Mechanik - Karl-Franzens

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Skriptum zu
Physikalische Laborübungen I
für Physiker/Innen
Kurs
H.Feichtinger, P.Knoll, A.Leitner und M.Lippitsch
Institut für Experimentalphysik
Karl-Franzens-Universität Graz
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 2
INHALTSVERZEICHNIS
I
Einleitung
3
I.1
Allgemeines
3
I.2
Protokollführung
4
II Grundlagen des Messens
II.1
II.1.A
II.1.B
II.1.C
II.1.D
Meßabweichungen
Systematische Meßabweichungen
Zufällige (statistische) Meßabweichungen
Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen: physikalische Gesetzmäßigkeiten
Fehlerfortpflanzung
III Einfache Bewegungen
5
5
5
6
10
12
14
III.1
Schiefe Ebene
16
III.2
Lineare Bewegungen und Rotationen
17
III.2.A
Ableitung: Mechanik rotierender starrer Körper
III.2.B
Trägheitsmomente einfacher Körper
III.2.B.a
Kugel
III.2.B.b
Hohlzylindersegment
III.2.C
Beispiel: Rotierender Massepunkt
III.2.D
Beispiel: rollende Kugel
III.2.D.a
Auf schiefer Ebene
III.2.D.b
In V-förmiger Rinne
III.2.E
Atwood'sche Fallmaschine
18
19
19
20
21
23
23
24
26
IV Reibung
29
IV.1
Experimentelle Analyse von Bewegungsvorgängen
29
IV.2
Haft- Gleit- und Rollreibung
31
IV.3
Bewegungsabläufe mit geschwindigkeitsabhängiger Reibung
37
IV.4
Innere Reibung bei laminarer Strömung
40
IV.5
Allgemeine Reibung in Gasen und Flüssigkeiten
43
V Schwingungen
44
V.1
einfache Drehschwingung
47
V.2
Gedämpfte Schwingungen
49
V.3
Fouriertransformation der freien Schwingung
51
V.4
Erzwungene Schwingung
55
V.5
Gekoppelte Schwingungen
59
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
I
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Einleitung
I.1 Allgemeines
Die Laborübungen I aus Experimentalphysik für Physiker/Innen umfassen 15
Übungseinheiten im Semester, wovon ca. 12 Übungsnachmittage der eigenen Durchführung
von Experimenten zur Verfügung stehen. Die restlichen Übungseinheiten dienen für
Vorbesprechung, Tests, Wiederholungen etc. Es besteht Anwesenheitspflicht; in begründeten
Fällen können maximal 2 Übungsnachmittage versäumt werden, um noch einen positiven
Laborabschluß erreichen zu können. Es versteht sich von selbst, daß der Lehrinhalt
versäumter Übungseinheiten von den Studierenden selbständig nachgeholt wird.
Zu den Übungen sind außer Schreibzeug, Lineal usw. auch ein technisch-wissenschaftlicher
Taschenrechner (Betriebsanleitung!) sowie verschiedene Sorten Millimeterpapier (linear,
logarithmisch) mitzubringen, um eine sinnvolle Auswertung und Darstellung der
Meßergebnisse zu gewährleisten. Bei einigen Übungsaufgaben kann auch die Verwendung
eines Zirkels hilfreich sein. Die im Praktikum aufgestellten Computer können verwendet
werden.
Die Laborübungen I gliedern sich in einzelne Übungsaufgaben. Der/die
LehrveranstaltungsleiterIn erklärt kurz die benötigten physikalischen Zusammenhänge und
die Durchführung der einzelnen Aufgaben. Diese werden dann zu zweit durchgeführt. Damit
soll frühzeitig das wissenschaftliche Teamwork trainiert werden. Andererseits soll daraus
keine einseitige Arbeitsteilung entstehen. Im Lauf der Übung soll jeder der beiden Partner
wenigstens einmal jede der anfallenden Tätigkeiten durchgeführt haben. Über jede
durchgeführte Übung ist durch jeden Teilnehmer während derselben ein eigenes Protokoll zu
erstellen. Dafür ist ein eigenes Heft oder ein Ordner anzulegen. Alle Protokolle bereits
durchgeführter Aufgaben sind ständig verfügbar zu halten. Die Zeit während der
Laborübungen sollte vor allem zum Experimentieren und zum Hinterfragen der
physikalischen Vorgänge verwendet werden. Zu diesem Zweck ist es notwendig, sich vor den
jeweiligen Laborübungen mit benötigten Grundlagen aus Vorlesung und Lehrbuch vertraut zu
machen, um einerseits Unklarheiten durch Fragen während der Laborübungen beseitigen zu
können und andererseits nicht durch Unwissenheit im Experimentieren behindert zu sein.
Letztendlich liegt es auch an Ihnen, aus einer praktischen Lehrveranstaltung möglichst viel
Wissen und Verständnis vermittelt zu bekommen. Die Vortragenden können hier nur
bestmögliche Hilfestellung anbieten.
Die Benotung der Laborübungen I beruht auf Ergebnissen von Kurztests, welche während der
Übungsnachmittage abgehalten werden, der Mitarbeit, den Abschlußtests (praktisch und
theoretisch) und der Protokollführung. Ein mündliches Abschlußgespräch am Ende des
Semesters kann ebenfalls mit einbezogen werden.
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Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 4
I.2 Protokollführung
Grundsätzlich soll über jedes wissenschaftliche Experiment Protokoll geführt werden. Zweck
des Protokolls ist es:
a) Die Versuchsbedingungen so festzuhalten, daß das Experiment nach den Aufzeichnungen
von einem selbst oder von anderen reproduziert werden kann,
b) Das Experiment beeinflussende Nebenbedingungen festzuhalten, damit auch nachträglich
etwaige Fehlerursachen erkannt werden können,
c) Die Originalmeßergebnisse unverändert und vollständig festzuhalten, um eine spätere
Auswertung beliebig oft und unter veränderten Gesichtspunkten zu ermöglichen.
Das Protokoll sollte beinhalten:
1. Aufgabenstellung: Der genaue Zweck des Experimentes; was soll bestimmt werden.
2. Voraussetzungen und Grundlagen: welche physikalischen Voraussetzungen, welche
Beziehungen benötige ich, um die genannte Aufgabe zu lösen. Hier soll nicht ein Lehrbuch
wiedergegeben werden, sonder die wichtigsten Formeln und Beziehungen in Stichworten
angegeben werden, die später für die Auswertung benötigt werden. Auch die Angabe der
Definition der zu bestimmenden physikalischen Größe kann hier sinnvoll sein. Verweise auf
einzelne Kapitel in Lehrbüchern können hilfreich sein.
3. Versuchsaufbau: Eine genaue Skizze (Abmessungen etc.) des Versuchsaufbaues, um ihn
jederzeit reproduzierbar nachbauen zu können. Die Beschriftung ist einheitlich im Text, den
Tabellen und Skizzen aufeinander abzustimmen. Wichtige Spezifikationen von Geräten sind
anzugeben, soweit sie nicht aus der Gerätebezeichnung bekannt sind.
4. Meßergebnisse: In Form von Tabellen, Kurven etc. sind hier die originalen Meßwerte, also
die unmittelbaren Ablesungen von den Geräten des Meßaufbaues ohne irgendwelchen
Umformungen, Umwandlungen, Berechnungen etc., anzugeben. Wichtige Nebenbedingungen
(z.B. Lufttemperatur, Luftdruck, Feuchtigkeit, etc. ) sollten ebenfalls erfaßt werden, wenn
eine Beeinflussung des eigentlichen Meßergebnisses zu erwarten ist. Irgendwelche auffälligen
Veränderungen während des Experimentes sollten genau vermerkt werden.
5. Auswertung: Entsprechend der in Punkt 2) angegebenen Beziehungen ist aus den
Meßergebnissen in Punkt 4) das in Punkt 1) formulierte Endergebnis zu berechnen.
6. Diskussion: Hier sollte eine kurze Reflexion über die durchgeführte Aufgabe und das
erzielte Ergebnis stattfinden. Fehleranalyse, Vergleich zu tabellierten Werten, kritische
Durchleuchtung des Meßaufbaues mit möglichen Verbesserungsvorschlägen sollten hier in
sinnvoller Weise gebracht werden.
Es empfiehlt sich für das Protokoll ein eigenes gebundenes Heft zu verwenden. Lose Zettel
sind ungeeignet, da sie leicht verloren gehen können und damit mühsame Meßreihen
vergeblich waren.
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II
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Grundlagen des Messens
Messen bedeutet quantitatives Vergleichen einer Größe mit der zugehörigen Einheit.
Notwendige Voraussetzung dafür ist die Definition einer Einheit und die Festlegung einer
Meßvorschrift. Physikalische Einheiten und Meßvorschriften werden jeweils mit einer
Genauigkeit definiert, wie sie dem aktuell höchsten Stand der Meßtechnik entspricht.
Alltägliche Messungen werden mit Geräten durchgeführt, die zwar entsprechend den
Einheiten geeicht sind, allerdings reicht die Eichung nicht an die Genauigkeit der Definition
heran. Üblicherweise liegt die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit bei Meßgeräten bei 1/10
der kleinsten noch auflösbaren Größe, also etwa bei einem Maßstab mit Millimetererteilung
bei 0.1 mm. Allerdings ist hier größte Vorsicht geboten, da Meßgenauigkeit und
Ablesegenauigkeit eines Meßinstrumentes nicht unbedingt miteinander gekoppelt sein
müssen. (z.B. billige Meßgeräte mit Digitalanzeigen mit vielen Stellen.) Für genaue
Messungen sollten die verwendeten Meßgeräte stets auf ihre Genauigkeit hin überprüft
werden. (z.B. Kurze Probemessung einer bereits bekannten physikalischen Größe.)
II.1 Meßabweichungen
Bei den meisten Messungen entspricht der erzielte Meßwert dem „wahren“ Wert immer nur
bis auf eine endliche Differenz, Meßabweichung oder einfach Fehler genannt. Es ist Aufgabe
der Fehlerabschätzung zu ermitteln, in welchem Bereich der wahre Wert wahrscheinlich liegt.
Die Meßabweichungen können zwei verschiedene Ursachen haben, die eine getrennte
Berücksichtigung erfordern: systematische und zufällige („statistische“) Meßabweichungen.
II.1.A Systematische Meßabweichungen
Diese Meßabweichung beeinflußt die Meßgröße meist in eine bestimmte Richtung;
systematisch zu große oder zu kleine Werte. Sie entstehen entweder durch „Fehler“ der
Meßinstrumente (falsche Kalibrierung) oder durch „Fehler“ des Meßverfahrens selbst.
Fehlerbehaftete bzw. nicht mehr kalibrierte Meßgeräte:
Typische Beispiele für diesen unmittelbar einsichtigen Fall sind: verbogene Maßstäbe,
Vergleichsmassenstücke mit Massenzunahme durch Korrosion, durch mechanische
Gewaltanwendung (Hinunterfallen) beschädigte Zeigerinstrumenten, schwache Batterien bei
elektrischen Instrumenten, verstellte Justierschrauben und Einstellregler, Alterung von
Meßinstrumenten, etc.
Fehlerbehaftetes Meßverfahren:
Grundsätzlich ist jeder Meßvorgang ein Eingriff in das zu messende System und verändert
dieses (mehr oder weniger stark). So wird z.B. bei der Temperaturmessung eines Körpers
dieser mit dem Thermometer in Berührung gebracht. Dabei kommt es zu einem Wärmefluß
zwischen beiden Körpern, der die Temperaturen beider Körper verändert. Ein weiteres
Beispiel ist die Längenzunahme eines Drahtes, der zwecks Bestimmung seiner Länge parallel
zum Maßstab gespannt werden muß.
Das Erkennen, quantitative Abschätzen und Minimieren möglicher systematischer
Abweichungen ist ein essentieller Bestandteil jedes Experiments. Systematische
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Abweichungen können nur durch eine kritische Analyse des Meßvorganges und der
verwendeten Meßgeräte erkannt und vermieden werden. Sie können nicht mit Hilfe der
Fehlerrechnung eliminiert werden. So kann z.B. helfen, eine Meßgröße über verschiedene
Verfahren gleichzeitig zu bestimmen (z.B. die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges mit
Laserpistole, einem Radargerät, Analyse eines abgestrahlten Tones bestimmter Frequenz
mittels des Dopplereffektes und direkte Messung der Zeit für eine bestimmte zurückgelegte
Wegstrecke.) Die Analyse systematischer Fehler ist sicher eine der schwierigsten und es kann
prinzipiell nie absolute Garantie geben, daß keiner vorliegt. Aber bei sorgfältigem
Experimentieren kann diese Fehlerquelle minimiert werden.
II.1.B Zufällige (statistische) Meßabweichungen
Sie haben ihre Ursache in verschiedenen Störeinflüssen während der Messung, die weiters
nicht beeinflußt werden können. Auch bei hinreichend kleinen systematischen Abweichungen
wird die mehrmalige Messung einer Größe meist nicht genau übereinstimmende Ergebnisse
liefern. Mißt man z.B. die Dauer eines streng reproduzierbar ablaufenden Vorganges mittels
einer handbedienten Stoppuhr mehrmals hintereinander, so bewirken die vom "Zufall"
abhängigen Reaktionszeiten des Experimentators bei der Betätigung der Stoppuhr eine
Streuung der einzelnen Meßwerte. (Man könnte in diesem Fall vermuten, daß hauptsächlich
eine systematische Meßabweichung aufgrund der Reaktionszeit entsteht. Diese ist jedoch
sowohl beim Start als auch beim Stop der Uhr vorhanden und wird somit bei diesem
Experiment kompensiert. Was bleibt ist die Streuung in den Reaktionszeiten).
Abschätzung von "zufälligen" Fehlern
Bei einer einzelnen Messung kann im allgemeinen nicht abgeschätzt werden, wie groß der
Fehler ist. Meist werden daher Meßreihen durchgeführt. Dabei heißt die Menge aller
überhaupt möglichen Meßwerte die Grundgesamtheit, die der wirklich gemessenen Werte
eine Stichprobe. Treten bestimmte Meßwerte innerhalb einer Stichprobe mehrfach auf, so ist
es instruktiv, die Häufigkeit jedes Meßwerts als Funktion dieses Wertes aufzutragen. (Oft ist
es dazu nötig, jeweils mehrere benachbarte Meßwerte in einer Klasse zusammenzufassen.)
Man erkennt in einem derartigen Diagramm leicht, daß die Meßwerte streuen und daß
bestimmte Werte besonders häufig vorkommen. Man kann diese Häufigkeitsverteilung durch
eine Häufigkeitsfunktion beschreiben, die im Falle sehr großer Stichproben (Anzahl der
Meßwerte gegen Unendlich) eine stetige Funktion ist. Sind die Meßabweichungen
"zufälliger" Natur, so wird die Häufigkeitsverteilung für unendlich viele Meßwerte durch eine
Gaußfunktion beschrieben.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig etwas näher darauf einzugehen, was als "zufällig"
bezeichnet wird. Gemeint ist dabei das Auftreten von Meßabweichungen die sich in Form
einer Gaußkurve um den eigentlichen Meßwert verteilen. Man nennt dies eine
Normalverteilung. Mathematisch erhält man diese Funktion, wenn man folgenden Fall
betrachtet, welcher das "random walk" Problem genannte wird. Man betrachtet einen
Betrunkenen (Meßgröße), der mit einer Wahrscheinlichkeit p einen Schritt der Länge ∆x
(störender Einfluß von Außen) in Vorwärtsrichtung, und mit der Wahrscheinlichkeit q=1-p
einen Schritt nach rückwärts macht. Nach insgesamt N Schritten ergibt sich dann eine
Wahrscheinlichkeit, den Betrunkenen an einem bestimmten Ort x aufzufinden. Die sich
ergebenden Wahrscheinlichkeitsverteilung für den Aufenthalt des Betrunkenen (Meßgröße
samt Störeinflüssen) ist die Binominalverteilung. Für gleiche Wahrscheinlichkeit eines
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Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
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Schrittes nach vor und zurück (gleiche Wahrscheinlichkeit der Meßabweichung zu größeren
und kleineren Werten), also für p=q=0,5 ergibt sich eine symmetrische Verteilung. Für
besonders viele Schritte (N→∞) mit beliebig kleiner Schrittweite (∆x→0) geht die
symmetrische Binomialverteilung in die Gaußverteilung über. (siehe z.B. F.Reif, Statistische
Physik und Theorie der Wärme). Demnach bekommt der Begriff "zufällig" in unserem
Zusammenhang folgende Bedeutung: Es wirken unendlich viele Störeinflüsse, welche das
Meßergebnis minimal mit gleicher Wahrscheinlichkeit zu größeren und kleineren Werten hin
verändern. Dies muß in der Praxis nicht für jede Meßserie zutreffen, ist aber eine durchaus
berechtigte Modellannahme. In Abbildung II/1 ist z.B. das Ergebnis von 35 Messungen einer
Zeit von ca. 2,25 Sekunden dargestellt. Ungefähr kann man erkennen, daß die
Häufigkeitsverteilung der Meßwerte ähnlich einer Gaußkurve ist. (Exakter Weise könnte man
selbst bei rein "zufälliger" Streuung der Meßwerte erst nach unendlich vielen Messungen eine
Gaußkurve erwarten.) Im weiteren nehmen wir an, daß Meßwerte nur rein "zufällig" streuen.
4
n
2
0
2,20
2,25
2,30
2,35
Zeit t/s
Abb.II/1: Häufigkeitsverteilung am Beispiel von 35 unabhängigen Messungen einer Zeitspanne
Ziel einer physikalischen Messung ist die Ermittlung des wahren Werts, der den Meßwerten
der Stichprobe zugrunde liegt. Die Gesetze der mathematischen Statistik besagen, daß auf
Grund der endlichen Anzahl von erhaltenen Meßwerten über den wahren Wert nur eine
Wahrscheinlichkeitsaussage möglich ist. Der beste Schätzwert für den wahren Wert ist
das arithmetische Mittel x aus den N Stichprobenwerten xi :
x=
1
N
N
∑x
i =1
i
Für diesen Mittelwert ist die Summe der positiven Abweichungen gleich der Summe der
negativen Abweichungen. Verschiedene Meßreihen werden aufgrund unterschiedlicher
Umstände unterschiedlich große Streuungen der Stichprobenwerte um den Mittelwert liefern
(unterschiedliche Breite der Häufigkeitsverteilung). Einer Meßserie wird um so mehr
Aussagekraft beizumessen sein, je weniger die Meßwerte streuen. Wir benötigen daher eine
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Quantifizierung der Streuung innerhalb einer Stichprobe. Das Maß für die Streuung der
Meßwerte um den Mittelwert ist die Standardabweichung s :
s =
1 N
(x − xi )2
∑
N − 1 i =1
Bei einer großen Anzahl von Messungen (Gaußverteilung) liegen im Intervall x ± s ca. 68 %
aller Meßwerte. Würde man mehrere Stichproben (Meßreihen) von jeweils gleichem Umfang
