Kristallisationsuntersuchungen an foto

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Kristallisationsuntersuchungen an fotostrukturierbaren Gläsern
S. Mrotzek; A. Harnisch; D. Hülsenberg; G. Hungenbach
Technische Universität Ilmenau, Fachgebiet Glas- und Keramiktechnologie
98684 Ilmenau, PF 100565
Im Rahmen des vom BMBF geförderten Verbundprojektes FuKoGlas (Nr. 03N1049F1)
erfolgte die Entwicklung, Herstellung, Verarbeitung und Anwendung funktionsintegrierter
Konstruktionsgläser für die Mikro- und Nanotechnik. Ein wesentliches Teilziel dabei war die
kontinuierliche Herstellung eines fotostrukturierbaren Glases im industriellen Maßstab mit
der dazugehörenden Anlagenkonstruktion einschließlich der Entwicklung der Schmelz- und
Verarbeitungstechnik.
Als besonders schwierig erwies sich hierbei das komplizierte Zusammenspiel von Schmelzund Verarbeitungstechnik und die Einstellung eines bestimmten Redoxverhältnisses während
der Schmelze des Lithium- Alumo- Silikatglases mit Mikrozusätzen (SnO, Sb2O3, CeO2,
Ag2O). Die Einstellung eines optimalen Redoxverhältnisses der polyvalenten Ionen Silber,
Zinn, Zer und Antimon hat einen entscheidenden Einfluss auf die Kristallisationsfähigkeit und
somit die Fotostrukturierbarkeit dieses speziellen Glases. Im vorliegenden Beitrag wird die
Untersuchung des Kristallisationsverhaltens eines kontinuierlich geschmolzenen
fotostrukturierbaren Glases beschrieben.
Allgemeines zur Kristallisation von Gläsern
Kristallisierte Gläser (Glaskeramiken) sind direkt nach dem Formgebungsprozess oder aber
durch eine gezielte Wärmebehandlung gekühlter Gläser herstellbar. Voraussetzung für die
Kristallisation von Gläsern ist das Vorhandensein von Keimen, wobei zwischen homogener
(Keimbildung aus dem Stoff heraus) und heterogener Keimbildung (Keimbildung auf Basis
von Fremdkeimen) unterschieden wird. Die zum Aufbau des Keims nötigen Komponenten
müssen in der richtigen Zahl und Lage zusammengeführt werden. Keimbildung findet statt,
wenn die Verringerung der freien Enthalpie ∆G des Systems ermöglicht wird. Die freie
Enthalpie ∆G setzt sich zusammen aus einem Volumenanteil –∆GV (wird bei der
Kristallisation frei) und einem Oberflächenanteil ∆GO (zur Überwindung der
Grenzflächenspannung ist Energie nötig). Bei Abkühlung aus der Schmelze nimmt die
Neigung zur Keimbildung mit sinkender Temperatur zu, bis durch weitere
Temperaturverringerung (Viskositätserhöhung) die Diffusion so stark behindert wird, dass die
Keimbildung wieder abnimmt.
Bild 1 zeigt die Abhängigkeit von Keimbildung und Kristallwachstum von der Temperatur
und das Schema eines Temperregimes eines Glases.
Temperatur
TKG
KG
TKZ
KZ
t1
t2
t3
t4
Zeit
Bild 1: Keimbildung (KZ) und Keimwachstum (KG) in Abhängigkeit von der Temperatur und
Temperregime eines Glases [1]
Die gezielte Wärmebehandlung des Glases zur Kristallisation läuft in zwei Stufen –
Keimbildung und Kristallwachstum- ab. Für ein optimales Kristallisationsergebnis bezüglich
Kristallgrößen und Kristallanzahl ist die Kenntnis der günstigen Temperaturen für
Keimbildung und Kristallwachstum entscheidend. Durch Variation des Temperregimes wird
die Kristallisation stark beeinflusst. Ist z. B. die Haltezeit bei KZ max sehr lang und bei KG max
sehr kurz, erhält man ein sehr feinkristallines Gefüge mit einer hohen Zahl an
Einzelkristallen. Die genaue Lage der Maxima von KZ und KG findet man nicht in der
Literatur. Sie müssen im jeweiligen System experimentell bestimmt werden [1,2].
