Kapitel 3 Speicherung und Kühlung von geladenen Teilchen 3.1 3.1.1 Die Paulfalle Entwicklungsgeschichte Anfang der 50er Jahre entwickelte Wolfgang Paul die Idee, dass elektrische und magnetische Multipolfelder Teilchen mit einem magnetischen oder elektrischen Dipolmoment in zwei Dimensionen fokussieren können. Linsen für Atom- und Molekülstrahlen wurden verwirklicht [Frie1951]. Die Frage: ,,was geschieht, wenn man geladene Teilchen - Ionen oder Elektronen - in solche Multipolfelder injiziert?”1 führte 1953 zur Entwicklung des Quadrupol-Massenspektrometers (QMS) [Paul1953]. Dieses benutzt zur Massentrennung nicht nur die fokussierenden und defokussierenden Kräfte eines hochfrequenten elektrischen Quadrupolfeldes, sondern macht auch von den Stabilitätseigenschaften der Bewegung Gebrauch. Die theoretischen und experimentellen Entwicklungen des linearen QMS wurden von der Gruppe um Paul bestimmt [Paul1955]. Die klassische Veröffentlichung ,,Das elektrische Massenfilter als Massenspektrometer und Isotopentrenner ” von Paul, Reinhard und von Zahn [Paul1958] bildete den vorläufigen Höhepunkt dieser Forschungsarbeiten. Durch Erweiterung der Methoden der zweidimensionalen Fokussierung auf drei Dimensionen konnten Ionenfallen, die der Speicherung von Ionen in einem räumlich begrenzten Bereich dienen, entwickelt werden [Fisc1958, Fisc1959, Ghos1995, Majo2004]. Die vorgenannten Arbeiten führten zur Verleihung des Nobelpreises 1989 an Wolfgang Paul (1913-1993), Universität Bonn, für ,,die Entwicklung der Ionenkäfigtechnik ”. Die Anwendungsmöglichkeiten und Eigenschaften der linearen Paulfalle bzw. des Quadrupols wurden nach 1958 in einer Reihe von theoretischen und experimentellen Arbeiten detailliert untersucht und publiziert, wie z.B. [Busc1961, Brub1961, Brub1964, Lee1971, Aust1992, Blau1997, Tito1998a, Tito1998b]. Besonders hervorzuheben sind die Arbeiten von Dawson, deren Resultate großteils in dem grundlegenden Werk und Lehrbuch: ,,Quadrupole Mass Spectrometry and its Applications” [Daws1995] zusammengefasst sind. In jüngster Zeit führten dann vor allem Computersimulationen zu einem tieferen Einblick über die Ionenbewegung in der linearen Paulfalle [Munt1995, Reub1996, Blau1998b, Blau2000a]. Da die dreidimensionale Paulfalle lediglich eine Erweiterung der linearen Paulfalle darstellt, und im Idealfall die Ionenbewegung in radialer und achsialer Richtung als unabhängig voneinander betrachtet werden können, werden im Folgenden die Grundlagen der Ionenbewegungen für den zwei- und dreidimensionalen Fall getrennt behandelt. 1 Entnommen aus dem Nobel-Vortrag von Wolfgang Paul am 12. Oktober 1989 in Stockholm. 22 3.1. DIE PAULFALLE 3.1.2 23 Die ideale lineare Paulfalle In der linearen Paulfalle bewegen sich geladene Teilchen in einem hochfrequenten elektrischen Vierpolfeld, wobei die für die Stabilität der Ionenbahnen entscheidende Eigenschaft direkt die spezifische Ladung Ze/m ist. Der Betrag der aus dem quasistationären Wechselfeld der linearen Paulfalle resultierenden Feldstärke ist proportional zu dem Abstand r von der vorgegebenen z-Achse eines Koordinatensystems. Die Realisation eines idealen Vierpolfeldes erfolgt durch die Verwendung hyperbelförmiger Elektroden. 3.1.2.1 Hyperbolisches Quadrupolpotential Bei Verwendung von vier hyperbolisch geformten Elektroden, die sich entlang der z-Achse er→ strecken, folgt aus Φ(− r , t) = Φ0 (t) · (ax2 + by 2 + cz 2 ) mit a = −b = 1/r02 für das Potential der linearen Paulfalle: (x2 − y 2 ) → Φ(− r , t) = Φ0 (t) · . (3.1) r02 Dabei beträgt der Abstand zwischen zwei gegenüberliegenden felderzeugenden Elektroden 2r0 , das Potential auf den Elektroden ±Φ0 . Eine Darstellung der Elektrodenkonfiguration mit den resultierenden Äquipotentiallinien (x2 − y 2 ) = const. zeigt Abb. 3.1. Aus Gl. (3.1) ergeben sich -Φ0 2r0 +Φ0 +Φ0 y z -Φ0 x Abb. 3.1: Elektrodenanordnung der idealen, endlich großen linearen Paulfalle und Verlauf der Äquipotentiallinien, die eine vierzählige Symmetrie in Bezug auf die z-Achse aufweisen. die Feldstärkekomponenten zu: Ex = −2 Φ0 · x/r02 , Ey = 2Φ0 · y/r02 , Ez = 0 . (3.2) Schießt man positive Ionen in z-Richtung bei konstanter Spannung +Φ0 ein, so führen sie harmonische Schwingungen in der (x, z)-Ebene aus. Aufgrund des umgekehrten Vorzeichens für das Feld Ey wird ihre y Amplitude exponentiell ansteigen, d.h. die resultierende Kraft ist in der y-Richtung defokussierend; die Teilchen stoßen gegen die Elektroden und gehen verloren. 24 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Durch Anlegen einer periodischen Wechselspannung kann dieses Verhalten vermieden werden. Aufgrund des periodischen Wechsels des Vorzeichens der elektrischen Kraft erhält man in beiden Raumrichtungen alternierend Fokussierung und Defokussierung. Dies führt bei geeigneter Frequenz über das Prinzip der starken Fokussierung zu einer stabilen Ionenbahn. Ist die an die jeweils gegenüberliegenden Elektroden der Paulfalle angelegte Spannung Φ0 durch eine Gleichspannung U und eine Wechselspannung V mit der Frequenz Ω Φ0 (t) = U + V · cos Ωt (3.3) gegeben, so lautet das ideale, ungestörte Quadrupolpotential: (x2 − y 2 ) → Φ(− r , t) = (U + V · cos Ωt) · . r02 3.1.2.2 (3.4) Bewegungsgleichungen in der idealen linearen Paulfalle Betrachten wir im Folgenden ein einfach positiv geladenes Ion der Masse m im Quadrupolpotential (3.4). Aus der Differentialgleichung ·· − → → → m− r +e ∇Φ(− r , t) = 0 (3.5) resultieren die Bewegungsgleichungen in x-, y-, und z-Richtung: ẍ + 2e · (U + V · cos Ωt) · x = 0 mr02 (3.6) ÿ − 2e · (U + V · cos Ωt) · y = 0 mr02 (3.7) z̈ = 0 . (3.8) Auf den ersten Blick würde man erwarten, dass der zeitabhängige Teil der Kraft im zeitlichen Mittel verschwindet, was in einem homogenen Feld auch der Fall ist. In einem inhomogenen, periodischen Feld wie dem Quadrupolfeld bleibt jedoch eine kleine mittlere Kraft übrig, die immer in Richtung des abnehmenden Feldes wirkt, also hier in Richtung der Mittelachse. Aus diesem Grund bleiben die Ionen unter geeigneten Bedingungen in radialer Richtung gespeichert, ohne die Elektroden zu berühren. Die Ionen führen nach Gl. (3.6) und (3.7) periodische Schwingungsbewegungen um die z-Achse aus, die durch eine sich periodisch verändernde · Rückstellkraft hervorgerufen werden. Integration von Gl. (3.8) liefert z = const., d.h. die in z-Richtung eingeschossenen Ionen bewegen sich mit konstanter Geschwindigkeit in z-Richtung durch das Feld. Durch Einführung der dimensionslosen Transformationsparameter ax = −ay = 8eU 4eV , qx = −qy = , Ωt = 2ξ 2 2 mr0 Ω mr02 Ω2 (3.9) erhält man aus Gl. (3.6) und (3.7) die Mathieu’schen Differentialgleichungen: d2 x + (ax + 2qx · cos 2ξ) · x = 0 dξ 2 , (3.10) d2 y − (ay + 2qy · cos 2ξ) · y = 0 dξ 2 . (3.11) 3.1. DIE PAULFALLE 25 Dabei gibt a/4 das Verhältnis von maximaler potentieller Energie eU im Gleichspannungsfeld zu kinetischer Energie mv 2 /2 = mr02 Ω2 /2 der Schwingung mit Amplitude r0 und q/2 das Verhältnis von Epot im Wechselspannungsfeld zu Ekin an. Das Verhalten der Ionen ergibt sich aus den Eigenschaften der Lösungen der Schwingungsgleichungen (3.10) und (3.11) mit periodischen Koeffizienten. Beide Bewegungskomponenten gehorchen der gleichen Differentialgleichung, so dass es genügt, die Mathieu’sche Differentialgleichung in der Normalform d2 u + (au − 2qu · cos 2ξ) · u = 0 dξ 2 mit u = x, y (3.12) zu betrachten [McLa1947, Meix1954]. Alle Lösungen lassen sich als Linearkombination zweier linear unabhängiger Lösungen in einer Fourierreihe der Form u(ξ) = αI · eµu ξ ∞ X ∞ X c2s,u e2isξ + αII · e−µu ξ s=−∞ c2s,u e−2isξ (3.13) s=−∞ ¡ ¢ darstellen. Mit Hilfe der Euler’schen Gleichung e±ix = cos x ± i sin x und dem charakteristischen Exponenten µu = iβu kann die allgemeine Lösung der Mathieuschen Differentialgleichung zu u(ξ) = A · ∞ P s=−∞ c2s,u cos [(2s + βu )ξ] + B · ∞ P s=−∞ c2s,u sin [(2s + βu )ξ] (3.14) umgeschrieben werden, wobei die Koeffizienten A := αI + αII und B := i(αI − αII ) durch die Anfangsbedingungen [u(ξ = 0), u̇(ξ = 0)] bestimmt sind. Die Konstante βu wird durch die Transformationsparameter au und qu in einer Kettenbruchgleichung festgelegt: βu2 = au + 2 qu (2+βu )2 −au − (4+βu )2 −au − 2 qu + (2−βu )2 −au − (4−βu )2 −au − 2 qu 2 qu (6+βu )2 −au −... 