Leseprobe - Depression, Verzweiflung, Suizidalität

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Klaus Jost
Depression
Verzweiflung
Suizidalität
Ursachen · Erscheinungsformen · Hilfen
Matthias-Grünewald-Verlag
für
Christian
* 22.01.1960 † 15.02.1977
Der Matthias-Grünewald-Verlag ist Mitglied
der Verlagsgruppe engagement
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Umschlag: design.bahnhof, Gustavsburg
Gesamtherstellung: Matthias-Grünewald-Verlag, Ostfildern
ISBN-10: 3-7867-2605-1
ISBN-13: 978-3-7867-2605-0
Inhalt
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Depressionen – Verbreitung, Entstehung, Diagnostik
21
Depressionen bei Kindern und Jugendlichen
36
Depressionen im Erwachsenenalter und hohen Lebensalter
54
Suizidalität und Suizid
65
Ich hau’ ab für immer – Wenn Kinder und Jugendliche nicht mehr
leben wollen
83
Ohne Perspektive – Suizidalität und Suizid im Erwachsenenalter
94
Auch der liebe Gott hat mich vergessen – Suizidalität und Suizid in
höherem Lebensalter und bei betagten Menschen
103
Menschen am Wendepunkt – Erleben von Krisen und Möglichkeiten
der Bewältigung
121
Hilfen: Therapeutische Möglichkeiten, Selbsthilfe, Krisenintervention,
Unterstützung von Angehörigen
142
Prävention von Depressionen und suizidalem Verhalten
154
Literatur
5
Danksagung
Meiner Frau Ingrid sage ich herzlich Dank für ihre persönliche Unterstützung in
der Zeit der Erstellung des Buchmanuskripts, aber auch für die Überlassung einzelner anonymisierter Fälle aus ihrer beraterischen und therapeutischen Praxis der
Ehe-, Familien- und Lebensberatung.
6
Depressionen –
Verbreitung, Entstehung, Diagnostik
Vorkommen und Bedeutung von Depressionen
Depressive Störungen zählen zu den häufigsten psychischen Auffälligkeiten. Nach
einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind Depressionen zu den
großen Volkskrankheiten zu rechnen, die zudem hinsichtlich der Schwere der Beeinträchtigung enorm unterschätzt werden. Die WHO sieht in der Depression
weltweit eines der gravierendsten Gesundheitsprobleme von Menschen. Es wird
befürchtet, dass die auf Platz 1 rangierenden schweren depressiven Störungen (Major Depression, unipolar) weiter zunehmen werden. Nach einer Erhebung in
Deutschland (Wittchen u. a. 2000) sind es allein in der Altersspanne 18–65 Jahre
über 3 Millionen Menschen, die an einer therapiebedürftigen Depression leiden.
Für die Gesamtbevölkerung wird von ca. 4 Millionen erkrankten Personen ausgegangen. Bezieht man auch leichtere depressive Störungen mit ein, so leiden ca.
10 % der Gesamtbevölkerung an einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Depression (Wittchen u. a. 1994). Da viele depressive Störungen nicht erkannt werden, wird die tatsächliche Erkrankungsrate noch deutlich höher eingeschätzt. In
ärztlichen Allgemeinpraxen findet man ca. 25 % Patienten mit Depressionen verschiedenen Schweregrades, davon bleibt ein beträchtlicher Prozentsatz unerkannt
und somit auch unangemessen behandelt.
Die Wahrscheinlichkeit, irgendwann an einer Depression zu erkranken, ist als
hoch einzuschätzen: Von 100 Männern erkranken 12–16, von 100 Frauen 20–26
mindestens einmal im Laufe ihres Lebens an einer Depression. Frauen erkranken
demnach häufiger als Männer, allerdings ist die Dunkelziffer bei Männern relativ
hoch. Nicht selten verbirgt sich bei ihnen die Depression hinter anderen Auffälligkeiten, z. B. einer Alkoholproblematik.
Die Bedeutung der Depression ergibt sich schon daraus, dass die von ihr betroffenen Menschen in einem sehr umfassenden Sinne beeinträchtigt sind. Depressive Störungen tangieren den ganzen Menschen, sein Befinden und seine
Lebensqualität: Fühlen, Erleben, Denken und Handeln werden in charakteristischer Weise beeinflusst. Entsprechend groß ist der Leidensdruck der Betroffenen.
7
Die Depression stellt nicht selten eine lebensbedrohliche Erkrankung dar. Die Gefahr von Suiziden (Selbsttötungen) oder Suizidversuchen im Kontext mit depressiven Störungen ist erheblich. Depressionen nehmen auch negativen Einfluss auf
den Verlauf anderer (körperlicher) Erkrankungen. So sterben Depressive drei- bis
viermal häufiger nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt als psychisch Gesunde.
Sie bieten offenbar auch vergleichsweise geringere Heilungschancen bei Krebserkrankungen. Für die so genannten entwickelten Länder stellt die WHO fest,
dass bezüglich des Verlustes an gesunden Lebensjahren depressive Erkrankungen
(hinter Herz-Kreislauf-Leiden) auf Platz 2 rangieren, woraus sich nicht zuletzt
auch für die Volkswirtschaften erhebliche Konsequenzen ergeben.
Die verschiedenen Facetten der Bedeutung depressiver Störungen markieren einen dringenden Handlungsbedarf in der Früherkennung, in der Behandlung, vor
allem auch in der Prävention.
„Ursachen“, Bedingungen und Hypothesen
der Entstehung von Depressionen
Sieht man von Depressionen im Rahmen bekannter körperlicher Erkrankungen
einmal ab, so ist unser Wissen über die Ursachen von depressiven Störungen noch
immer recht begrenzt. Eine gewisse Vorsicht und Zurückhaltung in dieser Frage
ist notwendig. Viele Erkenntnisse, die wir gleichwohl inzwischen besitzen, lassen
zu Ursachen von Depressionen lediglich auf dem Niveau von Hypothesen Stellung nehmen.
Psychische Erkrankungen wie die Depression legen Grenzziehungen zur psychischen Gesundheit nahe. Es ist die Frage zu stellen, wie wir psychische Gesundheit beschreiben.
Die WHO hat versucht, Gesundheit – auch geistige und psychische Gesundheit – an einer Idealnorm orientiert zu definieren. Danach ist „Gesundheit der
Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“. Diese
Sichtweise ist zu Recht als wenig realitätsgerecht kritisiert worden.
Ein sehr viel angemesseneres Verständnis von psychischer Gesundheit erhalten
wir, wenn wir in ihrer Definition gleichzeitig die Bedingungen berücksichtigen, die
einerseits die Gesundheit erhalten und andererseits die Gesundheit gefährden können. Danach wäre – im Vorstellungsbild einer Waage – von der psychischen Gesundheit einer Person auszugehen, wenn im individuellen System ihrer Persön8
lichkeit die schützenden (protektiven), ausgleichenden (kompensatorischen) Anteile sowie die ihr gegebenen Umweltstabilisierungen(Stützen) überwiegen gegenüber den anlagebedingten Verletzbarkeiten (konstitutionellen Vulnerabilitäten) und Umweltbelastungen dieser Person (vgl. Becker 1982, Becker u. Minsel
1986).
Anders ausgedrückt: Die lebens- und überlebensnotwendige psychische Homöostase wird durch eine Balance aller einflussreichen biologischen, psychischen
und sozialen Faktoren der Person gewährleistet. Die Balance entscheidet über die
psychische Gesundheit und bewahrt sie. Psychische Krankheit wäre demnach die
„gesunde Antwort“ auf ein negatives Ungleichgewicht der genannten Faktoren
mit der Folge, dass Belastungen nicht ausreichend widerstanden werden kann und
diese ihre krankmachende Wirkung entfalten können. Mit anderen Worten, es
kommt zu einer psychisch instabilen Lage, die sich schließlich als psychische
Krankheit manifestiert.
Mit der genannten Umschreibung von psychischer Gesundheit sind bereits wesentliche Entstehungsbedingungen depressiver Erkrankungen angesprochen.
Bevor hierauf näher eingegangen wird, sei dargestellt, welche depressiven Störungen unter dem Aspekt ihrer Ursachen bislang unterschieden wurden, zumal diese
Differenzierung in der Praxis der Behandlung von Depressionen noch immer Bedeutung hat.
(hirn-) organisch bedingte
(sog. exogene)
depressive Störungen
aus dem Inneren entstehende
(sog. endogen bedingte)
depressive Störungen
Persönlichkeits- und erlebnisbedingte (sog. psychogene) depressive Störungen
Abb. 1: Unterscheidung depressiver Störungen nach dem Schwerpunkt ihrer Ursachen
(drei sich überschneidende Ursachenkreise)
9
So genannte exogene depressive Störungen treten z. B. im Gefolge von Hirnschädigungen/-verletzungen, das Zentralnervensystem betreffenden entzündlichen
oder auch degenerativen Prozessen auf. So können im Beginn von Alzheimer Erkrankungen nicht selten depressive Verstimmungszustände beobachtet werden.
Es gibt andere, im Wochenbett auftretende, vermutlich somatisch ausgelöste depressive Störungen, die jedoch gewöhnlich innerhalb weniger Wochen wieder völlig abklingen. Sie werden als Wochenbettdepression bezeichnet. Auch im Rahmen
von hormonell bedingten Schilddrüsenfunktionsstörungen sind Depressionen
bekannt. Schließlich werden auch Depressionen berichtet, die sich nach Virusinfektionen oder nach Operationen einstellen. Bei somatisch ausgelösten depressiven Störungen wird angenommen, dass eine Bereitschaft dazu bereits primär
vorhanden ist, die durch das körperliche Ereignis dann „ausgeklinkt“ wird.
Die so genannten endogenen Depressionen treten ohne eine solche erkennbare
körperliche Grundlage, gleichsam aus dem Inneren heraus auf.1 Auch andere, in
der Persönlichkeit oder in den Lebensumständen zu eruierende Aspekte scheinen
als Erklärung nicht auszureichen. Es sind dies schwere, oft auch lebensgefährliche
depressive Zustandsbilder, die in Phasen und scheinbar ohne Grund auftreten. In
einer solchen Phase ist der Betroffene recht plötzlich in eine tiefe Traurigkeit versetzt. Die Plötzlichkeit des Auftretens beschreibt ein Betroffener einmal so: „Ich
wache morgens auf und mein gesamter Energiespeicher ist leer.“ Die tiefe Traurigkeit wird oft als Versteinerung des Gemüts oder als innere Leere erlebt. Der depressive Mensch wird von Schuldgefühlen gequält, er ist unfähig, auch den ganz
normalen Alltag (z. B. Duschen, Zähneputzen) zu bewältigen. Erst nach Abklingen der depressiven Phase kann die gewohnte Lebensführung wieder aufgenommen werden.
Was dies ganz konkret heißt, kann das Beispiel eines 32-jährigen Patienten mit
einer so genannten endogenen Depression recht anschaulich machen: Der ansonsten eher ausgeglichene, als lebensfroh beschriebene, extravertierte Herr K.
fühlt sich seit 6 Wochen abgeschlagen und unwohl. Er schläft kaum eine Nacht
mehr durch, wacht früh auf, grübelt über Gott und die Welt. Dinge erscheinen
ihm als Problem, die er früher mit Leichtigkeit angegangen ist. In seiner Arbeit
1
10
Bei den endogenen Depressionen handelt es sich jedenfalls um nicht eindeutig und ausreichend
organisch erklärbare depressive Zustandsbilder, weshalb von inneren (= endogenen) Bedingungen ausgegangen wird.
als Informatiker ist er unkonzentriert, es unterlaufen ihm plötzlich Fehler, die
er selbst nicht versteht. Schläft er nachts einmal durch, fühlt er sich dennoch
morgens elend (Morgentief). Er vernachlässigt seine Freunde, zeigt plötzlich
auch kein Interesse mehr an seinen sportlichen Hobbys. Auch andere Interessen – etwa politischer Art – schwinden. Herr K. liest keine Zeitung mehr, spricht
davon, das Fernsehen abzumelden. Von seiner Frau zieht er sich zurück, will
nur noch seine Ruhe haben. Er wirkt tief traurig, beklagt, dass es ihm zum Heulen sei, er könne aber nicht weinen, was für ihn das Schlimmste sei. Weder seine
Umgebung noch Herr K. selbst haben eine Erklärung für die zu beobachtenden gravierenden Veränderungen. Seine Frau spricht davon, dass sie ihren
Mann nicht wiedererkenne, er habe sich binnen Kurzem völlig gewandelt, was
ihr ein Rätsel sei. Er selbst hat massive Schuldgefühle, ist gequält von Gedanken, was er seiner Frau und Familie antut, welche Last er für andere bedeutet.
Zunehmende Selbsttötungsideen und entsprechende vorbereitende Handlungen führen schließlich zu seiner stationären Behandlung.
Zu den endogenen Erkrankungen zählen auch solche Depressionen, die an ihrem
Phasenende gleichsam in ihr Gegenteil, nämlich in eine manische Phase umschlagen (: in 10 % der depressiven Erkrankungen). Der bis dahin sehr gequälte depressive, jetzt aber manische Patient überschätzt sich maßlos, er bewertet sein (Leistungs-)Vermögen ohne angemessene (Selbst-)Kritik. Der Kranke glaubt z. B.,
keinen Schlaf mehr zu brauchen und durch den damit verbundenen subjektiven
Zeitgewinn sein Leben viel intensiver auskosten zu können. Menschen mit manischer Störung sind von unangemessener Heiterkeit und bisweilen grenzenloser
Sorglosigkeit. In nicht wenigen Fällen fällt die manische Störung der Umgebung
jedoch zunächst gar nicht auf, vielmehr wird der an die Depression sich anschließende Zustand als erfreuliches Zeichen der Genesung gewertet. Erst mit Eintritt unsinniger oder auch gefährlicher Verhaltensweisen wird sein manischer Charakter deutlich.
Eine Frau, deren Depression in eine Manie übergeht, fällt z. B. erst dadurch auf,
dass sie sich in den Kreuzungsbereich von stark befahrenen Straßen einer Großstadt begibt und dort beginnt, mit für andere Verkehrsteilnehmer nur schwer
verständlichen Handzeichen den Straßenverkehr zu regeln.
Ein anderes Beispiel ist der zuvor depressive Mann, der nach seiner angenommenen Genesung (es ging ihm sehr gut) in Ausübung seines Berufes als Flug11
lotse, einer viel zu großen Zahl von Passagierflugzeugen gleichzeitig Landeerlaubnis erteilt, sodass es zu gefährlichen Flugverkehrssituationen kommt.
Ein weiteres Beispiel ist der Arzt, der ein eigenes Mietshaus, das ihm zur Alterssicherung dienen sollte, einem in einem Restaurant gerade eben kennengelernten Gast zu extrem niedrigem Preis bereit ist zu verkaufen.
Die so genannten psychogenen Depressionen haben ihren „Ursachenschwerpunkt“ in problematischen Persönlichkeiten der Betroffenen, in deren Erleben und
Erfahrungen bzw. in vielfältigen psychosozialen Belastungen und Konflikten, denen Menschen ausgesetzt sind und auf die sie depressiv reagieren. Hierzu zählen
u. a. auch posttraumatische Belastungsreaktionen (PTB) nach erlebten Katastrophen, in denen Menschen massiv in ihrer Existenz, in ihrer Unversehrtheit bedroht sind.