betrachten, so würden auch die Mittelwerte dieser Stichproben noch um den „wahren“ Wert
streuen. Allerdings wäre die Streuung der Mittelwerte geringer als die der Einzelwerte. Diese
Streuung der Mittelwerte ist für eine physikalische Messung die wichtigste Größe. Sie
bestimmt die Zuverlässigkeit des Ergebnisses der gesamten Meßreihe. Die Zuverlässigkeit der
Gesamtmittelwerts ist um so höher, je kleiner die Streuung (Standardabweichung) s der
Einzelmessungen ist und je höher deren Anzahl N ist. Das Maß für die Verläßlichkeit des
Gesamtmittelwerts ist die Standardabweichung der Mittelwertverteilung. Eine Größe, die
dieser Standardabweichung entspricht, kann auch aus einer einzelnen Meßreihe errechnet
werden. Sie wird (etwas mißverständlich) als „Standardabweichung des Mittelwertes“
bezeichnet, obwohl nur ein Mittelwert vorkommt. Diese Standardabweichung m des
Mittelwertes gibt an, wie weit der Mittelwert (mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit)
vom wahren Wert abweichen kann. Für sie gilt:
m=
s
=
N
N
1
(x − xi )2
∑
N (N − 1) i =1
Bei kontinuierlichen Verteilungen ist die Mächtigkeit der Grundgesamheit unendlich, d.h. die
Standardabweichung des Mittelwerts wäre null und der Mittelwert exakt gleich dem wahren
Wert. Wirkliche Meßreihen erfassen nur Stichproben von endlichem Umfang. Bei
Stichproben ist die Standardabweichung des Mittelwerts nach obiger Beziehung vom Umfang
N abhängig. Größere Meßreihen geben eine geringere Standardabweichung des Mittelwertes.
Die Tatsache, daß der Umfang der Stichprobe nur als Wurzelausdruck in die Formel eingeht
bedeutet, daß eine Erhöhung der Sicherheit des Mittelwerts auf diesem Wege u. U. zu einer
unerträglich großen Meßzeit führt. Wirksamer ist es, die Meßmethode zu verbessern um
damit geringere Streuungen zu erzeugen.
Der wahre Wert der Messung liegt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit innerhalb eines
vorgegebenen Bereichs um den Mittelwert. Diese Wahrscheinlichkeit beträgt 68% für den
Bereich x ± m , 95% für den Bereich x ± 2m und 99.7% für den Bereich x ± 3m . Als Ergebnis
einer Meßreihe sollte immer der Mittelwert, die Standardabweichung des Mittelwertes und
die Zahl der durchgeführten Messungen angegeben werden.
Jede Angabe eines Meßergebnisses muß daher enthalten:
Mittelwert, Standardabweichung des Mittelwertes, Zahl der Messungen.
Der hier angegebene Fehler eines Meßwertes wird auch absoluter Fehler bezeichnet, weil er
direkt das Intervall in absoluten Einheiten angibt, in dem sich mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit der wahre Wert befindet. Will man hingegen wissen, ob es sich um einen
sehr genauen oder ungenauen Wert handelt, wird oft der relative Fehler angegeben, der auch
m
m
in Prozent ausgedrückt werden kann: r = , bzw. r % = 100% .
x
x
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Seite 9
Signifikanz
Stimmen die Mittelwerte von zwei Meßreihen nicht überein, so kann das zwei verschiedene
Ursachen haben: Entweder liegt eine zufällige Abweichung vor, oder den beiden Meßreihen
liegen wirklich verschiedene „wahre“ Werte zugrunde. Die Sicherheit, mit der das Vorliegen
zweier verschiedener „wahrer“ Werte angenommen werden kann, nennt man Signifikanz der
Abweichung. Es können mathematische Signifikanzkriterien angegeben werden, die für
physikalische Messungen meist jedoch nicht unbedingt erforderlich sind. Im allgemeinen
kann man zwei Messungen als signifikant verschieden annehmen, wenn der Abstand ihrer
Mittelwerte größer als die Summe der Standardabweichungen dieser Mittelwerte ist. Dann
kann mit 68%iger Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß verschiedene wahre Werte
den beiden Meßserien zugrunde liegen.
Aufgabenstellungen:
Messen Sie 50 mal die Dauer eines reproduzierbaren Vorganges, der etwa 5 s dauert, mit der Stoppuhr.
Zeichnen Sie die Häufigkeitsverteilung der Meßwerte unter Bildung von mind. 9 Klassen.
Bestimmen Sie Mittelwert, Standardabweichung und Standardabweichung des Mittelwerts
Messen Sie mit der Schiebelehre von verschiedenen Objekten die Länge, Außen- und Innendurchmesser sowie
Lochtiefe. Benützen Sie dabei den Nonius.
Diskutieren Sie im Protokoll die Möglichkeit systematischer Fehler bei obigen Messungen.
Praktische Durchführung:
Als zu messenden Vorgang verwenden Sie die Bewegung des Elektronenstrahls über den
Oszilloskopbildschirm. Dabei ist die Zeitablenkung (Time/div) auf ca. 0.5 s/cm einzustellen. Zur Vermeidung
eines systematischen Fehlers ist die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen durch einen
bestimmten Ort zu messen (warum ? ). Diskutiere mögliche systematische Fehlermöglichkeiten
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II.1.C Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen:
physikalische Gesetzmäßigkeiten
Physikalische Gesetze beschreiben die funktionelle Abhängigkeit zwischen Größen.
Messungen sollen daher häufig zwei (oder mehrere) Größen in ihrer gegenseitigen
Abhängigkeit bestimmen. Jede der gemessenen Größen ist dabei mit Meßabweichungen
behaftet. Eine anschauliche Darstellungsform für das Ergebnis solcher Messungen liefern
Diagramme, welche die Abhängigkeiten wiedergeben. Im weiteren soll von dem einfachen
Fall von nur zwei voneinander abhängigen physikalischen Größen ausgegangen werden. (z.B.
Weg und Zeit eines bewegten Körpers). Der Mittelwert jeder einzelnen Meßreihe liefert dabei
einen Meßpunkt im Diagramm, wobei z.B. die Zeit auf der x-Achse und der Ort auf der yAchse aufgetragen wird. Die Standardabweichungen in beiden Achsenrichtungen (sowohl der
Weg als auch der Zeitmessung) ist durch einen Fehlerbalken anzugeben. Der Verlauf der
Funktion, die den Zusammenhang zwischen den „wahren“ Werten der Meßgrößen angibt,
wird am besten durch eine sogenannte Ausgleichskurve dargestellt. Ihr Verlauf ist dadurch
charakterisiert, daß die Summe der Quadrate der Abstände der Meßpunkte von der Kurve ein
Minimum wird. Ist die betreffende Funktion linear, d.h. hat sie die Form
y = kx + d
so gilt für die Ausgleichsgerade:
N
k=
∑x y
i =1
N
i
∑x
i =1
2
i
i
− Nx y
− Nx 2
und
d = y − kx
10
Weg x/m
8
6
4
2
0
0
5
10
15
20
25
30
Zeit t/s
Abb.II/2: Linearer Zusammenhang zwischen den physikalischen Größen Weg und Zeit am Beispiel einer
gleichförmigen Bewegung. Durch die Messpunkte ist eine Ausgleichsgerade gelegt
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Seite 11
Sollten die einzelnen Meßpunkte mit unterschiedlichen Fehlern behaftet sein, so kann dies
durch gewichtete Mittelwertbildung berücksichtigt werden. Werte mit großem Fehler gehen
dann weniger stark ein als Werte mit kleinem Fehler. Es soll jedoch darauf hingewiesen
werden, daß üblicherweise kein statistischer Gewinn daraus gezogen werden kann, zunächst
einzelne Meßwerte zusammenzufassen und den Mittelwert zu bestimmen, und dann diese
Mittelwerte weiter für Ausgleichsfunktionen zu verwenden. Man kann gleich alle Meßdaten
ohne Mittelwertbildung für die Ausgleichsfunktion verwenden. Da bei zeitgemäßen Vorgehen
diese Bestimmung von Ausgleichskurven am Computer durchgeführt wird, ist es auch kein
Problem mehr mit einer größeren Datenmenge in linearen und nichtlinearen Fitroutinen zu
arbeiten.
Ist der funktionelle Zusammenhang zwischen den beiden Größen nichtlinear, so gelten
kompliziertere mathematische Zusammenhänge. Meist werden dann numerische Methoden,
sogenannte nichtlineare Fitroutinen, eingesetzt. Diese stehen im Praktikum am Computer z.B.
im Programm Origin zur Verfügung. Hier sei jedoch gleich vor einem allzu unbeschwerten
"Fitten" von Meßdaten gewarnt. Allzuleicht verfällt man der Versuchung, verschiedenste
Funktionen als Fitroutinen für die erhaltenen Meßwerte auszuprobieren und dann jene als
beste auszuwählen, welche die kleinste Abweichung zu den Meßwerten ergibt. Dies liefert
zwar schöne Diagramme, aber gewonnen ist dadurch in physikalischer Weise nicht das
geringste, da die dabei bestimmten Parameter der Fitfunktion keinerlei physikalische
Bedeutung haben und nicht mehr interpretiert werden können. Die Fitfunktion muß daher
durch ein physikalisches Modell vorgegeben sein, damit dann die Parameter der Fitfunktion
im Rahmen dieses Modells weiter interpretiert werden können. Ausnahme bilden vielleicht
Problemstellungen wie das Auffinden eines möglichst analytischen Ausdrucks der im
Experiment festgestellten Gesetzmäßigkeit. Z.B. ob die gefundene Abhängigkeit linear,
exponentiell oder logarithmisch ist. Hier ist es jedoch im einfachen Fall von nur 2 abhängigen
Größen auch möglich, durch nichtlineare Transformationen alle Gesetzmäßigkeiten auf
lineare zurückzuführen. So wird etwa eine Potenzfunktion
y = ax b
durch zweifaches Logarithmieren (y→log y und x→log x) in eine lineare Funktion
übergeführt:
log y = b log x + log a
Eine Exponentialfunktion der Form
y = ae bx
wird durch einfaches Logarithmieren (y→ln y) linearisiert und man erhält
ln y = bx + ln a
Die Linearisierung in der angegebenen Art kann im ersten Fall am besten durch Darstellung
in einem Diagramm mit doppeltlogarithmischer Achsenteilung erfolgen, im zweiten Fall
durch einfachlogarithmische Achsenteilung. Aus einem derartigen Diagramm kann der Wert
der Konstante b aus der Steigung der Ausgleichsgeraden, der Wert der Konstanten a aus dem
Schnitt der Geraden mit der y-Achse für x = 1 bzw. für x = 0 ermittelt werden. Wichtig ist
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Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 12
noch zu bemerken, daß im allgemeinen bei physikalischen Problemstellungen im Logarithmus
genauso wie in Exponenten nur dimensionslose Größen auftreten. Demnach ist der
Logarithmus grundsätzlich als Verhältnis aufzufassen. In unserem Beispiel bedeutet dies, daß
 y 
ln(y) eigentlich genauer heißt: ln  wobei y0 die Bezugsgröße mit Einheit darstellt. Soll y
 y0 
das Maß für einen Weg darstellen, so kann y0 zum Beispiel 1m sein, wenn alle Längen auf 1m
bezogen werden sollen.
50000
10000
1000
30000
Weg x/m
Weg x/m
40000
20000
100
10000
10
0
-50
0
50
100
150
200
Zeit t/s
250
10
100
Zeit t/s
Abb.II/3: Linearisierung einer nichtlinearen Funktion durch logarithmische Darstellung gezeigt am Beispiel
einer Fallbewegung
II.1.D Fehlerfortpflanzung
Zuletzt soll noch der Frage nachgegangen werden, wie sich bei physikalischen
Gesetzmäßigkeiten der Gesamtfehler aus den Fehlern der einzelnen Meßwerte ergibt. Gehen
wir von einer Gesetzmäßigkeit aus, wo die Größe G = f(Gi) (z.B. die Geschwindigkeit oder
die Beschleunigung) von Meßgrößen Gi (z.B. Weg und Zeit) abhängig ist. Die Fehler der
Meßgrößen pflanzen sich in das errrechnete Resultat fort. Als wahrscheinlichster Wert für die
errechnete Größe kann derjenige gelten, der aus den Mittelwerten der Meßgrößen gewonnen
wurde. Wenn Gi die gemessenene Größen sind, so gilt für die Standardabweichung mG der
errechneten Größe G
2
∂ G 2
 mG
mG = ∑ 
i
i  ∂ Gi 
Die Ableitung ist dabei jeweils an der Stelle der Mittelwerte von Gi zu bilden. Diese
Vorschrift gilt solange, als die einzelnen Meßgrößen in ihrem Fehler voneinander unabhängig
sind, wie das für rein "zufällige" Fehler auch zutrifft. Sollten jedoch "versteckte"
Abhängigkeiten vorliegen, wo z.B. eine Meßabweichung zu größeren Werten hin gleichzeitig
einen anderen Meßwert in eine bestimmte Richtung beeinflußt, dann muß der Gesamtfehler
auf andere Art ermittelt werden. (Genaue Analyse der gegenseitigen Abhängigkeiten der
Meßfehler.) Diese Fortpflanzung des Fehlers bezieht sich auf den absoluten Meßfehler, wie er
z.B. aus der Standardabweichung ermittelt wird und darf nicht auf den relativen Fehler
angewendet werden.
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Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 13
Weiterführende Bemerkungen: Die Mathematik statistischer Auswertungen ist sehr
hochentwickelt, wie z.B. jedesmal bei Wahlprognosen und Hochrechnungen gesehen werden
kann. Auch bei physikalischen Messungen können daher Fragen, wie z.B. beeinflußt
Rauschen das Ergebnis, wie kann man aus einem stark verrauschten Signal noch das
Nutzsignal messen, mit welcher Wahrscheinlichkeit verbirgt sich ein bestimmtes Signal in
einem komplexen Datenstrom etc. beantwortet werden. Begriffe wie Auto- und
Kreuzkorrelation, Lock-In Technik etc. sind damit verbunden und sind Gegenstand höherer
Lehrveranstaltungen über Experimentier- und Meßtechnik.
Aufgabenstellungen:
Messen Sie mit der Atwood`schen Fallmaschine die resultierende Fallzeit für 15 verschiedene Fallhöhen.
Tragen Sie den Weg als Funktion der Zeit in ein Diagramm ein und versuchen Sie, durch geeignete Darstellung
(Linearisierung) den funktionellen Zusammenhang deutlich zu machen.
Analysieren Sie das Weg-Zeit Diagramm mit Hilfe des Computers und erstellen sie das Geschwindigkeit-ZeitDiagramm und das Beschleunigungs-Zeit-Diagramm.
Formulieren Sie den Zusammenhang zwischen Weg und Zeit quantitativ und geben Sie die auftretende
Beschleunigung a unter Berücksichtigung der Fehlerfortpflanzung an.
Bei der Atwood'schen. Fallmaschine wirkt nach der Theorie eine Beschleunigung b
b= g
m2 − m1
m1 + m2 + mr / 2
(g ..Erdbeschleunigung, m1, m2 .... Massen der Probekörper, mr ... Masse des Rades). Errechnen Sie aus dem im
Experiment gegebenen Werten die (theoretisch zu erwartende) Beschleunigung und vergleichen Sie diese mit der
gemessenen. Diskutieren Sie Ursachen für die Diskrepanz.
Praktische Durchführung:
Vorsicht bei großen Fallhöhen! Die Schnur kann beim Auftreffen eines "Gewichts" am Boden aus der Rolle
laufen und somit das obere "Gewicht" herunterfallen (Kopfverletzung!)
Hilfreiche Literatur:
W. Walcher: Praktikum der Physik, Teubner Studienbücher Physik
D. Geschke: Physikalisches Praktikum, Teubner
W. Demtröder, Experimentalphysik I, Springer
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 14
III Einfache Bewegungen
Die Bewegungen von Körpern entstehen durch das Zusammenspiel von folgenden
r
r
physikalischen Größen: Kräften ( F ), Massen (M), Ort ( x )und Zeit (t). Weitere Größen wie
r
r
r
r
∂x
zum Beispiel der Impuls ( p = M
= Mx& = Mv ) oder der Energieinhalt (potentielle und
∂t
kinetische) können daraus abgeleitet werden. Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die nun
zwischen diesen Größen wirken, wurden von Newton durch Beobachtung herausgefunden.
Insbesondere ist dabei die Kraft als die Änderung des Bewegungszustandes einer Masse
erkannt worden. Die Newton'schen Axiome lauten:
1. Jeder Massepunkt verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung auf
geradliniger Bahn solange keine Kräfte auf ihn einwirken.
r
2. Definition der Kraft: Kraft ist die Ursache einer Impulsänderung (Beschleunigung ( b )).
3. actio = reactio: Jede Kraft erzeugt eine gleich große Gegenkraft.
Diese mit Worten definierten Gesetze lassen sich etwas kompakter mathematisch formulieren.
Die beiden ersten Gesetze ergeben die bekannte Beziehung:
r
r
r
r ∂pr r
r
r
r
∂2 x
∂x
&
&
&
F=
= p = Mb + Mv = M 2 + M
= M&x& + M& x& .
∂t
∂t
∂t
Dabei wurde gleich von der Vektorschreibweise Gebrauch gemacht. Bei konstanter Masse
trägt nur mehr der Term mit der Beschleunigung bei.
r
r
Das 3. Newton'sche Axiom, daß es zu jeder Kraft auch eine Gegenkraft gibt, also Fi = − F j ,
führt zur wichtigen Beziehung, daß bei Berücksichtigung sämtlicher Kräfte offenbar gilt:
r
∑F
i
= 0.
i
Solche Systeme, wo es keine mehr nach außen gerichteten Kräfte gibt, nennt man
abgeschlossene Systeme. Diese beiden mathematischen Ausdrücke bilden die Grundlagen für
die Behandlung sämtlicher Bewegungsprobleme. Wählen wir als einfachen Fall eine
konstante Masse M auf die eine zeitlich und örtlich konstante Kraft F in Richtung x wirken
soll. Da hier ein streng eindimensionales Problem vorliegt, können wir auf die
r
Vektorschreibweise verzichten. Aus ∑ Fi = 0 folgt, daß es eine gleich große Gegenkraft
i
r
r
geben muß. Dies ist die sogenannte Trägheitskraft, welche nach F = M&x& für die Änderung
des Bewegungszustandes verantwortlich ist. Wir erhalten direkt die Bewegungsgleichung:
F − M&x& = 0 .
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Seite 15
Durch Lösen dieser Differentialgleichung erhalten wir sämtliche Zusammenhänge zwischen
Weg, Zeit, Geschwindigkeit und Beschleunigung:
b = &x& =
F
= const.
M
bzw. durch Integrieren:
t
t
t0
t0
v (t ) = x& = ∫ &x&dt = ∫
F
F
(t − t0 ) + v0 .
dt =
M
M
Besonderer Augenmerk ist hier auf die Integrationsgrenzen und die Integrationskonstante zu
legen, da diese die entsprechenden Randbedingungen festlegen. In unserem Fall wurde ganz
allgemein als Randbedingung festgelegt, daß zur Zeit t0 die Geschwindigkeit v0 vorliegen soll.
Durch weiteres Integrieren erhält man:
t
t
F
F

