2015 Wirtschaftsmotor Minijob Das leisten Deutschlands Minijobber in Privathaushalten 1 Editorial Rekordumsätze, Millionengewinne, Expansionserfolge: In den Wirtschaftsnachrichten dominieren Meldungen über große Branchen und große Leistungen. Minijobber in Privathaushalten stehen dagegen nur selten im Rampenlicht. Sie organisieren den Haushalt, betreuen Kinder oder die Großeltern und helfen bei der Gartenarbeit – doch kaum jemand weiß, was sie wirklich leisten. Der Grund: Bisher hat sich kaum jemand die Mühe gemacht, nachzufragen. Hände künftig eine immer wichtigere Rolle spielen werden und wieso sich die Leistung der Minijobber nicht allein durch Zahlen ausdrücken lässt. Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht Ihnen Dr. Erik Thomsen Leiter der Minijob-Zentrale Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat jetzt erstmals die wirtschaftliche Leistung der helfenden Hände untersucht. Die Ergebnisse dürften für viele vor allem eines sein: erstaunlich. Denn nicht nur die 276.000* offiziell angemeldeten Minijobber profitieren von ihrer Arbeit, sondern auch der Wirtschaftsstandort Deutschland. Das lässt sich vor allem an einer Größe ablesen, die Ökonomen gut bekannt ist: der Bruttowertschöpfung. Das heißt einfach übersetzt, die Summe aus Löhnen, Steuern und Sozialbeiträgen für die Minijobber. Demnach erwirtschaften Minijobber in Privathaushalten einen Wert von weit über einer halben Milliarde Euro. Zudem verhelfen sie den Sozialkassen zu zusätzlichen Einnahmen in Millionenhöhe. Auf den folgenden Seiten gehen wir genauer auf diese Ergebnisse ein und lassen sie vom Arbeitsmarktexperten Holger Schäfer bewerten. Dabei erklärt er auch, warum die helfenden * Stand: 30. September 2014 Editorial 1 Kleiner Job, großer Beitrag Was Minijobber in Privathaushalten leisten In den Wirtschaftsnachrichten werden Minijobs häufig auf negative Klischees reduziert. Darüber hinaus finden die Stimmen von derzeit rund 276.000 Minijobbern in Privathaushalten selten Gehör. Die wirtschaftliche Leistung der helfenden Hände wird selten diskutiert und bestenfalls belächelt. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Laut einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) erwirtschafteten Haushaltshilfen, Gärtner, Babysitter und alle anderen bei der Minijob-Zentrale angemeldeten Minijobber 2013 in Privathaushalten 664 Millionen Euro. 2012 lag der Wert bei 618 Millionen Euro. „Minijobber arbeiten definitionsgemäß relativ kurz und können pro Kopf natürlich nicht so viel erwirtschaften wie zum Beispiel ein Vollzeitbeschäftigter in der Elektroindustrie. Dennoch muss man sagen, dass über 650 Millionen Euro für Haushaltshilfen eine durchaus beachtliche Zahl ist“, sagt Holger Schäfer, Experte für Arbeitsmarkt- und Personalökonomik des IW Köln. Er ist Leiter des Rechercheteams am IW Köln, das mithilfe von Roh- und Meldedaten der Minijob-Zentrale und der Bundesagentur für Arbeit die Daten zur Wertschöpfung ermittelt hat. Bruttowertschöpfung Die Bruttowertschöpfung gibt den Gesamtwert aller produzierten Waren und Dienstleistungen abzüglich sogenannter Vorleistungen an. Der Wert gilt in der Regel für einen bestimmten Zeitraum und eine bestimmte Wirtschaftseinheit wie Arbeitnehmer, Firmen oder Staaten. Vorleistungen sind alle Produkte und Dienstleistungen, die während der Produktion verbraucht oder verarbeitet werden, wie zum Beispiel Lebensmittel bei einem Bäcker. Minijobber erzielen ihren Profit durch die Ausführung von Dienstleistungen rund um Haus und Garten. Ihre Wertschöpfung berechnet sich aus dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt zuzüglich der Steuern und Sozialabgaben der Arbeitgeber sowie der Zahl der Arbeitnehmer. Vorleistungen betragen für Dienstleistungen im Privathaushalt annahmegemäß null. „Haushaltshilfen und ihre Leistungen werden in der Öffentlichkeit oft belächelt. Die Zahlen beweisen, dass Minijobber in Privathaushalten einen beachtlichen Beitrag für den Wirtschaftsstandort Deutschland leisten.