2 qu . (3.15) 2 qu (6−βu )2 −au −... Die Koeffizienten c2s,u der Reihenentwicklung (3.13) und (3.14) hängen ebenfalls nur vom Arbeitspunkt (au , qu ) und nicht von den Anfangsbedingungen der Teilchenbahn ab und können über Rekursionsformeln berechnet werden [Marc1989]. Wegen 1 lim |c2s,u | |s| = 0 s→±∞ (3.16) konvergieren sie für große |s| schnell gegen Null. 3.1.2.3 Stabilitätsdiagramme und Massenauflösungsvermögen Die Mathieu-Gleichung (3.12) hat zwei Klassen von Lösungen: • Stabile Bewegung: die Ionen schwingen mit begrenzter Amplitude in x- und y-Richtung und durchqueren das Quadrupolfeld in z-Richtung, ohne an die Elektroden zu stoßen; u(ξ) bleibt für ξ → ∞ beschränkt; 26 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN • Instabile Bewegung: die Schwingungsamplituden in x- oder in y-Richtung wachsen exponentiell an, so dass die Teilchen von den Elektroden weggefangen werden ehe sie das Ende des Quadrupols erreichen; u(ξ) wächst für ξ → ∞ über alle Grenzen. Der Lösungstyp ist nach Gl. (3.13) bzw. (3.14) eindeutig durch µu bzw. βu bestimmt, d.h. ob Stabilität besteht, hängt nur von den Parametern au und qu ab, dagegen nicht von den Anfangsbedingungen der Ionenbewegung, z.B. ihrer Geschwindigkeit und ihrem Ort. Für komplexe µu ist die Lösung instabil, wenn αI 6= 0 ist. Falls µu reell und µu 6= 0 ist, wächst einer der beiden Terme eµu ξ oder e−µu ξ uneingeschränkt; die Lösungen sind ebenfalls instabil. Es zeigt sich also, dass die Lösungen (3.14) nur dann periodisch und stabil sind sowie die Amplituden der Ionenbewegung beschränkt, wenn βu reell und nicht ganzzahlig ist. Die Lösungen mit ganzzahligem βu heißen Mathieu’sche Funktionen und bilden die Grenze zwischen Stabilität und Instabilität. Trägt man in einem Koordinatensystem mit den Achsen au und qu die Bereiche stabiler und instabiler Lösungen ein, so erhält man das in Abb. 3.2 dargestellte Stabilitätsdiagramm der Mathieu’schen Differentialgleichung. Die schattierten Bereiche repräsentieren dabei stabile a ) 1 4 1 2 s ta b le 1 2 8 0 .0 6 8 -0 .1 4 6 2 -0 .2 z 0 -0 .3 a a a z 4 c ) 0 .1 1 0 -2 2 -0 .4 -4 0 -6 -2 -0 .5 -8 z -s ta b le r-s ta b le -1 0 -4 -6 0 .2 b ) 1 0 -0 .6 -1 2 -1 6 -1 2 -8 -4 q 0 4 8 1 2 1 6 z a n d r -s ta b le -0 .7 0 2 4 6 8 q 1 0 z 1 2 1 4 1 6 1 8 1 0 .0 0 .2 0 .4 0 .6 0 .8 q 1 .0 1 .2 1 .4 z Abb. 3.2: (a) Bereiche stabiler Lösungen der Mathieu’schen Differentialgleichung. (b) Bereiche stabiler Lösungen für die axiale und radiale Bewegung der Ionen in der Paulfalle. (c) Vergrößerter Ausschnitt aus Abb. (b). Der Punkt kennzeichnet einen möglichen Arbeitspunkt. Die Linie stellt eine Arbeitsgerade dar für welche die Paulfalle als Massenfilter betrieben wird. Weitere Erläuterungen im Text. Lösungen; sie müssen aufgrund der Unabhängigkeit der Lösungen von Gl. (3.12) vom Vorzeichen des qu -Parameters symmetrisch zur au -Achse sein. Da die Ionenbewegung nur dann stabil ist, wenn sich für beide Bewegungskomponenten (x, y) stabile Bahnen ergeben, müssen beide Arbeitspunkte (ax , qx ) und (ay , qy ) im stabilen Bereich liegen. Nach Gl. (3.9) gilt ax = −ay und qx = −qy . Daher fallen bei Spiegelung der (au , qu )-Ebene an der au - und qu -Achse die beiden Arbeitspunkte a = ax = −ay und q = qx = −qy zusammen. Infolgedessen erhält man die überlappenden Gebiete der (x, y)-Stabilität. Die ersten drei stabile Bereiche für eine lineare Paulfalle bzw. einen Quadrupolmassenfilter sind in Abb. 3.3(A) mit I, II und III beschriftet.2 Die Grenzen der jeweiligen Stabilitätsbereiche sind durch die Mathieu’schen Funktionen der ganzzahligen charakteristischen Exponenten βu gegeben, die auch charakteristische Kurven genannt werden. Sie können durch Potenzreihenentwicklung von Gl. (3.15) um qu2 = 0 berechnet werden [Blau1997]. Für den in der Praxis relevanten ersten Stabilitätsbereich einer linearen 2 Die Reihenfolge der Stabilitätsbereiche entspricht der Notation von [Daws1995]. Andere Autoren verwenden teilweise eine abweichende Notation. 3.1. DIE PAULFALLE 27 Abb. 3.3: (A) Die Stabilitätsbereiche (schattiert) der linearen Paulfalle bzw. des Quadrupolmassenfilters. (B) Ausschnitt I aus (A): Der erste Bereich gleichzeitiger Stabilität in x- und y-Richtung. Weitere Erläuterungen im Text. Paulfalle gilt 0 ≤ βu ≤ 1. Er ist in Abb. 3.3(B) vergrößert dargestellt. Ein Ion bleibt nur dann auf einer stabile Bahn, wenn sein zugehöriger Arbeitspunkt (au , qu ) innerhalb des dreiseitigen Gebietes liegt, dessen Spitze durch (a0 , q0 ) = (0.237, 0.706) (3.17) gegeben ist. Da die höheren Stabilitätsbereiche II und III mit Mathieu-Parametern (au , qu )II ≈ (0.02, 7.57) und (au , qu )III ≈ (3, 3) in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle spielen, soll hier nicht weiter auf sie eingegangen werden; näheres dazu findet man in [Daws1995] und [Du1999]. Die mathematischen Grenzen βy = 0 und βx = 1 des 1. Stabilitätsbereiches sind als rein theoretisch anzusehen. Für eine lineare Paulfalle bzw. realen Quadrupolmassenfilter endlicher Größe müssen die Grenzen des realen Stabilitätsbereiches zwingend innerhalb dieses Gebietes liegen, da die Ionenbahnen noch zusätzlich durch weitere Bedingungen, wie etwa den endlichen Abstand der Elektroden, eingeschränkt werden (siehe Kap. 3.1.4.2). Bei einer vorgebenen Wahl der Spannungen U , V sowie festen Werten für r0 und Ω liegen gemäß Gl. (3.9) alle Massen m auf einer Arbeitsgeraden au /qu = 2U/V = const. (siehe Abb. 3.3(B)), die nicht von der Masse und Ladung des eingeschossenen Ions, sondern nur vom Verhältnis der Gleichspannungs- und Wechselspannungsamplitude U/V abhängt. Legt man die Arbeitsgerade mit konstantem au /qu einer linearen Paulfalle durch den Nullpunkt des (au , qu )Diagramms, so definieren die Schnittpunkte der Arbeitsgeraden mit den Begrenzungslinien βy = 0 und βx = 1 des Stabilitätsdreiecks ein Intervall [q1 , q2 ], welchem mit der Transformationsgleichung (3.9) eindeutig ein Massenintervall ∆m zugeordnet werden kann. Nur die darin enthaltenen Ionenmassen gelangen auf stabilen Bahnen durch das Spektrometer (in dem gewählten Beispiel die Masse m2 ). Die anderen Ionenmassen werden gegen die Quadrupolstäbe beschleunigt oder lateral aus dem Feld geworfen. Zu schwere Ionen (m1 ) sind x-stabil und y-instabil, während zu leichte Ionen (m3 ) x-instabil und y-stabil sind. Eine Vergrößerung der Steigung der Arbeitsgeraden bewirkt eine Annäherung an die Spitze des Stabilitätsdreiecks; der Massenbereich ∆m wird schmäler und nähert sich ∆m = 0. Im Extremfall U/V = a0 /(2q0 ) ≈ 0.168 ist der Quadrupol-Massenfilter nur noch für Ionen einer exakt bestimmten Masse durchlässig bzw. die lineare Paulfalle speichert nur noch eine bestimme Masse. 28 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN In der Nähe der Spitze des Stabilitätsdreiecks lässt sich das theoretische Massenauflösungsvermögen < = m/∆m aus den beiden Schnittpunkten der Arbeitsgeraden mit den Randkurven des stabilen Bereiches als Funktion des Quotienten U/V berechnen: <≈ 0.126 0.126 = 0.16784 − U/V (0.16784 − γ) + δ/V . (3.18) Die Auflösung kann über den Quotienten U/V , d.h. über die Steigung der Arbeitsgeraden gemessen in Bruchteilen von 0.16784 = a0 /2q0 , variiert werden. Experimentell wird dies gewöhnlich durch Anpassung der Beziehung U = γV − δ erreicht. Dabei bestimmt der Arbeitsparameter γ die Auflösung. Der Parameter δ ist ein zusätzlicher Gleichspannungsoffset. Für δ = 0 wird eine konstante Auflösung < des Massenfilters garantiert. Mit der Wahl γ = 0.16784 und δ 6= 0 ist die Auflösung < proportional zur Wechselspannung V und somit auch proportional zur Ionenmasse m. Dies ist die Bedingung für einen konstanten ∆m Modus, bei dem die Breite des transmittierten Massenbereichs konstant und unabhängig von der Masse ist. Die Beziehung (3.18) wurde unter der Voraussetzung hergeleitet, dass das Quadrupolfeld in z-Richtung unendlich lang ist, denn nur für t → ∞ streben die instabilen Ionenbahnen gegen ∞. In der Praxis genügt es zu verlangen, dass die Ionen eine bestimmte Anzahl n von Hochfrequenzperioden im Massenfilter bzw. in der Paulfalle der Länge L ausführen, die groß genug ist, um die Amplituden instabiler Bahnen so weit aufzuschaukeln, dass die Ionen schließlich auf die Elektroden treffen. Die Frequenz des Wechselfeldes bzw. die Länge der linearen Paulfalle muss also gewährleisten, dass die Verweilzeit der Ionen im Feld sehr viel größer ist als die Dauer einer Hochfrequenzperiode. Durch Umformung der Transformationsgleichungen (3.9) zu U= ay mr02 Ω2 qy mr02 Ω2 qx mr02 Ω2 ax m2 r02 Ω2 =− , V = =− 8e 8e 4e 4e (3.19) wird die Wirkungsweise des Quadrupols als Massenspektrometer deutlich. Bei konstantem r0 und Ω erhält man durch Einsetzen der einzelnen Ionenmassen aus dem (au , qu )Stabilitätsdiagramm die Stabilitätsdiagramme für die einzelnen Massen im (U, V )-Raum. Abb. 3.4: Die in den (U, V )-Raum transformierten Stabilitätsdiagramme 1. Ordnung für die Massen m1 < m2 < m3 . 3.1. DIE PAULFALLE 29 Wie Abb. 3.4 verdeutlicht, entsprechen die Stabilitätsdiagramme für die Massen m1 < m2 < m3 der Form nach demjenigen im (au , qu )-Raum, sind aber nach Gl. (3.19) mit massengewichteten Faktoren gestreckt. Ändert man die an den Elektroden liegenden Spannungen U und V gleichzeitig und proportional, d.h. au /qu bleibt konstant, so bewegt man sich entlang der Arbeitsgeraden und verschiebt Ionen immer größer werdender Masse in den stabilen Bereich. Es resultiert ein massenaufgelöstes Spektrum. Auf der V -Achse, d.h. für U = 0, wird der Massenfilter bzw. die lineare Paulfalle im ,,rfonly” Modus betrieben [Daws1985]. Es liegt Stabilität für 0 < qu < qmax = 0.92 vor (siehe Abb. 3.3(B)). Daraus folgt, dass sich alle Ionen mit Masse q 4eV 2 2 < m < ∞ auf stabilen Bahnen u r0 Ω bewegen. In diesem Falle wirkt das Quadrupolfeld wie ein Hochpass-Massenfilter. Man erhält ein integrales Spektrum, da jeweils an den Schnittpunkten der Stabilitätsdreiecke mit der Abszisse die Beträge der leichteren, aber stetig ansteigenden Massen weggeschnitten werden. 