) + c + O(
1
).
log x
20
2. P RIMZAHLEN
3A
3.1
RITHMETISCHE
F UNKTIONEN
Einleitung
D EFINITION
(I) Eine arithmetische Funktion ist eine auf den natürlichen Zahlen N definierte
Funktion: f : N → X.
(II) Eine arithmetische Funktion (6≡ 0) heisst multiplikativ, falls für alle m, n ∈ N
mit (m, n) = 1 gilt:
f (m · n) = f (m) · f (n).
(III) Eine arithmetische Funktion (6≡ 0) heisst vollständig multiplikativ, falls für alle
m, n ∈ N gilt:
f (m · n) = f (m) · f (n).
S ATZ 13
Sei f eine multiplikative arithmetische Funktion, für die gilt:
f (pn ) → 0,
(pn → ∞),
wobei p eine Primzahl ist und n ∈ N. (Das heisst: f (m) geht gegen 0, wenn m die
Menge der Primzahlpotenzen durchläuft.)
Dann gilt:
f (n) → 0,
(n → ∞).
B EWEIS
Sei ε > 0. Aus der Voraussetzung f (pn ) → 0 (pn → ∞) folgt, dass es Schranken A, B
(unabhängig von ε) und N (ε) gibt mit:
22
3. A RITHMETISCHE F UNKTIONEN
• Für alle Primzahlen p und n ∈ N gilt:
|f (pn )| < A.
• Für alle pn > B gilt:
|f (pn )| < 1.
• Für alle pn > N (ε) gilt:
|f (pn )| < ε.
Sei C die Anzahl der Primzahlpotenzen, die kleiner sind als B und sei P (ε) ∈ N die
grösste Zahl, deren Primzahlzerlegung nur Primzahlpotenzen pn enthält, die kleiner sind
als N (ε). Sei
n = pα1 1 · · · pαr r .
Da f multiplikativ ist, gilt
f (n) = f (pα1 1 ) · · · f (pαr r ).
Ist n > P (ε), so enthält die Primfaktorzerlegung von n mindestens eine Primzahlpotenz
grösser als N (ε). Also
|f (n)| < AC ε,
n > P (ε), mit AC unabhängig von ε und n. Das heisst
f (n) → 0,
(n → ∞).
2
S ATZ 14
P
Sei f eine multiplikative arithmetische Funktion. Sei n f (n) absolut konvergent.
Dann gilt:
(I)
X
f (n) =
n
Y
1 + f (p) + f (p2 ) + · · ·
p
(II) Das Produkt konvergiert absolut.
(III) Ist f vollständig multiplikativ, so ist
X
Y
f (n) =
(1 − f (p))−1 .
n
B EWEIS
p
(3.1)
3.2. D IE T EILERFUNKTION
23
(I) Seien
S=
X
Y
f (n) und P (x) =
n
1 + f (p) + f (p2 ) + · · · .
p≤x
P (x) ist das Produkt endlich vieler absolut konvergenter Reihen. Aus diesen Grund
dürfen wir ausmultiplizieren (mit der Multiplikativität von f ):
X
P (x) =
f (n∗ ),
n∗
wobei n∗ über alle n ∈ N läuft, die lauter Primfaktoren ≤ x enthalten.
Durchläuft ñ die natürlichen Zahen mit mindestens einem Primfaktor > x, so ist
ñ > x und
X
X
x→∞
f (ñ) ≤
|f (n)| −→ 0.
|S − P (x)| = n≥x
ñ
Also S = limx→∞ P (x).
P
(II) Aus der Analysis
wissen
wir:
Die
Konvergenz
der
Reihe
n |an | impliziert die KonQ
vergenz von n (1 + |an |).
X
X
f (p) + f (p2 ) + · · · ≤
|f (p)| + |f (p2 )| + · · ·
p≤x
p≤x
≤
X
|f (n)|
(3.2)
n
∗
= S <∞
Daraus folgt (II).
(III) Ist f vollständig multiplikativ, so gilt f (pm ) = (f (p))m . Jeder Faktor des Produkts
in (3.1) ist eine geometrische Reihe. Diese konvergiert für jedes p, da |f (p)| < 1
nach (3.2); also folgt (III) aus (I).
2
3.2
Die Teilerfunktion
D EFINITION
Die Teilerfunktion gibt die Anzahl positiver Teiler einer Zahl n ∈ N an:
X
d(n) =
1.
d|n
24
3. A RITHMETISCHE F UNKTIONEN
S ATZ 15
(I) Die Teilerfunktion d ist multiplikativ.
(II) Sei n > 1, n = pα1 1 pα2 2 · · · pαr r . Dann ist
d(n) :=
r
Y
(αj + 1).
j=1
B EWEIS
Übung.
2
S ATZ 16
(I) Zu jedem ∆ > 0 gibt es eine Folge natürlicher Zahlen (nj ) so, dass gilt:
d(nj )
j→∞
−→ ∞.
(log(nj ))∆
(II) Für jedes δ > 0 gilt
d(n) = o(nδ ).
Zu einem ε > 0 existiert ein N (ε), so dass gilt
d(n) < 2(1+ε)·log(n)/ log(log(n))
∀n ≥ N (ε),
aber es ist
d(n) > 2(1−ε)·log(n)/ log(log(n)))
für unendlich viele n ∈ N.
B EWEIS
(I) Sei ∆ > 0 gegeben und k = [∆] + 2. Sei
nj = (2 · 3 · 5 · · · pk )j .
Nach Satz 15(II) ist:
d(nj ) = (j + 1)k > j k
k
log nj
=
log(2 · 3 · · · pk )
3.2. D IE T EILERFUNKTION
25
= c · (log nj )k
≥ c (log nj )∆+1 .
mit einem von j unabhängigen c > 0. Damit ist
d(nj )
j→∞
∆
(log nj )
(II) Nach Satz 15(I) ist f (n) =
d(n)
nδ
multiplikativ.
f (pm ) =
≤
=
(weil
ln(x)
xδ
≥ c · log nj −→ ∞.
m+1
(pm )δ
2m log(p)
(pm )δ · log(p)
2 log(pm ) pm →∞
−→ 0
(pm )δ · log(p)
→ 0). Also gilt nach Satz 13:
f (n) =
d(n) n→∞
−→ 0.
nδ
2
Die Summatorische Funktion von d
D EFINITION
Die summatorische Funktion von d ist
D(N ) =
X
d(n).
n≤N
d(n) gibt die Anzahl der Gitterpunkte (x, y) im 1. Quadranten auf der Hyperbel x · y = n
an.
D(N ) gibt die Anzahl der Gitterpunkte (x, y) im 1. Quadranten auf oder unter der Hyperbel x · y = N an.
S ATZ 17
√
D(N ) = N · log N + (2γ − 1) · N + O( N ),
wobei γ die Eulersche Konstante bezeichnet.
26
3. A RITHMETISCHE F UNKTIONEN
Setze
D(N ) = N · log N + (2γ − 1) · N + R(N ).
Dann gilt nach Iwaniec und Mozzochi (1987):
R(N ) = O(N 7/22 ).
Genauer gilt nach V. Jarník (1971):
R(N ) 6= O (N · log N )1/4 .
Vermutung:
R(N ) = O N 1/4+ε ,
ε > 0.
B EMERKUNG : Es gibt viele Probleme mit dem Zählen von Gitterpunkten.
Etwa: Anzahl Gitterpunkte im Kreis:
A(r) = π · r2 + R(r).
B EWEIS
VON
S ATZ 17
y
B
N
y=x
F
÷N
1
A
G
E
C
÷N
N
x
1
D(N ) = 2·“Anzahl Gitterpunkte in ABGE“−„Anzahl Gitterpunkt in AF GE“ (wegen der
Symmetrie bezüglich der Geraden y = x).
X N h√ i2
D(N ) = 2 ·
−
N .
x
√
1≤x≤ N
Setze
N
N
Θx =
−
;
x
x
√
Θ=
N−
h√ i
N .
Wegen 0 ≤ Θx < 1 und 0 ≤ Θ < 1 gilt:
√ X
√
Θx ≤
N =O
N ,
√
1≤x≤ N
3.3. D IE σ-F UNKTION
27
√
2Θ N
= O
√ N ,
Θ2 = O(1).
Also mit Satz 3:
X
D(N ) = 2 ·
√
1≤x≤ N
N
−2
x
X
√
1≤x≤ N
√
Θx − N + 2Θ N − Θ2
√ 1
−N +O
N
√ x
1≤x≤ N
√ √
1
= 2 · N log N + γ + O √
−N +O
N
N
√ = N · log N + (2γ − 1) · N + O
N .
= 2·N ·
X
2
3.3
Die σ-Funktion
D EFINITION
(I) Die σ-Funktion
σ(n) =
X
d.
d|n
gibt die Summe der positiven Teiler von n ∈ N an.
(II) Eine Zahl a ∈ N heisst vollkommen, falls gilt:
σ(a) = 2a,
bzw.
X
d|a
d6=a
(III) Zwei Zahlen a, b ∈ N heissen befreundet, falls gilt
σ(a) = a + b = σ(b).
(Bsp.: 220 und 284).
(IV) Eine Mersenne-Zahl ist eine Zahl der Form
2n − 1,
B EISPIELE :
n ∈ N.
d = a.
28
3. A RITHMETISCHE F UNKTIONEN
Vollkommene Zahlen 6, 28, 496, 8128.
Befreundete Zahlen (220, 284), (18 416, 17 296).
Man kennt heute über 6 Millionen Paare befreundeter Zahlen.
S ATZ 18
(I) Die σ-Funktion ist multiplikativ.
(II) Sei n > 1 und n = pα1 1 · pα2 2 · · · pαr r . Dann ist
σ(n) =
r
Y
pαk k +1 − 1
.
pk − 1
k=1
B EWEIS
Übung.
2
S ATZ 19
Ist die Mersennezahl 2n+1 − 1 eine Primzahl, so ist die Zahl N = 2n (2n+1 − 1) vollkommen.
B EWEIS
Übung.
2
S ATZ 20
Jede gerade vollkommene Zahl N ist von der Form
N = 2n · p,
n ∈ N,
wobei p = 2n+1 − 1 eine Mersennsche Primzahl ist.
B EWEIS
Sei N = 2n · N 0 vollkommen, n ≥ 1, N 0 ungerade. Dann
σ(N ) = 2 · N
= 2n+1 · N 0
σ(N ) = σ(2n ) · σ(N 0 )
=
=
1 + 2 + 22 + · · · + 2n · σ(N 0 )
2n+1 − 1 σ(N 0 ),
3.3. D IE σ-F UNKTION
2n+1 · N 0 = 2n+1 − 1 · σ(N 0 ).
0 , da 2n+1 − 1 und 2n+1 teilerfremd sind.
Damit ist 2n+1 − 1 ein
Teiler
von
N
Setze N 0 = 2n+1 − 1 · N 00 . Dann ist mit (3.3):
1
0
00
0
N + N = N 1 + n+1
2
−1
n+1
2
· N0
=
2n+1 − 1 2n+1 − 1 · σ(N 0 )
=
(2n+1 − 1)
= σ(N 0 ).
29
(3.3)
Aber N 0 und N 00 sind Teiler von N , ihre Summe ist σ(N 0 ). Damit muss N 00 = 1 sein, und
N 0 = 2n+1 − 1 eine Primzahl, was zu zeigen war.
2
Offene Fragen
• Gibt es unendlich viele gerade vollkommene Zahlen? Oder äquivalent dazu: Gibt
es unendlich viele Mersennsche Primzahlen?
Die Vermutung ist: eher ja.
• Gibt es ungerade vollkommene Zahlen?
Wenn ja, dann sind sie grösser als 10400 und enthalten mindestens 8 verschiedene
Primfaktoren, und daher ist die Vermutung: eher nein.
• Gibt es unendlich viele Paare befreundeter Zahlen?
Vermutung: eher ja.
30
3. A RITHMETISCHE F UNKTIONEN
4K
ONGRUENZEN
D EFINITION
Seien a, b und m > 0 ganze Zahlen. Man nennt a kongruent b modulo m, schreibe
a≡b
(mod m),
falls gilt:
m|a − b
4.1
Bemerkungen zur allgemeinen Theorie
• Die Kongruenzrelation ist eine Äquivalenzrelation, d.h. symmetrisch, reflexiv und
transitiv.
• Für ein festes m ∈ N zerfällt N in Äquivalenzklassen bezüglich der Relation
≡
(mod m),
die Restklassen modulo m. Die Zahlen der Menge M = {0, 1, 2, . . . , m − 1} liegen
alle in verschiedenen Restklassen.
• Andererseits (Division mit Rest) gilt für jedes a ∈ N:
a = km + c
mit k ∈ N und 0 ≤ c < m, also c ∈ M .
• Also gibt es genau m Restklassen modulo m und die Zahlen 0, 1, 2, . . . , m−1 bilden
ein vollständiges Repräsentantensystem, das vollständige Restklassensystem modulo
m.
• Restklassen, welche zu m teilerfremde Zahlen enthalten heissen prime Restklassen.
Alle zu m primen Zahlen k < m bilden zusammen wiederum ein vollständiges
primes Restklassensystem.
32
4. KONGRUENZEN
D EFINITION : E ULERSCHE ϕ-F UNKTION
ϕ(n) = Anzahl der zu n ∈ N teilerfremden Zahlen kleiner n
ϕ(n) = Anzahl primer Restklassen modulo m
B EMERKUNG : (ohne Beweis/ Übungen)
(I) Die primen Restklassen modulo m bilden eine abelsche Gruppe bzgl. der Multiplikation.
(II) Die Restklassen modulo einer Primzahl bilden einen Körper.
(III) Die ϕ-Funktion ist multiplikativ.
P
(IV) Es ist d|n ϕ(d) = n.
(V) Ist n = pα1 1 · pα2 2 · . . . · pαr r , so ist
ϕ(n) = n(1 −
1
1
1
)(1 − ) . . . (1 − ).
p1
p2
pr
Speziell ist ϕ(pm ) = pm − pm−1 .
Rechnen mit Kongruenzen
Ist a ≡ b
(mod m) und c ≡ d
(mod m), dann gilt
a±c≡b±d
(mod m)
und
ac ≡ bd
(mod m).
Kongruenzen können addiert, subtrahiert und multipliziert werden.
Aber: Kongruenzen können nicht dividiert werden.
B EISPIEL : 2 ≡ 12
(mod 10) und 2 ≡ 2
(mod 10), aber 1 6≡ 6
(mod 10).
Voraussetzung: a1 , a2 , . . . , aϕ(m) bilden ein primes Restklassensystem modulo m.
Sei (a, m) = 1.
Behauptung: aa1 , aa2 , . . . , aaϕ(m) bilden auch ein primes Restklassensystem modulo m.
B EWEIS
Zeige:
Keine zwei der Zahlen aaj , j = 1, 2, . . . , ϕ(n), sind kongruent modulo m.
Beweis:
Annahme: für j 6= k gilt: aaj ≡ aak (mod m).
Dann ist a(aj − ak ) ≡ 0 (mod m). Das ist ein Widerspruch, da aj 6≡ ak (mod m) und
(a, m) = 1.
2
4.1. B EMERKUNGEN
ZUR ALLGEMEINEN
T HEORIE
33
Daraus lässt sich der Satz von Euler herleiten: Dann nach den obigen Überlegungen gilt:
a1 a2 · · · aϕ(m) ≡ aa1 aa2 . . . aaϕ(m)
(mod m).
Also
(aϕ(m) − 1)a1 a2 · · · aϕ(m) ≡ 0
(mod m).
Aber a1 , a2 , . . . , aϕ(m) sind teilerfremd zu m, also muss gelten aϕ(m) − 1 ≡ 0
S ATZ 21: E ULER
Ist (a, m) = 1, so gilt aϕ(m) ≡ 1
(mod m).
(mod m).
Speziell für m = p prim gilt ϕ(p) = p − 1.
S ATZ 22: K LEINER S ATZ VON F ERMAT
Sei p eine Primzahl und (a, p) = 1. Dann gilt:
ap−1 ≡ 1
(mod p).
B EMERKUNG : Die Umkehrung von Satz 22 gilt nicht: Es gibt Zahlen n, für die gilt
an−1 ≡ 1
(mod n)
für alle a mit (a, n) = 1, aber n ist keine Primzahl. Solche Zahlen heissen Carmichaelzahlen . Kleinste Carmichaelzahl: 561 = 3 · 11 · 17.
Es ist eine offene Frage, ob es unendlich viele Carmichaelzahlen gibt.
Nach Satz 22 gilt: Die Kongruenz xp−1 ≡ 1 (mod p) hat die Lösungen x = 1, 2, . . . , p−1.
Dasselbe gilt für (x − 1)(x − 2) · · · (x − (p − 1)) ≡ 0 (mod p). Da eine polynomielle
Kongruenz höchstens so viele Lösungen hat, wie ihr Grad ausgibt (ohne Beweis), gilt
identisch in x:
xp−1 − 1 ≡ (x − 1)(x − 2) . . . (x − (p − 1))
Ein Vergleich der konstanten Terme ergibt:
S ATZ 23: K RITERIUM VON W ILSON
Genau dann, wenn p eine Primzahl ist, gilt
(p − 1)! ≡ −1
(mod p).
(mod p).
34
4. KONGRUENZEN
B EMERKUNG : zu „genau dann“:
Ist n = ab zusammengesetzt, so ist
(n − 1)! 6≡ −1 (mod n).
Denn für n > 4 und falls
• a 6= b, so ist a < n − 1 und b < n − 1, also ab|(n − 1)!