“ Dr. Erik Thomsen, Leiter der Minijob-Zentrale Harte Arbeit oder nur ein bisschen Haushalt? Bruttowertschöpfung von Minijobbern in Privathaushalten 618 664 2012 2013 in Millionen Euro Quelle: IW Köln 2014 Kleiner Job, großer Beitrag 2 Eine Frage des Geldes: das Gefälle zwischen den Ländern Die Zahlen der Bruttowertschöpfung zeigen: Minijobbern in Privathaushalten eilt ein unverdienter Ruf voraus. Denn aus wirtschaftlicher Sicht leisten Putzhilfen und Babysitter nicht Unerhebliches. Dafür, dass sie wesentlich weniger Stunden als Vollzeitbeschäftigte arbeiten, erwirtschaften sie einen ziemlich hohen Wert. Am meisten steuern dabei Minijobber in bayerischen und nordrhein-westfälischen Haushalten bei. So kommen die helfenden Hände in Bayern auf eine Bruttowertschöpfung von rund 128 Millionen Euro und in Nordrhein-Westfalen auf rund 182 Millionen. Stark im Süden Bruttowertschöpfung im Ländervergleich Das ist deutlich mehr als in den neuen Bundesländern, wo sich in absoluten Zahlen und pro Minijobber die niedrigsten Werte finden. So liegt der Betrag in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel bei knapp über vier Millionen Euro. „Die Werte sagen natürlich nichts über die Leistungsfähigkeit der einzelnen Minijobber aus. Haushaltshilfen in Mecklenburg-Vorpommern arbeiten sicherlich genauso effizient wie die Minijobber in Bayern. Aber in den alten Bundesländern gibt es mehr gutverdienende Haushalte und eine entsprechende höhere Nachfrage nach einer Hilfe“, erklärt Dr. Erik Thomsen, Leiter der Minijob-Zentrale in Essen. Ähnlich argumentiert auch Holger Schäfer: „In Vermögens- und Einkommensfragen besteht ein Nord-Süd- und ein Ost-WestGefälle“, sagt der Arbeitsmarktexperte und erklärt: „Wo sich viele wohlhabende Haushalte finden, da gibt es auch viele Minijobber in Privathaushalten.“ Demnach greifen diese Haushalte öfter auf einen Minijobber zurück, weil sie es sich leisten können. Zudem spielt für Familien auch die Arbeitsmarktlage eine wichtige Rolle: über 100 50–100 10 –49 unter 10 in Millionen Euro Quelle: Minijob-Zentrale 2014 „In einigen Regionen gibt es gar nicht so viele Jobs, dass beide Elternteile berufstätig sein können. Dann neigt man auch weniger dazu, Minijobber zu beschäftigen.“ Während bei den absoluten Zahlen zur Wertschöpfung die großen und bevölkerungsreichen Flächenländer die Nase vorn haben, sieht es bei der relativen Pro-Kopf-Verteilung schon wieder anders aus. Hier können die Minijobber eines der kleinsten Bundesländer überhaupt auftrumpfen: Hamburg. Zusammen mit Bayern liegt im Stadtstaat die Wertschöpfung bei 2.700 Euro pro Minijobber. Auch Bremen, im gesamten Wertschöpfungsvergleich eher ein Leichtgewicht, lässt mit 2.300 Euro pro Minijobber einige größere Nachbarn hinter sich. Ansonsten liegen alle Länder im Pro-KopfVergleich sehr eng beieinander. Durchschnittlich 2.000 bis 2.300 Euro erwirtschaften die Hilfen. Schlusslichter sind Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt mit Werten unter 2.000 Euro. Kleiner Job, großer Beitrag 3 Wo arbeiten die fleißigsten Hände? Fällen gar nicht möglich, dass zum Beispiel eine ausgebildete Ingenieurin zur Arbeit gehen kann“, sagt Holger Schäfer. So erhalten Familien, in denen beide Partner arbeiten, die Chance, ihre Karriere mit Kindern und Haushalt zu vereinen. Für sie sind Putzhilfen oder Babysitter nicht nur vertrauensvolle Helfer, sondern auch ein wertvoller Türöffner zur Vollzeitbeschäftigung. „Wir beobachten seit Jahren eine wachsende Nachfrage nach Haushaltshilfen. Die steigenden Anmeldezahlen gehen einher mit dem aktuellen