Stadtmorphologie und Klimawandel Welche Stadtstrukturen können den Klimawandel überleben? Gerhard Curdes, Prof. em. für Städtebau und Landesplanung Fakultät für Architektur, RWTH Aachen Beitrag zum 17. International Seminar on Urban Form, Hamburg, August 2010 Stadt und Klima sind ein altes Thema. Es bekommt nun mit dem Klimawandel überall eine neue Aktualität. Was bedeutet die Erwärmung für die Städte? Und wie haben sich Städte bisher mit ihren Strukturen auf das Klima eingestellt? Es läge nahe anzunehmen, dass sich historische Städte in unterschiedlichen Klimazonen deutlich unterscheiden müssten: In warmen Klimazonen offenere Städte, um die Durchlüftung zu fördern, in kalten Klimazonen Städte, die zur Minderung von Wärmeverlusten der Bauten dicht und eng gebaut sind. Die historischen Strukturen der Städte in beiden Klimazonen sind aber ähnlich: Sowohl in Nordeuropa, in Südeuropa als auch in den nordafrikanischen und arabischen Städten finden wir dichte Bebauungen und enge Strassen. Die Ähnlichkeiten gehen auf den gleichen physikalischen Vorgang zurück: Die Trägheit der Baumassen, äußere Temperaturveränderungen an die Innenräume abzugeben. Dies führt zu der Frage, welche der älteren und der neueren Strukturen dem Klimawandel eher Widerstehen können und was dafür zu tun ist. Dieser Artikel befasst sich mit der Frage, welche Lösungen in der Stadtbaugeschichte für Klimaprobleme gefunden wurden, wie die Eigenschaften unterschiedlicher morphologischer Strukturen einzuschätzen sind und welche der erwarteten Klimaänderung besser widerstehen können. 1. Stadt, Kultur und Klima Der Klimawandel stellt die Gesellschaften und die Städte vor enorme Herausforderungen. Man kann diese noch eine Zeit lang ignorieren und streitbar in Frage stellen. Aber entscheidend ist hier der Faktor Zeit. Es dauert, bis sich der Wandel in seinen Auswirkungen voll zeigen wird. Aber es dauert auch, die möglichen und notwendigen Maßnahmen und Technologien zu entwickeln und zu implementieren. Vor allem braucht es Zeit, adäquates Wissen und Verhalten zu erzeugen. Deshalb können Städte und die Gesellschaft mit der intensiven Suche nach Lösungen nicht länger warten. In der Herausforderung des Klimawandels stecken nicht nur Bedrohungen, sondern auch Chancen. Wenn es gelänge, den die Atmosphäre schädigenden Energiekonsum durch unschädliche und nicht begrenzte Erzeugungsformen, also im Kern durch solare Energieerzeugung, zu ersetzen, hätte die Menschheit eine Technologie zur Verfügung, mit der sie auch unwirtliche Räume besiedeln und Hitzeund Kälteperioden überstehen kann. Gleiches gilt für den anstehenden Umbau der Städte. Wir müssen jetzt anfangen, angemessene Lösungen zu entwickeln und zu erproben, so lange die Mittel und die Zeit dafür noch zur Verfügung stehen. Wenn wir wüssten, welche Elemente der städtischen Baustrukturen dauerhaft dem Klimawandel standhalten können, könnten wir Strategien entwickeln, die richtigen Prioritäten zu setzen und uns nicht in Bereichen verzetteln, die vielleicht langfristig nicht zu halten sind. Daher ist es Zeit, diese Fragen nun zu stellen. 1 Saskia Sassen befasst sich in ihrem Buch „Das Paradox des Nationalen, 2008 mit den Umschlagpunkten komplexer Systeme, die den Übergang von einer Ordnung zu einer anderen markieren. Könnte es sein, dass sich der Klimawandel langfristig zu einem jener Umschlagpunkte entwickelt, mit dem sich ganze Kulturen, auch die urbanen Kulturen, verändern? Dies hängt u. A. von den stadtmorphologischen Eigenschaften ihrer Städte ab. Welche Strukturen können den zu erwartenden Klimawandel besser überstehen? Und welche Zukunft kann die in der Stadtmorphologie eingeschriebene Stadtgeschichte langfristig haben? Nach dem Messina-Erdbeben 1908 (mit etwa 83.000 Toten) war der Hitzesommer 2003 mit ~ 70.000 2 Toten – überwiegend in den Städten – die zweitschwerste Naturkatastrophe der letzten 100 Jahre in 1 Europa. Was bedeutet die Erderwärmung für die Städte? Helle und grüne Dächer? Lüftungsschneisen? Abriss von Quartieren zugunsten kühlender Grünflächen? Sind es die offenen Bauweisen der Vorstädte und der Suburbs oder sind es die kompakten Strukturen der historischen Bauphasen vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, die dem Klimawandel am besten standhalten können? Wie verhält es sich mit den Städten in gemässigten und in heissen Klimazonen? Werden die Städte in den heissen Klimazonen allmählich unbewohnbar und der Norden muß sich nur etwas anpassen oder ist es eher umgekehrt, weil die nördlichen Städte an Anpassungsgrenzen stossen? Wir wollen diese hier etwas überspitzten Fragen am Beispiel von vier Aspekten nachgehen: Den Mechanismen des Stadtklimas, einigen historischen Strukturen, die an unterschiedliche Klimate angepasst waren, den Eigenschaften von ausgewählten Bautypen aus warmen und gemäßigten Klimaten und den Eigenschaften ausgewählter Baublöcke und Siedlungsformen am Beispiel von Aachen. . 2. Stadtklima Städte erzeugen ein eigenes Klima. Das Stadtklima in den gemäßigten Zonen wird geprägt durch ▪ die Wärmeinsel gegenüber dem Umland (~ +3 Grad) ▪ der Warmluftaufstieg erzeugt ein lokales Tiefdruckgebiet ▪ kühlere Luft vom Land zur Stadt strömt nach ▪ dieser Mechanismus wirkt, wenn der allgemeine Wind schwach ist. ▪ Innerhalb der Stadt wird der Wind beeinflusst durch die Strassen, (auf denen er eine höhere Geschwindigkeit erreicht) und durch Plätze und größere Freiflächen und durch die Oberflächenrauhigkeit. 3 ▪ Starkregen und Gewitter halten wegen der zahlreichen Kondensationskerne doppelt so lang an und geben mehr Niederschlag ab als vor der Stadt 4 . ▪ Die relative Luftfeuchtigkeit ist in Städten gegenüber dem Umland geringer. ▪ Kühlende Faktoren sind Schatten, Luftzug, kühle Gebäudeteile, U-Bahn- und Kanalnetze, Grün- und Wasserflächen. ▪ In den warmen und heißen Klimazonen kehren sich diese Faktoren teilweise um. Die heiße Umgebungsluft soll von den Städten ferngehalten und Kühle-Inseln angestrebt werden, wozu eine intensive Verschattung aller Energie aufnehmenden Massen (Gebäude, Strassen) gehört. ▪ Gebäudekühlung erfolgt über die Zufuhr von im Erdreich gekühlter Luft oder durch Klimaanlagen. Diese Faktoren wirkten auch in den frühen Städten. Es kam im Norden daher schon immer darauf an, die Verbesserung der Siedlungsdurchlüftung durch die Förderung der Frischluftzufuhr durch lokale Windsysteme in die Stadtkonzeption einzubauen. Ein ganz wesentlicher weiterer Faktor ist die Kompaktheit der Bebauung. Mit kompakten Bau- und Stadtkörpern vermindert sich der Austausch mit der umgebenden Atmosphäre. Sowohl in Nordeuropa, in Südeuropa als auch in den nordafrikanischen und arabischen Städten finden wir dichte Bebauungen und enge Strassen. Die Ähnlichkeiten gehen auf den gleichen physikalischen Vorgang zurück: Die Trägheit der Baumassen, äußere Temperaturänderung an die Innenräume abzugeben. Im Norden ist es vorwiegend die Wärme, die im Winter durch Wand-an-Wandbebauung in den Gebäuden gehalten werden soll und im Süden ist es die nächtliche Kühle, die durch Wand-an-Wandbebauung und verschattete Aussenflächen bewahrt werden kann. Nur in den feuchten Tropen muss wegen der hohen Luftfeuchtigkeit Kühlung über ständigen Luftzug hergestellt werde, was zu leichten, offenen Bauten führt. Um ein erträgliches Stadtklima zu erzeugen, kommt es daher vorwiegend auf folgende Aspekte an: ▪ Kompakte Baustrukturen zur Speicherung von Wärme oder Kühle ▪ Enge Strassen zur Verschattung der Bewegungsräume in den heißen Klimazonen ▪ Türme, Hochhäuser und Windtürme zur Erzeugung von Auftrieb bei windarmen Wetterlagen ▪ Genügend Strassen in der Hauptwindrichtung zur Entlüftung und Kühlung ▪ Kühlende und verschattende Oberflächen (Wasser, Grünflächen, Parks, Gründächer, Schatten spendende Straßenbäume) ▪ Kaltluftentstehungs- und Kaltluftdurchzugsgebiete an Berghängen. Wir betrachten hier keine topographisch unterschiedlichen Situationen, die für die jeweilige Stadt natürlich eine Rolle spielen, sondern stellvertretend zwei grundlegende Parameter: a) Die Kompaktheit der Gebäude und Baublöcke, b) die Fähigkeit der Strukturen zum Luftaustausch. 2 Die Kompaktheit wird gemessen an dem Verhältnis von Gebäudevolumen und äußerer Gebäudefläche, wobei die Bodenfläche eingerechnet und Wand-zu-Wandflächen abgezogen werden (Verhältnis von Außenflächen zum Volumen A/V). Die Fähigkeit zum Luftaustausch der Gebäude und Stadtstrukturen wird jeweils spezifisch behandelt. Energetisch führt eine kompakte Morphologie zu geschlossenen Baustrukturen, die Temperaturunterschiede nur allmählich aufnahmen, weil die in den Baumassen gespeicherte Temperatur durch Wand-an-Wandbauweise sich wegen der geringen Kontaktflächen zur Aussentemperatur nur allmählich verändert. Kompakte Strukturen mit großen Baumassen haben eine entsprechende Trägheit, die es erlaubt, den Tag-Nacht-Rhythmus für ein behagliches Innenklima auszunutzen. 3. Kompakte Städte in der Antike Es gab immer schon Gründe für kompakte Bebauungen: ▪ Der wertvolle knappe Raum innerhalb der Stadtmauern ▪ Kosteneinsparungen durch Wand-an-Wandbebauung ▪ Geringere Kosten für Strassen, Wasserver- und Entsorgung ▪ Geringere Entfernungen zu Versorgungspunkten (Brunnen, Beetstätten, Märkten) ▪ Aber auch die Trägheit kompakter Baumassen gegenüber Temperaturschwankungen. Zwei Beispiele mögen hier genügen: Ur (Fig. 1) im heutigen Irak und Mohenjo Daru (Fig.2) im heutigen Pakistan. Ur ist eine der ältesten mesopotamischen Städte (~4000-2800 BC). Man erkennt ein dichtes System von Bauten und engen Strassen, Gassen, Sackgassen und Gebäuden. Die Baumassen haben einen hohen Grad an Kompaktheit. Mohenjo Daru (2600 bis 1800 v. Chr. Teil der IndusKultur) zeigt eine dichte konzentrierte Bebauung mit geschlossen angebauten Strassen und Gassen. Man erkennt eine Hierarchie des Strassennetzes und Elemente von Hofbebauungen. Das Prinzip der auf innere Höfe orientierten Stadt und der geschlossenen Strassenfronten ist schon klar ausgebildet. 