• a = b, so ist a < n − 1 und 2a < n − 1, also a2 |(n − 1)!
Zudem gilt für n = 4: (4 − 1)! = 3! = 6 6≡ −1
4.2
(mod 4).
Anwendung: Primzahlsuche
B EMERKUNG :
(I) Ist a = u · v zusammengesetzt, so ist
2a − 1 = (2u − 1)(1 + 2u + (2u )2 + . . . + (2u )v−1 )
zusammengesetzt.
(II) Seien m, n und x natürliche Zahlen mit (m, n) = 1. Dann sind
r = 1 + x + x2 + . . . + xm−1
und
s = 1 + x + x2 + . . . + xn−1
teilerfremde natürliche Zahlen.
(III) Seien a, b ∈ N. Dann ist (2a − 1, 2b − 1) = 2(a,b) − 1.
B EWEIS
(I) Übung.
(II) Beweis mit dem Euklidschen Algorithmus: Sei d = (r, s). Es ist r = kx + 1 und
s = jx + 1 mit k, j aus N. Daher (d, x) = 1. O. B. d. A. m > n. Dann r − s = xn (1 +
x + x2 + . . . + xm−n−1 ). Mit d|r und d|s und (d, x) = 1 folgt: d teilt die „kürzere“
geometrische Reihe in der Klammer. Mit (n, m − n) = 1 wende das Verfahren
erneut an. Im Exponenten läuft der euklidische Algorithmus zur Bestimmung von
(m, n) = 1. Es folgt schliesslich d|1, also ist (r, s) = 1.
4.2. A NWENDUNG : P RIMZAHLSUCHE
35
(III) Sei (a, b) = g. Dann folgt mit teilerfremden u, v:
a = g · u,
b = g · v.
Mit (I) folgt
(2a − 1) = (2g − 1)(1 + 2g + (2g )2 + . . . + (2g )u−1 )
und
(2b − 1) = (2g − 1)(1 + 2g + (2g )2 + . . . + (2g )v−1 ).
Nach (II) sind die letzten beiden Klammern teilerfremd, also gilt
(2a − 1, 2b − 1) = 2g − 1.
2
S ATZ 24
Falls für eine Primzahl p gilt:
t|(2p − 1),
so ist
t≡1
(mod p)
B EISPIELE :
(I) 211 − 1 = 23 · 89
In der Tat:
23 = 1
(mod 11)
89 = 1
(mod 11)
(II) Ist 219 − 1 prim?
Falls gilt t|(219 − 1),√so ist t ≡ 1 (mod 19). Es genügt, die Teilbarkeit für Primzahlen kleiner als 219 − 1 mit q ≡ 1 (mod 19) nachzuprüfen. Es gibt nur 5
Möglichkeiten:
q = 191, 229, 419, 571, 647
Keine teilt 219 − 1, also liegt eine Primzahl vor.
36
4. KONGRUENZEN
B EWEIS VON S ATZ 24
Für q1 ≡ 1 (mod p) und q2 ≡ 1
(mod p) gilt
q1 q2 ≡ 1
(mod p).
Es genügt, den Satz für t = q prim zu beweisen. Sei also q prim mit q|(2p − 1). Nach
Satz 22 gilt:
2q−1 ≡ 1 (mod q).
Also q|(2q−1 − 1). Nach der Bemerkung (III) gilt
q| 2(p,q−1) − 1 .
Aber
(p, q − 1) = p
oder
(p, q − 1) = 1,
da p prim ist.
Aus (p, q − 1) = 1 würde q|(2 − 1) folgen, aber q = 1 ist ein Widerspruch. Also ist
(p, q − 1) = p, deshalb gilt q ≡ 1 (mod p).
2
4.3
Anwendung: Der Vierquadratesatz von Lagrange
S ATZ 25
Zu jeder Primzahl p, p 6= 2, existieren natürliche Zahlen x, y und m mit
1 + x2 + y 2 = m · p,
0 < m < p.
B EWEIS
• Vorbereitung:
Für j = 1, 2 seien vj ∈ Z, v1 > v2 und 0 ≤ vj ≤ 12 (p − 1). Dann gelten
(a) v1 2 6≡ v2 2
(mod p),
2
(b) −1 − v2 6≡ −1 − v1 2
(mod p).
Denn für beide Vorzeichen gilt 0 < v1 ± v2 ≤ p − 1. Da p prim ist, folgt
v1 2 − v2 2 = (v1 + v2 )(v1 − v2 ) 6≡ 0
⇒ (a) und somit auch (b).
(mod p).
4.3. A NWENDUNG : D ER V IERQUADRATESATZ
VON
L AGRANGE
37
• Beweis von Satz 25:
Die 12 (p + 1) Zahlen x2 mit 0 ≤ x ≤ 12 (p − 1) und die 12 (p + 1) Zahlen −1 − y 2
mit 0 ≤ y ≤ 12 (p − 1) sind nach (a) und (b) paarweise inkongruent modulo p.
Zusammen sind es p + 1 Zahlen. Da es nur p Restklassen modulo p gibt, muss eine
Zahl der 1. Menge kongruent zu einer der 2. Menge sein. Somit existieren x, y
∈ Z mit x2 ≡ −1 − y 2 (mod p), d.h. mit 1 + x2 + y 2 = m · p, m ∈ Z. Aber da
1 + x2 + y 2 ≤ 1 + 42 (p − 1)2 < p2 ist, ist dabei 0 < m < p.
2
S ATZ 26: L AGRANGE , 1770
Jede natürliche Zahl ist Summe von höchstens 4 Quadraten.
B EWEIS
Zeige:
(I) Es ist
(x1 2 + x2 2 + x3 2 + x4 2 )(y1 2 + y2 2 + y3 2 + y4 2 ) = (z1 2 + z2 2 + z3 2 + z4 2 )
(4.1)
mit
z1
z2
z3
z4
= x1 y1 + x2 y2 + x3 y3 + x4 y4
= x1 y2 − x2 y1 + x3 y4 − x3 y4
= x1 y3 − x3 y1 + x4 y2 − x2 y4
= x1 y4 − x4 y1 + x2 y3 − x3 y2
(4.2)
(II) Es genügt, den Satz für Primzahlen p > 2 zu beweisen.
(III) Sei p > 2 eine gegebene Primzahl. Sei m0 die kleinste Zahl – die nach Satz 25
existiert – mit der Eigenschaft
x1 2 + x2 2 + x3 2 + x4 2 = m0 p.
(4.3)
Zu zeigen: m0 = 1
Beweis: indirekt (Annahme: m0 > 1) über die folgenden Punkte.
(IV) m0 ist eine ungerade Zahl.
(V) Für j = 1, 2, 3, 4 ist
xj = bj m0 + yj ,
mit |yj | <
m0
2
bj , yj ∈ Z
und yj 6= 0 für mindestens ein j.
(4.4)
38
4. KONGRUENZEN
(VI) Es gibt ganze Zahlen z1 , z2 , z3 , z4 mit
z1 2 + z2 2 + z3 2 + z4 2 = m0 2 m1 p,
(4.5)
wobei 0 < m1 < m0 und
z1 ≡ z2 ≡ z3 ≡ z4 ≡ 0
(4.6)
(mod m0 ).
(VII) Aus (VI) folgt ein Widerspruch zur Minimalität von m0 .
Beweis:
(I) nachrechnen
(II) folgt aus (I)
(III)
(IV) Wäre m0 gerade, so wären x1 , x2 , x3 , x4 alle gerade oder alle ungerade oder genau
O. B. d. A. x1 , x2 gerade und x3 , x4 ungerade. In allen drei Fällen liesse sich m20 p
als Summe von 4 Quadraten schreiben
m0
p=
2
x1 + x2
2
2
+
x1 − x2
2
2
+
x3 + x4
2
2
+
x3 − x4
2
2
.
(Unter unseren Voraussetzungen sind alle diese Summanden ganzzahlig)
Das ist ein Widerspruch zur Minimalität von m0 .
⇒ m0 ist ungerade.
(V) Falls die Division mit Rest von xj folgendes ergibt
xj = b̃j · m0 + ỹj ,
wobei
m0
< ỹj < m0
2
(in der 1. Abschätzung kann ein Gleichheitszeichen nicht auftreten, da m0 ungerade ist), so erhält man aus
xj = (b̃j + 1)m0 + ỹj − m0
die gewünschte Darstellung mit yj = ỹj − m0 . Nicht alle y1 , . . . , y4 sind 0, sonst
würde gelten xj ≡ 0 (mod m0 ), j = 1, 2, 3, 4. Mit (4.3) würde folgen m0 |p. Das
ist ein Widerspruch zu 0 < m0 < p.
4.3. A NWENDUNG : D ER V IERQUADRATESATZ
VON
L AGRANGE
39
(VI) Nach (V) gilt
y 1 2 + y 2 2 + y3 2 + y 4 2 < 4
m 2
0
2
= m0 2 .
(4.7)
Aus (4.4) folgt
xj ≡ yj
(mod m0 ),
j = 1, 2, 3, 4 und aus (4.3) folgt
y1 2 + y2 2 + y 3 2 + y4 2 ≡ 0
(mod m0 ).
Damit hat man ganze Zahlen x1 , . . . , x4 und y1 , . . . , y4 mit
x1 2 + x2 2 + x3 2 + x4 2 = m0 p
y1 2 + y2 2 + y3 2 + y4 2 = m1 m0 ,
wobei nach (4.7) gilt 0 < m1 < m0 . Aus (4.1) folgt (4.5). Mit (4.2) und (4.4) folgt
z1 =
4
X
xj yj =
j=1
4
X
xj (xj − bj m0 ) ≡
j=1
4
X
xj 2 ≡ 0
(mod m0 ).
j=1
Analog für z2 , z3 , z4 .
(VII) Mit (4.6): zj = tj m0 , tj ∈ Z, j = 1, 2, 3, 4.
Eingesetzt in (4.5): t1 2 + t2 2 + t3 2 + t4 2 = m1 p, 0 < m1 < m0 . Das ist ein Widerspruch zur Minimalität von m0 . Also ist m0 = 1.
2
B EMERKUNG :
(I) Schon für kleine p braucht man 4 Quadrate.
7 = 2 2 + 12 + 12 + 12
15 = 32 + 22 + 12 + 12
(II) Der Satz von Lagrange steht am Anfang des Problems von Waring-Hilbert.
Zu jeder ganzen Zahl k ≥ 2 gibt es eine natürliche Zahl g(k), so dass jedes n ∈ N
als Summe von höchstens g(k) k-ten Potenzen geschrieben werden kann.
Für alle k < 417 600 000 ist das bestmögliche g(k)
" #
3 k
g(k) = 2k +
− 2.
2
Allgemein ist
" #
3 k
g(k) > 2k +
−2
2
nur für endlich viele k möglich.
40
4. KONGRUENZEN
5D
ER
P RIMZAHLSATZ
D EFINITION
Sei
π(x) =
X
1
p≤x
die Anzahl der Primzahlen kleiner oder gleich x.
Der Primzahlsatz besagt dann, dass
π(x) ∼
5.1
x
.
log x
Die Chebishev-Funktionen
D EFINITION
Die Chebishev-Funktionen sind:
Θ(x) =
X
log p,
p≤x
ψ(x) =
X
log p.
pm ≤x
Die Summe in ψ ist zu erstrecken über alle Primzahlen p und alle m ∈ N mit pm ≤ x.
B EISPIEL :
ψ(10) = 3 log 2 + 2 log 3 + log 5 + log 7.
B EMERKUNG : Es ist
ψ(x) = Θ(x) + Θ(x1/2 ) + Θ(x1/3 ) + . . .
X log x ψ(x) =
· log p,
log p
p≤x
42
5. D ER P RIMZAHLSATZ
denn pj ≤ x ⇔ p ≤ x1/j und log p erscheint genau m = [log x/ log p] mal, falls gilt
pm ≤ x < pm+1 .
S ATZ 27
Seien
π(x)
,
x→∞ x/ log(x)
Θ(x)
,
= lim inf
x→∞
x
ψ(x)
= lim inf
,
x→∞
x
`1 = lim inf
`2
`3
und entsprechend
π(x)
,
x/
log(x)
x→∞
Θ(x)
= lim sup
,
x
x→∞
ψ(x)
= lim sup
.
x
x→∞
L1 = lim sup
L2
L3
Dann ist
`1 = `2 = `3
und L1 = L2 = L3 .
B EWEIS
Zeige:
Die Behauptung L1 = L2 = L3 folgt aus
(I) L2 ≤ L3 ≤ L1 und
(II) L2 ≥ α · L1 für alle α mit 0 < α < 1.
Beweis:
(I) Es ist
Θ(x) ≤ ψ(x)
X log x
≤
log p
log p
p≤x
X
= log x
1
p≤x
= log x · π(x).
Division durch x liefert L2 ≤ L3 ≤ L1 .
5.2. D IE R IEMANNSCHE Z ETA -F UNKTION
43
(II) Sei α ∈ (0, 1) fest und x > 1. Dann ist
Θ(x) ≥
X
log p.
xα ≤p≤x
Also mit log p ≥ α · log x:
X
Θ(x) ≥ α · log x
1
xα ≤p≤x
= α · log x (π(x) − π(xα ))
≥ α · log x (π(x) − xα ) .
Damit
Θ(x)
x
π(x) log x
− α · xα−1 log x
x
π(x) · log x
= α·
+ O(1).
x
≥ α·
Das beweist L2 ≥ α · L1 .
2
Mit Satz 27 erhalten wir dann die Äquivalenz des Primzahlsatzes
π(x) x→∞
−→ 1,
x/ log x
mit:
ψ(x) x→∞
−→ 1.
x
5.2
Die Riemannsche Zeta-Funktion
Im folgenden sei s ∈ C und zwar mit den Komponenten σ, t ∈ R:
s = σ + i · t.
Für n = 1, 2, . . . ist |n−s | = n−σ . Für σ > 1 ist also die Reihe
∞
X
1
ns
n=1
absolut und gleichmässig konvergent in σ ≥ 1 + δ > 1.
44
5. D ER P RIMZAHLSATZ
Da die Summanden n−s = e−s log n für n = 1, 2, . . . analytische Funktionen sind, folgt
mit dem Konvergenzsatz von Weierstrass:
∞
X
1
ns
n=1
stellt eine in der Halbebene σ > 1 analytische Funktion dar.
D EFINITION
Die Riemannsche Zetafunktion ist
ζ(s) =
∞
X
1
,
ns
σ > 1.
n=1
S ATZ 28
Die Funktion ζ(s) ist analytisch für σ > 0 bis auf einen einfachen Pol bei s = 1 mit
Residuum 1.
Die Funktion ζ(s) genügt einer Funktionalgleichung, welche erlaubt ζ(1−s) durch ζ(s)
auszudrücken. Die Funktion ζ(s) ist analytisch in der ganzen s-Ebene, mit Ausnahme
eines Poles bei s = 1 mit Residuum 1. Es ist ζ(s) = 0 für s = −2k, k ∈ N und für
unendlich viele s mit 0 < σ < 1.
Riemannsche Vermutung: Ist ζ(s) = 0 und s nicht reell, so ist <s = σ = 21 .
B EWEIS
Zeige:
VON
S ATZ 28
(I) Für σ > 1 gilt
Z ∞
∞
X
[x]
1
ζ(s) =
=s
dx.
s
n
xs+1
1
n=1
(II) Für σ > 1 gilt
1
ζ(s) −
=1−s
s−1
Z
1
∞
{x}
dx.
xs+1
Dabei ist {x} = x − [x] der gebrochene Teil von x.
(III) Aus (II) folgt Satz 28.
Beweis:
5.2. D IE R IEMANNSCHE Z ETA -F UNKTION
45
(I) Sei s = σ + it, σ > 1. Setze in Satz 1: λn = n, an = 1, n = 1, 2, . . . und ϕ(x) = x−s .
Dann ist
ϕ0 (x) = −sx−s−1
A(x) = [x],
und
[x] x→∞
|A(x) · ϕ(x)| = σ −→ 0,
x
σ > 1.
Also: nach Satz 1(II) folgt (I).
(II) Setze in (I) [x] = x − {x}:
∞
∞
{x}
dx
s+1
x
1
1
Z
∞
∞
s
{x}
=
· x−s+1 − s
dx
1−s
xs+1
1
1
Z ∞
1
{x}
= 1+
−s
dx,
s−1
xs+1
1
Z
ζ(s) = s
−s
x
Z
dx − s
was (II) beweist.
(III) Da für alle x ∈ R gilt 0 ≤ {x} < 1, konvergiert das Integral in (II) absolut und
gleichmässig in jeder Halbebene σ ≥ δ > 0, stellt also eine in der Halbebene σ > 0
analytische Funktion dar.
Die Gleichung (II) gibt die analytische Fortsetzung der Funktion ζ(s) −
Halbebene σ > 0.
1
s−1
in die
2
S ATZ 29: E ULERSCHE P RODUKTDARSTELLUNG
Für σ > 1 gilt
Y
1 −1
ζ(s) =
1− s
.
p
p
B EWEIS
Satz 14 für die vollständige multiplikative Funktion f (n) = n−s .
2
B EMERKUNG : Aus Satz 29 folgt
ζ(s) 6= 0,
denn mit der Konvergenz von
ist damit 6= 0.
1
p ps ,
P
σ > 1,
σ > 1, konvergiert das Produkt
Q p
1−
1
ps
−1
und
46
5. D ER P RIMZAHLSATZ
D EFINITION
Die von Mangoldt-Funktion ist
Λ(n) =
n = pm , m ∈ N,
sonst.
log p
0,
S ATZ 30
Es gilt
(I)
X
ψ(x) =
Λ(n),
n≤x
(II)
∞
ζ 0 (s) X Λ(n)
−
=
,
ζ(s)
ns
σ > 1.
n=1
B EWEIS
(I) Folgt aus den Definitionen von Λ und ψ.
(II) Sei σ > 1. Nach Satz 29 ist:
log ζ(s) = −
X
p
log(1 − x) = −
m
log ζ(s) =
m,p
Mit
p−ms
0
,
|x| < 1
1
log 1 − s
p
X xm
X
m
1
.
mpms
(5.1)
0
= e−ms log p = −m log p · p−ms
folgt
∞
−
ζ 0 (s) X log p X Λ(n)
=
=
,
ζ(s)
pms
ns
p,m
n=1
denn wegen
X Λ(n) X log n
ns ≤
ns
n
n
σ > 1,
5.2. D IE R IEMANNSCHE Z ETA -F UNKTION
47
konvergiert die gliedweise differenzierte Reihe absolut und gleichmässig in jeder
Halbebene σ ≥ 1 + δ > 1.
2
S ATZ 31
Für σ > 1 gilt
ζ 0 (s)
−
=s