Kristallisation des fotostrukturierbaren Glases FS 21
Fotostrukturierbare Gläser existieren im Grundglassystem Li2O-Al2O3-SiO2. Um während des
Temperprozesses gezielt die gewünschte Kristallphase Lithiummetasilikat zur Ausscheidung
zu bringen, ist es notwendig, die Zusammensetzung des Glases nahe der stöchiometrischen
Zusammensetzung der Kristallphase zu wählen. Die Zusammensetzung des Standardglases
FS 21 (A) im Grundglassystem Li2O-Al2O3-SiO2 mit den Ausscheidungsgebieten der
Kristallphasen ist in Bild 2 aufgezeigt.
SiO2
Cristobalit
Tridymit
Li2O⋅2SiO2
Petalit
ndume
α-Spo ristalle
k
Misch
A
Li2O⋅SiO2
Lithium-Orthoclas
Spodumen
llit
Mu
Eukryptit
2Li2O⋅SiO2
∑(Li2O, Na2O, K2O)
Gewichts-%
Al2O3
Bild 2: Dreistoffsystem Li2O-Al2O3-SiO2 [3]
Die Glaszusammensetzung von FS 21 liegt im Primärausscheidungsfeld von
Lithiummetasilikat. Somit ist eine wesentliche Bedingung für die Bildung von
Lithiummetasilikatkristallen während einer gezielten Wärmebehandlung gegeben.
Das fotostrukturierbare Glas FS 21 enthält neben den Hauptbestandteilen SiO2, Li2O und
Al2O3 noch weitere Alkalioxide (Na2O und K2O, Darstellung der Summe der Alkalioxide in
Bild 2) sowie für die Strukturierung wichtige Mikrozusätze.
Für den Fotostrukturierungsprozess dieses Glases zur Herstellung mikromechanischer
Bauteile ist die Erzeugung scharf gegenüber der Glasphase abgegrenzter, partiell
kristallisierter Bereiche von wesentlicher Bedeutung. Hierzu muss die heterogene
Keimbildung gezielt und selektiv durch die Einwirkung von Licht initiiert werden. Die
homogene Keimbildung während des Tempervorganges sollte möglichst minimal sein, damit
ein möglichst hohes Ätzratenverhältnis zwischen partiell kristallisierten Bereichen und
Glasbereichen resultiert.
Der lithographiebasierende Prozess der Fotostrukturierung besteht aus drei ProzessschrittenBelichten, Tempern und Ätzen. Eine Voraussetzung für die Strukturierbarkeit ist, dass in dem
erschmolzenem Glas Cer als Ce 3+ und Silber als Ag + vorliegen. Während der maskierten
UV- Belichtung entstehen Ce 4+ und Ag ±0. Das atomare Silber bildet während des Temperns
durch Diffusion Gruppen aus Silberatomen, die bis zur kolloidalen Größe wachsen und als
Kristallisationskeim für die sich bildende Kristallphase Lithiummetasilikat wirken. Diese
Kristallphase besitzt in Flusssäure eine wesentlich höhere Löslichkeit als das Ausgangsglas.
Die während der Temperung von FS 21 partiell kristallisierten Bereiche enthalten neben
Lithiummetasilikat noch einen hohen Anteil von Restglasphase, womit sich erklärt, dass die
partiell kristallisierten Bereiche eine um den Faktor 3 geringere Löslichkeit in Flusssäure
besitzen als reines Lithiummetasilikat [3]. Ursache hierfür ist die Zusammensetzung des
Glases, die von der stöchiometrischen Zusammensetzung von Lithiummetasilikat abweicht. In
[4] durchgeführte theoretische Berechnungen aus der Glaszusammensetzung unter der
Annahme der vollständigen Umsetzung von Lithiumoxid zu Lithiummetasilikat ergaben einen
maximal möglichen Gehalt von 35 Gew. % Lithiummetasilikat in der Glaskeramik.
Röntgenographische Untersuchungen in [3] zum tatsächlich gebildeten Anteil von
Lithiummetasilikat bei der Temperung ergaben nur einen Anteil von 15 Masse %
Lithiummetasilikat.
