Hochfrequenztechnik I Leitungsgleichungen LEI/1 1 Vorbetrachtung Eine Gleichspannungsquelle U0 soll über einen Schalter S an einen reellen Lastwiderstand R angeschlossen werden. Dieser ist mit einer Leitung der Länge L mit der Spannungsquelle verbunden. Problem: Abb. 1: Einschaltvorgang bei einer Leitung der Länge L und einem reellen Abschlusswiderstand R. Der Schalter S wird zur Zeit t = 0 geschlossen. Wie groÿ ist der Strom I (t = 0) an der Stelle z = 0 unmittelbar nach Schlieÿen des Schalters S ? Da der Strom zu diesem Zeitpunkt vom Widerstand R noch nichts merkt, hängt die Gröÿe dieses Stromes oenbar nur von der Leitung ab und wird nicht durch den Widerstand am Ende der Leitung beeinusst. Man muss daher den Einuss der Leitung beschreiben. Abb. 2: Konstruktive Auslegung gängiger Leitungen. TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann Hochfrequenztechnik I "r LEI/2 Leitungsgleichungen Tabelle 1: Isoliermaterialien Luft Polyethylen Teon Polyvinylchlorid (PVC) Nylon 1 2,28 2,1 4-5 3,5 1.1 Leitungsstrukturen In Abb. 2 sind unterschiedliche Leitungsstrukturen dargestellt. Leitungen ndet man damit in Nachrichtenkabeln, aber z.B. auch bei Leiterplatten oder auf Computerchips. 2 Herleitung der Leitungsgleichungen Zunächst betrachten wir in Abb. 3 ein Leitungsstück der innitesimalen Länge dz : Die an der Leitung liegende Spannung u (z ) führt im Abschnitt dz zu einer gespeicherten Ladung dQ (Kapazität). Der ieÿende Strom i (z ) führt im Abschnitt dz zu einem magnetischen Fluss d (Induktivität). Mit diesen Betrachtungen lässt sich für den Leitungsabschnitt dz ein Ersatzschaltbild nach Abb. 3 herleiten. Hierbei gelten folgende Bezeichnungen: Abb. 3: Leitungsersatzschaltbild für einen innitesimal kleinen Leitungsabschnitt dz . L' C' R' Induktivitätsbelag mit der Dimension Induktivität pro Länge : L0 dz Kapazitätsbelag mit der Dimension Kapazität pro Länge : C 0 dz = id (z ) . = ud(Qz ) . Widerstandsbelag mit der Dimension Widerstand pro Länge. Er berücksichtigt die Ohm'schen Verluste der Leitung. TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann Hochfrequenztechnik I G' LEI/3 Leitungsgleichungen Leitwertsbelag mit der Dimension Leitwert pro Länge. Er berücksichtigt die dielektrischen Verluste der Leitung. Aus Abb. 3 lassen sich die folgenden Beziehungen für Spannung und Strom ableiten: @i @u u (z + dz ) = u (z ) + @z dz = u (z ) L0 dz @t R0 dz i (z ) @i @u i (z + dz ) = i (z ) + @z dz = i (z ) C 0 dz @t G 0 dz u (z ) (1) (2) Aus Gl. (1) und (2) folgen die Leitungsgleichungen: @u @z = @i @z = @i R0 i (z ) L0 @t @u G 0 u (z ) C 0 @t (3) (4) 2.1 Herleitung der Wellengleichung Die Gleichungen (1) bis (4) gelten für allgemeine zeit- und ortsabhängige Signale. Für die weitere Betrachtung ist es jedoch zunächst einfacher, eine harmonische Zeitabhängigkeit anzunehmen. So ergibt sich u (z; t ) = U^(z ) cos(!t + (z )) = <fU (z ) exp(j!t )g (5) mit einem ortsabhängigen Zeiger U (z ) = U^(z ) exp(j(z )), wobei U^(z ) die ortsabhängige Spannungsamplitude und (z ) die Phase darstellen. Die Ableitung nach der Zeit berechnet sich dann folgendermaÿen: @u ^ @t = !U (z ) sin(!t + (t )) = <fj!U (z ) exp(j!t )g (6) beziehungsweise in Zeigerdarstellung: u (z; t ) @u @t d t d t U (z ); i (z; t ) @i j! U (z ); @t d t d t I (z ) j! I (z ) Aus den Leitungsgleichungen Gl. (3), (4) folgt dann: dU = dz dI = dz I (z ) (R0 + j!L0 ) (7) U (z ) (G 0 + j!C 0 ) (8) Gl. (7) wird nach z dierenziert, und der Ausdruck ddzI wird dann mit Gl. (8) ersetzt: d2 U = (R0 + j!L0 ) dI = (R0 + j!L0 )(G 0 + j!C 0 ) U dz 2 dz beziehungsweise d2 U = 2 U mit = q(R0 + j!L0 )(G 0 + j!C 0 ) dz 2 mit der Ausbreitungskonstanten . TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann (9) (10) Hochfrequenztechnik I LEI/4 Leitungsgleichungen 2.2 Wellenausbreitung auf Leitungen Die obige Gl. (10) stellt die Wellengleichung dar mit den zwei folgenden Lösungen: U h = U 1 exp( z ); U r = U 2 exp( z ) (11) Wie wir später noch sehen werden, beschreiben die beiden Lösungen in (11) jeweils die hin- bzw. rücklaufende Welle. U 1 und U 2 stellen die Spannungszeiger der hin- und der rücklaufenden Welle auf der Leitung an der Stelle z = 0 dar. Die allgemeine Lösung ist die Überlagerung beider Wellen: U (z ) = U h (z ) + U r (z ) (12) Daraus lässt sich mit Gl. (7) der Stromverlauf I (z ) bestimmen: I (z ) = R0 + j!L0 (U 1 exp( z ) U 2 exp(+z )) | oder in Kurzschreibweise: {z 1 ZL (13) } U (z ) I (z ) = I h (z ) + I r (z ) = Zh L Hier steht Z L für den Leitungswellenwiderstand mit U r (z ) ZL : R0 + j!L0 Ur R0 + j!L0 U h ZL = = = = 0 0 G + j!C I h Ir : s (14) (15) Die Ausbreitungskonstante lässt sich in Realteil und Imaginärteil aufteilen = + j; wobei der Realteil die Dämpfungskonstante und der Imaginärteil die Phasenkonstante darstellen. Für die hinlaufende Welle ergibt sich dann z.B.: U h = U 1 exp( z ) = U 1 exp( z ) exp( jz ); (16) wobei exp( z ) die Dämpfung, und exp( jz ) die Phasendrehung beschreiben. Das Argument der ersten Exponentialfunktion ergibt sich folgendermaÿen: jU (z )j z = ln jU (0)j ! (17) Die Dimension der Dämpfungskonstante ist gegeben als Np m (Neper pro Meter). h i Häug wird das Dämpfungsmaÿ 0 in dB m angegeben. Es wird folgendermaÿen deniert: h 0 z ) 0 dB " m # = = i z )j 20 lg jjUU ((0) j dB ! " # " # 20 Np = 8; 69 Np ln(10) m m ! TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann (18) Hochfrequenztechnik I LEI/5 Leitungsgleichungen 3 Verlustarme Kabel Verlustarme Kabel weisen sehr geringe ohm'sche Verluste auf, so dass R0 !L0 und G 0 !C 0 gelten. Damit kann man für den Wellenwiderstand Z L aus Gleichung (15) folgende Vereinfachung einführen: s s j!L0 L0 ZL j!C 0 = C 0 (19) Man beachte, dass der Wellenwiderstand unter diesen Bedingungen reell wird. Die Ausbreitungskonstante ergibt sich dann mit Gl. (10) näherungsweise: = j! p v u u 0 0 LCt R0 1 + j!L 0 ! p 0 0 G0 R0 G0 1 + j!C j! L C 1 + + 0 2j!L0 2j!C 0 ! ! Mit = + j heiÿt das für die Dämpfungs- und Phasenkonstante: R0 G0 Z R0 C 0 G 0 L0 = 2 L0 + 2 C 0 = 2 Z + 2 L L p 0 0 = ! LC s s (20) (21) 4 Anwendung auf eine Koaxialleitung Als Beispiel für eine Leitung wird ein Koaxialkabel betrachtet. Der schematische Aufbau einer solchen Abb. 4: Schematischer Aufbau (links) und Feldverteilungen (rechts) in einer Koaxialleitung. Koaxialleitung ist in Abb. 4 dargestellt. Hierbei hat der Innenleiter den Durchmesser d , der Auÿenleiter den Durchmesser D. Auf Grund