4. Kompakte Städte in warmen Klimazonen Es liegt natürlich nahe, jene Kulturräume und Städte heranzuziehen, die schon länger mit einem warmen bis heissem Klima zurecht kommen müssen. Besonders interessant sind dafür die islamisch geprägten Städte. Während die europäischen Städte die Gebäude zumindest mit einer Fassade hin zum Strassenraum orientieren und die Fassade Einblicke in die dahinter liegenden Räume gestattet, drehen die „islamischen“ Städte mit dem Hofhaus die Orientierung um: Die Fassade ist fast geschlossen. Die Gebäude kehren sich nach Innen und entwickeln dort ihre architektonische Schauseite. Die durch enge Strassen und Höfe bedingte Verschattung vermindert die Aufheizung der Gebäudewände. Lediglich die horizontalen Dachflächen sind der Strahlung voll ausgesetzt, die durch jedoch durch Verschattungselemente gemildert werden kann. Durch die Verwendung des Hofes als einzigem Freiraum konnten diese Städte viel kompakter bebaut werden. Allerdings begrenzt die Größe der Höfe auch die mögliche Höhenentwicklung. Während in der europäischen Stadt die Reserveflächen der Gärten später eine tiefere und höhere Bebauung erlaubten, sind der Höhenentwicklung der Hofhäuser engere Grenzen gesetzt. Ein Paradebeispiel ist die Stadt Shibam, Jemen (Fig.3), die mit 6-8 geschossigen bis zu 500 Jahre alten Häusern in einem Klima mit bis zu 42 Grad im Sommer offenbar existieren kann. Hier wirken die Verschattung der engen Strassen, die kompakte Bebauung und die großen Mauermassen klimaregulierend. Sie war eines der Vorbilder für den Plan des CO2 neutralen Stadtkonzeptes für Masdar City in Dubai. Die Kasbah in Algier (Fig.4) ist im Verglich mit Shibam niedriger bebaut, hat aber noch eine wesentlich höhere Dichte. Ähnliche Strukturen hat die Altstadt von Fees, Marocco (Fig.5). Aber auch Stadtbereiche aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts können kompakte Formen haben. Fig. 6 zeigt ein neueres Quartier mit Reihenhäusern inmitten von Rhyad, Saudi Arabia. Die Bauten haben mit den Nachbarbauten je eine gemeinsame Wand und relativ schmale Wohnstrassen. Allerdings gibt es kaum Baumbewuchs und auch die Dächer sind nicht verschattet. Der nahezu kostenlose Strom in diesen Ländern verhindert eine angemessene Klimavorsorge bei den Gebäuden. 5. Stadtmorphologie und Klima im Mittelalter Wie war diese Vorsorge in Europa? Das europäische Mittelalter hat auf der Basis optimierter Haustypen und Stadtanlagen einen Stadttypus hervorgebracht, der sich durch hohe bauliche Dichten, enge Strassen und umlaufende Stadtmauern auszeichnete. Die Haustypen bestanden zumeist aus giebelständigen schmalen Gebäuden, deren Breite sich aus der Länge von Tragbalken und der Mindestbrei3 ten von Räumen ergab. Im Spätmittelalter und den Perioden danach wurden Parzellen zusammengelegt, dennoch blieb die Kompaktheit ein beherrschendes Merkmal. Die hohen Dichten waren dem knappen ummauerten Raum geschuldet. Sie erhöhten sich im Hoch- und Spätmittelalter durch Übersprünge der Fassaden, durch Ausnutzung von Ecken und Hinterbereichen. Zum Klimaschutz trug auch die Stadtmauer als Windschutz und Schutz vor Temperaturabfluss bei. In der kleinen mittelalterlichen Eiszeit von 1600-1800 war dieser Schutz besonders wichtig. Klimatisch war mangelnder Luftaustausch in den Blockinnenbereichen und in den Strassen aber zugleich ein Problem, weil sich Rauch, Geruch und Feuchtigkeit verdichten konnten. Darauf wurde auch die Entstehung von Krankheiten zurückgeführt: „Die Auffassung, dass schlechte Luft, das Miasma, die Pest verursache, führte zu vielen Maßnahmen in den Städten, die zwar zunächst lediglich den Gestank bekämpften, aber auch indirekt die hygienischen Zustände verbesserten“5. An diesem Konflikt wird ein Dilemma deutlich: Kompaktheit hilft Energie zu sparen, kann aber durch mangelnden Laufaustausch zu Gesundheitsschäden führen. Betrachten wir nun exemplarisch einige mittelalterliche Städte. Am Beispiel von Aachen (Fig. 7) kann die sparsame Form der Parzellenbildung verfolgt werden. Die Strassen zu den Toren sind vollständig bebaut. Dahinter existiert noch viel unbebautes Land als Gartenfläche und Viehweide und zur Versorgung während einer Belagerung. Die Parzellen sind häufig schmal und tief. Manchmal wird eine breitere Parzelle mit zwei Gebäuden bebaut. Gekrümmte Strassen entstehen durch neue Stadttore, auf die die Strassen nach dem Bau der 2. Stadtmauer zugeführt werden mussten. Soweit krumme Strassen nun eine Anpassung der Parzellenform erfordern, wird diese durch trapezförmige Parzellen erreicht. Fig. 8 zeigt am Beispiel des westlichen Teils der Jakobsstrasse diesen Anpassungsprozeß, tiefe schmale und trapezförmige Parzellen und die Anpassung an ein neues Tor (oben links). Dieser Prozeß der permanenten kleinteiligen Anpassung führte zu der Individualisierung der ansonsten oft gleichartig angelegten Städte und zu ihrem unverwechselbaren Bild, das ihre Dauerhaftigkeit und Akzeptanz bis heute gesichert hat. Mit der Raumnot entwickelten sich auch in den mittelalterlichen Städten dichtere Bebauungen, bis hin zu vollständige überbauten Baublöcken. Die geschlossenen Platzecken, die Umbauung von Kirchen, die starke Überbauung der Grundstücke und die Erhöhung der erlaubten Zahl der Geschosse sind dem Platzmangel in mittelalterlichen Städten geschuldet. Auf die kompakte Dichte ist ein erheblicher Anteil der Gebrauchsfähigkeit und Schönheit der öffentlichen Räume des Mittelalters zurück zu führen. Das Beispiel Laugingen zeigt eine besonders kompakte Anlage der Baublöcke (Fig.9). Klimatisch bedeutsam war auch die in der Höhe kontrollierte Dachlandschaft, über die der Flurwind ungehindert hinweg streichen konnte. Bei austauscharmen Wetterlagen halfen die Kirchen und Stadttürme für vertikale Luftbewegung. Die vertikale Struktur der kleinen Stadt Zierenberg zeigt idealtypisch Elemente der Klimavorsorge: Die schützenden Berge, die vor Abkühlung schützende Stadtmauer und den Windauftrieb erzeugenden zentralen Kirchturm (Fig.10). Wir können daher fest halten: Die kompakten mittelalterlichen Städte waren in der Raumausnutzung, der Organisation des öffentlichen und privaten Raumes und eben auch stadtklimatisch ziemlich effizient. Ihr größter Schwachpunkt war die Holzbauweise (Brandgefahr) und die Verwendung von Holz als Brennstoff, da dies zu hoher Rauchbelastung führte. Mit den heutigen abgasarmen Heizungen sind diese Probleme entfallen. 6. Entwicklung der Stadt ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts war in Europa die Zeit des stärksten Städtewachstums. In wenigen Jahrzehnten vervielfachte sich die Bevölkerung und die bebaute Fläche vieler Städte. Grundprinzip der Stadterweiterungen war der Baublock mit seiner seit dem Barock ausformulierten Form des Eckhauses und der kontrollierten Höhen und Fassadenfronten. Es entstanden Gebäude mit hohen Geschossen, aufwändigen Fassaden- und Innendekorationen, einschaligen dicken Mauern: die Umsetzung des Schloss- und Villenbaubauprinzips für das bürgerliche Wohn- und Miethaus. In Industriestädten kamen Anbauten für Gewerbe und gering verdienende Bevölkerungsgruppen hinzu. Die Nutzungen waren gemischt. In den Innenhöfen konnten Gewerbe, Kleinindustrien und Versorgungseinrichtungen sein. Die Bau- und Wohndichte war extrem hoch. Große Wohnungen waren oft durch eingeplante Trennungsbereiche und mehrere Treppenhäuser in kleinere Einheiten unterteilbar. Die in Europa höchste Verdichtung erreichte das Berliner Miethaus (Mietkaserne). Auch hier gilt, dass diese Baustrukturen bei einer weniger dichten Belegung der Wohnungen und nur gering störenden kommerziellen Nutzungen hoch effektive Stadtbausteine darstellen, die zukunftsfähig sind. Ihr günstiges A/V Verhältnis, robuste langlebige Konstruktionen und der hohe Dekorationswert machen sie auch zu beliebten Bauten der Gegenwart. Exemplarisch wird die hohe Dichte dieser Baublöcke an Fig. 11 Berlin Kreutzberg und Fig.12 Berlin-Wedding deutlich. 4 5 6 7. Der Kampf gegen den Baublock Es waren die Berliner Mietskasernen mit ihrer Überbelegung und den daraus folgenden hygienischen Zuständen, die auch in Deutschland dem Leitbild von Howard´s Garden City zum Durchbruch verhalfen. Es entstanden zuerst Reformblöcke ohne hintere Bebauung und mit einheitlicher Wohnnutzung (Hamburg, Berlin, Wien) denen in den späten 1920er Jahren ganze Wohnsiedlungen folgten: Frankfurt-Römerstadt, (Ernst May u.a.), Berlin-Siedlung Onkel Tom, Hufeisensiedlung (Bruno Taut) Fig. 14. Wurden zunächst noch reformierte Blockstrukturen weitergeführt, wie in Hamburg Dulsberg durch Fritz Schumacher (Fig.13) öffneten sich die Bauweisen unter dem „Diktat“ der optimalen Besonnung immer weiter (Fig.15. Ernst May u. A. Frankfurt-Westhausen), bis nach 1950 immer offenere Kompositionen den Städtebau dominierten (Fig. 15 E. Kühn, Aachen Hanbruch). Negativer Gipfel dieser Entwicklung war das Märkische Viertel in Berlin (Fig. 17), eine Trabantenstadt für 50.000 EW., erbaut von 1963 bis 1974. Gemeinsam war vielen dieser Projekte die Abkehr von der angebauten Strasse, die strenge Funktionstrennung und die Orientierung auf das reine Wohnen. 8. Zurück zu den klassische Prinzipien der Stadtplanung In Deutschland erfolgte etwa ab 1975, dem Jahr des Denkmalschutzes und im Laufe der IBA Berlin 1987, eine Rückbesinnung auf die angebaute Strasse, auf den Baublock und auf eine moderate Nutzungsmischung. Die IBA führte zu einer Rehabilitation der historischen Stadtstruktur. Seitdem erfolgte eine Renaissance der städtischen Bebauung mit dem Baublock als städtebaulicher Grundeinheit in ganz Europa. Das, was sich in 5000 Jahren Städtebau als tauglicher Grundbaustein entwickelt hatte, kompakte, dichte und gemischte Baustrukturen, war wieder anerkannt, wenngleich mit zeitbedingten Verbesserungen und Modifikationen. Fig. 18.zeigt einen neuen Baublock der IBA Berlin um 1987-90. Die Wiedervereinigung führte dann 1999 zum Planwerk Berlin Innenstadt, mit dem ein Teil der durch Planung und Krieg zerstörten Blockstrukturen wieder hergestellt wurden (Fig. 19). 9. Weiterentwicklung traditioneller Lösungen im Nahen Osten Welche Lehren ziehen Stadtplaner und Architekten heute in den warmen Klimazonen für das Bauen? Seit dem ägyptischen Architekten Hasan Fathi (1900-1989) hat sich im Nahen Osten allmählich eine größere Wertschätzung der regionalen Bautraditionen entwickelt. Aus der Baugeschichte und Bautechnik des nahen Ostens und Nordafrikas lassen sich einige Grundprinzipien und Elemente auch für die moderne Gebäude- und Städteplanung weiter entwickeln. Dazu gehören die Windtürme Fig. 20, 21 (Malqaf/Badgir), der schattige Hof, das vor Einblicken geschützte ummauerte Flachdach, das auch zum Schlafen dient, der geschützte überdachte Freisitz (Iwan) und das luftdurchlässige Fenster- und Balkongitter (Mashrabiya, Shanashil, Roshan). Diese Elemente werden auch in modernen Bauten abgewandelt eingesetzt. Sie könnten auch bei der Anpassung an den Klimawandel in Europa eine Rolle bekommen. Auch das Konzept für Masdar City (Norman Foster Ass., Planung ab 2006, 45,000 