Notizen Elemente der Analysis I Kapitel 3: Einführung III, Summen, Logik, Mengen, Beweise Prof. Dr. Volker Schulz Universität Trier / FB IV / Abt. Mathematik 15. November 2010 http://www.mathematik.uni-trier.de/∼schulz/elan-ws1011.html Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 1 / 21 1. Summennotation Wir wollen lange Summen der Form x1 + x2 + x3 + x4 + x5 + x6 + x7 + x8 + x9 + . . . + x235 kompakter schreiben können und führen dafür folgende Notation ein: Summennotation R Es sei für jedes k ∈ {m, m + 1, . . . , n} eine Zahl xk ∈ gegeben.Dann schreiben wir n X xk = xm + xm+1 + . . . + xn . k =m Beispiele: 5 X k = 1 + 2 + 3 + 4 + 5 = 15 , n X k =1 k =1 2 X 9 X (2k + 1) = 100 (2k + 1) = 9 , k =0 Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) k= n(n + 1) 2 k =0 Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 2 / 21 Beispiel Preisindex Notizen Der Preisindex des Jahres t verglichen mit dem Jahr 0 ist der Quotient aus den Kosten im Jahr t für einen Warenkorb, der n Güter mit Mengen q (i) enthält mit denen des Jahres 0, also kurz als Formel n P i=1 n P Preisindex = 100 · i=1 (i) pt q (i) (i) p0 q (i) Satz 3.1 Es gelten die folgenden Rechenregeln: n X n X axk = a k =m und n X xk (Homogenität) k =m (xk + yk ) = k =m n X xk + k =m Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) n X yk (Additivität) k =m Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 3 / 21 Anwendung der Rechenregeln Teleskopsumme: n X m=2 allgemeiner: n X 1 1 − m−1 m =1− 1 n (xk +1 − xk ) = xn+1 − x1 k =1 Geometrische Summenformel: n X xk = k =0 1 − x n+1 1−x Denn aus den Rechenregeln ergibt sich (1 − x) n X k =0 xk = n X xk − k =0 = 1+ x k +1 k =0 n X xk − k =1 n+1 = 1−x Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) n X n X x k − x n+1 k =1 . Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 4 / 21 Weitere Anwendungen Notizen Sei µx := Pn 1 n i=1 xi der Durchschnitt der Zahlen xq , . . . , xn . Dann gilt n 1X (xi − µx ) = 0 n i=1 n 1X n n (xi − µx )2 = i=1 1X 2 xi − µ2x n i=1 Newtonsche Binomische Formel: (a + b)n = n X n k =0 k ak bn−k n n! := die Anzahl der Möglichkeiten angibt, ohne k (n − k )!k ! Beachtung der Anordnung k verschiedene Objekte aus n verschiedenen auszuwählen; und n! rekursiv definiert ist durch n! := n · (n − 1)! und 0! := 1 wobei Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 5 / 21 Doppelsummen Aus dem Kommutativgesetz der Addition schließen wir, dass die Reihenfolge bei der Summation keine Rolle spielt, also insbesondere gilt n X n X i=1 j=1 aij = n X n X aij = j=1 i=1 n X aij i,j=1 Desweiteren können wir beispielsweise auch schreiben m X n−1 X n=1 k =0 (2k + 1) = 1 m(m + 1)(2m + 1) 6 Beweis in zwei Schritten über die später noch mit vollständiger Induktion zu Pn−1 beweisenden Aussagen k =0 (2k + 1) = n2 und Pm 1 2 n=1 n = 6 m(m + 1)(2m + 1) Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 6 / 21 2. Aspekte der Logik Notizen Mathematische Aussagen sind entweder wahr oder falsch – tertium non datur. Aussagen werden zu neuen Aussagen verknüpft durch Operatoren Definition 3.2 (Verknüpfungen von Aussagen) A ∨ B : „oder“: mindestens eine von beiden Aussagen A oder B ist wahr A ∧ B : „und“: beide Aussagen A und B sind wahr ¬A : „nicht“: das Gegenteil von Aussage A ist wahr A ⇒ B : Implikation: aus Aussage A folgt Aussage B Aussage A ist hinreichend für Aussage B Aussage B ist notwendig für Aussage A (vgl. Satz 3.3(iii)) A ⇔ B : Äquivalenz: Aussage A ist äquivalent zu Aussage B Aus A folgt B und aus B folgt A Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 7 / 21 Satz 3.3 (Zentrale logische Rechenregeln) (i) ¬(A ∨ B) = (¬A ∧ ¬B) (ii) ¬(A ∧ B) = (¬A ∨ ¬B) (iii) (A ⇒ B) = (¬B ⇒ ¬A) Beispiele: (i) ¬(„Die Autos auf dem Studentenparkplatz sind rot, grün oder blau“) = („Die Autos auf dem Studentenparkplatz sind weder rot noch grün noch blau“) (ii) ¬(„Das Bruttosozialprodukt steigt und die Arbeitslosigkeit fällt“) = („Das Bruttosozialprodukt steigt nicht oder die Arbeitslosigkeit fällt nicht“) (iii) („Wenn die Steuern steigen, dann sinkt der Konsum“) = („Wenn der Konsum nicht sinkt, steigen die Steuern nicht“) Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 8 / 21 Vorsicht bei Argumentationsketten mit einfachen Implikationen! Notizen Beobachtung R gilt a = b ⇒6⇐ a2 = b2, denn a2 = b2 ⇔ a = b ∨ a = −b Beispiel: wir suchen x ∈ R so, dass gilt Für a, b ∈ x +2= √ 4−x 2 ⇒ (x + 2) = 4 − x (Achtung: keine Äquivalenz!) 2 ⇔ x + 5x = 0 ⇔ x(x + 5) = 0 ⇔ x = 0 ∨ x = −5 Insgesamt erhalten wir die Folgerung: √ (x ist eine Lösung von x + 2 = 4 − x) ⇒ (x = 0 ∨ x = −5) Erst das Einsetzen dieser beiden Lösungskandidaten („die Probe“) liefert die Aussage, dass nur x = 0 eine Lösung der Gleichung ist. Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 9 / 21 3. Mengen Definition 3.4 Eine Menge ist eine Zusammenfassung von bestimmten, wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. Die Objekte, die zu einer Menge M zusammengefaßt werden, nennt man die Elemente von M. Wir schreiben x ∈M für „x ist ein Element von M“ Beispiel: 1 2 6∈ N, aber 12 ∈ Q Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 10 / 21 Notizen Für die Beschreibung einer Menge gibt es verschiedene Möglichkeiten: Durch Auflisten ihrer Elemente, etwa A = {a, b, c, . . .} Durch eine Eigenschaft: B = {x : x hat Eigenschaft E}. Es gibt genau eine Menge, die keine Elemente enthält, die leere Menge ∅ (oder auch { }). Eine Menge N heißt eine Teilmenge der Menge M, wenn jedes Element von N auch Element von M ist. Man schreibt dann N ⊂ M oder M ⊃ N. Beispiel: N⊂Z⊂Q⊂R Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 11 / 21 Operationen auf Mengen Man kann aus gegebenen Mengen neue erzeugen: durch Aussonderung, das heißt durch Angabe einer Bedingung. Ist z.B. F die Menge aller Fahrräder, so ist {f ∈ F : f ist grün} wieder eine Menge (nämlich die Teilmenge aller grünen Fahrräder); die Vereinigung zweier Mengen A, B ist die Menge A ∪ B = {x : x ∈ A ∨ x ∈ B} (beachten Sie, dass das hier „oder“ (∨) wieder, wie immer in der Logik, im nicht ausschließenden Sinn gebraucht wird!) Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 12 / 21 Notizen der Durchschnitt oder Schnitt zweier Mengen A, B ist die Menge A ∩ B = {x : x ∈ A ∧ x ∈ B} ; die Differenz zweier Mengen A, B ist die Menge A \ B = {x ∈ A : x 6∈ B} ; Ist B eine Teilmenge von A, so nennt man A \ B auch das Komplement von B in A. Komplementbildung: Falls die Menge A ⊂ Ω als Teilmenge einer Grundmenge Ω gedacht wird, die auch alle anderen momentan interessierenden Mengen enthält, definieren wir AC := {x ∈ Ω : x 6∈ A} = Ω \ A Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 13 / 21 das kartesische oder Kreuzprodukt der Mengen A, B ist die Menge A × B = {(x, y ) : x ∈ A und y ∈ B} . Sie ist die Menge aller geordneten Paare von Elementen von A bzw. B. Sind A1 , . . . , An Mengen, so ist A1 × . . . × An = {(x1 , . . . , xn ) : xi ∈ Ai für i = 1, 2, . . . , n} die Menge aller sogenannten n-Tupel. Man nennt zwei Mengen A, B disjunkt, wenn ihr Schnitt die leere Menge ist, also gilt A∩B =∅ Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 14 / 21 Rechenregeln für Mengen Notizen Satz 3.5 Seien A, B und C Mengen. Dann gilt 1 A∪B A∩B = B∪A (Kommutativgesetz) = B∩A 2 (A ∪ B) ∪ C (A ∩ B) ∩ C 3 A ∪ (B ∩ C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C) (Distributivgesetz) A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C) 4 (A ∪ B)C (A ∩ B)C = A ∪ (B ∪ C) (Assoziativgesetz) = A ∩ (B ∩ C) = AC ∩ B C (Komplementbildung) = AC ∪ B C Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 15 / 21 Venn-Diagramme Anders als in der formal strengen professionellen Mathematik sind im Rahmen dieser Vorlesung sog. Venn-Diagramme als Beweismittel für Aussagen über Mengen zugelassen. C⊂A A∪B A∩B A\B A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C) Dies ist hier als exemplarischer Beweis für Satz 3.5(3b) zu betrachten. Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 16 / 21 Mächtigkeit von endlichen Mengen Notizen Mächtigkeit einer endlichen Menge Ist n(M) die Anzahl der Elemente einer endlichen Menge M, so nennt man n(M) die Mächtigkeit von M. Andere Bezeichnungen sind #M oder |M|. Satz 3.6 Seien A, B endliche Mengen. Dann gilt |A ∪ B| = |A| + |B| − |A ∩ B| . Satz 3.7 Es sei M eine endliche Menge. Dann ist |P(M)| = 2|M| . In Worten: Ist n die Anzahl der Elemente von M, so ist 2n die Anzahl aller Teilmengen von M. Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 17 / 21 4. Induktionsprinzip – oder die Domino-Methode Um z.B. die oben genannten Aussagen über die Summen von Zahlen, die Newtonsche binomische Formel oder die sogenannte Bernoullische Ungleichung zu zeigen, verwenden wir das nachfolgende Induktionsprinzip, welches eigentlich ein Axiom ist. Induktionsprinzip Sei p ∈ N0 und A eine Aussage über natürliche Zahlen, so dass gilt: (i) Die Aussage A(p) ist wahr. (ii) Ist n ∈ wahr. N mit n ≥ p und ist die Aussage A(n) wahr, so ist auch A(n + 1) Dann ist die Aussage A(n) für alle n ∈ Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) N0 mit n ≥ p wahr. Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 18 / 21 Induktionsbeweise Notizen Vorgehen beim Induktionsbeweis Nachweis der Aussage A(p) für ein p ∈ 1. Induktionsanfang: N0. Nachweis der Implikation A(n) =⇒ A(n + 1) für n ≥ p; hierbei nennt man die Aussage A(n) die Induktionsvoraussetzung oder Induktionsannahme. 2. Induktionsschluß: Beispiel N0 gilt n X n(n + 1) . 2 k =0 Sei A(n) die Behauptung für die Zahl n. I.A.: Es gilt A(0) (klar!) X n+1 n X (n + 1)(n + 2) n(n + 1) + (n + 1) = . I.S.: k= k + (n + 1) = 2 2 Für jedes n ∈ k =0 k= k =0 Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 19 / 21 Satz 3.8 (Bernoullische Ungleichung) Für x ≥ −1 und n ∈ N0 gilt 1 + nx ≤ (1 + x)n . Beweis: Für n ∈ N0 sei A(n) die Aussage für alle x ∈ R mit x ≥ −1 gilt die Ungleichung 1 + nx ≤ (1 + x)n . Offenbar ist A(0) wahr.Sei nun A(n) als wahr angenommen (Induktionsvoraussetzung). Wegen x ≥ −1 ist 1 + x ≥ 0, also folgt aus der I.V. (1 + x)(1 + nx) ≤ (1 + x)(1 + x)n = (1 + x)n+1 . Andererseits gilt immer nx 2 ≥ 0, folglich 1 + (n + 1)x ≤ 1 + (n + 1)x + nx 2 = 1 + x + nx + nx 2 = (1 + nx)(1 + x) , also zusammengenommen A(n + 1). Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 20 / 21 Notizen Anwendung Effektivzins Angenommen ein Kapital K wird mit dem Zinssatz p% angelegt. Der Aufzinsungsfaktor einer Zinsperiode ist der Faktor, mit dem ein vorhandenes Kapital multipliziert wird, um das um die für eine Zinsperiode fälligen Zinsen erhöhte Kapital zu erhalten. Demnach ist, mit mit der Zinsrate p r = 100 , der Aufzinsungsfaktor bei jährlicher Zinsgutschrift 1 + r und bei r . monatlicher Zinsgutschrift 1 + 12 Bei jährlicher Zinsgutschrift ist also das Kapital nach einem Jahr auf (1 + r ) · K angewachsen, bei monatlicher Zinszahlung hingegen auf 1+ r r 12 · K ≥ 1 + 12 · · K = (1 + r ) · K . 12 12 Das ist die Ungleichung zwischen Effektivzins links (→ Kap. 10) und Nominalzins rechts. Prof. Dr. Volker Schulz (FB IV - Mathematik) Kapitel 3: Verschiedenes 15. November 2010 21 / 21