Online CRM: Fuzzy Customer Segmentation Adrian Glauser Inhalt : 1. Einführung ……………………………………………………………………....….. 3 2. Unscharfe Logik ……………………………………………………………………. 3 3. Klassische Kundensegmentierung …………………………………………………. 5 4. Unscharfe Kundensegmentierung ………………………………………………….. 6 5. Anwendungsbeispiel ……………………………………………………….……...… 7 6. Fazit und Ausblick ……………………..……………………………………..……. 9 7. Bibliographie ………………………………………………………..…..………….. 9 2 1. Einführung In der Folge soll in das Thema der unscharfen Kundensegmentierungsmöglichkeiten eingeführt werden. Ausgangspunkt ist der bisherige weit verbreitete Ansatz die Kunden in verschiedene Klassen zu unterteilen, um sie auf eine Art ansprechen zu können, die ihren Ansprüchen und Bedürfnissen entgegen kommt. Das Ziel ist dabei den Wert der verschiedenen Kunden(gruppen) zu erkennen und durch geeignete Massnahmen den Umsatz und die Kundenbindung für das Unternehmen zu steigern. Anhand der unscharfen Unterteilung bietet sich eine Möglichkeit die in der Realität oft zu stark vereinfachte Unterteilung in grobe Segmente zu umgehen. Es kann so spezifischer auf die heterogene Art der jeweiligen Kundenbeziehungen reagiert werden, was einem Unternehmen in Bezug auf das Customer Relationship Management entscheidende Vorteile bieten kann. Im zweiten Punkt soll das Prinzip der unscharfen Logik kurz erläutert werden. Danach wird kurz die bisher gängige Art der Kundensegmentierung beschrieben, um in der Folge diese durch die Technik der unscharfen Unterteilung zu erweitern. Um die praktische Relevanz aufzuzeigen wird in Punkt sieben auf die Anwendungsmöglichkeiten eingegangen. Abschliessend erfolgt ein Ausblick über die Bedeutung dieser Technik für das Online CRM. 2. Unscharfe Logik Bisher musste sich der Mensch beim Umgang mit computergestützten mathematischen Analysen mehrheitlich der boolschen Logik anpassen. Das heisst Probleme mussten in eindeutiger ja/nein Form formuliert werden. Mögliche Abfragen von Kundendatenbanken hatten in exakter Weise zu erfolgen, da ansonsten keine brauchbaren Resultate geliefert wurden. Diese Art zu denken widerläuft dem menschlichen assoziativen Denken und der menschlichen Weise sich in sprachlicher Form auszudrücken jedoch grundsätzlich. Der Mensch kann sich zu gegebenen Tatsachen oft nur ungenau und sprachlich bedingt mehrdeutig oder sogar widersprüchlich äussern. Um dieses Problem zu umgehen wurde die unscharfe Logik entwickelt. Statt nur null oder eins Werte zuzulassen (klassische set theory), wird auch jeder Wert der dazwischen liegt als 3 mögliche Ausprägung eines Elementes zugelassen (fuzzy set theory). Dies beinhaltet als Spezialfall auch die Möglichkeit, dass etwas eindeutig definiert werden kann. Um den Ansatz zu veranschaulichen kann man zum Beispiel die Wassertemperatur eines Flusses heranziehen. Wenn man die möglichen Ausprägungen der Temperatur in drei Klassen (kalt: 0-10°C, warm: 11-20°C, heiss: 21-∞°C) unterteilt, so wäre bei scharfer Betrachtung das Wasser bei einer Temperatur von 10°C kalt. Stiege sie um nur 1°C so hätte das Wasser nun sprunghaft die Ausprägung warm angenommen. Quelle: wikipedia.org Da dies aber wie oben angedeutet der menschlichen Wahrnehmung nicht entspricht, kann anhand der unscharfen Formulierung definiert werden mit welchem zugehörigkeitsgrad das Wasser nun welcher Temperaturklasse zugerechnet werden