ζ(s)
∞
Z
1
ψ(x)
dx.
xs+1
B EWEIS
Setze in Satz 1 für n = 1, 2, . . .: λn = n, an = Λ(n), ϕ(x) = x−s .
Dann ist ϕ0 (x) = −s · x−s−1 und A(x) = ψ(x) nach Satz 30(I). Zudem nach Satz 27 für
genügend grosses x:
ψ(x)
xσ
π(x) · log x + 1
≤
xσ
1−σ
= O x
log x
|A(x)ϕ(x)| ≤
x → ∞, σ > 1.
= o(1),
Also nach Satz 1(II):
∞
ζ 0 (s) X Λ(n)
−
=
=s
ζ(s)
ns
n=1
denn
Z
∞
1
ψ(x)
dx, σ > 1,
xs+1
∞ ∞
X
Λ(n) X
log n
≤
ns nσ
n=1
n=1
2
konvergiert für σ > 1.
S ATZ 32: H ADAMARD , DE LA VALLÉE P OUSSIN
Es ist ζ(1 + it) 6= 0 für alle t ∈ R.
B EWEIS
Zeige:
(I)
3 + 4 cos α + cos 2α ≥ 0
∀α ∈ R.
48
5. D ER P RIMZAHLSATZ
(II) Mit
cn =
ist
log |ζ(s)| =
1
m,
n = pm , m ∈ N,
sonst.
0,
∞
X
cn
cos(t · log n),
nσ
s = σ + it,
σ > 1.
n=1
(III)
3
ζ (σ)ζ 4 (σ + it)ζ(σ + 2it) ≥ 1,
σ > 1.
(IV)
ζ(σ + it) =∞
lim σ−1 σ→1+
∀t ∈ R,
(V) Aus (IV) folgt Satz 32.
Beweis:
(I)
3 + 4 cos α + cos 2α = 2 + 4 cos α + 2 cos2 α
= 2 1 + 2 cos α + cos2 α
= 2 (1 + cos α)2
≥ 0.
(II) Nach (5.1) gilt für σ > 1:
∞
log ζ(s) =
X
m,p
X cn
1
=
.
mpms
ns
n=1
Mit log z = log |z| + i · arg z, d. h.
log |z| = <(log z),
z∈C
und
cn
ns
=
=
=
folgt (II).
cn
· n−it
nσ
cn −i log n·t
e
nσ
cn
(cos(t · log n) − i · sin(t · log n))
nσ
5.2. D IE R IEMANNSCHE Z ETA -F UNKTION
49
(III) Mit (II) und (I) folgt, da cn ≥ 0:
log |ζ 3 (σ) · ζ 4 (σ + it) · ζ(σ + 2it)| = 3 · log |ζ(σ)| + 4 · log |ζ(σ + it)|
+ log |ζ(σ + 2it)|
∞
X
cn
(3 + 4 · cos(t log n) + cos(2t log n))
=
nσ
n=1
≥ 0.
Daraus folgt (III).
(IV) Mit (III):
ζ(σ + it) 4
· |ζ(σ + 2it)| ≥ 1 .
|(σ − 1)ζ(σ)|3 · σ−1 σ−1
(5.2)
Nach Satz 28:
lim |(σ − 1) · ζ(σ)| = 1
σ→1+
und für t 6= 0:
lim |ζ(σ + 2it)| = |ζ(1 + 2it)| ∈ R.
σ→1+
Daraus folgt (IV). (Weil in (5.2) die rechte Seite gegen unendlich geht und die zwei
äusseren Faktoren links endlich sind).
(V) Annahme: Es gibt ein t ∈ R, t 6= 0, so dass ζ(1 + it) = 0.
Mit der Regel von Bernoulli-de l’Hôpital (beachte: der Nenner ist reell, zerlege ζ(σ+
it) in Real- und Imaginärteil) und Satz 28 folgt
lim
σ→1+
ζ(σ + it)
= ζ 0 (1 + it) ∈ C,
σ−1
im Widerspruch zu (IV) (ζ ist analytisch, also |ζ 0 | < ∞). Die Annahme ist also nicht
haltbar, das beweist Satz 32.
2
S ATZ 33
Die Funktion
−ζ 0 (s)
sζ(s)
ist analytisch für σ ≥ 1 mit Ausnahme eines Pols bei s = 1 mit Residuum 1.
B EWEIS
50
5. D ER P RIMZAHLSATZ
Nach Satz 28 hat die Funktion ζ(s) einen einfachen Pol mit Residuum 1, also auch die
negative logarithmische Ableitung und damit die Funktion
−ζ 0 (s)
.
sζ(s)
Zudem ist diese Funktion nach Satz 28 und Satz 29 (ζ(s) 6= 0 für σ > 1) und Satz 32
sonst analytisch für σ ≥ 1.
2
5.3
Der Satz von Wiener-Ikehara
S ATZ 34: W IENER -I KEHARA
Sei A eine nicht fallende, nicht negative Funktion auf [0, ∞). Sei die LaplaceTransformierte
Z ∞
f (s) =
A(x)e−xs dx,
<s = σ > 1.
0
Sei f (s) analytisch für σ ≥ 1 mit Ausnahme eines Pols bei s = 1 mit Residuum 1.
Dann gilt
A(x)
lim
= 1.
x→∞ ex
B EWEIS
Zeige:
Setze
B(x) = A(x)/ex ,
g(s) = f (s) −
1
,
(s − 1)
gε (t) = g(1 + ε + it).
(I) (a)
Z
2λ
i(y−x)t
e
−2λ
|t|
1−
2λ
dt =
2 sin2 (λ(y − x))
,
λ(y − x)2
(b)
Z
∞
−∞
sin2 v
dv = π.
v2
(II) Für −a ≤ v ≤ a gilt:
(a)
a −2a/λ
v
B y−
≥B y−
e
,
λ
λ
5.3. D ER S ATZ
VON
W IENER -I KEHARA
51
(b)
v
a 2a/λ
B y−
≤B y+
e
.
λ
λ
(III)
∞
Z
(B(x) − 1)e−(ε+it)x dx
0
konvergiert für jedes feste ε > 0 gleichmässig auf dem Intervall −2λ ≤ t ≤ 2λ.
(IV)
2λ
|t|
gε (t) 1 −
2λ
−2λ
Z
Z
iyt
∞
e dt = 2
(B(x) − 1) e−εx
0
sin2 (λ(y − x))
dx.
λ(y − x)2
(V)
2λ
|t|
g(1 + it) 1 −
2λ
−2λ
Z
∞
Z
iyt
e dt = 2
B(x)
0
Z
∞
2
0
sin2 (λ(y − x))
dx −
λ(y − x)2
sin2 (λ(y − x))
dx.
λ(y − x)2
(VI)
y→∞
λy
v sin2 v
B y−
dv = π.
λ
v2
−∞
Z
lim
(VII)
−2a/λ
e
Z
a
lim sup B(y)
y→∞
−a
sin2 v
dv ≤ π.
v2
(VIII)
lim sup B(y) ≤ 1.
y→∞
(IX)
lim inf B(y) ≥ 1.
y→∞
Beweis:
(I)
|t|
ist
a) Benutze für ei(y−x)t die Eulersche Formel. sin x ist ungerade und 1 − 2λ
gerade. Dies ergibt ein Integral einer ungeraden Funktion über einen symmetrischen Integrationsbereich, ist also = 0. Es bleibt noch ein Integral mit
cos.
Lösen durch partielles Integrieren.
52
5. D ER P RIMZAHLSATZ
b) Sei
κ(x) =
1 − |x|, −1 ≤ x ≤ 1,
0,
sonst.
κ
b(α) =
sin2 ( α2 )
( α2 )2
Dann sind κ und κ
b aus L1 (−∞, ∞) und κ ist stetig auf (−∞, ∞).
Zudem
Z ∞
Z 1
iαx
κ(x)e
dx = 2
(1 − x) cos αx dx
−∞
0
1
sin αx
= 0+2
dx
α
0
Z 1
αx
sin( αx
2 ) cos( 2 )
= 4
dx
α
0
sin2 ( α2 )
=
( α2 )2
= κ
b(α)
Z
⇒κ
b ist die Fouriertransformierte von κ.
Nach der Umkehrformel ist
Z ∞
1
κ(x) =
κ
b(α)e−αx dα.
2π −∞
Für x = 0:
1
κ(0) = 1 =
2π
Z
∞
−∞
sin2 ( α2 )
1
α 2 dα =
π
(2)
Z
∞
−∞
sin2 v
dv
v2
(II) (a) Die Funktion A(x) = B(x)ex ist nach Voraussetzung monoton wachsend. Also
gilt für −a ≤ v ≤ a:
a
v
ey−a/λ B y −
≤ ey−v/λ B y −
λ
λ
a
v
B y−
≥ e(v−a)/λ B y −
λ
λ
a
−2a/λ
≥ e
B y−
.
λ
(b) Analog
5.3. D ER S ATZ
VON
W IENER -I KEHARA
53
(III) Da A nicht negativ und monoton wachsend ist, gilt für ein reelles v und x > 0:
Z ∞
f (v) =
A(u)e−uv du
0
Z ∞
≥ A(x)
e−uv du
x
e−vx
≥ A(x)
.
v
Also A(x) ≤ f (v) · v · evx für jedes v > 1.
Da f (s) analytisch ist für σ > 1 folgt
A(x) = O(evx )
für alle v > 1.
Damit folgt, dass
ε
B(x)e−εx = O(e− 2 x )
für ε > 0. Daraus folgt (III).
(IV) Für σ > 1 ist
∞
Z
f (s) =
A(x)e−sx dx
0
und
1
=
s−1
Z
∞
e(1−s)x dx.
0
Also
1
g(s) = f (s) −
s
−
1
Z ∞
=
(B(x) − 1)e−(s−1)x dx.
0
Damit, wenn man beachtet, dass im 2. Schritt die Integrationen aufgrund von (III)
vertauscht werden dürfen:
Z
Z
1 2λ
|t|
1 2λ
ity
gε (t) 1 −
e dy =
·
2 −2λ
2λ
2 −2λ
Z ∞
|t|
ity
−(ε+it)x
1−
e
(B(x) − 1)e
dx dt
2λ
0
Z ∞
=
(B(x) − 1)e−εx ·
0
Z 2λ 1
|t|
i(y−x)t
1−
e
dt dx
2λ
−2λ 2
mit (I)a) ergibt (IV).
54
5. D ER P RIMZAHLSATZ
ε→∞
(V) Da g analytisch ist für σ ≥ 1 folgt gε (t) −→ g(1+it) gleichmässig auf dem Intervall
−2λ ≤ t ≤ 2λ.
Mit
2λ
|t|
gε (t) 1 −
lim ε → 0
2λ
−2λ
Z
iyt
e
2λ
|t|
dt =
g(1 + it) 1 −
2λ
−2λ
Z
eiyt dt
und (das Integral konvergiert gleichmässig in ε, 0 ≤ ε ≤ 1)
Z
lim
ε→0 0
∞
2
−εx sin (λ(y
− x))
dx =
λ(y − x)
e
Z
0
∞
sin2 (λ(y − x))
dx
λ(y − x)2
folgt, dass
Z
lim
ε→0
B(x)e−εx
sin2 (λ(y − x))
dx
λ(y − x)2
existiert. Da B(x) ≥ 0, ist der Integrand – als Funktion von ε – streng monoton
wachsend, für ε → 0 konvergiert das Integral gleichmässig auf dem Intervall 0 ≤
ε ≤ 1. Man darf die Integration und den Grenzwert vertauschen. Dann erhalten
wir (V) aus (IV) durch ε → 0.
(VI) Setze
(
g̃(t) =
g(t) 1 −
0,
|t|
2λ
, |t| ≤ 2λ,
sonst.
Dann g̃ ∈ L1 (−∞, ∞) und die linke Seite in (V) ist die Fouriertransformierte von
g̃. Nach dem Lemma von Riemann- Lebesgue strebt sie für y → 0 gegen 0. Mit
(I)b) ist
Z ∞
Z λy
sin2 (λ(y − x))
sin2 (v)
lim
dx
=
lim
dv = π.
y→∞ 0
y→∞ −∞
λ(y − x)2
v2
Damit folgt (IV) aus (V): Substituiere λ(y − x) = v; Grenzübergang y → ∞.
(VII) Mit (VI) und (II)(a) gilt für beliebiges a > 0 und y > λa , da B nicht negativ ist:
a
v sin2 (v)
B y−
dv
λ
v2
y→∞
−a
Z
a −2a/λ a sin2 (v)
= lim sup B y −
e
dv.
λ
v2
y→∞
−a
Z
π ≥ lim sup
Da für festes a und λ gilt
a
lim sup B y −
= lim sup B(y)
λ
y→∞
y→∞
folgt (VII) aus (VI).
5.4. D ER P RIMZAHLSATZ
55
(VIII) Lässt man in (VII) a und λ gegen ∞ gehen, so dass gilt
a
→ 0,
λ
so folgt (VIII) aus (VII) mit (I)(b):
Z ∞
sin(v)
dv = π lim sup B(y) ≤ π.
lim sup B(y)
v
y→∞
y→∞
−∞
(IX) Nach (VIII) existiert ein c > 0 mit |B(x)| ≤ c für alle x. Also für festes a > 0 und
λ > 0 und y > λa folgt mit (VI) und (II)(b):
λy
v sin2 v
π = lim inf
B y−
dv
y→∞
λ
v2
−∞
Z a
Z ∞
Z a v sin2 (v)
sin2 (v)
≤ c
+
dv
+
lim
inf
B
y
−
dv
y→∞
v2
λ
v2
−∞
a
−a
Z a
Z ∞
Z
sin2 (v)
a 2a/λ a sin2 (v)
≤ c
+
dv + lim inf B y +
e
dv
y→∞
v2
λ
v2
−a
−∞
a
Z a
Z ∞
Z a
sin2 (v)
sin2 (v)
2a/λ
≤ c
+
dv
+
lim
inf
B
(y)
e
dv.
y→∞
v2
v2
−∞
a
−a
Z
Wieder a → ∞, λ → ∞, so dass
a
λ
→ 0.
(IX) folgt mit (I)(b).
2
5.4
Der Primzahlsatz
S ATZ 35: P RIMZAHLSATZ : H ADAMARD , DE LA VALLÉE P OUSSIN (1896)
Für
X
π(x) =
1
p≤x
gilt
π(x) ∼
x
.
log x
B EWEIS
Die Funktion ψ ist nicht fallend und nicht negativ. Wähle im Satz 34 A(x) = ψ(ex ).
56
5. D ER P RIMZAHLSATZ
Dann ist mit Satz 31 für σ > 1:
Z ∞
Z
ψ(ex )e−xs dx =
f (s) =
∞
ψ(u)u−s−1 du =
1
0
−ζ 0 (s)
sζ(s)
Nach Satz 33 erfüllt f (s) die Voraussetzungen des Satzes von Wiener-Ikehara; also
A(x) = ψ(ex ) ∼ ex
ψ(x) ∼ x.
Mit Satz 27 folgt der Primzahlsatz:
π(x) ∼
x
.
log x
2
B EMERKUNG :
(I) Der Primzahlsatz besagt:
x
π(x) =
+o
log x
Aber:
x
π(x) 6=
+O
log x
Sei
Z
Li (x) =
2
x
x
log x
x
(log x)3
(5.3)
.
.
dt
.
log t
Dann ist nach A. Walfisz:
n
o
π(x) = Li (x) + O x exp −c(log x)2/5 (log(log x))−1/5 ,
Unter Annahme der Riemannschen Vermutung gilt:
π(x) = Li (x) + O x1/2 log x .
c > 0.
(5.4)
Gauss vermutete, dass für alle x > 0:
π(x) − Li (x) > 0,
aber Littlewood zeigte, dass π(x) − Li (x) das Vorzeichen unendlich oft wechselt.
(II) Der entscheidende Beitrag von Hadamard und de la Vallée Poussin war Satz 32.
Beide haben eine etwas bessere Abschätzung als in (5.3) bewiesen.
(III)
5.4. D ER P RIMZAHLSATZ
57
1
2
0
1
Aussagen über nullstellenfreie Gebiete der ζ-Funktion sind eng verknüpft mit Aussagen über die Primzahlverteilung:
• Es gilt: (5.3) ist äquivalent zum Primzahlsatz.
• Die Aussage ζ(s) 6= 0 für t ≥ 3 und σ ≥ 1 − (logAt)α mit A > 0 und α >
(Vinogradov, Korolov, 1958) ist äquivalent zum Resultat von Walfisz.
2
3
• Die Riemannsche Vermutung ist äquivalent zu (5.4).
(IV) Knappe Geschichte des Primzahlsatzes:
1. Euklid (ca. 300 v. Chr.) und Euler:
x→∞
π(x) −→ ∞.
2. Gauss (1792) und Legendre vermuteten:
π(x) ∼
x
.
log x
3. Chebishev (1852):
0.92 ·
x
x
< π(x) < 1.10 ·
,
log x
log x
x > 30.
4. Riemann studierte ζ(s) auf C.
5. Hadamard und de la Vallée Poussin (1896) bewiesen mit nicht elementaren
Methoden:
x
π(x) ∼
.
log x
6. Erdős und Selberg (1949) bewiesen den Primzahlsatz elementar, d. h. ohne
komplexe Analysis.
S ATZ 36
Es sei pn die n-te der nach Grösse geordneten Primzahlen. Dann gilt
pn ∼ n log n.
58
5. D ER P RIMZAHLSATZ
B EWEIS
Übung.
2
S ATZ 37
Zu beliebigem κ > 0 existiert ein N (κ), so dass für alle m > N (κ) gilt:
Zwischen m und (1 + κ)m liegt eine Primzahl.
B EMERKUNG : Sei ∆n = pn+1 − pn . Dann kann man Satz 37 auch formulieren als:
∆n = o(pn ).
Mozzochi (1987):
).
∆n = O(p0.547...
n
Unter der Annahme der Riemannschen Vermutung (Cramer):
∆n = O(p1/2
n log pn ).
Vermutung von Piltz (1884): ∆n = O(pεn ), ε > 0.
Vermutung von Cramer: ∆n = O (logp n)2 , wobei er bewies, dass ∆n 6= O(log pn ).
Vermutung:
lim inf ∆n = 2
n→∞
oder äquivalent dazu: Es gibt unendlich viele Primzahlzwillinge.
Man hat noch nicht bewiesen, dass gilt:
lim ∆n < ∞.
n→∞
B EWEIS VON S ATZ 37
Mit Satz 35 (Primzahlsatz) gilt:
π((1 + κ)x) ∼
Noch einmal Satz 35:
(1 + κ)x
(1 + κ)x
∼
.
log(1 + κ) + log x
log x
π((1 + κ)x)
∼ 1 + κ.
π(x)
D. h. für ein N (κ) und alle x > N (κ) gilt:
π((1 + κ)x)
π(x)
> 1+
π((1 + κ)x) − π(x) >
was den Satz beweist.
κ
,
2
κ
π(x) > 0,
2
2
5.4. D ER P RIMZAHLSATZ
59
B EMERKUNG : Im Satz 37 wird keine Aussage gemacht über N (κ) bei gegebenem κ. Satz
37 ist also ineffektiv.
S ATZ 38: P OSTULAT VON B ERTRAND (C HEBISHEV 1852)
Für jede natürliche Zahl n ≥ 2 liegt zwischen n und 2n eine Primzahl.
B EWEIS
Zeige:
Sei
N=
2n
n
=
(2n)!
.
(n!)2
(I)
22n
22n
√ <N < √ .
2 n
2n
(II) (a) Es gilt
Y
N=
pr p
p≤2n
mit
rp =
Mp X
2n
r=1
pr
n
−2 r
p
,
log 2n
und Mp =
.
log p
(b) Es ist rp ≤ Mp .
(III)