Orientierende Temperversuche im Gradientenofen
Mit dem bezüglich der Wertigkeiten der Mikrozusätze sensibel eingestellten Ausgangsglas
erfolgten Kristallisationsuntersuchungen. Hierbei sollte die Kristallphase unter Verwendung
verschiedener Temperprogramme optimal für die Löslichkeit in Flusssäure erzeugt werden.
Für die Bestimmung der optimalen Keimbildungstemperatur ist noch keine zuverlässige
direkte
Methode
bekannt,
wohingegen
die
optimale
Temperatur
der
Kristallwachstumsgeschwindigkeit relativ genau über den exothermen Peak der DifferentialThermoanalyse (DTA) detektierbar ist.
Während der ersten Temperstufe, die gewöhnlich in der Nähe des Transformationsbereiches
liegt, werden die Kristallkeime gebildet. Im Fall des vorliegenden Lithium-AluminiumSilikatglases handelt es sich um eine heterogene Keimbildung, bei der Silber als Keimbildner
wirkt.
Zur Einstellung günstiger Kristallverhältnisse für den Löseprozess in Flusssäure erfolgten
Kristallisationsuntersuchungen zur Bestimmung eines optimalen Temperregimes.
Orientierende Temperversuche im Gradientenofen lieferten Grobübersichten zur annähernden
Bestimmung der Kristallisationsverhältnisse. Hierfür wurden ca. 2mm dicke Längsstreifen
belichtetes Probematerial im Gradientenofen im Temperaturbereich von 475 °C bis 725 °C
getempert. Die Halterung der aneinandergelegten Probematerialstreifen erfolgte auf einer 400
mm langen Kieselglashalbschale. Zur Feststellung der Kristallisationstemperaturen der
unerwünschten homogenen Keimbildung wurde die Grobübersicht auch an unbelichtetem
Probematerial durchgeführt.
Bild 3 zeigt die Strukturänderungen der im Gradientenofen getemperten Glasproben.
Bild 3: belichtete und unbelichtete Glasprobe nach Gradientenofentemperung
Bestimmung der optimalen Kristallwachstumstemperatur
Anhand von lichtmikroskopischen Aufnahmen, REM- Bildern, DTA- Aufnahmen und
Ätztests wurde die maximale Kristallwachstumsgeschwindigkeit bestimmt. Die visuelle und
mikroskopische Auswertung der Grobübersicht der belichteten, im Gradientenofen
getemperten Probe zeigte ab 475 °C kolloidale Verfärbung. Es waren keine Kristalle sichtbar.
Ab 550 °C war das Material bräunlich, nichttransparent, vollständig durchkristallisiert. Ab
600 °C wurden in den unbelichteten Proben Einzelkristalle der homogenen Keimbildung
gefunden. Der Ätztest führte bei den belichteten bei 570 °C getemperten Proben zum größten
Masseverlust. REM-Aufnahmen zeigen ebenfalls bei 570 °C die beste Vernetzung der
Kristalle.
Untersuchung der Keimbildungsprozesse
Da vorhandene Silberkeime wegen ihrer Größe im Nanometerbereich mikroskopisch nicht
mehr aufgelöst werden können, sind die bereits erwähnten experimentellen Versuche zur
Bestimmung der Keimbildungstemperatur nicht geeignet. Aus diesem Grund wurde versucht,
mittels Transmissionsuntersuchungen an definiert getemperten Proben Aufschluss über
Keimbildungsprozesse zu erhalten.
Für die Transmissionsuntersuchungen wurden ca. 1000 µm dicke polierte Proben (Fläche ca.
20x10 mm2) belichtet und im Temperaturbereich von 300°C bis 575°C in 25 K Schritten 60
min getempert.
Bild 4 zeigt überblicksmäßig das für die Transmissionsuntersuchungen getemperte
Probenmaterial.
Bild 4
60 min getemperte Proben in Abhängigkeit von der Tempertemperatur
Schon in der bei 375°C getemperten Probe ist eine leicht gelbliche kolloidale Verfärbung zu
erkennen. Mit zunehmender Temperatur ändert sich der Farbverlauf der kolloidalen
Verfärbung von gelb nach braun. Ab 525 °C (ProbeC2) sind die Proben nicht mehr
transparent.
Bild 5 zeigt die Transmissionskurven der belichteten und getemperten Proben, aufgenommen
mit einem Spektralphotometer UV 3101 PC der Firma Shimadzu.
