2.17 Verspannte Quantenfilme Baut man Heterostrukturen aus Materialien mit unterschiedlicher Gitterkonstante auf, so kann unterhalb einer kritischen Schichtdicke die Gitterfehlanpassung durch elastische Verspannung aufgefangen werden (siehe Abb. 2.17.1). Diese Gitterverzerrung in uniaxialer Richtung führt zu einer Änderung der Bandstruktur. Abbildung 2.17.1: Links: Eine Schicht aus einem Material mit einer Gitterkonstanten a0 wird zwischen zwei Schichten mit Gitterkonstanten a1 eingebracht. Parallel zur Schicht passt sich die Gitterkonstante der Zwischenschicht dem Substrat an, senkrecht dazu vergrößert sich die Gitterkonstante. Zur Beschreibung der Verspannung definiert man einen Verspannungskoeffizienten dies ist der relative Unterschied der Gitterkonstanten von Substrat und aufgebrachtem Material, bezogen auf die natürliche Gitterkonstante des Schichtmaterials: a mat a Sub a mat (2.17.1) mit asub = a|| als Gitterkonstante des Substratmaterials. Bei Druckverspannung (compressive strain) ist ε>0, bei Zugverspannung (tensile strain) ist ε<0. Den Einfluss der Verspannung auf die Bandstruktur eines Materials kann weiter in einen isotropen Druckanteil (Volumen der Einheitszelle ändert sich) und einen uniaxialen Verzerrungsanteil (kubische Einheitszelle wird quaderförmig) zerlegt werden. Der Druckanteil bewirkt eine Änderung der Bandlücke (Vergrößerung bei kompressiver Verspannung, Verkleinerung bei tensiler Verspannung), der uniaxiale Anteil reduziert die Symmetrie und bewirkt eine Aufspaltung der entarteten Valenzbänder am Γ-Punkt. Durch die sogenannte kp-Störungstheorie können die Änderungen der Bandlückenenergien in der Nähe des Γ-Punktes berechnet werden. Daraus ergeben sich Energieverschiebungen der Bandkanten und damit Änderungen in den optischen Übergangsenergien zwischen Leitungsband und Schwer-, Leicht- bzw. Spin-Bahnabgespaltenem Band. Abb. 2.17.2 zeigt die Auswirkungen von Verspannung auf die energetische Lage der Bänder. - 78 - Abbildung 2.17.1: Auswirkung von Verspannung auf die Bandstruktur eines Halbleiters. Link: Zugverspannung, rechts: Druckverspannung. Die Energie des Leitungsbandes ändert sich um H’, die des HH/LH Valenzbandes um H-H’. Relevant ist allerdings vor allem die Änderung der Bandlücke, die sich um H ändert. Der isotroper Druckanteil und der uniaxiale Verspannungsanteil hängen über die Deformationspotentiale und Komponenten des Elastizitätstensors vom Verspannungskoeffizienten ab C C12 H 2a 11 Isotroper Druckanteil: (2.17.2a) C11 C 2C12 S 2b 11 Uniaxialer Verspannungsanteil: (2.17.2b) C11 Werte für Deformationspotentiale und Elastizitätsmodule von wichtigen Halbleitern sind in der folgenden Tabelle aufgeführt: - 79 - Die Änderung der Bandlücken für Leitungsband-Schwerloch, Leitungsband-Leichtloch und Leitungsband - split-off Band Übergänge sind wie folgt: Ehh = H-S Elh = H+S- ESO = H++ mit 2 S 2 / ist der energetische Abstand zwischen HH/LH Band und dem slip-off Band. Neben der Verschiebung der Bänder ändern sich bei Verspannung die effektiven Massen der Ladungsträger. Aufgrund des Symmetriebruchs muss man nun die effektiven Massen parallel zur Schicht und senkrecht getrennt betrachten. In Abb. 2.17.2 ist die Auswirkung von kompressiver Verspannung auf die Dispersion der Valenzbänder dargestellt. Durch die Verspannung wird z.B. das schwere Loch parallel zur Schicht leichter und senkrecht dazu schwerer. Abbildung 2.17.1: Dispersion des HH/LH Valenzbänder ohne Verstpannung (links) und bei kompressiver Verspannung (rechts) Konsequenzen für Halbleiterlaser Durch die Aufhebung der Entartung von Schwer- und Leichtlochband ist die Emission des Lasers eindeutig polarisiert. Wir erinnern uns an Abschnitt 2.13 (Auswahlregeln für optische Übergänge). Für Quantenfilme liefert der Leitungsband – Schwerlochübergang nur Verstärkung für TE polarisiertes Licht, der Leitungsband – Leichtlochübergang vor allem Verstärkung für TM polarisiertes Licht. Wegen der Aufspaltung der Valenzbänder ist in verstpannten