to 50,000 EW) greift traditionell bewährte Elemente wie kompakte Bauten, enge Strassen, und Systeme der Luftkühlung – Windschneisen– , aber auch solare Energieerzeugung und moderne Kühlungssysteme für eine CO2 neutrale Stadt auf (Fig. 22). Bei der Untersuchung optimalen Verschattung „hat sich gezeigt, dass unsere Ergebnisse bezüglich der Straßenbreiten, der Wind- und SonnenExponierung auffällig mit historischen Stadtmustern übereinstimmen“ 6 (Die Besonderheiten klimagerechter Stadtplanung für Masdar werden in einem Gespräch mit Matthias Schuler von der an der Planung beteiligten Firma Transsolar sehr deutlich. Auszüge sind in die Endnote eingefügt.) Auf dem Wege zur energieautarken und klimaneutralen Stadt werden sich noch gewaltige Veränderungen ergeben, sowohl was die Technologie als auch was die Gebäude betrifft. Dazu nur zwei spektakuläre Beispiele aus Bahrain, einer Region, in der zur Zeit die meisten Großexperimente zu diesem Thema stattfinden: Ein geplanter Energy Tower (Fig. 23), der seine Energie selbst erzeugt und das World Trade Center mit drei Windrotoren mit einem Durchmesser von 29 Metern, die 11 bis 15 Prozent des anfallenden Energiebedarfs decken sollen (Fig 24). 10. Umfang / Volumenverhältnis ausgewählter Bautypen Doch kehren wir zurück zu den existierenden Baustrukturen der europäischen Städte und deren Eigenschaften. Wir haben exemplarisch untersucht, welche energetischen Eigenschaften die vorhandenen Strukturen allein durch ihre geometrische Form aufweisen. Denn die vorhandene Gebäudeform ist eines jener zentralen Merkmale, das – unabhängig vom Material, der Architektur und der Konstruktion der Gebäude – Anhaltspunkte für den aus der Gebäudeform bedingten Energiebedarf gibt. Die Form ist der genetische Energiecode der Gebäude. 7 Generell gilt: Je kompakter Gebäude sind, umso besser ist das Verhältnis von Volumen und Außenfläche. Da Gebäude Temperaturveränderungen über die Außenfläche aufnehmen oder abgeben, sind – bei sonst gleichen Konstruktionsmerkmalen der Gebäudehülle – kompakte Gebäude energetisch günstiger als Gebäude mit ein- und ausgefalteten Außenflächen. Wir wollen daher zunächst der Frage nachgehen, welche energetischen Formeigenschaften Bauten aus der Frühzeit des Städtebaus hatten, um anschliessend die Lösungen aus den letzten zwei Jahrhunderten zu prüfen. Maßstab ist das Verhältnis von Gebäudevolumen zur gesamten Aussenfläche des Gebäudes, zu der auch die Fläche zum Erdboden zählt. Bei den Aussenflächen werden Flächen, die an ein gleichartiges Nachbargebäude stossen, nicht mitgerechnet, weil dort bei gleichen Innentemperaturen kein Wärmeaustausch erfolgt. Das bedeutet, dass Bauformen, die sich sehr kompakt aggregieren lassen, einen kleinen A/V Wert und eine hohe Temperaturstabilität und besitzen. Die geometrischen Grundformen haben unterschiedliche Eigenschaften. Gemessen wird mit dem Verhältnis von Volumen (V) zur Außenfläche (A) (A/V-Wert): Kugel 4.83, Pyramide 7.21, Kubus 6. Je größer das Volumen eines Körpers ist, umso günstiger ist das A/V Verhältnis. Wir haben nun für die meisten Haustypen 150qm Brutto-Nutzfläche (Geschoßfläche einschließlich der Mauerwerksflächen) zu Grunde gelegt. 300qm ergaben sich aus der Größe des römischen und arabischen Hofhäuser, die wesentlich größer sind, aber auch Platz für mehrere Generationen boten. Danach ergibt sich die folgende Rangfolge: AV – Wert / Surface/Volume ratio Haustyp / Building type Gesamtfläche/ Total floor area Rang / Rank 0,284 Rheinisches Dreifensterhaus / Rhineland three windows house Etage im Hochhaus / Floor in highrise building Deutsches Reihenmittelhaus / German middle row house Holländisches Schmalhaus / Dutsch slim house Römisches Atriumhaus / Roman atrium house Irakisches Atriumhaus / Iraqi atrium house Syrisches Atriumhaus (Flachdach) / Syrian atrium house (flat roof) Deutsches Reihenendhaus / German end row house Einfamilienhaus / Single-family home 150 1 150 2 150 3 150 3 300 4 300 5 300 6 150 7 150 8 0,333 0,428 0,428 0,530 0,563 0,572 0,657 0,643 Tabelle 1 Rangfolge der Haustypen Deutlich wird die hohe Qualität der Hofhäuser des nahen Ostens, die dreiseitig eingebaut mit ihrem kleinen Innenhof sehr gute Werte erreichen. Spitzenreiter ist jedoch das rheinische Dreifensterhaus, das auf nur drei Geschossen ein günstiges Flächen-Volumenverhältnis entwickelt. Das holländische Schmalhaus schneidet wider Erwarten ungünstiger ab, weil es wegen der geringen Breite eine grosse Tiefe und mehr Geschosse benötigt. Hier wirken sich die lange Dachfläche und die hohen Fassadenflächen, trotz der geringen Breite, nachteilig aus. Eine Wohnung in einem Hochhaus mit der gleichen Größe kommt auf dem zweiten Rang, wenn sie zwischen anderen Geschossen liegt. Generell kann gesagt werden, dass Hochhäuser ein gutes Verhältnis, durch die große Baumasse haben. Der Vergleich zeigt, dass der beste Bau auf 2,2-mal besser als das Einfamilienhaus auf Rang 8 ist. 11. Eigenschaften Aachener Baustrukturen Wir wollen den Vergleich auch noch auf einige Aachener Baugebiete ausdehnen, deren Bauformen in Europa häufig vorkommen. Ausgewählt wurde ein Querschnitt von Baublöcken und Baugebieten mit den Prägungen des Mittelalters, des 19. und des 20. Jahrhunderts. Auch hier wurde das A/V Verhältnis der ausgewählten Struktur errechnet. Alle Anbauten wurden eingerechnet, wodurch sich die Werte 8 Tabelle 2 Haustypen und ihr Umfang / Volumenverhältnis Tabelle 3 Beispiele der Haustypen durch die größere Oberfläche bei geringer Baumasse, etwas verschlechtern Das Ergebnis zeigen die Tabellen 4 und 5. 