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Klassisch schön - Nachrichten Print - WELT AM SONNTAG - Hamburg (WAMS) - DIE WELT
17.12.12 10:09
17. Dez. 2012, 10:09
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Welt am Sonntag
16.12.12
Klassisch schön
Die beiden Stars der Klassik-Elite, Hélène Grimaud und Sol Gabetta,
treten erstmals gemeinsam auf. Die Idee dazu entstand spontan - und
weil beide Frauen wirklich aufeinander hören und eingehen Von Helmut Peters
Sie gehören nicht nur zur internationalen Top-Elite ihrer jeweiligen musikalischen Fächer, die
beiden prominenten Damen sind auch außergewöhnlich attraktiv. Am nächsten Mittwoch
werden die Cellistin Sol Gabetta und die Pianistin Hélène Grimaud nun zum ersten Mal
gemeinsam auf dem Podium der Laeiszhalle bei einem Kammermusikrecital von Pro Arte zu
erleben sein. Dass dieses neue Traumpaar der Klassikszene überhaupt zusammenfand, liegt
an einem glücklichen Zufall. Es war im Sommer 2011, als sich die Musikerinnen beim
"Menuhin Festival" im schweizerischen Gstaad eher zufällig trafen und beschlossen, abseits
vom Festivaltrubel im Dörfchen Saanen ein kreatives Päuschen einzulegen. "Wir waren uns
vorher nicht begegnet", sagt Sol Gabetta. "Es war Hélènes Angebot, an einem freien Tag mal
etwas zusammen zu proben. Das war so offen, und ich denke, so muss die Verbindung
zwischen Menschen auch sein. Das Beste ist immer das Ungeplante, und wenn sich das
ergibt, muss man die Chance ergreifen."
Kammermusik spielt sowohl im Leben der Argentinierin Sol Gabetta als auch bei der
Französin Hélène Grimaud eine immer größere Rolle. "In den vergangenen vier Jahren
wurde die Kammermusik für mich immer wichtiger und ich hatte viele unterschiedliche
Partner", erzählt Grimaud. "Ein Höhepunkt war für mich einmal eine Carte blanche bei den
Festspielen Baden-Baden, und beim Lucerne Festival habe ich sowieso immer viel
Kammermusik gemacht."
Auch wenn sie mit ihrer ersten gemeinsamen CD und der damit verbundenen Tournee noch
ganz am Anfang ihrer gemeinsamen Arbeit stehen, scheint es zwischen der Cellistin und der
Pianistin künstlerisch schon richtig gefunkt zu haben. "Ihr unglaubliches Temperament und
ihr musikalischer Einfallsreichtum sind besondere Merkmale von Sol", schwärmt Hélène
Grimaud, "ja eigentlich beherrscht sie alle Attribute, die ich in der musikalischen
Interpretation für besonders wichtig halte." Für Sol Gabetta gibt es durchaus einen
Unterschied im Rollenverständnis: "Hélène braucht eigentlich niemanden mehr. Sie kann
allein auf eine Bühne kommen und ein wunderbares Recital spielen. Für uns Cellisten ist das
etwas anders, denn unsere Recitals sind meistens Duo-Recitals." Die Hierarchie zwischen
vorangestelltem Cellosolisten und Pianisten im Hintergrund ist längst überholt. Gabetta:
"Viele Kompositionen in meinem Fach werden eigentlich vom Klavier aus geführt, manche
sind sogar fast Klavierkompositionen mit einer kleinen Beteiligung des Cellos. Wenn man
jemanden wie Hélène neben sich hat, die eine so ausgeprägte Struktur hat, ist das eine sehr
komplementäre Arbeit. Ich bleibe zwar immer der gleiche Mensch, aber in Verbindung mit
einem Partner verändere auch ich mich sukzessive. Plötzlich hört sich mein Spiel ganz
anders an."