(t − t0 )2 − F t0 (t − t0 ) + v0 (t − t0 ) .
s (t ) = s0 + ∫ v (t )dt = s0 + ∫  (t − t0 ) + v0 dt = s0 +
2M
M
M

t0
t0 
Im besonderen Fall der Randbedingungen, daß t0=0, s0=0 und v0=0 sind, erhalten wir die
bekannte Gesetzmäßigkeit der gleichförmig beschleunigten Bewegung:
s (t ) =
F 2 1 2
t = bt .
2M
2
Bis jetzt wurden nur die Abhängigkeiten gegenüber der Zeit angegeben. Von allen anderen
möglichen Beziehungen soll lediglich noch die Frage geklärt werden, welche
Geschwindigkeit liegt an welchem Ort vor. Dies erhält man durch Elimination der Zeit,
welche durch den Weg ausgedrückt werden kann. Wir gehen von den einfachen
Randbedingungen aus und erhalten:
v( s) =
F
F
t=
M
M
2 Ms
=
F
2 Fs
= 2bs .
M
Nachteil der hier verwendeten Methode, aus den Kräftegleichungen zu
Bewegungsgleichungen zu kommen, ist, daß in komplexeren Systemen nicht immer alle
Kräfte leicht zu erkennen sind und dadurch leicht Fehler entstehen. Deswegen wurden weitere
Verfahren entwickelt, welche von der kinetischen und potentiellen Energie eines Systems
ausgehen, welche oft einfacher zu erkennen sind. Der Vollständigkeit halber sollen sie hier
kurz angeführt werden.
Das Lagrange Verfahren:
Aus der kinetischen Gesamtenergie eines Systems T und der gesamten potentiellen Energie V
r r
wird die Lagrange-Funktion L( x , x& ) = T − V gebildet, welche als Variablen den
generalisierten Ort und seine zeitliche Ableitung beinhaltet. Die Bewegungsgleichungen
∂ ∂L ∂L
erhält man dann nach folgender Vorschrift:
−
= 0.
∂t ∂x& ∂x
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Seite 16
In unserem vorigen Beispiel der einfachen gleichförmigen Beschleunigung lautet die
1
Lagrange-Funktion: L( x, x& ) = Mx& 2 + Fx und man erhält als Bewegungsgleichung:
2
M&x& − F = 0 .
Hamilton Formulismus:
Hier geht man von der Gesamtenergie eines Systems aus, welche durch generalisierten Ort
r r
und Impuls in Form der Hamiltonfunktion H ( x , p ) = T + V angegeben wird. Die
r
∂H
Bewegungsgleichung erhält man dann nach folgender Vorschrift: p& = − r zusammen mit
∂x
r ∂H
x& = r .
∂p
In unserem vorigen Beispiel der einfachen gleichförmigen Beschleunigung lautet die
1
p2
− Fx . Als Bewegungsgleichungen erhält
Hamilton-Funktion: H ( x, p ) = Mx& 2 − Fx =
2
2M
p
man: p& = F und x& =
. Daraus erhält man wiederum die bereits bekannte
M
Bewegungsgleichung als Differentialgleichung 2. Ordnung in x: M&x& = F . Dieser
Formalismus leitet bereits zur quantenmechanischen Behandlung über.
III.1 Schiefe Ebene
Der einfache Fall der gleichförmig beschleunigten Bewegung kann am ehesten beim freien
Fall oder, allgemeiner, auf einer schiefen Ebene realisiert werden. Der in Abbildung III/1
dargestellte Körper mit Masse M sollte dabei reibungsfrei (keine Tangentialkräfte an der
Auflagefläche des Körpers) entlang der schiefen Ebene hinuntergleiten. Diese Richtung wird
als x-Richtung angenommen. In diese Richtung wirkt jedoch nicht die volle Gewichtskraft
G = Mg (M Masse des Körpers, g Erdbeschleunigung), sondern nur ein Teil davon, welcher
aus der Komponentenzerlegung in die Kraft FN normal zur schiefen Ebene und die Kraft FP
parallel dazu gewonnen wird. Man erhält: FN = Mg cos α und FP = Mg sin α .
Abb.III/1: Kräfte auf der schiefen Ebene
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Die senkrecht zur Ebene wirkende Kraft FN wird durch eine gleich große Kraft FU
kompensiert, welche die Unterstützung der Last durch die Ebene darstellt. Nur die parallelKomponente FP ist mit einer Bewegung verbunden und wird durch eine entsprechende
Trägheitskraft kompensiert. Analog zu vorigem Beispiel erhalten wir die
Bewegungsgleichung:
M&x& = Fp = Mg sin α .
Mit den einfachen Randbedingungen t0=0, s0=0 und v0=0 erhalten wir die entsprechenden
Beziehungen:
b = &x& =
F
= g sin α .
M
Die auftretende Beschleunigung ist somit durch den Faktor sin α geschwächt. Für die
Geschwindigkeit erhält man:
t
v (t ) = x& = ∫ &x&dt =
0
F
t = gt sin α .
M
Für die Messung am einfachsten zugänglich ist die Bestimmung der Zeit, die für eine
bestimmte Wegstrecke gebraucht wird. Man erhält:
s (t ) =
F 2 1 2
t = t g sin α .
2M
2
Daraus kann bei bekanntem Winkel der schiefen Ebene die Erdbeschleunigung bestimmt
werden.
Entlang des Weges wird die jeweilige Differenz an potentieller Energie in kinetische Energie
umgesetzt. Ist die Bewegung nicht reibungsfrei, so ist die wirksame Kraft um die
Reibungskraft vermindert und die auftretende Beschleunigung kleiner (siehe Abschnitt IV).
Allerdings ist es recht aufwendig in dieser Anordnung eine fast reibungsfreie Bewegung zu
realisieren. Dies würde z.B. den Einsatz einer Luftkissenanordnung erfordern. Viel leichter
läßt sich fast reibungslose Fortbewegung durch das Rollen einer Kugel erreichen.
III.2 Lineare Bewegungen und Rotationen
Die Mechanik rotierender Körper wird meist als wesentlich schwieriger empfunden. Sind
dann noch rotierende Teile mit linear bewegten verbunden, wie dies bei den meisten
mechanischen Maschinen der Fall ist, treten oft ungeahnte Schwierigkeiten auf. Die rollende
Kugel ist ein einfaches Beispiel einer Rotationsbewegung (die der Kugel), welche mit einer
linearen Bewegung (die des Massenschwerpunktes) verkoppelt ist. Wir wollen zuerst ein paar
einfache Gesetzmäßigkeiten von rotierenden Massepunkten herleiten, und dann das Problem
der Verkopplung mit linearen Bewegungen an Beispielen behandeln.
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Seite 18
III.2.A Ableitung: Mechanik rotierender starrer Körper
r
r
Gehen wir von dem Gesetz F = M&x& aus, welches aus den Newton'schen Axiomen gewonnen
r
r
wurde. Für mehrere Massepunkte läßt es sich erweitern zu: ∑ Fi − M&x&i = 0 . Rotationen sind
i
nun dadurch charakterisiert, daß dabei alle Punkte auf einer Geraden, der Drehachse,
unverändert bleiben. Wir wählen nun einen Punkt auf der Drehachse als Bezugspunkt und
r
betrachten für alle i Massepunkte den Ortsvektor ri bezüglich dieses Bezugspunktes. Wir
r
erweitern die letzte Gleichung indem wir mit den Vekoren ri von links das Vektorprodukt
r
r
r
r r r
r
r r r r
r × F − M &x& = 0 = r × F − r × M &x& = r × F − r × p& . Dabei
bilden und erhalten:
∑
i
(
i
i
i
)
∑
i
i
i
i
i
∑
i
i
i
i
i
i
i
r r r
r r r
wird die Größe Ti = ri × Fi das Drehmoment und li = ri × pi der Drehimpuls des i-ten
Massepunktes genannt. Damit haben wir bereits eine Formulierung des Newton'schen
r&
r
Gesetzes für Rotationen gefunden: ∑ Ti = ∑ li . Weiters ist es zweckmäßig bei Rotationen
i
i
anstelle der Ortskoordinate eine Winkelkoordinate einzuführen, welche entsprechend des
Drehsinnes (Rechtssystem) ebenfalls ein Vektor ist. Für eine infinitesimale Verschiebung gilt:
r r
r
r
dx = dϕ × r + dr . Für Winkelgeschwindigkeit und Winkelbeschleunigung des i-ten
r r
r r r r r r
r r r r r
r r
Massepunktes erhält man: v = x& = ϕ& × r + r& = ω × r + r& und b = &x& = ω& × r + ω × r& + &r& .
i
i
i
i
i
i
i
i
i
i
i
i
i
i
i
Damit kann man auf reine Winkelgrößen transformieren und erhält für den Drehimpuls:
r r r r
r
r r r
r r tr
li = ri × pi = ri × M i vi = M i ri × ω i × ri + M i ri × r&i = I iω i + 0 . Dabei wurde aus dem etwas
komplizierten Ausdruck mit dem doppelten Kreuzprodukt der Vektor der
Winkelgeschwindigkeit herausgezogen, wofür ein Tensor 2. Stufe eingeführt werden mußte.
Dieser Tensor wird Trägheitsmoment genannt und kann durch komponentenweisen Vergleich
bestimmt werden:
 ri 2,y + ri 2,z

t
I i = M i  − ri , x ri , y
−r r
 i,x i ,z
− ri , x ri , y
ri 2,x + ri 2,z
− ri , y ri , z
− ri , x ri ,z 

− ri , y ri , z  .
ri 2,x + ri 2,y 
Dieser Tensor des Trägheitsmomentes ist symmetrisch und ein wichtiges Hilfsmittel bei der
Beschreibung von Drehbewegungen. Wir betrachten nun wiederum die eigentliche
Bewegungsgleichung und transformieren den Term mit der Drehimpulsänderung ebenfalls auf
r& r
r r r
r r t r t& r
r r
Winkelgrößen: li = ri × M i &x&i = ri × M iω& i × ri + ri × M iω i × r& = I iω& i + I iω i . Damit erhalten wir
bereits die Bewegungsgleichung ausgedrückt in Winkelgrößen:
(
) (
)
r r&
r t r t& r
r t r t& r
r r r r
0 = ∑ ri × Fi − ri × p& i = ∑  Ti − li  = ∑ Ti − I iω& i − I ω i = ∑ Ti − I iϕ&&i − I ϕ& i .
 i
i
i 
i
Wichtig ist zu betonen, daß bis jetzt nur mathematische Umformungen
auf
Winkeländerungen durchgeführt wurden, und daher auch in dieser Form beliebige
Bewegungen beschrieben werden können. Dabei ist die Wahl des Bezugspunktes auf der
Drehachse nicht unbedingt notwendig. Von Vorteil ist diese Art der Beschreibung allerdings
bei reinen Rotationen, da dann alle Massepunkte die gleiche Winkelgeschwindigkeit besitzen.
Wählt man dann den Bezugspunkt auf der Drehachse und betrachtet Drehungen um den
Schwerpunkt, dann werden die Gleichungen besonders einfach und auch der Tensor des
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Trägheitsmomentes wird während dieser reinen Rotation eine recht einfach zu berechnende
konstante Größe. Interpretieren wir die Änderung des Drehimpulses ebenfalls als
Drehmoment, so erhält man noch folgende Gleichung:
r
∑T
j
= 0.
j
Diese letzten beiden Gleichungen stellen die Newton'schen Axiome in Winkelgrößen dar.
Damit läßt sich jedes mechanische Problem genauso lösen. Für reine Rotationen, wo alle
Massepunkte die gleiche Winkelgeschwindigkeit besitzen, vereinfachen sie sich zu:
(
)
r tr
r r t r tr r tr
0 = ∑ Ti − I iϕ&&i = ∑ Ti − ϕ&&∑ I i = T − I ϕ&& = T − I ω& = 0 .
i
i
i
Dabei kann bezogen auf eine Achse ein Gesamtträgheitsmoment des Körpers angegeben
werden, welches konstant ist.
III.2.B Trägheitsmomente einfacher Körper
Bei der Beschreibung von Bewegungen mit Hilfe von Winkelgrößen spielt das
Trägheitsmoment eine entscheidende Hilfe. Als Tensor 2. Stufe kann er durch geeignete Wahl
der Achsen auf reine Diagonalform gebracht werden (Hauptachsenform). Dies ist bei
einfachen Körpern für Achsen durch den Massenschwerpunkt, welche gleichzeitig
Symmetriehauptachsen sind, der Fall. Dann berechnen sich die 3 Trägheitsmomente ganz
einfach als die Summe über alle Massenpunkte multipliziert mit dem Quadrat des kürzesten
Abstandes zu der jeweiligen Drehachse. Aus diesen Hauptträgheitsmomenten einfacher
Körper lassen sich dann die Trägheitsmomente beliebiger Körper bezüglich beliebiger Achsen
mithilfe folgender Gesetzmäßigkeiten ermitteln:
(1) Transformation von Hauptachsen auf beliebige Achsen durch den Schwerpunkt mit Hilfe
tt t
t
einer orthogonalen Transformation: I B = OI H O −1 .
(2) Berechnung des Trägheitsmomentes Ia für Achsen außerhalb des Schwerpunktes aus dem
Trägheitsmoment I bezüglich des Schwerpunktes mit Hilfe des Satzes von Steiner. Ist a
der Abstand des Schwerpunktes von der Drehachse und M die Gesamtmasse des Körpers
so ist I a = I + Ma 2 .
(3) Zusammensetzung der Trägheitsmomente komplizierter Körper aus einfachen Körpern
mithilfe der Addition von Trägheitsmomenten bezüglich der gleichen Drehachse.
III.2.B.a
Kugel
Wir gehen von einer homogenen Kugel aus mit konstanter Dichte innerhalb des
Kugelradiuses. Am zweckmäßigsten werden Kugelkoordinaten r, ϕ, ϑ verwendet, welche
durch x=rcosϕsinϑ, y=rsinϕsinϑ und z=rcosϑ definiert sind. Das infinitesimale
Volumselement dV lautet dann in Kugelkoordinaten: dV=r2sinϑdrdϕdϑ. Die Masse der Kugel
ergibt sich zu:
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R
R 2π π
M = ∫ ρdV = ∫
0
V
r3
R3
4πR 3
2π
π
ρ
r
ϑ
drd
ϕ
d
ϑ
=
ρ
−
ϑ
ϕ
=
ρ
⋅
π
=
ρ
= ρV .
sin
cos
2
2
∫0 ∫0
0
0
3 0
3
3
2
Das Trägheitsmoment bezüglich einer Achse durch den Mittelpunkt (Schwerpunkt) kann
leicht mit Hilfe des Abstandsquadrates a2 eines infinitesimalen Massepunktes von der
Drehachse berechnet werden. Wir wählen die Drehachse in z-Richtung und erhalten:
I zz = ∫ ρa dV = ∫ ρ (r sin ϑ ) dV = ∫
V
=ρ
R
R 2π π
2
2
V
0
π
1
r5
2π
ρ
ϑ
ϕ
ϑ
ρ
sin
r
drd
d
=
− cosϑ + cos3 ϑ ϕ 0 =
∫0 ∫0
5 0
3
0
4
3
2
8πR
2
4πR 3 2 2
R 
= R2 ρ
= R M
 2 −  ⋅ 2π = ρ
5 
3
5
5
3
5
5
5
Daraus lassen sich auch die Trägheitsmomente komplizierterer kugelförmiger Körper
berechnen. Die Hohlkugel, welche nur Masse zwischen den Radien R1 < R2 aufweist ergibt
sich zu:
I 1, 2 = I 2 − I 1 = ρ
(
)
8π R2 − R1
,
15
5
5
ganz analog zur Masse:
M 1, 2 = M 2 − M 1 =
(
)
4π
3
3
R2 − R1 .
3
III.2.B.b
Hohlzylindersegment
Für die Beschreibung eines Zylinders werden zweckmäßigerweise Zylinderkoordinaten r, ϕ
und z verwendet. Ein infinitesimales Volumselement ergibt sich dann zu: dV=rdrdϕdz. Wir
wollen ein Zylindersegment betrachten, daß zwischen den Radien R1 < R2 und zwischen den
Winkeln α1 und α2 über die Dicke d homogen mit der Dichte ρ ausgefüllt ist. Die Masse des
Hohlzylindersegmentes ergibt sich zu:
R2 α 2 d
r2
M = ∫ ∫ ∫ ρrdrdϕdz = ρ
2
R1 α1 0
R2
α2
d
ϕα z0 =
1
R1
(
)
dρ
2
2
R2 − R1 (α 2 − α1 ) .
2
Für das Trägheitsmoment bezüglich der z-Achse erhält man:
R2 α 2 d
r4
I zz = ∫ ∫ ∫ r ρrdrdϕdz = ρ
4
R1 α1 0
R2
(
)
d
1
R1
(
2
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)
dρ
4
4
R2 − R1 (α 2 − α1 ) =
4
R2 + R1 dρ
R + R1
2
2
R2 − R1 (α 2 − α1 ) = M 2
2
2
2
2
=
α2
ϕα z0 =
2
2
2
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Seite 21
III.2.C Beispiel: Rotierender Massepunkt
Als einfaches Beispiel betrachten wir einen mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω im
festen Abstand r zur Drehachse rotierenden Punkt mit der Masse M. Zunächst behandeln wir
das Problem im herkömmlichen kartesischen Koordinatensystem und den darauf formulierten
Newton'schen Gesetzen. Die rotierende Bewegung soll in der x-y-Ebene stattfinden und wir
erhalten für Ortsvektor, Geschwindigkeit und Beschleunigung:
 − rω 2 cos ωt 
 r cos ωt 
 − rω sin ωt 


r
 r 

r 
x =  r sin ωt  , v =  rω cos ωt  und b =  − rω 2 sin ωt  .


 0 


0
0






Aus den Newton'schen Axiomen folgt ein Kraftvektor, welcher für die Beschleunigung
verantwortlich sein muß:
 − rω 2 cos ωt 
 Fx 


r
r  
F =  Fy  = Mb = M  − rω 2 sin ωt  .


F 
0
 z


Diese Kraft ist auf die Drehachse gerichtet und wird von der starren Verbindung des
Massepunktes zur Drehachse aufgenommen. Sie wird Zentripedalkraft genannt. Der Betrag
r
der Kraft ist F = F = Mrω 2 . Die entsprechend gegengesetzte Kraft ist die Trägheitskraft und
weist vom Drehmittelpunkt weg, ist gleich groß und ist die allgemein bekannte Fliehkraft.
Diese auftretenden Kräfte, die nicht a priori vorgegeben wurden und erst zwanghaft
entstanden sind um einen bestimmten Bewegungsvorgang (Rotation) zu ermöglichen, werden
Zwangskräfte genannt. Eine weitere Zwangskraft, die Corioliskraft, tritt bei diesem einfachen
Problem nicht auf, weil der Abstand zur Drehachse konstant ist. Wichtig ist anzumerken, daß
der Ortsvektor zwar den augenblicklichen Ort des Massepunktes beschreibt, aber sein Betrag
nicht dem zurückgelegten Weg entspricht. Diesen erhalten wir als Integration über den Betrag
t
t
t
r
2 2
2
2 2
2
der Geschwindigkeit: s (t ) = ∫ v (t ) dt = ∫ r ω sin ωt + r ω cos ωt dt = ∫ rωdt = rωt . Die
0
0
0
Integrationskonstante wurde hier mit Null angenommen.
In gleicher Weise läßt sich dieses Problem mit Hilfe der vorhin abgeleiteten Gesetze für
Winkeländerungen
beschreiben.
Der
Massepunkt
rotiert
mit
konstanter
Winkelgeschwindigkeit und man erhält:
I
T 
r  x  t v  xx
T =  T y  = I ω& =  I xy
I
T 
 z
 xz
I xy
I yy
I yz
I xz  0 


I yz  0  .
I zz  ω& = 0 
Demnach handelt es sich um eine drehmomentfreie gleichförmige Rotation in Analogie zur
kräftefreien gleichförmigen linearen Bewegung. Hier sieht man bereits den Vorteil der
Verwendung der Gleichungen in Winkelgrößen, da die Beschreibung wesentlich einfacher ist.
Allerdings nur solange, als man nur in dem Verhalten der makroskopischen Drehbewegungen
interessiert ist. Zwangskräfte, wie z.B. die Fliehkraft sind hier nicht explizit ersichtlich. Etwas
tieferen Einblick erhält man noch, wenn nun die einzelnen Drehgrößen wie Drehmomente,
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Seite 22
Drehimpulse und Trägheitsmomente auch tatsächlich ausgerechnet werden. In unserem Fall
der einfachen Rotation in einer Ebene sind nur die z-Komponenten von Bedeutung. Wir
berechnen:
 − rω 2 cos ωt 
0
 r cos ωt 




r v r 



2
0
T = r × F =  r sin ωt  × M  − rω sin ωt  = M 
,
2 2
2 2


 0 


0


 − r ω cos ωt sin ωt + r ω sin ωt cos ωt = 0 


 ry2 + rz2

t
I = M  − rx ry
 −r r
x z

− rx ry
rx2 + rz2
− ry rz

r 2 sin 2 ωt
− r 2 sin ωt cos ωt 0 
− rx rz 

 2

0 .
r 2 cos 2 ωt
− ry rz  = M  − r sin ωt cos ωt

rx2 + ry2 
0
0
r 2 

Der Trägheitstensor besteht nur aus der zz-Komponente als zeitlich stabile Größe, während
die anderen Komponenten nur zeitweise auftreten und für den Bewegungsvorgang nicht
maßgebend sind. Das Trägheitsmoment eines einzelnen Massepunktes ist daher Mr2, wobei r
den Normalabstand zur Drehachse bedeutet. Die Kreisfrequenz hat nur eine z-Komponente,
da nur der Winkel des Massepunktes in der x-y-Ebene sich ändert:
 0 


ω =  0  , mit ϕ = ωt + ϕ 0 .
 ω = ϕ& 


r
Die weiteren Größen ergeben sich zu:
 r cos ωt 
 − rω sin ωt 
 0 
r r r r




 tr
r 
l = r × p = r × Mv =  r sin ωt  × M  rω cos ωt  = M  0  = I ω .
 0 


 r 2ω 
0






Zur Vereinfachung ist in nachstehender Tabelle nochmals die Analogie zwischen den
einzelnen Größen angegeben:
lineare Bewegung
r
x , Ort
r r
v = x& , Geschwindigkeit
r r
b = &x& , Beschleunigung
ϕ , Winkel
r r
ω = ϕ& , Winkelgeschwindigkeit
r
ϕ&& , Winkelbeschleunigung
Zusammenhang
r r
r
r
dx = dϕ × r + dr
r r r r
v = ω × r + r& ,
r r r r r r
b = ω& × r + ω × r& + &r&
r
F , Kraft
r
T , Drehmoment
r r r
T =r×F
t
I , Trägheitsmoment
 ry2 + rz2 − rx ry
− rx rz 


