eine Komplexerkrankung - Dr. Hopf

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58. Jahrestagung der Norddeutschen
Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
in Wolfsburg am 15. 5. 2009
Die chronische Borreliose –
Klinik
Diagnostik
Therapie
Wolfsburg 15.5.2009
Dr.HopfDr.Hopf-Seidel
Häufigkeit der Borreliose in der BRD
Anzahl Zeckenstich/erfolgter Infektion ca. 100/2
Von 100 Borrelieninfizierten erkranken nur ca. 10 % langwierig und schwerwiegend
Nach PD Dr. Berghoff, Mitglied der Deutschen Borreliose-Gesellschaft
Inzidenz (Zahl der Neuerkrankungen): etwa 0,1 % - 0,5 % der Bevölkerung
der BRD, d.h. 80 000- 400.000 Neuerkrankte/Jahr
Prävalenz (Gesamtzahl der neuen und alten Krankheitsfälle)
mindestens 1 (-6,4 Millionen = 8 % !)Menschen, die derzeit in der BRD
an chronisch gewordener Borreliose leiden
(Die Zahlen beruhen auf der Auswertung von verschiedenen epidemiologischen Untersuchungen
Lit. s. www.Praxis-Berghoff.de)
Offizielle Zahlen des RKI aus dem Jahre 1998:
Inzidenz 50 000 – 100 000 Neuerkrankungen/Jahr (d.h. ¼ der Schätzzahl
von Dr. Berghoff ) und eine Prävalenz von ca. 500 000 Borreliose-Kranken
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Chronische Borreliose
Bei vorsichtigster Schätzung bedeutet dies also mindestens
500 000, wahrscheinlich aber eher 1- 6 Millionen chronisch
Borreliosekranke in der BRD
Die Krankheitsentität „chronische Borreliose“ existiert
aber
weder in den Leitlinien deutscher Fachgesellschaften
noch in den Guidelines der amerikanischen IDSA
Anerkannt ist die Krankheitsform der chronischen
Borreliose derzeit nur von der Deutschen BorrelioseGesellschaft und der amerikanischen ILADS
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Chronische Borreliose
Borrelien verändern sich nach der Übertragung
auf einen neuen Wirt von der Spirochätenform in
zellwandlose Persisterformen (Granula, Blebs
und „ Cysten“), oft bereits innerhalb von nur
24 Stunden. Je länger die Infektion zurückliegt,
desto mehr intrazelluläre Persister konnten sich
zwischenzeitlich entwickeln. Borrelien können in
der Milz, in Lymphknoten sowie in Blut-, Endothel-,
Glia-, Sehnen- und Nervenzellen persistieren.
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Chronische Borreliose
Die verschiedenen Lebensformen der Borrelien
Spirochäte
Borr.burgdorferi
www.zecken.de
Bradford
Cystoide
Persisterform
Bradford
Spirochäte mit
beginnender Blebsbildung
.
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Bradford
Ringförmige
Persisterform mit
Blebs und Granula
Chronische Borreliose
Cephalosporine (z.B. Ceftriaxon) und
Betalaktam-Antibiotika (z.B. Amoxicillin) wirken
als Zellwandsynthesehemmer nur auf sich
teilende Spirochäten bakteriostatisch
Makrolide (z.B. Clarithromycin) und Tetracycline
(z.B. Doxycyclin und Minocyclin) wirken
bakteriostatisch auf intrazelluläre Persisterformen sowie andere intrazelluläre Erreger (z.B.
Ehrlichien/Anaplasmen), die oft beim Zeckenstich mit übertragen werden oder aerogen
(Chlamydia peumoniae) oder oral (Yersinien).
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Chronische Borreliose
Bisher allgemein anerkannte Erscheinungsformen
der Borreliose sind
die akute Neuinfektion mit oder ohne Erythema
migrans (das aber nur bei ca. 50 % auftritt)
die akute Neuroborreliose mit neurologischen
Herddefiziten (Facialisparese u.a.)