soll. Bei einer angenommen Temperatur von 8°C könnte das Wasser nun zu einem Grad von 0.8 der Klasse kalt und zu einem Grad von 0.2 der Klasse warm angehören. Der Übergang von der einen Klasse in die andere geschieht nun fliessend. Quelle: Heiko Timm, Fuzzy-Clusteranalyse: Methoden zur Exploration von Daten mit fehlenden Werten sowie klassifizierten Daten In gleicher weise lassen sich nun auch Kundenmerkmale unscharf definieren. So kann verhindert werden, dass zum Beispiel der Kunde in Bezug auf die Ausprägung Kundentreue nicht schlagartig von der Klasse treu zur Klasse untreu springen kann. Dies würde seitens der Unternehmung zu einer völlig anderen Art der Kundenansprache, und in der Folge seitens des Kunden zu Unverständnis und Unzufriedenheit führen, was wiederum den Unternehmenserfolg schmälern kann. Weiter gilt es den unscharfen Ansatz klar von dem der Wahrscheinlichkeit abzugrenzen. Wahrscheinlichkeit versucht mittels Prognosen etwas über unsichere zukünftige Ereignisse auszusagen, die nach dem Eintreten jedoch eindeutig sind. So kann zum Beispiel nur mit einer 4 gewissen Unsicherheit gesagt werden, ob wir in genau einem Jahr einen um 10% grösseren Kundenstamm haben werden. Nach dem verstreichen eines Jahres, kann aber eindeutig gesagt werden, dass er um 9.78% gestiegen ist. Bei der unscharfen Betrachtungsweise geht es um eine subjektive, uneindeutige Einschätzung eines bereits vorliegenden Zustandes in einer kontinuierlichen Dimension. Es kann zum Beispiel nur uneindeutig gesagt werden ob ein Kunde zufrieden ist oder nicht. Der Vorteil der unscharfen Logik liegt demnach darin, besser mit Sachverhalten die kontinuierlichen Charakter aufweisen oder nur ungenau formuliert werden können umzugehen. 3. Klassische Kundensegmentierung Da ein Unternehmen immer mit unterschiedlichen Kunden zu schaffen hat, macht es Sinn diese in Gruppen zu unterteilen, um sie ihren Merkmalen entsprechend verschieden zu behandeln. Die Kunden in einer solchen Klasse sollten untereinander möglichst homogen, und die Gruppen zueinander möglichst heterogen sein. Durch dieses Vorgehen lassen sich die spezifischen Kundenwerte klarer erkenne, was zu einer Steigerung des Umsatzes respektive zu einer stärkeren Kundenbindung führen kann. Mögliche traditionelle Segmentierungen wären zum Beispiel: - Gewerbliche, privaten Kunden - Alter, Bildungsstand, Geschlecht - Kaufverhalten (Routinekäufer, Gelegenheitskäufer) - Einstellung gegenüber Informations- und Kommunikationstechnologien (Versierte, Begeisterte, Pragmatiker, Ängstliche, Desinteressierte) Das bisher wichtigste Instrument zur systematischen Analyse der Kundenstruktur und der Erkennung von typischen Eigenschaften der verschiedenen Gruppen ist die Clusteranalyse. Die Grundidee ist die einzelnen Ausprägungen zu Clustern zusammenzufassen, in welchen die Abstände zwischen den einzelnen Punkten kleiner sein soll als zu Punkten eines anderen Clusters. Zu unterscheiden gibt es das hierarchische Clustering, welches sich wiederum in die Ansätze des anhäufenden und des teilenden Verfahrens unterteilen lässt, und das partitionierende Clustering. 