des Skin-Eekts ieÿt der Strom nur an der Oberäche des Innen- bzw. Auÿenleiters. Daher bilden sich das elektrische und magnetische Feld im Wesentlichen nur im Dielektrikum mit = 0 und " = "0 "r aus. Das magnetische Feld hat nur eine -Komponente H : I H = 2r TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann (22) Hochfrequenztechnik I LEI/6 Leitungsgleichungen Das elektrische Feld besitzt nur eine radiale Komponente Er : U Er = r ln D d wegen D Z2 d Er dr = U (23) 2 Da E~ und H~ nur in der transversalen Ebene (senkrecht zur Ausbreitungsrichtung) liegen, bezeichnet man die Welle als TEM-Welle (transversal elektromagnetisch). Der Induktivitätsbelag L0 dz = dI errechnet sich folgendermaÿen: D Z2 d = dz d D I 0 ( H ) dr = dz 0 ln d 2 (24) ) L0 = 20 ln Dd (25) ! 2 Der Kapazitätsbelag C 0 dz ! = dUQ errechnet sich folgendermaÿen: = dz 2"0 "r UD ln d ) C 0 = 2" D0"r ln d D D dQ = dz 2 2 "0 "r Er r = 2 ! (26) Der Widerstandsbelag R0 setzt sich aus den Widerständen am Innen- und Auÿenleiter zusammen. Diese Widerstände berechnen sich mit der spezischen Leitfähigkeit und der Skin-Eindringtiefe z0 : s 2 z0 = ! : 0 Als Zahlenwertgleichung ergibt sich beispielsweise für Kupfer (Cu): z0;Cu 2; 1 pfm . = GHz 1 + 1 Voraussetzung : z d (27) 0 z0 D d Der Ausdruck ( z0 ) 1 wird gelegentlich auch als Wandwiderstand RW = ( z0 ) 1 bezeichnet. Für p Kupfer ergibt sich RW 8; 3 10 3 f =GHz. ) R0 = 1 Der Leitwertsbelag G 0 ergibt sich auf Grund der dielektrischen Verluste im Isolator: G 0 = !C 0 tan (28) Mit Kenntnis dieser Werte lässt sich der Leitungswellenwiderstand ZL berechnen: L0 ZL = C 0 = s 60 ln 0 1 D ln = p p" " 2 " d 0 r r | {z } r ! 120 TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann D d Hochfrequenztechnik I Leitungsgleichungen LEI/7 Für Polyethylen ("r = 2; 28) und einem Verhältnis zwischen Auÿen- zu Innenleiter von Dd = 3; 6 erhält man einen Leitungswellenwiderstand von ZL 50 . p p p Die Phasenkonstante = ! L0 C 0 = ! "r 0 "0 lässt sich wegen c0 = p10 "0 durch die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c0 ausdrücken: !p"r = c 0 (29) Dieser Zusammenhang gilt allgemein bei TEM-Wellen. Anmerkung: Mit Gl. (29) folgt allgemein aus den Gleichungen (19) und (20): ZL p"r = c 250 nH m p"0 pF C 0 = Z rc 100 m : L 0 Die Zahlenwerte gelten für "r = 2; 28 und ZL = 50 . L0 (30) (31) Die Dämpfungskonstante ergibt sich unter den obigen Annahmen verlustarmer Kabel entsprechend Gl. (20) zu: 1 1 1 = 2 z Z D + d + tan (32) 0 L {z |2 {z } } | /! ohm sche Verluste: / p! 0 dielektrische Verluste: Ohm'sche Verluste sind umso kleiner, je gröÿer die Durchmesser von Innen- und Auÿenleiter sind. Die minimale Dämpfung bei gegebenem Auÿendurchmesser D = const wird errreicht für Dd = 3; 6. Im Gegensatz zu den ohm'schen Verlusten hängen die dielektrischen Verluste nicht von der Wellenleitergeometrie ab. Abb. 5 zeigt konkrete Beispiele für die Dämpfung von Koaxialkabeln. TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann Hochfrequenztechnik I Leitungsgleichungen LEI/8 Abb. 5: Dämpfung von Koaxialkabeln mit ZL = 50 mit Polyethylen-Isolation (entnommen aus dem Katalog der Firma Huber und Suhner). TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann