Praxisinfo der tierärztlichen Praxis Andreas Gruss D-94137 Bayerbach - Februar 1998 Optimales Stallwetter in der Schweineproduktion 2 Stalltemperatur Wärme ist eine Form der Energie und wird physikalisch als die allen Stoffen eigene, ungeordnete Molekularbewegung definiert. Durch Zuführen oder Ableiten von Wärme ändert sich der Wärmezustand, die Temperatur, eines Körpers (SCHWERDTFEGER 1977). Die Toleranz gegenüber extremen Temperaturen und Temperaturschwankungen ist in entscheidendem Maße vom Alter der Tiere abhängig. Während des Puerperiums besteht die Problematik der unterschiedlichen Temperaturansprüche von Muttertier und Ferkeln (BIANCA 1968, DIN 18910 1990,GROTH 1988, MARX et al. 1989, MARX 1990, FENNEWALD 1991). Die Thermoregulation ist Voraussetzung für eine konstante Körpertemperatur. Wärmebildung und Wärmeabgabe müssen im Gleichgewicht sein. Sehweine besitzen, wie alle Säuger eine hochentwickelte Thermoregulation, die im wesentlichen über den Hypothalamus gesteuert wird. Die Wärmeabgabe des Körpers erfolgt auf fünf verschiedenen Wegen, nämlich: 1. Wärmeleitung (-konduktion) 3. Wärmestrahlung 5. Wasserverdunstung 2. 4. Wärmekonvektion Ausscheidung Für die Übertragung der Wärmeenergie bei Strahlung ist kein Stoff als Träger erforderlich. Körper können auf Grund ihrer Temperatur elektromagnetische Wellen aussenden, die als Wärmestrahlung (Temperaturstrahlung) in Erscheinung treten. (Beispiel: Sonne Erde). Konvektion ist, neben den konkurrierenden Methoden Wärmeleitung und Wärmestrahlung, ein Mechanismus zur Wärmeübertragung von thermischer Energie von einem Ort zu einem anderen. Konvektion ist stets mit dem Transport von Teilchen verknüpft, die thermische Energie mitführen. Bei der Konvektionsheizung (von lat. convehere = mittragen, mitnehmen) ist die Raumlufttemperatur höher als die Wandtemperatur, bei der Strahlungsheizung dagegen umgekehrt. Eine Wärmestrahlung erwärmt keine Luft, sondern nur Materie (fest oder flüssig). Sie ist diatherm, die Raumluft bleibt deswegen kühl und angenehm. Bei einer Strahlenheizung kann sich in der Regel kein Kondenswasser an der Wandoberfläche bilden (Schimmelpilzbildung an der Oberfläche wird vermieden), da sich die Wärmestrahlung in alle Richtungen ausbreitet und so alle Flächen erreicht werden. Hingegen können bei einer Konvektionsheizung nur die von warmer Luft frei zugänglichen Bereiche erwärmt werden. Die Lufttemperatur kann infolge der höheren Strahlungstemperatur der Wände bei gleicher Behaglichkeit niedriger gehalten werden und es ergeben sich auch wegen dem erforderlichen Lüftungswechsel energetische Gewinne, da ja die Temperaturdifferenz der Luft zwischen innen und außen geringer ist. Dies ist bei der Auswahl von Heizsystemen wichtig, um Energie und Kosten zu sparen. Bei der Temperaturreglung des Stalls ist zu berücksichtigen, daß Schweine ihren Wärmehaushalt, im Gegensatz zu anderen Spezies vor allem durch die Regulation der Wärmeerzeugung, weniger durch die Abgabe von Wärme regeln (BREM 1982). 