5 Hauptproblem bei der klassischen Segmentierung ist, dass zwischen den verschiedenen Klassen scharfe Grenzen herrschen. Kunden die einer bestimmten Klasse zugeordnet wurden, können nicht mehr unterschieden werden, obwohl sie sich innerhalb dieser Klasse noch relativ stark unterscheiden können. Zusätzlich kann die Bewegung der einzelnen Kunden, bedingt durch eine Veränderung der Lebensumstände oder -weise des Kunden, durch verschiedene Klassen nur schwer erkannt werden. Dies kann einerseits zu einer Ungleichbehandlung ähnlicher Kunden respektive Gleichbehandlung unterschiedlicher Kunden führen, andererseits widerfährt dem Kunden beim Wechsel von einer Klasse in eine andere eine sprunghaft andere Behandlung die zu Unverständnis und im schlimmsten Fall zu einer Abwanderung des Kunden führen kann. Nicht zu vernachlässigen ist auch die fehlende Anreizwirkung, wenn ein Kunde durch besseres Verhalten keine Aussicht auf eine andere Kundenbetreuung sehen kann. 4. Unscharfe Kundensegmentierung Durch die Erweiterung der klassischen Kundensegmentierung mit der unscharfen Logik lassen sich die oben geschilderten Probleme auf elegante Weise lösen. Wegen der Möglichkeit Kunden mehreren Klassen zurechnen zu können, kann eine unscharfe, kontinuierliche Klassifizierung der Kunden vorgenommen werden. Dies geschieht indem man für jeden Kunden Zugehörigkeitsgrade für die verschiedenen Klassen definiert. Dadurch lässt sich nun jeder Kunde individuell beschreiben, und seine Entwicklung kann anhand der Bewegung durch die verschiedenen Klassen genau verfolgt werden. Im besten Fall lässt sich sogar antizipieren wohin sich der Kunde in Zukunft bewegen wird, und durch geeignete Massnahmen und Anreize diese Entwicklung, je nach dem ob sie gut oder schlecht ist, unterstützen oder verhindern. Ein weiterer Vorteil ist, dass Abfragen in ungenau gehaltener sprachlicher Form erfolgen können. Dazu muss das Modell zu einem Kontextmodell erweitert werden. Jedem Merkmal bzw. Attribut (z.B. Umsatz) wird dabei ein Kontext hinzugefügt. Ein Kontext ist eine Aufteilung des Wertebereichs, auf dem das Attribut definiert ist, in Äquivalenzklassen. Die Auswahl und Definition der Äquivalenzklassen muss von den Marketingexperten gemacht werden, weshalb das Modell am Ende auch nur so gute Informationen liefert, wie dies durch die Modellierung ermöglicht wird. Wenn später erkannt wird, dass sich die getroffenen 6 Entscheidungen nicht eignen, müssen die Kontexte neu aufgestellt werden. Folgend ein einfaches Beispiel mit nur zwei Attributen: Attribut Aj: A1 Umsatz pro Monat A2 Zahlungsverhalten Dimension D(Aj): D(A1) [0, 1000] D(A2) {im voraus, pünktlich, verspätet, zu spät} Kontext K(Aj) (Äquivalenzklassen): K(A1) tiefer Umsatz [0, 499] hoher Umsatz [500, 1000] K(A2) gutes Zahlungsverhalten {im voraus, pünktlich} schlechtes Zahlungsverhalten {verspätet, zu spät} Damit später intuitive, sprachliche Abfragen möglich sind, werden jeder Äquivalenzklasse sprachliche Terme zugeordnet, wie aus der folgenden Darstellung ersichtlich wird. 5. Anwendungsbeispiel Für jeden Kunden kann nun definiert werden in welchem Ausmass er zu welcher Klasse gehört. So kann man etwa S zu 100% der Klasse C1 zuordnen. Kunde B, der bei einer klassischen Segmentierung genau gleich wie S wahrgenommen würde, gehört nun zum Beispiel mit den Zugehörigkeitsgraden von 0.28 zu C1, mit 0.25 zu C2, mit 0.25 zu C3 und mit 0.22 zu C4. 