O(n) ≤ 2n log 2,
n ≥ 1,

O(x) =
X
log p .
p≤x
(IV)
O(2n) − O(n) ≥ log N − O
2n
3
− π(2n) log n.
(V) O(2n) − O(n) > 0 (somit hat man in diesem Intervall mindestens eine Primzahl)
für n ≥ 64. Für n < 64 kann man direkt nachrechnen.
Aus (V) folgt Satz 38.
2
60
5. D ER P RIMZAHLSATZ
6G
EOMETRIE DER
Z AHLEN
D EFINITION
(I) Ein Gitterpunkt ist ein Element von Zn , d. h. ein Element des n-dimensionalen
Euklidischen Raumes Rn mit ganzzahligen Koordinaten.
(II) Sei K eine Teilmenge von Rn . Für λ ∈ R sei
λK = {λx ∈ Rn x ∈ K}
(III) Eine Teilmenge K ⊂ Rn heisst beschränkt , falls es eine Konstante k gibt, so dass
für alle x = (x1 , . . . , xn ) ∈ K gilt:
|xj | ≤ k
∀ j = 1, . . . , n.
Eine Teilmenge K ⊂ Rn heisst symmetrisch (zum Ursprung), falls mit x ∈ K
auch −x ∈ K ist.
K ⊂ Rn heisst konvex , falls gilt: mit x ∈ K und y ∈ K ist auch λx + µy ∈ K,
für alle λ ≥ 0, µ ≥ 0 mit λ + µ = 1. (D. h. mit x ∈ K und y ∈ K ist auch die
Verbindungsstrecke in K.)
6.1
Fundamentale Sätze
S ATZ 39
Ist K ⊂ Rn konvex, symmetrisch und x, y ∈ K, so gilt:
(I) ηx ∈ K für alle η mit |η| ≤ 1.
(II) λx + µy ∈ K für alle λ, µ mit |λ| + |µ| ≤ 1.
(D.h. mit x und y ∈ K ist auch das ganze Parallelogramm mit Ecken ±x, ±y
aus K.)
62
6. G EOMETRIE
DER
Z AHLEN
B EWEIS
(I) K symmetrisch: Mit x ∈ K ist auch x∗ = −x in K.
Mit K konvex folgt (I).
(II) Für λ = 0 oder µ = 0 folgt (II) aus (I).
Seien λ 6= 0 und µ 6= 0. Sei ε1 = sign λ, ε2 = sign µ. Mit |λ| + |µ| ≤ 1 folgt aus (I)
x̃ = ε1 (|λ| + |µ|)x ∈ K,
ỹ = ε2 (|λ| + |µ|)y ∈ K.
Setze ρ =
|λ|
|λ|+|µ|
und σ =
|µ|
|λ|+|µ| .
Dann sind ρ > 0 und σ > 0 und ρ + σ = 1.
Mit K konvex gilt
K 3 ρx̃ + σỹ = ε1 |λ|x + ε2 |µ|y,
K 3 λx + µy.
2
S ATZ 40: L EMMA VON B IRKHOFF , 1914
Sei K ⊂ Rn messbar mit Volumen V (K) > 1. Dann existieren in K Punkte x und y
mit
x 6= y
und
x−y =g
ist ein Gitterpunkt.
B EWEIS
Für irgendeinen Gitterpunkt g setze
Eg = {x = (x1 , . . . , xn ) gν ≤ xν < gν + 1,
ν = 1, . . . , n} .
y
g
K
~
Kg
x
6.1. F UNDAMENTALE S ÄTZE
63
K g = K ∩ Eg
fg = {x − g x ∈ Kg }
K
(Translation um −g)S
S
Sei E0 = E. Wegen g Eg = Rn und Eg1 ∩ Eg2 = ∅ für g1 6= g2 ist g Kg = K und
P
P
fg ) = V (K) > 1 = V (E). Alle Mengen K
fg sind enthalten in E.
V (Kg ) =
V (K
g
g
g
g
Also muss es zwei Mengen K
g1 und Kg2 mit nichtleerem Durchschnitt geben.
Also gibt es Punkte x ∈ K und y ∈ K mit x 6= y und x − g1 = y − g2 . Damit ist
x − y = g1 − g2 = g 6= 0 ein Gitterpunkt.
2
S ATZ 41: E RSTER S ATZ VON M INKOWSKI , 1891
Sei K ⊂ Rn konvex, symmetrisch und messbar.
Ist das Volumen V (K) > 2n , so enthält K einen vom Ursprung verschiedenen Gitterpunkt.
B EWEIS
Mit K ist auch 12 K konvex und symmetrisch.
Zudem: V ( 12 K) = 21n V (K) > 1.
Nach Satz 40: Es gibt x ∈ 12 K und y ∈ 12 K mit x − y = g ein Gitterpunkt (6= 0).
Mit Satz 39 ist zudem 12 x − 21 y = 12 g ∈ 12 K.
Damit ist g 6= 0 und g ∈ K.
2
B EMERKUNG : Ersetzt man in Satz 41 V (K) > 2n durch
(I) V (K) ≥ 2n , so wird die Aussage falsch.
B EISPIEL : K = {x |xj | < 1,
j = 1, . . . , n}
(II) V (K) ≥ 2n und K abgeschlossen und beschränkt (kompakt), so bleibt die Aussage
richtig. (Beweis analog)
S ATZ 42
Gegeben: n × n-Matrix (ajk ) mit d = | det(ajk )| > 0 und positive Zahlen c1 , . . . , cn .
Dann: Die Ungleichungen
|aj1 x1 + aj2 x2 + . . . + ajn xn |
<
cj
≤
(≤ oder <)
(6.1)
für j = 1, . . . , n definieren im Rn = {x x = (x1 , . . . , xn )} einen Bereich K mit Volumen V (K) für den gilt:
64
6. G EOMETRIE
DER
Z AHLEN
(I) K ist
(a) beschränkt,
(b) konvex,
(c) symmetrisch,
(II) V (K) =
2n
d c1 c2 · · · cn .
B EWEIS
−1
Sei (αjk ) =
jk ) . Setze ξj = aj1 x1 + . . . + ajn xn , j = 1, . . . n. Dann ist | det(αjk )| =
P(a
n
und xj = k=1 αjk ξk .
1
d
(I) (a) Für alle x ∈ K und j = 1, . . . , n gilt mit (6.1)
|xj | ≤
n
X
|αjk ||ξk | ≤ max
1≤j≤n
k=1
n
X
|αjk |ck ,
k=1
also ist K beschränkt.
(b) Sei x ∈ K, y ∈ K und z = λx + µy mit λ ≥ 0 und µ ≥ 0 und λ + µ = 1.
Dann
|aj1 z1 + . . . + ajn zn | ≤ λ|aj1 x1 + . . . + ajn xn | + µ|aj1 y1 + . . . + ajn yn |
≤ max(|aj1 x1 + . . . + ajn xn |, |aj1 y1 + . . . + ajn yn |
≤ cj
(≤ oder <),
also auch z ∈ K. Das beweist (II)(b).
(c) Offensichtlich.
(II) Es ist
Z
V (K) =
Z
c1
dx1 . . . dxn =
K
Z
...
−c1
cn
1
| det(αjk )|dξ1 . . . dξn = 2n c1 . . . cn .
d
−cn
2
S ATZ 43: L INEARFORMENSATZ VON M INKOWSKI
Gegeben: n × n-Matrix (ajk ) mit d = | det(ajk )| > 0 und positive Zahlen c1 , . . . , cn .
Dann: Falls c1 c2 · · · cn ≥ d, so existieren ganze Zahlen g1 , . . . , gn , nicht alle 0, für
welche gilt:
|aj1 g1 + aj2 g2 + . . . + ajn gn | < cj ,
j = 1, . . . , n − 1,
|an1 g1 + an2 g2 + . . . + ann gn | ≤ cn .
6.2. E IN
NICHTLINEARES
P ROBLEM
65
B EWEIS
Sei ε > 0. Nach Satz 42 ist der durch
|aj1 x1 + aj2 x2 + . . . + ajn xn | < cj ,
j = 1, . . . , n − 1,
|an1 x1 + an2 x2 + . . . + ann xn | ≤ cn + ε
definierte Bereich Kε beschränkt, konvex und symmetrisch und er hat das Volumen
n
V (Kε ) = 2d c1 c2 . . . (cn + ε) > 2n .
Also existiert nach Satz 41 ein Gitterpunkt gε 6= 0 in Kε . Da Kε ⊂ K1 (ε ≤ 1), ist Kε
nach Satz 42 beschränkt. Also können nur endlich viele Gitterpunkte als gε auftreten.
Also muss für einen Gitterpunkt g0 = (g1 , . . . , gn ) gelten: gε = g0 für alle genügend
kleinen ε.
Damit erfüllt g0
|an1 g1 + an2 g2 + . . . + ann gn | ≤ cn ,
2
und das beweist den Satz 43.
6.2
Ein nichtlineares Problem
S ATZ 44
Gegeben: n × n-Matrix (ajk ) mit d = | det(ajk )| > 0. Sei
ξj = ξj (x1 , . . . , xn ) = aj1 x1 + . . . + ajn xn .
Dann: Es existieren ganze Zahlen g1 , . . . gn , nicht alle 0, so dass gilt
n
Y
|ξj (g1 , . . . , gn )| ≤
j=1
dn!
.
nn
Sei k > 0 und