2
2
− ry rz 
M  − rx ry rx + rz
 −r r
− ry rz rx2 + ry2 
x z

r r r tr
Mr × ω × r = I ω
M , Masse
r
Rotation
bzw. in einfachen Systemen wo I
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
r
p , Impuls
diagonal: I αα = M rα
r
l , Drehimpuls
r r
r
F = Mb = p&
r r& t& r t r
T = l = I ω + I ω&
r
∑F
i
=0
i
r
∑T
i
Seite 23
2
r r r r
r
l = r × p = r × Mv =
r r tr
r
= r × Mω × r = I ω
=0
i
III.2.D Beispiel: rollende Kugel
III.2.D.a
Auf schiefer Ebene
Rollt eine Kugel eine schiefe Ebene hinunter, so ist die Drehung der Kugel mit der
Translation ihres Massenschwerpunktes verkoppelt solange die Haftreibung zwischen Ebene
und Kugel groß genug ist. Die antreibende Kraft parallel zur Ebene und die benötigten
Variablen sind in Abb. III/2 gezeigt:
Abb.III/2: Kräfte bei einer Kugel auf der schiefen Ebene
Es wirkt die Kraft parallel zur Ebene mit Fp = Mg sin α , welche die Masse M der Kugel in xRichtung beschleunigt. Ist der Auflagepunkt A der Kugel durch genügend große Reibung
Fµ>Fp mit der Ebene rutschfrei verbunden, dann wirkt im Auflagepunkt eine gleich große
Gegenkraft − Fp = − Mg sin α , welche durch den Abstand r ein Kräftepaar bildet und zu
einem Drehmoment T = Fp r Anlaß gibt. Kraft und Drehmoment sind jedoch nicht zwei
voneinander unabhängige Größen, sondern stellen jeweils die gleiche, den Bewegungszustand
ändernde physikalische Ursache dar. Wir können daher in der weiteren Beschreibung
entweder von der Kraft, oder vom Drehmoment ausgehen. Ebenso ist die Bewegung der
Kugel in x-Richtung nicht von seiner Winkeländerung unabhängig. Die beiden Variablen sind
durch x = rϕ miteinander verbunden, wobei der Winkel im Bogenmaß anzugeben ist. Im
weiteren soll die Beschreibung nach den beiden verschiedenen Möglichkeiten weiterverfolgt
werden.
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Seite 24
lineare Beschreibung
Rotationsbeschreibung
Wir gehen davon aus, daß die antreibende Kraft Das Drehmoment T versucht die Kugel um ihren
Fp = Mg sin α in Richtung x die Masse M Auflagepunkt A zu Drehen. Dem wirkt das
&&
beschleunigt und dabei gleichzeitig die Kugel in Drehmoment der Massenträgheit TR = − I Aϕ mit
Rotation um ihren Massenmittelpunkt bringt. Damit dem Trägheitsmoment IA der Kugel um ihren
entgegen.
Die
Gleichung
der
wirkt der antreibenden Kraft die Massenträgheit der Auflagepunkt
Drehmomente
führt
zu
der
Bewegungsgleichung:
Kugel F = − M&x& und die Trägheit der Rotation
T
T
− Iϕ&&
I&x&
=− 2
FR = R =
r
r
r
entgegen.
Die T − TR = 0 ,
Kräftegleichung liefert folgende Bewegungsgleichung:
I Aϕ&& = rMg sin α .
Fp + FT + FR = 0 ,
Dies ergibt eine gleichförmig beschleunigte Rotation
mit der konstanten Winkelbeschleunigung:
M&x& +
I&x& 
I 
=  M + 2  &x& = Fp = Mg sin α .
2
r 
r

ϕ&& =
rMg sin α
.
IA
Dies ergibt eine gleichförmig beschleunigte Bewegung
Das Trägheitsmoment der Kugel um den Auflagepunkt
mit der konstanten Beschleunigung:
A kann mit Hilfe des Satzes von Steiner aus dem
2
2
Trägheitsmoment I der Kugel um seinen Schwerpunkt
r Mg sin α
r Mg sin α
b = &x& =
=
Mr 2 + I
5
g sin α
7
=
2
Mr + Mr 2
5
2
zu: I A = I + Mr berechnet werden. Die lineare
Beschleunigung erhalten wir zu:
2
b = &x& = rϕ&& =
r 2 Mg sin α r 2 Mg sin α
=
=
IA
I + Mr 2
5
r 2 Mg sin α
=
= g sin α
2
Mr 2 + Mr 2 7
5
III.2.D.b
In V-förmiger Rinne
Die rollende Kugel auf einer schiefen Ebene läuft entlang des größten Gradienten in der
potentiellen Energie (Fallinie) und ist daher gegenüber seitlichen Einflüssen recht instabil,
was genaue Messungen erschwert. Dies kann vermieden werden, wenn die Kugel in einer
Rinne abrollt, welche die seitlichen Freiheitsgrade der rollenden Kugel einschränkt.
Allerdings werden durch die dann zusätzlich auftretenden seitlichen Kräfte einerseits
kompliziertere Reibungsverhältnisse geschaffen, andererseits bewirken die seitlichen Kräfte
zusätzliche Drehmomente, welche zu komplizierten Drehbewegungen (und somit zusätzlicher
Rotationsenergie) der Kugel führen können.
Die Ableitung der Bewegungsvorgänge einer Kugel, die eine V-förmige Rinne hinabrollt ist
ganz analog zur einfachen rollenden Kugel, nur mit dem Unterschied, daß die Kugel nicht auf
ihrem maximalen Radius abrollt, sondern auf einem kleineren Radius r2 = r cos β , wie aus
Abb. III/3 ersichtlich ist. Dies muß bei der Berechnung der Drehmomente berücksichtigt
werden, wobei hingegen das Trägheitsmoment der Kugel um seine Achse nicht beeinflußt
wird.
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 25
Abb.III/3: Kugel in V-förmiger Rinne
Wir wählen zweckmäßigerweise die Beschreibung mithilfe der Koordinaten der linearen
Bewegung und erhalten analog:
M&x& +
I&x& 
I 
=  M + 2  &x& = Fp = Mg sin α .
2
r2
r2 

Wir erhalten als Beschleunigung:
r Mg sin α
r Mg sin α
g sin α
g sin α
b = &x& = 2 2
= 2
=
=
.
2
2
2
2
r
2
2
Mr2 + I
Mr2 + Mr
1+ 2 1+
5 cos 2 β
5
5r2
2
2
Die alternative Beschreibung über die Rotation um die Auflagepunkte würde wiederum zum
gleichen Ergebnis führen, wenn das entsprechende Trägheitsmoment für die Drehung um die
Auflagepunkte eingesetzt wird (Steiner'scher Satz).
Zu beachten ist, daß in der Praxis diese idealisierten Verhältnisse nur sehr schwer (mit viel
Aufwand) einigermaßen realisiert werden können. Liegt die V-förmige Schiene z.B. nicht
wirklich mit ihrem Querschnitt horizontal, dann sind beide Auflagepunkte nicht mehr gleich
belastet, was zu komplizierten Bewegungen (schiefe Drehachse) der Kugel und damit
verbundenen schwer erfassbaren Reibungsverhältnissen führt. Ist die V-förmige Schiene über
ihre Länge nicht homogen, also liegt z.B. leichte Durchbiegung vor, oder ist die Schiene
etwas verzogen, sodass die Unsymmetrie zwischen linker und rechter Flanke örtlich
unterschiedlich sein kann, so können kaum mehr exakte Ergebnisse vorhergesagt werden.
Aufgabe des Experimentes ist es, Abweichungen zu dem idealisierten Verhalten festzustellen
und entsprechend zu interpretieren.
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Seite 26
III.2.E Atwood'sche Fallmaschine
Abb.III/4: Atwood'sche Fallmaschine
Die Atwood'sche Fallmaschine benützt zwei Gewichtsmassen M1 < M2, welche durch einen
Faden über eine Rolle miteinander verbunden sind. Es wirkt nur mehr die Differenz der
beiden Gewichte als antreibende Kraft, während die träge Masse als die Summe beider
Gewichtsmassen auftritt. Wird der Faden und das Rad als masselos betrachtet erhält man
folgende einfache Bewegungsgleichung:
gM 2 − gM 1 = (M 1 + M 2 )b ,
woraus sofort folgt:
b = &x& = g
M 2 − M1
.
M1 + M 2
Die Näherung des masselosen Fadens kann dabei noch am ehesten in Kauf genommen
werden, allerdings ist die Umlenkrolle mit entsprechender Masse Mr behaftet, was zu einem
zusätzlichen trägen Verhalten über das Trägheitsmoment der Rolle Ir führt. Weiters ist die
Winkeländerung dϕ der Rolle, wie schon im Beispiel der rollenden Kugel, mit der
Ortsänderung dx=rdϕ beider Massen gekoppelt. Wir stellen wiederum die Kräftegleichung
auf, indem wir berücksichtigen, daß die Rolle ein Drehmoment der Trägheit:
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Tr = rFr = I rϕ&& =
Seite 27
Ir
&x&
r
ausübt. Damit erhalten wir:
gM 2 − gM 1 = (M 1 + M 2 )b +
Ir
b,
r2
und somit als Beschleunigung:
b = &x& = g
M 2 − M1
I
M 1 + M 2 + 2r
r
.
Ist die Rolle als Zylinderscheibe anzusehen, so ist ihr Trägheitsmoment bezüglich der
M r2
Zylinderachse I r = r und wir erhalten:
2
b = &x& = g
M 2 − M1
.
Mr
M1 + M 2 +
2
Zuletzt soll nur noch kurz der Fall eines nicht masselosen Fadens diskutiert und die dabei auftretende
Bewegungsgleichung angeschrieben werden. Zunächst erhöht sich das Trägheitsmoment der Umlenkrolle, da
noch zusätzlich die Masse des Fadens, der über die obere Hälfte des Rades geleitet ist, dazugezählt werden muß.
Wir bezeichnen mit I dieses erhöhte Trägheitsmoment. Weiters trägt mit der Länge l2(0)+x der Faden an der
Masse M2 mit seinem Gewicht zur antreibenden Kraft bei, während der Faden an M1 mit l1(0)-x=l0-l2(0)-x die
antreibende Kraft vermindert. Zusätzliche erhöht die Länge des frei hängenden Fadens l0 die wirkende träge
Masse. Nehmen wir eine Masse des Fadens Mf=ρfl, welche proportional zu seiner Länge l ist, so erhalten wir als
Bewegungsgleichung:
gM 2 + gρ f (l 2 (0) + x ) − gM 1 − gρ f (l0 − l2 (0) − x ) = (M 1 + M 2 + ρ f l0 )&x& +
Ir
&x& .
r2
Etwas übersichtlicher lautet die Differentialgleichung:
I 

 M 1 + M 2 + ρ f l0 + 2  &x& + 2 gρ f x = g (M 2 − M 1 + ρ f (2l2 (0) − l0 )) .
r 

Diese kann durch zweifache Integration gelöst werden:
l2
M 1 + M 2 + ρ f l0 +
x
∫ ∫ g (M
l2 ( 0 ) l2 ( 0 )
2
I
r2
− M 1 + ρ f (2l2 (0) − l0 )) − 2 gρ f x
t t
d x = ∫ ∫ d 2t .
2
0 0
Die erste Integration liefert:
l2
∫
l2 ( 0 )
−
M 1 + M 2 + ρ f l0 +
2 gρ f
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I
t
r 2 ln g (M 2 − M 1 + ρ f (2l2 (0) − l0 )) − 2 gρ f x dx = tdt .
∫0


g (M 2 − M 1 − ρ f l0 )


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Seite 28
Nach der 2. Integration erhält man:
I 

 M 1 + M 2 + ρ f l0 + 2  g (M 2 − M 1 − ρ f l0 )
t2
l2
r 

(
)
X
X
X
−
=
ln
l2 ( 0 )
2
(2 gρ f )2
mit
X =
g (M 2 − M 1 + ρ f (2l 2 (0) − l0 )) − 2 gρ f x
g (M 2 − M 1 − ρ f l0 )
.
Für M1=M2=0 stellt dies das Ergebnis einer über eine Rolle hinunterfallende Kette dar. Das Trägheitsmoment
von Rad und Faden ergibt sich zu:
I = Mr
r2
+ πrρ f r 2 .
2
Daraus ergibt sich
M
I
= r + π rρ f .
2
r
2
Für eine weitere Analyse des massebehafteten Fadens empfiehlt sich die numerische Behandlung am Computer.
Aufgabenstellung:
Bestimmen Sie die benötigte Zeit für eine bestimmte Wegstrecke einer rollenden Kugel und vergleichen Sie mit
dem theoretisch erwarteten Ergebnis. Führen Sie diesen Versuch für verschieden Kugeln und verschieden
Winkel der V-förmigen Rinne durch.
Nehmen Sie das Weg-Zeit-Diagramm an der Atwood'schen Fallmaschine mit Oszilloskop und Computer auf.
Ermitteln Sie daraus das Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm und das Beschleunigungs-Zeit-Diagramm numerisch.
Bestimmen Sie daraus die Masse des Rades. Vergleichen Sie die aus der Messung erhaltenen Kurven mit den am
Computer zu berechnenden theoretischen Vorhersagen.
Praktische Durchführung:
1.
Die V-förmige Aluminiumschiene läßt sich auf verschiedene Anfangshöhen einstellen. Start- und EndZeitpunkt können über die elektronische Zeituhr durch Schaltkontakte direkt erfaßt werden.
2.
Das Rad der Atwood'schen Fallmaschine ist mit einem 10-Gang Potentiometer verbunden, wodurch der
zurückgelegte Weg als Spannung dem Oszilloskop zugeführt werden kann. Der Speicher des Oszilloskops kann
in den Computer über IEEE-Schnittstelle eingelesen werden und von entsprechenden Programmen weiter
verarbeitet werden.
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Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 29
IV Reibung
Das im vorigen Abschnitt beschriebene Verhalten von Bewegungsvorgängen wird in der
Praxis kaum beobachtbar sein. Grund dafür ist, daß weit mehr als die bisher berücksichtigten
Kräfte bei einer Bewegung auftreten. Insbesondere werden immer auch Kräfte beobachtet,
welche die Relativgeschwindigkeit eines Körpers gegenüber seiner unmittelbaren Umgebung
reduzieren wollen. Diese Kräfte werden Reibungskräfte genannt. Zunächst sollen die bei
einem Bewegungsvorgang auftretenden Kräfte etwas näher experimentell untersucht werden.
IV.1 Experimentelle Analyse von Bewegungsvorgängen
Wir gehen von der Atwood’schen Fallmaschine aus, deren Weg-Zeit-Diagramm in den
Computer eingelesen werden kann und dort zur weiteren Analyse zur Verfügung steht. Die
beiden Masse wurden dabei in diesem Beispiel zu M1=0,80 kg und M2=0,87 kg bestimmt. Die
Masse der drehenden Scheibe soll 0,13 kg betragen. Dies ergibt eine theoretische
M 2 − M1
0,87 − 0,8
= 9,81
Beschleunigung von b = g
m/s2 = 0,396 m/s2. Die
Mr
0,8 + 0,87 + 0,065
M1 + M 2 +
2
Randbedingungen werden im Experiment so gesetzt, daß am Ort s0 = 0 m mit der
Anfangsgeschwindigkeit v0 = 0 m/s der Bewegungsvorgang gestartet wird. Allerdings kann
die Datenerfassung von Ort und Zeit erst etwas verspätet mit t0 = -0,5 s gestartet werden.
Theoretisch erwartet man daher folgende Abhängigkeit des Weges von der Zeit:
s (t ) =
b
(t − t0 )2 − bt0 (t − t0 ) = b t 2 − 2bt0t + 3b t0 2 = 0,198 t2 + 0,396 t + 0,1485 m.
2
2
2
Dieser theoretisch erwartete Verlauf ist in Abb.IV/1 zusammen mit dem tatsächlich
gemessenen Werten verglichen.
8
6
Weg s [m]
5
2.4
2.2
experimentell
theoretisch
2.0
Y =0.1485+0.396 X+0.198 X
2
4
3
2
Y =0.02734+0.11245 X+0.10874 X
1
2
Geschwindigkeit v [m/s]
7
experimentell
theoretisch
1.8
1.6
1.4
Y =0.198+0.396 X
1.2
1.0
0.8
0.6
Y =0.11231+0.21758 X
0.4
0.2
0
0.0
-0.4 -0.2 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4
-0.4 -0.2 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4
Zeit t [s]
Zeit t [s]
Abb.IV/1: Weg-Zeit Diagramm
Abb.IV/2: Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm
Dabei treten erhebliche Abweichungen zwischen dem theoretisch erwarteten Verhalten und
den tatsächlichen Messwerten auf. Offenbar ist die tatsächliche Beschleunigung etwa nur die
Hälfte. Um die Ursache dafür etwas näher zu ergründen, empfiehlt es sich die weiteren
Zusammenhänge anzuschauen, wie sie in den Abb.IV/2 bis Abb.IV/5 dargestellt sind. Dabei
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 30
erhält man Geschwindigkeit und Beschleunigung aus den experimentellen Werten durch
numerisches Differenzieren. Zu beachten ist, daß durch die experimentellen Ungenauigkeiten
(ebenso wie durch mangelnde numerische Genauigkeit in der Datenerfassung) das eigentliche
Messsignal durch starke Schwankungen (Rauschen) überlagert ist, was vor allem bei den
höheren Ableitungen besonders stark zu tragen kommt.
0.45
0.50
experimentell
theoretisch
Y =0.396
2
0.35
0.30
0.25
0.20
0.15
Y =0.21836-0.00114 X
0.10
Y =0.396
0.40
2
0.40
Beschleunigung b [m/s ]
experimentell
theoretisch
0.45
Beschleunigung b [m/s ]
0.50
0.35
0.30
0.25
0.20
Y =0.221-0.01444 X
0.15
0.10
0.05
0.05
0.00
0.00
0.0
-0.4 -0.2 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4
0.2
0.4
Zeit t [s]
Abb.IV/3: Beschleunigungs-Zeit-Diagramm
0.50
0.45
1.0
1.0
0.9
Y =0.396
0.8
0.35
0.7
0.30
0.6
Kraft F [N]
2
0.8
Abb.IV/4: Beschleunigungs-Weg-Diagramm
experimentell
theoretisch
0.40
Beschleunigung b [m/s ]
0.6
Weg s [m]
0.25
0.20
0.15
experimentell
theoretisch
Y =0.687
0.5
0.4
0.3
Y =0.21955-0.00703 X
0.10
Y =0.38092-0.01221 X
0.2
0.05
0.1
0.00
0.2
0.3
0.4
0.5
Geschwindigkeit v [m/s]
Abb.IV/5: Beschleunigungs-GeschwindigkeitsDiagramm
0.0
0.2
0.3
0.4
0.5
Geschwindigkeit v [m/s]
Abb.IV/6: Kraft-Geschwindigkeits-Diagramm
Von besonderer Bedeutung sind hierbei vor allem die verschiedenen BeschleunigungsDiagramme, da sie den Hinweis liefern, ob tatsächlich die angenommene gleichförmig
beschleunigte Bewegung vorliegt. Leider ist hier jedoch, bedingt durch die zweiten
Ableitungen, die Genauigkeit sehr stark eingeschränkt. Dies ist in unserem Beispiel, analog
zum Praktikumsversuch, durch die zu geringe numerische Auflösung der Ortsdaten bedingt.
Man erkennt eine in Zeit, Ort und Geschwindigkeit einigermaßen konstante Beschleunigung
mit leichter Tendenz zur Abnahme. Ob diese Abnahme nun wirklich durch eine orts-, zeitoder geschwindigkeitsabhänge Größe verursacht wurde läßt sich aus diesen Diagrammen
alleine jedoch nicht verifizieren (selbst bei besserer Genauigkeit der Meßdaten nicht). Erst
wenn der Versuch unter veränderten Randbedingungen (Wiederholung zu anderer Zeit t0,
Start des Bewegungsvorganges an einem anderen Ort s0 und starten mit einer anderen
Anfangsgeschwindigkeit v0) durchgeführt wird, könnte man erkennen, daß der
Bewegungsablauf unabhängig vom gewählten Zeitpunkt oder dem Anfangsort ist, jedoch
nicht von der gewählten Anfangsgeschwindigkeit. Somit muß noch eine weitere Kraft
vorhanden sein, welche leicht von der Geschwindigkeit abhängt. Die für die Änderung des
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 31
Bewegungszustandes verantwortliche Gesamtkraft erhalten wir, wenn wir die experimentell
bestimmte Beschleunigung mit der gesamt wirkenden trägen Masse multiplizieren. In
M
unserem Beispiel ist die gesamte träge Masse M T = M 1 + M 2 + r = 1,735 kg. Damit
2
erhalten wir das in Abb.IV/6 dargestellte Verhalten der gesamten wirkenden Kraft als
Funktion der Geschwindigkeit. Die Diskrepanz zwischen der aus der Massendifferenz bisher
berechneten antreibenden Kraft und der tatsächlich wirkenden Kraft wird als die zusätzliche
Reibungskraft FR = 0,306 (±0,015) + 0,01(±0,04) v ermittelt. Dabei ist die Geschwindigkeit in
m/s einzusetzen und die Kraft erhält man in Newton. Die in Klammer angegebenen Werte
geben den Genauigkeitsbereich der einzelnen Parameter an, wie sie bessere Fitroutinen aus
der Streuung der Meßwerte als Standardabweichungen berechnen. Demnach liegt eine auf ca.
3% genau bestimmte geschwindigkeitsunabhängige Reibungskraft von 0,3 N vor, während
die Geschwindigkeitsabhängigkeit durch einen Koeffizienten zwischen –0,03 und +0,05 Ns/m
beschrieben wird. Ob dies den tatsächlichen Verhältnissen entspricht läßt sich in diesem Fall
sehr leicht nachprüfen, da in den vorigen Abbildungen keine echten Meßdaten verwendet
wurden sondern eine Simulation, welche jedoch auch die Streuung der Meßdaten und die
geringe numerische Auflösung berücksichtigt. Diese Simulation wurde mit eine
Reibungskraft FR = 0,3 + 0,03 v durchgeführt, was mit den in unserer Analyse ermittelten
Wertbereichen übereinstimmt.
Eine Verbesserung der beschriebenen Analyse müßte in einer Erhöhung der Genauigkeit der
Ortsdaten ansetzen, um so zu verläßlicheren Beschleunigungswerten zu kommen. Dann ist
auch die Durchführung mit geänderten Anfangsbedingungen sinnvoll, welche zur
Charakterisierung der auftretenden Kräfte notwendig ist. Zwar scheint auch die künstliche
Glättung (Smoothing) der Geschwindigkeitskurve eine effektive Alternative darzustellen,
allerdings ist dies mit einer künstlichen Manipulation und Veränderung der Meßdaten
verbunden, wodurch die statistische Aussagekraft einer Nachfolgenden Fit-Methode verloren
geht bzw. stark beeinträchtigt wird. Besser ist hier geschickte numerische
Differenziermethoden anzuwenden, welche ein breites Datenintervall betrachten. Allerdings
wird dann die Information an den Datenrändern (Beginn und Ende) stark eingeengt, wodurch
ebenfalls wieder keine gute statistische Genauigkeit über den Anstieg der Fit-Kurve erzielbar
ist. Letztlich gilt wie immer der Grundsatz, daß Information, welche nicht schon ursprünglich
in den Meßdaten vorhanden ist, auch nicht mit noch so hohen Aufwand im „smoothing“ oder
„fitten“ herbeigezaubert werden kann.
IV.2 Haft- Gleit- und Rollreibung
Im weiteren sollen einige einfache Beispiele von Reibungsarten besprochen werden. Bewegen
sich zwei einander berührende Körper gegeneinander, so üben sie aufeinander eine
Reibungskraft aus. Die Haftreibung ist gleich groß und entgegengesetzt gerichtet jener Kraft,
die erforderlich ist, die beiden Körper gegeneinander in Bewegung zu setzen. Die
Gleitreibung ist gleich groß und entgegengesetzt gerichtet der Kraft, die erforderlich ist, die
Körper mit konstanter Geschwindigkeit gegeneinander zu bewegen. Ein spezieller Fall ist das
Abrollen eines Körpers auf einem anderen, wo die Berührungspunkte zueinander keine
Geschwindigkeitsdifferenz haben. Die dabei doch geringe Rollreibung wird etwas später
besprochen. All diese Reibungsarten werden als unabhängig von der Geschwindigkeit
behandelt, solange der Geschwindigkeitsunterschied genügend gering ist. Weiters wird bei
diesen Reibungen davon ausgegangen, dass die auftretende Reibungskraft nur in einem
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 32
linearen Zusammenhang mit der Belastung (Kraft normal auf die Berührungsfläche) steht und
keine weiteren Größen (z.B. Größe der Berührungsfläche) zunächst eingehen.
Für die Haftreibung RH definiert sich der Haftreibungskoeffizient µH als Proportionalfaktor
zur Normalkomponente FN der Kraft, die beide Körper aneinander drückt:
R H = µ H FN .
Er hängt von der Art und Oberflächenbeschaffenheit der beiden Körper ab. Zur Bestimmung
dieses Koeffizienten kann ein Körper auf eine schiefe Ebene gelegt und der Neigungswinkel
der Ebene solange vergrößert werden, bis der Körper bei einem bestimmten Winkel α zu
gleiten beginnt. Die Kraftkomponente normal zur schiefen Ebene ergibt sich dann aus der
Gewichtskraft und dem Winkel α:
FN = M g cos α
wobei M die Masse des Körpers und g die Erdbeschleunigung sind.
Die Haftreibung ist entgegengesetzt gleich der Gewichtskomponente parallel zur schiefen
Ebene:
RH = M g sin α
Für den Haftreibungskoeffizienten ergibt sich somit
µH =
RH
sin α
=
= tan α
cos α
FN
Hat sich der Körper einmal in Bewegung gesetzt, gleitet er beschleunigt die um den Winkel ϕ
geneigte Ebene nach unten. Dabei tritt Gleitreibung auf. Die Gleitreibung RG ist für die
Reibung zwischen festen Körpern annähernd unabhängig von der Relativgeschwindigkeit und
proportional zur Normalkomponente der Kraft:
RG = µ G FN .
Darin ist µG der Gleitreibungskoeffizient. Es gilt meistens µG< µH.
Der Körper bewegt sich beschleunigt. Die beschleunigende Kraft F ist die Differenz aus der
Parallelkomponente der Gewichtskraft und der Gleitreibung:
F = M g sin ϕ − RG = M g sin ϕ − µ G M g cos ϕ
Der Gleitreibungskoeffizient kann daher durch Messung der wirksamen Beschleunigung
b = F / M = g (sin ϕ − µ G cos ϕ ) ermittelt werden:
(sin ϕ −
µG =
cos ϕ
P.Knoll, Mechanik
b
)
g
.
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 33
2s
kann aus gemessenen Werten für
t2
den Weg s und die benötigte Zeit t beim Neigungswinkel ϕ erfolgen. Daraus ergibt sich für
den Gleitreibungskoeffizienten:
Die Bestimmung der wirksamen Beschleunigung b =
sin ϕ −
µG =
2s
gt2
cos ϕ
.
Wird der Versuch in einer V-förmigen Schiene durchgeführt muss berücksichtigt werden,
dass der Körper auf 2 Flächen aufliegt. Unter Verwendung des in Abb.III/3 definierten
Winkels β teilt sich die Normalkomponente der Kraft auf die beiden Flächen zu gleichen
Teilen (symmetrisches Profil) auf:
FN
.
2 + 2 cos 2 β
FN 1 = FN 2 =
Ebenso tritt die Gleitreibungskraft auf beiden Flächen auf und wirkt in Summe entgegen der
Geschwindigkeit:
RG1 = RG 2 = µ G
FN
.
2 + 2 cos 2 β
Demnach ergibt sich die beobachtete Beschleunigung:
b=
2s
= g (sin ϕ − 2 µG
t2
cos ϕ
)
2 + 2 cos 2 β
und daraus der ermittelte Gleitreibungskoeffizient zu:
sin ϕ −
µG =
2s
g t2
cos ϕ
2 + 2 cos 2 β
.
2
Für eine 180° - 2β = 90° gewinkelte Schiene unterscheidet sich das Ergebnis gegenüber der
einfachen schiefen Ebene durch einen Faktor 1 2 .
Rollt ein Körper auf einem anderen ab, so haben die beiden Berührungspunkte gegeneinander
die Geschwindigkeit null; es sollte also keine Reibung auftreten. In der Realität deformieren
sich jedoch beide Körper inelastisch, sodass Bewegungsenergie in Wärme überführt wird,
wodurch eine schwache Reibung vorliegt. Diese Tatsache wird als Rollreibung bezeichnet.
Strenggenommen liegt durch die endliche Ausdehnung der Berührungsflächen beim Abrollen
auf einer schrägen Flanke auch Gleitreibung vor, welche jedoch zusammengefasst mit der
eigentlichen Rollreibung beschrieben wird. Die Rollreibung hängt wieder vom Material und
der Oberflächenbeschaffenheit des Körpers und der Ebene ab.
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 34
Die Rollbewegung eines Körpers wird durch ein Drehmoment TR = r FR = µRFN gebremst,
worin FN die normal auf die schiefe Ebene wirkende Gewichtskomponente ist. Daraus folgt
die Definition des Rollreibungskoeffizienten µR zu:
µR =
FR
r.
FN
Die Rollreibungskraft FR ist dabei in erster Näherung als geschwindigkeitsunabhängig
angenommen worden und führt somit zu einer reduzierten, aber dennoch gleichförmigen,
beschleunigten Bewegung. Sie kann experimentell aus der gemessenen Beschleunigung
b=
2s
Mg sin α − FR
=
2
t


