Krankhafte Einkaufswut Kaufzwang ist eine ernstzunehmende psychische Störung Von Paul Christian Jezek Kaufzwang könnte, britischen Medien zufolge, bald allgemein als psychisches Leiden anerkannt werden. Immer mehr Menschen versuchen, mit Einkäufen unter anderem Depressionen oder Frustrationen zu betäuben. Deshalb sprechen sich Experten dafür aus, diese „Einkaufswut“ offiziell als Krankheit zu akzeptieren. ,,Es handelt sich eindeutig um eine Störung, und es kann nur von Vorteil sein, sie auch als solche anzuerkennen“, meint Helga Dittmar von der Universität Sussex. Studien zeigen, dass zwei bis zehn Prozent der Erwachsenen unter „zwanghaften Einkaufstendenzen“ leiden und dass davon Frauen neun Mal mehr betroffen sind als Männer. Diese greifen in solchen Fällen eher zur Flasche. Es gibt aber Ausnahmen: Popstar Elton John soll ein männlicher Shopaholic sein und innerhalb von 20 Monaten beim Einkaufen rund 20 Millionen Euro ausgegeben haben. Doch während sich der „Crocodile Rock“-Verfasser oder Victoria Beckham den Drang zum Geldausgeben leisten können, stecken viele Shopaholics wegen ihres Leidens bis zum Hals in Schulden … FS 12 Shoppen ist auch das beliebteste Hobby der Österreicher: Doch wird die Freizeitbeschäftigung zur Sucht, wenn sich Kaufattacken ins Unermessliche steigern und im Extremfall zum finanziellen Ruin führen. Immer mehr Menschen – und keineswegs nur Frauen – leiden an der neuen Zivilisationskrankheit. Grundsätzlich versteht man unter Kaufzwang den ständig wiederkehrenden Drang, Dinge zu erwerben, die man im Grunde gar nicht braucht. Das Interesse verengt sich dabei auf das Kaufen an sich, wobei im Laufe der Zeit nicht nur immer öfter, sondern auch immer teurer eingekauft werden muss. Ist das nicht mehr möglich, drohen seelische oder sogar körperliche Entzugserscheinungen. Weitere Symptome von Kaufsüchtigen sind ein vorübergehendes Glücksgefühl beim Kauf und Schuldgefühle danach, finanzielle und soziale Probleme und die Neigung von Kaufsüchtigen, die Folgen ihrer Sucht zu verharmlosen. Die Kaufsucht ist eine eher unauffällige Krankheit. Das Suchthafte bleibt lange Zeit unerkannt – sowohl von den Süchtigen selbst, die sich ihre Abhängigkeit nicht eingestehen möchten, als auch vom sozialen Umfeld, das die Kaufaktivitäten eher anerkennt als kritisch kommentiert. Denn im Gegensatz zu anderen Süchten, die als normabweichendes Verhalten mehr oder weniger sozial geächtet sind, ist übermäßiges und kompensatorisches Kaufen grundsätzlich erwünscht. Außerdem verändert süchtiges Kaufen – anders als viele andere stoffgebundene Süchte – die Persönlichkeit zunächst nicht, und Geldprobleme können mittelfristig durch das Überziehen von Konten, durch Kreditaufnahme oder durch das Auflösen von Ersparnissen versteckt werden. Die Ursachen der Kaufsucht sind vermutlich psychosozialer Natur und können bis in die Kindheit zurückreichen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine „Ventil-Funktion“ oder „Selbstbelohnung“ für Probleme, Kümmernisse, Kränkungen, Sorgen und Frustrationen verschiedener Art. Haben, aber nicht brauchen Der Fachausdruck für den Kaufzwang lautet „Oniomanie“, die „krankhafte Kauflust“ oder „triebhafte Kaufsucht“, die schon vor mehr als 100 Jahren dem „impulsiven Irresein“ zugerechnet wurde. Die damalige Krankheitsschilderung: Die Betreffenden „kaufen ohne jedes wirkliche Bedürfnis in großen Mengen Hunderte von Halsbinden oder Handschuhen, Dutzende von Anzügen, Hüten, Schmucksachen, Spazierstöcken, Uhren ein.“ (Kraepelin). Die Zahl der Betroffenen ist schwer zu schätzen. In den USA rechnet man mit rund 15 Millionen Menschen, in Deutschland mit etwa einer halben Million (wobei jeder 20. Bundesbürger als gefährdet gilt). Geschlechtsspezifisch handelt es sich beim Kaufzwang nicht (mehr) um eine „typisch weibliche Eigenheit“, denn er trifft immer häufiger auch Männer, die sich allerdings besser zu tarnen wissen. Über die Altersstruktur der Krankheit gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, das mittlere Lebensalter scheint allerdings am stärksten betroffen zu sein. Ähnliches gilt die soziale Zuordnung. Beengte finanzielle Verhältnisse verhindern den Kaufzwang nicht, sie bestimmen allenfalls den Wert der Kaufsucht-Objekte. 