n


Y
|ξj (x1 , . . . xn )| ≤ k .
B = B(k) = x = (x1 , . . . , xn )


j=1
Der Bereich B ist symmetrisch, aber nicht konvex. Er wird begrenzt durch verallgemeinerte Hyperbeln.
66
6. G EOMETRIE
DER
Z AHLEN
B EWEIS
Zeige:
Schreibe B einen möglichst grossen konvexen, symmetrischen Bereich K ein; wende
Satz 41 auf K an.
Sei


n


X
1
K = K(k) = x = (x1 , . . . , xn )
|ξj (x1 , . . . , xn )| ≤ nk n .


j=1
Zeige
(I) K ⊂ B
(II) Für m ∈ N und w > 0 sei


m


X
Km (w) = y = (y1 , . . . , ym ) ∈ Rm
|yj | ≤ w .


j=1
m
Dann hat Km (w) das Volumen V (Km (w)) = 2m wm! .
(III) Der Bereich K ist
(a) symmetrisch,
(b) konvex, und
(c) hat das Volumen V (K) =
2n nn k
dn! .
(IV) Aus (I), (III) folgt Satz 44.
Beweis:
(I) Nach der Ungleichung über das arithmetische und das geometrische Mittel ist für
tj ≥ 0, j = 1, . . . , n,

n
n
n
Y
X
1
tj ≤ 
tj  .
n
j=1
j=1
6.2. E IN
NICHTLINEARES
P ROBLEM
67
(Beweisidee: Bestimme nach Lagrange das Maximum der Funktion f (t1 , . . . , tn ) =
t1 t2 · · · tn unter der Nebenbedingung g(t1 , . . . , tn ) = t1 +t2 +. . .+tn −c = 0, c ≥ 0.)
Für jeden Punkt x ∈ K ist
n
Y
j=1
n
n
X
1
|ξj (x1 , . . . , xn )| ≤ 
|ξj (x1 , . . . , xn )| ≤ k,
n

j=1
das heisst mit x ∈ K ist x ∈ B; K ⊂ B.
(II) Induktion über m.
Verankerung: Für m = 1 ist V (K1 (w)) = 2w.
Induktionsvoraussetzung: V (Km−1 (w)) =
2m−1 wm−1
(m−1)! .
Dann
Z
V (Km (w)) =
dy1 . . . dym
Pm
j=1
Z
w
|yj |≤w
!
Z
dy2 . . . dym
=
Pm
−w
Z w
=
=
=
Also V (Km (w)) =
j=2
dy1
|yj |≤w−|y1 |
(Km−1 (w − |y1 |))dy1
Z w
2
(w − y1 )m−1 dy1
(m − 1)! 0
2m m
w .
m!
−w
2m−1
2m w m
m! .
Das beweist den Induktionsschritt und damit (II).
(III) (a) Klar
(b) Seien x ∈ K, y ∈ K und λ ≥ 0 mit λ + µ = 1. Sei z = λx + µy. Dann
n
X
|ξj (z1 , . . . , zn )| ≤ µ
n
X
j=1
|ξj (x1 , . . . , xn )| + λ
j=1
j=1
1
≤ (λ + µ)nk n
1
= nk n
Also: z ∈ K; K ist konvex.
(c) Mit (II) (siehe Beweis Satz 42)
Z
V (K) =
dx1 . . . dxn
K
n
X
|ξj (y1 , . . . , yn )|
68
6. G EOMETRIE
=
=
=
=
DER
Z AHLEN
Z
1
dξ1 . . . dξn
d K
Z
1
dξ1 . . . dξn
d Pnj=1 |ξj |≤nk n1
1
1
V (Kn (nk n ))
d
2n nn k
.
d n!
(IV) Nach (III) existiert nach Satz 41 ein Gitterpunkt g 6= 0 in K(k) und damit wegen
(I) in B(k), falls gilt V (K) ≥ 2n (beachte K ist beschränkt und abgeschlossen),
d.h. mit (III) c) falls gilt k ≥ dn!
nn .
Damit enthält B( dn!
nn ) einen Gitterpunkt g 6= 0.
2
B EMERKUNG :
(I) Nach Satz 43 existiert ein Gitterpunkt g = (g1 , . . . , gn ) 6= 0, so dass gilt:
1
|ξj (g1 , . . . , gn )| ≤ d n ,
j = 1, . . . , n. Also gibt es eine nichttriviale Lösung der Ungleichung
n
Y
|ξj (g1 , . . . , gn )| ≤ d.
j=1
Für n > 1 ist Satz 44 besser.
(II) Satz 44 bleibt richtig, wenn man
r
d
• −
für n = 2
5
d
• −
für n = 3
7
dn!
nn
ersetzt durch
(bewiesen von Davenport). Für n = 2 ist diese Aussage bestmöglich.
7D
IOPHANTISCHE
A PPROXIMATION
Diophantische Approximation ist die Annäherung reeller Zahlen durch rationale Zahlen.
B EISPIEL :
π ≈ 3.14 =
7.1
314
1
157
1
±
=
±
,
100 625
50
625
π≈
22
1
±
.
7
625
Approximation von n Zahlen
S ATZ 45: S ATZ VON D IRICHLET ÜBER DIOPHANTISCHE A PPROXIMATION
Seien α1 , . . . , αn reelle Zahlen. Zu jedem N > 1 gibt es
(I) ganze Zahlen q1 , q2 , . . . , qn und p so dass gilt:
1 ≤ max |qj | < N
1≤j≤n
und
|α1 q1 + · · · + αn qn − p| ≤
1
Nn
(der Ausdruck α1 q1 + · · · + αn qn liegt nahe bei der ganzen Zahl p).
(II) ganze Zahlen p1 , . . . , pn und q so dass gilt
1≤q<N
und
|αj q − pj | ≤
1
.
N 1/n
B EWEIS
Satz 45 folgt aus Satz 43 mit n + 1 anstelle von n, wenn man wählt
(I)


1
0
0

.. 
..
N,
j = 1, 2, . . . , n


.
.
(ajk ) = 
cj =

1
,
j =n+1
 0

n
1
0
N
α1 · · · αn −1
70
7. D IOPHANTISCHE A PPROXIMATION
(II)


α1
.. 
. 

−1 αn 
··· 0
1
−1
0
..
.