3.1.2.4 Frequenzspektrum der Lösungen und Ionenflugbahnen Aus der allgemeinen Lösung der Mathieu’schen Differentialgleichung (3.14) folgt, dass die Bahnen aller Ionen gleicher Masse sich nur in den Konstanten A und B entsprechend den verschiedenen Anfangsbedingungen u0 , u̇0 und Ωt0 unterscheiden. Daraus ergibt sich das Frequenzspektrum der Ionenbewegung für einen festen Arbeitspunkt (au , qu ) unter Verwendung von Ωt = 2ξ zu: Ω ωs,u = |2s + βu | s = 0, ±1, ±2, ... u = x, y . (3.20) 2 Wegen der Konvergenz der Koeffizienten c2s,u nach Gl. (3.16) für große |s| nehmen die Anteile der höheren Frequenzen rasch ab. Es ist zu betonen, dass Ionen unterschiedlicher Masse verschiedene Arbeitspunkte im Stabilitätsdiagramm und folglich verschiedene Koeffizienten c2s,u und βu haben. Die Frequenzspektren ihrer Bewegung, insbesondere die Grundfrequenz ω0,u = βu Ω 2 für s=0 , (3.21) sind verschieden. Zur Beschreibung der Ionenbewegung im Quadrupolmassenfilter bzw. in der linearen Paulfalle ist es am einfachsten, die beiden Spezialfälle mit den Arbeitspunkten nahe des Koordinatenursprungs und nahe der Stabilitätsspitze näher zu betrachten. Für den ersten Fall βu2 ¿ 1 kann die Kettenbruchgleichung (3.15) zu qu2 für |au | ¿ qu ¿ 1 (3.22) 2 genähert werden. Diese Näherung wird häufig bei Ionenfallen angewendet und adiabatische Näherung genannt. Es genügt, die Koeffizienten c2s,u mit s = 0, ±1 zu betrachten, für die in der Näherung (3.22) eine einfache Formel angegeben werden kann: qu c2,u = c−2,u = − c0,u . (3.23) 4 Die allgemeine Lösung der Mathieu’schen Differentialgleichung lautet demnach: µ ¶ h i p qu βu 2 2 u(t) = c0,u A + B · 1 − cos Ωt cos Ωt − ϕ (3.24) 2 2 ¶ µ 2 A − B2 . (3.25) mit ϕ = arctan A2 + B 2 Sie setzt sich aus zwei überlagerten Bewegungen zusammen: βu2 = au + 30 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN 1. der Makrobewegung, einer langsamen Schwingung mit der Frequenz ωu = βu 2 Ω, und 2. der Mikrobewegung, einer schnellen Schwingung mit der Führungsfeldfrequenz Ω, deren ¡1 ¢ Amplitude 2 qu jedoch klein ist gegen die der ersten Bewegung. Aus der Harmonizität der Schwingung folgt der Ansatz, die Bewegung der Ionen über ein effektives statisches Pseudopotential darzustellen, wobei man ausgehend von den Mathieuschen Differentialgleichungen (3.12) die Bewegung in einen Anteil niedrigerer und einen höherer (getrieben durch das Führungsfeld) Frequenz aufteilt. Dadurch lassen sich die Gleichungen lösen und man erhält die Bewegung eines harmonischen Oszillators mit den Säkularfrequenzen r r Ω qu2 Ω qu2 ωx = − au und ωy = + au (3.26) 2 2 2 2 in einem Pseudopotential der Tiefe 1 e2 V 2 eU Dx = mr0 ωx2 = + 2 2 4mr02 Ω2 (3.27) 1 e2 V 2 eU Dy = mr0 ωy2 = − . 2 2 4mr02 Ω2 (3.28) bzw. analog Der zweite Spezialfall nahe der Spitze des Stabilitätsdreiecks bei βx ≈ 1 und βy ≈ 0 (siehe Abb. 3.3(B)) ist vor allem für den Quadrupol-Massenfilter mit hohem Auflösungsvermögen m/∆m relevant. Die stabilen und instabilen Ionenbewegungen, die für den hyperbolischen Quadrupol-Massenfilter endlicher Ausdehnung resultieren, sollen anhand von Flugbahnsimulationen diskutiert werden. Abb. 3.5 zeigt typische aus diesem Spezialfall resultierende Flugbahnen eines ,,stabilen”3 Ions der Masse m2 (A), eines ,,instabilen”, zu leichten Ions der Masse m1 < m2 (B) sowie eines ,,instabilen”, zu schweren Ions der Masse m3 > m2 (C) in der (x, z)-Ebene (oben) und (y, z)-Ebene (unten). Der Ioneneintritt in den Massenfilter erfolgte jeweils parallel zur z-Achse. Man beachte die unterschiedlichen Achsenskalierungen für die einzelnen Projektionen. Die Frequenzen der jeweiligen Bewegung können Gl. (3.20) entnommen werden. Aus der Gleichung für das Potential in der Nähe der z-Achse folgt, dass die Komponenten der elektrischen Feldstärke (3.2) in der x- und y-Richtung jeweils der Koordinate x bzw. y proportional und unabhängig von der anderen Koordinate sind. Für positive Ionen wirkt das reine Gleichspannungsfeld nach Gl. (3.6) in der x-Richtung fokussierend, sie werden anfänglich zur Achse beschleunigt (Abb. 3.5(A), oben). Die Ionen führen ohne ein Wechselfeld stabile harmonische Schwingungen aus. Durch das Hinzufügen einer Wechselspannung V wird die Ionenbewegung ähnlich der eines Schwingungssystems, das ganz in der Nähe seiner Resonanzfrequenz angeregt wird [Brub1961]. Die Amplitude erreicht nach wenigen Schwingungen den bis zu 15fachen Anfangswert und klingt dann wieder ab; der Verlauf ist periodisch. Die Schwingungsfrequenz in der x-Richtung: ω0,x = β2x Ω ≈ 12 Ω ist etwa halb so groß wie die angelegte Wechselspannungsfrequenz Ω. In der y-Richtung wirkt gemäß Gl. (3.7) das reine Gleichspannungsfeld auf positive Ionen defokussierend (Abb. 3.5(A), unten). Für achsennahe Eintrittsorte erfahren die Ionen zu Beginn nach außen gerichtete, defokussierende Kräfte, die jedoch mit wachsender Auslenkung für stabile Ionenflugbahnen durch die zunehmende Wirkung des Wechselfeldes rückläufig gemacht 3 Die Begriffe ,,stabile” bzw. ,,instabile” Ionen werden hier als vereinfachte Bezeichnungen für Ionen mit stabilen (beschränkte Maximalamplitude) bzw. instabilen (unbeschränkte Maximalamplitude) Flugbahnen verwendet. 3.1. DIE PAULFALLE 31 x-Auslenkung [mm] (A) (C) 8 0.12 6 6 0.09 4 4 0.06 2 2 0.03 0 0 0.00 -2 -2 -0.03 -4 -4 -0.06 -6 -6 -8 -8 8 0.09 6 y-Auslenkung [mm] (B) 8 z -0.09 -0.12 8 6 0.06 4 4 2 0.03 0 0.00 0 -0.03 -2 2 -2 -4 z -4 -0.06 -6 -6 -8 -0.09 m2 x, y stabil -8 m1 < m2 x instabil, y stabil m 3 > m2 x stabil, y instabil Abb. 3.5: Flugbahn eines stabilen Ions der Masse m2 (A), eines instabilen, zu leichten Ions der Masse m1 < m2 (B) sowie eines instabilen, zu schweren Ions der Masse m3 > m2 (C). Darstellung jeweils in der (x, z)- und (y, z)-Ebene. werden. Das Ion erreicht wieder die z-Achse. Durch die Differenz der entgegengesetzt wirkenden Beschleunigung des Gleich- und Wechselfeldes wird die mittlere zeitliche Bahn des Ions bestimmt. Die resultierende Beschleunigung ist proportional zur Auslenkung des Ions, d.h. die Bewegung ist harmonisch. Wie für die x-Ionenbewegung beträgt auch hier die Maximalamplitude etwa das 15fache des Anfangswertes. Wegen βy ≈ 0 setzt sich die y-Ionenbewegung im Wechselfeld nach Gl. (3.20) und (3.24) aus einer Makroschwingung, mit der langsamen β Frequenz ω0,y = 2y Ω, und einer schnelleren etwa synchron mit der ³Frequenz ´ Ω der Wechβ selspannung erfolgenden Mikroschwingung, mit der Frequenz ω1,y = 1 + 2y Ω, zusammen. Zusätzlich treten die Frequenzen der höheren Entwicklungsterme mit s > 1 auf, jedoch mit deutlich kleineren Amplituden; sie sind in Abb. 3.5 nicht sichtbar. Zu leichte Ionen mit m1 < m2 führen aufgrund zu starker defokussierender Kräfte in der x-Richtung eine instabile Bewegung aus (Abb. 3.5(B), oben), d.h. ihre Schwingungsamplitude schaukelt sich in der (x, z)-Ebene exponentiell auf, bis sie von den Elektroden weggefangen werden. In der (y, z)-Ebene verläuft die Schwingungsbewegung stabil (Abb. 3.5(B), unten). Für zu schwere Ionen mit m3 > m2 ist der Effekt gerade umgekehrt (Abb. 3.5(C)). Entlang einer Arbeitsgeraden sind Ionen mit (au , qu )-Parametern außerhalb des Stabilitätsdreiecks also immer nur in einer Koordinate instabil, während die Ionenbewegung für die andere Koordinate stabil verläuft. 32 3.1.3 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Die ideale dreidimensionale Paulfalle Eine dreidimensionale Speicherung der Ionen macht neben der zuvor beschriebenen radialen Speicherung auch die axiale Speicherung erforderlich. Da die Form und Art der Endelektroden bei den verschiedenen bisher in Experimenten verwendeten linearen Fallen nicht einheitlich ist, müsste man genaugenommen jeden speziellen Fall einzeln untersuchen. Ziel ist es aber immer, ein möglichst harmonisches statisches Potential zu erzeugen. Die unterschiedlichen Realisierungen wie z.B. hyperbolische Endkappen, gelochte Endbleche, Ringe um die Quadrupolstangen, Überlagerung von End- und Hauptsegmenten, Endstifte oder Endsegmente orientieren sich meist an der Zugänglichkeit der Ionen für Anregung und Nachweis, und man findet eher selten Hinweise auf Gründe, die das Potential betreffen. Grundsätzlich tritt allerdings durch ein elektrostatisches Potential in axialer Richtung ein defokussierender Effekt in radialer Richtung ein. Die Schwächung des Quadrupolpotentials wird in [Ghos1995] folgendermaßen beschrieben: Das statische Potential in axialer Richtung kann als harmonisches Potential angenähert werden µ ¶ ¢ κU 1¡ 2 2 2 Φs = 2 z − (3.29) x +y 2 z0 wobei z die halbe Länge des Endelektroden-Abstands und κ ein von der Fallengeometrie abhängender Faktor ist. U ist die an den Endelektroden anliegende Spannung. Die Elektrodenkonfiguration für die Erzeugung eines axialsymmetrischen Quadrupolpotentials zeigt Abb. 3.6. Abb. 3.6: Grundlegende Elektrodenkonfiguration zur Erzeugung eines axialsymmetrischen Quadrupolpotentials. Die inneren Flächen der Elektroden sind Hyperboloide und folgen den Äquipotentialflächen des elektrischen Feldes. s ωz = 2κqU mz02 (3.30) ist die axiale Schwingungsfrequenz der Ionen im parabolischen Pseudopotenial (siehe Abb. 3.7 links) der Falle. Das Pseudopotential wird geschwächt durch die Hinzunahme des statischen Potentials (Abb. 3.7 rechts) ¡ ¢ m Φr = (ωr0 )2 x2 + y 2 (3.31) 2q wodurch die effektive Kreisfrequenz der Makrobewegung ωr in folgender Weise reduziert wird: r 1 ωr0 = ωr2 − ωz2 . (3.32) 2 3.1. DIE PAULFALLE 33 R F + D C e le c tr ic p o te n tia l V e le c tr ic p o te n tia l V R F o n ly z r z r Abb. 3.7: Pseudopotential in einer Paulfalle. Links: nur ein rf Potential wird an die Falle angelegt. Rechts: ein zusätzlich angelegtes DC Potential. Eine geladenes Mikroteilchen in einer idealen dreidimensionalen Paulfalle führt somit eine Lissajous-ähnliche Bewegung aus. Eine solche Trajektorie zeigt Abb. 3.8 [Wuer1959]. Abb. 3.8: Beobachtete Lissajous-ähnliche Trajektorie eines geladenen Mikroteilchens in einer Paulfalle [Wuer1959]. 