Beschäftigungsboom in Deutschland, denn Minijobber sind eine wichtige Stütze für zahlreiche Karrieren“, erklärt Dr. Thomsen von der Minijob-Zentrale. Bruttowertschöpfung der Minijobber in Privathaushalten pro Kopf 3.000 3.000 2,7 2,7 2,5 2,3 2.000 2.000 1,9 1.000 1.000 0 0 in tausend Euro Hamburg Bayern Nordrhein- Bremen Thüringen Westfalen Quelle: IW Köln 2014 Frauen leisten mehr Sie arbeiten deutlich öfter und erwirtschaften auch wesentlich mehr: Frauen dominieren die Statistik der Bruttowertschöpfung in Privathaushalten. Denn ihre Leistung macht 90 Prozent dieses Werts aus. Nach den Zahlen der Studie erreichen sie in privaten Haushalten eine Bruttowertschöpfung von mehr als 600 Millionen Euro, dagegen kommen Männer auf einen Wert von rund 64 Millionen. Der Grund dafür ist die numerische Überzahl. Denn etwa neun von zehn Minijobbern in privaten Haushalten sind Frauen. So erklärt sich zum Beispiel, dass die Minijobberinnen in Nordrhein-Westfalen rund 165 Millionen Euro durch ihre Dienstleistungen in Privathaushalten erwirtschaften – und die männlichen Helfer nicht mehr als 17 Millionen. Ältere Minijobber stemmen am meisten Höhere Leistung mit steigendem Alter: Die aktuellen Zahlen der Je älter, desto tüchtiger? Studie verdeutlichen, wie wichtig ältere Arbeitnehmer für den Arbeitsmarkt sind. Denn Minijobber ab 50 Jahren aufwärts erzielen die höchste Bruttowertschöpfung aller Altersklassen in Privathaushalten. Sie erwirtschaften rund 56 Prozent, während die bis zu 29-Jährigen einen Wert von etwa sechs Prozent erreichen. „Das heißt nicht, dass die Älteren grundsätzlich fleißiger sind. Es gibt mehr Minijobber im Alter zwischen 50 und 70 Jahren, daher ist hier auch die Bruttowertschöpfung höher“, erklärt Dr. Erik Thomsen, Leiter der Minijob-Zentrale. Der Beitrag hinter dem Beitrag Was die Statistik vernachlässigt: Minijobber in Privathaushalten erwirtschaften nicht nur eine direkte Bruttowertschöpfung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Auch indirekt leisten sie einen wichtigen Beitrag. „Ohne die Minijobber wäre es in vielen Bruttowertschöpfung im Altersvergleich 6,3 56,3 37,3 19–29 Jahre 30–50 Jahre über 50 Jahre Angaben in Prozent Quelle: IW Köln 2014 Kleiner Job, großer Beitrag 4 Mehr als nur ein kleiner Job Wie viel Minijobber verdienen – und was sie antreibt Ob Hausfrauen, Rentner oder Studenten: Viele verschiedene Gruppen nutzen die Chance, mit einem Minijob im Privathaushalt bis zu 450 Euro hinzuzuverdienen. Aber nicht alle schöpfen diese Grenze aus. Grund dafür ist neben der Zeit auch die persönliche Motivation für den Job. Gerade Minijobber im Pensionsalter möchten sich mit ihrer Tatkraft einbringen und nicht primär den größtmöglichen Lohn mit nach Hause nehmen. hilfen an, dass sie den Job angenommen haben, um aktiv zu bleiben. Darüber hinaus nannten 60 Prozent die Freude an der Arbeit im Privathaushalt als ein weiteres Argument. „Natürlich geht es mir auch ums Geld. Aber das ist nun mal nur die halbe Wahrheit. Ich arbeite jetzt seit drei Jahren in einem privaten Haushalt – und fühle mich schon fast wie ein Familienmitglied. Ich bin einfach gerne dort und finde es schön, zu wissen, dass ich gebraucht werde.“ Erika Matzach, Minijobberin Wer verdient was? Gesamtentgelte pro Jahr im Ländervergleich Bayern und Hamburger zahlen am meisten Das höchste durchschnittliche Entgelt pro Monat verdienen helfende Hände in Hamburg und Bayern – mit jeweils rund 202 Euro. In Nordrhein-Westfalen ist die Summe gezahlter Gehälter mit mehr als 36 Millionen Euro zwar am höchsten, doch mit einem durchschnittlichen monatlichen Entgelt von 186 Euro liegt das einwohnerstärkste Bundesland Deutschlands hinter Hessen (194 Euro) auf Platz vier. Insgesamt ist das durchschnittliche monatliche Entgelt für Minijobber in Privathaushalten