Lyme-Arthritis (häufig)
Lyme-Karditis (mit ca. 10 % selten)
Spätform an der Haut: Acrodermatitis chronica
atrophicans (ACA) (mit 2 % sehr selten)
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Chronische Borreliose
Die chronisch-persisitierende Borreliose
unterscheidet sich davon
durch ihre jahrelang vorhandenen wechselnden
Beschwerden, aber in oft typischer Kombination
ihre häufige Verkennung als psychosomatische
Erkrankung trotz eines erinnerten Zeckenstiches
und/oder einer Erythema migrans-Anamnese
durch das Vorhandensein weiterer Faktoren, die
eine Borrelien-Infektion persistieren lassen
können
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Chronische Borreliose
Die chronische - persistierende Borreliose sollte als
Komplexerkrankung erkannt werden, damit
nach den meistens vorhandenen begleitenden
Risikofaktoren überhaupt erst einmal gesucht wird.
Zu den (bisher) bekannten individuell variierenden
Vorbelastuntungen gehören z.B. genetische Enzympolymorphismen der Entgiftungsfähigkeit, chronische
Belastung mit Schwermetallen, v.a. aus Zahnersatzmaterialien, virale und bakterielle Co-Infektionen
oder Autoimmunreaktionen
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Chronische Borreliose
Obligate Symptome von chronisch
Borreliose-Kranken sind :
Bleierne Müdigkeit und Erschöpfbarkeit
Infektanfälligkeit
geringe Belastbarkeit und Ausdauer
(physisch und mental)
Sehr häufig vorhanden sind:
Schlafstörungen, oft algogen verstärkt
Polytope Muskel- und Gelenkschmerzen
wechselnder Intensität („springend“)
Herzrhythmusstörungen, Palpitationen
„Lufthunger“ und Brustkorbdruck
Kognitive und psychische Störungen
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Chronische Borreliose
Einige typische Symptome:
Nachts betonte Fersen- und Schienbeinschmerzen
Rezidiv., oft schmerzlose Ergussbildung
in den großen Gelenken (polytop)
Messerstichartig einschießende Muskelschmerzen wechselnder Lokalisation
Plötzlicher schmerzloser kurzzeitiger
Kraftverlust eines Beines (Sturzgefahr)
Neu auftretendes Gelenkeknacken (auch
bei Kindern!)
Anfallsweise nächtliches Herzrasen
Nächtliche Schweißausbrüche
Nachts verstärkte Rückenschmerzen
(Bannwarth-Syndrom)
Chronische Borreliose
Die zahlreichen unspezifischen und die relativ
wenigen typischen klinischen Symptome machen
es schwer, die chronische Borreliose als ein
eigenständiges Krankheitsbild (Entität)
wahrzunehmen – auch bei eindeutiger Anamnese
und einer meist charakteristischen Symptomenkombination
Auch überlappen sich die Symptome der chronische Borreliose mit vielen anderen „unerklärten
Krankheiten“ wie CFS, FMS, MCS, Gulf war Syndrom, Sick building Syndrom, chronische Schwermetallbelastung, posttraumatische Belastungsstörung u.v.a. Wolfsburg 15.5.2009
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Chronische Borreliose
Einige Beispiele für Symptome bei ähnlichen Krankheiten
Chronische Schwermetallbelastung z.B. durch
Quecksilber
(entnommen aus Jennrich,P.: Schwermetalle 2007)
Müdigkeit und Erschöpfung, Muskelschmerzen und -krämpfe,
Herzklopfen, Dyspnoe, Bluthochdruck und Tachykardie
Chronic Fatigue Syndrom (aus: CFS-Forum H. 25/2008)
Müdigkeit und Erschöpfung, unerholsamer Schlaf, v.a. zu
Beginn grippeähnliche Symptome mit Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, schmerzhaften Lymphknoten
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Dr.HopfDr.Hopf-Seidel
Laborveränderungen bei chronischer Borreliose
Positiver Borrelien-LTT und meist pos. IgG > IgM Immunoblot
Borrelien-Antikörper IgG > IgM (aber nicht immer)
Erhöhte Werte für TNF - alpha, IFN - gamma, aber
normales IL 10, d.h. Th 1- dominante chronischsystemische Entzündung ohne Th 2-Gegenregulation
Erniedrigte Werte des intrazellulären Glutathions in
den Immunzellen (T-Lymphocyten > NK-Zellen >
Monocyten)
Routinelaborparameter typischerweise unauffällig,
v. a. BB mit Diff.BB, BKS, Leberwerte, Crea, AP u.a.