3.1.4 Die reale lineare Paulfalle Gegenüber der im vorangegangenen Abschnitt diskutierten idealisierten Paulfalle besitzt die reale lineare Paulfalle, wie sie in Abb. 3.9 dargestellt ist, eine Reihe von Unvollkommenheiten, die Abweichungen von der idealen Potentialverteilung hervorrufen und dadurch die Ionenbewegung beeinflussen. Diese sind u.a. die endliche Dimensionierung, die Näherung hyperbolischer Äquipotentialflächen durch kreisrunde Stäbe als Elektroden sowie Herstellungs- und Justagefehler. Es ist daher zwingend notwendig die reale lineare Paulfalle bzw. den realen Massenfilter zu betrachten. Einige mögliche Elektrodenkonfigurationen für Radiofrequenzionenfallen können Abb. 3.10 entnommen werden. 34 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Austrittsblende L Detektor Massen separierter Ionenstrahl y Linsen z Quadrupolfilterstäbe −Φ0 Ionenquelle R x r0 +Φ0 Abb. 3.9: Schematische Darstellung eines realen Quadrupol-Massenfilters bzw. linearen Paulfalle mit runder Stabgeometrie. Die Einlage kennzeichnet die Polarität des Potentials Φ0 in Bezug auf die kartesischen Koordinaten x und y, dem freien Feldradius r0 und dem Stabradius R. Abb. 3.10: Mögliche Elektrodenkonfigurationen für Radiofrequenzionenfallen. Im Folgenden wird zunächst die Abweichung vom idealen Quadrupolpotential durch die Verwendung runder Stäbe endlicher Länge und deren Auswirkungen auf die Bewegungsgleichungen und die maximal erreichbare Auflösung diskutiert. Anschließend wird auf die Beschränkung der maximalen Schwingungsamplitude durch den endlichen Abstand der Elektroden eingegangen. Weitere Abweichungen wie z.B. Justagefehler der Stabelektroden, Potentialschwankungen, Raumladungseffekte und Einwirkungen äußerer elektrischer und magnetischer Felder seien hier zwar erwähnt, werden aber nicht im Detail betrachtet. 3.1.4.1 Potentialbeschreibung und Bewegungsgleichungen bei runder Stabgeometrie Elektroden mit hyperbolischem Querschnitt zur Erzeugung eines echten Quadrupolpotentials, wie es der Mathieu’schen Differentialgleichung (3.12) zugrunde liegt, werden erst seit wenigen Jahren in Quadrupol-Massenfiltern eingesetzt. Auch die linearen Paulfallen sind zumeist aus runden Stäben aufgebaut. Die resultierende Abweichung vom idealen Feldverlauf macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn Resonanzeffekte auftreten, bei denen sich die Einwirkung kleiner Störungen zeitlich akkumulieren. Bei bestimmten (au , qu )-Werten innerhalb des Stabilitätsdreiecks kommt es zu instabilen Ionenbewegungen, die zu Transmissionseinbußen führen. Diesen Effekt bezeichnet man als nichtlineare Resonanzen [Busc1961, Daws1969, Daws1995], wobei die nichtlinearen Terme zu resonanter Anregung von Schwingungen mit großen bzw. 3.1. DIE PAULFALLE 35 unbeschränkten Amplituden führen. Eine Vielzahl von Studien wurden dazu in der dreidimensionalen Ionenfalle durchgeführt, da die nichtlinearen Resonanzen zu einem rapiden Verlust gespeicherter Ionen führen können [Wang1994, Fran1995, Wert1996]. Die allgemeinen Resonanzbedingungen für nichtlineare Terme in der linearen Paulfalle werden im Folgenden hergeleitet. Die Potentialverteilung in der (x, z)-Ebene eines Quadrupols bzw. einer linearen Paulfalle mit runden Stäben kann als eine unendliche Multipolentwicklung ausgedrückt werden [Busc1961], die ebenfalls die Laplace-Gleichung erfüllt. In Zylinderkoordinaten gilt: µ ¶m ∞ X r cos(mθ) (3.33) Φ(r, t) = [U + V cos(ωt)] · Cm r0 m=0 mit θ = arctan(y/x). Terme mit r−m treten nicht auf, da die Bedingung Φ(r, t) = 0 auf der Achse erfüllt sein muss. Die Entwicklungskoeffizienten Cm können als Funktion des Elektrodenradius numerisch ermittelt werden [Deni1971]. Im Falle einer perfekten vierfach-Symmetrie, bei der alle vier Stäbe den identischen Radius R haben und präzise im Abstand r0 von der z-Achse angebracht sind, dreht sich das Vorzeichen des Potentials um, wenn sich θ um ±π/2 ändert. Demzufolge muss die Bedingung ³ π´ cos m = −1 (3.34) 2 erfüllt werden. Dies impliziert, dass der Ausdruck für das Potential (3.33) nur die Terme mit m = 2, 6, 10, 14, ..., 2(2n + 1), ... annehmen kann. In allgemeiner Form folgt: Φ(r, t) = [U + V cos(ωt)] · ∞ P n=0 µ Cn r r0 ¶2(2n+1) × cos [2 (2n + 1) θ] . (3.35) Der erste Term (n = 0) in dieser Multipolentwicklung ist der Quadrupolterm, der zweite (n = 1) wird als Duodekapolterm, der dritte (n = 2) als 20-Pol-Term, usw. bezeichnet. Für den Spezialfall hyperbolischer Stäbe bleibt nur der erste Term übrig. Es resultiert die Mathieu’sche Differentialgleichung in der Normalform (3.12). Aufgrund der (r/r0 )-Abhängigkeit werden die Terme höherer Ordnung erst in der Nähe der Quadrupolstäbe, d.h. im äußeren Feldbereich, relevant und können zu einer messbaren Abweichung vom idealen Quadrupolpotential führen. Für die Herleitung der Bewegungsgleichungen muss die Beziehung (3.35) differenziert werden. In rechtwinkligen kartesischen Koordinaten lauten die Lösungen [Blau1998b]: d2 x dξ 2 = − [a + 2q cos(2ξ)] · ∞ X µ Cn (2n + 1) × n=0 x2 + y 2 r02 ¶2n × {x cos [2 (2n + 1) θ] + y sin [2 (2n + 1) θ]} d2 y dξ 2 = − [a + 2q cos(2ξ)] · ∞ X n=0 µ Cn (2n + 1) × x2 + y 2 r02 × {y cos [2 (2n + 1) θ] − x sin [2 (2n + 1) θ]} (3.36) ¶2n (3.37) mit ξ, a = ax = −ay und q = qx = −qy gemäß Gl. (3.9). Wichtig ist, dass der Quadrupolterm (n = 0) beider Bewegungsgleichungen nur von einer einzigen Koordinate x oder y abhängt. Im Gegensatz dazu sind die Bewegungsgleichungen in der x- und y-Richtung für die höheren Multipolterme der Feldentwicklung gekoppelt. Die beste Approximation an ein reines Quadrupolpotential erhält man durch Wahl des Elektrodenradius R derart, dass C1 = 0 ist und damit der 36 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Beitrag des 12-Pol-Terms, der die stärkste Abweichung des realen vom idealen Quadrupolpotential beinhaltet, verschwindet. Dayton und Mitarbeiter [Dayt1954] bestimmten als erste empirisch, dass sich das reale Quadrupolfeld bei einem Stab- zu freiem Feldradiusverhältnis von R/r0 = 1.148 dem Hyperbelfeld am besten annähert. Diese Anpassung liefert das größte Gebiet um die Achse, in dem der Feldstärkegradient konstant ist. In der Praxis werden die Quadrupolstäbe in ein geerdetes Gehäuse eingebaut, welches nur geringfügig größer ist als der Elektrodenaufbau selbst und somit zur Potentialverteilung beiträgt. Der Einfluss des Gehäuses auf den optimalen Stabradius ist aufgrund der Radialsymmetrie gering, es vergrößert aber stark den elektrischen Feldgradienten in der Nähe der 45◦ Ebenen zwischen den Stäben [Deni1971]. In einer späteren Arbeit [Lee1971] wird anhand von semianalytischen Rechnungen zur Potentialverteilung das ideale Verhältnis von Stab- zu Feldradius mit R = 1.14511 r0 =⇒ C1 = 0 (3.38) angegeben. Mit diesem Wert, der bei einer Fertigungspräzision der Stäbe von etwa 10 − 50 µm nur bis zur dritten Nachkommastelle relevant ist, resultiert als erster nicht verschwindender Störterm in der Multipolentwicklung (3.35) der 20-Pol-Term mit n = 2. Dieser Beitrag sowie der von Termen höherer Ordnung ist in der Nähe der z-Achse der linearen Paulfalle vernachlässigbar, wird aber in der nahen Umgebung der Stäbe signifikant. Eine Folge der Störterme höherer Ordnung ist das Auftreten von nichtlinearen Resonanzen, im Englischen auch häufig ,,stop-bands” genannt. Resonanzen zwischen der Ionenbewegung und einem Multipolmoment gerader Ordnung N des Feldes findet man bei den x-, y-Bewegungsfrequenzen, die der Beziehung Ω0 = Ω = n βy βx Ω + (N − n) Ω 2 2 für n = 0, 2, 4, 6, ..., N (3.39) genügen. Wird die bei der Herleitung von Gl. (3.35) geforderte Spiegelsymmetrie gegenüber der z = 0 Ebene gebrochen, so können grundsätzlich Multipolglieder beliebiger Ordnung auftreten. Ungerade Ordnungen beschreiben dabei asymmetrische, gerade Ordnungen hingegen spiegelsymmetrische Abweichungen vom idealen Quadrupolfeld. Neben den oben beschriebenen Fehljustagen stellen Frequenzfehler der Wechselspannung eine weitere Quelle für Störterme dar, weil sie Oberwellen im zeitlichen Feldverlauf hervorrufen. Diese Störglieder sind aber nur von untergeordneter Bedeutung. Die dominierenden Resonanzlinien niedrigster gerader und ungerader Multipolordnung sind in Abb. 3.11 mit Angabe der zugehörigen Resonanzbedingung eingezeichnet. Fährt der Arbeitspunkt bei einem Massenscan entlang der Arbeitsgeraden über die entsprechenden Stellen im Stabilitätsbereich hinweg, so sollte die Transmission durch den Massenfilter bzw. die lineare Paulfalle an den markierten Stellen ein lokales Minimum aufweisen. Eine quantitative Aussage über den Ionenverlust beim Durchlaufen einer nichtlinearen Resonanz kann an dieser Stelle nicht gegeben werden. 