Bei der Wahl ihres Debüt-Programms mussten Grimaud und Gabetta nicht lange grübeln,
denn dies habe sich fast von selbst ergeben, bestätigen die beiden. Im ersten Teil
dominieren die Romantiker: mit Robert Schumanns Drei Fantasiestücken op. 73 in der
Fassung für Violoncello und Klavier und der Sonate e-Moll op. 38 von Johannes Brahms.
Dann aber folgt die impressionistische, in der Klangbalance überaus diffizile Sonate d-Moll
für Violoncello und Klavier von Claude Debussy und zum Schluss die einzige Cello-Sonate
des russischen Sinfonikers Dmitri Schostakowitsch.
Gerade er ist einer von Gabettas erklärten Lieblingskomponisten. Von ihm hat sie erst
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kürzlich die beiden Cellokonzerte und die Cello-Sonate auf CD eingespielt: "Ich finde, dass
man in Schostakowitschs Musik ganz stark hören kann, wie der Komponist auch gegen die
Politik und die Regierung schreibt, obwohl er gleichzeitig so anpassungsbereit war. Dieser
Widerspruch, über den man zu Schostakowitschs Zeit gar nicht offen reden konnte, ist
einfach revolutionär. Für mich sind Komponisten immer spannend, die sich in ihrer Musik
auch autobiografisch präsentieren. Hier spürt man die Seele eines Menschen. Es gibt bei
Schostakowitsch alles, es ist nicht nur das Groteske. Aber er ist immer ironisch, auch wenn
es ganz melodisch, hübsch und nett klingt."
Auf die Frage, welche Stücke für sie als Pianistin besonders interessant seien, nennt Hélène
Grimaud neben Brahms auf Anhieb auch gleich Schostakowitsch: "Brahms hat eine
Unmenge solistischer Passagen für Klavier in seine Cello-Sonate eingebaut, die mich auch
körperlich ganz schön beanspruchen. Musikalisch gesehen ist Schostakowitsch wegen
seiner scharfen Kontraste aber kaum weniger spannend. Es gibt bei ihm eine Vielzahl
unterschiedlicher Stimmungen, Brüche und Akzente, die einfach faszinierend sind."
Mit Hélène Grimaud, die als sehr resolute und zuweilen auch dickköpfige Persönlichkeit gilt
und die sich selbst mit dem Dirigenten Claudio Abbado wegen einer
Meinungsverschiedenheit entzweit hat, kommt Gabetta glänzend zurecht. "Natürlich gibt es
Diskussionen", sagt Gabetta, "aber das ist auch gut so. Reine Harmonie könnte sehr
langweilig sein. Wir gehen immer von einem zentralen Punkt, nämlich der Partitur, aus, und
kommen oft zu anderen Sichtweisen. Im Grunde steht doch alles in den Noten, daraus
ergeben sich die Artikulation, Phrasierung und Dynamik." Auch für Grimaud läuft die
Zusammenarbeit perfekt, weil beide stets gemeinsam Lösungen finden. "Bei den Proben
lerne ich immer wieder neue Seiten von Sols Spiel kennen. Sie ist in der Lage, mich immer
wieder aufs Neue zu begeistern. Fast möchte ich sagen, es ist jedes Mal wieder eine Art
Abenteuer. Das Proben macht ungeheuer Spaß, weil wir auch viel Unterschiedliches
ausprobieren."
Obwohl beide Solistinnen einen vollen Terminkalender haben und noch nicht mal Zeit dazu
finden, neben den Proben einmal einen Kaffee zusammen zu trinken, haben sie einen
gemeinsamen Freizeittermin dennoch schon verabredet. Mit Hélène Grimaud, die wegen
ihrer großen Liebe zu Wölfen 1997 in den Vereinigten Staaten ein "Wolf Conservation
Center" gründete, will Sol Gabetta bald eines der deutschen Wolfzentren in der Lausitz,
Sachsen oder in Niedersachsen besuchen.
Sol Gabetta und Hélène Grimaud spielen Schumann, Brahms, Debussy und
Schostakowitsch am 19. Dezember, 19.30 Uhr in der Laeiszhalle
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