stabil geblieben. Es betrug 2013 rund 183 Euro und 2012 rund 181 Euro. „Die Verdienstunterschiede ähneln im Wesentlichen den Lohnunterschieden, die sich auch bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten beobachten lassen“, erklärt Dr. Thomsen. über 30 11–30 6–10 1–5 Geld ist gut – bedeutet aber nicht alles Geld ist wichtig, für Minijobber in Privathaushalten aber längst nicht alles. In einer 2014 veröffentlichten forsa-Umfrage im Auftrag der Minijob-Zentrale gaben etwa zwei Drittel der privaten Haushalts- unter 1 in Millionen Euro Quelle: Minijob-Zentrale 2014 Mehr als nur ein kleiner Job 5 Minijobber erarbeiten sich Vertrauen „Hire and Fire“ gilt in bestimmten Branchen als gängige Praxis. Auch den Minijob-Arbeitgebern lastet dieser Ruf an. Doch die Realität sieht anders aus. Denn der Alltag vieler helfender Hände ist von Beständigkeit geprägt. So bleibt die überwiegende Mehrheit einem Auftraggeber für längere Zeit treu. Haushaltshilfen sind in Privathaushalten durchschnittlich zweieinhalb Jahre beschäftigt. „Man versucht häufig, Minijobs als prekäre Arbeit zu diskreditieren, und unterstellt, dass die Beschäftigungsunsicherheit oft sehr hoch ist. Die Zahlen zeigen, dass das nicht durchgängig der Fall ist“, sagt Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer. Was die durchschnittliche Beschäftigungsdauer von zweieinhalb Jahren über die Arbeit der Minijobber und das Verhältnis zu ihren Auftraggebern aussagt? „Würden die Auftraggeber den Minijobbern nicht vertrauen, könnte sich dieses Segment erst gar nicht etablieren. Ich glaube, dass von Minijobbern ein hohes Maß an Professionalität ausgeht“, erklärt Schäfer. „Eine Person, der ich nicht vertraue, könnte ich nicht alleine in meine Wohnung lassen, geschweige denn, ihr meine Kinder anvertrauen. Wir sind glücklich, mit unserer Minijobberin eine unentbehrliche Hilfe für unseren Alltag gefunden zu haben. Ohne sie wären Haushalt und Beruf kaum zu schaffen.“ Heike Premberg, Arbeitgeberin Langfristige Bindung statt „Hire and Fire“ Durchschnittliche Dauer der Arbeitsverhältnisse 892 807 Männer Frauen Angaben in Tagen Quelle: Minijob-Zentrale 2014 Der eine oder keiner? Anzahl der Arbeitsverhältnisse pro Minijobber 70 30 mehr als ein Arbeitsverhältnis ein Arbeitsverhältnis Angaben in Prozent Quelle: Minijob-Zentrale 2014 Mehr als nur ein kleiner Job 6 Minijobber stärken die Sozialkassen Millioneneinnahmen durch helfende Hände Minijobber zahlen keine Sozialabgaben. Dieses Gerücht hält sich hartnäckig. Und das, obwohl Minijobber schon seit zwei Jahren rentenversicherungspflichtig sind. Zudem zahlen die privaten Arbeitgeber Steuern und Pauschalbeiträge für die Krankenversicherung und Beiträge für die gesetzliche Unfallversicherung der geringfügig Beschäftigten. So hat die Minijob-Zentrale im Jahr 2013 von Minijobbern in Privathaushalten 100 Millionen Euro an Steuern und Sozialabgaben eingenommen, davon rund 44 Millionen für die Rentenversicherung, 33 Millionen für die Krankenversicherung und fast 13 Millionen Steuern. Damit erreichten die Beitragseinnahmen für Minijobs in Privathaushalten im Jahr 2013 einen Rekordwert. Folglich stützen nicht nur Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung den Sozialstaat: Auch die angemeldeten Minijobber leisten ihren Beitrag. „Für die Sozialversicherung sind Minijobs ein wichtiger Finanzierungsbaustein“, sagt Holger Schäfer. Einfach erklärt: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte umfassen alle Arbeitnehmer, die kranken-, renten-, pflegeversicherungspflichtig und/oder beitragspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung sind. Minijobs in Privathaushalten mit einem regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelt von bis zu 450 Euro gelten als geringfügige und nicht als sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen. Dennoch fallen für Arbeitgeber Pauschalbeträge zum Beispiel für Renten- und Krankenversicherung sowie Steuern an. Beiträge für die Sozialkassen Zusammensetzung der Beiträge für Finanzverwaltung und Sozialversicherung 10 5 Rentenversicherung 13 44 Krankenversicherung Steuern 33 Unfallversicherung Umlage in Millionen Euro Quelle: IW Köln 2014 Minijobs schaffen Wege aus der Schwarzarbeit Einfach anmelden – und raus aus dem Schattendasein: Einer der großen Vorteile des Minijobs in Privathaushalten ist der Effekt auf die Schwarzarbeit. „Minijobs in privaten Haushalten entfalten vor allem hinsichtlich der Schattenwirtschaft eine positive Wirkung. Viele Arbeitnehmer in Privathaushalten sind nach wie vor nicht angemeldet. Der Minijob schafft dagegen einen Anreiz, solche illegalen Tätigkeiten zu legalisieren“, erklärt Holger Schäfer. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Minijobber erwerben Ansprüche gegenüber der Rentenversicherung und können ihre Ansprüche auf Urlaub oder die Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall besser durchsetzen. Darüber hinaus lässt sich die Anmeldung in wenigen Schritten erledigen und gilt als besonders unbürokratisch. Ausblick: Perspektive der Minijobs Sackgasse oder hilfreiche Brücke? Minijobs in Privathaushalten wurden auch geschaffen, um Wege in den Arbeitsmarkt zu bahnen – für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer.* Verschiedene Studien belegen diese Wirkung. Doch Kritiker zweifeln sie immer wieder an. Für Holger Schäfer ist klar: „Minijobs haben dazu beigetragen, dass viele Menschen über eine geringfügige Beschäftigung einen Einstieg in den Arbeitsmarkt finden. Das ist zum Beispiel auch ein wichtiger Punkt für Langzeitarbeitslose, die unter Vermittlungshemmnissen leiden, über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen oder durch die lange Zeit ohne Job soziale Kompetenzen eingebüßt haben.“ Quelle: Siehe z. B. Friedrich Schneider (2008) und Bundesvereinigung der deutscher Arbeitgeberverbände (URL: www.bda.de) Minijobber Sozialkassen 7 Suchen. Finden. Anmelden. Die Haushaltsjob-Börse Das Portal der Minijob-Zentrale erleichtert die Suche für Arbeitnehmer und -geber für klare Beschäftigungsverhältnisse sorgen. Das Portal ist unter www.haushaltsjob-boerse.de erreichbar. „Große Leistung zum kleinen Preis: Gründliche Putzkraft arbeitet für niedrigen Lohn.“ Hinter solchen Anzeigen verbirgt sich nicht selten das unmoralische Angebot der Schwarzarbeit. Aus diesem Grund hat die Minijob-Zentrale ihr eigenes offizielles Stellenportal ins Leben gerufen. Die Haushaltsjob-Börse ist seit dem 30. Oktober 2014 online und soll deutschlandweit dafür sorgen, dass private Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander finden – und zwar ganz legal. Schon ein paar kleine Schritte genügen, um mitzumachen: einfach anmelden und ein Gesuch oder Angebot online stellen. Im Gegensatz zu vielen privaten Angeboten ist die Börse kostenlos und funktioniert für ganz Deutschland. suchen. finden. anmelden. Die Haushaltsjob-Börse ist kostenlos und funktioniert für ganz Deutschland. Vertrauen ist gut, die Haushaltsjob-Börse ist besser: Viele Deutsche verlassen sich auf ihre Haushaltshilfen. Sie bitten sie in ihr privates Reich, geben ihnen die Haustürschlüssel und zählen auf sie bei der Kinderbetreuung. Doch es ist nicht immer einfach, vertrauensvolle Helfer zu finden. Im Internet kursieren zahllose Einträge nicht angemeldeter Minijobber. Daher soll die Haushaltsjob-Börse, das neue kostenlose Stellenportal der Minijob-Zentrale, finanziell abgesichert, falls die Hilfe sich bei einem Arbeitsunfall verletzt – angemeldete Beschäftigte sind nämlich offiziell unfallversichert. Und auch die Minijobber selbst profitieren gleich mehrfach: Haushaltshilfen erwirken zum Beispiel vollwertige Rentenansprüche, sie erhalten das Recht auf Urlaub und auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. „Im Gegensatz zu vielen privaten Portalen ist die Haushaltsjob-Börse kostenlos und funktioniert intuitiv. Außerdem kriege ich durch die Profilangaben einen besseren Eindruck von den Haushaltshilfen.