Carfilzomib

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Pharmazeutische Chemie - Carfilzomib
Carfilzomib (Kyprolis®)
Carfilzomib ist ein weiterer Proteasom-Inhibitor, der zur Behandlung des Multiplen
Myeloms zugelassen ist (Strukturformel s. Abbildung 1). Der Arzneistoff ist als Pulver
zur Herstellung einer Indusionslösung unter dem Namen Kyprolis® im Handel.
Indiziert ist Carfilzomib in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason bei
erwachsenen Patienten, die mindestens eine vorangehende Therapie erhalten
haben. Ein Behandlungszyklus mit den drei Arzneistoffen entspricht 28 Tagen (4
Wochen), wobei Carfilzomib jeweils an den ersten zwei Tagen einer
Behandlungswoche als zehnminütige Infusion appliziert wird. In der vierten Woche
des Behandlungszyklus wird eine Pause eingelegt, so dass Carfilzomib an den
Tagen 1, 2, 8, 9, 15 und 16 verabreicht wird und in den Tagen 17 - 28 keine
Applikation erfolgt. Ab dem 13. Behandlungszyklus entfallen die CarfilzomibInfusionen an den Tagen 8 und 9. Die Anfangsdosis beträgt 20 mg/m2 (maximal 44
mg Carfilzomib pro Infusion). Wird diese Dosis toleriert, so wird ab Tag 8 des 1.
Behandlungszyklus auf 27 mg/m2 erhöht (maximal 60 mg Carfilzomib pro Infusion).
Die Behandlung kann bis zur Progression oder bis zum Auftreten nicht tolerierbarer
Toxizitäten fortgesetzt werden, wobei die Datenlage für eine über 18
Behandlungszyklen hinausgehende Behandlung begrenzt ist und nur unter
individueller Nutzen-Risiko-Abwägung für den Patienten erfolgen sollte (Jakubowiak
2014, Fachinformation Kyprolis® 2015).
Abbildung 1
Carfilzomib ist nach Bortezomib, das bereits im Jahr 2004 zur Behandlung des
Multiplen Myeloms zugelassen wurde, der zweite in Deutschland verfügbare
Proteasom-Inhibitor. Beide Inhibitoren sind Peptide, sie unterscheiden sich aber
dennoch stark in ihrer Struktur (und somit natürlich in ihrem Wirkmechanismus) (s.
Tabelle 1).
Arzneistoff
(Fertigarzneimittel)
Markteinführung
Struktur
Wirkmechanismus
Bortezomib
(Velcade®)
2004
Dipeptid
Borsäure-Derivat
Reversibler, nichtselektiver
Proteasom-Inhibitor
Carfilzomib
(Kyprolis®)
2016
Tetrapeptid
Epoxyketon
irreversibler, selektiver
Proteasom-Inhibitor
Tabelle 1:
In Deutschland verfügbare Proteasom-Inhibitoren
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Bortezomib ist ein synthetisches Dipeptidyl-Borsäure-Derivat (s. Abbildung 2), das
die Chymotrypsin- sowie die Caspase-ähnliche Aktivität (CT-L und C-L) des 20SProteasoms hemmt. Die Trypsin-ähnliche Aktivität (T-L) des 20S-Proteasoms wird
erst bei höheren Bortezomib-Konzentrationen gehemmt (Kubiczkova et al. 2014,
Accardi et al. 2015). Eine Kristallstruktur des Bortezomibs mit dem Hefe-20SProteasom ist verfügbar (Groll et al. 2006) und zeigt, dass Bortezomib mittels seiner
Borsäure-Partialstruktur kovalent über die Hydroxyl-Gruppe des Threonins an
Position 1 im aktiven Zentrum an das Proteasom bindet. Das tetraedrische BorsäureAddukt wird zusätzlich durch mehrere Wasserstoff-Brücken (u.a. mit Glycin 47)
stabilisiert. Das Bortezomib-Proteasom-Addukt ist dadurch sehr stabil aber nicht
irreversibel. Vielmehr handelt es sich bei der Bildung des Addukts um eine reversible
Reaktion, die gekennzeichnet ist durch eine geringe Dissoziationsrate. Dadurch
bleibt das Addukt für mehrere Stunden stabil (Groll et al. 2006, Miller et al. 2013,
Kubiczkova et al. 2014).
Abbildung 2:
Strukturformel des Bortezomibs sowie des „langsam“ reversiblen BortezomibProteasom-Adduktes nach Groll et al. 2006.
Im Gegensatz zum Bortezomib ist Carfilzomib ein lineares Tetrapeptid. Die BorsäureStruktur fehlt, stattdessen liegt eine α,β-Epoxyketon-Funktion vor.
Als Ausgangspunkt für die Entwicklung des Carfilzomibs diente das natürlich
vorkommende Epoxomicin, das zur Gruppe der Epoxyketonpeptide gehört und
erhebliche Antitumoreigenschaften aufweist (s. Abbildung 3) (Hanada et al. 1992).
Abbildung 3:
Strukturvergleich des Carfilzomibs mit tetrapeptidischer Epoxyketon-Struktur
sowie des natürlich vorkommenden Epoxomicins als Ausgangspunkt für
dessen Entwicklung
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Allerdings war das Interesse am Epoxomicin als potenzielle Leitstruktur für die
Entwicklung eines Zytostatikums anfangs eher gering, wahrscheinlich wegen seiner
Peptidstruktur sowie der labilen Epoxyketon-Funktion. Zudem war der
Wirkmechanismus zur damaligen Zeit nicht bekannt. Das änderte sich allerdings,
nachdem das Proteasom als Target ausgemacht werden konnte und zusätzlich noch
eine sehr hohe Selektivität für das Proteasom gegenüber anderen Serin-Proteasen
entdeckt wurde. Andere damals bekannte Proteasom-Inhibitoren - wie z.B.
Bortezomib - zeigten diese Selektivität nicht (Sin et al. 1999).
Wie ist diese Proteasom-Selektivität des Epoxomicins und damit die des Carfilzomibs
zu erklären? Auch hier lieferte eine Kristallstruktur im Komplex mit dem 20SProteasom die Erklärung (s. Abbildung 4) (Groll et al. 2000).
Abbildung 4:
irreversible Bildung des Carfilzomib-Proteasom-Adduktes durch doppelten
nukleophilen Angriff des N-terminalen Threonins des Proteasoms (nach Kim
und Crews 2013)
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Genauso wie Bortezomib binden die Epoxyketone an das N-terminale Threonin des
20S-Proteasoms. Die Aminosäure agiert dabei aber als „doppeltes“ Nukleophil,
indem sowohl die Hydroxyl-Gruppe der Seitenkette als auch die freie Amino-Gruppe
das elektrophile α,β-Epoxyketon angreifen. Das Resultat dieser irreversiblen
Reaktion ist die Bildung eines sechsgliedrigen Morpholin-Ringes. Die Selektivität
kommt daher, dass eben nur N-terminal nukleophile Proteasen wie das Proteasom
mit seinem N-terminalen Threonin diese Reaktion mit den Epoxyketonen eingehen
können, andere Proteasen reagieren nicht (Kim und Crews 2013).
Carfilzomib bindet irreversibel an die Chymotrypsin-ähnliche Aktivität des
Proteasoms, hohe Konzentrationen hemmen auch die Trypsin- und Caspaseähnliche Aktivität (Demo et al. 2007, Kubiczkova et al. 2014).
Zahlreiche weitere Proteasom-Inhibitoren befinden sich derzeit in der klinischen
Prüfung. Ein Nachteil der beiden Proteasom-Hemmer Bortezomib sowie Carfilzomib
ist deren schlechte orale Bioverfügbarkeit, weshalb beide parenteral (i.v.) appliziert
werden müssen.
Abbildung 5:
Zwei neue, peroral bioverfügbare Proteasom-Inhibitoren, die derzeit in der
klinischen Prüfung sind
Ixazomibcitrat befindet sich derzeit in der klinischen Prüfung und ist für eine perorale
Applikation vorgesehen. Es ist ein Prodrug, das im Plasma schnell zu seiner aktiven
Wirkform, dem freien Borsäure-Analogon und reversibel wirksamen ProteasomInhibitor Ixazomib, hydrolisiert wird (s. Abbildung 5). Eine Weiterentwicklung des
Carfilzomib ist das Epoxyketon Oprozomib, das auch peroral bioverfügbar ist und wie
Carfilzomib irreversibel an CT-L-Untereinheit des Porteasoms bindet (s. Abbildung 5)
(Miller et al. 2013, Kubiczkova et al. 2014, Accardi et al. 2015).
Literatur:
Accardi, F. et al. Biomed Res Int 2015, 2015:172458
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Demo, S.D. et al. Cancer Res 2007, 67, 6383
Fachinformation Kyprolis® 2015, Amgen Europe B.V.
Groll, M. et al. J Am Chem Soc 2000, 122, 1237
Groll, M. et al. Structure 2006, 14, 451
Hanada, M. et al. J Antibiot (Tokyo) 1992, 45, 1746
Jakubowiak, A.J. Cancer Treat Rev 2014, 40, 781
Kim, K.B. und Crews, C.M. Nat Prod Rep 2013, 30, 600
Kubiczkova L. et al. J Cell Mol Med 2014, 18, 947
Miller, Z. et al. Curr Pharm Des 2013, 19, 4140
Sin, N. et al. Bioorg Med Chem Lett 1999, 9, 2283
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