2
M 1 +

2
 5 cos β 
ermittelt werden:
FR = M [ g sin α −

2s 
2
1 +
] .
2 
2
t  5 cos β 
Dabei ist der allgemeinere Fall einer V-förmigen Schiene mit um den Winkel β geneigten
Flanken angenommen. Die Neigung der Schiene gegenüber der Horizontalen ist durch den
Winkel α gegeben. Wie gerade ausgeführt liegt dann an beiden Flanken Reibungskraft an,
wobei noch strenggenommen bei endlicher Auflagefläche durch die Schrägstellung der
Flanken die Kugel auf unterschiedlichen Radien abrollen muss, wodurch es zu zusätzlichen
Gleitreibungen kommt. Dies soll jedoch alles in der Rollreibung zusammengefasst werden
und es ergibt sich für die gesamte Reibungskraft:
FR = FR1 + FR 2 =
(FN 1 + FN 2 )µ R
r2
= µR
2 Mg cos α
.
r cos β 2 + 2 cos 2 β
Damit ergibt sich der Rollreibungskoeffizient zu
2

1+

r cos β 2 + 2 cos 2 β 
2s
5 cos 2 β
µR =
tan α − 2

2
t
g cos α




 .



Die Tatsache, dass bei β ≠ 0 auch Gleitreibung beinhaltet ist wollen wir nicht weiter
verfolgen, da dafür im Fall β = 0 durch kleine Inhomogenitäten der Auflageflächen (Kratzer
etc.) es zu Rotationskomponenten um eine Achse senkrecht zur Ebene kommen kann,
wodurch wiederum Gleitreibungsbeiträge eingebunden sind. Außerdem ist im letzten Fall
auch noch Bewegungsenergie in der Rotation der Kugel um seine senkrechte Achse gegeben,
welche ebenfalls als Rollreibung interpretiert werden würde.
Für die Versuche zur Reibung zwischen festen Körpern ist anzumerken, dass die
Abhängigkeit von der Oberflächenbeschaffenheit sehr groß ist und dadurch entlang eines
Bewegungsvorganges kaum reproduzierbare Bedingungen zu erreichen sind. Etwas Abhilfe
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 35
kann durch eine große Anzahl von Versuchen an verschiedensten Stellen der Oberfläche
erreicht werden, wodurch über die vorhandenen Inhomogenitäten gemittelt wird. Gleiches gilt
auch für den Rollwiderstand, wo allerdings noch erschwerend dazu kommt, dass dieser sehr
klein ist. Im Praktikumsversuch der rollenden Kugel tritt sehr häufig ein negativer
Rollwiderstand auf. Dies bedeutet, dass die Kugel stärker beschleunigt, als bereits ohne
Reibung in der Theorie angenommen wurde. Eine genaue Analyse des
Rollreibungskoeffizienten für unterschiedliche Neigungen der Schiene und für
unterschiedliche Radien der Kugel kann hier den offenbar systematischen Fehler aufdecken.
Entweder wird die Kugel durch eine weitere Kraft zusätzliche beschleunigt, oder ihre
wirksame Trägheitskraft ist geringer als angenommen. Ersteres könnte die Federkraft des
Auslösekontaktes für die Zeitmessung sein. Allerdings sollten sich hier die beiden Federkräfte
für Start- und Stop-Impuls gegenseitig kompensieren. Außerdem würde man hier vor allem
bei geringen Neigungen und für kleine Kugeln mit geringer Masse eine starke Abweichung
erwarten. Auch eine Durchbiegung der Schiene könnte zu stärkeren mittleren
Beschleunigungen führen, allerdings würde man auch hier eine Abnahme dieses Effektes mit
zunehmender Neigung erwarten und außerdem sollte dieser Effekt bei schwereren Kugeln
ausgeprägter sein. Zweiter Einfluss durch eine geringere wirksame Trägheit ließe sich
entweder durch eine inhomogene Massenverteilung der Kugel, durch das Abrollen der Kugel
auf einem größeren Radius (Flankenwinkel der V-förmigen Schiene) oder durch ein leichtes
Rutschen der Kugel auf der Schiene erklären, da dann nicht die maximal mögliche
Rotationsenergie die Kugel aufnimmt. Dieser Effekt sollte vor allem bei starken Neigungen
der Schiene stärker ausgeprägt sein. Im Praktikumsversuch ist der ermittelte
Rollwiderstandskoeffizient meist unabhängig von der verwendeten Kugel stark abnehmend
(weit in negative Werte hinein) mit zunehmender Neigung der Schiene. Dies lässt ein leichtes
Rutschen der Kugel als wahrscheinlichste systematische Abweichung vermuten. Trägt man
den ermittelten Rollwiderstandskoeffizienten als Funktion gegen die Neigung auf, so lässt er
sich für verschwindende Neigung extrapolieren und sollte einen kleinen positiven Wert in der
Gegend von ca. 0,09mm aufweisen.
Der Begriff Rutschen müsste allerdings noch näher physikalisch beschrieben werden. In den
Abbildungen IV/7 und IV/8 sind verschiedene Möglichkeiten des Rutschens in ihrer
Auswirkung auf Beschleunigung und Ermittlung des Rollwiderstandes verglichen. Zunächst
kann man davon ausgehen, dass reines Rollen nur dann vorliegt, wenn die Auflagepunkte der
Kugel auf der Schiene keine Geschwindkeitsdifferenz aufweisen, also ideale Haftung vorliegt.
Am Auflagepunkt der Kugel kann die Reibungskraft proportional zur normal auf die
Auflagefläche wirkende Kraft angesetzt werden:
Fµ = µFN .
Solange diese Reibungskraft Fµ größer als die antreibende Kraft Fp ist, liegt reines Rollen vor
(siehe z.B. Abb.III/2). Erst wenn Fµ<Fp, gleitet die Kugel teilweise die Schiene hinunter. Das
Kräftepaar, welches die Kugel in Rotation versetzt, ist dann durch Fµ bestimmt. Der Rest der
Kraft Fp - Fµ verursacht dann nur mehr eine lineare Beschleunigung der Kugel. Die
Gesamtbeschleunigung des Schwerpunktes erhält man dann zu:
µ 
2
r2  µ − R (FN 1 + FN 2 )
r2 (Fµ − FR ) (Fp − Fµ )
r2 
Mg cos α − µ (FN 1 + FN 2 )
b=
+
= 
+
2
2
IA
M
M
Mr2 + Mr 2
5
2
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
=
Seite 36

µR
 µ −
r cos β

 2 g cos α


2 cos α
 2 + 2 cos 2 β
+ g  cos α − µ

2
2 + 2 cos 2 β

1+
2
5 cos β
0,2
10
9
µ =0,4
-0,4
µ =0,2
7
Rollen
Experiment Y =0,09-0,72 X
-0,2
-0,6
18% Schlupf
6
5
Rollen
4
3
µ R [mm ]
2
0,0
µ =0
8
Beschleunigung [m/s ]

.


18% Schlupf
-0,8
µ =0,2
µ =0
-1,0
µ =0,4
-1,2
-1,4
-1,6
2
Experiment
-1,8
1
-2,0
0
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
0,0
0,1
0,2
Abb.IV/7:Vergleich der Beschleunigungen verschieden
rutschender Kugeln
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
Neigung [sin α ]
Neigung [sin α ]
Abb.:IV/8: Ergebnis der Auswertung des
Rollwiderstandskoeffizienten für
verschieden rutschende Kugeln.
In den Abbildungen IV/7 und IV/8 sind das Verhalten für gleitende Kugeln mit µ=0, 0,2 und
0,4 eingezeichnet. Zu beachten ist, dass diese Kurven nur für starke Neigungen gelten, weil
dann die Bedingung Fµ<Fp erfüllt ist. Bei Neigungswinkeln kleiner als der Kreuzungspunkt
mit der rollenden Kugel ist diese Bedingung nicht mehr erfüllt, und die Kugel verhält sich wie
eine rein rollende. Offensichtlich kann dadurch das experimentell beobachtete Verhalten nicht
beschrieben werden. Dazu muss angemerkt werden, dass dieser abrupte Übergang von der
rollenden in die teilweise gleitende Bewegung in der Praxis wahrscheinlich nicht stattfindet.
(Dies würde einem abrupten Übergang von der Haft- in die Gleitreibung entsprechen.) Eher
wahrscheinlich ist, dass der Übergang etwas weicher erfolgt, was ein gewisses gleitendes
Verhalten auch bei Fµ>Fp voraussetzt. Dies wird im allgemeinen als Schlupf bezeichnet,
ähnlich einem Schlupf von Antriebsrädern (z.B. eines KFZ). Wir wollen dies an der rollenden
Kugel dadurch simulieren, dass wir nicht die volle mögliche Rotationsenergie der Kugel
zulassen sondern eine um den Faktor 1-s reduzierte. Die Beschleunigung erhalten wir dann
zu:

µR
2 g cos α
µ
2
r2  Fp − R (FN 1 + FN 2 ) g sin α −
r cos β 2 + 2 cos 2 β
r2
=
b= 
.
2
2
2
2
Mr2 + (1 − s ) Mr
1 + (1 − s )
5
5 cos 2 β
Wie aus den Abbildungen IV/7 und IV/8 hervorgeht, erhalten wir eine zufriedenstellende
Erklärung der Messdaten wenn s = 0,18 gewählt wird. (Die Parameter waren in allen
Rechnungen: µR = 0,09mm, r = 15mm, β = 45° und g = 9,81m/s2) Der Beweis, dass
tatsächlich Schlupf vorliegt ist damit allerdings noch nicht erbracht. Zu der gleichen
Abhängigkeit der Beschleunigung mit der Neigung gelangt man auch, wenn z.B. das
Trägheitsmoment der Kugel um seinen Schwerpunkt bei gleicher Masse um 18% geringer
angenommen wird. Dies würde eine inhomogene Dichteverteilung voraussetzen. Ebenso
würde das Abrollen der Kugel auf einem etwas größeren Radius zum gleichen Ergebnis
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 37
führen. Dies wäre der Fall, wenn der Winkel β anstelle von 45° nur ca. 36° aufweisen würde.
Konsequenz daraus wäre, dass kein 90° Winkel der V-förmigen Schiene sondern ein 108°
Winkel vorliegt. Erst weitere gezielte Experimente können hier Aufschluss geben. So kann
durch Markieren der Kugel die benötigten Umdrehungen ermittelt werden, um so einen
eventuellen Schlupf nachzuweisen. Eine unabhängige Bestimmung des Trägheitsmomentes
der Kugel könnte eventuelle Inhomogenitäten der Dichteverteilung aufzeigen. Ebenso könnte
eine Bestimmung des Winkels der V-förmigen Schiene unter Belastung der Kugel zur
Verifizierung des verwendeten Winkels β herangezogen werden.
Aufgabenstellung:
Bestimmen Sie den Haftreibungskoeffizienten für zwei verschiedene Materialien auf Aluminium
Bestimmen Sie den Gleitreibungskoeffizienten für zwei verschiedene Materialien auf Aluminium
Messen Sie mit einer Stahlkugel bei verschiedenen Neigungswinkeln die Zeit die für das Abrollen entlang der
Rollbahn erforderlich ist. Zeichnen Sie ein Diagramm der Beschleunigung als Funktion des Neigungswinkels
(unter Annahme einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung). Stellen Sie fest, ob die Proportionalität zwischen
Beschleunigung und Sinus des Neigungswinkels erfüllt ist. Versuche Sie aus den gemessenen Werten den
Rollreibungskoeffizienten zu ermitteln. Stellen sie den Rollreibungskoeffizienten als Funktion des
Neigungswinkels in einem Diagramm dar und versuchen Sie systematische Abweichungen zu interpretieren.
Praktische Durchführung:
1., 2.
Auf der schiefen V-förmigen Schiene durch Kippen derselben.
IV.3 Bewegungsabläufe mit geschwindigkeitsabhängiger
Reibung
Reibungsverhältnisse sind besonders schwierig sowohl experimentell als auch theoretisch zu
erfassen. Neben komplizierten Abhängigkeiten von der Geschwindigkeit sind auch vielfach
Abhängigkeiten vom Ort maßgebend, welche a priori nicht bekannt sind. In diesem Abschnitt
sollen die Auswirkungen von Reibungskräften auf Bewegungsvorgänge erörtert werden,
welche nur geschwindigkeitsabhängig sind. Im allgemeinen kann davon ausgegangen werden,
dass die Reibungskraft in eine Polynomreihe in der Geschwindigkeit entwickelt werden kann:
FR = F0 + F1v + F2 v 2 + .......
Streng genommen müsste berücksichtigt werden, dass sowohl Kraft als auch Geschwindigkeit
Vektoren sind und daher Tensoren als Koeffizienten auftreten. Wir wollen uns hier aber nur
auf jene Kraftkomponente konzentrieren, welche in Richtung der Geschwindigkeit
entgegenwirkt und anderer Effekte, wie z.B. Tragflächen mit Auf- und Abtrieb sollen
unberücksichtigt bleiben.
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 38
Die Bewegungsgleichung lässt sich dann sofort mit Hilfe der antreibenden Kraft FA und der
wirkenden Massenträgheit M anschreiben zu:
M&x& = Mv& = FA − FR = FA − F0 − F1v − F2 v 2 − ...... .
Dies entspricht einem Beschleunigungs-Geschwindigkeits-Diagramm von:
FA − FR FA − F0 − F1v − F2 v 2 −
=
......
M
M
b( v ) =
Daraus erhält man durch Integration die Geschwindigkeit als Funktion der Zeit:
v(t )
∫
v0
1
dv
=
2
FA − F0 − F1v − F2 v − ..... M
t
1
∫ dt = M (t − t ) .
0
t0
Liegt nur eine lineare Abhängigkeit der Reibung von der Geschwindigkeit vor, so ergibt die
Integration das einfache Ergebnis:
−
1  FA − F0 − F1v (t )  1
=
(t − t0 ) .
ln
F1  FA − F0 − F1v0  M
Woraus sich
v (t ) =
 − F1 (t −t0 )
FA − F0  FA − F0
− 
− v0 e M
F1
 F1

ergibt. Das Beschleunigungs-Zeit-Diagramm kann daraus durch Differenzieren nach der Zeit
gewonnen werden:
b( t ) =
F1
M
 FA − F0
 − F1 (t −t0 )  FA − F0 F1v0  − MF1 (t −t0 )