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Laborveränderungen bei chronischer Borreliose
Erhöhte Werte der Muskelenzyme LDH > CK (die LDHIsoenzyme LDH 4 und LDH 5 sind am häufigsten erhöht).
Sind alle Isoenzyme erhöht, spricht das für eine sekundäre
metabolische Mitochondropathie
Typ IV-Sensibilisierungen auf Schwermetalle (v.a. Hg,
Palladium, Cadmium) mit ECP- Erhöhungen und oft auch
erhöhter enteraler Schwermetallausscheidung (chronischtoxische Belastung)
Reaktivierte Virusinfektionen (v.a. EBV, HSV, VZV) und
intrazelluläre Erreger (Yersinien, Chlamydia pneum. >
Chlam. trachomatis, Anaplasmen), jeweils nachweisbar mit
LTT als interagierende Co-Infektionen
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Nachweis von Schwermetallen im Apherese - Eluat bei
chronisch Borreliosekranken
Häufigkeit von Schwermetallen
im Plasma-Eluat, gewonnen durch Filtrationsapherese von 45 chronisch
Borreliosekranken
80,00%
70,00%
60,00%
40,00%
30,00%
20,00%
10,00%
Schwermetalle
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P
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0,00%
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m
Häufigkeit
50,00%
Chronische Borreliose
Enzymgenetische Polymorphismen und Anomalien bei Patienten mit
chronischer Borreliose
1,6
1,4
1,2
Aktivität
1
0,8
0,6
0,4
0,2
0
CYP1A1
Cyp1A2
CYP2D6
CYP2C9 CYP2C19
NAT2
SOD2
GSTM1
GSTP1
GSTT1
mEPH
PON
Enzyme
Quelle: Dr.Straube, INUS Medical Center
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IFN-γγ und TNF-α
α bei Patienten mit persistierender Borreliose (LTT- bestätigt)
und nachgewiesener Typ IV- Sensibilisierung auf anorg. Quecksilber stets
höher als bei persistierender Borreliose ohne Schwermetallbelasatung
IFN-γγ (IU/ml)
TNF-α
α (pg/ml)
20
17,55
0,5
13,24
15
0,44
0,4
0,3
10
0,13
0,2
Normalwertgrenze
5
0,1
0
1
Hg-LTT > 3 SI
N=13
2
Hg-LTT < 2 SI
N=10
1
Hg-LTT
>3
N=13
2
Hg-LTT
<2
N=10
13 chronisch Borreliosekranke mit einer Typ IV-Quecksilbersensibilisierung
im Vergleich mit 10 Borreliosekranken ohne Quecksilberbelastung
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1
2
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Chronische Borreliose
Stuhlanalyse auf Quecksilber bei 89 chron.
Borreliose-Patienten
Anzahl Patienten
40
pathologischer Bereich für 56 %
30
20
10
0
< 10
10 - 49
50 - 99
> 100
Quecksilber µg/kg Stuhl
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Chronische Borreliose
ECP und Schwermetall-LTT vor und nach enteraler
Ausleitetherapie mit Zeolithen, Colestyraramin und
Chlorella pyrenoidosa-Algen (aber kein DMPS !)