(ajk ) = 
 0
0
cj =
1
,
N 1/n
N,
j = 1, 2, . . . , n
j =n+1
2
Geometrische Interpretation: Satz 45 bedeutet geometrisch:
(I) Es gibt Gitterpunkte (q1 , . . . , qn , p) „nahe“ bei der Hyperebene
α1 x1 + α2 x2 + · · · + αn xn − xn+1 = 0.
(II) Es gibt Gittervektoren
(p1 , . . . , pn , q),
die angenähert parallel sind zum Vektor
(α1 , . . . , αn , 1).
7.2
Approximation einer Zahl
S ATZ 45*: D IRICHLET
Sei α reell. Zu jedem N > 1 gibt es eine rationale Zahl
1≤q<N
und
α −
p
q
so, dass gilt
p 1
≤
.
q N · q
B EWEIS
• 1. Beweis: Satz 45 für n = 1.
• 2. Beweis: Mit Hilfe des Schubfachprinzips : Verteilt man n+1 Objekte auf n Fächer,
so enthält mindestens ein Fach 2 Objekte.
• 3. Beweis: Mit Hilfe der Theorie der Farey-Brüche.
2
B EMERKUNG :
7.2. A PPROXIMATION
EINER
Z AHL
71
(I) Die Aussage von Satz 45 ist am besten für N ∈ N.
(II) Dirichlets Beweis des allgemeinen Satzes 45 beruhte auf dem Schubfachprinzip.
KOROLLAR
Zu jeder reellen Zahl α gibt es unendlich viele rationale Zahlen
α −
p
q
mit
1
p < 2.
q
q
(7.1)
Zusatz:
(I) Ist α 6∈ Q so ist (7.1) erfüllt für unendliche viele
(II) Wenn α =
a
b
∈ Q, so ist für alle
p
q
p
q
∈ Q mit (p, q) = 1.
6= α
α −
p 1
≥
.
q
|b| · |q|
B EWEIS
(I) Folgt daraus, dass für festes N und α 6∈ Q nur endlich viele ganze p, q existieren
mit
1
|α · q − p| < .
N
Für N → ∞ gibt es somit unendlich viele teilerfremde p, q mit dieser Eigenschaft.
(II) Klar.
2
B EMERKUNG :
(I) Im Korollar wird auf die Effektivität (für jedes N > 1) verzichtet. Durch diesen
Verzicht kann an anderer Stelle etwas gewonnen werden, d. h. das Korollar kann
verschärft werden (Satz 47).
(II) Der Zusatz erledigt die Frage der diophantischen Approximation rationaler Zahlen.
Im weiteren sei α ∈ R \ Q und vn =
wicklung von α.
pn
qn
der n-te Näherungsbruch der Kettenbruchent-
72
7. D IOPHANTISCHE A PPROXIMATION
S ATZ 46
Die Näherungsbrüche vn = pqnn einer Zahl α 6∈ Q liefern die beste diophantische Approximation von α im folgenden Sinne:
Gilt für eine Zahl ab ∈ Q, b > 0
a pn (7.2)
α − < α − b
qn
oder
|α · b − a| < |α · qn − pn |
(7.3)
so ist b > qn .
B EWEIS
Zeige:
(I) Es gibt ganze Zahlen x, y mit
a = xpn + ypn+1 ,
b = xqn + yqn+1 .
(II) Aus (7.3) und b ≤ qn folgt xy < 0.
(III) Aus (7.3) und b ≤ qn folgt ein Widerspruch, das heisst (7.3) impliziert b > qn .
(IV) (7.2) impliziert b > qn .
Beweis:
(I) Sei
A=
pn pn+1
qn qn+1
.
Nach Satz 8(III) ist det A = ±1, also ist A−1 auch eine ganzzahlige Matrix.
Setze
x
y
=A
−1
·
a
b
,
so sind x, y ganze Zahlen und
a
x
xpn + ypn+1
=A·
=
.
b
y
xqn + yqn+1
(II) Wäre y = 0, so a = x · pn , b = x · qn und damit
|b · α − a| = |x| · |αqn − pn |
≥ |αqn − pn |,
7.2. A PPROXIMATION
EINER
Z AHL
73
im Widerspruch zu 7.3.
Ist y < 0, so folgt mit x · qn = b − yqn+1 dass x > 0.
Ist y > 0, so folgt mit b = xqn + yqn+1 und b ≤ qn < yqn+1 , dass x < 0.
(III) Nach Satz 8(IV) gilt: qn α − pn und qn+1 α − pn+1 haben verschiedenes Vorzeichen.
Mit (II) folgt aus (7.3) und b ≤ qn , dass x(qn α − pn ) und y(qn+1 α − pn+1 ) gleiches
Vorzeichen haben. Mit
b · α − a = x(qn α − pn ) + y(qn+1 α − pn+1 )
erhält man
|b · α − a| > |qn α − pn | ,
im Widerspruch zu (7.3), was den Satz 46 (Teil 2) beweist.
(IV) Aus (7.2) und b ≤ qn folgt durch Multiplikation (7.3), was nach (III) einen Widerspruch darstellt zu b ≤ qn . Ist (7.2) erfüllt, so ist b > qn .
2
S ATZ 47: H URWITZ , 1891
Zu jeder irrationalen Zahl α ∈ R existieren unendlich viele rationale Zahlen
α −
B EWEIS
Sei
cn+1 =
p
q
mit
p 1
<√
.
q
5q 2
qn−1
,
qn
n ≥ 1.
Dann ist nach Satz 8(I):
1
qn−1
an−1 qn−2 + qn−3
=
=
cn
qn−2
qn−2
1
= an−1 + cn−1
cn
(7.4)
1
α − pn ≤
.
2
qn
qn (αn+1 + cn+1 )
(7.5)
und nach Satz 8(IV):
74
7. D IOPHANTISCHE A PPROXIMATION
Man zeigt indirekt, dass von drei aufeinanderfolgenden Näherungsbrüchen mindestens
einer Satz 47 erfüllt. Im Hinblick auf (7.5) wird man einem Widerspruch herleiten zur
Annahme:
√
αj + cj ≤ 5,
(7.6)
für j = k − 1, k, k + 1.
Man wird zeigen, das mit (7.6) gilt:
(I)
cj >
1 √
5−1
2
für j = k und j = k + 1.
(II) ak < 1. Dieser Widerspruch zu ak ∈ N zeigt: die Annahme (7.6) ist nicht haltbar;
das beweist Satz 47.
Beweis:
Kettenbruchalgorithmus:
αk−1 = ak−1 +
1
.
αk
Daraus folgt mit (7.4):
1
1
+
= ck−1 + αk−1 .
ck
αk
Daraus folgt mit (7.6) für j = k − 1, respektive für j = k:
√
1
1
≤ 5−
αk
ck
Also, da αk > 0:
1≤6−
resp.
√
oder
ck +
αk ≤
√
1
5 ck +
ck
√
1
≤ 5.
ck
Gleichheit kann nicht eintreten, da ck ∈ Q. Mit ck > 0:
√
c2k − 5ck + 1 < 0
oder durch quadratisches Ergänzen
√
5
− ck
2
Mit Satz 8(II) gilt ck < 1, also
√
!2
5
− ck
2
1
< .
4
!
>0
5 − ck .
7.3. G RENZEN
und damit
DIOPHANTISCHER
A PPOXIMIERBARKEIT
75
√
5
1
1 √
− ck <
oder ck >
5−1 .
2
2
2
Mit der gleichen Argumentation für j = k + 1 anstelle von k erhält man (I) für j = k + 1.
(II): Mit (7.4) für n = k + 1 und (I) erhält man
ak =
1
ck+1
− ck < √
2
1 √
−
5 − 1 = 1.
5−1 2
2
also ak < 1.
7.3
Grenzen diophantischer Appoximierbarkeit
S ATZ 48: H URWITZ
√
Es gibt irrationale Zahlen α, für welche 5 im Satz 47 durch keine grössere Zahl
ersetzt werden kann.
B EWEIS
Sei
P (x) = x2 − x − 1 = (x − α1 )(x − α2 )
mit den irrationalen Nullstellen
Für alle
p
q
√
1± 5
α1,2 =
.
2
∈ Q gilt P pq 6= 0 und P pq · q 2 ∈ Z. Also
1
q2
≤
=
=
≤
=
Ist nun
P
p
q
p
q
p
q
p
q
p q p
− α1 · − α2 q
p
− α1 · − α2 + α1 − α1 q
√
p − α1 ·
5 + α1 − q
2
√
p
− α1 · 5 + − α1 .
q
α1 −
1
p ≤ 2
q
dq
(7.7)
76
7. D IOPHANTISCHE A PPROXIMATION
für d >
√
√
5, so ist
5
d
< 1 − ε für ε > 0, und damit
1
1
1
< (1 − ε) · 2 + 4 .
2
q
q
5q
Das kann nur für endlich viele q ∈ Z erfüllt sein, also hat (7.7) höchstens endlich viele
Lösungen pq ∈ Q.
2
D EFINITION
Eine komplexe Zahl heisst algebraisch (über Q), falls sie Nullstelle eines Polynoms
über Q ist.
Jede algebraische Zahl α ist Nullstelle eines über Z und damit über Q (Gauss) irreduziblen Polynoms P mit ganzen teilerfremden Koeffizienten und höchstem positiven
Koeffizienten.
Man nennt P das definierende Polynom (oder Minimalpolynom) von α.
D EFINITION
(I) Der Grad einer algebraischen Zahl ist der Grad seines definierenden Polynoms.
(II) Die Konjugierten einer algebraischen Zahl sind die übrigen Nullstellen ihres definierenden Polynoms.
(III) Eine algebraische Zahl heisst ganzalgebraisch, wenn der höchste Koeffizient ihres definierenden Polynoms gleich 1 ist.
Algebraische Zahlen sind schlecht diophantisch approximierbar!
S ATZ 49: L IOUVILLE , 1844
Sei α eine algebraische Zahl vom Grad n. Dann gibt es eine Schranke c(α) > 0 so,
dass gilt:
α − p ≥ c(α)
q
qn
für alle rationalen Zahlen
p
q
∈ Q, α 6= pq , q > 0.
7.3. G RENZEN
DIOPHANTISCHER
A PPOXIMIERBARKEIT
77
Sei α algebraisch vom Grad n. Dann hat die Ungleichung
α − p < 1
q qw
höchstens endlich viele Lösungen in rationalen Zahlen pq , q > 0 ( pq 6= α) falls gilt
w
w
w
w
w
>
>
>
>
>
(Liouville, 1844)
(Thue, 1908)
(Siegel, 1921)
(Dyson, 1947)
(Roth, 1955)
n
n
+
2√
1
2√ n
2n
2
S ATZ : R OTH
Sei α eine reelle algebraische Zahl. Dann existieren zu jedem δ > 0 höchstens endlich
viele rationale Zahlen pq , q > 0 mit
α −
p 1
≤ 2+δ .
q
q
V ERMUTUNG : Der Satz von Roth bleibt richtig mit
1
q 2 log q
S ATZ : D IRICHLET
Im Satz von Roth kann
1
anstelle von
1
q 2+δ
,
δ > 0.
1
.
q2
(Weil sich dadurch ein Widerspruch zum Satz von Hurwitz ergäbe.)
q 2+δ
nicht ersetzt werden durch
B EWEIS VON S ATZ 49
Man darf annehmen, dass
α −
p < 1,
q
(sonst ist der Satz erfüllt), n > 1, das heisst α 6∈ Q (siehe Kommentar zu Satz 45*).
Sei P das definierende Polynom von α. P ist irreduzibel und hat wegen n > 1 keine
Nullstellen in Q. Also
p
p
P
6= 0 und q n · P
∈Z
q
q
für alle
p
q
∈ Q. Entwickle P ( pq ) nach Taylor (beachte P (α) = 0).
1
qn
p ≤ P
q 78
7. D IOPHANTISCHE A PPROXIMATION
X
j
(j)
n p
P
(α)
= −α ·
j! j=1 q