1 Praxisinfo der tierärztlichen Praxis Andreas Gruss D-94137 Bayerbach - Februar 1998 Grundsätzlich kann thermoregulatorische Wärmebildung auf verschiedenen Wegen erfolgen : - durch aktive Betätigung des Bewegungsapparates - durch die unwillkürliche tonische oder rhythmische Mus kel aktivität (Kältezittern) - durch Steigerung von Stoffwechselvorgängen, die nicht an Muskelkontraktionen gebunden sind Das Schwein verfügt über kein braunes Fettgewebe und ist damit anderen Tieren gegenüber benachteiligt, die ihre Wärmebildung aus d em braunen Fettgewebe durch das sympathische Nervensystem gewinnen. Konvektiver Wärmestrom entsteht folgendermaßen: Wenn die Haut wärmer als die umg ebend e Luft ist, erwärmt sich die der Haut anliegende Luftschicht, g leitet aufwärts und wird durch kühlere und dichtere Luft ersetzt. Die konvektive Wärmeabgabe wird durch die Differenz zwischen mittlerer Hauttemperatur, die Größe der effektiven Hautoberfläche und die Lufttemperatur der Umg ebung bestimmt. Die Wär- mekonvektion ist von der Temperaturdifferenz zwischen Organismus und Umgebung sowie von der Luftbewegung abhängig. Die Ausscheidung von Wärme geschieht über die Abgabe von Kot, Harn und Atemluft (HILLIGER 1990). Im Gegensatz zur sensiblen Wärme wird die Tierwärme aus Atmung, Transpiration (Perspiratio sensibilis) und Perspiration als latente Wärme zusammengefaßt (ABSHOFF 1983 und STEIMLE 1983). Das Schwein zählt zu den Tierarten, die im Wesentlichen zum Schwitzen ungeeignet sind (BIANCA 1968), es kompensiert die mangelnde Schweißabsonderung unter natürlichen Bedingungen durch Anpassung seiner Verhaltensweise. Das Schwein besitzt gleichwohl Schweißdrüsen (apokrinen Typs), die auf pharmakologische Reizung (Noradrenalin, Adrenalin, Histamin) reagieren. Jedoch überschreiten die stündlichen Wasserdampfverluste über die Haut keine 30g/m2 gegenüber z.B. 1000g/m2 beim Menschen (RUCKEBUSCH 1989). Tiere, die über keine oder eine eingeschränkte Schweißsekretion verfügen, steigern b e i hohen Umgebungstemperaturen die Wärmeabgabe durch Erhöhung der Verdunstung der oberen Luftwege, das dazu führt, dass bei höheren Temperaturen die Leistung abnimmt. Die obere kritische Te mp er atu r wird b ei m Schwein bei 25 bis 35 °C erreicht (WATHES et al. 1983). Deshalb ist darauf zu achten, dass die optimale Raumtemperatur für Ferkelsauen zwischen 15 und 18 °C liegt, denn steigt die Temperatur über 20°C, nimmt die Futteraufnahme und die Milchleistung proportional zur Temperaturerhöhung ab. Das Problem im Abferkelstall liegt in den unterschiedlichen Wärmebedürfnissen von Muttertier und Saugferkel. Daher sind heutzutage Abferkelbuchten ohne Heizung undenkbar, wobei die Bodenheizung die Wärmestrahlung nutzt und nicht durch Konvektion den Stall aufheizt, wie es Wärmelampen und Gasstrahler tun, zumal diese konträr der Thermik arbeiten müssen. Durch den Hitzestress kommt es zu einer reduzierten Futteraufnahme, diese wiederum kann zu Stoffwechselproblemen führen. Durch eine verringerte Futteraufnahme wird die Säuresekretion im Magen reduziert. Dadurch wird der pH-Wert im Verdauungstrakt erhöht und das Wachstum negativer Mikroorganismen gefördert. In der Praxis ist zu beobachten, daß die erste Hitzeperiode am meisten Probleme hinsichtlich schlechterer Zunahmen und Ausfällen bereitet. Im Hochsommer haben hohe Temperaturen meist keinen so großen Einfluss