3.1.4.2 Einschussbedingungen und maximales Auflösungsvermögen Wie bereits erwähnt, entscheidet bei einem vorgegebenen Feld allein die spezifische Ladung Ze/m eines Ions bzw. der Arbeitspunkt (au , qu ), ob die Teilchenbahn stabil oder instabil ist. Anfangsort sowie Richtung und Größe der Anfangsgeschwindigkeit haben keinen Einfluss auf die Stabilität. Die zusätzliche Einschränkung der Amplitude stabiler Bahnen durch die endliche Ausdehnung des Elektrodensystems führt allerdings zu einer oberen Grenze für die Transversalgeschwindigkeit der Ionen in x- und y-Richtung sowie zu einer Begrenzung des Einschussbereiches der Ionen. So dürfen die maximalen Schwingungamplituden xmax und ymax , die selbst 3.1. DIE PAULFALLE 37 aa/q 2U/V u/qu==2U/V Abb. 3.11: Die nichtlinearen Resonanzlinien 3. (strichpunktiert), 4. (punktiert), 6. (durchgezogen) und 10. (gestrichelt) Ordnung im Stabilitätsdiagramm des Massenfilters. bei parallelem Einschuss zur z-Achse leicht eine Größenordnung über den Startwerten liegen, nicht den freien Feldradius r0 (siehe Abb. 3.9) überschreiten. Die Maximalamplitude einer Ionenflugbahn ergibt sich aus der Bewegungsgleichung (3.14) zu: |umax | = ∞ p X A2 + B 2 · |c2s,u | mit u = x, y . (3.40) s=−∞ Die Koeffizienten A (ξ0 , u0 , u̇0 ) und B (ξ0 , u0 , u̇0 ) sind durch die Anfangsbedingungen vorgegeben und können aus dem Fundamentalsystem u (ξ0 ) = A · uI (ξ0 ) + B · uII (ξ0 ) (3.41) u̇ (ξ0 ) = A · u̇I (ξ0 ) + B · u̇II (ξ0 ) berechnet werden. Für den Betrag der maximalen Schwingungsamplitude folgt: |umax | = ∞ X 1 · |c2s,u | · − u̇I · uII s=−∞ uI · u̇II q [u0 · u̇II (ξ0 ) − u̇0 · uII (ξ0 )]2 + [u̇0 · uI (ξ0 ) − u0 · u̇I (ξ0 )]2 . (3.42) Trägt man die zu einer festen Phase ξ0 gehörigen Orts/Geschwindigkeits-(u0 , u̇0 )-Paare in ein Phasenraum-Diagramm ein, so erhält man eine Kollektion von Akzeptanzellipsen [Daws1995, Mars1998]. In Abb. 3.12 sind einige ausgewählte Akzeptanzellipsen für au = 0 und βu = 0.2, 0.5, 0.8 dargestellt. Normiert auf den freien Feldradius umax = const. = r0 des 38 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Abb. 3.12: Phasenraum-Akzeptanzellipsen für verschiedene Punkte βu im Stabilitätsdreieck. Die Eintrittsphasen sind: (a) ξ0 = 0 (b) ξ0 = π/4 (c) ξ0 = π/2 (d) ξ0 = 3π/4. Quadrupols beschreiben diese den kompletten Satz an Anfangsparametern, die zu einer Transmission des Ions bei der entsprechenden Phase des Wechselfeldes führen. Im Falle der ,,rf-only” betriebenen linearen Paulfalle (U = 0) sind die x- und y-Ionenbewegungen und demzufolge auch die resultierenden Akzeptanzellipsen identisch. Dies gilt nicht für au 6= 0 bzw. U 6= 0. Maximale Transmission der erwünschten Masse wird nur dann erreicht, wenn das Phasenraumvolumen des (im Ionisationsprozess) erzeugten Ionenensembles innerhalb der dunkelgrau schraffierten Flächen liegt. Denn nur in diesem Bereich ist gewährleistet, dass die (umax , u̇max )-Paare für alle Einschussphasen kleiner als die gegebenen Randbedingungen bleiben. Eine weitere Limitierung realer Quadrupole bzw. linearer Paulfallen gegenüber dem idealisierten Fall ist die endliche Länge der Stäbe. Um eine vollständige Massenselektion zu erreichen, müssen alle Ionen falscher Masse eine genügend starke transversale Beschleunigung erfahren und zudem lange genug im Feld verweilen. Wolfgang Paul veröffentlichte in seiner Arbeit von 1958 [Paul1958] eine einfache Beziehung zwischen dem maximalen Auflösungsvermögen <max und der Anzahl an Hochfrequenzperioden N , die das Ion während des Durchquerens des Massenfilters ausführt: <max = m/∆m ≈ N 2 /12.25 . (3.43) ∆m gibt die Halbwertsbreite (FWHM) des Massenpeaks m an. Diese Abschätzung ist gültig für vernünftige Transmissionswerte und wurde in einer Reihe von weiteren Arbeiten bestätigt (siehe z.B. [Daws1995, Blau1998b]). Sie basiert auf der Tatsache, dass bei hoher Auflösung die Arbeitsgerade nahe der Spitze des Stabilitätsdreiecks verläuft. In diesem Fall erfolgt gemäß Kap. 3.1.2.4 die Mikroschwingung des Ions in derpy-Richtung nahezu synchron zur Hochfrequenz ν des Wechselfeldes und es gilt: N = νt ≈ νL m/2E. Die Anzahl an RF-Zyklen kann demnach durch Verringerung der axialen Geschwindigkeit des Ions, durch Erhöhung von ν und/oder durch Vergrößerung der Stablänge des Massenfilters L erhöht werden. Bei einer vorgegebenen Auflösung <max liefert dies eine obere Grenze für die maximal erlaubte axiale Ionenenergie Emax : 2 <max ≈ 0.0426L2cm νMHz mamu /Emax,eV . (3.44) Für ein System mit L = 21 cm und ν = 2.9 MHz wäre beispielsweise zum Erreichen einer Auflösung <max > 1000 bei einer Massenzahl m = 40 amu eine Ionenenergie Emax < 6 eV Voraussetzung. Wird der Massenfilter im Bereich niedriger Auflösung eingesetzt, so bestimmen die experimentellen Parameter U und V die Auflösung, und man kann näherungsweise Gl. (3.18) des idealen unendlich langen Quadrupol-Massenfilters verwenden. 3.1. DIE PAULFALLE 3.1.4.3 39 Transmissionspeakformen des Quadrupol-Massenfilters In diesem Abschnitt sollen die Auswirkungen der vorgenannten Abweichungen auf die allgemeine Form eines Massenpeaks beschrieben werden, wie es in Abb. 3.13 skizziert ist [Blau2000a]. Der durch die Steigung der Arbeitsgeraden vorgegebene Bereich ∆qu , der zur stabilen Transmission führt, ist in Abb. 3.13(A) dargestellt. Der ideale Massenfilter sollte einen rechteckförmigen Massenpeak liefern (Abb. 3.13(B)). Wie diskutiert, führt die endliche transversale Ausdehnung des realen Quadrupols zu einem Verlust von Ionen auf an sich stabilen Bahnen, wenn deren Startparameter nicht in der Akzeptanzellipse des Massenfilters liegen. Das Akzeptanzvolumen nimmt nahe der Grenzen des Stabilitätsdreiecks stark ab, und man erhält einen Massenpeak (A) e gerad s t i e Arb (B) (C) (D) Abb. 3.13: Entwicklung der realen Massenpeakformen. Gezeigt sind die Spitze des ersten Stabilitätsbereiches (A), die erwarteten Peakformen für ein ideales unendliches Feld (B), für ein transversal limitiertes Feld (C) sowie für ein endliches Feld limitiert in transversaler und longitudinaler Dimension (D). 40 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN mit Rundungen. Dies rührt daher, dass Ionen mit (au , qu )-Werten nahe den Stabilitätsgrenzen deutlich größere Maximalamplituden besitzen als in der Mitte des stabilen Bereiches und demzufolge ein Teil der Ionen trotz stabiler Flugbahnen aufgrund des limitierten freien Feldradius r0 von den Stäben weggefangen werden. Wegen der unterschiedlichen x- und ySchwingungsbewegung (siehe Abb. 3.5) ist dieser Effekt zur größeren Massenseite hin ausgeprägter. Folglich wird der flache Transmissionspeak asymmetrisch rund mit einer leichten Verschiebung des Peakmaximums zur kleineren Massenseite hin, wie in Abb. 3.13(C) verdeutlicht. Aufgrund seiner endlichen Länge besitzt ein realer Quadrupol ein zwar kleines, aber endliches Akzeptanzvolumen für Ionen falscher Masse. Dies führt dazu, dass Ionen auf instabilen Flugbahnen den Quadrupol passieren können, wenn ihre Startparameter innerhalb dieser Akzeptanzellipse liegen. Daraus resultieren gemäß Abb. 3.13(D) Ausläufer an den Massenpeaks, die zur kleineren Massenseite hin stärker sind (wiederum aufgrund der unterschiedlichen x-y-Bewegungsklassen). Die Peakform wird darüberhinaus durch Randfelder am Massenfiltereintritt und -austritt [Brub1968, Daws1971, Hunt1989, McIn1989] sowie durch die in Kap. 3.1.4.1 hergeleiteten nichtlinearen Resonanzen verändert. Letztere bewirken zusätzliche schmale Strukturen auf den Massenpeaks. Die exakten Lagen der möglichen nichtlinearen Resonanzen können durch die Multipolentwicklung der Quadrupol-Feldverteilung (3.35) bzw. durch Abb. 3.11 vorhergesagt werden. Für die Massenanalyse sind insbesondere die Resonanzlinien, die durch die Spitze des Stabilitätsdreiecks hindurchgehen, von größerer Bedeutung. Denn nur diese werden bei hohem Massenauflösungsvermögen von der Arbeitsgeraden au /qu = 2U/V geschnitten. Sie führen zu Unsicherheiten in der Transmission und somit zu Ionenverlusten. 