n
(j) (α)|
X
p
|P

≤ − α · P 0 (α) +
q
j!
j=2
=
p
1
· − α ,
c(α) q
d.h.
c(α) p
≤ − α ,
n
q
q
mit einer nur von α abhängigen Konstanten c(α) > 0, was den Satz beweist.
7.4
Diophantische Gleichungen
Es gibt drei berühmte diophantische Gleichungen:
Satz des Pythagoras
Die Gleichung
a2 + b2 = c2
hat unendlich viele Lösungen. Für jedes Paar ganzer Zahlen x, y ist
a = 2xy,
b = x2 − y 2 ,
c = x2 + y 2
eine solche Lösung.
Fermatsche Vermutung / Satz von Wiles (1992)
Die Gleichung
an + bn = cn
mit n ∈ N hat keine Lösungen in den natürlichen Zahlen a, b, c ∈ N falls n > 2.
Catalansche Vermutung / Satz von Mihailescu (2002)
Die Gleichung
mn − k l = 1
hat in natürlichen Zahlen k, l, m, n > 1 genau eine Lösung:
32 − 23 = 1.
2
7.5. Z UR
INEFFEKTIVEN
V ERSION
DES
S ATZES
VON
D IRICHLET
79
S ATZ 50: T HUE , 1909
Sei
F (x, y) = a0 xn + a1 xn−1 y + a2 xn−2 y 2 + · · · + an y n
mit aj ∈ Z, j = 0, 1, 2, . . . , n, a0 6= 0 eine irreduzible lineare Form vom Grad n ≥ 3.
Sei q 6= 0 ganz.
Dann hat die diophantische Gleichung
F (x, y) = q
(7.8)
höchstens endlich viele Lösungen in ganzen Zahlen x, y.
B EWEIS
Indirekt.
m→∞
Annahme: Die Paare xm , ym mit |ym | −→ ∞ erfüllen (7.8). Seien α1 , . . . , αn die Nullstellen von F (x, 1). Da F irreduzibel ist, ist auch F (x, 1) irreduzibel (zu zeigen).
Damit gilt: Die Zahlen α1 , . . . , αn sind paarweise verschieden und algebraisch vom Grad
n ≥ 3. Zudem ist
F (x, y) = a0 (x − α1 y)(x − α2 y) · · · (x − αn y)
oder
F (x, ym )
xm
xm
xm
q
= a0
− α1
− α2 · · ·
− αn =
.
(7.9)
n
ym
ym
ym
ym
(ym )n
m
Da die rechte Seite von (7.9) für m → ∞ gegen 0 geht, besteht die Folge xym
aus gegen
gewisse der Nullstellen α1 , . . . , αn konvergenten Teilfolgen. Bei geeigneter Nummerierung ist
xmj
α1 = lim
.
j→∞ ymj
Dann existiert ein r > 0 so, dass für alle genügend grossen j gilt
xmj
ν = 2, . . . , n.
ym − αν ≥ r,
j
Also mit (7.9) für ein d unabhängig von j:
xmj
|q|
d
≤
−
α
1
ym
rn−1 · |a | · y n = y n .
0
mj
mj
j
Das widerspricht dem Resultat von Thue (beachte n ≥ 3) (siehe Anmerkung zum Satz
49) über die Grenze der diophantischen Approximierbarkeit der algebraischen Zahl α1
vom Grad n ≥ 3.
Das beweist Satz 50.
2
7.5
Zur ineffektiven Version des Satzes von Dirichlet
Gegeben:
seien reelle Zahlen α1 , . . . , αn .
80
7. D IOPHANTISCHE A PPROXIMATION
Bezeichnung: Für x ∈ Rn sei
(I) L(x) der Abstand von
α1 x1 + α2 x2 + · · · + αn xn
von der nächsten ganzen Zahl:
L(x) = min |α1 x1 + α2 x2 + · · · + αn xn − q| .
q∈Z
(II)
|x| = max(|x1 |, . . . , |xn |)
(III)
r(x) = x21 + · · · + x2n−1
1/2
,
n ≥ 2.
Dirichlet
Effektiv: Zu jedem N > 1 existiert ein Gitterpunkt g ∈ Zn mit
|g| ≤ N
und L(g) <
1
.
Nn
Ineffektiv: Es gibt unendlich viele Gitterpunkte g ∈ Zn mit
L(g) <
1
.
|g|n
Verzichtet man auf die Effektivität, so lässt sich die letzte Abschätzung verbessern.
S ATZ
Zu jedem n-Tupel reeller Zahlen α1 , . . . , αn gibt es unendlich viele Gitterpunkte g ∈
Zn mit
c(n)
L(g) <
|g|n
mit c(1) =
√1
5
(Hurwitz) und
c(n) =
n
n+1
n
,
n > 1.
Man kann aber die Effektivität im Satz von Dirichlet auch ersetzen durch eine Einschränkung in Bezug auf die Lage der approximierenden Gitterpunkte.
7.5. Z UR
INEFFEKTIVEN
V ERSION
DES
S ATZES
VON
D IRICHLET
81
Teilgebiet φ ⊂ Rn :
Es sei
n
1
1
φ = x ∈ Rn |xn | ≤ r(x)1+ n + n2
o
oder r(x) ≤ 1 ⊂ Rn .
xn
n-1
R
Teilgebiet Ω ⊂ Rn :
Betrachte die Funktion
(1 + x)n+1
.
x
Sie hat auf R+ genau ein lokales Minimum bei x = n1 .
f (x) =
y=f (x)
n+1
2
s
1
n
1
Sei σ = σ(n) ∈ (0, 1) diejenige
Zahl für die f (σ) = f (1) = 2n+1 . Sei d = σ1 .
Dann ist für alle x ∈ d1 , 1 :
(1 + x)n+1
≤ 2n+1 .
x
Mit a = 2(n+1)/n · d setze
n
Ω = x ∈ Rn aj < |x| < 2(n+1)/n · aj ,
o
j = 1, 2, . . . ⊂ Rn .
aj
a j+1
◊◊◊
a j ◊ 2(n+1)/n
(7.10)
82
7. D IOPHANTISCHE A PPROXIMATION
S ATZ 51
Zu jedem n-Tupel reeller Zahlen α1 , . . . , αn gibt es unendlich viele Gitterpunkte g ∈ Z
mit
1
L(g) ≤
|g|n
und
(I) g ∈ φ (ohne Beweis).
(II) g ∈ Ω.
B EMERKUNG : Setzt man
V (R) = Vol (φ ∩ {x ∈ Rn |x| ≤ R}) ,
so gilt offensichtlich
V (R) R→∞
−→ 1.
(2R)n
(7.11)
In diesem Sinne ist die Einschränkung, nur Gitterpunkte g in φ zuzulassen nicht so
wesentlich.
Im Gegensatz dazu: Setze
W (R) = Vol (Ω ∩ {x ∈ Rn |x| ≤ R}) .
Dann ist die Funktion
W (R)
(2R)n
monoton fallend auf den Intervallen aj ·2(n+1)/n < R < aj+1
c(j)
j
und monoton wachsend (nämlich von der Form 1 − (2R)
n ) auf den Intervallen a < R <
aj · 2(n+1)/n .
Die Funktion
1, 2, . . .. Also
W (R)
(2R)n
hat damit lokale Maxima in den Punkten R = aj · 2(n+1)/n für j =
W aj · 2(n+1)/n
W (R)
n .
lim sup
≤ lim
n
j→∞ 2aj · 2(n+1)/n
R→∞ (2R)
Aber
W aj · 2(n+1)/n
n
2aj · 2(n+1)/n
=
1
2aj
·
2(n+1)/n
h
n
2aj 2(n+1)/n
n
− 2aj
n
n
n
+ 2aj−1 · 2(n+1)/n − 2aj−1 + · · ·
n
i
+ 2a · 2(n+1)/n − (2a)n
=
1 j n
(a ) + (aj−1 )n + · · · + (a1 )n
j
n
(a )
1
− j n n+1 (aj )n + (aj−1 )n + · · · + (a1 )n
(a ) 2
7.5. Z UR
INEFFEKTIVEN
V ERSION
DES
S ATZES
VON
D IRICHLET
1
1
1 + n + · · · + n j−1
a
(a )
1
1
1 − n+1
2
1 − a1n
=
<
1
=
1−
·
1
2n+1 dn
n+1
2
dn
· 1−
83
1
2n+1
2n+1 − 1
2n+1
2n+1 − 1
.
2n+1 dn − 1
2n+1
=
·
Also folgt im Gegensatz zu (7.11):
lim sup
R→∞
W (R)
2n+1 dn − dn
<
< 1.
(2R)n
2n+1 dn − 1
Die Beschränkung auf das Teilgebiet Ω ⊂ Rn ist wesentlich.
B EWEIS VON VON S ATZ 51( II )
Sei g1 , g2 , . . . eine Folge von Minimalpunkten, das heisst von Gitterpunkten, so dass mit
|gj | = Nj und L(gj ) = Lj für alle j = 1, 2, . . . gilt:
L(g) ≥ Lj
Nj < Nj+1 ,
∀g ∈ Zn mit |g| < Nj .
Aufgrund der effektiven Version des Satzes von Dirichlet ist dann
Lj <
1
n .
Nj+1
(7.12)
Beweis indirekt.
Annahme: es gibt höchstens endlich viele Gitterpunkte g, welche Satz 51(II) erfüllen.
Dann liegen für genügend grosse Indizes die Minimalpunkte nicht in Ω. Damit gilt:
(n+1)/n
a j-1◊ 2
aj
gm
a j ◊ 2(n+1)/n
gm+1
m→∞
Zu unendlich vielen Indizes m gibt es einen Index j = j(m) so, dass gilt j(m) −→ ∞
und
2(n+1)/n aj−1 ≤ Nm ≤ aj
und
Nm+1 > 2(n+1)/n · aj .
Mit Nm = x · aj ist also
1
≤ x ≤ 1,
d
(7.13)
84
7. D IOPHANTISCHE A PPROXIMATION
da
1
2(n+1)/n
=
a
d
ist, also mit (7.10):
n+1
n+1
n
aj + Nm
aj + xaj
(1 + x)n+1 j n
=
=
a
≤ 2n+1 aj .
j
Nm
xa
x
Nach (7.12) und (7.13):
Lm ≤
1
.
· anj
2n+1
(7.14)
(7.15)
Sei b = [aj /Nm ] + 1. Für den Gitterpunkt g = g(m) = b · gm gilt
aj < |g| ≤ aj + Nm
≤ 2aj
< 2(n+1)/n · aj .
Also ist g ∈ Ω und mit (7.15) und (7.14):
L(g) ≤
≤
=
≤
1
aj + Nm
·
2n+1 (aj )n
Nm
Nm
aj + Nm
·
Nm
(aj + Nm )n+1
1
j
(a + Nm )n
1
.
|g|n
Das bedeutet, dass der Gitterpunkt g(m) den Satz erfüllt, was für genügend grosses m
einen Widerspruch zur Annahme darstellt und damit den Satz beweist.
2
8T
RANSZENDENTE
Z AHLEN
D EFINITION
Eine komplexe Zahl heisst transzendent, falls sie nicht algebraisch ist.
8.1
Einleitung
Liouville (1851): Beweis der Existenz transzendenter Zahlen durch Konstruktion von
solchen. Vorher wusste man nicht, ob transzendente Zahlen überhaupt existieren.
Cantor (1874):
(I) Die algebraischen Zahlen sind abzählbar.
(II) Die transzendenten Zahlen sind überabzählbar.
Stichworte zum Beweis:
(I) Abzählbar sind die ganzen Zahlen und die Polynome P (x) = an xn +· · ·+a0 über Z.
Zu jedem Index m = n + |an | + · · · + |a0 | gibt es höchstens endlich viele Polynome,
ordne diese nach irgendeinem Polynom.
Die Nullstellen dieser Polynome sind die algebraischen Zahlen: Jedes Polynom hat
nur endlich viele Nullstellen.
(II) Diagonalverfahren: Beschränkung auf M = [0, 1] ⊂ R.
Mit einer geeigneten Konvention, welche die Eindeutigkeit der Darstellung garantiert, ist
M = {0, α1 α2 . . . αj ∈ {0, 1, 2 . . . , 9}, j = 1, 2, . . .} .
Annahme: Es gibt eine abzählbare Ordnung aller Elemente von M , nämlich
α1 = 0, α11 α12 α13 . . .
α2 = 0, α21 α22 α23 . . .
α3 = 0, α31 α32 α33 . . .
usw.
86
8. T RANSZENDENTE Z AHLEN
Sei αj = αjj + 2
(mod 10) für j = 1, 2, . . .. Sei α = 0, α1 α2 , . . ..
Dann ist: α 6= αj für alle j = 1, 2, . . ., denn mindestens an der j-ten Stelle stimmen
die Dezimalbruchentwicklungen nicht überein. α tritt also nicht in der Ordnung
auf.
Aber es gilt α ∈ M . Das ist ein Widerspruch zur Annahme und daher ist M nicht
abzählbar.
S ATZ 52: L IOUVILLE , 1852
Die Zahl
ξ=
∞
X
10−n!
n=1
ist transzendent.
B EWEIS
Übung.
2
D EFINITION
(I) Unter einem vollständigen Nullstellen-System (v. Nss) versteht man die Gesamtheit der Nullstellen eines Polynomes über Q.
(II) Die elementarsymmetrischen Funktionen σ1 , . . . , σn der n Variablen x1 , . . . , xn
sind definiert durch die Gleichung
(y − x1 )(y − x2 ) · · · (y − xn ) = y n − σ1 y n−1 + σ2 y n−2 ∓ · · · + σn (−1)n .
(III) Eine Funktion in n Variablen f (x1 , . . . , xn ) heisst symmetrisch, falls sie invariant
ist unter jeder Permutation von x1 , . . . , xn .
Im weiteren benützt man:
(I) Ist α ganzalgebraisch und rational, so ist α ganz, d. h. α ∈ Z.
(II) Zu jeder algebraischen Zahl α existiert ein ` ∈ Z, so dass `α ganzalgebraisch ist.
(III) Die algebraischen Zahlen bilden einen Ring.
(IV) Die elementarsymmetrischen Funktionen nehmen dann und nur dann rationale
Werte an, wenn die Argumente ein vollständiges Nullstellensystem bilden.
8.2. D ER S ATZ
VON
L INDEMANN -H ERMITE -W EIERSTRASS
87
S ATZ 53
Sei α1 , . . . , αn ein vollständiges Nullstellen-System und F = Q oder F = Q[X].
(I) Sei P (x1 , . . . , xn ) ein symmetrisches Polynom über F. Dann ist P (α1 , . . . , αn )
eine Linearkombination mit rationalen Koeffizienten aus F. Ist also P ein symmetrisches Polynom über Q, so ist (α1 , . . . , αn ) rational.
(II) Seien die Zahlen h1 , . . . , hn ganz. Dann bilden die Elemente der Menge
M = {h1 αν1 + h2 αν2 + · · · + hn ανn } ,
wobei ν1 , . . . , νn alle Permutationen von 1, 2, . . . , n durchlaufen, ebenfalls ein
vollständiges Nullstellen-System.
B EWEIS
(I) Folgt aus der Tatsache, dass sich P (x1 , . . . , xn ) als Polynom über F in den elementarsymmetrischen Funktionen σ1 , . . . , σn in x1 , . . . , xn darstellen lässt (siehe
S. Lang, Algebra, S. 132/133), und dass die σj (α1 , . . . , αn ) für j = 1, . . . , n rational sind.
(II) Setzt man die Elemente von M in die elementarsymmetrischen Funktionen σ1 , . . . ,
σn! von n! Variablen ein, so erhält man Werte, die als Polynome über Z in α1 , . . . , αn
dargestellt werden können. Weiter induziert eine Permutation von α1 , . . . , αn eine Permutation der Elemente in M , d. h. diese Nullstellen sind symmetrisch in
α1 , . . . , αn und damit nach (I) rational. Das beweist (II).
2
8.2
Der Satz von Lindemann-Hermite-Weierstrass
Nachweis der Transzendenz einer grossen Klasse von Zahlen, darunter e (Hermite 1875)
und π (Lindemann 1882).
S ATZ 54: L INDEMANN , 1882
Für beliebige, paarweise verschiedene algebraische Zahlen α1 , . . . , αn und beliebige
von 0 verschiedene algebraische Zahlen β1 , . . . , βn gilt
β1 eα1 + β2 eα2 + · · · + βn eαn 6= 0.
B EWEIS
88
8. T RANSZENDENTE Z AHLEN
Indirekt.
Annahme:
β1 eα1 + β2 eα2 + · · · + βn eαn = 0.
(8.1)
Leite in drei Schritten einen Widerspruch her.
1. Zur Annahme. Zeige:
(I) Mit (8.1) gilt auch
b̃1 eα̃1 + · · · + b̃t eα̃t = 0.
(8.2)
Dabei gilt b̃j ∈ Z, b̃j 6= 0 und α̃j sind algebraisch, j = 1, 2, . . . , t.
(II) Mit (8.2) gilt auch
b1 eγ1 + · · · + bm eγm = 0.
(8.3)
Dabei gilt bν ∈ Z, bν 6= 0, ν = 1, . . . , m und die γ1 , . . . , γm sind algebraisch
und paarweise verschieden.
Zudem existieren natürliche Zahlen m0 , . . . , ms , 0 = m0 < m1 < . . . < ms =
m, so dass für r = 0, . . . , s − 1 gilt, dass die γmr +1 , . . . , γmr+1 ein vollständiges
Nullstellen-System bmt +1 = . . . = bmt+1 bilden. D. h. die Summanden in (8.3)
können so in Gruppen zusammengefasst werden, dass die Exponenten in jeder Gruppe ein vollständiges Nullstellen-System bilden, und die zugehörigen
Koeffizienten gleich sind.
2. Hilfsfunktionen.
Eine ganzalgebraische Zahl heisst teilbar durch q ∈ Z, falls αq ganzalgebraisch ist.
Sei ` ∈ Z, so dass `γ1 , `γ2 , . . . , `γm ganzalgebraisch sind. Sei p eine beliebige Primzahl. Für ν = 1, . . . , m definiere:
fν (x) =
`m p
· ((x − γ1 )(x − γ2 ) · · · (x − γν ))p .
x − γν
Z
Iν (z) =
ez−u fν (u)du.
Γ(z)
Kν = b1 Iν (γ1 ) + b2 Iν (γ2 ) + · · · + bm Iν (γm ).
Für ν = 1, . . . , m gilt dann
(I) Mit w = mp − 1 ist:
fν (x) = aw (`x)w + aw−1 (`x)w−1 + · · · + a0 .
Dabei gilt für j = 0, 1, 2, . . . , w: aj = Aj (`γν ), wobei Aj ein Polynom mit
rationalen, von ν unabhängigen Koeffizienten ist und aj ganzalgebraisch.
(II) Es ist
fν(k) (γj ) = p!cjkν ,
wobei die cjkν für alle k 6= p − 1 und j = 1, . . . , m ganzalgebraisch sind, und
für k = p − 1, wenn j 6= ν.
8.2. D ER S ATZ
VON
L INDEMANN -H ERMITE -W EIERSTRASS
89
(III) Für genügend grosses p ist
fν(p−1) (γν ) = (p − 1)!cν ,
