Festkörperphysik

Werbung
Festkörperphysik
Zusammenstellung zur Klausurvorbereitung SS 2008 bei Prof. Paul Seidel
von Simon Stützer
Stand: 28. Mai 2009
Inhaltsverzeichnis
1 Struktur idealer Kristalle
1.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Struktur von Kristallen . . . . . . . . . . .
1.3 Bravais-Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Netzebenen und Millersche Indizes . . . . .
1.4.1 Beispiele: Millersche Indizes . . . . .
1.5 Reziprokes Gitter . . . . . . . . . . . . . . .
1.6 Experimentelle Methoden zur Untersuchung
1.6.1 Bragg-Reflexion . . . . . . . . . . . .
1.6.2 Weitere Methoden der Röntgen- und
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
der Kristallstruktur
. . . . . . . . . . . .
Neutronenstreuung .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
2
2
2
3
5
5
6
9
9
10
2 Gitterfehler realer Kristalle
2.1 Leerstellen im Gitter . . .
2.2 Frenkel-Deffekt . . . . . .
2.3 Fremdatome in Kristallen
2.4 Farbzentren . . . . . . . .
2.5 Gitterversetzung . . . . .
2.6 Flächendefekte . . . . . .
2.6.1 Korngrenze . . . .
2.6.2 Stapelfehler . . . .
2.7 amorphe Festkörper . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
12
12
13
14
14
14
15
15
15
15
3 Bindungen in Festkörpern
3.1 Ionenbindungen . . . . .
3.2 Metallische Bindung . .
3.3 kovalente Bindung . . .
3.4 van-der-Waals Bindung
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
16
16
17
17
17
.
.
.
.
4 Dynamik in Kristallgittern
18
5 Kontrollfragen
19
1
Kapitel 1
Struktur idealer Kristalle
1.1
Grundbegriffe
Man kann die Vielzahl verschiedener Festkörper nach unterschiedlichsten Kriterien klassifizieren. Ein wichtiges Ordnungskriterium stellt dabei die räumlche Struktur des Festkörpers dar. So unterteilt man in
• Einkristalline: Festkörper mit periodischer Ordnung der Strukturbausteine. Die Orte der Atome/Moleküle sind also
durch periodische Gitter, das sich über den gesamten Kristall erstreckt, vorgegeben.
• Polykristalline: Festkörper der sich aus vielen Einkristallen zusammensetzt. Es liegen wiederum periodische Strukturen vor, welche jedoch nur innerhalb der Mikrokristalle gleich ist. Die räumliche Anordnung der Kristalle variiert dabei
regellos.
• Amorphe: Festkörper, welche keine Fernordnung mehr besitzen. Die Atome/Moleküle unterliegen keiner Periodizität.
• Flüssigkristalline
Speziell der wichtige Fall eines Kristalls (Einkristall) stellt also einen idealen Festkörper dar. Er ist durch seine, über das
gesamte Volumen wiederkehrenden, periodischen Strukturen gekennzeichnet.
1.2
Struktur von Kristallen
Man fast die Struktur eines Kristalls als abstraktes mathematisches Gitter (Raum-/Punktgitter) auf. Jedem Gitterpunkt
wird dabei eine Basiszugeordnet, sodass man schließlich zur einem vollständigen Kristallgitter gelangt. Dieses stellt eine
periodische Anordnung von Atomen, Molekülen oder Ionen im dreidimensionalen Raum dar und bestimmt die äußere Erscheinung sowie die physikalischen Eigenschaften des Kristalls (Abbildung 1).
Abbildung 1.1: Die Kristallstruktur
Die Kristallstruktur ist somit durch die Struktursymmetrie (des Raumgitters) also den Gitterparameter wie Länge und Winkel eindeutig beschrieben. Dabei Bezeichnet man als Gittervektor die Vektoren, die im dreidimensionalen Raum von einem
Raumpunkt, zu dessen drei Nachbarpunkten zeigt. In der nachfolgenden Abbildung 2 stellen z.B. ~a, ~b und ~c Gittervektoren
dar. Dabei bezeichnet man die Länge der Vektoren, also |~a|, |~b| und |~b| als Gitterkonstanten und das von den Gittervektoren
aufgespannte Parallelepiped als Elementarzelle.
Befindet sich an jedem Punkt des Raumgitters lediglich ein Atom, so spricht man von einem primitiven Kristall. Tatsächlich
2
Abbildung 1.2: die von den drei Gittervektoren aufgespannte Elementarzelle
sind Kristalle aber kompliziertere Verbindungen. So wird beispielsweise bei Bariumtitanat (BaT iO3 ) jedem Gitterpunkt
genau diese Atombindung zugeordnet. Das Atom, Molekül oder die Atomverbindung die man jedem Gitterpunkt zuordnet wird dabei als Basis bezeichnet. Die mit der Elementarzelle zusammenhänagenden Begriffe wie ihr Volumen oder der
Translationsvektor, der eine Linearkombination der Gittervektoren darstellt, sind im folgenden Überblick dargestellt.
Gittervektoren: ~a, ~b, ~c
Gitterkonstanten: a = |~a|, b = |~b|, c = |~c|
Translationsvektor: T~ = n1~a + n2~b + n3~c, ni ∈ N0

ax
Volumen der Elementarzelle: VE = (~a × ~b) · ~c = det  bx
cx
1.3
ay
by
cy

az
bz 
cz
Bravais-Gitter
Stellt man gewisse Symmetrieüberlegungen an, z.B. bei Betrachtung der Symmetrie-Operationen
• Inversion vom Ursprung
• Spiegelung an einer Ebene
• Drehung um Symmetrieachse
stellt man fest, dass sich die Kristallgitter in insgesamt 7 Kristallklassen unterteilen lassen. Für die Fälle primitiv, flächenund raumzentriert ergeben sich somit 21 Gitter. Bei genauerer Überlegung fallen jedoch einige deckungsgleich raus, sodass
es schließ lich eine Unterteilung in 14 so-genannte Bravais-Gitter gibt. Für diese soll folgende Übersicht genügen.
Abbildung 1.3: drei gleichlange Achsen im 90◦ -Winkel
3
Abbildung 1.4: zwei gleichlange Achsen, drei 90◦ Winkel
Abbildung 1.5: zwei 90◦ -Winkel, keine gleichlangen
Achsen
Abbildung 1.6: auch orthorhombisches Kristallsystem, drei 90◦ -Winkel, keine gleichlangen Achsen
Abbildung 1.7: Trigonale Kristallstrukturen können ebenfalls im hexagonalen Gitter beschrieben werden: hexagonale Aufstellung: a = b 6= c, α =
β = 90◦ , γ = 120◦ (siehe Abbildung
oben), Als Spezialfall kann eine rhomboedrische Zentrierung auftreten: drei
gleichlange Achsen, drei gleiche Winkel
ungleich 90◦ (siehe Abbildung unten)
nicht mit dem orthorhombischen Kristallsystem zu verwechseln
Abbildung 1.8: geringste Symmetrie aller Gitter,
keine gleichen Winkel, keine gleichlangen Achsen
4
Abbildung
1.9:
zwei
gleichlange Achsen in
einer Ebene im 120◦ Winkel, die dritte Achse
senkrecht dazu
1.4
Netzebenen und Millersche Indizes
Durch mindestens drei Gitterpunkte, die nicht alle auf einer Geraden liegen, definiert man eine Gitter- oder Netzebene. Man
führt eine Orientierung der Netzebenen ein. Sind die Schnittpunkte der Ebene gegeben durch
S1 = m1~a S2 = m2~b S3 = m3~c
so ergeben sich deren reziproken Werte zu m11 , m12 und m13 . Durch Multiplikation der reziproken Achsenabschnitte mit der
kleinstmöglichen Zahl p, die diese teilerfremd werden lässt, erhält man die sogenannten
Millersche Indizes.
h=
p
p
p
k=
l=
m1
m2
m3
dabei sind mi ∈ N die Achsenabschnitte der Gittervektoren und p ∈ N die kleinstmögliche Zahl um eine Teilerfremdheit der
Reziprokwerte zu erzielen.
Durch das Tripel [hkl] wird demnach ein Normalenvektor
 
h
~n = k 
l
definiert um so die Orientierung der Netzebene festzulegen. Liegt ein Schnittpunkt im unendlichen, so ist sein Index 0. Ist
ein Achsenabschnitt negativ, so wird der Millersche Index mit einem oberen Querstrich versehen.
1.4.1
Beispiele: Millersche Indizes
Der millersche Index einer Ebene, parallel zur yzEbene ist gegeben durch [100]. Der Normalenvektor
der Netzebene zeigt somit in ~a-Richtung.
Abbildung 1.10: Millerschen Indizes: (100)
Der millersche Index dieser Ebene ist gegeben durch
[110]. Der Normalenvektor der Netzebene ist somit
~n = ~a + ~b.
Abbildung 1.11: Millerschen Indizes: (110)
5
Der millersche Index ist nun [111]. Der Normalenvektor der Netzebene ist somit ~n = ~a + ~b + ~c.
Abbildung 1.12: Millerschen Indizes: (111)
Der millersche Index ist nun [131]. Den die Schnittpunkte ergeben sich zu m1 = 3, m2 = 1 und m3 = 3.
Dies führt auf die Kehrwerte m11 = 13 , m12 = 11 und
1
1
m3 = 3 wonach mit p = 3 multipliziert wird um teilerfremde ganze Zahle zu erhalten. Es ist also für die
Abgebildete Gitterebene [hkl]=[131].
Abbildung 1.13: Millerschen Indizes: (131)
1.5
Reziprokes Gitter
Bei Untersuchungen erweist es sich als Zweckmässig das so-genannte reziproke Gitter einzuführen. Das reziproke Gitter wird
im Gegensatz zum Tanslationsgitter des dreidimensionalen Raumes als Gitter im ~k-Raum bezeichnet. Hier ist schon eine
wichtige Anwendung zu erahnen. So zeigt es sich später, dass bei Kristalluntersuchungen bei denen ~k0 eine einfallende und
~ks eine gestreute Welle darstellen, durch den Vektor des reziproken Gitters (G
~ ) ein Zusammenhang gegeben ist
~
∆~k = ~k0 − ~ks = G
Für die Basisvektoren des rezibroken Gitters gelten folgende Beziehungen
(~b × ~c) ~ ∗
(~c × ~a)
(~a × ~b)
, b = 2π ·
, ~c∗ = 2π ·
VE
VE
VE
~
wenn VE = ~a · (b × ~c) das Volumen der Elementarzelle ist.
~a∗ = 2π ·
Dabei stehen die der Basisvektor ~a∗ senkrecht auf der durch ~b und ~c aufgespannten Ebene. Es gilt also
~e∗i · ~ej = 2πδij .
6
Als erstest Beispiel soll das SC-Gitter (simple cubic/primitiv kubisches Gitter) dienen. Die Gittervektoren sind dabei gegeben als
~a = ~ex , ~b = ~ey , ~c = ~ez
Demnach sind die Vektoren des reziprken Gitters
Abbildung 1.14: primitiv kubisches Gitter
(~b × ~c)
2π
~a∗ = 2π
=
~ex
VE
a
~b∗ = 2π (~c × ~a) = 2π ~ey
VE
b
~c∗ = 2π
2π
(~a × ~b)
=
~ez
VE
c
Man sieht sofort, dass das reziproke sc-Gitter wieder
ein primitiv kubisches Gitter ist (es ist a = b = c).
Abbildung 1.15: reziprokes Gitter des sc-Gitters
Nun betrachten wir ein kubisch raumzentriertes Gitter. In der Abbildung sind dabei die Gittervektoren
eingezeichnet.
a
(~ex + ~ey − ~ez )
2
~b = a (−~ex + ~ey + ~ez )
2
a
~c = (~ex − ~ey + ~ez )
2
~a =
Es ergeben sich die reziproken Vektoren also zu
~a∗ = 2π
(~b × ~c)
2π
=
(~ex + ~ey )
~
a
~a · (b × ~c)
Abbildung 1.16: body-centered-cubic (bcc) kubisch
raumzentriertes Gitter
~b∗ = 2π (~c × ~a) = 2π (~ey + ~ez )
a
~a · (~b × ~c)
(~a × ~b)
2π
~c∗ = 2π
=
(~ex + ~ez ).
~
a
~a · (b × ~c)
Das reziproke Gitter dines kubisch raumzentrierten
Gitters ist somit ein kubisch flächenzentriertes Gitter.
Abbildung 1.17: reziprokes Gitter bbc-Gitters
7
Analog zum Translationsvektor der eine Linearkombination der Basisvektoren darstellt, ist der reziproke Gittervektor
eine Linearkombination der reziproken Basisvektoren. Dabei steht dieser senkrecht auf der Gitterebene [hkl]. Zudem lässt
sich nun eine Formel für den Abstand zwei benachbarter Ebenen einer Ebenenschar angeben.
~ ∗ = h · ~a∗ + k · ~b∗ + l · ~c∗ = G
~ reziproker Gittervektor
R
2π
dhkl =
Abstand der Ebenen in einer Ebenenschar
~
|G|
Bei der Betrachtung von Kristallen spielen schließlich noch zwei weiter Begriffe eine wichtige Rolle. So genügt es zur
Beschreibung einiger charakteristischen Eigenschaften, das Veralten z.B. von Strahlung in einer so-genannten BrillouinZone des Kristalls zu untersuchen. Diese primitive Zelle enthält lediglich eine Basis. Man konstruiert die erste Brillouin
Zone, sie ist nur im Frequenzraum (raum des Reziproken Gitters) definert, durch folgende Vorschrift
• lege Verbindungslinien von einem Punkt des reziproken Gitter zu allen Nachbarpunkten
• lege durch den Mittelpunkt aller Verbindungslinien senkrechte Ebenen, d.h. deren jeweiligen Normalenvektoren sind
parallel zu den Verbindungslinien
Mit Hilfe dieser Vorschrift erhält man eine Einheitszelle im ~k-Raum. Eine analoge Vorschrift im Raum des Translationsgitters
führt zur sogenannten Wiegner-Setz-Zell. Es gibt weiter Briouline Zonen wie in der folgenden Abbildung illustriert. Dabei
ist zu erkennen, dass alle Brillouin Zonen das gleiche Volumen haben.
Abbildung 1.18: Die ersten drei Brillouin Zonen eines speziellen Gitters
8
1.6
Experimentelle Methoden zur Untersuchung der Kristallstruktur
Zur Kristalluntersuchung nutzt man die Beugungserscheinungen sowie Interferenzrrscheinungen von Wellen deren Wellenlänge
λ den Abstand d der Atome unterschreitet. Da neben Röntgenstrahlen auch Elektronen und Neutronen als Sonden dienen
muss für die de-Broglie Wellenlänge gelten
λ=
h
< d.
m·v
Dabei eignen sich Neutronen- und Röntgenstrahlung selbst bei dickeren Schichten der zu untersuchenden Festkörper.
Elektronenstrahlung dringt nicht so tief ein.
1.6.1
Bragg-Reflexion
Mit Hilfe der Bragg-Reflexion ist es möglich Messungen der Netzebenenabstände in Kristallen durchzuführen. Bestrahlt
man eine Netzebenenschar (hkl) unter einem Winkel ϑ so gibt es konstruktive Interferenzen, wenn die so-genannte BraggBedingung
2dhkl · sin ϑ = n · λ
erfüllt ist, was die folgende Abbildung verdeutlicht.
Der Gangunterschied der beiden einfallenden Strahlen ist offensichtlich
∆s = 2d · sin ϑ.
Zu beachten ist hierbei, dass ϑ im Gegensatz zu Optik nicht den Winkel zum Lot, sondern den Winkel
zwischen Strahl und Ebene bezeichnet.
Abbildung 1.19: Prinzip der Bragreflexion
Mit der Bragg-Bedingung gilt somit für das erste Intensitätsmaximum im Falle der Neutronenbeugung
λ = 2dhkl · sin ϑ =
h
m·v
was zu uns direkt die kinetische Energie der Neutronen liefert:
Ekin =
p2
h2
= 2 2
.
2m
8d sin θ · m
9
1.6.2
Weitere Methoden der Röntgen- und Neutronenstreuung
Laue-Verfahren
Im Gegensatz zur Bragg-Reflexion verwendet man bei der Laue-Beugung ein kontinuierliches Spektrum. Dabei fällt ein
paralleles Strahlenbündel auf einen Kristall und wird dort gebeugt. Dabei ändert sich die Richtung des Wellenvektors, jedoch
nicht sein Betrag: |~k0 | = |~k 0 | = k. Wir wollen dies im reziproken Gitter, also dem ~k-Raum betrachten. Dazu nutzen wir die
Ewaldkugel/Ewald-Konstruktion, welche die Bedingung für konstruktive Interferenz bei der Laue-Beugung liefert.
Da also der Betrag des Wellenvektors gleich bleibt,
enden auch alle Wellenvektoren der gebeugten Strahlen, welche com Punkt A ausgehen auf dem Kreis.
Ein Kriterium für ein Interferenzmaximum liefert
nun die Laue-Bedingung.
~ = h · ~a∗ + k · ~b∗ + l · ~c∗
∆~k = ~k − ~k 0 = G
~ der Gittervektor des reziproken Gitters.
Dabei ist G
Dies ist genau für die gebeugten Wellenvektoren
der Fall, die auf einem Gitterpunkt enden, d.h. die
Ewald-Kugel schneidet diesen Gitterpukt. Hierbei
wird auch deutlich, dass für größe Wellenlängen und
somit kleine ~k die Ewald-Kugel so klein wird, das
die Lauebedingung nicht mehr erfüllt wird. Es findet
also keine Beugung statt.
Abbildung 1.20: Prinzip der Edwald-Kugel
Eine äquivalente Darstellung sind die Laue Gleichungen
cos α0 − cos α = h ·
λ
,
a
cos β0 − cos β = k ·
λ
,
b
cos γ0 − cos γ = l ·
λ
c
Wobei α0 , β0 und γ0 die Einfalls- und α, β und γ die Streuwinkel gegen die x-, y- und z-Achse sind. Des Weiteren ist
cos2 α + cos2 β + cos2 γ = 1
cos 2ϑ = cos α cos α0 + cos β cos β0 + cos γ cos γ0
Addiert man die Quadrate der drei Laue-Gleichungen und nutzt die oben gegebene Relation zwischen Einfallswinkel,
Streuwinkel und dem Ablenkwinkel 2ϑ erhält man
h2
k2
l2
2 · [1 − cos 2ϑ] = λ2 ·[ 2 + 2 + 2 ] ⇒ Bragg-Reflexion: 2dhkl sin ϑ = λ
|
{z
}
b
c}
|a
{z
2
2 sin ϑ
√
dhkl
Die Bragg-Reflexion stellt sich somit nur als Spezialfall der Laue-Gleichung dar, bei der es zu einer Streuung der einfallenden
Strahlung mit fester Wellenlänge λ nur unter dem richtigen Einfallswinkel ϑ gegen die (hkl)-Ebenenscharr kommt. Der LaueBeugung hingegen liegt ein Spektrum λi an Wellenlängen zugrunde. Wobei nur geeignete Wellenlängen die Bragg-reflexion
erfahren. (Hilfskonstruktion ist dabei die Edwald-Kugel.)
10
Debye-Scherer Verfahren
Bei Polykristallinen Festkörpern sind die Mikrokristalle und ihre Netzebenen regellos orientiert (siehe Abschnitt 1.1). Das
weiter oben beschriebene Bragg-Verfahren kann hier somit nicht zum Einsatz kommen.
Ein Puverprobe des Materials wird, wie in der Abbildung skizziert, mit monochromatischer Röntgenstrahlung beschossen. Da die Mikrokristalle regellos angeordnet sind, gibt es immer welche, die die
Bragg-Bedingung erf”llen. Die Summe aller so optimal gebeugten Strahlen erzeugt einen Kegel der
auf einem Film abgebildet wird. Durch Gleichmäßiges rotieren der Probe werden so viele Mikrokristalle
bestrahlt wobei für verschiedene Netzebenen konzentrische Kreise unterschiedlicher Radien auf dem Film
entstehen. Durch
Ri = RZ · sin 2ϑi
Ri ... Radius des i-ten Kreises
können zusammen mit der Bragg-Bedingung die Netzebenenabstände bestimmt werden.
Abbildung 1.21: Prinzip des Debye-Scherrer-Verfahrens
(Quelle: Experimentalphysik 3, Wolfgang Demtröder )
Drehkristallverfahren
Bei diesem Verfahren wird ein Einkristall mit monoenergetischen Röntegen- oder Neutronenstrahlen
beschossen. Dabei dreht er sich um eine feste Achse. Bei bestimmten Drehwinkeln treten Punktförmige Interferenzen auf, da die Bragg-Bedingung für diese erfüllt ist. Dieses Schema ist in der rechten Abbildung skizziert. Dabei ist der Strahl rot, der Film blau
markiert.
Abbildung 1.22: Prinzip des Drehkristallverfahrens
11
Kapitel 2
Gitterfehler realer Kristalle
Weicht ein Kristall von der Idealstruktur einer strengen Periodizität ab, so spricht man von Gitterfehlern. Diese Fehler,
ihre Art und Häufigkeit führen dabei zu charakteristischen Änderungen der mechanischen, elektrischen, magnetischen und
optischen Eigenschaften eines Festkörpers.
2.1
Leerstellen im Gitter
Die einfachste Fehlerordnung in Kristallen, sind
fehlende Atome an regulären Gitterplätzen. Man
bezeichnet solche Leerstellen als Schottkysche
Fehlerstellen oder Schottky-Deffekt. Diese lassen sich beispielsweise erzeugen, indem man einen
Festkörper mit Neutronen oder Ionen bestrahlt. Allgemein gilt, dass die Anzahl der solcher Fehlstellen
NF in einem Kristall von der Energie WS (SchottkyEnergie) abhängt, die benötigt wird um eine Fehlstelle zu erzeugen. Dabei steigt NF exponentiell mit
zunehmender Temperatur an. Die Leerstellen eins
Kristalls könne sich bewegen, was als Leerstellenwanderung bezeichnet wird. Der Schottky-Deffekt trägt
somit zur Reaktivität und zum Stofftransport eines
Festkörpers bei. Dabei ist es speziell für Ionenkristalle am energetisch günstigsten, wenn gleich viele
Leerstellen bei Kationen wie Anionen entstehen.
Abbildung 2.1: Punktdeffekt im einatomigen Kristtall
Abbildung 2.2: Punktdeffekt im Ionenkristtall
Um die Leerstellenkonzentration eine Festkörpers im Gleichgewicht zu ermitteln, beginnen wir mit der Frage nach der
mglichen Anzahl an Fehlstellen NF bei einem Gitter aus N Atomen. Dies ist eine einfaches Problem der Kombinatorik und
man berechnet die Anzahl mittels Binomialkoeffizient zu
N
N!
Ω=
=
, N ≥ NF
(2.1)
NF
NF !(N − NF )!
Aus der Thermodynamik ist die freie Energie F für ein System bekannt, dass mit seiner Umgebung im Gleichgewicht steht.
F = U − T · S,
U = NF · WS
(2.2)
mit der Energie die pro Erzeugung einer Leerstelle nötig ist WS . Die Entropie ist dabei nach der Boltzmann-Statistik
proportional zum Logarithmus der Anzahl der möglichen Zustände und es ist
S = kB · ln Ω = kB ·
N!
= kB · [ln N ! − ln NF ! − ln(N − NF )!]
NF !(N − NF )!
(2.3)
(2.4)
12
und mit der Stirlingschen Formel für N 1, NF 1, wonach ln x! = x ln x − x wird aus Gleichung 2.3
− NF ln NF + −
S = kB [N ln N − N
N
N
N
F − (N − NF ) ln(N − NF ) + F]
= kB [N ln N − NF ln NF − (N − NF ) ln(N − NF )].
(2.5)
Die freie Energie lsst sich also schreiben als
F = U − TS
= NF WS − T kB [N ln N − NF ln NF − (N − NF ) ln(N − NF )]
= NF WS − T kB [N ln N + NF ln
(N − NF )
− N ln(N − NF )].
NF
Im Gleichgewicht darf sich diese nicht ändern, also
"
(#
((
((N
(
−N
∂F
N − NF
NF
(
(
(
= WS − T kB ln
+ NF
· ( 2 +
((((
∂NF T
NF
NF
N − NF
(((N − NF
N − NF
!
= WS − T kB ln
= 0.
NF
(2.6)
(2.7)
Fr die Leerstellenkonzentration nc beim Schottky-Deffekt im Gleichgewicht des Festkörpers erhalten wir also
nc =
2.2
NF
= exp
N − NF
−WS
T · kB
,
Leerstellenkonzentration beim Schottky-Deffekt
(2.8)
Frenkel-Deffekt
Abbildung 2.3: FrenkelDeffekt im einatomigen
Kristtall
Als Frenkel-Deffekt oder Frenkelsche Fehlerordnung bezeichnet man eine bestimmte Sorte von
Punktfehlern. Dabei verlässt ein Atom oder Ion seinen Platz im Gitter, wandert dann aber nicht an
die Oberfläche des Festkörpers wie es etwa beim
Schottky-Deffekt der Fall ist. Die Atome oder Ionen bleiben an so-genannten Zwischengitterplätzen
im Metall, beispielsweise weil Ihre kinetische Energie nicht ausreicht um die Oberflche zu erreichen.
Für die Energie und die Anzahl der Fehlstellen gelten dabei analoge Überlegungen wie beim SchottkyDeffekt. Gelegentlich spricht man im Ionengitter speziell vom Anti-Schottky- bzw. Anti-Frenkel-Deffekt,
wenn es sich um ein Anion handelt, welches seinen
Gitterplatz verlässt.
Abbildung 2.4: AntiFrenkel-Deffekt im Ionenkristtall
Im Gegensatz zum Schottky-Deffekt und Gleichung 2.1 ist die Anzahl der mglichen Paare von Leerstelle und besetzten
Zwischengitterplatz nun aber gegeben durch
Ω=
N!
N̂ !
·
.
(N − NF )!NF ! (N̂ − NF )NF !
(2.9)
Dabei ist N̂ die Anzahl der Zwischengitterpltz. In einer analogen Rechnung zum vorigen Abschnitt folgt daraus die Leerstellenkonzentration beim Frenkel-Deffekt mit der Energie WF , die ntig ist um eine Leerstelle zu erzeugen, mit
nc =
p
N N̂ · exp
13
−WF
2kB · T
(2.10)
2.3
Fremdatome in Kristallen
Neben den natürlichen Fehlern in realen Kristallen gibt es auch bewusste Dotierungen von Kristallen. So werd bei Halbleitern beispielsweise unter Ionenbeschuss gezielt anderswertige Fremdatome in ein Gitter eingebracht. Diese so eingebrachten
Atome können sich auf Zwischengitterplätzen oder an di Atome an echten Gitterplätzen befinden. Dies nennt man Substitutionsstörstellen. Um die dabei auftretenden Schäden der Gitter zu beheben nutzt man das sogenannte Tempern oder
Aufheizen. Die Temperaturerhöhung kommt es zu einem Anstieg der Diffusion und die Atome springen schließlich an ihre
ursprünglichen Gitterplätze, den Zuständen minimaler Energie wieder zurück. Die Diffusion in Festkörpern, welche wesentlich
langsamer verläuft als in Flüssigkeiten jdeoch mit steigender Temperatur zunimmt, spielt bei Punktdefekten eine zusätzliche
Rolle. So diffundieren Gitteratome in benachbarte Leerstellen sodass das es zu einer Wanderung des Punktdefektes kommt.
Analog können Zwischengitteratome diffundieren, wenn die zu durchtunnelnde Potentialbarere nicht zu großist.
2.4
Farbzentren
Fehlende Anionen in Ionenkristallen können durch ein oder mehrere Elektronen ersetzt werden. Da diese Elektronen elektromagnetische Strahlung im Bereich des sichtbaren Lichts absorbieren, kommt es zu Verfärbung des Kristalls. Das Absorptionsspektrum eines solchen Kristalls besitzt eine scharfe Linie dessen Postion größe und Form von der Anzahl der Leerstellen
abhängt (siehe Abbildung). Farbzentren lassen sich z.B. durch bedampfen eines Salzkristalls mit dem entsprechenden Metall erzeugen. Bei Bedampfen von N aCL mit Natrium beispielsweise werden positive Natriumionen durch Natriumatome
ersetzt sodass sich die überschüssigen Elektroenen stark lokalisieren lassen und so-genannte Farbzentren ausbilden. Die
Farbzentren werden dabei
Abbildung 2.5: F-Zentrum
Abbildung 2.6: M-Zentrum
2.5
Abbildung 2.7: Vk -Zentrum
Abbildung 2.8: R-Zentrum
Gitterversetzung
Die reguläre Struktur von Kristallen kann neben den atomaren
Punktdefekten auch vorkommen, wenn sich Netzebenen untereinander verschieben. Nachbarebenen und die Umgebung bei Versetzungen werden dabei zusammengedrückt oder gekrümmt, sodass elastische Kräft wirken. Da solche Vorgänge energetisch nicht
günstig sind, kommt es im vergleich zu Punktdefekten nur selten
dazu.
Abbildung 2.9: fehlende Gitterebene und Stufenversetzung in einem Kristall
14
2.6
2.6.1
Flächendefekte
Korngrenze
Auszug aus der Wikipedia
Eine Korngrenze ist in der Kristallographie ein zweidimensionaler Gitterfehler. Die Korngrenze trennt in einem Kristall Bereiche (Kristallite oder auch Krner genannt) unterschiedlicher Ausrichtung mit ansonsten gleicher Kristallstruktur. Es wird
zwischen Kleinwinkel-korngrenzen und Großwinkelkorngrenzen unterschieden. Als Großwinkelkorngrenze wird der Grenzbereich bezeichnet, in dem zufllig orientierte Kristallbereiche gegeneinanderstoen, deren Orientierungsunterschied einen Winkel
von 10◦ übersteigt. Eine solche Korngrenze kennzeichnet nicht mehr nur eine Störung in einem Korn, sondern die Korngenze zum Nachbarkristallit. Korngrenzen können durch chemisches Ätzen an der Oberfläche sichtbar gemacht werden. An
Korngrenzen sammeln bzw. bilden sich Ausscheidungen, insbesondere Oxide.
2.6.2
Stapelfehler
Auszug aus der Wikipedia
Ein Stapelfehler ist ein 2-dimensionaler Gitterfehler in bestimmten Kristallstrukturen. Er tritt z. B. in der kubisch-flächenzentrierten Kristallstruktur auf, die als Stapelung von Kristallebenen mit der Abfolge ABCABC... beschrieben werden kann.
Wird diese Regelmäßigkeit unterbrochen (z. B. ABCBCABC...) so liegt ein Stapelfehler vor. Der Stapelfehler ist ein wichtiger
Gitterfehler, da er zur Bildung von Korngrenzen fhrt und so die Bildung von Einkristallen verhindert. Stapelfehler entstehen,
wenn eine Partialversetzung durch den Kristall läuft. Je kleiner die dazu nötige Energie (Stapelfehlerenergie, stacking fault
energy, SFE) ist, desto leichter lässt sich ein Stapelfehler bilden. Silber hat eine niedrige SFE (20 mJ
m2 ), Versetzungen können
sich deshalb leicht in Partialversetzungen aufspalten. Schraubenversetzungen mssen dann zum Quergleiten unter Energieaufwand wieder einschnren, deswegen steigt die Festigkeit. Die SFE von Aluminium ist sehr hoch (180 mJ
m2 ), die Versetzungen
spalten daher kaum auf. Das ist mit ein Grund fr die niedrige Festigkeit von Al.
Über die gezeigten Kristallfehler hinaus gibt es eine Reihe weiterer Störungen in den periodischen Gittern von Kristallen. Einige davon wie beispielsweise die Ausbildung von Kristallzwillingen kann dabei zu einer höheren Symmetrie führen.
Abbildung 2.10: Japaner Zwilling, Quelle: Berthold Weber
2.7
amorphe Festkörper
Die ausführliche Behandlung von so-genannten amorphen Festkörpern ist hier nicht gegeben. So werden ausschließlich
kristalline Festkörper betrachtet die eine Nah- und Fernordnung besitzen, sodass wir wie hier gezeigt jede Abweichung
von der periodischen Struktur als Fehler betrachten, welche zu veränderten Eigenschaften führten. Im Gegensatz dazu
fehlt bei nichtkristallinen Stoffen die Fernordnung völlig wobei die Nahordnung z.B. im Sinne einer Bassis noch gegeben
sein kann. Quarz beispielsweise hat amorph wie kristallin eine ähnliche Struktur sodass kleine statistische Schwankungen
der Atomabstände, der Bindungswinkel und die Verdrehung der Atome um eine Bindungsachse schließlich die periodische
Struktur im Fernfeld zerstören. Beugungs- und Symmetrieuntersuchungen liefern entsprechend schlechte Resultate.
15
Kapitel 3
Bindungen in Festkörpern
Die Untersuchung von periodischen Strukturen kristalliner Festkörper führte zu zahlreichen Erkenntnissen bezüglich ihrer
physikalischen Eigenschaften. Letztlich ist jedoch die Frage zu klären, was die Frestkörper zusammen hält. Ein kurzer Abriss
einiger Wechselwirkungen, deren Stärke und Reichweite die Festigkeit eines Stoffes bedingen, soll in diesem Kapitel gegeben
werden. Dabei sind die wichtigsten Wechselwirkungen mit zunehmender Bindungsenergie
• van-der-Waals-Bindung (bei Edelkristallen)
• Wasserstoff-Brückenbindung
• metallische Bindung (in allen Metallen)
• ionische Bindung (in Alkalihalogenid-Kristallen)
• die kovalente (Valenz-)Bindung (in Silizium, Germanium oder Diamant)
Dabei hängt die Schmelztemperatur von Festkörpern wesentlich von ihrer Bindungsenergie ab.
3.1
Ionenbindungen
Ein typischer Vertreter der Ionenbindung ist NaCl aus der Gruppe der Alkalihalogenide. Dabei hält sich das Elektron der äußeren
Schale des Alkaliatoms überwiegend im Bereich des Halogenidatoms
auf, da dies einen freien Platz in der äußeren Schale besitzt. Die dadurch entstehenden Ionen unterliegen der elektrostatischen Wechselwirkung. Zu einer ersten Abschätzung gelangt man durch die Betrachtung der Coulomb-Energie. Da die Coulombkraft lediglich mit
dem Quadrat des Abstandes abnimmt müssen zur genaueren Bestimmung der Bindungsenergie die elektrostatische Wechselwirkung mit
weiteren Nachbarionen berücksichtigt werden. Dabei beschreibt die
Madelung Konstante α die Stärker der ionischen Bindung unter
Berücksichtigung weiter entfernter Ionen. Die Bindungsenergie in Ionenkristallen kann somit berechnet werden.
EB =
α=
X
j
Q2 α
·
4πε0 r
... Bindungsenergie
±R
rj
... Madelung-Konstante
=
Abbildung 3.1: Natrium-Chlorid EB ≈ 8, 2eV
Abbildung 3.2: zur Berechnung der Madelungkonstante
Dabei sind die plastisch verformbaren Ionenkristalle bei niedrigen
Temperaturen Isolatoren wobei es bei hohen Temperaturen zur Ionenleitung kommt.
16
3.2
Metallische Bindung
Metalle besitzen neben den fest gebundenen Valenzelektronen auch äußeren Elektronen die frei beweglich sind. Diese Vorstellung von frei beweglichen Elektronen, man spricht auch vom Elektronengas, und den positiven, gitterförmig angeordneten
Atomrümpfen, liefert eine Erklärung für die gute Leitfähigkeit von Metallen. Metallische Bindungen sind schwächer als Ionenbindungen. Dabei sind Bindungen von Alkalimetallen wie Natrium (1, 1eV pro Atom) schwächer als bei Metallen Eisen
(4, 2eV pro Atom) oder Wolfram (8, 7eV pro Atom) da hier die zusäzliche Bindungswechselwirkungen der unaufgefüllten
inneren d-Schale auftreten.
3.3
kovalente Bindung
Kovalente Bindungen treten bei Elementen der 3. bis 5. Hauptgruppe auf. Die Valenzbänder sind dabei nicht voll besetzt es
gelingt jedoch mit den Valenzelektronen der nächsten Nachbaratome einen Edelgasähnlichen Zustand zu erreichen. So führt
die gemeinsame Zugehöhrigkeit eines Elektronenpaars (mit antiparallelem Spin) zu zwei benachbarten Atomen auf einem
energetisch günstigerem Zustand, was zur Bindung der beiden Atome führt.
3.4
van-der-Waals Bindung
Die van-der-Waals Wechselwirkung tritt bei hat ihre Ursache in den momentan induzierten Dipolmomenten von Kristallatomen oder Molekülen. Diese Dipol-Dipol-Wechselwirkung führt zu einer schwachen elektrostatischen Anziehung.
C
U (r) ≈ − 6
van-der-Waals Potential
r
σ 12 σ 6
U (r) = −
Lennard-Jones-Potential
r
r
mit C = 4σ 6
Die van-der-Waals Wechselwirkung ist verglichen mit anderen Kristallbindungen sehr klein, spielt aber bei der Bindung
von Edelgaskristallen eine wichtige Rolle. Experimentelle Untersuchungen ergeben ein zusätzliches extrem schwaches abstoßendes Potential. Zusammen ergibt sich das Lennard-Jones-Potential.
17
Kapitel 4
Dynamik in Kristallgittern
18
Kapitel 5
Kontrollfragen
• Was versteht man unter einem idealen kristallinen Festkörper?
• Was ist die Basis, ein Raumgitter und was ist eine primitive Translation?
• Warum reichen zur festkörperkphysikalischen Beschreibung kristalliner Festkörper 14 Bravais-Gitter aus?
• Welcher Unterschied besteht zwischen Elementar und Einheitszelle?
• Was versteht man unter Netzebenen?
• Warum bezeichnet man Ebenen im Kristall mit den Millerschen Indizes?
• Welche Rolle spielen Brillouninzone und Wieger-Seitz-Zelle bei der Beschreibung des kristallinen Festkörpers und wie
konstruiert man Sie?
• Wie wird das reziproke Gitter gebildet?
• Welche Vorteile hat diese Transformation ins reziproke Gitter?
• Wie erzeugt man Röntgenstrahlung?
• Warum eignet sich diese besonders für die Kristallstrukturanalyse?
• Warum wird Röntgenstrahlung in Festkörpern nicht gebrochen sondern gebeugt?
• Welche Kristallstrukturanalyseverfahren mittels Röntgenstrahlung kennen Sie?
• Welcher Zusammenhang besteht zwischen Braggscher Reflexionsbedingung und den Lauegleichungen?
• Welche Rolle spielt die Ewald-Kugel bei der erklärung der Beugungsreflexe?
• Welche Arten von Gitterfehlern gibt es und wie äußern sich diese in der Strukturanalyse?
• Wotin besteht der Unterschied zwischen kristallinen und amorphen Festkörpern?
• Welcher Unterschied besteht zwischen Beugungsexperimenten mit Röntgenstrahlung, Elektronen und Neutronen?
• Welche vor und Nachteile haben die Beugungsverfahren, welche zusätzlichen Informationen können eventuell gewonnen
werden?
19
Literaturverzeichnis
[1] Wikipedia
[2] Prof. Paul Seidel: Vorlesung Physik der Materie II - Festkörper
[3] Prof. Wolfgang Demtröder: Experimentalphysik 3
[4] Prof. Horst Stöcker: Taschenbuch der Physik
20
Herunterladen