Ausgabe 2 2014 MEDIZIN Ein Grazer Herzspezialist gibt Einblick in seinen Klinikalltag. Oft begleitet er Patienten ihr ganzes Leben. FORSCHUNG Fehlbildungen des Herzens sind bei Babys keine Seltenheit. Moderne Techniken ermöglichen heute diese zu operieren. SITZEN STATT SPIELEN Kinder können aufgrund von Lungenhochdruck nicht mehr mit Freunden mithalten. Herumtoben aber auch Lachen fällt zunehmend schwerer. EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, Impressum ich freue mich, Ihnen eine neue Ausgabe des Magazins „ruhig atmen“ präsentieren zu dürfen. Rechtzeitig zu Beginn der kalten Jahreszeit möchten wir nicht nur wie gewohnt interessante Themen aus dem Bereich der Medizin vorstellen, sondern auch Anregungen zur Steigerung Ihrer Lebensqualität bieten, damit Sie den Winter möglichst beschwerdefrei genießen können. Eine Betroffene verrät Tipps für den Alltag und das Redaktionsteam recherchierte für Sie, wie die Schleimhäute im Winter besonders gut gepflegt werden können. Schließlich haben viele Patienten in den feuchtkalten Tagen besonders häufig mit Schleimhautproblemen zu kämpfen. Herausgeber, Verleger: speedy space og, Liniengasse 2b/4, 1060 Wien, Tel: +43 1 595 4000 Auf den weiteren Seiten lesen Sie, wie eine Patientin bereits seit vielen Jahren trotz Lungenhochdruck zufrieden und glücklich lebt. Ebenso wie eine Familie, deren Sohn als Baby erkrankte und der heute, im Alter von acht Jahren, trotz Einschränkungen, die ihm im Alltag begegnen ein aufgeweckter Bursche geworden ist. Wie Ärzte mit jungen Patienten umgehen verrät Univ.-Prof. Dr. Andreas Gamillscheg, Leiter der Klinischen Abteilung für Pädiatrische Kardiologie an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Graz. Er setzt sich für neue Behandlungsmöglichkeiten herzkranker Kinder bis ins Erwachsenenalter ein und begleitet sie oft lebenslang. Medieninhaber: Actelion Pharmaceuticals Austria GmbH, Leonard-Bernstein-Straße 10, 1220 Wien, Tel: +43 1 505 45 27 Für den Inhalt verantwortlich: Actelion Pharmaceuticals Austria GmbH und speedy space og Gestaltung und Konzeption: speedy space og, Liniengasse 2b/4, 1060 Wien, E-Mail: [email protected] Redaktion: Mag. Dina Elmani-Zanka, MSc (Leitung), Teresa Arrieta, Helmut F. Reibold, Robin Sturmeit, Mag. Tina Veit Wissenschaftlicher Beirat: Dr. med. Gerald Freisleben Mitarbeit: Dr. med. Iris Herscovici, Dr. Anita Hoerburger, Dr. Martina Schmidt, Mag. Renate Pachatz-Schwarz Fotos: Bigstock, Actelion Pharmaceuticals Austria GmbH, beigestellte Fotos Wir hoffen unser Magazin konnte Ihnen in diesem Jahr Unterstützung bringen und freuen uns, Ihnen im neuen Jahr erneut eine informative Lektüre bereiten zu können. Wir werden bald wieder in der Planungsphase sein und freuen uns daher auf Ihre Zuschriften, Tipps oder Anregungen zu interessanten Themen. Lesermails übermitteln Sie bitte an: [email protected] Copyright: Sämtliche Beiträge in diesem Magazin wurden nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Irrtümer sind vorbehalten. Alle Angaben sind ohne Gewähr und jegliche Haftungsansprüche ausgeschlossen – insbesondere jene, die sich aus Angaben bzw. Empfehlungen zu Vorsorge, Diagnose und Therapien ergeben. Darüber hinaus kann und soll das Magazin das Gespräch mit der Ärztin bzw. dem Arzt nicht ersetzen. Der Nachdruck, die Wiedergabe, Vervielfältigung und Verbreitung (gleich welcher Art) auch von Teilen oder Abbildungen bedürfen der schriftlichen Genehmigung des Herausgebers. Im Namen des gesamten Teams wünsche ich Ihnen schon jetzt eine schöne Vorweihnachtszeit mit unserem aktuellen Exemplar sowie alles Gute und vor allem Gesundheit für das Jahr 2015. Hersteller: Gutenberg-Werbering GmbH, Anastasius-GrünStraße 6, 4021 Linz Auflage: 5.000 Stück, Erscheinungsweise: 2 x jährlich Dr. Martina Schmidt General Manager Actelion Österreich Ihr Feedback senden Sie bitte an: [email protected] Wir empfehlen folgende Apps, um die QR-Codes zu lesen: Android: Barcode Scanner, i-nigma, RedLaser iOS: i-nigma, RedLaser Sonstige Mobil-OS: i-nigma Offenlegung Aufgabe und Ziel des Magazins „ruhig atmen“ ist es, Patienten, die an Lungenhochdruck leiden, zu informieren und Wege aufzuzeigen, die die Lebensqualität erhöhen können. Das Magazin ist kostenlos. Weiterführende und vertiefende Informationen stehen auf dem gleichnamigen Wissensportal www.ruhigatmen.at zur Verfügung. INHALT MEDIZIN WIE KINDER MIT PH LEBEN 9 Für Kinder, die an Pulmonaler Hypertonie erkrankt sind, gestaltet sich der Alltag sehr schwierig. Eine Familie berichtet über ihre Erfahrungen. HERZENSANGELEGENHEITEN 11 Univ.-Prof. Dr. Andreas Gamillscheg, Kardiologe, gibt Einblick in seinen Alltag und die Begleitung herzkranker Kinder und ihrer Familien. MEDIZINISCHES GLOSSAR Sie verstehen beim Arztbesuch nur Bahnhof? ruhig atmen schafft Abhilfe und erklärt medizinische Fachbegriffe. In dieser Ausgabe:Teil 1: A–H. 9 LEBENSGEFÜHL MIT BEDACHT DURCH DEN WINTER 4 Weder trockene Raumluft noch eisige Kälte im Freien ist für Lungenhochdruck-Patienten angenehm. Eine Betroffene verrät, wie sie gut durch den Winter kommt. 6 Schleimhautprobleme belasten viele Patienten, die eine Atemwegserkrankung haben. Lesen Sie nach, wie man diese in den Griff bekommen kann. 7 Vor 14 Jahren erhielt Petra L. die Diagnose Lungenhochdruck. Sie schildert, wie sie gelernt hat mit der Erkrankung trotzdem gut zu leben. 8 Lungenhochdruckpatienten haben das Recht auf einen Behindertenausweis. Dieser bringt viele Vorteile – etwa auch finanzielle Entlastung. 12 FORSCHUNG HERZFEHLER BEI KINDERN Eine Fehlbildung des Herzens ist bei Babys keine Seltenheit. Ohne Behandlung kann diese Anomalie auch Lungenhochdruck zur Folge haben. GELBE BOX Univ.-Doz. Dr. Ernst Agneter im ruhig atmenInterview über Chefarztpflicht, die Bedeutung der „Gelben Box“ und neue Medikamente am Markt. 14 15 FREIE ATEMWEGE FAMILIE ALS KRAFTQUELLE SOZIALE UNTERSTÜTZUNG 14 4 | 2 2014 ruhig atmen WINTERFREUDEN GENIESSEN Kalte, eisige Winterluft ist für Lungenhochdruck-Patienten nicht optimal, ebenso wenig wie trockene Raumluft. Eine Betroffene verrät Tipps, wie Sie gut durch die kalte Jahreszeit kommen. Ulrike Weser W enn es draußen richtig stürmt und schneit, verzichtet Eva Otter auch mal auf einen Spaziergang. Normalerweise lässt sich die 54-Jährige die Winterfreuden aber nicht vermiesen – obwohl sie seit vielen Jahren an Lungenhochdruck erkrankt ist. Denn die Mitarbeiterin der Patientenvereinigung für PH-Erkrankte in Österreich weiß, wie man trotz der Krankheit mit ein paar kleinen Tricks auch gut durch die kalte Jahreszeit kommt. Wichtig für jeden Ausflug sind vor allem eine gute Vorbereitung und die Einsicht, dass PH-Patienten bei kalter und feuchter Luft ein bisschen auf sich aufpassen müssen. KLEINE TIPPS FÜR DEN ALLTAG „Ein einfacher, aber hilfreicher Trick ist, sich im Winter einen Schal vor den Mund zu halten“, meint Eva Otter. So müsse man auf fast keinen Ausflug verzichten, auch nicht auf längere Zoobesuche mit dem Enkelkind oder Spaziergänge durch den verschneiten Park. Ein Muss sei dennoch ausreichend warme Kleidung. Wem die warme Jacke nicht reicht, der könne durch Batterien beheizbare Handschuhe oder Mützen aufsetzen, rät sie. Insgesamt dreht sich die Welt für die 54-Jährige im Winter aber schon etwas langsamer: „Wenn es kalt ist, gehe ich nicht so schnell“, berichtet Frau Otter. Denn wer außer Atem ist, gerate schnell ins Keuchen und schnappe frostige Luft auf. Das brenne wie Feuer in der Lunge. Von den im Winter beliebten Ausflügen ins Thermalbad hält sie nicht so viel: Dampfbäder seien oft wahre Bakterienschleudern und begünstigten Ansteckungen. ANSTECKUNGSGEFAHR SEHR HOCH Besonders im Winter ist der Schutz vor Infektionen auch aus medizinischer Sicht einer der wichtigsten Punkte für PH-Patienten. Professor Horst Olschewski von der Universitätsklinik in Graz rät prinzipiell von Veranstaltungen ab, auf denen man in engen Kontakt mit Personen kommt, die erkältet sein können. „Das gilt auch für den familiären Bereich“, betont der Spezialist. „Also: Abstand halten von allen Personen, die husten oder niesen!“ Für den Herbst empfiehlt der Mediziner zudem eine Schutz­impfung gegen Grippe. Zusätzlich sollten PH-Patienten ab dem 50. Lebensjahr über eine Impfung gegen Pneumokokken zum Schutz vor Lungenentzündungen nachdenken. Doch trotz des erhöhten Erkältungsrisikos im Winter spricht für den Arzt nichts dagegen, dass PH-Patienten an ihren üblichen Freizeitaktivitäten festhalten. Im Gegenteil sei die Luft in der kühleren Jahreszeit draußen oft besser als in geschlossenen Räumen. Aufgrund der Heizung trockne die Raumluft schnell aus und enthalte relativ viel Feinstaub, erklärt Professor Olschewski. Ein kurzer Spaziergang sei immer noch besser, als den ganzen Tag im Haus zu sitzen. Wer allerdings etwas weiter weg fahren will, sollte das eigene Auto nehmen, denn gerade in öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Ansteckungsgefahr wiederum sehr hoch. GESUNDE NAHRUNG STÄRKT DEN KÖRPER Wer sich optimal gegen eine Erkältung rüsten möchte, sollte zudem auf seine Ernährung achten. „Wichtig für PH-Patienten ist, das Gewicht in einem normalen Bereich zu halten“, sagt Professor Olschewski. Das gelte zwar für das ganze Jahr, allerdings müssten die Patienten besonders im Winter darauf Acht geben, dass sie eine ausgewogene Ernährung mit allen Vitaminen und Spurenelementen bekämen. Zusätzlich Tabletten oder Kapseln mit bestimmten Vitaminen zu nehmen, hätte allerdings keine „günstigen Effekte“ gezeigt, berichtet der Mediziner. Eine ausgewogene, natürliche Ernährung versorge den Körper optimal mit allen Stoffen, die benötigt werden. Auch die Lungenhochdruck-Patientin Eva Otter schwört im Winter auf viel frisches Obst und Gemüse, außerdem liebe sie spezielle Gewürze, die sie von innen wärmen. So kommt bei ihr im Winter zum Beispiel häufig ein Birnen-Apfel-Kompott mit Vanille und Kardamom auf den Tisch. Schmeckt gut – tut gut. Morgens und Abends hilft ein Tee mit frisch geschnittenem Ingwer Verschleimungen aufzulösen. Die Kräuter sind aber nicht nur in Speisen oder im Tee sinnvoll. Frische Melisse hat etwa als Zusatz im Badewasser auch eine entspannende Wirkung. WOHLGERÜCHE FÜR EINE GUTE STIMMUNG Sich mit angenehmen Düften oder Aromen zu umgeben, hilft Frau Otter ebenfalls, sich vor einer Winterdepression zu wappnen. Neben der Achtsamkeit für den Körper müsse nämlich auch die Seele gut behandelt werden, meint sie. Für ganz besonders graue Tage hat sie sich einen Tageslichtspender gekauft, der spezielles weißes Licht verbreitet und die Stimmung hebt. Als Lektüre empfiehlt sie für den Winter lieber einen lustigen Roman als einen Krimi. Und auch das Treffen mit (natürlich nicht erkälteten) Freunden hilft über die dunkle Jahreszeit hinweg. Wer den Winter in Österreich partout nicht aushält, kann darüber nachdenken, die heimischen Gefilde zu verlassen. Gerald Fischer, Leiter der Patientenvereinigung in Österreich, empfiehlt Regionen, in denen es auch im Winter um die 20 Grad hat. Er rät von Skiurlauben ab, da die Höhe den meisten Patienten nicht gut bekomme. „Wer es sich zeitlich leisten kann, könnte auf Zypern oder in der türkischen Provinz Antalya ein paar Monate verbringen“, empfiehlt Herr Fischer. Auch dort gebe es Spezialisten für die Krankheit und so blieben manche Patienten den ganzen Winter dort. Wer einen Arzt suche, könne sich über die Internetseite der Patientenvereinigung informieren. Dort ist auf einer Weltkarte verzeichnet, wo Spezialisten zu finden sind. Doch auch wer zu Hause bleibt, kann mithilfe von Gerald Fischer und seinen Mitstreitern bei den regelmäßigen „Plaudermeetings“ einen schönen Winter verleben. Und zum Weihnachtsfest bei der Patientenvereinigung gibt es dann auch schon mal einen kuscheligen Schal als kleines Geschenk, der bestimmt wärmt. GLEICHGESINNTE TREFFEN D ie Patientenvereinigung für Lungenhochdruck-Erkrankte in Österreich wurde 2002 von Gerald Fischer ins Leben gerufen, da seine heute 19 Jahre alte Tochter Maleen im Alter von drei Jahren mit der Krankheit diagnostiziert wurde. Die Initiative hat 300 Mitglieder und informiert unter www.lungenhochdruck.at über Treffen und Projekte. Maleen hat kürzlich ein Buch mit dem Titel „Als gäbe es kein Morgen. Wie die Hoffnung den Tod besiegen kann“ herausgebracht, das im Buchhandel erhältlich ist. mit Behörden. Außerdem gibt sie Hinweise zu internationalen Spezialisten, falls ein Patient in den Urlaub fahren will. Für die Reise mit dem Flugzeug werden auch Sauerstoffgeräte verliehen. Kernstück der Vereinigung sind die so genannten „Plaudermeetings“, bei denen Patienten in ungezwungener Atmosphäre zusammenkommen. Die Patientenvereinigung informiert über die Krankheit und vermittelt Kontakte zu Spezialzentren. Ein Schwerpunkt liegt auch in der praktischen Hilfe, zum Beispiel beim Umgang Weitere Informationen sind über die Internetseite oder das Patiententelefon mit der Rufnummer 0664/2880888 sowie über die E-Mail-Adresse [email protected] erhältlich. Die nächsten Treffen sind: 15. November (Weihnachtsfeier, Wien) 4. Dezember in Linz PFLEGE FÜR DIE SCHLEIMHÄUTE Schleimhautprobleme beeinträchtigen gerade in der kalten Jahreszeit die Lebensqualität von PH-Patienten stark. Robin Sturmeit V iele Patienten mit Lungenhochdruck (Pulmonale Hypertonie, PH) haben regelmäßig mit Schleimhautproblemen zu kämpfen. Insbesondere die Nebenwirkungen zahlreicher Medikamente machen den Schleimhäuten zu schaffen, vor allem da sie durch diese meist austrocknen. Die Atmung fällt dadurch schwerer und die erhöhte Atemfrequenz belastet zusätzlich. Einige PH-Patienten leiden zudem zusätzlich zur Pulmonalen Hypertonie am Sjörgen- oder Sicca-Syndrom, welches sich ebenfalls vor allem durch trockene Schleimhäute bemerkbar macht. Die Folgen können von einer ausgeprägten Mundtrockenheit bis hin zu geschwollenen Nasenschleimhäuten, Nasenbluten, Infektionen des Rachen- und Kehlkopfbereiches sowie der Mundschleimhaut reichen. Im Winter stellen trockene, stark beheizte Räume eine zusätzliche Belastung dar. SCHLEIMHÄUTE BEFEUCHTEN Ein erster Schritt ist die Befeuchtung der Schleimhäute. Hier ist grundsätzlich auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten, speziell bei Diuretika-Einnahme. Neben der Sole-Inhalation gibt es noch weitere Möglichkeiten der Schleimhautbefeuchtung. Die Nasenschleimhäute lassen sich gut mit Nasenduschen oder Meerwasser-Nasensprays befeuchten. Ist die Schleimhaut der Nase bereits geschädigt, so kann zu Nasensprays mit Dexpanthenol oder Nasensalben gegriffen werden. Nasensprays mit Sesamöl können ebenfalls spürbare Erleichterung bringen. Bei hartnäckig geschwollenen Nasenschleimhäuten sollten abschwellend wirkende Nasensprays oder –tropfen aufgrund ihres Gewöhnungseffektes immer nur als Ultima Ratio betrachtet werden. Zuvor sind Alternativen wie homöopathische Mittel zu empfehlen. Die Befeuchtung des Mundund Rachenbereichs lässt sich in milderen Fällen auch mit Bonbons oder Kaugummis bewerkstelligen. Am besten wählt man eine zuckerfreie Variante. Genügt das nicht, gibt es Präparate mit Hyaluronsäure, die einen Die optimale Luftfeuchtigkeit in der Heizperiode sollte zu Hause zwischen 30 und 45 Prozent liegen. schützenden, langanhaltenden Feuchtigkeitsfilm auf die Rachenschleimhäute legen. Reizungen können mit Kamille-Präparaten gelindert werden. Auch isländisches Moos (Lichen Islandica, auch als Graupen bekannt) ist ein bewährtes Mittel. Starke Beschwerden können auch mit lidocainhaltigen Hals- und Rachensprays (Lokalanästhetikum) gelindert werden. Bei hartnäckigen Entzündungen sollte aber in Absprache mit den Ärzten eine Behandlung mit Antibiotika nicht zu lange aufgeschoben werden. Generell gilt immer, jegliche Maßnahme mit dem Arzt Ihres Vertrauens abzusprechen. DIE LUFTFEUCHTIGKEIT ERHÖHEN In der kalten Jahreszeit kann trockene Heizungsluft die ohnehin gereizten Schleimhäute zusätzlich belasten. Neben den bereits erwähnten Methoden gibt es eine Reihe einfacher Tricks, mit denen sich das eigene Raumklima verbessern lässt. Bewährt haben sich Schüsseln oder Tonbehälter auf oder an den Heizkörpern, die mit Wasser gefüllt werden. Achtung: Nur geringe Wassermengen einfüllen, die bald verdunsten, da sich andernfalls gefährliche Keimherde bilden können! Die Keimbelastung sollte auch bei Zimmerspringbrunnen und elektrischen Luftbefeuchtern bedacht werden. Eine sehr einfache, aber effiziente Methode ist den Wäschetrockner im Wohnbereich aufzustellen. Zimmerpflanzen können ebenfalls einen wertvollen Beitrag zu einem gesunden Raumklima leisten. Die Grünlilie ist an dieser Stelle besonders hervorzuheben, denn sie gibt nicht nur wichtige Luftfeuchtigkeit an die Raumluft ab, sondern vermindert auch eine mögliche Formaldehydkonzentration. Allerdings haben Zimmerpflanzen aufgrund der potentiellen Allergenbelastung nichts im Schlafzimmer zu suchen. Eine überaus effiziente aber auch kostenintensive Lösung ist die Sole-Raum­Inhalation. Im Gegensatz zu normalen Luftbefeuchtern bleiben Sole-Raum-Inhalationsgeräte keimfrei und ermöglichen die Inhalation ganz ohne zusätzliche Hilfsmittel wie Masken oder Mundstücke. Auch spezielle Luftbefeuchter aus Zirbenholz haben sich als effektiv erwiesen, um eine Wohlfühlatmosphäre in den eigenen vier Wänden zu erzeugen. So können Sie im Winter für optimale Luftfeuchtigkeit sorgen und Ihren Atemwegen Gutes tun. ruhig atmen 2 2014 | 7 „LEBE GUT MIT DER KRANKHEIT“ Vor 15 Jahren wurde bei Petra L. Lungenhochdruck diagnostiziert. Ihre positive Lebenseinstellung hat sie trotzdem behalten. Teresa Arrieta V ierzig Jahre alt war die Niederösterreicherin Petra L. (Name von der Red. geändert), als sich ihr Leben mit einem Schlag veränderte: „Ich hatte Atemnot, beim Spaziergehen konnte ich nicht mehr weiter, bin ohnmächtig geworden. Dann versagte plötzlich die Stimme ohne erklärbaren Grund.“ Der HNO-Arzt diagnostizierte eine Stimmbandlähmung – dass diese durch den Lungenhochdruck ausgelöst worden war, erfuhr sie erst später. Erst nach einer Ultraschalluntersuchung im Lilienfelder Krankenhaus wurde die Diagnose gestellt. Der behandelnde Arzt dort sagte ihr, sie werde eines Tages eine neue Lunge brauchen, „das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen.“ SCHMERZHAFTE DAUERINFUSION Als sie kurz darauf ins Wiener AKH überwiesen wurde, sagten ihr die Ärzte, dass sie nur gefäßerweiternde Medikamente bräuchte, das richtete die Mutter zweier Kinder wieder auf. Ab da begannen jedoch die Schmerzen: Petra wurde zusätzlich zu einer spezifischen oralen Therapie auch gleich mit einer Dauerinfusion in der Bauchdecke medikamentös versorgt. Die Einstichstelle war nach jedem Katheterwechsel, der im Normalfall alle vier Wochen erfolgte, eine Woche extrem schmerzhaft und geschwollen. In diesen Tagen konnte sie nur liegen, um die Schmerzen zu beruhigen und musste daher eine Schmerztherapie beginnen: Salben, Schmerzpflaster, Tabletten… „Nach elf Jahren wollte ich die immer wiederkehrenden Schmerzen nicht mehr ertragen“, erzählt Petra L. Die leidgeprüfte Frau erkundigte sich nach anderen Möglichkeiten. Eine Lungentransplantation stand im Raum, doch aufgrund ihrer guten Befunde kam sie nicht in Frage. Derzeit werden im Wiener AKH mehr als 100 Lungen jährlich transplantiert, es gibt eine Warteliste, wobei akute Fälle Vorrang haben. AUSTAUSCH MIT BETROFFENEN STÄRKT Bei einem Patiententreffen lernte sie Patienten mit einer implantierten Pumpe kennen. Diese wird im Bauchraum implantiert und das Medikament mit einem Schlauch über dem Rippenbogen bis in die Herzvene geführt, eine Therapieform mit Restrisiko: die Funktionsfähigkeit des Geräts muss penibel kontrolliert werden. Trotzdem wagte Petra diesen Schritt. Im Mai 2012 erfolgte die Operation, „seither bin ich ein anderer Mensch.“ Die Schmerzen waren weg. „Ich kann mich bewegen so viel ich will, anziehen was ich will, und ich kann meine zwei Enkerl herzen und umarmen, das neue Lebensgefühl ist unbeschreiblich.“ Was ihr in den vierzehn Jahren seit Ausbruch der Erkrankung Mut und Kraft gab? Mitunter die Wiener Selbsthilfegruppe, an deren Treffen sie bis jetzt regelmäßig teilnimmt. „Man sieht, wie andere damit leben, vielen geht es weitaus schlechter als mir. Es ist bewundernswert, wie diese Menschen ihr Leben meistern, viele benötigen ständige Sauerstoffzufuhr.“ Wichtig ist auch der Informationsaustausch im Rahmen medizinischer Vorträge. „Je mehr man weiß, desto besser kann man mit der Krankheit umgehen.“ IMMATERIELLE WERTE WICHTIGER DENN JE Das Familienleben und die persönlichen Beziehungen sind Petra wichtiger denn je. Bei ihr zu Hause leben vier Generationen in einem Haus, es ist immer viel los und das sei auch gut so. Ihre Kinder waren 15 und 16, als die Krankheit bei der Mutter diagnostiziert wurde. „Wie viel Angst sie damals um mich hatten, das ist mir erst viel später klar geworden.“ Die Gefühle der Angehörigen würden bei schweren Krankheiten leider zu wenig beachtet. Sie selbst nahm eine Gesprächstherapie in Anspruch, um ihr Seelenleben wieder ins rechte Lot zu rücken. Es sei wichtig, in Krisenmomenten ohne Scham Hilfe in Anspruch zu nehmen, das rät sie auch ihren Mitpatienten. Heute führt Petra ein häusliches Leben, geht spazieren, arbeitet in ihrem Garten und genießt die Gesellschaft ihrer Enkelkinder. Die Krankheit habe sie tiefsinniger und sensibler gemacht. „Man lebt ganz anders. Ich genieße jeden Augenblick. Wenn es mir gut geht, zeige ich das und wenn es mir schlecht geht, sacke ich halt eine Zeitlang ab.“ Sie nimmt sich in Acht vor Verkühlungen, jeder grippale Infekt stellt schließlich ein Risiko dar und sie reist nicht mehr so viel wie früher. „Ich lebe gut mit meiner Krankheit, meine Familie ist mir dabei die wichtigste Unterstützung.“ ruhig atmen 2 2014 | 9 WEGWEISER ZU VIELEN VORTEILEN Als Lungenhochdruckpatient haben Sie das Recht einen Behinderten­ausweis zu beantragen. ruhig atmen zeigt wie. Helmut F. Reibold D er Behindertenausweis ist ein amtlicher Lichtbildausweis. Er enthält neben den persönlichen Daten (Name, Geburtsdatum) des Inhabers/der Inhaberin auch Angaben über den Grad der Behinderung. Auf Antrag können weitere Eintragungen vorgenommen werden, etwa über die Art der Behinderung, Anspruch auf Vergünstigungen oder die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Der Behindertenpass ist nicht zu verwechseln mit dem Bescheid über die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (Einstellungsschein). Der Behindertenausweis an sich bringt auch keine finanziellen Leistungen mit sich wie etwa Pflegegeld oder Erwerbsunfähigkeitspension. WER IST ANSPRUCHSBERECHTIGT? Der Behindertenausweis wird auf Antrag ausgestellt an Personen, die ihren Wohnsitz in Österreich haben und denen der Amtsarzt eine Behinderung von mindestens 50 Prozent attestiert (GdB – Grad der Behinderung oder MdE – Minderung der Erwerbsfähigkeit). Bei Lungenhochdruck ab einschließlich NYHA Stufe III sollten Sie auf jeden Fall einen Behinderungsgrad von über 50 Prozent beantragen und auch erhalten. Wenden Sie sich dazu an die für Sie zuständige Landesstelle des Bundessozialamtes. Der Grad der Behinderung (GdB) wird in Prozentwerten angegeben, zum Beispiel 50 %. Je nach Grad der Behinderung können Sie unterschiedliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen. WO WIRD DIESER EINGEREICHT? Der Behindertenpass wird beim zuständigen Bundessozialamt beantragt. Sie können sich das Formular auch online herunterladen. Der Weg zum Formular ist leider etwas langwierig, weshalb er hier schrittweise angeführt wird: Rufen Sie zunächst die Seite der Bundesregierung auf (https://www.help.gv.at/Portal.Node/ hlpd/public). Klicken Sie dann links auf Behinderung, dann oben rechts unter Behindertenausweise auf den Link Behindertenpass. Ganz unten auf der Seite finden Sie den Link Formulare zum Behindertenpass. Dort wiederum klicken Sie auf den Link Behindertenpass – Antrag auf Ausstellung. Auf der folgenden Seite können Sie sich das Dokument im Format DOC, RTF oder XLS herunterladen. kehrsverbund. Daneben dient der Pass beim Finanzamt als Nachweis für die Inanspruchnahme von Steuervorteilen wie pauschalierter Steuerfreibetrag oder Berücksichtigung von Mehraufwendungen bei der Festsetzung der Einkommenssteuer. WELCHE UNTERLAGEN SIND NOTWENDIG? Zusätzlich zum Formular benötigen Sie: • Gratis-Jahresvignette der Asfinag • Parkausweis gem. §29b StVO • Befreiung von der motorbezogenen Versicherungssteuer (früher: KfZ-Steuerbefreiung) • Euro-key für die Benützung der WC-Anlagen für behinderte Menschen • 1 aktuelles Lichtbild (3,5 x 4 cm) • Meldenachweis • Aktuelle medizinische Befunde und Atteste • Bei bestehender Sachwalterschaft, Nachweis der gesetzlichen Vertretungsbefugnis WELCHE VORTEILE BRINGT DER AUSWEIS? Mit dem Behindertenausweis können Sie im öffentlichen Leben Vergünstigungen in Anspruch nehmen, etwa Preisnachlässe bei kulturellen Veranstaltungen, Befreiung von der GiS-Gebühr oder Mautermäßigungen. Ab 70 % GdB haben Sie Anspruch auf Fahrpreisermäßigung bei der ÖBB oder, mit der Vorteilscard Spezial (Behinderte), beim Ver- EXTRA: MOBILITÄTSEINSCHRÄNKUNG Liegen zum Beispiel erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit und/ oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor, kann auf Antrag auch ein Eintrag über die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung erfolgen. Diese Eintragung bringt weitere Vorteile: Sollte die Jahresvignette bereits angeschafft worden sein, werden die Kosten durch die Asfinag refundiert. Der Parkausweis erlaubt das Parken auf beschilderten Behindertenparkplätzen sowie das kostenfreie Parken in Kurzparkzonen. Die motorbezogene Versicherungssteuer wird nach Bekanntgabe bei der zuständigen Versicherung nicht mehr verrechnet. Bei den KfZ-bezogenen Vergünstigungen muss das KfZ auf den Inhaber des Behindertenausweises zugelassen sein. 10 | 2 2014 ruhig atmen DARF ICH BITTE EIN EINZIGES MAL SCHIESSEN? Für Kinder, die an Pulmonaler Hypertonie leiden, gestaltet sich der Alltag sehr schwierig. Eine Familie berichtet über ihre Erfahrungen. Mag. Tina Veit J ohannes ist auf den ersten Blick ein ganz normaler acht Jahre alter Junge. Er ist aufgeweckt, wissbegierig und fröhlich, obwohl er Zeit seines jungen Lebens an persistierender pulmonaler Hypertonie des Neugeborenen (PPHN) leidet. Die Symptome von kindlicher Pulmonaler Hypertonie sind: Andauernde Müdigkeit, Atemnot, Schwindel, kalte Hände und Füße. Meist werden diese Asthma oder Herz-Kreislauferkrankungen zugeordnet, sodass PH bei Kindern erst spät erkannt wird. Im Kindesalter tritt sie etwa 15 Mal pro einer Million Einwohner auf. Kinder können aufgrund von ständiger Erschöpfung ihren natürlichen Bewegungsdrang nicht ausleben. Die Krankheit nimmt ihnen viele Freuden, die Kindsein ausmachen. Die Erkrankung von Johannes stellt auch seine Familie immer wieder vor neue Herausforderungen und weckt gleichzeitig in dem kleinen Patienten große Talente. EINFACH NUR KIND SEIN WOLLEN Laufen, Verstecken und Fußball spielen sind die ganz normalen Dinge im Leben eines Kindes. Nicht für Johannes – er weiß, dass er das alles nicht kann. „Mein Sohn würde gerne öfters mit Gleichaltrigen herumtollen“, schildert seine Mutter und streichelt dem Achtjährigen liebevoll über den Kopf. Viereinhalb Monate nach der Geburt ihres ersten Kindes bekamen sie und ihr Mann Wolfgang die Diagnose: Johannes hat PPHN. Die Ursache dafür bleibt ungeklärt. „Vor allem für unser Umfeld war es anfangs schwierig, die Dimension der Therapie zu begreifen“, gesteht das Ehepaar. Wie soll man sich auch ein Baby vorstellen, das zweimal täglich Medikamente nehmen muss, aus dessen Körper ständig ein Schlauch ragt und 24 Stunden medikamentös mit einer Pumpe versorgt werden muss? Es ist ein Bild, das jeden rührt und Fragen aufwirft. Eine der wesentlichsten Fragen für die Wiener Familie war im ersten Moment: „Wie kann ein praktisches Leben mit dieser Krankheit aussehen? Wie kann ich mein Baby baden, wie soll es krabbeln lernen, wenn es an einer Pumpe hängt? “ TALENTIERTER KLEINER SCHELM Ärzte und Krankenschwestern unterstützten die Eltern und informierten fachlich über die Erkrankung, wie Symptome, Therapie und Verlauf. „Die Einschulung auf Johannes’ Langzeittherapie erfolgte aber großteils durch zwei Elternteile, die durch ihre betroffenen Kinder selbst bereits Erfahrung mit PPHN hatten. Die beiden haben uns dabei geholfen, die Krankheit gut in unseren Alltag zu integrieren“, erzählt die Mutter. Sie sei anfangs sehr ängstlich gewesen und habe das auch offen gezeigt. Der Vater tastete sich lösungsorientiert an das Schicksal seines Sohnes heran. „Mein Mann behielt das Tech- nische im Auge. Schlussendlich haben wir uns gut ergänzt“, erinnert sich die Juristin. Die folgenden Jahre ging es vor allem darum, die Belastungsgrenzen des Kleinen kennenzulernen. Wenn es Johannes zu viel wurde, wurde ihm übel. Das ist heute noch so. Im Alter von zwei Jahren ereignete sich ein großer Meilenstein für die Familie: „Er konnte zuvor nur an der Hand gehen und plötzlich lief er ganz alleine“, sagen die Eltern stolz lächelnd. Johannes ist heute ein aktiver, wissbegieriger Junge mit einer ausgeprägten Sprachkompetenz. Eines seiner größten Talente: Witze erzählen. Während die anderen Kinder durch Bewegung Gemeinsames erleben, erobert er sich mit Humor einen Platz in der Gruppe. Obwohl seine Krankheit ihn zu körperlicher Passivität zwingt, hat der Volksschüler seine Steckenpferde gefunden: er beobachtet gerne sein Umfeld, interessiert sich sehr für Technik, „verschlingt“ Bücher seit er fünf ist und surft gerne im Internet. „Mein Lieblingscomputerspiel ist Minecraft“, strahlt er. Seine Zukunftsvisionen sind schon jetzt überaus ambitioniert: „Später will ich eine Autofirma gründen und umweltfreundliche Motoren erfinden.“ SEHNSUCHT NACH MOBILITÄT Mittlerweile besucht der Bub die dritte Klasse – das Lehrpersonal versucht ihn bestmöglich zu unterstützen. „Johannes kann aufgrund ruhig atmen 2 2014 | 11 des unterdrückten Bewegungsdrangs nicht so lange stillsitzen – wenn er im Unterricht öfters aufsteht, ist das für MitschülerInnen und LehrerInnen keine große Sache“, zeigt die 47-jährige Mutter auf. Seine Freunde wissen, dass Johannes in diesem Semester wieder öfters fehlen wird, da für ihn die kalte Jahreszeit eine besondere Herausforderung darstellt. Schon bei einem kleinen Schnupfen benötigt er ein Sauerstoffgerät. Zuhause unterstützt eine diplomierte Kinderkrankenschwester des Vereins „Moki“ die Familie bei der Zubereitung der Infusionen. Das verschafft den Eltern notwendigen Freiraum. „Manchmal vermissen wir Spontaneität. Als Paar gehen wir nur sehr selten aus und wenn ist das abends auch nur möglich, wenn Johannes komplett versorgt ist“, gesteht Wolfgang. Die Familie hat sich lange nicht getraut auf Urlaub zu fahren. „Einige Jahre sind wir nicht weiter als bis zum Neusiedler See gefahren – für den Fall, dass Johannes im Krankenhaus versorgt werden muss“, erzählt die besorgte Mutter. Vergangenen Sommer traute sich die Familie weiter weg – nach Istrien. Der Aufenthalt erforderte einen ausgeklügelten Logistikplan. „Wir durften absolut nichts vergessen – der Vorrat an verschiedensten Medikamenten in unseren Koffern war enorm.“ Einen Rollstuhl besitzt die Familie nicht. „Johannes möchte keinen und ich glaube, wir als Eltern wehren uns auch noch irgendwie dagegen.“ FRÖHLICHE STUNDEN Ein Sonnenschein im Leben des tapferen Johannes ist seine kleine Schwester Marialena. Er genießt die Unbekümmertheit und Ausgelassenheit der Dreijährigen. „Sie kommt gar nicht außer Atem, wenn sie läuft“, stellte Johannes eines Tages fest. Die Kleine wiederum weiß, dass ihr Bruder auf Hilfe angewiesen ist. „Das hält sie aber nicht davon ab, mit ihm Schabernack zu treiben“, erzählen die Eltern schmunzelnd. Die Fröhlichkeit, die in jenen Momenten dann die Wohnung erfüllt, ist kostbar. Denn mitunter strengt selbst Lachen an. „Wenn unsere Kinder besonders viel kudern, endet das oft bei Johannes mit blauen Lippen und Atemlosigkeit. Gott sei dank erholt er sich relativ rasch.“ Begeistert spielen die Geschwister in einer Ecke. Johannes sagt Marialena seine Lieblingsautomarken vor und die Kleine plappert sie eifrig nach. Manchmal hat er vom Herumsitzen aber die Nase voll. „Dann fragt Johannes, ob er im Hof einmal den Ball aufs Tor schießen darf“, erzählt seine Mutter. Wenigstens einmal. Ganz egal, ob er trifft. Johannes’ Familie möchte nach Möglichkeit anonym bleiben. Die Redaktion verzichtet daher auf die Nennung des Nachnamens. WISSENSWERT: PH BEI KINDERN Bei Kindern ist Pulmonale Hypertonie (PPHN) meist eine Folgeerscheinung einer Herzoder Lungenerkrankung. Manchmal tritt sie auch ohne klare Ursache auf. Man spricht dann von „idiopathischer oder familiärer pulmonal- arterieller Hypertonie“ (IPAH). Diese Form ist jedoch sehr selten. Der Alltag gestaltet sich jedenfalls für betroffene Kinder sehr schwierig: sie sind beim Spielen stark eingeschränkt, dürfen nicht Radfahren oder skaten, weil sie blutverdünnende Medikamente nehmen müssen und jede Wunde ein großes Risiko wäre. Oft müssen die jungen PatientInnen rund um die Uhr mit Medikamenten und auch Infusionen versorgt werden. Durch diese Umstände entsteht die Gefahr sozialer Isolation. Dank des medizinischen Fortschritts haben Lungenhochdruck-Kinder heute aufgrund verbesserter Therapien eine weitaus höhere Lebenserwartung. Trotzdem ist die medikamentöse Therapie für Kinder zu wenig erforscht. Aus diesen Gründen können nur erfahrene Mediziner Lungenhochdruck bei Kindern kompetent behandeln. Generell gilt: je eher die Krankheit erkannt und behandelt wird, umso günstiger gestaltet sich der Verlauf. 12 | 2 2014 ruhig atmen GRAZER HERZENSSACHEN Univ.-Prof. Dr. Andreas Gamillscheg, Kardiologe, gibt Einblick in seinen Klinikalltag und die Begleitung herzkranker Kinder. Mag. Tina Veit B ei Lungenhochdruck ist nicht nur die Lunge, sondern auch das Herz betroffen. Univ.-Prof. Dr. Andreas Gamillscheg, Leiter der Klinischen Abteilung für Pädiatrische Kardiologie an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Graz, setzt sich für neue Behandlungsmöglichkeiten herzkranker Kinder bis ins Erwachsenenalter ein. Die Klinische Abteilung für Pädiatrische Kardiologie Graz, die der 57-Jährige seit über fünf Jahren leitet, ist für das Einzugsgebiet Steiermark, Kärnten und Südburgenland die erste und einzige Anlaufstelle in Südösterreich. Über 6.500 Kinder werden pro Jahr an der Abteilung vorstellig. Dr. Gamillscheg ist selbst dreifacher Vater. Großes Einfühlungsvermögen ist für ihn eine Grundeinstellung. ruhig atmen gibt Einblick in seinen Alltag. HERZERKRANKUNGEN IM KINDESALTER „Zwischen klinischer Routine, Forschung und Lehre steht für uns der enge und einfühlsame Kontakt mit den Kindern und Eltern an oberster Stelle“, erklärt der Spezialist. Für das achtköpfige Team stehen die Diagnostik und Behandlung angeborener Herzfehler im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter im Fokus. Ein Schwerpunkt der Abteilung liegt im Bereich der Herzkatheterinterventionen, wo mittels Katheter, die von den Leistengefäßen eingebracht werden, gewisse Herzfehler als völliger Ersatz einer offenen Herz-Operation korrigiert werden können. „Im Kindesalter ist die Pulmonale Hypertonie meist eine Folgeerscheinung einer Herz- oder Lungenerkrankung“, erläutert der Kinderkardiologe. Etwa jedes hundertste Baby kommt mit einem Herzfehler auf die Welt – aus unterschiedlichsten Gründen. Die häufigste Ursache für den hohen Blutdruck in der Lungenschlagader bei angeborenen Herzfehlern ist eine abnorme angeborene Verbindung zwischen dem großen und kleinen Kreislauf. Meistens ist dies ein großes Loch in der Kammerscheidewand wodurch es zur Überdurchblutung der Lunge und zum Blutdruckanstieg in den Lungenarterien kommt. „Wird dieses Loch durch eine Operation oder einen Schirm verschlossen, kommt es zu einer Verringerung und langfristig meist zur Normalisierung des Lungenblutdrucks“, veranschaulicht Prof. Gamillscheg den Eingriff. Neu entwickelte Medikamente können zudem auch den erhöhten Blutdruck in den Lungenarterien senken. ÄRZTLICHER BEGLEITER AUF LEBENSZEIT 1983 hat Andreas Gamillscheg promoviert, viele seiner PatientInnen kennt er bereits seit 20 Jahren und länger. „Einige Menschen begleite ich ein ganzes Leben, das ist für mich etwas ganz Besonderes“, verrät der Mediziner. Durch die enormen Fortschritte in der medizinischen Versorgung erreichen heute mehr als 90 Prozent der Kinder mit angeborenen Herzfehlern mit guter Lebensqualität das Erwachsenenalter. Während bei einfachen angeborenen Herzfehlern von einer Heilung gesprochen werden kann, bedürfen PatientInnen mit komplexen angeborenen Herzfehlern oder mit einem bleibenden Lungenhochdruck eine lebenslange Kontrolle und Betreuung. „In einer eigenen Spezialambulanz für Erwachsene betreuen wir die PatientInnen in Kooperation mit Erwachsenenkardiologen auch im Erwachsenenalter. Dabei ergeben sich neue Fragestellungen, wie beispielsweise die Berufswahl, die sportliche Belastbarkeit, Schwangerschaftswunsch oder Empfängnisverhütung “, klärt der Arzt auf. Neben den rein medizinischen Behandlungsmaßnahmen hat jede chronische Herzerkrankung und auch Lungenhochdruck letztlich gravierende Auswirkungen auf das gesamte (Familien-)Leben Auch dazu stehen verschiedene Hilfen, wie psycho- und familientherapeutische Behandlungsmöglichkeiten zur Ver- fügung. „Trotz der tollen Forschung und vielen Studien sind wir nicht vor Rückschlägen gefeit. Gleichzeitig bin ich immer noch erstaunt, wie rasch sich junge PatientInnen erholen und wir als Ärzteteam den Erfolg sichtbar vor Augen geführt bekommen“, resümiert der Mediziner. TIPP: In der nächsten Ausgabe von ruhig atmen lesen Sie, wie Mediziner des Kinder Herzzentrums in Linz für ihre kleinen Patienten sorgen. Univ.-Prof. Dr. Andreas Gamillscheg ist Leiter der Klinischen Abteilung für Pädiatrische Kardiologie an der Medizinischen Universität Graz. Das Zentrum dient der Diagnostik und Behandlung angeborener Herzfehler im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter, sowie der Behandlung von Herzrhythmusstörungen und Herzmuskelerkrankungen im Kindes - und Jugendalter. Weitere Informationen unter: http://www.kinderkardiologie-graz.at http://www.klinikum-graz.at ruhig atmen 2 2014 | 13 MEDIZINISCHES GLOSSAR Sie verstehen beim Arztbesuch nur Bahnhof? ruhig atmen schafft Abhilfe und erklärt medizinische Fachtermini. In diesem Heft Teil 1: A–H. Für Internetsurfer steht die gesamte Liste bereits online. A Alveolitis: Entzündung der Lungenbläschen (Alveolen); während bei der diffus-fibrosierenden Alveolitis die Ursachen unbekannt sind, wird die exogen-allergische Alveolitis durch das Einatmen organischer Staubpartikel (zum Beispiel Schimmelpilzsporen, Bakterien, Vogel­exkrementstaub) verursacht Anämie: Mangel an rotem Blutfarbstoff (Hämoglobin) oder roten Blutkörperchen (Erythrozyten) im Blut Angiologie: medizinische Fachrichtung, die sich mit den Gefäßerkrankungen befasst Apnoe: Atemstillstand; bei mehrminütiger Apnoe drohen durch mangelnde Sauerstoffzufuhr Hirnschädigungen bis hin zu Lebensgefahr Auskultation: Abhören des Körpers und der Körpergeräusche, in der Regel mit dem Stethoskop; beim Auskultieren der Lunge werden etwa bronchiales Atmen, Rasselgeräusche und Reibegeräusche festgestellt B Becherzellen: becherförmige Drüsenzellen in den Bronchialschleimhäuten, die für die Produktion des Bronchialsekrets (Bronchialschleim) verantwortlich sind Benign: gutartig (Gegenteil: malign); in Verbindung mit Erkrankungen oder krankhaften Veränderungen von Gewebe Blutgasanalyse (BGA): Verfahren zur Messung des Partialdrucks im Blut, also der Verteilung von Sauerstoff (O2) und Kohlenstoffdioxid (CO2), sowie des pH-Wertes auf Übersäuerung (Azidose) oder Untersäuerung (Alkalose) Bronchien und Bronchiolen: sind Teile der Atemwege und befinden sich in der Lunge; sie transportieren die Luft in die Alveolen Bronchiektasen: irreversible sackförmige Ausdehnungen der Bronchien; Gefahr des Staus von Bronchialschleim und dadurch Entstehung von Infektionen (Bronchiolitis) Bronchitis: Entzündung der Bronchien Bronchodilatatoren: Medikamente zur Erweiterung der Atemwege, insbesondere bei der Behandlung von Atemnot-Anfällen Bronchoskopie: medizinisches Untersuchungsverfahren, bei dem die Luftröhre und die Bronchien mit Hilfe eines eingeführten dünnen Plastikschlauchs betrachtet werden C Ca: Abkürzung für Carzinom (Karzinom) COPD: Abkürzung für Chronic Obstructive Pulmonary Disease (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) Compliance: Therapiegerechtes Verhalten des Patienten (Befolgen der ärztlichen Anweisungen, Einnahme der Medikamente, Änderung von Lebensgewohnheiten, etc.) Corticosteroide: (Kortikosteroide) künstliche, kortisonähnliche chemische Verbindungen, die entzündungshemmend wirken und deshalb auch zur Behandlung von bronchialen Entzündungen eingesetzt werden; Nebenwirkungen bei dauerhafter Einnahme D Differentialdiagnose: Abklärung, Abgrenzung und Ausschluss von Krankheiten oder Krankheitsbildern mit gleichen oder ähnlichen Symptomen, um die tatsächlich vorliegende Erkrankung zu diagnostizieren Diuretika: Medikamente zur Ausschwemmung von Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme) Dyspnoe: Atemnot; subjektiv empfundenes Gefühl, zu wenig oder keine Luft zu bekommen; tritt meist unter Belastung auf, kann aber auch im Ruhezustand auftreten E Echokardiogramm (EKG): Diagnose-Verfahren zur Untersuchung des Herzens Emphysem: irreversible Überblähung des Lungengewebes; eine chronische Lungenerkrankung, bei der sich Lungenbläschen zu größeren Bläschen verbinden, wodurch die Lunge weniger Gewebe für den O2-Austausch enthält Epithel: Zellschicht, die innere und äußere Oberflächen bedecken Exspiratorisches Reservevolumen (ERV): restliche Luftmenge, die sich nach einer regulären Ausatmung noch in der Lunge befindet und noch ausgeatmet werden kann F Fibrose: durch eingeatmete Staubpartikel, Pilze, Bakterien oder Medikamente ausgelöste entzündliche Reaktion des Lungengewebes; zwischen den Lungenbläschen und den Kapillaren bildet sich Bindegewebe, dadurch werden Durchblutung und Gasaustausch erschwert und auf Dauer die Alveolen zerstört Funktionsklasse: für die PAH werden vier Funktionsklassen (Stufen) unterschieden (sog. WHO-/NYHA-Klassen), anhand derer sich die Lebensbeeinträchtigung des Patienten messen und der Therapieplan abstimmen lassen H Hämolytisch: die roten Blutkörperchen zersetzend Hämolytische Anämie: Sammelbegriff für alle Formen von Anämien, bei denen die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) ihre übliche Lebensdauer nicht erreichen Hub: Sprühstoß aus einer Dosierpumpe, z. B. bei einem drohenden Asthma- oder Herzanfall Hyper…: bezeichnet eine deutliche Erhöhung im Vergleich zum Normalzustand (Gegenteil: hypo…) Hypertonie/Hypertension: Bluthochdruck Hyperventilation: schnelles, übermäßiges Atmen über den Körperbedarf hinaus; kann zu Schwindel oder Asthmaanfällen führen Hypoventilation: flache, verlangsamte Atmung, die zu Sauerstoff-Unterversorgung führt Hypoxämie: zu geringer Sauerstoffanteil im arteriellen Blut, wodurch die Organe nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden Hypoxie: mangelhafte Versorgung des Körpers mit Sauerstoff I-P lesen Sie in der nächsten Ausgabe von ruhig atmen. Viele weitere Begriffe sind online abrufbar unter: www.ruhigatmen.at/service/glossar 14 | 2 2014 ruhig atmen ANGEBORENE HERZFEHLER Eine Fehlbildung des Herzens ist bei Neugeborenen keine Seltenheit. Ohne Behandlung kann dies Lungenhochdruck zur Folge haben. Mag. Dina Elmani-Zanka E twa acht bis zehn von 1.000 Babys kommen mit einem Herzfehler oder Anomalien der herznahen Gefäße zur Welt. In Österreich sind dies jährlich etwa 800 Kinder. Manche Herzfehler werden bereits im Mutterleib erkannt, andere erst nach der Geburt. Die gesundheitliche Beeinträchtigung durch einen angeborenen Herzfehler variiert je nach Art, die Heilungschancen sind oft sehr gut. Buben sind dabei etwas häufiger betroffen als Mädchen. Die Ursache ist häufig ein Fehler im Erbgut, seltener sind äußere Einflüsse während der Schwangerschaft – Medikamente, Alkohol oder mütterliche Infektionen – die Auslöser. Heute erreichen neun von zehn Patienten das Erwachsenenalter. DIAGNOSTIK DER HERZFEHLER Der heutige Stand der diagnostischen Technik erlaubt Störungen des Herzkreislaufsystems bereits während der Schwangerschaft durch Ultraschall zu erkennen. Die endgültige Diagnose erfolgt in der Regel nach der Geburt oder bei Auftreten von Beschwerden meist mittels Herzkatheteruntersuchung. Bei diesem Verfahren werden über die Leiste Katheter aus Kunststoff über das Gefäßsystem bis zum Herzen vorgeschoben. Mit Hilfe von Druckmessungen und Röntgenkontrastmittel können Art und Schwere des Herzfehlers exakt festgestellt werden. Mitunter bleiben aber Herzfehler unentdeckt und werden erst später – manche sogar erst im Erwachsenenalter – aufgrund von auftretenden Beschwerden oder auch zufällig, etwa bei der Bundesheermusterung, diagnostiziert (siehe Interview S. 12). Die Behandlung erfolgt in erster Linie durch einen chirurgischen Eingriff. Entsprechend der vielfältigen Formen von Herzfehlern existiert eine große Palette verschiedener Operationstechniken, die Erfolgschancen sind hoch. MÖGLICHE FOLGEERKRANKUNGEN Abgesehen von einem chirurgischen Eingriff wird zudem versucht, durch Medikamente die Herzkreislaufverhältnisse zu stabilisieren. Die Patienten bleiben jedoch trotzdem lebenslang chronisch erkrankt und haben – auch aufgrund von Folgeerkrankungen – häufig eine eingeschränkte Leistungs- und Arbeitsfähigkeit. Je nach Schweregrad der Herzanomalie kann daraus eine Belastung des Lungenkreislaufs mit Lungenhochdruck, Herzmuskelschwäche oder eine Sauerstoffunterversorgung der Organe resultieren. Auch die Zunahme der roten Blutkörperchen, die als Reaktion des Organismus bei Sauerstoffmangel eine erhöhte Sauerstofftransportkapazität des Blutes ermöglichen soll, stellt ein erhöhtes Risiko für Gefäßthrombosen und Schlaganfälle dar. Die Lebensqualität kann für Patienten dank moderner Therapien trotzdem auf einem hohen Niveau gewährleistet werden. HERZZENTREN FÜR KINDER Uniklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien: http://kinderklinik.meduni-wien.ac.at Kinder Herzzentrum Linz: www.kinderherzzentrum.eu Kinderkardiologie Graz: www.kinderkardiologie-graz.at Uniklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Innsbruck: https://kinderzentrum.uki.at ruhig atmen 2 2014 | 15 „INNOVATION WIRD SCHWIERIGER“ Univ.-Doz. Dr. Ernst Agneter im ruhig atmen-Gespräch über Chefarztpflicht, die „Gelbe Box“ und neue Medikamente. Teresa Arrieta ruhig atmen: Herr Doz. Agneter, wie funktioniert das Erstattungssystem der Krankenkasse sowie die Chefarztpflicht – Stichwort „Gelbe Box“, von der Medikamente für Lungenhochdruck großteils betroffen sind? Agneter: Die Entstehung der Gelben Box geht auf 2004-2005 zurück. Alle Medikamente, die von den Kassen in diesen Bereich eingestuft wurden, sind chefarztpflichtig (ausgenommen jene des hellgelben Bereichs). Hier muss zwischen medizinischer Notwendigkeit und ökonomischer Sinnhaftigkeit abgewogen werden, denn es sind teurere Medikamente. ruhig atmen: Warum fallen Medikamente für Lungenhochdruck darunter? Agneter: Lungenhochdruck ist eine seltene Erkrankung und betrifft daher nur eine relativ kleine Patientengruppe. Die Forschung und Entwicklung solch spezieller Arzneimittel ist mit vielen Risken verbunden. Deshalb haben diese Medikamente einen höheren Preis und müssen chefärztlich genehmigt werden. ruhig atmen: Werden diese Medikamente für Lungenhochdruck vom Chefarzt problemlos genehmigt? Agneter: Ja, diese Medikamente werden grundsätzlich alle von der Sozialversicherung bezahlt. Das Genehmigungsverfahren geht heute recht schnell, man muss den Chefarzt nicht mehr persönlich aufsuchen. Es gibt ein elektronisches Bewilligungssystem, man meldet die Daten des Patienten an den chef­ ärztlichen Dienst und innerhalb einer halben Stunde kommt die Antwort. Der Patient muss so lange warten. ruhig atmen: Unter welchen Voraussetzungen werden die Medikamente genehmigt? Agneter: Die Diagnose muss gut abgesichert sein, es gibt für Lungenhochdruck-Medikamente einen sogenannten Regeltext. Folgende Untersuchungen sind Voraussetzung für die Genehmigung: • Komplette invasive hämodynamische Mes- sung: Es müssen Druckmessungen mit dem Katheter gemacht werden. Normalerweise misst man den Blutdruck mit einer Manschette, bei Lungenhochdruck kommt jedoch die Herzkatheter-Messung zur Anwendung. • Ein Vasoreaktivitätstest: Dabei wird die Gefäßreaktion überprüft, um die Diagnostik abzusichern. • Drittens wird eine engmaschige Kontrolle durch Fachabteilungen und spezialisierte medizinische Zentren gefordert. ruhig atmen: Welche geschätzten Kosten entstehen der Sozialversicherung bei der Behandlung von Lungenhochdruck? Agneter: Ich schätze, dass pro Patient und pro Monat ein vierstelliger Betrag nötig ist. Die Erstattung dieser Medikamente ist jedoch selbstverständlich, da wir in Österreich das Prinzip des solidarischen Versicherungssystems genießen. ruhig atmen: Ist das Erstattungssystem im letzten Jahrzehnt strenger geworden? Agneter: Die Verhandlungen zur Aufnahme in den Gelben Bereich werden intensiver. Aus Sicht der pharmazeutischen Industrie, die ich gegenüber dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger vertrete, stellt sich die Situation so dar, dass die Entwicklung neuer Medikamente, vor allem für seltene Erkrankungen, immer teurer wird. ruhig atmen: Was bedeutet dies für die Sozialversicherungen? Agneter: Der Preis, der von den Sozialversicherungen bezahlt wird, darf nicht über dem EU-Durchschnitt liegen, obwohl wir das drittreichste Land der EU sind. Weiters muss ein neues Medikament einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen nachweisen um einen höheren Preis zu erzielen, wobei immer mit dem günstigsten bereits verfügbaren Produkt verglichen wird. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass wir in Österreich über ein sehr gutes Sozialversicherungssystem verfügen. Univ.-Doz. Dr. Ernst Agneter ist habilitierter Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie. Er leitet die Agneter PharmaConsulting GmbH und vertritt pharmazeutische Firmen vor dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Zudem leitet er den Arbeitskreis für Gesundheitsökonomie der PHARMIG.