3.1.5 Die reale dreidimensionale Paulfalle In der experimentellen Wirklichkeit treten einige Abweichungen vom idealen Verhalten von dreidimensionalen Paulfallen auf. Es gibt eine Reihe von Effekten, die dazu führen, dass die Potentiale nicht mehr die exakte Form haben, was teilweise erhebliche Auswirkungen auf Speicherdauer, Laserkühlen etc. hat. Eine recht detailierte Untersuchung (sowohl theoretisch als auch experimentell) findet sich für die klassische Paulfalle bei [Ghos1995, Majo2004]. Diese Effekte wurden bereits für die lineare Paulfalle behandelt und sollen hier nur qualitativ diskutiert werden. Störungen des idealen Quadrupolpotentials werden u.a. verursacht durch: - Justageungenauigkeiten beim Zusammenbau der Falle sowie die technische Unmöglichkeit, unendlich ausgedehnte hyperbolische Elektroden zu bauen. In der Praxis verwendet man runde Stangen, da diese exakter gefertigt werden können und das Potential in der Nähe der Fallenachse dennoch gut als Quadrupolpotential angenommen werden kann. - Kontaktpotentiale durch Ablagerungen auf den Kupferelektroden, verursacht vom Ofen beim Erzeugen der Ionen. Die dadurch entstehenden statischen Dipolfelder führen zu einer verschobenen Gleichgewichtslage der Ionen außerhalb der Fallenmitte. Somit sind die Ionen dem Führungsfeld ausgesetzt, was in einer erhöhten Mikrobewegung resultiert. Der Dopplereffekt 1. und 2. Ordnung wird so größer und die Aufheizung durch Restgasstöße nimmt zu. - die Raumladung größerer Ionenwolken: die Ionen beeinflussen durch ihre Ladungsverteilung das Pseudopotential. Der sich daraus ergebende Abschirmeffekt führt zu einer Verschiebung der realen gegenüber den theoretischen Speicherparameter. Aufgrund von Abweichungen vom idealen Quadrupolfeld treten auch innerhalb des stabilen Bereichs Instabilitäten auf. Diese werden dadurch ausgelöst, daß die aufgelisteten Störungen zu höheren Multipolkomponenten des Potentials führen, und bei bestimmten Verhältnissen der Säkularfrequenzen ein Energietransfer von der einen in die andere Bewegungsrichtung stattfinden kann. Dies führt zu einer Aufweitung der Teilchenbahn und dadurch zum Verlust der 3.1. DIE PAULFALLE 41 Ionen. Diese sogenannten nichtlinearen Resonanzen treten entlang bestimmter Linien im Stabilitätsdiagramm auf. Weitere Folgen sind, daß die Säkularfrequenzen ortsabhängig werden (d.h. eine Bahnamplitudenänderung entspricht einer effektiven Änderung der Speicherparameter) und die Entkopplung der Bewegungen in axialer und radialer Richtung nicht mehr streng gilt. Die theoretischen Instabilitätslinien bzw. nichtlinearen Resonanzen im ersten Stabilitätsbereich der Paulfalle sind für die Störungen der Ordnung n = 3 bis n = 8 in Abb. 3.14 dargestellt. Die Ergebnisse der entsprechenden experimentellen Untersuchungen zeigt Abb. 3.15 [Alhe1996b, Alhe1997b]. Abb. 3.14: Theoretische Instabilitätslinien bzw. nichtlinearen Resonanzen im ersten Stabilitätsbereich der Paulfalle für Störungen der Ordnung n = 3 bis n = 8. Eine sorgfältige Justage beim Bau der Falle, sowie ein Ausgleichen von Kontaktpotentialen 42 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN durch zusätzlich an einzelne Elektroden angelegte Korrekturspannungen und die Wahl eines stabilen Arbeitspunkts sind die dem Experimentator zur Verfügung stehenden Maßnahmen. In einzelnen Fällen, wie z.B. zur Isotopentrennung [Alhe1996], kann eine Anregung der Ionen durch zusätzlich angelegte Multipolfelder oder durch gezieltes Ausnutzen der Instabilitäten durchaus erwünscht sein. Abb. 3.15: Experimentelle Instabilitätslinien bzw. nichtlinearen Resonanzen im ersten Stabilitätsbereich einer realen Paulfalle mit gespeicherten H+ 2 Ionen. Die Instabilitätslinien sind gemäß Abb. 3.14 zugeordnet, wobei Ω/2π auf 1 normiert wurde. Die Intensität der Grauschattierung ist proportional zur Anzahl der gespeicherten Ionen. 3.2. DIE PENNINGFALLE 3.2 43 Die Penningfalle Dieser Abschnitt behandelt die theoretischen Grundlagen zur Speicherung eines geladenen Teilchens in einer Penningfalle. Abweichungen von den idealen Speicherbedingungen durch die Speicherfelder selbst, sowie durch die Anwesenheit von mehreren Ionensorten werden betrachtet. Die notwendigen Schritte zur geeigneten Präparation und Anregung der gespeicherten Ionen werden aufgezeigt. Eine ausführliche Beschreibung des Systems eines geladenen Teilchens in einer Penningfalle befindet sich in dem Übersichtsartikel von L.S. Brown und G. Gabrielse [Brow1986] sowie in G. Bollen [Boll1990] und K. Blaum [Blau2006] im Hinblick auf Massenbestimmungen. In diesem Kapitel sind die wesentlichen Merkmale kurz aufgezeigt. 3.2.1 Kurze Historie Aus dem Gauß’schen Gesetz folgt, dass ein elektrostatisches Feld allein ein geladenes Teilchen nicht gleichzeitig in allen drei Raumrichtungen einschließen kann. Durch Überlagerung eines elektrischen 3D-Multipolfeldes mit einem magnetischen Dipolfeld ist es allerdings möglich. Dabei verhindert das in z-Richtung anliegende Magnetfeld das Ausbrechen des Ions in radialer Richtung, während das elektrische Feld für den axialen Einschluss sorgt. Die erste experimentelle Verwirklichung dieser Idee gelang Frans Michel Penning in den 1930er Jahren. Hans Dehmelt realisierte 1959 ein elektrisches Quadrupolfeld durch das Anlegen einer einfachen Gleichspannung an Elektroden, deren Form sich den hyperbolischen Äquipotentialflächen des 3D-Quadropolfeldes annähert. Diese Geometrie wird bis heute für Präzisions-Penningfallen verwendet. 3.2.2 Die ideale Penningfalle Die dreidimensionale Speicherung eines geladenen Teilchens in einer Penningfalle beruht auf seiner Bewegung im elektromagnetischen Feld. Befindet sich ein Teilchen der Ladung q und der Masse m in einem starken, homogenen Magnetfeld B, das in z–Richtung zeigt, so bewegt es sich mit der Zyklotronfrequenz q ωc = B (3.45) m auf Kreisbahnen um die magnetischen Feldlinien und ist somit in radialer Richtung gebunden. Eine Speicherung in allen Raumrichtungen erhält man durch die zusätzliche Überlagerung eines schwachen, elektrostatischen Quadrupolpotentials der Form ¶ µ V0 1 V (z, ρ) = 2 z 2 − ρ2 , (3.46) 2d 2 gegeben in zylindrischen Koordinaten. Ein solches Potential kann durch eine Elektrodengeometrie von drei Rotationshyperboloiden erreicht werden, deren Oberflächen den Äquipotentialflächen identisch sind. Abbildung 3.16 (a) zeigt die geometrische Anordnung einer hyperbolischen Penningfalle, bestehend aus einer geschlossenen Ringelektrode und den beiden Endkappen. Mit anderen Käfigformen, wie z.B. der zylindrischen Falle in Abb. 3.16 (b) mit offenen Zylinderelementen als Elektroden, lässt sich ebenso ein speicherndes Potential in axialer Richtung erzeugen. V0 ist die angelegte Fallenspannung entsprechender Polarität zwischen der Ringelektrode und den beiden Endelektroden mit dem jeweiligen Minimalabstand ρ0 bzw. z0 zum Fallenzentrum. Die Größe µ ¶ 1 ρ20 2 2 d = z + (3.47) 2 0 2 ist ein Maß für die Dimension der Falle. 44 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Löst man die Bewegungsgleichungen [Brow1986] für alle Raumkoordinaten, ³ ´ ~ , mz̈ = qEz und mρ ~¨ = q E~ρ + ρ ~˙ × B (3.48) mit den elektrischen Feldstärken µ V0 Ez = − 2 z d und E~ρ = V0 2d2 ¶ ρ ~, (3.49) so erhält man als resultierende Bewegung die Überlagerung dreier entkoppelter Schwingungen (siehe Abb. 3.17) mit den charakteristischen Eigenfrequenzen (a) (b) B z B z z0 V0 r 0 r V0 r Abb. 3.16: Penningfalle mit hyperbolischen (a) und zylindrischen (b) Elektroden. Das Magnetfeld ist jeweils entlang der Fallenachse gerichtet. Zur Speicherung wird zwischen der Ringelektrode und den Endkappen die Fallenspannung V0 entsprechender Polarität angelegt. r ωz = qV0 md2 und ωc ω± = ± 2 r ωc2 ωz2 − . 4 2 (3.50) Die harmonische, axiale Schwingung mit der Frequenz ωz ist von der angelegten Fallenspannung V0 und den Geometrieparameter d abhängig. Die Bewegung in der Radialebene besteht aus den beiden überlagerten Kreisbewegungen mit einer schnellen reduzierten Zyklotronfrequenz ω+ und einer langsamen Magnetronfrequenz ω− . Eine Reihenentwicklung der radialen Eigenfrequenzen liefert die folgende Beziehungen: V0 ω− ≈ 2 (3.51) 2d B und V0 (3.52) ω+ ≈ ωc − 2 , 2d B für die radialen Eigenfrequenzen. Dies zeigt, dass die Magnetronfrequenz in erster Näherung unabhängig von der Masse des gespeicherten Teilchens ist. Zwischen allen Eigenfrequenzen 3.2. DIE PENNINGFALLE 45 b a Endkappe B c Magnetronbewegung (ν-) z r Ringelektrode rr+ V= Modifizierte Zyklotronbewegung (ν+) Axiale Bewegung (νz) Abb. 3.17: Schematische Darstellung der drei idealerweise unabhängigen Eigenbewegungen eines gespeicherten Teilchens in einer Penningfalle (a): Eine harmonische Schwingung im speichernden elektrischen Potential in axialer Richtung (ωz ), sowie die Überlagerung einer schnellen Kreisbewegung mit der reduzierten Zyklotronfrequenz (ω+ ) und der langsamen Magnetronbewegung (ω− ) in der Radialebene (b). Die Amplituden der Gesamtionenbewegung (c) liegt zur Vermeidung von Feldfehlern idealerweise unter einem Millimeter. gelten die Relationen: ωc = ω+ + ω− , ωc2 = 2 ω+ + 2 ω− + ωz2 , ω− < ωz < ω+ , 2ω+ ω− = ωz2 . (3.53) (3.54) (3.55) (3.56) Einige Beispiele zur Ionenbewegung in der Penningfalle sind in den Abbildungen 3.18 und 3.19 zusammengefasst. Radiale Trajektorienprojektionen sind in Abb. 3.18 dargestellt, dreidimensionale Trajektorien zeigt Abb. 3.19. Zur Bestimmung der Masse eines gespeicherten Teilchens ergibt sich zum einen die Möglichkeit die freie Zyklotronfrequenz (3.45) direkt über einen Flugzeitnachweis zu messen, wie später noch beschrieben wird. Zum anderen kann die Masse über die individuelle Beobachtung der Eigenschwingungen (3.54) durch Detektion des influenzierten Signals in den Fallenelektroden ermittelt werden. Diese Methode wurde bereits in Kapitel 2 vorgestellt. Als Beispiel sind in Tabelle 3.1 typische Werte der Eigenfrequenzen für eine hyperbolische Penningfalle aufgelistet. Die Fallendimensionen sind durch den Radius ρ0 = 6,38 mm und den einfachen Abstand zur Endkappe z0 = 5,5 mm gegeben. Die Speicherparameter betragen B = 7 T für das Magnetfeld und V0 = 10 V als typische Fallenspannung. Betrachtet werden Ionen der Massen A = 1 u, A = 133 u, A = 197 u und A = 250 u. 3.2.3 Die reale Penningfalle Abweichungen von der zuvor beschriebenen idealen Penningfalle mit harmonischem Speicherpotential, wie z.B. mögliche Inhomogenitäten und eine Dejustage der Achse des Magnetfeldes, ergeben für die gespeicherten Teilchen eine Frequenzabhängigkeit von den Bewegungsamplituden und eine mögliche Kopplung der einzelnen Eigenbewegungen. Dies schränkt die Präzision einer Messung der Schwingungsfrequenzen ein. Zudem modifiziert sich mit zunehmender Anzahl von geladenen Teilchen in der Falle die Tiefe des Speicherpotentials und einzelne Ionen tasten mit ihren unterschiedlichen Bewegungsamplituden verschiedene Speicherfelder ab, was insgesamt zu KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN 1 1 0.5 0.5 y / x0 y / x0 46 0 -0.5 0 -0.5 -1 -1 -0.50 0.5 1 -1 -0.50 0.5 1 x / x0 (b) x / x0 1 1 0.5 0.5 y / x0 y / x0 (a) -1 0 -0.5 -0.5 -1 -1 -1 -0.50 0.5 1 (c) 0 -1 -0.50 0.5 1 (d) x / x0 x / x0 Abb. 3.18: Einige radiale Projektionen von Ionenbewegungen mit r− = 2, 5r+ . Periodische Bahnen für√(a) ω+ /ω− = 2; (b) ω+ /ω− = 8; (c) ω+ /ω− = 9/2; (d) quasiperiodische Bahn für ω+ /ω− = 2 17. einer Verbreiterung und Verschiebung des Resonanzschwerpunkts einer Frequenzmessung führen kann. Die genannten Aspekte werden im Folgenden diskutiert. 