12 Der Ablauf scheint immer der gleiche zu sein und ähnelt durchaus manchen Impulshandlungen: Bei den Betroffenen wächst nach und nach das Gefühl eines unentrinnbaren inneren Zwangs. Sie werden unruhig, nervös und gespannt und brechen mehr oder weniger plötzlich zu wahren Einkaufsorgien auf. Entscheidend ist dabei nicht der reale Wert eines gekauften Gegenstandes, sondern der erfüllte Kaufwunsch bzw. der befriedigte Kaufzwang. Die negativen Gefühle weichen einer Art inhaltslosem Glücksgefühl, das allerdings nicht lange anhält. Kurzfristige Befriedigung mit einem raschen „Rückfall“ in erneute Kaufakte ist das Kennzeichen dieses Zwanges. So lange die Betroffenen ihr Verhalten noch kontrollieren können, bevorzugen sie Kaufzeiten, in denen ihr zwanghaftes Verhalten nicht auffällt: Schlussverkauf, Sonderverkauf, Vorweihnachtszeit usw. Oft kann dieser „Kanalisierungs-Versuch“ aber nicht mehr durchgehalten werden. Dann werden die Betroffen von ihrer Sucht gleichsam mitgerissen, ob der Zeitpunkt nun günstig ist oder nicht. Die Ventil-Funktion FS Der dranghafte Kaufimpuls hat offenbar eine „Ventil-Funktion für Probleme aller Art“. Dem kommt unsere moderne, konsumorientierte Weltanschauung entgegen, mit der ja bereits Kinder konfrontiert werden (Spielzeug statt Zuwendung, Geld statt Lob). Die raffinierte Werbung tut das Ihre (,‚man gönnt sich ja sonst nichts“). Des Öfteren sollen partnerschaftliche, familiäre, nachbarschaftliche, berufliche und sonstige Probleme durch einen Kaufzwang mit anschließender Kaufbefriedigung neutralisiert werden. Psychiater und Psychologen führen als Ursache dieses Leidens auch „seelische Traumata“ (Verwundungen) an, die bis in die Kindheit zurückreichen können. Eine Schlüsselrolle kommt hier den Eltern zu, von denen einige Experten annehmen, sie hätten ihre kaufzwanggeschädigten Kinder entweder emotional vernachlässigt, wenn nicht gar abgelehnt, oder durch eine ungebührliche Überversorgung die Entwicklung ihrer Selbstständigkeit untergraben. Bei nicht wenigen der Opfer seien deren Fähigkeiten, Meinungen und Gefühle missachtet worden und hätten sich deshalb nicht entwickeln können. Bei anderen seien die Geschwister bevorzugt worden. Auch sexuell missbrauchte Kinder sollen später zu Kaufzwangbetroffenen geworden sein. Eine gezielte Therapie des Kaufzwangs gibt es (noch) nicht. Am sinnvollsten ist natürlich die Prävention, die Vorbeugung, also eine emotional befriedigende Kindheit und Jugend. Und wenn später eine Therapie notwendig wird, dann ist ein so genannter GesamtBehandlungsplan am zweckmäßigsten, wie er auch bei anderen seelischen Störungen empfohlen wird. Wiener Zeitung, 17. Dezember 2004 SCHRIFTLICHE ABSCHLUSSRÜFUNG AUS DEUTSCH Haupttermin 2004/2005 Klasse 3. FGC Situation: Ihr Aufgabenbereich als Assistentin der Reklamationsabteilung bei der Firma H&M, Mariahilfer Straße 41-43, 1060 Wien, betrifft die vorbereitende 12 Bearbeitung der Beschwerden. An Ihrem heutigen Arbeitstag erwarten Sie unter anderem folgende Aufgaben: 1) Ein Erziehungsberechtigter will einen von seiner Tochter getätigten Einkauf rückgängig machen und beruft sich auf den Artikel FS „Krankhafte Einkaufswut“ von P. C. Jezek. Verfassen Sie für Ihren Vorgesetzten davon eine Textbeschreibung. (35 bis 40 Zeilen) 2) Im Zuge eines Vorschlags, wie diese Reklamation zu beurteilen ist, halten Sie Ihre Gedanken und Überlegungen in Form eines inneren Monologs fest. (40 Zeilen) GUTES GELINGEN BEWERTUNGSANALYSE A) Beschreibung 60% Textbeschreibung: - Erfassen der Wortwahl - Analysieren des Satzbaus - Beschreiben sprachlicher Bilder - Erkennen der Schreibabsicht 40% 12 Kurzfassung: - Einleitung und Schluss - Erfassen der wesentlichen Inhalte - Gliederung des Hauptteils _______ 100% Noten FS Sprachliche Umsetzung: 1-5 B) Innerer Monolog Inhaltliche Kriterien: Bezug zum Thema Ausloten des Themas Kreativität/ Ideenreichtum Assoziationsfähigkeit 70% Sprachliche Umsetzung: Wortschatz, Sprachfluss Satzbau 30% Grammatik, Rechtschreibung Zeichensetzung Noten 1-5