Logik: Die Wissenschaft vom Schließen Allgemeingültigkeit von Ausdrücken Wir beweisen die erste Äquivalenz: a ⊆ b ≡ a ∪ b = b ∪ b, indem wir zwei Richtungen betrachten: Gilt α ⊆ β , so sind alle Element von α auch Elemente von β und alle Elemente von b auch Elemente von a. Also enthält a ∪ b auch alle Elemente von b ∪ b – es enthält sogar alle Elemente des betrachteten Individuenbereichs. Ist umgekehrt a ∪ b = b ∪ b richtig, ist also a ∪ b die Allklasse, so ist jedes Element des Individuenbereichs in a oder in β enthalten. Ein Element von α muß also, da es nicht in a enthalten ist, in β enthalten sein. c 2003-2007, Dr. W. Conen — Nutzung nur an der FH Gelsenkirchen Version 0.93, 19. Januar 2010, Seite 140 Logik: Die Wissenschaft vom Schließen Allgemeingültigkeit von Ausdrücken Erläuterung zum Vorgehen: Mit den Ausdrücken des Klassenkalküls können wir mengenalgebraische Aussagen auf ihre Gültigkeit untersuchen. Doch zunächst müssen wir untersuchen, wann Ausdrücke des Klassenkalküls allgemeingültig sind. Hierzu führen wir die Frage der Allgemeingültigkeit auf Fragen nach der 1Gültigkeit zurück. Wir zeigen zunächst, wie jede mögliche Form von Disjunktionen von einfachen Ausdrücken und negierten einfachen Ausdrücken auf Gültigkeit untersucht werden kann – und dann sind wir auch bereits fertig, denn wir können jeden beliebigen Ausdruck des Klassenkalküls in eine konjunktive Normalform bringen, in der jedes Konjunktionsglied eine Disjunktionen einfacher Ausdrücke (die auch negiert auftreten können) ist. Die Gültigkeit dieser Konjunktion ergibt sich natürlich genau dann, wenn jede Disjunktion (also jedes Konjunktionsglied) gültig ist. Genaueres hierzu s. Punkt 7 weiter unten. Es werden folgende Formen untersucht: einfache (positive) Ausdrücke; negierte einfache Ausdrücke; eine Disjunktion negierter einfacher Ausdrücke; Disjunktionen mit keinem, einem oder mehreren negierten einfachen Ausdrücken und einem positiven c 2003-2007, Dr. W. Conen — Nutzung nur an der FH Gelsenkirchen Version 0.93, 19. Januar 2010, Seite 141 Logik: Die Wissenschaft vom Schließen einfachen Ausdruck; und zuletzt Ausdrücke mit keinem, einem, oder mehreren negierten einfachen Ausdrücken und mehr als einem positiven Ausdruck. Nur die Gültigkeit dieser letzten Form läßt sich nicht durch Ersetzung (zur Ersetzung s. Punkt 1 unten) direkt auf 1-Gültigkeit zurückführen. Achten Sie auf die Analogie zu Hornformeln, nur die letzte (problematische) Disjunktionsform ist nicht “horn” und erfordert mehr Aufwand! 1. Ein (einfacher positiver) Ausdruck der Form a = b oder a ⊆ b ist allgemeingültig genau dann, wenn er 1-gültig ist. Dies werden wir nun beweisen, indem wir einige der oben genannten Äquivalenzen verwenden: a ⊆ b ist äquivalent zu a ∪ b = b ∪ b , a = b zu (a ⊂ b) ∧ (b ⊂ a und damit zu a ∪ b = b ∪ b ∧ b ∪ a = a ∪ a . Dies entspricht (a ∪ b) ∩ (b ∪ a) = a ∪ a . In beiden Fällen liegt ein Ausdruck der Form c = d ∪ d vor. Diesen Ausdruck können wir durch einen äquivalenten Ausdruck der Form e = d ∪ d ersetzen, bei dem e eine besondere Gestalt hat: In e sollen allen Negationen nach innen gezogen sein (also kein Operator ∪,∩ oder eine andere Negation negiert werden). Zudem soll kein ∪ auf ein ∩ angewendet werden. Wir erzeugen e durch eine Umformung völlig analog zu der c 2003-2007, Dr. W. Conen — Nutzung nur an der FH Gelsenkirchen Version 0.93, 19. Januar 2010, Seite 142 Logik: Die Wissenschaft vom Schließen Erzeugung einer KNF in der Logik, indem wir die oben stehenden Äquivalenzen anwenden. Der resultierende Term e hat die Form e1 ∩ e2 ∩ . . . en und dort hat jedes ei die Form f1 ∪ f2 ∪ · · · ∪ fk , wobei die fi jeweils Klassenvariablen oder negierte