.
− v0 e M
=
−
e
F
M
M


1


Die Beschleunigung nimmt somit mit der Zeit exponentiell ab. Die Geschwindigkeit erreicht
dabei nach unendlich langer Zeit den Grenzwert:
v(∞) =
FA − F0
.
F1
Durch weitere Integration erhält man:
s (t )
t
s0
t0
∫ ds = ∫
 − MF1 (t −t0 )
 − MF1 (t −t0 ) 
FA − F0  FA − F0
FA − F0
M  FA − F0
(t − t0 ) + 
− 
− v0 e
− v0  e
− 1
dt =
F1
F1
F1  F1
 F1



wodurch sich das Weg-Zeit-Diagramm ergibt:
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
s ( t ) = s0 +
Seite 39

 − F1 (t −t ) 
FA − F0
(t − t0 ) + M  FA − F0 − v0  e M 0 − 1
F1
F1  F1


Wir sind somit in der Lage, etwas genauer den Bewegungsvorgang an der Atwood'schen
Fallmaschine zu beschreiben. Aus der Abb.IV/6 konnte die geschwindigkeitsabhängige
Reibungskraft zu:
FR = 0,306 (±0,015) [N] + 0,01(±0,04) [Ns/m] v
ermittelt werden. Die antreibende Kraft war:
FA = g (M 2 − M 1 ) = 9,81(0,87 − 0,8) N = 0,6867 N.
Die wirkende träge Masse ist:
M = M1 + M 2 +
Mr
= 1,735 kg.
2
Mit den gewählten Randbedingungen s0=0 m, v0=0 m/s und t0=-0,5s liegt folgendes WegZeit-Diagramm vor:
F − F0
s (t ) = A
F1

 − 0,01 (t +0,5 )  

 − F1 (t −t )  
 (t − t0 ) + M  e M 0 − 1  = 0,6867 − 0,306  (t + 0,5) + 1,735  e 1,735
− 1  =






F
0
,
01
0
,
01
1 





= 19,035 + 38,07t + 6605,145(e −0,005764 (t +0,5 ) − 1) .
Das Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm lautet dann:
v (t ) =
FA − F0
F1
F
− 1 ( t − t0 ) 

1 − e M
 = 38,07(1 − e −0,005764 (t +0,5 ) ) .




Zuletzt können wir auch noch das Beschleunigungs-Zeit-Diagramm
Beschleunigungs-Geschwindigkeits-Diagramm angeben:
und
das
F
 F − F0  − M1 (t −t0 )
b( t ) =  A
= 0,2194e −0,005764 (t +0,5 ) .
e
M


b( v ) =
FA − F0 F1
−
v = 0,2194 − 0,005764v .
M
M
Dadurch sind wir in der Lage, den Bewegungsablauf bei der Atwood'schen Fallmaschine
nicht nur im Bereich der Messdaten wiederzugeben, sondern darüber weit hinaus das
Verhalten vorherzusagen. Die Extrapolation zu langen Zeiten und Wegen ist in den
Diagrammen IV/9 bis IV/12 gezeigt. Demnach erreichen wir eine Grenzgeschwindigkeit von
ca. 38 m/s nach ca. 1000 s. Dabei würde ein Weg von ca. 30 km benötigt werden. Zu beachten
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 40
ist jedoch, dass die aus dem Experiment ermittelte geschwindigkeitsabhängige Reibung sehr
ungenau ist. Dadurch ist auch die Extrapolation mit großer Ungenauigkeit behaftet, gibt aber
das prinzipielle Verhalten sehr gut wieder. Das tatsächliche, der Simulation zu Grunde
liegende Verhalten ist als punktierte Linie ebenfalls gezeigt. Wie aus den Diagrammen
ersichtlich, ist nur ein sehr geringer Teil des Bewegungsablaufes durch die Messung erfasst
worden, wodurch sich ebenfalls die hohe Ungenauigkeit der Extrapolation begründet.
35000
40
extrapoliert
35
25000
experimentell
30
tatsächlich
20000
W eg [m]
Geschwindigkeit [m /s]
30000
15000
10000
5000
0
extrapoliert
25
experimentell
20
tatsächlich
15
10
5
0
-5000
0
200
400
600
800
-5
1000
0
200
400
Zeit [s]
600
800
1000
Zeit [s]
Abb.IV/9: Extrapoliertes Verhalten im Weg-ZeitDiagramm
Abb:IV/10: Extrapoliertes Verhalten im
Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm
0,35
0,35
0,30
0,30
2
Beschleunigung [m/s ]
2
Beschleunigung [m/s ]
extrapoliert
0,25
extrapoliert
0,20
experimentell
0,15
tatsächlich
0,10
0,05
0,00
0,25
experimentell
tatsächlich
0,20
0,15
0,10
0,05
0,00
0
200
400
600
800
Zeit [s]
Abb. IV/11: Extrapoliertes Verhalten im
Bescheunigungs-Zeit-Diagramm
1000
0
10
20
30
40
Geschwindigkeit [m /s]
Abb.IV/12: Extrapoliertes Verhalten im
Beschleunigungs-Geschw.-Diagramm
IV.4 Innere Reibung bei laminarer Strömung
Neben der Reibung zweier Festkörper besitzt auch die Relativbewegung eines Körpers in
einer Flüssigkeit oder Gas Reibung. Ebenso ist auch die Bewegung von zwei Flüssigkeitsoder Gasschichten zueinander mit Reibung behaftet. Diese Art der Reibung kann jedoch
nicht mehr als Geschwindigkeitsunabhängig angesehen werden. Es treten lineare
Abhängigkeiten von der Geschwindigkeit (laminare Strömung), quadratische (Wirbelbildung)
bis hin zu höheren Potenzen auf. Wir wollen uns hier zunächst der laminaren Strömung
widmen, welche eine lineare Geschwindigkeitsabhängigkeit der Reibungskraft aufweist.
Bewegt sich ein fester Körper in einem flüssigen oder gasförmigen Medium erfolgt die
Reibung meist nicht an der Grenzschicht zwischen Festkörper und Medium, wo die
Flüssigkeits- oder Gasmoleküle durch Adhäsionskräfte an die Oberfläche des Festkörpers
gebunden sind, sondern zwischen benachbarten Schichten des Mediums selbst (innere
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 41
Reibung). Dies ist dadurch bedingt, daß die Adhäsionskräfte wesentlich stärker als die inneren
Kräfte im Medium selbst sind, wodurch die Reibung durch die inneren Kräfte des Mediums
verursacht wird.
Die Reibungskraft, die auf eine mit der Geschwindigkeit ν durch ein Medium bewegte ebene
Fläche Α wirkt, ist proportional der Größe dieser Fläche und dem Geschwindigkeitsgefälle im
Medium:
FR = η A
dv
ds
worin s den Abstand von der Fläche bezeichnet. Die Proportionalitätskonstante η heißt die
Viskosität oder Zähigkeit des Mediums. Sie ist eine Materialeigenschaft, hängt aber von
äußeren Einflußgrößen (Druck, Temperatur etc.) ab. Die Viskosität bestimmt die
Reibungseigenschaften des Mediums, solange die Strömung laminar bleibt, d.h. keine Wirbel
auftreten.
v
s
v=0
Abb.IV/13: Geschwindigkeitsgradient bei der inneren Reibung
Bewegt sich eine Kugel langsam durch eine unendlich ausgedehnte Flüssigkeit, so wird sie
laminar umströmt. Für die auf die Kugel wirkende Reibungskraft gilt das Stokes´sche Gesetz
FR = − 6 π η r v
worin r der Radius der Kugel und ν ihre Geschwindigkeit ist. Die Reibungskraft ist
proportional zur Geschwindigkeit und wirkt dieser entgegen. Wird die Kugel durch eine
äußere Kraft beschleunigt, so wächst mit der Geschwindigkeit auch die Reibungskraft. Die
Beschleunigung wird dadurch verringert. Sie wird gleich null, wenn die Reibungskraft gleich
der äußeren Kraft geworden ist. Dann bewegt sich die Kugel mit konstanter Geschwindigkeit,
wie schon im vorigen Abschnitt gezeigt wurde.
Die Messung der Viskosität einer Flüssigkeit kann nach der sogenannten Kugelfallmethode
erfolgen. Auf eine in einer Flüssigkeit fallende Kugel wirken drei Kräft: die Gewichtskraft FG,
der Auftrieb FA und die Reibungskraft FR. Nach einer anfänglichen Beschleunigungsphase
bewegt sich die Kugel mit konstanter Geschwindigkeit ν, sobald die Summe der Kräfte null
geworden ist. Es gilt dann
FG + FA + FR = m g − ρ Fl VK g − 6 π η r v = 0
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 42
(m Kugelmasse, g Erdbeschleunigung, ρ Fl Dichte der Flüssigkeit, VK Kugelvolumen).
Werden die Kugelmasse, der Kugelradius, die Flüssigkeitsdichte und die konstante
Geschwindigkeit gemessen, kann daraus die Viskosität errechnet werden.
FR
FA
FG
Abb.IV/14: Kräfte bei der Kugelfallmethode
In der Praxis kann die Bedingung einer unendlich ausgedehnten Flüssigkeit nur sehr schlecht
erfüllt werden, wodurch für den endlichen Radius R des Flüssigkeitsgefäßes eine
Korrekturfunktion f(r/R) berücksichtigt werden muss. Das für endlichen Flüssigkeitsradius R
korrigierte Stokes'sche Gesetz lautet dann:
r
FR = − 6 π η r vf   .
R
Aus einer Messserie mit verschiedenen Kugelradien kann die Korrekturfunktion bestimmt
r
werden. In den meisten Fällen kann mit einem einfachen linearen Ansatz f ( r / R ) = 1 + C
R
bereits gute Übereinstimmung mit dem Experiment erzielt werden.
Aufgabenstellung:
Messen Sie die Viskosität einer vorgegebenen Flüssigkeit mit der Kugelfallmethode mit jeweils 10 Kugeln
verschiedenen Durchmessers. Bestimmen sie eine geeignete Korrektorfunktion für den endlichen Durchmesser
des Flüssigkeitsbehälters.
Praktische Durchführung:
Vor dem Experiment ist die Flüssigkeit gut durchzurühren und Luftblasen sind möglichst zu vermeiden!
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 43
IV.5 Allgemeine Reibung in Gasen und Flüssigkeiten
Der bisher behandelte Spezialfall laminarer Strömung und der daraus resultierenden linearen
Abhängigkeit der Reibungskraft von der Geschwindigkeit ist bei höheren Geschwindigkeiten
nicht mehr gegeben. Die laminare Strömung bricht dann teilweise zusammen und es erfolgt
eine Wirbelbildung in der Flüssigkeit oder Gas, welche zusätzliche Energie dem
Bewegungsvorgang entzieht. Man geht davon aus, dass die Reibungskraft proportional zur
2
kinetischen Energie der Flüssigkeit ρv 2 und der angeströmten Fläche A ist:
FR = f
ρv 2
2
A.
Der Proportionalitätsfaktor f wird Widerstandsbeiwert genannt. Man geht sogar soweit, dass
man für sämtliche Reibungsarten auf diese universelle Beziehung zurückgreift und nur den
Widerstandsbeiwert entsprechend anpasst. Für den Fall der Stokes'schen Reibung würde man
dann erhalten:
6πηrv = f
ρv 2
2
A, f =
12πηrv 12η
12
12
=
=
=
.
2
2
r πρv
rρv rρv Re
η
Dabei wurde die sogenannte Reynolds'sche Zahl Re = rρv
η eingeführt. Die Analyse
verschiedenster Reibungsvorgänge in Flüssigkeiten und Gasen ergibt, dass die dabei
auftretenden Widerstandsbeiwerte als Funktionen dieser Reynolds'schen Zahl geschrieben
werden können. Demnach kann ganz allgemein die Reibungskraft angeschrieben werden:
FR = f (Re)
ρv 2
2
A.
Der Vorteil liegt darin, dass nun bei Variation der Größe eines Objektes (z.B. Modell) durch
Änderung von Zähigkeit, Dichte oder Geschwindigkeit gleiche Reynolds'sche Zahl und damit
gleiche Strömungsbedingungen erreicht werden können. In folgender Tabelle sind für einige
Strömungsvorgänge die entsprechenden Widerstandsbeiwerte als Funktion der
Reynolds'schen Zahl angegeben:
Strömungsvorgang
laminare Strömung um eine Kugel: (Stokes)
laminare Strömung in einem Rohr: (Hagen-Poiseuille)
turbulente Strömung in einem Rohr: (Blasius)
angeströmte ebene Platte (Druckwiderstand)
angeströmter Zylinder (Druckwiderstand)
P.Knoll, Mechanik
Widerstandsbeiwert und
Gültigkeitsbereich
12
, Re < 1
Re
8
f =
, Re<1160
Re
0,1582
f = 4
, Re>1160
2 2 Re
f = 1,56
f = 0,9
f =
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
V
Seite 44
Schwingungen
Bisher wurden Bewegungsabläufe betrachtet, wobei Kräfte beteiligt waren, welche von den
ersten und zweiten zeitlichen Ableitungen des Ortes abhängig waren. In beiden Fällen haben
wir uns nur auf den linearen Zusammenhang beschränkt, welcher im Fall der zweiten
Ableitung
zur
Trägheitskraft,
und
im
Fall
der
ersten
Ableitung
zur
geschwindigkeitsabhängigen Reibungskraft geführt hat. Im weiteren wollen wir uns noch mit
dem Fall der ortsabhängigen Kraft beschäftigen, wobei wir uns wiederum nur auf den linearen
Zusammenhang beschränken wollen. Solche linear vom Ort abhängigen Kräfte werden zum
Beispiel bei einer linearen Feder, welche dem Hook’schen Gesetz genügt, angetroffen und
sind für die sehr wichtigen Schwingungen verantwortlich. Zunächst wollen wir ganz kurz das
Bewegungsproblem mit einer Kraft
F = − fx
analysieren, welche immer zum Nullpunkt des Ortes gerichtet sein soll. Dieser Kraft muß
einer entsprechenden Trägheitskraft gleich sein, damit das Newton’sche Axiom, die Summe
aller Kräfte muß Null sein, erfüllt ist. Wir erhalten die Bewegungsgleichung für eine Masse
M, wobei wir der Einfachheit wegen von einem rein eindimensionalen Problem ausgehen und
daher die Vektorschreibweise vernachlässigen können:
Mb + fx = 0 .
Daraus erhalten wir sofort die Beschleunigung als Funktion des Ortes:
b=−
fx
.
M
Die weiteren gewünschten Abhängigkeiten können jedoch nicht mehr durch einfaches
Integrieren bestimmt werden, sondern eine etwas aufwendigere mathematische Prozedur
(Lösen einer Differentialgleichung 2.Grades) ist erforderlich.
Mathematische Prozedur: Für die Beschreibung der mathematischen Grundlagen sei auf entsprechende
Lehrbücher bzw. Vorlesungen der Analysis bzw. der Mathematischen Methoden in der Physik verwiesen. Es soll
wegen der Wichtigkeit jedoch hier eine kurze Zusammenfassung gegeben werden. Die Bewegungsgleichung
ausgedrückt durch Ort und Zeit lautet:
d 2x
M 2 + fx = 0
dt
und stellt eine gewöhnliche, homogene Differentialgleichung 2.Ordnung dar. Ihre allgemeine Lösung erhält man
als Linearkombination von zwei linear unabhängigen speziellen Lösungen, von denen zumindest eine gefunden
werden muß, die weitere kann dann berechnet werden. In diesem Fall können gleich zwei spezielle Lösungen
( ) als auch sin(t ) obiger Differentialgleichung genügen.
gefunden werden, da offenbar sowohl cos t
f
M
f
M
Die Wronski-Determinante
( )
)
sin (t
cos t
−
f
M
f
M
f
M
P.Knoll, Mechanik
( ) =
)
cos(t
sin t
f
M
f
M
f
M
f
M
( )+
cos 2 t
f
M
f
M
( )=
sin 2 t
f
M
f
M
= ω0
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 45
ist dabei unabhängig von der Zeit ungleich Null, wodurch die lineare Unabhängigkeit der beiden speziellen
Lösungen gezeigt ist. Wir erhalten daher als allgemeine Lösung für alle Zeiten t, wobei mit
ω0 =
f
M
eine
kompaktere Schreibweise erreicht wird
x (t ) = c1 cos ω 0 t + c2 sin ω 0 t .
Die beiden reellen Koeffizienten c1 und c2 sind dabei zunächst beliebig und müssen durch die vorgegebenen
Randbedingungen bestimmt werden. Die beiden speziellen Lösungen stellen dabei zwei Basisvektoren dar,
wodurch die beiden Koeffizienten auch als Komponenten eines 2-dimensionalen Vektors aufgefasst werden
können. Anstelle der umständlichen Vektorschreibweise kann im hier vorliegenden 2-dimensionalen Fall auch
iω t
auf die komplexe Schreibweise zurückgegriffen werden und mit cos ω 0 t + i sin ω 0 t = e 0 läßt sich
die allgemeine reelle Lösung auch mit
(
)
(
)
(
)
x (t ) = Re Ae iω0t = Re A e iϕ e iω0t = A Re e iϕ e iω0t = A cos(ω 0 t + ϕ )
schreiben. Dabei steht die komplexe Amplitude A mit den vorherigen Koeffizienten über folgende Beziehung in
Verbindung:
(
)
Re Ae iω0t = Re(( Ar + iAi )(cos ω 0 t + i sin ω 0 t )) = Ar cos ω 0 t − Ai sin ω 0 t
wodurch sich Ar = c1 und Ai = − c2 ergibt. Anzumerken ist, dass üblicherweise die komplexe Schreibweise
verwendet wird und dabei die explizite Verwendung des Realteiles weggelassen wird also : x (t ) = Ae
iω 0t
.
Die allgemeine Lösung unserer Bewegungsgleichung lautet somit:
(
)
x (t ) = Re Ae iω0t = A cos(ω 0 t + ϕ ) .
Dabei müssen Betrag der komplexen Amplitude A und die Phase ϕ = arctan
Ai
Ar
durch die
Randbedingungen bestimmt werden. Die weiteren Zeitabhängigkeiten können nun durch
einfaches Differenzieren gewonnen werden:
(
)
(
)
v (t ) =
d
Re Ae iω0t = ω 0 Re iAe iω0t = −ω 0 A sin(ω 0 t + ϕ ) = −ω 0
dt
b( t ) =
d
2
ω 0 Re iAe iω0t = −ω 0 2 A cos(ω 0 t + ϕ ) = −ω 0 2 x = −ω 0 ω 0 2 A − v 2 (t ) .
dt
(
2
A − x 2 (t )
)
Wählen wir als allgemeine Randbedingungen x (t0 ) = x0 und v (t0 ) = v0 , so erhalten wir für
Amplitude und Phase:
A=
2
x0 +
v0
2
ω0
2
 v 
und ϕ = arctan  0  − ω 0 t0 .
 ω 0 x0 
In den Abbildungen V/1 bis V/6 sind die entsprechenden Bewegungsdiagramme für die
Randbedingungen t0=0s, v0=0m/s und x0=1m und den Werten M=1kg, f=1N/m gezeigt. Es
liegt eine periodische Bewegung vor, welche Schwingung genannt wird. Nach der Zeit
t P = ω2π0 , welche Periodendauer oder Schwingungsdauer genannt wird, wird der gleiche
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 46
mechanische Zustand (Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung) wieder erreicht und der
Bewegungsablauf setzt sich um die Periondendauer zeitversetzt identisch fort. Der Weg
oszilliert dabei um dem Wert x=0, welcher Ruhelage bezeichnet wird, die Auslenkung aus der
Ruhelage wird auch Elongation und die maximale Auslenkung Amplitude bezeichnet. Die
Geschwindigkeit verhält sich dabei um 90° phasenverschoben, d.h. dass in der Ruhelage
maximale Geschwindigkeit erreicht wird und umgekehrt.
1.0
1.0
Geschwindigkeit [m/s]
Weg [m]
0.5
0.0
-0.5
0.5
0.0
-0.5
-1.0
-1.0
0
2
4
6
8
10
0
Zeit [s]
2
4
6
8
10
Zeit [s]
Abb.V/2: Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm
1.0
1.0
0.5
0.5
Geschwindigkeit [m/s]
2
Beschleunigung [m/s ]
Abb.V/1: Weg-Zeit-Diagramm einer Schwingung
0.0
-0.5
0.0
-0.5
-1.0
-1.0
0
2
4
6
8
-1.5
10
-1.0
-0.5
Abb.V/3: Beschleunigungs-Zeit-Diagramm
1.0
1.5
1.0
Beschleunigung [m/s ]
0.5
2
2
Beschleunigung [m/s ]
0.5
Abb.V/4:Geschwindigkeits-Weg-Diagramm
1.0
0.0
-0.5
-1.0
-1.5
0.0
Weg [m]
Zeit [s]
0.5
0.0
-0.5
-1.0
-1.0
-0.5
0.0
0.5
1.0
Weg [m]
Abb.V/5: Beschleunigungs-Weg-Diagramm
P.Knoll, Mechanik
1.5
-1.5
-1.0
-0.5
0.0
0.5
1.0
Geschwindigkeit [m/s]
bAbb.V/6: Beschleunigungs-GeschwindigkeitsDiagramm
1.5
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 47
Weiters ist es sehr nützlich, sich den Verlauf von kinetischer, potentieller und gesamter
Energie während des Schwingungsvorganges anzusehen. Wie Abb.V/7 zeigt, findet eine
laufende periodische Umwandlung von potentieller Energie V = 12 fx 2 in kinetische Energie
T = 12 Mv 2
H = T +V =
und
1
2
(f A
umgekehrt
2
statt,
2
)
während
cos ω 0 t + Mω 0 A sin ω 0 t =
2
2
1
2
die
2
gesamte
Energie
2
f A = 12 Mω 0 A konstant bleibt.
0.7
kinetisch
potentiel
gesamt
0.6
Energie [J]
0.5
0.4
0.3
0.2
0.1
0.0
0
2
4
6
8
10
Zeit [s]
Abb.V/7: Verlauf von kinetischer-, potentieller- und gesamter Energie während eines Schwingungsvorganges
V.1 einfache Drehschwingung
Eine einfache praktische Realisierung kann durch eine Drehschwingung einer Metallscheibe
verwirklicht werden. Die periodische veränderliche Größe ist der Drehwinkel ϕ der
Metallscheibe um eine vorgegebene Achse. Dies ist möglich, wenn auf den Körper ein
Drehmoment T wirkt, das eine Funktion des Drehwinkels ist. Der Wert des Winkels ϕ, bei
dem T gleich null wird, heißt in Analogie zur linearen Schwingung Ruhelage. Das
Drehmoment ist jeweils so gerichtet, daß der Körper gegen die Ruhelage hin beschleunigt
wird. Für die Winkelbeschleunigung gilt dann analog
ϕ&& =
T
I
worin I das Trägheitsmoment des Körpers in Bezug auf die Drehachse ist.
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 48
Der lineare Zusammenhangs zwischen Drehwinkel und Drehmoment ist durch:
T = − D rϕ
gegeben. Der Proportionalitätsfaktor Dr heißt das Direktionsmoment. Ein linearer
Zusammenhang zwischen Winkel und Drehmoment ist häufig eine gute Näherung der
wirklichen Verhältnisse, da jede beliebige Funktion um die Ruhelage in eine Potenzreihe
entwickelt und für genügend kleine Winkel nach dem ersten Glied abgebrochen werden kann.
Im Fall der Gültigkeit des linearen Zusammenhangs ist die Schwingungsdauer tP unabhängig
von der Amplitude. Es gilt
I
Dr
tP = 2 π
Mittels der angegebenen Beziehung kann das Direktionsmoment oder das Trägheitsmoment
bestimmt werden, wenn die Schwingungsdauer und die jeweils andere Größe bekannt sind.
Das Direktionsmoment kann im Prinzip auch direkt ermittelt werden, wenn zu einem
bekannten von außen angelegten Drehmoment die Winkelauslenkung gemessen wird. Häufig
ist dies aus meßtechnischen Gründen nicht möglich. Auch die direkte Ermittlung des
Trägheitsmomentes ist bei beliebig geformten Körpern schwierig. Um beide Größen aus
reinen Messungen der Schwingungsdauer zu ermitteln, kann man das Trägheitsmoment θ des
Körpers um einen definierten Wert θ' verändern und die dadurch geänderte
Schwingungsdauer tP' bestimmen. Noch genauere Ergebnisse erhält man, wenn man das
Trägheitsmoment in n Schritten um definierte Werte θ' erhöht und dann durch geeignete
Auftragung von Periodendauer und Anzahl an zusätzlichem Trägheitsmoment mit Hilfe einer
Ausgleichsgeraden gleichzeitig unbekanntes ursprüngliches Trägheitsmoment und
Direktionsmoment bestimmen. Das Trägheitsmoment erhöht sich dabei mit I(n)= I + nI'.
Daraus ergibt sich eine geänderte Periodendauer:
I + nI '
.
Dr
t P ( n ) = 2π
Durch Quadrieren erhält man einen linearen Zusammenhang:
2
t P (n) =
4π 2 I 4π 2 I '
+
n.
Dr
Dr
Trägt man nun in einem Diagramm tP2(n) als y-Wert und n als x-Wert auf, so kann man aus
der ermittelten Ausgleichsgeraden Dr und I bestimmen.
Wird das rücktreibende Drehmoment durch Verdrillung eines Drahtes der Länge l und des
Radiuses r bewirkt, so gilt für das Direktionsmoment:
Dr =
πr 4 G
2l
.
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 49
Dabei ist G der Torsionsmodul, welcher durch das Material des Drahtes bestimmt wird.
Aufgabenstellung:
Berechnen Sie einen allgemeinen Ausdruck für das Trägheitsmoment eines Hohlzylinders und seiner Segmente
und bestimmen Sie damit das Trägheitsmoment der vorhandenen Zusatzmassen unter Vernachlässigung der
Schraubenlöcher.
Bestimmen Sie aus der Schwingungsdauer ohne und mit Zusatzmassen das Trägheitsmoment und das
Direktionsmoment des Drehpendels (unter Vernachlässigung der Dämpfung).
Ermitteln Sie den Torsionsmodul des verwendeten Drahtes.
Praktische Durchführung:
Der Torsionsdraht darf nicht fest gespannt werden, ansonsten entsteht erhöhte Lagerreibung!
V.2 Gedämpfte Schwingungen
Wie bei allen Bewegungsvorgängen wird in der Praxis ein Teil der Bewegungsenergie in
Wärme umgewandelt, was als Reibung bekannt ist. Die entsprechende Reibungskraft ist im
allgemeinen eine Funktion der Geschwindigkeit, wobei wir uns wiederum mit dem linearen
Anteil begnügen wollen. Die gedämpfte Schwingung unseres Drehpendels wird dann durch
folgende Differentialgleichung beschrieben:
Iϕ&& + g ϕ& + Drϕ = 0
bzw. nach Division durch Ι:
ϕ&& + 2 γ ϕ& + ω 02 ϕ = 0
mit:
D
g
= 2 γ und r = ω 02 .
I
I
γ heißt die Dämpfungskonstante des schwingenden Systems. Die Lösung erhält man durch
den Ansatz: ϕ (t ) = Ae iωt . Die Eigenfrequenz ergibt sich dabei als komplexe Zahl mit
ω = iγ ± ω 0 2 − γ 2 = iγ ± ω 0 (γ ) .
ϕ (t ) = Re Ae −γt e it
Die
(
allgemeine
)
Lösung
lautet
daher:
 = Re Ae −γt e iω0 (γ ) t . Durch die Dämpfung wird daher einerseits die