Zeitpunkt 1
Schwermetall-LTT-SI im Verlauf
ECP in µg/l im Verlauf
9
180
8
160
7
140
6
120
5
100
4
80
3
60
2
40
1
20
0
Zeitpunkt 2
0
F.G.
G.T.
Quecksilber PAK-Mix
S.J.
Quecksilber
L.S.
Ethylquecksilber
Cadmium
Antimon
F.G.
G.T.
S.J.
L.S.
Statistik: Dr. V. v. Baehr, IMD Berlin
Weitere Laborveränderungen bei chronischer
Borreliose
Polymorphismen der Enzyme der Entgiftungsphase II, v. a.
GST-T1, GST-M1 und GST-P1 sowie NAT 2 und SOD 2
(Deletionen, Aktivitätsminderungen)
Nachweis bestimmter HLA-DR-Konstellationen, die bei
chronisch Borreliosekranken mit fehlender AntikörperEntwicklung, bei Therapieresistenz sowie bei autoimmunem
Mimikry gehäuft gefunden wurden
Erhöhungen von ANA, ENA und zirkulierenden
Immunkomplexen (ZIK) als autoimmune Folgereaktionen
Erniedrigung der Gesamtzahl der NK-Zellen und deutlich
erniedrigte CD 57+ -NK-Zellen (häufig nur 10- 40/µl bei
Normwert 60 - 360/µl)
Weitere Laborveränderungen bei
chronischer
Borreliose
Auto-AK gegen Myelin, Skelettmuskulatur, MBP, TPO
(Hashimoto-Thyreoiditis) Ach-Rezeptoren, Serotonin,
und sehr häufig auch gegen Ganglioside
Übersäuerung mit Aziditätsquotienten von 60 -110 im
Urin (Norm < 50) (testbar im sog. Sander-Test)
Pathologisches Nitrostress-Profil im Urin (auch als
NO/ONOO-Zyklus bekannt) mit erhöhten Werten für
Nitrophenylessigsäure, Peroxynitrit und Citrullin sowie
erhöhte Methylmalonsäure (als indirekter Parameter für
Vit. B 12-Mangel, v.a. bei der häufig begleitenden Polyneuropathie)
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Gestörter NO/ONOO – Zyklus auch bei
chronischer Borreliose
Ein gestörter NO/ONOO - Zyklus ist für viele chronische,
bislang unerklärte Krankheiten die gemeinsame „Endstrecke“
(Lit.: Martin L. Pall, PhD: Explaining „unexplained illnesses“.
Disease Paradigm for chronic fatigue syndrom,multiple chemical sensitivity, fibromyalgia, post-traumatic stress disorder,
gulf war syndrom“ and others, HPP NY 2007).
Erst seit der Erkenntnis dieser Zusammenhänge kann
es eine an den Ursachen ansetzende, gezieltere
Therapie der chronisch-persistierenden Borreliose
geben !
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Konsequenzen für die Therapie der chronischen
Borreliose
Therapie der intrazellulär liegenden Persisterformen der Borrelien
nur mit intrazellulär wirksamen Antibiotika (Makrolide und Tetracycline anstatt Cephalosporine und Betalaktame)
Suche nach den Chronifizierungsfaktoren wie z.B. Schwermetallbelastungen oder reaktivierte virale und bakterielle Co-Infektionen
mit anschließend gezielter AB-Therapie und Ausleitemaßnahmen
Korrektur von Glutathion- und Vitaminmangelzuständen, von
Übersäuerung und v.a. des gestörten NO/ONOO - Zyklus durch
L-Carnitin, Alpha Liponsäure, Tationil u.a.
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Dr.HopfDr.Hopf-Seidel
…..so winzig kann der Beginn einer jahrelangen
Erkrankung sein…..
Foto @ Frau Polack
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