Klassenvariablen sind. Von den Ausdrücken der Form e1 ∩ e2 ∩ . . . en = d ∪ d sind nun diejenigen sicher allgemeingültig (und damit auch 1-gültig), bei denen jedes Glied, abgesehen von der Reihenfolge der Glieder, die Form g ∪ g ∪ f1 ∪ f2 ∪ · · · ∪ fk hat. Dann stellt jedes ei die Allklasse dar, und damit insgesamt auch e . Hat aber nur ein ei nicht diese Form, so ist der Ausdruck nicht allgemeingültig – und auch nícht 1-gültig: Sei ei dieses Glied, so ersetzen wir eine Klassenvariable, die in ei unnegiert vorkommt, durch 0, und negiert vorkommende durch 1. ei erhält dann die Form 0 ∪ 0 ∪ · · · ∪ 0, d.h, wird 0. Da der Schnitt einer beliebigen Klasse mit der Nullklasse die Nullklasse ergibt, wird auch e1 ∩e2 ∩. . . en gleich 0, während d ∪ d gleich 1 wird. Der Ausdruck ist also, wenn er nicht allgemeingültig ist, auch nicht 1-gültig, womit der Satz bewiesen ist. Wichtiger Hinweis: Die 1-Gültigkeit eines Ausdrucks im Klassenkalkül kann man überprüfen, indem man folgende Ersetzungen vornimmt: ∪ durch ∨, ∩ durch ∧, ¯ durch ¬, ⊆ durch →, und = durch ↔. und dann die Gültigkeit der resultierenden aussagenlogischen Formel überprüft c 2003-2007, Dr. W. Conen — Nutzung nur an der FH Gelsenkirchen Version 0.93, 19. Januar 2010, Seite 143 Logik: Die Wissenschaft vom Schließen 2. 3. 4. 5. 6. (man kann wahr und falsch mit 1 und 0, also wie oben mit der Allklasse und der Nullklasse identifizieren, und jeweils zeigen, dass die Ersetzungen den Wahrheitsgehalt nicht ändern). Ein (einfacher negativer) Ausdruck der Form ¬(a = b) oder ¬(a ⊆ b) ist allgemeingültig genau dann, wenn er 1-gültig ist. Ein Ausdruck der Form ¬A1 ∨ · · · ∨ ¬An, wobei jedes Ai die Form a = b oder a ⊆ b hat, ist genau dann allgemeingültig, wenn er 1-gültig ist. Ein Ausdruck der Form ¬A ∨ B, wobei A und B die Form a = b oder a ⊆ b haben, ist genau dann allgemeingültig, wenn er 1-gültig ist. Ein Ausdruck der Form ¬A1 ∨ · · · ∨ ¬An ∨B, wobei jedes Ai und B die Form a = b oder a ⊆ b hat, ist genau dann allgemeingültig, wenn er 1-gültig ist. Ein Ausdruck der Form ¬B1 ∨ · · · ∨ ¬Bm ∨A1 ∨ · · · ∨ An , n ≥ 2, wobei jedes Bi und jedes Aj die Form a = b oder a ⊆ b hat, ist dann und nur dann allgemeingültig, wenn wenigstens einer der Ausdrücke ¬B1 ∨ · · · ∨ ¬Bm ∨A1, . . . , ¬B1 ∨ · · · ∨ ¬Bm ∨An allgemeingültig ist (also 1-gültig, s. den Fall unmittelbar oben). Hinweis: Dies ist der einzige Fall, in dem wir nicht direkt von der Nicht-1Gültigkeit (also der Nichtgültigkeit der aussagenlogischen Umschreibung) auf die Nichtgültigkeit des Ausdrucks im Klassenkalkül schließen können. c 2003-2007, Dr. W. Conen — Nutzung nur an der FH Gelsenkirchen Version 0.93, 19. Januar 2010, Seite 144 Logik: Die Wissenschaft vom Schließen 7. Gegeben sei nun ein beliebiger Ausdruck des Klassenkalküls. Jeder Ausdruck besteht aus einfachen Ausdrücken der Form a = b oder a ⊆ b , die durch die Aussagenverknüpfungen verbunden bzw. negiert sind. Um die konjunktive Normalform bzgl. der einfachen Ausdrücke zu erhalten, ersetzen wir zunächst die Verbindungen der Form →, ↔ zwischen den einfachen Ausdrücken in der bekannten Weise und bilden dann mit dem bekannten Umformungsverfahren eine konjunktive Normalform (hierbei betrachten wir die einfachen Ausdrücke als unveränderliche, atomare Bestandteile der zusammengesetzten Ausdrücke). Es entsteht ein Ausdruck der Form C1 ∧ · · · ∧ Cn. Jedes Ci ist von einer der Formen, die unter 1.-6. behandelt wurde. Der gesamte Ausdruck ist dann und nur dann allgemeingültig, wenn jedes Ci allgemeingültig ist. Wann das der Fall ist, haben wir bereits unter 1.-6. untersucht. c 2003-2007, Dr. W. Conen — Nutzung nur an der FH Gelsenkirchen Version 0.93, 19. Januar 2010, Seite 145