9 Tabelle 4 Querschnitt Aachener Baublöcke Nr . 1 2 3 4 5 6 7 8 9 LAGE site Templergraben Beginenstraße Königstraße Pontdriesch Pontstraße Rehmplatz Rudolfstraße Adalbertsteinweg Ottostraße Luisenstraße Friedrichstraße Lothringer Straße Alfonsstraße Sigmundstraße Eintrachtstraße, Talstrasse Aretzstraße Frankenberger Str. Viktoriaallee Turpinstraße Von‐Görschen‐Str. Körnerstraße Hohenstaufenallee Limburger Straße Lemierser Straße Valkenburger Straße Gulpener Straße Kronenberg HÜLLFLÄCHE Surface/ m² surface volume Block, Typus/ GRUNDFLÄCHE VOLUMEN RANG sqm ratio block, type m² / floor area m³ volume rank mittelalterlicher Block/mediveal block 7.105,7663 112.319,2951 38.190,7834 0,3400 3 mittelalterlicher Block/ mediveal block Block um 1875 / block around 1875 Block um 1875 / block around 1875 Reformblock um 1925 / block from the reform area 1925 Gründerzeitblock um 1900 / Block around 1900 Einzelhausbebauung um 1935/ detached housing structure Reihenhausbebauung um 1960/ terraced houses Zeilenbebauung um 1965‐1970/ rowhouse structure 3.930,1795 49.298,1991 19.868,8484 0,4030 6 ./. 49065,8212 11.326,2861 0,2308 1 3.931,8012 61.813,4430 20.865,5570 0,3376 2 4.989,0496 111.423,2515 39.217,7004 0,3520 5 5.366,7316 66.124,4283 23.146,0908 0,3500 4 5.781,7685 54.670,5313 27.957,7285 0,5114 7 3.041,5456 17.217,9629 11.328,2870 0,6579 9 15.574,4544 101.567,1074 60.283,1053 0,5935 8 Tabelle 5 Umfang - Volumenverhältnis Aachener Baublöcke 10 Man sieht auch hier, dass die geschlossenen Blockbebauungen des Mittelalters und der Neuzeit bis etwa 1925 sehr günstige Werte erreichen. Dies ist nahe liegend, weil der Einfluss des Klimas zu allen Zeiten eine Rolle in der Stadtmorphologie gespielt hat. Man konnte sich nicht leisten, diesen Aspekt zu vernachlässigen. Erst das Erdölzeitalter und das Zeitalter der Klimaanlagen erlaubte eine Entkoppelung dieses Zusammenhangs. Den besten Wert erreicht der "Reform-Block" von 1925 durch die nur wenigen Anbauten. Alle klassischen Blocks haben ein Verhältnis unter 0,5. Die Werte der unregelmäßigen Morphologien liegen im Bereich von 0,6 bis 1,2. Vereinfacht lässt sich feststellen, dass ältere Strukturen etwa doppelt so effizient sind als einige der neueren. Das Verhältnis von einem Block von 1875 (Rang 1) ist 2,8 mal besser als die Reihenhäuser aus dem Jahr 1960 (Rang 9).Vereinfacht lässt sich feststellen, dass beim A/V Verhältnis die früheren Formen etwa doppelt so effizient sind wie die neueren. Das bedeutet, dass auch die Kosten der energetischen Erneuerung bei den neueren Gebäuden in der Regel entsprechend höher ausfallen werden. 12. Wirkungen des Klimawandels auf die Stadtmorphologie Was kann dies nun auf lange Sicht bedeuten? Unterstellt, dass die innere Funktionalität der älteren und der neueren Bauformen überwiegend keine grundlegenden Umbauten erfordert (es gibt natürlich immer Fälle, bei denen dies erforderlich ist), dann haben die kompakteren Bautypen als einzelne Gebäude betrachtet und auch die kompakteren Baublöcke und die daraus entwickelten Stadtbereiche zwei grundlegende Vorteile: sie benötigen weniger Betriebsenergie und weniger Zugangskosten. Die Distanzen in den dichten Strukturen sind grundsätzlich geringer als in den aufgelockerten. Sie erfordern daher weniger Strassen und Leitungen (Wasser, Abwasser, Fernwärme, öffentlichen Verkehr) und sind daher grundsätzlich wirtschaftlicher zu versorgen als die aufgelockerten Gebiete. Es bleibt jedoch ein grundlegende Nachteil der kompakten Strukturen: die geringere Geschwindigkeit der Abkühlung bei hohen Temperaturen und stehender Luft. Der Hitzesommer 2003 und auch der gegenwärtige warme Sommer lassen deutlich werden, vor welchen Problemen die Städte mit dichten Bebauungen stehen und vermehrt bei jenen in Tallagen, wie etwa in Aachen. Sind daher hohe Sommertemperaturen und windarme Wetterlagen das Problem der kompakten Städte im Sommer, so haben sie durch ihre Kompaktheit in der kalten Jahreszeit einen entsprechenden Vorteil. Genau umgekehrt verhält es sich bei den offenen Baustrukturen. Sie kühlen im Winter und im Sommer schneller aus und erleichtern auch bei windarmen Wetterlagen Luftströmungen. Allerdings sind sie wegen ihrer geringen Dichte teurer zu bedienen. Es wird eine der großen Fragen werden, wie lange sich die Gesellschaft wenig effiziente Strukturen an der Peripherie auf Dauer leisten kann. Dies wird in Deutschland, Mitteleuropa und auch in Russland durch den Geburtenrückgang, die Überalterung, also durch die Abnahme der Bevölkerung, in der Tendenz eher zur Stärkung der zentralen Stadtbereiche und zu einer Entleerung und zum Rückbau ungünstiger peripherer Bereiche führen. Alterswanderungen zurück in die Stadtkerne deuten darauf hin. Sehr viel wird jedoch davon abhängen, ob es gelingt, die Überwärmung der Innenstädte und der kompakten Baubereiche zu beeinflussen. Dazu sind eine Reihe von Handlungsfeldern in der Diskussion: ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ Auflockerung der dichten Bebauungen Grüne Blockinnenbereiche mit Schatten spendenden Bäumen Vermehrte Wasser- und Grünflächen zur Kühlung, Luftkorridore (perforierte Stadt) Verschattung von Strassen und Dächern (Bäume, Solarsegel) Ableitung der Wärme in den Strassen in Langzeitspeicher (Latentspeicher, Massenspeicher) Direkte Umwandlung der Straßenwärme in elektrische Energie „Grüne“ Dächer und grüne Wände reflektierende Materialien zur Verminderung der Aufheizung (Strassen, Wände, Dächer) mechanische lokale Windsysteme Wasserkühlung von Dächern und Straßen Flexiblere Nutzung der Räume eines Gebäudes über das Jahr (Nordlagen im Sommer, Südlagen im Winter) Bessere Isolierung der Gebäude, Luftaustausch zwischen warmen und kühlen Räumen Kühlung und Erwärmung durch Erdsonden Solare Stromgewinnung zum klimaneutralen Betrieb von Heizungs- und Kühlaggregaten. 11 Wie immer die Lösungen aussehen werden, sie werden Konsequenzen für das Bild der Gebäude und der Städte, für die Funktionalität und die Überlebensdauer morphologischer Strukturen haben. Die Entwicklung steht erst am Anfang. In denkmalgeschützten Bereichen sind die äußeren Eingriffe ohnehin begrenzt. Es wird auf Lösungskombinationen hinauslaufen, die an die spezifischen Bedingungen der Bestände angepasst werden. Die Lösungen werden nicht billig sein und lange dauern. Für den Neubau sind bereits strenge Anforderungen festgelegt: Ab 31.Dezember 2018 sollen sich alle neu zu errichtenden Gebäude in der Europäischen Union 5 „bei ihrem Betrieb energieneutral verhalten, dass heißt, dass sie nicht mehr Energie verbrauchen dürfen, als in/an ihnen produziert wird. Auch die Anforderungen an den Altbaubestand werden weiter steigen. Für den Altbaubestand gilt, dass künftig bei größeren Renovierungen „Niedrigstenergiegebäude“ anzustreben sind. Wir stehen daher vor grundlegenden Veränderungen bei den Altbaubeständen. Es wird darauf ankommen, dafür die notwendigen historischen, morphologischen, architektonischen und technischen Anforderungen zu entwickeln. Die teure Erneuerung jedes einzelnen Gebäudes wird dabei abgelöst werden müssen durch serielle Erneuerung gleichartiger Bautypen in ganzen Stadtteilen und Regionen, um durch Qualitäts- und Preisvorteile einen höheren Standard bei geringeren Kosten zu erreichen. Eine jährliche Erneuerungsrate von 1,5% wie bisher, reicht angesichts der knappen Zeit, die uns der Klimawandel lässt, quantitativ nicht mehr aus. Was bedeutet das für die städtische Morphologie, in der Identität und Geschichte gespeichert sind? Anstelle von einzelnen Gebäuden sollten die morphologischen Einheiten – Baublöcke, Quartiere, Stadtteile, – der strategische Fokus sein. Wir müssen die Anstrengungen erhöhen, angemessene Lösungen für die Altbestände zu finden. Wenn es uns in den nächsten 20 Jahren gelingt, Städte und Bauten mit solarer Energie (Wind, Geothermie, Photovoltaik, Solarthermie) zu heizen und zu kühlen, haben die historische Kerne, die kompakten und architektonisch wertvollen Teile der Städte eine reale Chance zum Überleben. Die peripheren Bereiche können es, wegen ihrer Entfernung, ihrer teureren Unterhaltungs- und Betriebskosten und wegen des demographischen Wandels deutlich schwerer haben. Bedeutet dies nun, dass kompakte Strukturen grundsätzlich die Lösungsrichtung sein würden? Dies wäre im Moment eine zu weitgehende Folgerung. Kompaktheit ist ein wichtiger Aspekt, dessen Vorund Nachteile hier behandelt wurden, es ist aber nicht der ausschließliche! Kompaktheit enthält ein Bündel gewichtiger Vorteile. Es kommen aber noch weitere wichtige Aspekte hinzu, insbesondere eine Lösung der Überhitzung und es wird sich jeweils erst in der Abwägung herausstellen, welche am jeweiligen konkreten Ort überwiegen werden. 12 Quellen der Abbildungen Fig.1 Fig.2 Fig.3 Fig.4 Fig.5 Fig.6 Fig. 7 Fig. 8 Fig. 9 Fig.10 Fig.11 Fig.12 Fig.13 Fig.14 Fig.14 Fig.15 Fig.17 Fig.18. Fig.19 Fig.20 Fig.21 Fig.22 Fig.23 Fig.24 Ur (~4000-2800 BC) Quelle Wirth, Orientalische Stadtplanung, 2000) Mohenjo Daro (~2600-1800 BC) Benevolo Shibam , Jemen (upd.org.gallery) Kasbah, Algier (Google Earth) Fees, Marocco (Google Earth) Terraced houses Rhyad, Saudi Arabia (Google Earth) Aachen, Germany, 1805-1812 (Französisches Urkataster Aachen) Aachen 1805, Parcels Jakobstr. Parzellenstruktur. Aachen, westliche Jakobstrasse. (horizontal gedrehter Ausschnitt aus: Aachen 1805-1812 Französisches Urkataster Tranchot) Kompakte Baublöcke. Laugingen, Bayern, (Topographia Bavariae - Merian) Zierenberg (Hessen - Merian, Topographia Hassiae) Berlin Kreuzberg, Gneisenaustrasse – Mehringdamm (Google Earth) Berlin Wedding, Müllerstr. (Google Earth) Hamburg Dulsberg (Fritz (Google Earth) Schumacher 1928-30 Google Earth) Berlin Hufeisensiedlung (Google Earth). Frankfurt Westhausen (1929 - 1931 Ernst May, Herbert Boehm, W. Bangert – Google Eearth) Aachen Hanbruch (E. Kühn ~1960-65 Google Earth ). Berlin Märkisches Viertel (Google Earth) IBA Berlin, Baublock Lindenstr./Oranienstr. Berlin Kreuzberg um 1987-90 (Google Earth) Block reconstruction Berlin (Google Earth) Malqaf - Schema eines Windturmhauses , Daniel Emmel, Katharina Gruhn, (http://www4.architektur.tu-darmstadt.de/powerhouse) Windtower, Dubai (micro - Deutsches Architekturforum: Dubai Windtürme und Wolkenkratzer) Masdar City – Abu Dhabi, United Arab Emirates (Architect: Norman Foster, Wikipedia) Burj Al-Taqa - Energy Tower (Concept: Gerber-Architects, Dortmund – Homepage) Wind turbines World Trade Center Bahrain, 2008, Architect Atkins (AEWORLDMAP.COM) 13 Literaturhinweise 1 Saskia Sassen: Territory – Authority – Rights. From Mediveal to Global Assemblages. Princetown 2008 http://de.wikipedia.org/wiki/Hitzesommer_2003 3 Flur-Windsystem http://klima-der-erde.de/winde.html Der Wind, der eine Stadt erreicht, verändert seine Richtung. Er folgt den Kanälen und Schluchten, die durch die hohen Gebäude gebildet werden, die zu beiden Seiten einer Straße stehen oder er vermeidet Bauten, die senkrecht zur ursprünglichen Windrichtung gebaut sind. Die Hauptstraßen, die in die Stadt hineinführen, sind in der Regel auch die Hauptkorridore für den Wind, der abends in die Stadt weht. Auf breiten Straßen kann er direkt der Straße folgen. .. Durch die Ausprägung der Wärmeinsel ist die relative Luftfeuchtigkeit in Städten gegenüber dem Umland geringer. Dennoch ist zu beobachten, dass Starkregen und Gewitter hier häufig doppelt so lang anhalten und mehr Niederschlag abgeben. Ursache hierfür ist eine 3–5 mal höhere Konzentration an Kondensationskernen“. In engen Straßen jedoch erhöht sich die Windgeschwindigkeit deutlich an den Straßenecken.... 4 „Durch die Ausprägung der Wärmeinsel ist die relative Luftfeuchtigkeit in Städten gegenüber dem Umland geringer. Dennoch ist zu beobachten, dass Starkregen und Gewitter hier häufig doppelt so lang anhalten und mehr Niederschlag abgeben. Ursache hierfür ist eine 3–5 mal höhere Konzentration an Kondensationskernen“. Wikipedia: Stadtklima 5. Wikipedia-Pest 6 KLIMADESIGN EINER POST-OIL CITY, Arch+ Febr 2010 Matthias Schuler im Gespräch mit Anh-Linh Ngo in Arch+ Febr. 2010 „Die Temperaturen (in Dubai laden) nicht gerade zum Verweilen ein. Aber indem wir für Masdar Ciy nur die Hälfte des Grundstücks überbauen, erreichen wir einerseits eine sehr hohe Stadtdichte mit 170 bis fast 200 Personen pro Hektar mit einer guten Verschattung der Straßenräume. Andererseits können wir dadurch etwa die Hälfte des Stadtgrundrisses als Freiflächen anbieten. Über die erhöhte Dichte erreicht man nicht nur eine viel bessere Auslastung der Infrastruktur, wir können dadurch auch das Konzept der Stadt als Hitze-Insel umkehren und sagen, diese Stadt ist eine „kühle“ Insel, deren Temperaturspitzen am Tage unterhalb der Umgebungstemperatur liegt, weil sie sich durch die gegenseitige Verschattung der engen Bebauung nicht so stark aufheizt. Zusätzlich durchlüften wir die Stadt nachts, indem wir das klassische Prinzip des Windturms, den wir in der arabischen Architektur z.B. in Dubai vorfinden, für die Entlüftung des Stadtraums weiterentwickelt haben..... 2 Das Problem ist, dass der Arabische Golf durchschnittlich nur 30 Meter tief ist und das Wasser im Sommer eine Temperatur von 35 Grad hat. Über diesem warmen Gewässer heizt sich der Wind auf 45 bis 47 Grad auf und bringt eine hohe Luftfeuchtigkeit mit sich. Damit diese für den thermischen Komfort geradezu tödliche Brise nicht in die Stadt gelangt, laufen die Straßen von Ost nach West nicht durch, sondern sind in Abschnitte von maximal 75 Meter Länge geteilt. Am Beginn jeder dieser Straßen ist jeweils ein Windturm geplant. Tagsüber stellen die geschlossenen Türme einen Windschatten für die Straßen dar; der heiße Wind wird über die Stadt hinweggelenkt. Nachts werden die Türme hingegen geöffnet, um den kühleren Wind in die Straßen zu leiten. Der Nachtwind, der eine Temperatur von 30 Grad hat, treibt die Tageshitze aus der Stadt. Dadurch kann man erreichen, dass die Stadt tagsüber maximal 35 Grad warm wird und damit etwa zehn Grad kühler als die Umgebung..... Es hat sich gezeigt, dass unsere Ergebnisse bezüglich der Straßenbreiten, der Wind- und Sonnen-Exponierung auffällig mit historischen Stadtmustern übereinstimmen. Auch die charakteristische Drehung des quadratischen Stadtgrundrisses um 45 Grad nach Norden kann man in vielen historischen Städten wiederfinden. Wir haben aus unseren Analysen gelernt, dass die Kombination aus solarer Verschattung und Tageslichtoptimierung bei dieser Ausrichtung am besten ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir die historischen Beispiele 1:1 übernehmen können; wir stoßen auch immer wieder auf Übertragungsprobleme. Nehmen wir das klassische Hofhaus, bei dem der Hof einer Familie oder einem Clan zugeordnet war. Wenn man die gleiche Typologie für unterschiedliche Parteien konzipiert, bekommt man ein Problem mit der Privatheit. Das heißt, ich habe jetzt ganz andere Anforderungen an die Höfe. Das sind kulturell gesehen sehr delikate Planungsaufgaben“... 7 RICHTLINIE 2010/31/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden Danksagung: Für die Berechnungen und Zeichnungen danke ich cand arch. Lene Oldopp und cand. arch. Martin Fuchs. Für kritische Durchsicht und Korrekturen danke ich Susanne Curdes. Für die Erlaubnis zur Verwendung der digitalen Blockdaten für Aachen danke ich meinem Fakultätskollegen Prof. Peter Russel. Auch dem Institut für Städtebau und Landesplanung möchte ich für seine Unterstützung danken. 14