“ Katja Peters, Arbeitgeberin Bei Schwarzarbeit droht hohe Geldbuße Schätzungen zufolge beschäftigen bis zu vier Millionen Haushalte ihre Hilfen schwarz. Was viele nicht wissen: Schwarzarbeit im Privathaushalt ist eine Ordnungswidrigkeit. Wer seine Hilfe nicht anmeldet, muss mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro rechnen. Zudem verzichten Arbeitgeber und Arbeitnehmer damit auf viele Vorteile. Denn der offizielle Weg lohnt sich für beide Seiten. So profitiert der Arbeitgeber nicht nur durch vergünstigte Abgaben. Er erhält auch eine Steuerermäßigung, durch die ein angemeldeter Minijobber unterm Strich kaum mehr kostet als eine illegale Haushaltshilfe. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber Haushaltsjob-Börse 8 Anfordern, ausfüllen, abschicken: in drei Schritten zur Anmeldung So funktioniert die Anmeldung von Minijobbern in Privathaushalten In drei Schritten zur Anmeldung 1. Formular anfordern 2. Formular ausfüllen Mit dem Haushaltsscheck auf der sicheren Seite. Das Formular lässt sich online ausfüllen sowie telefonisch oder per Post anfordern. 3. Formular abschicken 1. Formular anfordern Arbeitgeber melden Minijobber mit einem einseitigen Formular – dem Haushaltsscheck – an. Es lässt sich auf der Website www.minijob-zentrale.de herunterladen – oder gleich online bearbeiten. Alternativ lässt es sich telefonisch unter 0355 2902 70799 anfordern. 2. Formular ausfüllen Das Formular sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer am besten gemeinsam ausfüllen. Gefragt sind neben Adressdaten auch Informationen zum Beschäftigungsverhältnis. 3. Formular abschicken Ist der Haushaltsscheck von beiden Parteien unterschrieben, einfach per Post an die Minijob-Zentrale schicken: Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Minijob-Zentrale, 45115 Essen Anmeldung 9 Interview „Ich sehe die Zukunft des Minijobs positiv.“ Minijobber in Privathaushalten werden oft belächelt. Allerdings erwirtschaften sie eine Bruttowertschöpfung von 664 Millionen Euro. Wie ist diese Zahl zu bewerten? Holger Schäfer, Institut der deutschen Wirtschaft Köln Holger Schäfer ist Experte für Arbeitsmarkt- und Personalökonomik. Im Interview spricht der Senior Economist des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln über den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wert von Minijobs in Privathaushalten – und erklärt, warum er grundlegende Reformen der geringfügigen Beschäftigungen für unnötig hält. Momentan gibt es ungefähr 276.000 Minijobber in Privathaushalten. Sie arbeiten definitionsgemäß relativ kurz und erarbeiten pro Kopf natürlich nicht so viel Wertschöpfung wie zum Beispiel ein Vollzeitbeschäftigter in der Elektroindustrie. Dennoch muss man sagen, dass über 600 Millionen Euro für Haushaltshilfen eine durchaus beachtliche Zahl ist. Minijobber in Privathaushalten sorgen häufig dafür, dass Arbeitnehmer ihre Karriere mit Kindern, Haushalt und der Pflege von Verwandten vereinen können. Wie wichtig ist dieser Beitrag für den Wirtschaftsstandort Deutschland? Ohne die Minijobber wäre es in bestimmten Fällen gar nicht möglich, dass etwa eine gut ausgebildete Ingenieurin zur Arbeit gehen kann. Das gilt natürlich vor allem für die Kinderbetreuung in Familien mit Kindern, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind. Aber auch Reinigungsarbeiten sind ein wich- tiger Beitrag. Denn bei einer Vollbeschäftigung