mit cν ganzalgebraisch, cν 6= 0, cν nicht teilbar durch p.
(IV) Es bezeichne Iν das Polynom, das man erhält, wenn man die Koeffizienten
von fν durch ihre Beträge ersetzt. Dann
|Iγ (z)| ≤ |z|e|z| f¯ν (|z|).
(V)
Iν (z) = ez
w
X
fν(k) (0) −
k=0
w
X
fν(k) (z).
k=0
(VI)
Kν = −
w X
m
X
bj fν(k) (γj ).
k=0 j=1
(VII) Kν = (p − 1)!dν , dν 6= 0, dν ganzalgebraisch.
(VIII) Kν = P (γν ), wobei P ein von ν unabhängiges Polynom über Q ist.
3. Der Widerspruch
Mit den Resultaten aus (2) zeigt man, dass für ein von p unabhängiges ν gilt:
(p − 1)! ≤ |K1 K2 · · · Km | ≤ ν p .
Für genügend grosses p widersprechend sich diese Abschätzungen. Annahme (8.1)
ist zu verwerfen. Das beweist Satz 54.
2
Folgerungen
S ATZ 55
(I) Seien α1 , . . . , αn algebraisch, nicht 0, paarweise verschieden. Dann ist jede von
0 verschiedene Linearkombination
β1 eα1 + · · · + βn eαn
für beliebige algebraische β1 , . . . , βn transzendent.
(II) Die Zahlen e (Hermite, 1873) und π sind transzendent.
(III) Für alle algebraischen α gilt: sin α, cos α, tan α sind transzendent, α 6= 0. ln α ist
transzendent, α 6= 0, 1.
90
8. T RANSZENDENTE Z AHLEN
B EWEIS
(I) Nach Satz 54 für ein beliebiges algebraisches β0 und algebraische β1 , . . . , βn :
β1 eα1 + · · · + βn eαn − β0 e0 6= 0.
Also ist β1 eα1 + · · · + βn eαn 6= β0 algebraisch.
(II) Für e: aus (I).
Für π: Eulersche Formel eiπ + 1 = 0. Aus (I) folgt, dass iπ und damit auch π
transzendent ist.
(III) Siehe Übungen. (Die Aussage folgt praktisch unmittelbar aus (I)).
2
Aus der Transzendenz von π folgt:
S ATZ 56
Die Quadratur des Kreises ist nicht möglich.
Griechen: Quadratur des Kreises: Konstruiere mit Zirkel und Lineal ein Quadrat, das
flächengleich zu einem vorgegebenen Kreis ist.
Äquivalent: Konstruiere bei vorgegebener Einheitsstrecke eine Strecke der Länge
√
π.
Alle mit Zirkel und Lineal konstruierbaren Punkte sind Schnittpunkte von Geraden und/
oder Kreisen. Ihre Koordinaten sind damit in einem geeigneten Koordinatensystem alge√
braische Zahlen. Daraus folgt Satz 56 mit 55(II) (da der Endpunkt π nicht algebraisch
ist).
8.3
Ausblicke
S ATZ 57: L ÖSUNG DES 7. H ILBERTSCHEN P ROBLEMS , G ELFOND /S CHNEIDER , 1934
Seien a, b algebraisch, a 6= 0, a 6= 1, b irrational. Dann ist ab transzendent.
B EISPIELE :
• (−1)i = e−iπ
√
• 2
2
i
= eπ ist transzendent.
ist transzendent.
8.3. AUSBLICKE
Vermutung:
91
e + π ist transzendent.
Satz 57 ist äquivalent zu:
Sind α1 , α2 algebraisch und log α1 , log α2 linear unabhängig über Q,
dann sind log α1 und log α2 sogar linear unabhängig über den algebraischen Zahlen.
(8.4)
B EWEIS
„⇒“ Annahme:
β1 · log α1 + β2 log α2 = 0
mit β1 , β2 algebraisch, nicht rational und
β2
β1
irrational.
Nach Gelfond/Schneider:
−β2 /β1
α2β = α2
log α1 / log α2
= α2
= elog α2 ·log α1 / log α2
= α1 .
α1 ist also transzendent; Widerspruch.
„⇐“ Annahme: Sei α2 algebraisch, α2 6= 0 und β algebraisch, irrational und sei α2β = α1
algebraisch.
Dann ist α1 6= 0 und
β · log α2 − log α1 = 0.
Das heisst log α1 und log α2 sind linear abhängig über den algebraischen Zahlen,
aber nicht über Q (β irrational); Widerspruch zu (8.4).
2
Verallgemeinerung:
S ATZ 58: B AKER , 1966
Sind α1 , . . . , αn algebraische, von 0 verschiedene Zahlen und log α1 , . . . , log αn linear
unabhängig über Q, dann sind die Zahlen 1, log α1 , . . . , log αn sogar linear unabhängig
über den algebraischen Zahlen.
Folgerungen
(I) Jede nicht verschwindende Linearkombination von Logarithmen algebraischer Zahlen mit algebraischen Koeffizienten ist transzendent.
92
8. T RANSZENDENTE Z AHLEN
(II) Der Ausdruck
eβ0 · α1β1 · · · αnβn
ist transzendent für alle von 0 verschiedenen algebraischen α1 , . . . , αn , β0 , . . . , βn .
(III) (II mit β0 = 0)
α1β1 · · · αnβn ist transzendent für alle algebraischen Zahlen α1 , . . . , αn nicht 0 oder
1 und alle algebraischen β1 , . . . , βn , so dass 1, β1 , . . . , βn linear unabhängig sind
über Q.
Speziell:
(α) π + log α ist transzendent für alle algebraischen α 6= 0.
(β) eαπ+β ist transzendent für alle algebraischen α, β, β 6= 0.
B EWEIS
(α) Nach (I) ist i(log(−1)) + log α transzendent. Also ist
i · log(−1) + log α = log (−1)i + log α
= π + log α
transzendent.
(β) Mit α algebraisch ist iα algebraisch, also nach (II)
eβ · (−1)iα = eβ · eπα = eπα+β
transzendent.
2
D EFINITION
Zwei Zahlen x1 , x2 heissen algebraisch unabhängig, wenn x1 transzendent ist (über
Q) und x2 transzendent über Q(x1 ).
Dabei ist Q(x1 ) die durch Adjunktion von x1 zu Q erhaltene Körpererweiterung.
S ATZ 59
Seien a, b, ` komplexe Zahlen, ` 6= 0 mit `, a, b, ab linear unabhängig über Q. Dann
sind mindestens zwei der neun Zahlen
2
2
e` , ea` , eb` , eab` , ea ` , eb ` , ea
algebraisch unabhängig.
2 b2 `
, ea
2 b`
2`
, eab
8.3. AUSBLICKE
93
B EISPIEL : Wähle ` = log 2, a =
√
2, 2
√
2
2, b =
√
,2
3
√
√
,2
6
2. Dann gibt es unter den neun Zahlen
, 22 , 23 , 26 , 22
√
3
, 23
√
2
√
√
zwei algebraisch unabhängige. Aber 2,√22 , √
23 , 26√ sind algebraisch und 23 2 = (2
Damit sind zwei von den drei Zahlen 2 2 , 2 3 , 2 6 algebraisch unabhängig.
2 )3 .
Vermutung (Schanuel): Sind die komplexen Zahlen α1 , . . . , αn linear unabhängig über
Q, so kommen unter den 2n Zahlen
α1 , . . . , αn , eα1 , . . . , eαn
n algebraisch unabhängige vor.
94
8. T RANSZENDENTE Z AHLEN
9A
USKLANG : EIN SPEZIELLES
P ROBLEM
Die Lösungsmenge der diophantischen Gleichung
n
= m` ,
n, k, m, ` ∈ N.
k
(α) Für k = 2 und ` = 2 gibt es unendlich viele Lösungen.
(β) Für k = 3 und ` = 2 hat die Gleichung
n
= m2
3
genau eine Lösung:
50
3
= 1402 .
(γ) Satz vom Erdős:
S ATZ 60: E RD ŐS
Die Gleichung
n
= m` .
k
hat keine ganzzahligen Lösungen für ` ≥ 2 und 4 ≤ k ≤ n − 4.
B EWEIS
(α) Mit
n
2
2
= m2 , d. h. n(n − 1) = 2m2 ist auch (2n−1)
ein Quadrat; denn
2
(2n − 1)2
1
=
(2n − 1)2 (2n − 1)2 − 1
2
2
1
=
(2n − 1)2 (4n(n − 1))
2
1
=
(2n − 1)2 · 8m2
2
= (2m(2n − 1))2 .
96
9. A USKLANG :
Aus
9
= 62 ,
2
50
= 352 ,
2
1682
2
EIN SPEZIELLES
P ROBLEM
= 11892
ergeben sich damit je unendlich viele Lösungen.
(β) Ohne Beweis.
(γ) Satz von Sylvestre (ohne Beweis):
Ist n ≥ 2k, so enthält mindestens eine der Zahlen n, n − 1, . . . , n − k + 1 einen
Primfaktor p grösser als k.
B EMERKUNG : Für n = 2k ist dies das Postulat von Bertrand.
Der Satz von Sylvestre ist äquivalent zu:
S ATZ
Der Binomialkoeffizient
n
n(n − 1) · · · (n − k + 1)
=
,
k
k!
n ≥ 2k
ist teilbar durch eine Primzahl p > k.
S ATZ : L EGENDRE
Der Primfaktor p ist in n! genau
X n j≥1
pj
mal enthalten.
Beweis von Satz 60: (indirekt)
Annahme:
(o. B. d. A. n ≥ 2k, da
n
= m`
k
n
k
(I) Satz von Sylvestre:
=
n
k
n
n−k
).
und damit m` enthält eine Primzahl p > k, d. h.
p` |n(n − 1) · · · (n − k + 1).
Wegen p > k: Nur einer der Faktoren n − j kann ein Vielfaches von p sein.
Damit: Für ein j gilt p` |(n − j), also
n ≥ p` > k ` ≥ k 2 .
97
(II) Schreibe n − ν für ν = 0, 1, . . . , k − 1 in der Form
n − ν = aν m`ν ,
wobei aν keine nichttrivialen `-te Potenzen enthält. Nach (I) enthält aν nur
Primfaktoren kleiner als k.
Behauptung: aν 6= aµ für ν 6= µ.
Beweis: Sei aν = aµ für µ < ν. Dann
mµ ≥ mν + 1
und
k > ν − µ = (n − µ) − (n − ν)
= aν m`µ − m`ν
≥ aν (mν + 1)` − m`ν
≥ aν · ` · m`−1
ν
1/2
≥ ` · aν · m`ν
≥ ` · (n − k + 1)1/2
n
1/2
≥ `·
+1
2
≥ n1/2 .
im Widersprich zu (I).
(III) Behauptung:
{a0 , a1 , . . . , ak−1 } = {1, 2, . . . , k}.
(9.1)
Es genügt nach (I) zu zeigen: a0 a1 · · · ak−1 teilt k!.
Nun: Substituiere n − ν = aν m`ν in nk = m` :
a0 a1 · · · ak−1 · (m0 m1 · · · m`−1 )` = k! · m` .
Dividiere durch gemeinsamen Faktor:
a0 a1 · · · ak−1 · u` = k! · v `
mit (u, v) = 1. Es genügt, die Behauptung zu zeigen, dass v = 1.
Beweis: indirekt.
Annahme: p|v, p > 1. Dann gilt: Wegen (u, v) = 1 folgt
p|a0 a1 . . . ak−1 ,
(9.2)
98
9. A USKLANG :
EIN SPEZIELLES
P ROBLEM
also p ≤ k. Sei j ∈ N. Wie oft tritt pj in n(n − 1) · · · (n − k + 1) auf? Seien
b1 , b2 , . . . , bs die Vielfachen von pj unter den Zahlen n, n − 1, . . . , n − k + 1.
Dann bs = b1 + (s − 1) · pj , also
(s − 1)pj = bs − b1 ≤ n − (n − k + 1) = k − 1.
Also
k−1
k
s≤
+ 1 ≤ j + 1.
j
p
p
Damit: die Anzahl Primfaktoren p in n(n−1) · · · (n−k+1), d. h. in a0 a1 · · · ak−1
ist höchstens
`−1 X
k
+ 1.
ps
s=1
Beachte: Die aν enthalten keine `-ten Potenzen.
Mit (9.2) und dem Satz von Legendre gilt: Der Exponent von p in v ` ist höchstens
X `−1 X
k
k
+1 −
≤ ` − 1.
s
p
pj
s=1
j≥1
Das ist ein Widerspruch, da v ` eine `-te Potenz ist, was (9.1) beweist.
Damit ist der Fall ` = 2 erledigt. Da k ≥ 4 ist, gilt für ein ν: aν = 4 im Widerspruch zur Feststellung, dass die Zahlen a0 a1 · · · ak−1 keinen quadratischen
Faktor enthalten.
Sei ` ≥ 3.
Wegen k ≥ 4: aj1 = 1, aj2 = 2, aj3 = 4, d. h.
n − j1 = m`1 ,
n − j2 = 2 · m`2 ,
n − j3 = 4m`3 .
(9.3)
Dann gilt
(n − j2 )2 6= (n − j1 )(n − j2 ).
Andernfalls wäre mit
b = n − j2 ,
n − j1 = b − x,
n − j3 = b + y
0 < |x|, |y| < k und also b2 = (b − x)(b + y),
(y − x) · b = x · y
und
|xy| = b|y − x| > b > n − k > k(k − 1) > (k − 1)2 ≥ |xy|.
Dieser Widerspruch beweist (9.4).
1. Fall: m22 > m1 · m3 .
(9.4)
99
Dann
2n(k − 1) > (2n − k + 1)(k − 1)
= n2 − (n − k + 1)2
> (n − j2 )2 − (n − j1 )(n − j3 )
`
= 4 m2`
2 − (m1 m3 )
≥ 4 (m1 m2 + 1)` − (m1 m3 )`
`−1
≥ 4`m`−1
1 m3 .
Wegen ` ≥ 3 und n > k ` ≥ k 3 > 6k folgt damit
2(k − 1)nm1 m3 > 4`m`1 m`3
= `(n − j1 )(n − j3 )
> `(n − k + 1)2
n 2
≥ 3 n−
6
> 2n2 .
Da mi ≤ n1/` ≤ n1/3 folgt
k · n2/3 > n
oder
k 3 > n.
Widerspruch zu (I): n > k 3 .
Das beweist Satz 60 im Fall 1.
2. Fall: Analog.
2
100
9. A USKLANG :
EIN SPEZIELLES
P ROBLEM
I
NDEX
Äquivalenzrelation, 31
Abelsche partielle Summation, 5
algebraisch, 76
algebraisch unabhängig, 92
Approximation, 69, 70
Diophantische, 69
arithmetische Funktion, 21
Baker, 91
befreundet, 27
Bertrand, 59, 96
beschränkt, 61
Birkhoff
Lemma von, 62
Brun, 15
Cantor, 85
Carmichaelzahlen, 33
Chebishev, 57, 59
Chebishev-Funktion, 41
Chen Jingrun, 15
Cramer, 58
de la Vallée Poussin, 47, 55, 57
definierendes Polynom, 76
Diagonalverfahren, 85
Diophantische Approximation, 69
Diophantische Gleichungen, 78
Dirichlet, 17, 69, 77, 79
e, 89
elementarsymmetrisch, 86
Erdős, 57, 95
Euklid, 57
Satz von, 17
Euler, 45, 57
Satz von, 33
Eulersche ϕ-Funktion, 32
Farey-Brüche, 70
Fermat
Kleiner Satz von, 33
Fermat’sche Vermutung, 15
Fermatzahlen, 15
Fundamentale Sätze, 16, 61
Funktion
arithmetische, 21
Chebishev, 41
elementarsymmetrische, 86
Riemannsche, 43
σ, 27
summatorische, 25
symmetrische, 86
von Mangoldt, 46
ζ, 43
Zeta-, 43
ganzalgebraisch, 76, 86
Ganzteil, 5
Gauss, 56, 57, 76
Gelfond, 90
Geschichte, 57
ggT, 5
Gitterpunkt, 61
Gleichungen
Diophantische, 78
Goldbach’sche Vermutung, 16
Grad, 76
102
Hadamard, 47, 55, 57
Hermite, 87
Hilbert, 90
Hurwitz, 73, 75
Ikehara, 50
ineffektiv, 59
Iwaniec, 26
Jarnik, 26
Kettenbrüche, 8
Kettenbruch
endlicher, 8
Kettenbruchalgorithmus, 12
kongruent, 31
Konjugierte, 76
konvex, 61
Korolov, 57
Λ(n), 46
Lagrange
Satz von, 37
Vierquadratesatz von, 36
Legendre, 57, 96
Lindemann, 87
Linearformensatz, 64
Liouville, 76, 85, 86
Littlewood, 56
Mangoldt-Funktion, 46
Mersenne-Zahl, 27
Mertens, 19
Mihailescu, 78
Minimalpolynom, 76
Minkowski
1.Satz von, 63
Linearformensatz von, 64
Mozzochi, 26, 58
multiplikativ, 21
Nullstellen-System, 86
π(x), 41
π, 89
INDEX
ψ(x), 41
Pitz, 58
Polynom
definierendes, 76
Primzahl, 15, 41
Primzahlsatz, 41, 43, 55
Primzahlsuche, 34
Primzahlzwilline, 15
Produktdarstellung
Eulersche, 45
Pythagoras, 78
Quadratur des Kreises, 90
Repeated Units, 16
Restklassen
prime, 31
Restklassen modulo m, 31
Restklassensystem
vollständiges modulo m, 31
vollständiges primes, 31
Riemann, 56, 57
Riemannsche
Vermutung, 44
ζ-Funktion, 43
Roth, 77
σ-Funktion, 27
σi , 86
Satz
Dirichlet, 77
Erdős, 95
Euklid, 17
Hurwitz, 73, 75
Liouville, 76, 86
Primzahl-, 41, 55
Roth, 77
Sylvestre, 96
Thue, 79
Wiles, 78
Schneider, 90
Schubfachprinzip, 70
Selberg, 57
Shannel, 93
INDEX
Summation
Abelsche, 5
Summationsformeln, 5
summatorische Funktion, 25
Sylvestre, 96
symmetrisch, 61, 86
Θ(x), 41
teilbar, 88
teilbar durch, 88
Teiler, 5
teilerfremd, 5
Teilerfunktion, 23
Thue, 79
transzendent, 85
unabhängig, 92
Vermutung
Catalansche, 78
Fermat’sche, 15
Fermatsche, 78
Goldbach’sche, 16
Riemannsche, 44, 56
Vinogradov, 16, 57
vollkommen, 27
vollständig, 86
vollständig multiplikativ, 21
Walfisz, 56
Waring-Hilbert
Problem von, 39
Weierstrass, 87
Wiener-Ikehara, 50
Wiles, 78
Wilson
Kriterium von, 33
Zahl
algebraische, 76
befreundet, 27
Grad, 76
konjugierte, 76
Mersenne-, 27
transzendente, 85, 87
103
vollkommen, 27
Zeta-Funktion, 43
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