Amplitude exponentiell abklingen, und andererseits die Schwingungsdauer zu:
tP =
2π
Dr
g2
− 2
I
4I
P.Knoll, Mechanik
=
ω 0 2 −γ 2
2π
ω02 − γ 2
=
2π
ω 0 (γ )
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 50
vergrößert. Im Verlauf mehrerer Schwingungen verringert sich die Schwingungsamplitude
nach einer e-Potenz. Als Dämpfungsverhältnis k wird der Quotient zweier
aufeinanderfolgender Amplituden bezeichnet, es hängt von der Dämpfungskonstante γ und
von der Schwingungsdauer tP ab. Für zwei beliebige Auslenkungen im Zeitabstand tP erhalten
wir:
k=
ϕ (t )
ϕ (t + t P )
Ae −γt e iω0 (γ ) t
= eγtP e −iω0 (γ ) tP = eγtP .
−γ (t + t P ) iω 0 ( γ ) (t + t P )
Ae
e
=
Als logarithmisches Dekrement δ wird der natürliche Logarithmus des Quotienten aus zwei
aufeinanderfolgenden Amplituden bezeichnet. Es gilt
δ = ln k = γt P .
Für die praktische Messung kann man auch von n-Vielfachen der Schwingungsdauer
ausgehen, da gilt:
nδ = γnt P
Als Relaxationszeit oder Abklingzeit der Schwingung wird diejenige Zeit τ bezeichnet, in
der die Amplitude auf den 1/e-fachen Wert der Anfangsamplitude abgefallen ist. Es gilt die
Beziehung:
τ=
1
γ
=
2I
.
g
Da die Schwingungsenergie quadratisch in der Amplitude ist, fällt sie doppelt so schnell wie
die Amplitude ab:
t
−2 P
E (t + tP )
= e − 2 γ t P = e τ = e − 2δ .
E (t )
Als Güte (Q-Faktor, von "quality") des Systems ist weiters definiert das 2π-fache des
Verhältnisses aus Abklingzeit τ und Schwingungsdauer tP:
Q = 2π
τ
tP
= ω 0 (γ )τ .
Da im praktischen Versuch immer eine Reibung vorliegt, ist die Bestimmung der
ungedämpften Resonanzfrequenz ω 0 = Dr I nicht direkt möglich. Durch Veränderung der
Dämpfung (z.B. unterschiedlich starke Wirbelstrombremse) können jedoch die verschiedenen
Resonanzfrequenzen ω 0 (γ ) = ω 0 − γ 2
2
bestimmt werden. Trägt man dann in einem
Diagramm ω 0 (γ ) gegen γ 2 auf, so sollte sich ein linearer Zusammenhang ergeben, wobei
der Hypotenusenabschnitt der ungedämpften Resonanzfrequenz entspricht.
2
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 51
Hilfreiche Literatur:
Siehe z.B.: W. Demtröder, Experimentalphysik 1, Kap. 10.4
Aufgabenstellung:
Zeichnen Sie mit dem Speicheroszilloskop den zeitlichen Verlauf der (gedämpften) Schwingung des
Drehpendels auf.
Bestimme daraus jeweils das Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Amplituden und die anderen
Dämpfungsmaße: logarithmisches Dekrement, Relaxationszeit, Güte
Praktische Durchführung:
Machen Sie sich mit den diversen Funktionen des Speicheroszilloskops vertraut.
V.3 Fouriertransformation der freien Schwingung
Als Beispiel einer gedämpften freien Schwingung ist in Abb.V/8 ähnlich der im Praktikum
bestimmten gedämpften Drehschwingung der Verlauf eines Schwingungsvorganges mit
ungedämpfter Resonanzfrequenz ω0=2π0,5s-1 und einer Dämpfungskonstanten von
γ = 1τ = 0,1 s-1 dargestellt.
Frequenz [Hz]
0,0
Phase [grad]
50
1,0
1,5
2,0
90
0
-90
200
volle Transf.
0
-50
-100
0
10
20
30
40
Zeit [s]
50
Amplitude [willk. Einh.]
Am plitude [willk. Einheiten]
100
0,5
150
vereinfacht
diskrete FFT
100
50
0
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
Frequenz [Hz]
Abb.V/8: Freie gedämpfte Schwingung im
Messintervall.
Abb.V/9: Phase und Betrag der Amplitude für die
verschiedenen Frequenzkomponenten.
Es stellt sich die Frage, welche Schwingungsfrequenzen in so einer abklingenden Schwingung
vorhanden sind. Wenn die Amplitude über alle Zeit konstant bleibt, (also eine ungedämpfte
Schwingung vorliegt) ist diese Frage recht einfach zu beantworten, weil dann offenbar nur die
Resonanzfrequenz ω 0 = Dr I auftritt. Im Fall der Dämpfung wissen wir nur, dass diese auf
ω 0 (γ ) = ω 0 2 − γ 2 verändert wird. Aber offenbar ist hier doch noch ein Unterschied, da ja
diese veränderte Resonanzfrequenz auch nicht mit konstanter Amplitude anliegt, sondern mit
der Zeit abklingt. Die korrekte Antwort auf unsere Frage liefert der mathematische
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 52
Formalismus der Fourier-Transformation. Über den genauen mathematischen Hintergrund sei
auf die einschlägigen Lehrbücher und Vorlesungen verwiesen. Allerdings stellen die FourierTransformationen, Fourier-Analysen, Harmonischen-Entwicklungen, Spektralzerlegungen
etc. eine derart wichtige Grundlage für das Verständnis der modernen Physik dar, dass nicht
früh genug deren physikalische Bedeutung verständlich gemacht werden kann. In diesem
Sinne soll hier vor allem der physikalische Hintergrund der Fourier-Transformation einer
gedämpften Schwingung gegeben werden. Zunächst wenden wir einfach den mathematischen
Formalismus auf die gedämpfte Schwingung in komplexer Darstellung ϕ (t ) = Ae −γt e iω0 (γ ) t an
und erhalten die komplexe Amplitude der Frequenzkomponente ω durch:
ϕ (ω ) =
ϕ (ω ) =
1
2π
∞
−A
=
2π (i (ω 0 (γ ) − ω ) − γ )
A
1
2π
∞
∫ ϕ (t )e
−iωt
dt =
0
∞
∫ Ae
(iω 0 ( γ ) −iω −γ )t
0
dt =
Ae (iω0 (γ )−iω −γ )t
2π (iω 0 (γ ) − iω − γ ) 0
(i (ω 0 (γ ) − ω ) + γ )
.
(ω 0 (γ ) − ω )2 + γ 2
2π
Dies ergibt für den Betrag der Amplitude für die Fourier-Komponente ω und deren Phase:
ϕ (ω ) =
A
2π
(ω 0 (γ ) − ω ) + γ 2
2
 Im(ϕ (ω )) 
 ω (γ ) − w 
und ψ = arctan 
 = arctan  0
 .
γ
 Re(ϕ (ω )) 


Dieses Ergebnis ist in Abb.V/9 als punktierte Linie dargestellt und wird dort als einfaches
Ergebnis bezeichnet. Grund dafür ist, dass ja tatsächlich keine komplexe Amplitude sondern
eine reelle ϕ (t ) = Re Ae −γt e iω0 (γ ) t = 1 2 Ae −γt e iω0 (γ ) t + Ae −γt e − iω0 (γ ) t vorliegt, was zu einem
entsprechend komplizierteren Ergebnis führt, welches in Abb.V/9 ebenfalls zum Vergleich
dargestellt ist. Die Unterschiede sind dabei geringfügig (der Betrag der Amplitude ist nur halb
so groß) und nur bei geringen Frequenzen bemerkbar, weshalb hier von der einfachen
Behandlung weiter ausgegangen werden kann. Die bisherigen Frequenzabhängigkeiten
werden Amplituden- und Phasenspektrum der gedämpften Schwingung bezeichnet. Von
weiterer Bedeutung ist auch das Verhalten der Energie, welche zum Quadrat der Amplitude
proportional ist. Wir erhalten:
(
P (ω ) = ϕ (ω )ϕ * (ω ) =
)
(
)
A2
,
2
2π (ω 0 (γ ) − ω ) + γ 2
(
)
welches als Power-Spektrum bezeichnet wird. Es ist der reziproke Wert eines Polynoms
2.Grades, welcher Lorentz-Kurve genannt wird. Diese ist in Abb.V/10 dargestellt. Dabei liegt
der Maximalwert bei:
Pmax (ω 0 (γ )) =
A2
2πγ 2
.
Wichtig ist auch noch das Maß der Breite der Lorentzkurve. Als Halbwertsbreite bezeichnet
man das Intervall, welches von den Punkten um das Maximum begrenzt wird, wo das
Powerspektrum auf den halben Wert des Maximalwertes abgefallen ist. Man erhält:
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 53
Pmax
A2
A2
=
=
= P(ω (γ ) ± γ ) .
2
4πγ 2 2π (γ )2 + γ 2
(
)
Demnach ist die volle Halbwertsbreite des Powerspektrums Γω = 2γ in Kreisfequenz
ausgedrückt, bzw. Γ f = γ π im Frequenzspektrum, und kann zur Bestimmung der Dämpfung
herangezogen werden. Die gesamte Fläche A unterhalb des Powerspektrums lautet:
∞
∫ P(ω )dω =
Quadrat der Am plitude [willk. Einh.]
−∞
A2
= Pmaxγπ .
2γ
100
40000
Am plitude [willk. Einh.]
A=
30000
Halbwertsbreite
20000
10000
50
0
-50
-100
0
0
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
20
40
60
80
100
Zeit [s]
Frequenz [Hz]
Abb.V/10: Power-Spektrum
Abb.V/11: Fiktive periodische Fortsetzung der
gemessenen gedämpften Schwingung
Zu beachten ist, dass in den Abbildungen jeweils die Frequenz als x-Achse aufgetragen ist,
aber die Formeln sich auf die Kreisfrequenz beziehen, wodurch ein Faktor von 2π für die
Bestimmung der Dämpfung aus der Halbwertsbreite zu berücksichtigen ist.
In der praktischen Durchführung muss berücksichtigt werden, dass nicht über unendlich lange
Zeit gemessen werden kann, und dass die einzelnen Messwerte der Auslenkung auch nicht
beliebig dicht beieinander liegen können. Daher beschreiben die bisherigen Ausführungen nur
ein idealisiertes Verhalten, welches praktisch nie erreicht wird. Gehen wir davon aus, dass
über eine Messzeit tMess hindurch der Verlauf der gedämpften Schwingung verfolgt werden
kann. Die mathematische Gültigkeit der verwendeten Fourier-Transformation ist nur bei
periodischen Funktionen gegeben (Satz von Fourier). Dies wird dadurch erreicht, dass
sogenannte periodische Randbedingungen das Ende der Messung mit dem Anfang verbinden
und dadurch aus jeder Messung eine periodische gemacht wird. Dies bedeutet, dass nach der
eigentlichen Messzeit von 50s in Abb.V/11 die Messung fiktiv periodisch fortgesetzt wird.
Nur bei sehr großen Messzeiten (im Idealfall unendlich lang) ist der dadurch entstandene
Fehler vernachlässigbar ist. Für jede beliebige Messgröße f(t) bedeutet dies, dass f(t+tMess) =
f(t) ist. Für einen Schwingungsvorgang ist dadurch ϕ (t + t Mess ) = e iω (t +tMess ) = e iωt = ϕ (t ) , was
die Bedingung liefert:
ωt Mess = n 2π oder ω n = n
P.Knoll, Mechanik
2π
.
t Mess
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 54
Dies bedeutet, dass nur mehr ganz bestimmte Kreisfrequenzen möglich sind, welche die durch
die Messzeit vorgegeben periodischen Randbedingungen erfüllen. Es bedeutet auch, dass es
eine untere Schranke für die sinnvolle Genauigkeit der Kreisfrequenz gibt, nämlich:
∆ω =
2π
.
t Mess
Die letzte Beziehung stellt die klassische Unschärferelation dar und besagt, dass bei endlicher
Messzeit die Frequenz nicht beliebig genau bestimmt werden kann. Man erhält daraus sofort
unter Benützung von E = hω = hf die bekannte quantenmechanische Unschärferelation
zwischen Energie und Zeit:
∆E∆t = 2πh = h .
Ähnliche Beziehungen lassen sich auch für örtlich periodische Vorgänge ableiten, wodurch
man eine Unschärferelation zwischen Ort und Impuls erhält.
Neben der endlichen Messzeit wollen wir auch berücksichtigen, dass innerhalb der Messzeit
nicht unendlich viele Messungen vorliegen sondern nur N viele, weshalb Messwerte nur zu
ganz bestimmten Zeitpunkten
tj = j
t Mess
= jtint
N
zur Verfügung stehen. Das Zeitintervall zwischen zwei Messpunkten wurde dabei mit tint
bezeichnet. Anstelle der kontinuierlichen Fourier-Transformation muss dann die diskrete
verwendet werden:
ϕ (ω n ) =
1
N
N
∑ ϕ (t
j =1
j
)e
iω n t j
.
Dabei werden die komplexen Amplituden für die möglichen diskreten Kreisfrequenzen ωn
berechnet. Dabei sind nur N verschiedene Werte von Interesse, da alle weiteren sich ebenfalls
periodisch wiederholen. Dies sieht man sofort, wenn wir explizit einsetzen:
2π
1
ϕ (ω n = n
)=
t Mess
N
N
2π
t Mess in tMess j
ϕ
(
t
=
j
)e
∑
j
N
j =1
t Mess
N
1
=
N
N
∑ ϕ (t
j =1
j
)e
inj
2π
N
.
Daraus ist direkt ersichtlich, dass für beliebiges j sich die Fourier-Komponenten ϕ(ωn)=
ϕ(ωn+N) alle N Werte periodisch wiederholen. Hinzu kommt noch eine Eigenschaft der
Fourier-Transformation, dass für rein reelle Auslenkungen ϕ(t), wie sie im praktischen
Experiment vorliegen, die Fourier-Komponenten ϕ(ω)=ϕ(-ω) symmetrisch um den Nullpunkt
liegen. Wählen wir das Intervall der betrachteten Frequenzen um den Nullpunkt, also
− N 2 ≤ j < N 2 , so ist ersichtlich, dass in diesem Fall nur die Hälfte der N Frequenzen
unabhängige Informationen liefern. (Wegen der Periodizität der Frequenzen kann das
Intervall beliebig gelegt werden.) Die maximale sinnvolle Kreisfrequenz ergibt sich dann zu:
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
ω max = ω
N
2
=
Seite 55
N 2π
2π
=
.
2 t Mess 2tint
Diese Aussage ist gleichbedeutend mit der bekannten These aus der digitalen
Signalverarbeitung, dass die Abtastfrequenz (Sampling-Rate) mindestens doppelt so hoch sein
muss als die maximal zu digitalisierende Frequenz.
In unserem Beispiel der gedämpften Schwingung in Abb.V/8 gehen wir davon aus, dass wir
nur 50s lang beobachten und dabei 1024 Werte speichern. Daraus ergeben sich diskrete
Frequenzpunkte, wie sie in Abb.V/9 eingetragen sind. Das Frequenzintervall zwischen den
einzelnen Punkten ergibt sich dann zu: ∆f = 1 50 s-1 und beträgt somit 0,02Hz. Die
Frequenzkomponenten wiederholen sich dabei periodisch alle 20,48Hz und die sinnvolle
maximale Frequenz beträgt 10,24Hz. Will man mehr Punkte um die Resonanzfrequenz
erhalten, was in Hinblick auf eine genauere Analyse der Kurvenform des Frequenzspektrums
sinnvoll wäre, so muss die Messzeit entsprechend verlängert werden.
V.4 Erzwungene Schwingung
Wird ein schwingungsfähiges System durch eine periodisch wirkende Kraft angeregt, so
entsteht eine erzwungene Schwingung. Sie gehorcht im Fall einer Drehschwingungen mit
zeitlich änderndem Drehmoment T (t ) = T0 Re(e iωt ) der Differentialgleichung:
Iϕ&& + gϕ& + Drϕ = T0 Re(e iωt ) ,
bzw. mit :
D
g
2
= 2 γ und r = ω 0
I
I
ϕ&& + 2γϕ& + ω 0 2ϕ =
T0
Re(e iωt ) .
I
To ist dabei der Maximalwert des antreibenden Drehmoments T(t). Die Lösung dieser
inhomogenen Differentialgleichung erhält man als Superposition einer speziellen Lösung mit
der allgemeinen Lösung der homogenen Differentialgleichung. Diese allgemeine Lösung der
homogenen Differentialgleichung haben wir bereits als gedämpfte Schwingung kennen
gelernt und wird nach genügend langer Zeit, wenn der Einschwingvorgang abgeschlossen ist,
nicht mehr von Bedeutung sein. Falls eine zeitlich stabile spezielle Lösung der inhomogenen
Differentialgleichung existiert, so wird nur diese nach genügend langer Zeit relevant sein.
Diese zeitlich stabile Lösung ist offenbar mit ϕ (t ) = ϕ 0 Re(e iωt ) vorhanden. Man erhält
eingesetzt in die Differentialgleichung:
− ω 2ϕ 0 Re(e iωt ) + i 2γωϕ 0 Re(e iωt ) + ω 0 ϕ 0 Re(e iωt ) =
2
T0
Re(e iωt ) .
I
Daraus erhält man als Ergebnis eine komplexe Amplitude:
P.Knoll, Mechanik
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
ϕ0 =
T0
(
I ω 0 − ω + i 2γω
2
2
)
=
(
Seite 56
T0 ω 0 − ω 2 − i 2γω
((
2
I ω0 − ω
2
)
2 2
)
+ 4γ ω 2
2
).
Das Verhältnis zwischen der erzielten Auslenkung und der antreibenden Kraft (Drehmoment)
wird Green'sche Funktion G(ω) genannt:
ϕ0
= G (ω ) =
T0
1
(
I ω 0 − ω 2 + i 2γω
2
).
Damit lässt sich auch kürzer schreiben:
ϕ 0 (ω ) = G (ω )T0 .
Die Bedeutung der komplexen Amplitude der erzwungenen Schwingung liegt darin, dass
zwei unabhängige reelle Größen auftreten, nämlich der Betrag der Amplitude und die Phase ψ
bezüglich des anregenden Drehmomentes:
ϕ0 =
(
T0
I ω0 − ω 2
2
)
2
+ 4γ 2ω 2
und ψ = arctan
− 2γω
.
ω02 − ω 2
In Abb.V/12 sind der Frequenzverlauf von Betrag der Amplitude und der Phase gezeigt und
mit dem Ergebnis der Fouriertransformierten der freien gedämpften Schwingung (volle
Rechnung) verglichen. Ebenso ist das Quadrat der Amplitude (Powerspektrum) in Abb.V/13
verglichen.
Frequenz [Hz]
0.5
1.0
1.5
2.0
Phase [grad]
0
-90
200
erzw. Schwingung
volle Fourier-Transf.
Am plitude [willk. Einh.]
150
100
50
Quadrat der Am plitude [willk. Einh.]
0.0
90
volle Fourier-Transf.
40000
erzw. Schwingung
30000
Halbwertsbreite
20000
10000
0
0.0
0.5
1.0
1.5
2.0
Frequenz [Hz]
0
0.0
0.5
1.0
1.5
2.0
Frequenz [Hz]
Abb.V/12: Amplitude und Phase der erzwungenen
Schwingung verglichen mit der FourierAnalyse der freien Schwingung.
Abb.V/13: Powerspektrum der erzwungenen
Schwingung verglichen mit der Lorentzkurve der Fouriertransformierten der freien
Schwingung.
Zunächst muss betont werden, dass zwischen dem Frequenzverhalten der freien Schwingung
und der erzwungenen Schwingung unterschiedliche physikalische Voraussetzungen vorliegen.
Während die Fourier-Transformation der freien Schwingung die einzelnen Beiträge der
verschiedenen Frequenzen mit ihren Amplituden und relativen Phasen zum exponentiellem
Abklingen der Schwingung ergibt, beschreibt Amplitude und Phase der erzwungenen
Schwingung, welche Amplitude der erzwungenen Schwingung für eine bestimmte Frequenz
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Seite 57
der antreibenden Kraft (Drehmoment) vorliegt und welche Phasenbeziehung zwischen der
Schwingung und der antreibenden Kraft sich einstellt. Dennoch sind sehr markante
physikalische Gemeinsamkeiten vorhanden: So ändert sich die Phase um 180° in der Nähe der
Resonanzfrequenz, wo auch die Amplitude ihr Maximum hat. Allerdings sind auch die
Unterschiede sehr deutlich: So bezieht sich die Fourier-transformierte der freien Schwingung
auf die um die Dämpfung veränderte Resonanzfrequenz ω 0 (γ ) = ω 0 − γ 2 , während die
2
erzwungene Schwingung ihr Maximum bei der Resonanzfrequenz der ungedämpften
Schwingung ω 0 = Dr I hat. (Dies ist eine Konsequenz der Bedingung, dass nach dem
Einschwingvorgang die erzwungene Schwingung bei gleicher Frequenz für unendlich lange
Zeit vorliegt.) Der scheinbare Unterschied in der absoluten Phase, wie er z.B. in Abb.V/12 zu
sehen ist, hat allerdings keine allzu große physikalische Bedeutung, da die absolute Phase der
Fourier-transformierten freien Schwingung durch die Anfangsbedingung (in welcher
Phasenlage beginnt die Schwingung bei t=0) bestimmt wird. Außerdem hat die Phase einer
Frequenz bei Null keine Bedeutung. Charakteristisch ist hingegen, dass die Breite von
Amplituden- und Powerspektrum der erzwungenen Schwingung eindeutig größer ist. Für die
Halbwertsbreite des Powerspektrums der erzwungenen Schwingung erhalten wir:
Γω = 2 2γω 0 bzw. Γ f =
2γω 0
π
.
Nur für γ = 0 oder γ = 2ω 0 , also im Fall verschwindender Dämpfung oder extremer
Überdämpfung, ergibt sich das gleiche Ergebnis wie für die Lorentzkurve der Fouriertransformierten freien Schwingung. Ebenso ist im Amplituden- und Powerspektrum der
erzwungenen Schwingung eine leichte Asymmetrie zu niedrigen Frequenzen vorhanden,
welche ebenfalls erst bei vernachlässigbaren Dämpfungen verschwindet.
Wird die erzwungene Schwingung durch eine angetriebene zweite Metallscheibe (Auslenkung
ϕ1), welche über den Torsionsdraht mit der eigentlichen Drehscheibe (Auslenkung ϕ2) des
Drehpendels verbunden ist, realisiert (Praktikumsversuch), dann erhalten wir folgende
mathematische Beschreibung:
Iϕ&&2 + gϕ& 2 + Dr (ϕ 2 − ϕ 1 ) = 0 .
Wird die antreibende Scheibe mit ϕ 1 (t ) = ϕ 10 Re(e iωt ) bewegt so erhält man:
ϕ&&2 + 2γϕ& 2 + ω 0 2ϕ 2 = ω 0 2ϕ 10 Re(e iωt ) .
Daraus ergibt sich die Amplitude des antreibenden Drehmomentes zu:
T0 = Iω 0 ϕ 10 .
2
Das Amplitudenverhältnis zwischen Auslenkung der antreibenden Scheibe und des
Drehpendels kann dann einfach ermittelt werden:
ϕ 20
=
ϕ 10
(ω
ω02
2
0
−ω
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)
2 2
+ 4γ ω
2
.
2
Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 58
Hilfreiche Literatur:
W. Demtröder, Experimentalphysik 1, Kap. 10.5
E.W. Otten, Repetitorium Experimentalphysik, Kap. 11.4
Aufgabenstellung:
Die Dämpfung der Drehschwingung ist durch den Wirbelstrom-Dämpfungsmagneten auf einen definierten Wert
einzustellen (z.B. auf das Dämpfungsverhältnis k =1.25) und daraus die Dämpfungskonstante γ zu berechnen.2.
Die Amplitude und Phase der Drehschwingung sind als Funktion der Erregerfrequenz zu messen und graphisch
darzustellen.
Aus der Amplitudenresonanzkurve ist die Halbwertsbreite zu bestimmen und aus dem gewonnene Wert die
Dämpfungskonstante zu berechnen. Sie ist mit der eingestellten Dämpfungskonstante zu vergleichen.
Das Experiment ist mit einer anderen Dämpfung zu wiederholen (z.B. Dämpfungsverhältnis k = 1.75).
Praktische Durchführung:
Das Drehpendelgerät ist so umzubauen, daß die mittlere Drehscheibe mit dem Torsionsdraht an die vom
Schrittmotor angetriebene Scheibe gekoppelt ist. Der Draht zur obersten Scheibe wird entfernt. Eventuell vom
Vorexperiment vorhandene Zusatz-Drehmassen aus Eisen sind zu entfernen! Auf geringe Reibung ist zu achten,
keinesfalls darf der Torsionsdraht axial gespannt werden (erhöhte Lagerreibung).
Die Schwingungsdauer bei der freien ungedämpften
(Speicheroszilloskop). Handauslenkung!
Schwingung (Idealisierung!) ist zu bestimmen
Eine definiert gedämpfte Schwingung ist zu erzeugen. Durch Verschieben der Dämpfungsmagnete entlang ihrer
Auflage wird die vorgeschriebene Dämpfung durch Probieren eingestellt (Kontrolle mittels Speicheroszilloskop,
Protokollierung des Abklingvorganges).
Eine erzwungene Schwingung ist durch periodische Anregung des Systems mittels Schrittmotor zu erzeugen.
Die Schrittmotor-Elektronik wird vom Funktionsgenerator (FG) über periodische Rechtecksignale angesteuert.
1000 Perioden des FG ergeben 1 Umdrehung des Schrittmotors und damit 1 Schwingungsperiode der Erregung.
Die Anregungsfrequenz ergibt sich somit als abgelesene Frequenz am FG/1000.
Die Amplituden- und Phasenabhängigkeit der erzwungenen Schwingung ist durch Variation der Erregerfrequenz
zu ermitteln. Hinreichend lange Einschwingzeiten abwarten! Insbesondere um die Resonanzstelle herum sind
hinreichend viele Meßpunkte zu setzen. Bei Frequenzen weit unter der Resonanzfrequenz kann die schwingende
Scheibe wegen der extrem geringen Drehmomente "steckenbleiben". Die entsprechenden Meßwerte sind zu
verwerfen.
Die Amplituden werden aus den Speicheroszilloskopdarstellungen für getriebene und antreibende Scheibe
abgelesen, ebenso wie die entsprechenden Phasenverschiebungen.
Die Amplituden- und Phasenkurve sind graphisch darzustellen. Aus der Resonanzkurve ist die
Energiehalbwertsbreite zu bestimmen. Die daraus ableitbare Dämpfungskonstante ist mit dem eingestellten
Dämpfungswert zu vergleichen. Für die gemessenen Frequenzwerte ist nach obiger Gleichung die normierte
Amplitude zu berechnen (Frequenz der freien Schwingung und Dämpfungskonstante wurden zu Beginn
bestimmt) und es sind die entsprechenden Punkte in das Diagramm einzutragen.
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V.5 Gekoppelte Schwingungen
Üben zwei schwingende Systeme aufeinander eine Kraft aus, die eine Funktion der
momentanen Auslenkung mindestens eines dieser Systeme ist, so entstehen gekoppelte
Schwingungen. Die zwischen den Systemen wirkende Kraft (Koppelkraft) verändert die
auftretenden Frequenzen. Die entsprechenden Bewegungsgleichungen lauten für die
Drehschwingung (gekoppeltes Differentialgleichungssystem, da jede Gleichung beide
Variablen ϕ1 und ϕ2 enthält):
θ 1 ϕ&&1 = − Dr1 ϕ 1 − D12 (ϕ 1 − ϕ 2 )
θ 2 ϕ&&2 = − Dr 2 ϕ 2 − D12 (ϕ 2 − ϕ 1 )
Der einfachste Fall von Koppelschwingungen ist realisiert, wenn zwei Systeme mit jeweils
gleichem Trägheitsmoment θ und Direktionsmoment Dr aufeinander ein Drehmoment
ausüben, das proportional zur Differenz ∆ϕ der beiden Auslenkungen ϕi ist. Die Differenz der
Auslenkungen hängt von den jeweiligen Amplituden und der gegenseitigen Phasendifferenz
∆ψ der beiden Schwingungen ab.
Als Fundamentalschwingungen bezeichnet man die Fälle größter und kleinster
Auslenkungsdifferenz, entsprechend den Phasendifferenzen ∆ψ = 0 und ∆ψ = π. Sind die
beiden Amplituden gleich, so ist die Differenz der Auslenkungen in der ersten
Fundamentalschwingungen immer gleich null und es tritt keine Koppelkraft auf. Die
Eigenfrequenz ω ↑↑ der ersten Fundamentalschwingungen ist somit gleich der Eigenfrequenz
ω 0 der ungekoppelten Systeme. Bei der zweiten Fundamentalschwingung sind die rücktreibenden Momente in beiden Systemen jeweils entgegengesetzt gleich groß und ergeben
sich für jedes System aus der Summe des systemeigenen Moments M = Dr ϕ und dem
rücktreibenden Moment der Koppelkraft M12 = Dr12 ∆ϕ = 2 Dr12 ϕ. Entsprechend haben bei
der zweiten Fundamentalschwingung beide Systeme die gleiche Eigenfrequenz ω ↑↓ . Somit
gilt für die beiden Fundamentalschwingungen:
Dr
ω ↑↑ = ω 0 =
θ
,
ω ↑↓ =
Dr + 2 Dr12
θ
Schwingt das gekoppelte System mit beliebiger Phasendifferenz, so ist die resultierende
Schwingung eine Superposition der beiden Fundamentalschwingungen. In jedem Fall ergibt
sich (bei geringer Dämpfung) eine Schwingung mit einer Frequenz, die dem Mittelwert aus
den Fundamentalschwingungsfrequenzen entspricht und deren Amplitude moduliert wird mit
der halben Differenzfrequenz der beiden Fundamentalschwingungen.
Rein formal läßt sich dies auch als Superposition zweier Schwingungen der Frequenzen ω↑↑
und ω↑↓ mit deren Anfangsphasen ψ ↑↑ und ψ ↑↓ darstellen:
ψ − ψ ↑↓
 ω ↑↑ − ω ↑↓
t + ↑↑
2
2

ϕ 1 (t ) = ϕ 0 cos 
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ψ + ψ ↑↓
 ω + ω ↑↓

 ⋅ cos  ↑↑
t + ↑↑
2
2





Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I
Seite 60
ψ − ψ ↑↓ 
ψ + ψ ↑↓ 
 ω + ω ↑↓
 ω ↑↑ − ω ↑↓

 ⋅ sin  ↑↑
t + ↑↑
t + ↑↑
2
2
2
2




Den damit verbundenen Zustand nennt man "Schwebung". Beachte, daß beim Nulldurchgang
der niederfrequenten Amplitudenfunktion ein Phasensprung von π auftritt!
ϕ 2 (t ) = ϕ 0 sin 
Auslenkung Scheibe 1
1,0
0,5
0,0
-0,5
-1,0
0
gS
20
40
60
80
100
120
80
100
120
Zeit [s]
Auslenkung Scheibe 2
1,0
0,5
0,0
-0,5
-1,0
0
20
40
60
Zeit [s]
Abb.V/14: Auslenkung der jeweiligen Partner bei der gekoppelten Schwingung
Aufgabenstellung:
Die beiden Fundamentalschwingungen sind darzustellen und ihre Schwingungsfrequenzen zu bestimmen.
Der gekoppelte Fall ist darzustellen und zu protokollieren. Der Zusammenhang zwischen
Fundamentalschwingungsfrequenzen und der jetzt vorhandenen Frequenz bzw. der Schwebungsfrequenz ist zu
überprüfen.
Praktische Durchführung:
Ohne Kopplung (Koppeldraht ausgebaut) müssen das obere und das untere Drehpendel identische
Resonanzfrequenzen und identische (möglichst geringe) Dämpfung aufweisen. Die Torsionsdrähte beider Pendel
sind dazu gleich lang einzustellen. Eventuell durch Aufkleben von Zusatzmassen das Trägheitsmoment erhöhen.
Die Kopplung wird durch Einbau eines Koppeldrahtes hergestellt. Dessen Drahtstärke ist wesentlich geringer als
bei den anderen beiden Drähten, um geringen Koppelgrad zu erzielen.
Die zwei Fundamentalschwingungen durch gleichsinniges bzw. gegensinniges Auslenken der Scheiben einleiten
und die dazugehörigen Frequenzen bestimmen.
Koppelschwingung einleiten. Dazu eine Scheibe festhalten, die andere auslenken, dann beide gleichzeitig
loslassen.
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Seite 61
Mit Speicheroszilloskop beide Scheibenbewegungen protokollieren. Die jetzige Schwingungsfrequenz und die
Schwebungsfrequenz ermitteln.
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