Quantenfilmen nur ein Valenzband für den Laserbetrieb relevant. Kompressiv verspannte Quantenfilme => Leitungsband – Schwere Löcher => TE Polarisation Zugverspannte Quantenfilme => Leitungsband – Leichte Löcher => TM Polarisation Die Aufhebung der Entartung hat neben der eindeutigen Festlegung der Polarisation noch einen weiteren Vorteil: Sie verringert die Zustandsdichte im Valenzband und damit den Schwellenstrom des Lasers. Warum ist das so? Eine notwendige (allerdings nicht - 80 - hinreichende) Bedingung für das Anschwingen des Lasers ist der durch Gleichung 2.9.5. festgelegte Mindestabstand der Quasi-Fermienergien. Dieser muss größer als die Energie des optischen Übergangs sein. Betrachtet man einen ungepumpten Laser, so liegen beide QuasiFermienergien ungefähr in der Mitte der Bandlücke bei der gleichen Energie. Erhöht man nun die Ladungsträgerdichte im Quantenfilm, so schieben die Quasi-Fermienergien in Richtung der Bänder. Aufgrund der Ladungsneutralität (n=p) und der kleineren Zustandsdichte im Leitungsband schiebt die Quasi-Fermienergie der Elektronen allerdings viel schneller als die Quasi-Fermienergie der Löcher. Verringert man die Zustandsdichte der Löcher (z.B. durch Verspannung), so erhält man für die gleiche Ladungsträgerdichte einen größeren Abstand der Quasi-Fermienergien. Die Laserbedingung E F E EG wird daher bei einer kleineren Ladungsträgerdichte (und damit bei einer kleineren Stromdichte) erreicht. Am besten wäre ein Material mit gleichen Elektronen- und Lochmassen, sowie nur einem Valenzband. Durch die Verspannung des Quantenfilms kann man diesem Idealfall ein Stück weit näher kommen, da durch die Aufhebung der Entartung nur ein Valenzband am Laserbetrieb beteiligt ist. Weiterhin werden schwere Löcher durch kompressive Verspannung in der Ebene des Quantenfilms (die ist relevant für die Zustandsdichte) leichte (siehe Abb. 2.17.1): 2.18 Spontane Rekombination Wir hatten in Abschnitt 2.10 einen Zusammenhang zwischen der Verstärkung und der spontanen Emissionsrate in die Lasermode hergeleitet (Gleichung 2.10.4): Rsp' v g gnsp (2.18.1) V Spontane Emission in die Lasermode ist allerdings nur ein sehr kleiner Anteil der gesamten spontanen Emission. Für die gesamte spontante Emissionsrate müssen wir über alle Moden, in die spontan emittiert wird, summieren. Für die gesamte spontante Emission in einem Frequenzinterval dv ergibt sich damit: Rsp d (h ) R ' sp nsp Moden Moden vg g VP nsp vg g VP N Moden (2.18.2) mit gemittelten Werte für die Gruppengeschwindigkeit vg , die Verstärkung g und das Modenvolumen VP . Bei der Mittelung der Verstärkung muss die Polarisationsabhängigkeit der Verstärkung berücksichtigt werden: g 1 2 gTE gTM 3 (2.18.3) Diese Mittelung ist vor allem für Quantenfilme relevant, für Volumenmaterial ist g g TM g TE . Die Anzahl der Moden kann über die Zustandsdichte der Photonen bestimmt werden: N Moden Phot ( )VP d (2.18.4) - 81 - Die Zustandsdichte der Photonen in einem Medium mit Brechungsindex n und Gruppenindex ng ist: 8 Phot ( ) 3 n 2 ng 2 (2.18.5) c Diese Zustandsdichte der Photonen taucht auch im Planck’schen Strahlungsgesetz auf: ( ) 1 8h 3 8 2 1 hv EPhoton ( ) Phot ( ) f Bose Einstein ( ) (2.18.6) h / kT 3 h / kT 3 1 c e 1 c e Hier ist natürlich n=ng=1. Das Produkt aus den drei Faktoren: Energie pro Photon, Dichte der Zustände und deren Besetzungswahrscheinlichkeit ergibt die Energiedichte in einem Hohlraum. Für die gesamte spontane Emissionsrate ergibt sich damit: Rsp 1 Phot ( )v g nsp g h (2.18.7) Durch Einsetzen des Ausdrucks für g erhalten wir schließlich: 4ne 2 Rsp h M T Phot ( ) f 2 (1 f1 ) 0 h 2 c 3 m02 (2.18.8) M T ist das gemittelte Matrixelement für TE/TM polarisierte Übergänge. 