7 Dank diesen Zugehörigkeitsgraden können jetzt zu S und B individuelle Kundenbeziehungen betrieben werden. Um die in der Realität oft viel zahlreicher benutzten Attribute in einer überschaubarer Weise darzustellen, werden die Attribute mit Hilfe des Dekompositionsverfahrens in eine hierarchische Form gebracht. Der erste Ansatz ist der Top-down-Ansatz, bei dem die Semantik auf der höchsten Ebene schon bekannt ist. Beim zweiten, dem Bottom-up-Ansatz, werden die Attribute so lange kombiniert, bis die höchste Klasse erreicht ist. Da jedoch der Top-down-Ansatz oft Attribute benötigt, die es gar nicht gibt, und dem Bottom-up-Ansatz die Marktstrategie fehlt, werden die beiden Ansätze oft kombiniert um so zu einer Lösung zu kommen. Ergebnis ist dann eine Hierarchische Form, die es erlaubt auf der obersten Ebene den effektiven Kundenwert zu sehen, und auf den tieferen die möglichen Potenziale und Schwächen der Kunden. 8 Mögliche vorteilhafte Anwendungsgebiete für die unscharfe Kundensegmentierung sind ein personalisiertes Rabattsystem, die bessere Auswahl einer Kundengruppe für eine Marketingkampagne aber auch die bessere Möglichkeit den Entwicklungsprozess der Kunden verfolgen zu können. Bezieht man wiederum das Instrument der Clusteranalyse mit ein, so gibt es nun zwei Methoden. Die „overlapping clustering method“, erlaubt, dass Kunden zu mehr als einem Cluster gehören können. Die „fuzzy clustering method“, dass zusätzlich noch Zugehörigkeitsgrade definiert werden. 6. Fazit und Ausblick Da im E-Bussiness der persönliche Kundenkontakt fehlt, ist die unscharfe Kundensegmentierung ein wichtiges Instrument um trotzdem personalisierte Kundenkontakte pflegen zu können. Weiter herrscht im Onlinemarkt eine bessere Markttransparenz, die verstärkend auf den Konkurrenzkampf um die Kunden wirkt. Hinzu kommen die Entwicklung zu einer internetbasierten Informationsgesellschaft und die schon heute stark ausgeprägte Individualisierung der Menschheit. Dies sind alles Gründe weshalb das Instrument der unscharfen Kundensegmentierung in Zukunft verstärkt angewendet werden wird und allgemein an Bedeutung gewinnen dürfte. 7. Bibliographie: Arabie, P., Hubert, L. J., De Soete, G., Clustering and Classification, World Scientific Pupl., River Edge, NJ, 1996 Cromme, L., „Mathematische Beschreibung und Optimierung von Aquiseprozessen im Marketing“, Forum der Forschung 18/2005: 133-142. Homburg, C., Sieben, F., „Customer Relationship Management. Strategische Ausrichtung statt IT-getriebenem Aktionismus“, Reihe Management Know How, Nr. M 52, Institut für Marktorientierte Unternehmensführung an der Universität Mannheim, Mannheim 2000. Kreuzer, M., „Die praktische Relevanz von Mass Customization“. Link, J., „Zur zukünftigen Entwicklung des Online Marketing“, in Wettbewerbsvorteile durch Online Marketing, Link, J., 2. Auflage, Springer, Heidelberg, 2000. 9 Peppers, D., Rogers M., „Enterprise One-To-One“. Schmitt, „Customer Experience Management“. Stolpmann, M., „Online-Marketingmix“, Galileo Press, Bonn, 2000. Takahshi, Y., „Fuzzy Database Query Languages and Their Relational Completeness Theorem“, in IEEE Transactions on Knowledge and Data Engineering, Vol. 5, No. 1, February 1993, pp. 122-125. Werro, N., Stormer, H., Meier, A., „A Hierarchical Fuzzy Classification of Online Customers“. Werro, N., Stormer, H., Meier, A., „Concept and Implementation of a Fuzzy Classification Query Language“. Werro, N., Stormer, H., Meier, A., „Personalised Discount – A Fuzzy Logic Approach“. 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