3.2.3.1 Elektrische Feldfehler Die Harmonizität des elektrischen Potentials ist gestört durch die nur endliche Ausdehnung der Elektrodenoberflächen, die Bohrungen in den Endkappen der Falle zum Einfang und Ausschuss der Ionen, die Segmentierung der Ring- und der Endkappenelektroden zum Einkoppeln des Anregungssignals und zur Detektion des Ionenstromes, sowie durch mechanische Fertigungstoleranzen und Ungenauigkeiten beim Zusammenbau der Fallenelektroden. Das reale Speicherpotential lässt sich für Bewegungsamplituden ρ in der Nähe der Fallenmitte (ρ ¿ ρ0 ) durch eine Entwicklung nach Legendrepolynomen angeben ³ ρ ´k 1 X V 0 = Videal + V0 Ck Pk (cos θ) . 2 d ∞ (3.57) k=0 Wegen der Symmetrie unter der Transformation von z → −z, verschwinden die ungeraden Ordnungen in k. Der Term mit k = 2 verändert die Stärke des Quadrupolpotentials und führt zu einer Modifikation von ωz zu qV0 (1 + C2 ) (3.58) ωz2 = md2 3.2. DIE PENNINGFALLE 47 1 z/ x0 0 -1 -5 (a) 5 0 0 x/ x0 0 5 -5 y/ x0 1 z/ x0 0 -1 -5 (b) 5 0 y/ x 0 0 x/ x0 0 5 -5 Abb. 3.19: Trajektorien in drei Dimensionen mit den Startbedingungen r− = 50r √ + , rz = 0, 2r+ . (a) Periodische Bahn für ω+ /ωz = 6; (b) quasiperiodische Bahn für ω+ /ωz = 35. und damit auch zur Verschiebung von ω+ und ω− mit jeweils entgegengesetztem Vorzeichen. Die Summenfrequnz ωc bleibt unverändert. Terme höherer Ordnung (k ≥ 4) führen jedoch zu unerwünschten Frequenzverschiebungen, da diese von den Bewegungsamplituden der gespeicherten Teilchen abhängen. Zusätzliche Elektroden zwischen der Ringelektrode und den Endkappen, bzw. an die Endkappe anschließend, ermöglichen das Anlegen einer Korrekturspannung, die anharmonische Anteile des Potentialverlaufs kompensieren soll. 3.2.3.2 Magnetische Feldfehler Neben Einflüssen aufgrund von Inhomogenitäten des supraleitenden Magneten führt das starke, homogene Magnetfeld B0 zu einer Magnetisierung der in den Magneten eingebrachten Materialien der Ionenfallenapparatur und damit je nach Größe und Betrag ihrer magnetischen Suszeptibilität zu lokalen Veränderungen in der Feldstärke und in den Eigenfrequenzen. Die linearen Beiträge zur Magnetfeldänderung werden durch die Ionenbewegung weggemittelt. Terme der nächsthöheren Ordnung, durch einen quadratischen Offset ∆B(β2 ) zum magnetischen Feld beschrieben: £¡ ¢ ¤ ∆B = β2 z 2 − ρ2 /2 · z − z · ρ , (3.59) B0 ergeben analog zum Fall der elektrischen Feldfehler eine Frequenzverschiebung, die von der Größe der Bewegungsamplituden abhängt: · µ ¶ µ ¶¸ ρ2+ ρ2− ∆ωc ωc ωc 2 = β2 (z − 1− − 1+ . (3.60) ωc 4 ω+ − ω− 4 ω+ − ω− 3.2.3.3 Asymmetrie der Fallengeometrie und Fehljustage Eine Verkippung der Magnetfeldachse relativ zur Symmetrieachse der Fallenelektroden und somit zur Achse des elektrischen Potentials, sowie die Abweichung des Quadrupolpotentials von einer perfekten Zylindersymmetrie können allgemein durch µ ¶ 1 1 2 1 2 2 2 2 2 V = mωz z − (x + y ) − ε (x − y ) (3.61) 2 2 2 beschrieben werden, wobei zusätzlich zum Quadrupolpotential (3.46) die quadratischen Änderungen durch den Asymmetrieparameter ε modelliert werden. Die Komponenten des 48 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Tabelle 3.1: Eigenfrequenzen νi = ωi /2π von einfach geladenen Ionen in einer hyperbolischen Penningfalle mit den Betriebsparametern ρ0 = 6,38 mm, z0 = 5,5 mm, V0 = 10 V und B = 7 T für Ionensorten verschiedener Masse. A/u 1 133 197 250 ν+ 107,6 MHz 804,7 kHz 541,8 kHz 426,0 kHz νz 982,8 kHz 85,22 kHz 70,02 kHz 62,16 kHz ν− 4,487 kHz 4,512 kHz 4,525 kHz 4,535 kHz magnetischen Feldes, das um die Winkel θ und φ verkippt ist, schreiben sich zu Bx = B sinθ cosφ, (3.62) By = B sinθ sinφ, (3.63) Bz = B cosθ. (3.64) Als wichtigstes Resultat des so gewonnenen Gleichungssystems folgt eine Invarianzbeziehung zwischen den Eigenfrequenzen ωi einer nicht vollkommenen Penningfalle analog zu Gl. (3.54) ω 2c = ω 2+ + ω 2− + ω 2z , (3.65) die dazu dienen kann, die Justage des Magnetfeldes zu überprüfen. 3.2.3.4 Einfluss von gespeicherten Ionen anderer Massen Werden im Verlauf einer Frequenzmessung mehrere Ionen unterschiedlicher Masse gleichzeitig in der Penningfalle gespeichert, so können die kontaminierenden Ionen einen Einfluss auf die Lage der Linienmitte der zu untersuchenden Ionensorte haben. Diese Verunreinigungen sind durch den Produktionsprozess der Ionen vorgegeben. Beispielsweise handelt es sich an ISOLTRAP im Wesentlichen um weitere Isobare oder isomere Zustände eines Nuklids. Die Ergebnisse systematischer Untersuchungen mit 10 bis 30 gespeicherten Ionen, sowie einer Simulation zweier Ionen verschiedener Masse unter Einfluss der Coulombwechselwirkung sind in [Köni1991] und [Boll1992a] diskutiert. Haben die Ionen die gleiche Masse, so werden beide gleichermaßen mit einem Radiofrequenzfeld angeregt und damit keine Frequenzverschiebung beobachtet. Bei unterschiedlichen Massen hängt das Vorzeichen der Frequenzverschiebung vom Unterschied beider Resonanzfrequenzen relativ zu deren Linienbreiten (FWHM) ab. Sind die Frequenzen beider Ionensorten innerhalb ihrer Linienbreiten nicht zu trennen, so wird eine Resonanzkurve beobachtet, die schmäler ist als die Überlagerung beider Einzelresonanzen und beide Frequenzen verschieben sich in Richtung des gemeinsamen Schwerpunktes. Ist der Unterschied beider 3.2. DIE PENNINGFALLE 49 Ionenmassen so groß, dass deren Resonanzkurven einzeln aufzulösen sind, so beobachtet man eine Verschiebung beider Resonanzen zu niedrigeren Frequenzen hin. Der Betrag der Verschiebung ist in beiden Fällen von der Anzahl der gespeicherten Ionen abhängig. 3.2.4 Anregung der Ionenbewegung Jede der drei idealerweise voneinander entkoppelten Eigenbewegungen eines gespeicherten Ions stellt für sich gesehen einen frequenzscharfen harmonischen Oszillator dar, dem durch die resonante Einstrahlung eines elektrischen Wechselfeldes von außen Energie zugeführt werden kann. Abbildung 3.20 zeigt die Energieniveaus der einzelnen Eigenschwingungen, die sich zur Abb. 3.20: Energiediagramm von harmonischen Oszillatorniveaus eines spinlosen Teilchens gespeichert in einer idealen Penningfalle (siehe Abb. 3.17). Dabei bezeichnet ω+ die reduzierte Zyklotronfrequenz, ωz die axiale Frequenz und ω− die Magnetronfrequenz. Gesamtenergie des gespeicherten Teilchens addieren. Die Besonderheit der Magnetronbewegung ist, dass sie hauptsächlich durch ihren negativen Anteil an potentieller Energie bestimmt wird. Ein Erhöhen der Quantenzahl n− bzw. ein Vergrößern des Magnetronradius bedeutet in diesem Fall einen Verlust an potentieller Energie. Die resonante Dipolanregung kann allgemein dazu dienen, einzelne Eigenfrequenzen genau zu bestimmen. Eine Quadrupolanregung bei einer Summenfrequenz νi +νj führt zu einer Kopplung der beiden Bewegungen i und j mit einem Übergang zwischen den einzelnen Niveauschemata. Da die Eigenfrequenzen zum Teil massenabhängig sind (Gl. (3.45), Gl. (3.50)), lassen sich somit gespeicherte Ionenwolken manipulieren bzw. einzelne Ionenspezies nach ihrer Masse selektieren. Eine quantenmechanische Betrachtung der Bewegung eines gespeicherten Ions in der Penningfalle erfolgt in den Übungen. 