2.19 Nichtstrahlende Rekombination a) Rekombination an Defekten (Shockley-Read-Hall Rekombination) Die Konzentration von Verunreinigungen und Fehlstellen kann durch moderen Epitaxieverfahren auf einen sehr kleinen Wert reduziert werden. Rekombination kann allerdings auch an Dotieratomen stattfinden, die natürlich in (elektrisch gepumpten) Halbleiterlasern vorhanden sind. In erster Näherung ist die Rekombinationsrate an Derekten proportional zur Ladungsträgerdichte: RDefekt = AN. Eine genauere Rechnung für Defekte in der Mitte der Bandlücke liefert: R pn ni2 n 0 ( p ni ) p 0 ( n ni ) (2.19.1) Für n=p>> ni kann man schreiben: pn ni2 n2 n R n 0 ( p ni ) p 0 (n ni ) n( n 0 p 0 ) n 0 p 0 (2.19.2) n0 und p0 sind die Einfangzeiten für Elektronen und Löcher. Ist ein Defekt mit einem Ladungsträger besetzt, so muss erst ein Ladungsträger der entgegengesetzen Polarität eingefangen werden, damit der Defekt wieder für nichtstrahlende Rekombination zur Verfügung steht. Die Rekombinationsrate ist damit wie in Gleichung 2.19.2 zu sehen durch die größere der beiden Zeitkonstanten bestimmt. - 82 - b) Auger Rekombination Bei der Augerrekombination rekombiniert ein Elektron aus dem Leitungsband mit einem Loch aus dem Valenzband. Die freiwerdende Energie wird an ein weiteres Elektron übertragen, das die Energie durch Emission von Phononen an das Gitter abgibt. Je nach Art der beteiligten Ladungsträger unterscheidet man verschiedene Auger Prozesse, von denen drei in Abb. 2.19.1 dargestellt sind. Abbildung 2.19.1: Darstellung von drei verschiedenen Auger Prozessen im Banddiagramm. Die vier zur Kennzeichnung verwendeten Buchstaben repräsentieren die vier am Prozess beteiligten Teilchen, so sind z.B. beim CHHS Prozess ein Elektron (C), zwei Löcher aus dem Schwerlochband (H) und ein Loch aus dem abgespaltenen Band (S) beteiligt. Die Übergangswahrscheinlichkeit hängt von der Besetzung der Zustände ab. Für den CCCHProzess kann man ansetzen: P13 f C1 f C 2 (1 fV 3 )(1 f C 4 ) (2.19.3) In Boltzmann Näherung kann man für die Verteilungsfunktionen schreiben: fC e ( E E F ,C ) / kT 1 fV e ( E F ,V E ) / kT N ( E EC ) / kT e NC P ( ECV E ) / kT e NV (2.19.4a) (2.19.4b) Damit wird aus (2.19.3) P13 N 2 P ( E1 E2 E3 ) / kT e N C2 NV (2.19.5) Die Es sind die energetischen Abstände der beteiligten Zustände zu den Bandkanten, so ist z.B. E1 = E1 - EC . Zustand (4) liegt sehr weit oben im Leitungsband und ist damit mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht besetzt, man kann daher (1 f C 4 ) =1 setzten. Aus diesem Grund taucht E4 nicht in Formel 2.19.5 auf. - 83 - Setzt man Ladungsneutralität an (N=P) und versteckt den Exponentialterm und NC, NV in einer Konstanten C, so folgt aus Gleichung 2.19.5 die bekannte Formel für die Augerrekombination: R Auger CN 3 (2.19.6) Energie und Impuls bleiben bei Augerprozessen erhalten, d.h. wir haben für den CCCH Prozess die Auswahlregeln: k1 + k2 = k3 + k4 und E1 + E2 = E4 - (Eg + E3) (2.19.7) Aufgrund der Auswahlreglen sind Augerübergänge erst ab einer bestimmten Mindestenergie für E4 möglich, der sogenannten Schwellenenergie ET. So muss sicherlich gelten: E4 EG, sonst ist die Energieerhaltung nicht zu erfüllen. Aufgrund der Impulserhaltung ergeben sich zusätzliche Einschränkungen, so können z.B. die Zustände (1) und (3) nicht direkt übereinander liegen. In diesem Fall müsste man auf das Teilchen im Zustand (2) Energie, aber keinen Impuls übertragen, was nicht möglich ist. Für den CCCH Prozess ergibt sich als Schwellenenergie: ET E 4 2mC mH EG mC mH (2.19.8) Die Schwellenenergie ist proportional zur Bandlücke des Halbleiters, damit ist Augerrekombination vor allem in Materialen mit kleiner Bandlücke relevant (für Laser mit Wellenlänge > 1.3 µm). Dieser Effekt ist in Abb. 2.19.2 dargestellt. Der Augerkoeffizient steigt von 1 µm bis 6 µm Wellenlänge um mehr ca. drei Größenordnungen an. Die Realisierung von langwelligen Laser mit > 3 µm wird damit extrem schwierig. Einen Ausweg bieten hier sogenannten Quantenkaskadenlaser, bei denen die Übergänge nicht zwischen Leitungs- und Valenzband, sondern zwischen quantisierten Zuständen im Leitungsband stattfinden. Wellenlänge (µm) Abbildung 2.19.2: Auger-Koeffizient als Funktion der Wellenlänge des optischen Übergangs in verschiedenen Halbleitermaterialen - 84 -