mehr, da sich die Schweine akklimatisiert haben und die Lüftungen der Stallungen angepasst sind. Die Wirkung hoher Temperaturen wird, wie bei allen physikalischen Faktoren, durch die Stärke und die Dauer des Einflusses bestimmt. Lang andauernde Temperatursteigerungen über das Optimum führen zu erheblichen funktionellen Störungen. Die künstliche Kühlung von Schweineställen bereitet erheblich Schwierigkeiten. Trotzdem wäre sie in den Sommermonaten notwendig (ABSHOFF 1973). Eine geeignete Technik zur Kühlung von Ställen steht mit dem Erdwärmetauscher zur Verfügung. In der Mast hat sich in den Sommermonaten und bei großer Hitze eine feine Wasserberieselung bewährt. 2 Praxisinfo der tierärztlichen Praxis Andreas Gruss D-94137 Bayerbach - Februar 1998 Abweichungen von der th er mon eut r al en Zone, die man als obere, bzw. n i e d e r e kri tisch e T emp era tur bezeichnet (HILLIGER 1990), werden als S t r eß empfunden. Vor a ll em drastische Temperatursc hwankungen w i r ken sich kran kheitsf ör d e r n d aus (HARTINEAU et al. 1992). Hohe Temperaturen beeinflussen einerseits das Immunsystem, andererseits fördern sie, verbunden mit hoher Luftfeuchtigkeit, das Bakterienwachstum. Die Beziehungen zwischen der Umgebungstemperatur und der Höhe der Phagozytoserate lassen sich durch eine parabelförmige Funktion beschreiben. Das bedeutet, daß die Phagozytoserate mit steigender Temperatur fällt (WACHTEL 1977). Hohe Temperaturen hemmen die Antikörperbildung (temperaturbedingte Immunsuppression, TIP). Außerdem kommt es bei hohen Temperaturen zur Verringerung der im Blut bereits vorhandenen Antikörper (temperaturbedingte Immundepression, TID) (NICHELMANN 1988). Bei hohen Temperaturen kommt es zum Anstieg der Hautdurchblutung und Senkung der Durchblutung der inneren Organe (HALES 1973), BUSSE 1993). Nach PLONAIT (1986) sind Fußbodenheizung und gute Wärmedämmung im Liegebereich der Ferkelsau wegen der daraus möglicherweise resultierenden Hyperthermie schädlich. BUSSE (1993) spricht von Laktationshyperthermie. Temperaturen über den Optimalbereich der Sau hinaus reichen nicht aus, um den jungen Saugferkeln optimale Bedingungen zu schaffen, führen aber zu Belastungen der Muttersau, die oft das MMA-Syndrom auslösen (METHLING 1987). HöGES (1990) plädiert für eine Kühlhaltung des Liegeplatzes der Sau, u.a. um die Futteraufnahme der Sau während der Säugezeit zu steigern. DE WEERD (1992) lehnt die gebräuchlichen Wärmestrahler wegen von ihnen ausgehender allgemeiner Aufwärmung des Stalles ab und favorisiert die Fußbodenheizung im Ferkelbereich, notfalls durch Nachrüstung mit "Wärmeplatten". Auch niedrige Temperaturen setzen die Phagosytoserate herab, da die Durchblutung der inneren Organe abnimmt. Die humorale Abwehr ist jedoch nur verringert, wenn es in diesem Zusammenhang zur Hypoxie kommt. In allen anderen Fällen ist die Antikörperbildung erhöht (THAXTON 1978). Sauen vertragen niedrige Temperaturen recht gut (RUCKEBUSCH 1989). Bei Temperaturen unter 12 °C verändern erwachsene Schweine in verschiedener Form ihr Verhalten. In zu kalten Ställen nehmen die Sauen eine sitzende Haltung ein da sie es vermeiden wollen, sich auf den kalten Boden zu legen (HORSTMEYER und VALLBRACHT 1990). Auch ERNST (1992) berichtet, daß Sauen im Kastenstand mehr sitzen als Sauen in Gruppenhaltung, wo die Möglichkeit zur Bewegung besteht. SCHURIKE (1980), SAHBRAUS (1982) sowie HORSTMEYER und VOLLBRACHT (1988) stellen eine Beziehung zwischen der Wärmeleitung des Stallbodens und der Verhaltensanomalie "Trauern" fest. Extreme Temperaturen unterhalb des biologischen Optimums beeinflussen die Milchmengenleistung und die Milchzusammensetzung (LANGE 1978). Jungsauen haben mit der Adaptation an niedrige Temperaturen größere Probleme als Altsauen (CURTIS und BÄCKSTRÖM 1992). Die Stalltemperatur darf nicht separat betrachtet werden. Zu berücksichtigen sind immer auch die übrigen thermischen Faktoren, wie Luftgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit. Stall Optimalbereich °C/Boden Deckzentrum 19 Wartestall 19-21 Abferkel-Stall Sau 15-18 Abferkel-Stall 39-32* Saugferkel Flatdeck bis 30 kg 31-27* Mast-Stall 28-19* * je nach Gewichtsgruppe RF 60-80 60-80 60-80 40-60 max. Schadgaskonzentration ppm/m³ Luft CO2 NH3 SO2 3000 15 5 3000 15 5 2500 15 3 2500 15 3 60 60 2500 2500 10 10 3 3 3 Praxisinfo der tierärztlichen Praxis Andreas Gruss D-94137 Bayerbach - Februar 1998 Im Liegebereich von über 10 Tage alten Ferkeln dürfen folgende Temperaturen nicht unterschritten werden: Gewicht/kg ° C bei Einstreu ° C ohne Einstreu < 10 16 20 10-20 14 18 >20 12 16 Was kann man tun, wenn die Temperaturen im Sommer zu hoch werden? 1. 2. Erhöhung der Wasserrate und Durchflußraten der Tränken (Die Durchflussraten sollen bei Ferkeln 0,5 - 0,8 Liter pro Minute betragen, bei Mastschweine 1 - 2 Liter und bei Zuchtsauen 2 - 4 Liter pro Minute) Einstellung der Lüftungsregler: Der Sollwert am Regelgerät muss der Außentemperatur folgen, andernfalls kommt bei hohen Tag/Nachtschwankungen (auch bei Gewitter) kalte Außenluft auf die erhitzten Tiere. Es ist sinnvoll den Sollwert auf 25 bis 26° C zu erhöhen und die Bandbreite nicht höher als 5 bis 6° C einzustellen. Ist die Temperaturdifferenz zu groß (> 4°C/12 Stunden) ist der nächste Sommerhusten oder Kannibalismus vorprogrammiert. Kontrollieren Sie auch die Luftgeschwindigkeit, diese soll in den Sommermonaten bei Mastschweinen 0,4 m/Sekunde nicht überschreiten. In der restlichen 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Jahreszeit nicht über 0,2 m/Sekunde, bei Aufzuchtferkeln 0,1 m bis 0,2 m/Sekunde. Sonnenschutz: Beschattung von Sonnenflächen durch Bepflanzung. Fenster mit Kalk bestreichen, um den Lichteinlass zu verringern. Zuluftregulierung: Die Zuluft sollte im Sommer möglichst nicht aus dem überhitzten Dachraum genommen werden. Ideal ist die Ansaugung über Bodenschächte. Säubern der Ventilatoren und Gitterabdeckungen von Staub und anderen Verunreinigungen, denn eine Verdreckung senkt die Ventilatorkapazität um bis zu 50% Vermeiden von Umstallstreß (Tiere nur nüchtern transportieren) Stallungen möglichst unterbelegen Schweineduschen in Mast und Abferkelbereich Da die Futteraufnahme sinkt sollte vor allem bei der laktierenden Sau auf eine erhöhte Energiedichte geachtet werden. Rohproteingehalt senken, damit der Stoffwechsel der Schweine weniger belastet wird. 4