bleibt oft keine Zeit mehr, den Haushalt zu organisieren. Ein weiterer Aspekt ist die demografische Entwicklung. Da es immer weniger Arbeitnehmer gibt, müssen wir die gut ausgebildeten Arbeitnehmer möglichst umfangreich beschäftigen. Minijobber in Privathaushalten können dazu beitragen. Würden Sie den Minijob als Erfolgsgeschichte einstufen? Ich denke schon. Minijobs in privaten Haushalten entfalten hinsichtlich der Schattenwirtschaft eine positive Wirkung. Viele Beschäftigte in Privathaushalten sind nach wie vor nicht angemeldet. Der Minijob schafft dagegen einen Anreiz, solche illegalen Tätigkeiten zu legalisieren. Denn Minijobber erwerben Ansprüche gegenüber der Rentenversicherung und können ihre Arbeitnehmerrechte, zum Beispiel den Urlaubsanspruch, besser durchsetzen. Interview 10 Die Mehrheit der Minijobber ist länger beschäftigt, als viele denken – durchschnittlich knapp zweieinhalb Jahre. Was sagt das über das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und -nehmer aus? Man versucht häufig, Minijobs als prekäre Arbeit zu diskreditieren, und unterstellt, dass die Beschäftigungsunsicherheit oft sehr hoch ist. Die Zahlen zeigen, dass das nicht durchgängig der Fall ist. Würden die Auftraggeber den Minijobbern nicht vertrauen, könnte sich dieses Segment erst gar nicht etablieren. Ich glaube, dass von Minijobbern ein hohes Maß an Professionalität ausgeht. Sollte es zu Vertrauensbrüchen kommen, sehe ich diese Probleme eher in der Schattenwirtschaft. Jährlich zieht die Minijob-Zentrale über sieben Milliarden Euro an Steuern und Pauschalabgaben für Minijobber ein (103 Millionen Euro aus den privaten Haushalten). Wie ist diese Zahl mit Blick auf die Sozialkassen zu bewerten? Für die Sozialversicherung sind Minijobs ein Finanzierungsbaustein. Schafft man Minijobs ab und führt die Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro ein, käme ein ganz erheblicher Aufwand auf die Sozialkassen zu. Zwar würden die gesamten Sozialbeiträge dann von 30 auf 40 Prozent steigen – aber demgegenüber würden neue Leistungen stehen, die man gegebenenfalls auszahlen muss. Hinzu käme ein erheblicher bürokratischer Aufwand. Denn für jeden zusätzlich Versicherten müsste man ein Konto führen und entsprechend mehr Verwaltungspersonal beschäftigen. Laut Minijob-Zentrale ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs in den letzten zehn Jahren um 12,6 Prozent gestiegen, die der Minijobs um knapp zwei Prozent. Verdrängen Minijobs also gar keine Vollzeitjobs, wie so oft behauptet wird? Ich sehe die Zukunft des Minijobs positiv. Minijobs haben dazu beigetragen, dass viele Menschen über eine geringfügige Beschäftigung einen Einstieg in den Arbeitsmarkt finden. Das ist zum Beispiel auch ein wichtiger Punkt für Langzeitarbeitslose, die unter Vermittlungshemmnissen leiden, über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen oder durch die lange Zeit ohne Job soziale Kompetenzen eingebüßt haben. Das IW Köln hat dazu vor Kurzem eine Studie vorgelegt, in der wir die Bedeutung der Minijobs, nicht nur in Privathaushalten, sondern auch im gewerblichen Bereich, als Einstieg in den Arbeitsmarkt belegen können. In den vergangenen Jahren gab es keine Hinweise darauf, dass es eine Art Verdrängung geben könnte. Wenn überhaupt, dann in die umgekehrte Richtung. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen ist enorm angestiegen. Dagegen hat sich die Zahl der Minijobber seit 2004 kaum verändert. Wie wichtig sind Minijobs zukünftig in Privathaushalten für den Einstieg in den Arbeitsmarkt? Interview 11 Minijob-Zentrale, 45115 Essen E-Mail: [email protected] Impressum/Herausgeber: Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Marketing in Zusammenarbeit mit der Minijob-Zentrale Pieperstraße 14–28, 44789 Bochum Stand: Januar 2015