3.2.4.1 Dipolanregung Eine Dipolanregung bei einer bestimmten Eigenfrequenz wird im Experiment angewendet, wenn die einzelne Eigenbewegung einer Ionensorte manipuliert werden soll. Dies kann dazu dienen, die 50 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Bewegungsamplitude bewusst zu vergrößern, oder um schließlich unerwünschte, kontaminierende Ionensorten aus der Falle zu entfernen. Zuvor muss die Eigenfrequenz über die resonante Anregung bestimmt werden. Sie kann beispielsweise durch eine Minimierung der Ionenzählrate nach dem Ausschuss aus der Penningfalle erkannt werden. Das Einstrahlen eines Dipolfeldes Ex für die radiale x–Komponente Ud · cos (ωrf t − φrf ) · x̂ (3.66) E~x = a geschieht über eine Wechselspannung der Amplitude Ud beim Radius a und der Frequenz ωrf . −Uq (a) (b) r +Ud r0 −Ud r r0 +Uq +Uq −Uq Abb. 3.21: Radiale Segmentierung der Ringelektrode zur Einstrahlung eines elektromagnetischen Wechselfeldes. (a) Das Einstrahlen einer Radiofrequenz an zwei gegenüberliegenden Ringsegmenten führt zu einem Dipolfeld. (b) Ein Quadrupolfeld lässt sich durch eine Anregung zwischen den jeweils gegenüberliegenden Segmenten eines viergeteilten Ringes erzeugen. Sie wird an zwei gegenüberliegenden Ringsegmenten der Falle (siehe Abb. 3.21 (a)) angelegt. Wird die Wechselspannung über die Endkappen eingestrahlt, so wirkt sie auf die axiale Bewegung. Bei geeigneter Phasenbeziehung zwischen Ionenbewegung φion und anregendem Feld φrf erhält man ein Anwachsen der Bewegungsamplitude, die der Dauer der Anregung Trf und der Anregungsamplitude Ed proportional ist. 3.2.4.2 Quadrupolanregung Die Quadrupolanregung bei der Summe von einzelnen Eigenfrequenzen kann zur Kopplung von Eigenbewegungen sowie zur Frequenzbestimmung genutzt werden. Möchte man z.B. zusammengesetzte Frequenzen messen, wie die zur Massenbestimmmung verwendete reine Zyklotronfrequenz ωc = ω+ + ω− (3.53), so erfolgt die Anregung über ein azimutales Quadrupolfeld mit der Frequenz ωrf , das an den jeweils gegenüberliegenden Segmenten der vierfach geteilten Ringelektrode eingestrahlt wird (siehe Abb. 3.21 (b)): 2Uq E~x = 2 · cos (ωrf t − φrf ) · yx̂ , a (3.67) 2Uq E~y = 2 · cos (ωrf t − φrf ) · xŷ . (3.68) a Dies bewirkt eine Kopplung der beiden Radialbewegungen, die im Resonanzfall ωrf = ωc zu einer vollständigen periodischen Konversion zwischen den beiden Bewegungsradien ρ+ und ρ− führt 3.2. DIE PENNINGFALLE 51 [Köni1995a, Köni1995b]. Abbildung 3.22 zeigt die berechnete Entwicklung der Bewegungsradien einer vollständigen Konversion einer anfangs reinen Magnetronbewegung in eine reine reduzierte Zyklotronbewegung. Die radiale kinetische Energie (ohne Dämpfung) Erad ändert sich wegen Erad,i ∼ ρi 2 · ωi 2 ebenfalls periodisch mit T = 2 Tconv , wobei Tconv = π · m a2 a2 · (ω+ − ω− ) ≈ π B. q 2Uq 2Uq (3.69) Mit ω+ À ω− und somit (ω+ − ω− ) ≈ ωc ist die notwendige Anregungsdauer Trf in erster Näherung nur durch das Magnetfeld B und die eingestrahlte Amplitude Uq bestimmt. (a) (b) Abb. 3.22: Konversion einer reinen Magnetronbewegung in eine reine Zyklotronbewegung aufgrund der Anregung durch ein azimutales Quadrupolfeld der Zyklotronfrequenz ωc = ω+ + ω− . Teil (a) und (b) zeigen die erste und die zweite Hälfte der Konversion. Die durchgezogene Kreislinie in (a) deutet den Startradius der Magnetronbewegung an (aus [Boll1990]). 52 3.3 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Kühlung von geladenen Teilchen Ganz allgemein bedeutet Kühlung die Erhöhung der Phasenraumdichte eines Atom- bzw. Ionenstrahls, d.h. die gleichzeitige Reduzierung der räumlichen Ausdehnung und der Winkeldivergenz (transversaler Impuls) des Teilchenstrahls und somit eine Reduzierung der Strahldivergenz. Dies verletzt das Theorem nach Liouville, das besagt, dass für eine gegebene Engergie (Geschwindigkeit) die Strahlemittanz ² [mm · mrad], d.h. das Produkt aus Strahlgröße und Winkeldivergenz, konstant sein muss, sofern ausschließlich konservative Käfte wirken. Abbildung 3.23 verdeutlicht das Theorem nach Liouville. Die Lösung besteht darin äußere Wechselwirkungen ins Spiel zu bringen, wie z.B. mit Elektronen bei der Elektronenkühlung, Atome bei der Puffergaskühlung oder Photonen bei der Laserkühlung. divergence p A = πε ! = const. divergence p size x size x Abb. 3.23: Veranschaulichung des Theorems nach Liouville. Die Emittanz, d.h. das Produkt aus Strahlgröße x und Winkeldivergenz (transversaler Impuls) p ist konstant. In der Paul- bzw. Penningfalle bedeutet ein Kühlen der Ionenbewegung eine Reduzierung der Bewegungsamplituden bzw. im quantenmechanischen Bild eine Verminderung der Quantenzahlen der Bewegungsmoden und somit auch eine Verminderung von Einflüssen elektrischer und magnetischer Feldfehler (siehe Kap. 3.1.5 und 3.2.3) auf die Eigenfrequenzen. Zusätzlich ist der Transfer eines gekühltes Ionenensembles durch die resultierende, geringere zeitliche Verteilung erleichtert. Für die Kühlung von Ionenensembles sind mehrere Verfahren bekannt, sechs davon sollen im Folgenden vorgestellt werden. 3.3.1 Puffergaskühlen Unter Anwesenheit eines leichten Puffergases verlieren die Ionen der Masse m mit der Geschwindigkeit ~v durch mehrfache Stöße mit den Gasmolekülen an kinetischer Energie. Dies wird durch eine geschwindigkeitabhängige Dämpfungskraft F~ = −δ · m · ~v , (3.70) mit dem Dämpfungskoeffizienten δ= q 1 p/pN · · m Mion T /TN (3.71) beschrieben, wobei Druck p und Temperatur T des Gases in Einheiten von Normaldruck und Normaltemperatur gegeben sind. Mion stellt die reduzierte Mobilität der Ionen im Gas dar. 3.3. KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN 53 Dies führt für die axiale und die reduzierte Zyklotronbewegung – die beide von der Ionenmasse abhängig sind – zu einer Reduzierung der Amplituden, während sich der Magnetronradius aufweitet [Sava1991, Köni1995a]. Ein Verlust der Ionen kann durch eine Ankopplung der Magnetronbewegung an eine der beiden anderen Eigenbewegungen verhindert werden. Wie in Kap. 3.2.4 beschrieben, bewirkt die zusätzliche Quadrupolanregung bei dem Seitenband ω+ + ω− = ωc eine starke Kopplung der beiden Radialbewegungen. Da ω+ À ω− wird die reduzierte Zyklotronbewegung schneller gekühlt (Gl. (3.70)). Dies ist in Abb. 3.24 (a) dargestellt. Unter Anwesenheit eines Puffergases beobachtet man eine schnelle Reduzierung des Zyklotronradius ρ+ , während der Magnetronradius ρ− langsam anwächst. Die Kopplung durch das Quadrupolfeld kann bei geeigneter Wahl von Druck und Anregungsamplitude zu einer Reduktion der Bahnamplituden aller Freiheitsgrade führen [Sava1991]. Ist die Anregung mit der wahren Zyklotronfrequenz ωc = qB/m zu einer Masse m resonant, bewirkt dies ein massenselektives Zentrieren einer Ionensorte, wie in Abb. 3.24 (b) dargestellt. Der Ausschuss von gespeicherten Ionen durch ein Diaphragma an der Ausgangsseite der Falle stellt somit eine Selektionsmöglichkeit für einzelne Ionensorten dar. Bei ISOLTRAP wird das massenselektive Puffergaskühlen zur Trennung von Isobaren mit einem Auflösungsvermögen von bis zu R = 105 verwendet [Raim1997]. Zudem ermöglicht die Bündelung der Ionenwolke einen leichteren Transfer zwischen zwei Fallen durch die resultierende, geringere zeitliche Verteilung der Ionen [Beck1997a]. (a) (b) Abb. 3.24: Radiale Ionenbewegung in einer puffergas–gefüllten Penningfalle. Der Kreuzungspunkt stellt den Mittelpunkt der Falle dar. (a) Unter Einfluss der geschwindigkeitsabhängigen Dämpfung beobachtet man eine schnelle Reduzierung des Zyklotronradius sowie ein langsames Anwachsen des Magnetronradius, das letztendlich zum Ionenverlust führt. (b) Die zusätzliche Anregung durch ein resonantes Quadrupolfeld bei ωc = ω+ +ω− bewirkt eine langsamere Abnahme des Zyklotronradius mit einer Verringerung des Magnetronradius und damit das massenselektive Zentrieren einer Ionensorte zum Fallenzentrum hin. 3.3.2 Widerstandskühlen Die Methode des Widerstandskühlens wird im Folgenden analog [Ghos1995] dargestellt. Diese Beschreibung bezieht sich auf den vereinfachten Fall eines Plattenkondensators mit dem Elektrodenabstand d. Betrachtet man das Kühlen der axialen oder der radialen Ionenbewegung mit der entsprechenden Geschwindigkeitskomponente v in der Penningfalle, werden die folgenden Beziehungen lediglich durch einen Geometriefaktor modifiziert. Oszilliert eine Ladung q zwi- 54 KAPITEL 3. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN schen den Platten eines Kondensators, die über einen Widerstand R verbunden sind, so fließt der Strom qv i= . (3.72) d Die im ohmschen Widerstand dissipierte Leistung P = dE/dt beträgt dE q2v2 q2E 1 = −R · i2 = −R · 2 = −R · =− E . 2 dt d md τ (3.73) Ausgehend von einer harmonischen Schwingung v = v0 · cosωt ist < mv 2 >= mv02 < cosωt >= 1 2 2 mv0 = E. Die aus Glg. (3.73) ersichtliche Zeitkonstante τ des Kühlprozesses: τ= md2 , Rq 2 (3.74) macht deutlich, dass das Widerstandskühlen für Ionen mit einem großen Ladungs-zu-MasseVerhältnis gut geeignet ist. Der Kühlprozess lässt sich durch einen großen Widerstand R maximieren. Dies geschieht durch die Ankopplung eines auf die Eigenfrequenz der Ionen abgestimmten Parallelschwingkreises. TUNED CIRCUIT z R = Q / ω+C . C .. L . R I P=RI 2 Abb. 3.25: Die Energie der reduzierten Zyklotronbewegung (ω+ ) kann an einen abgestimmten Schwingkreis der Güte Q = ω/∆ω abgegeben werden. Abbildung 3.25 stellt das Prinzip des Widerstandskühlens für die radiale Bewegung mit einem angeschlossenen Nachweiskreis dar. Dies wird für die axiale und die reduzierte Zyklotronbewegung am g–Faktor Experiment [Häff2003] an der Universität Mainz angewendet. Man erreicht z.B. für ein einzelnes mehrfach geladenes Sauerstoffion (16 O7+ ) mit einem angepassten Schwingkreis (Q = 2000, T = 4K) eine Kühlzeit von τ = 132 ms [Häff2003]. Am SHIPTRAP– Experiment mit einfach geladenen schweren Ionen (A = 250) sind die resultierenden langen Kühlzeiten für die Untersuchung von kurzlebigen Radionukliden nicht praktikabel, und es wird deshalb das Puffergaskühlen angewandt.