100,00
unbel Ref
Transmission [%]
90,00
80,00
bel Ref
70,00
375°C
60,00
400°C
50,00
425°C
40,00
450°C
30,00
475°C
20,00
500°C
10,00
0,00
250
525°C
350
450
550
Wellenlänge [nm]
Bild 5: Transmissionskurven Bereich 250 bis 500 nm
In den Transmissionskurven der belichtet getemperten Proben ist schon ab 375 °C die
Silberbande, die ungefähr bei ca. 420 nm liegt, zu erkennen. Mit zunehmender Temperatur ist
die Silberbande stärker ausgeprägt. Ab 550 °C zeigte die durchkristallisierte Probe keine
Transmission
mehr
im
Wellenlängenbereich
unter
800 nm.
Aus
den
Transmissionsuntersuchungen lässt sich ableiten, dass die heterogene Keimbildung weit
unterhalb des Transformationspunktes (450 °C) des Glases liegt. Im vorliegenden Glas wird
bereits eine signifikante Keimbildung bei der ersten sichtbaren Silberbande bei 375 °C
vermutet.
Optimierung des Keimbildungsprozesses
Zur gezielten Bildung von Ag-Keimen als Substrat für das Wachsen von Lithiummetasilikat
wurden belichtete Glasrohlinge (ca. 2,5 cm²) nach einem zweistufigen Temperprogramm
prozessiert. Die erste Temperstufe (vermutliche Keimbildungstemperaturen) wurde von
375 °C bis 570 °C in 25 K Schritten variiert jeweils mit 60 min Haltezeit. Die zweite
Temperstufe erfolgte bei der schon ermittelten günstigen Kristallwachstumstemperatur
570 °C mit 60 min Haltezeit.
600
Temperatur [°C]
550
500
450
400
350
300
0
20
40
60
80
100
120
140
Temperzeit [min]
In Bild 6 sind die verschiedenen Temperatur – Zeit – Regimes zur Kristallisation dargestellt.Bild 6:
Temperatur – Zeit – Regimes zur Kristallisation
Zur Aufklärung der Kristallstruktur der gezielt getemperten Proben wurden REM – Aufnahmen
angefertigt.
Bild 7 zeigt die REM – Aufnahmen der entsprechenden Proben.
Bild 7: REM – Aufnahmen unterschiedlich kristallisierter Proben (jeweils von links nach
rechts 1h Keimbildung bei 375 °C, 400 °C, 425 °C, 450 °C(Zeile1), 475 °C, 500 °C,
525 °C, 550 °C (Zeile2) und 1h 570 °C Kristallwachstum (analog getempert)
Die Auswertung der REM – Bilder zeigt:
•
•
•
Es gibt keine wesentlichen Unterschiede in Kristallzahl und –größe
Im untersuchten Parameterbereich konnte kein Einfluss der Temperatur der ersten
Haltestufe auf die Kristallisation gefunden werden.
Die Bildung der Ag-Keime des untersuchten Glases erfolgt unterhalb der
Transformationstemperatur eventuell schon ab 375 °C
Ausblick
Weiterführende Arbeiten werden die Simulation der Kristallisationsprozesse sowie
Röntgen- ,TEM- und DTA- Untersuchungen zum Inhalt haben.
Dabei werden Variationen der chemischen Zusammensetzungen der Gläser berücksichtigt.
Literatur- und Quellenhinweise:
[1]
[2]
[3]
[4]
Pavluskin, M.M.: Vitrokeramik, 1. Auflage, Leipzig 1986
Vogel, W.: Glaschemie. 3. überarb. Auflage, Berlin: Springer, 1992
Ehrhardt, A.: Beitrag zur Entwicklung fotostrukturierbarer Gläser und Glaskeramiken mit
unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten.Ilmenau, Techn. Univ., Dissertation, 1999
Harnisch, A.: Komplexe Bauteile aus mikrostrukturierbarem Glas.Ilmenau, Techn. Univ., 1998
Autorenangabe:
S. Mrotzek
Technische Universität Ilmenau
Fachgebiet Glas- und Keramiktechnologie
PF 100565
98684 Ilmenau
Tel:
03677 693184
Fax:
03677 691436
e-mail: [email protected]
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