Wenngleich wir mit Blick auf die jeweils angemessene Behandlung einer depressiven Störung der Frage nach der individuellen „Ursache“ nicht ausweichen können und auch nicht dürfen, ist doch in der wissenschaftlichen Betrachtung der Entstehung depressiver Störungen eher und vorsichtiger von den Bedingungen zu
sprechen. Will man psychische Störungen in ihrer Entstehung und Ausgestaltung
verstehen, muss man sich klar machen, dass die Verhältnisse viel komplexer sind
als etwa bei einem Knochenbruch, den ich erleide und der sich aus einer einzelnen
Ursache – nämlich einem bestimmten Unfallhergang – erklären lässt. Wie bereits
angesprochen, ist psychische Gesundheit davon abhängig, inwieweit sich verschiedene (positiv und negativ wirksame) Bedingungen in einem Zustand der Balance oder Imbalance befinden. Für die Entstehung depressiver Störungen sind
folgende Bedingungen bedeutsam: eine entsprechende (genetische/erworbene)
Veranlagung, Persönlichkeitsfaktoren sowie individuelle Umfeldgegebenheiten.
Veranlagung
(genetisch/erworben)
Vulnerabilität
Persönlichkeitfaktoren
Umfeld/Umgebung (Umwelt)
Psychosoziale Belastungsfaktoren
Stress
Abb. 2: Bedingungen für die Entstehung depressiver Störungen
12
Diese Bedingungen stehen in einer Wechselbeziehung. Veranlagung und Eigenschaften der Person (Persönlichkeitsfaktoren) spielen zusammen und machen die
mehr oder weniger ausgeprägte depressive Störungsbereitschaft (Störanfälligkeit
oder Vulnerabilität) aus. Umfeldbedingungen kann gegebenenfalls eine die Depression auslösende oder aber auch die psychische Gesundheit u. U. bewahrende
und schützende Funktion zukommen. Mit anderen Worten: Es sind innere und
äußere Faktoren, die in einem Zusammenspiel von Vulnerabilität und gegebenen
Belastungen/Stress einen Menschen eine depressive Störung entwickeln lassen
können. Aus dem komplexen Zusammenwirken der Bedingungen ergibt sich,
dass nicht jede psychische Belastung, nicht jedes belastende Lebensproblem zu einer schweren behandlungsbedürftigen depressiven Störung führt. Es hängt offenbar von dem individuellen Grad der gegebenen Störungsbereitschaft, von der
Schwere der Belastung und schließlich auch von den Ressourcen der betroffenen
Menschen ab, ob es zu einer therapiebedürftigen depressiven Störung kommt. Die
Erkenntnis eines solchen Bedingungsgefüges, das depressiven Störungen zugrunde liegt, gemahnt zur Vorsicht, von der oder den Ursachen der Depression
zu sprechen.
Überwiegend kennen wir die Ursachen nämlich nicht und haben allenfalls Hypothesen darüber, d. h. wissenschaftlich begründete Annahmen hinsichtlich ihrer
Entstehungsbedingungen. Was den Aspekt der Veranlagung anbelangt, sind erworbene von genetischen (vererbten) Anteilen zu unterscheiden. Eine erworbene
Veranlagung kann z. B. durch kindliche Traumata (infolge erfahrener sexueller
Missbrauchshandlungen) entstanden sein. Aus der genetischen Familienforschung (insbesondere der Zwillings- und Adoptionsforschung) wissen wir, dass
bei Verwandten von psychisch Kranken eine gewisse Erblichkeit (Heredität) im
Sinne eines erhöhten Risikos für depressive Störungen eine Rolle spielt. Die so genannte familiäre Belastung drückt sich in einer Häufung depressiver Störungen
unter den Familienmitgliedern aus. Es ist jedoch unklar, was vererbt wird: eine
Störung etwa im Sinne einer Fehlregulation im Bereich des Hirnstoffwechsels, eine
Fehlfunktion des für den Stresshormonhaushalt zuständigen Kontrollsystems,
eine Neigung (Disposition) vielleicht zu depressiven Reaktionsweisen auf Belastungen infolge einer besonderen Empfindlichkeit. Wir wissen es nicht! Von einem
einzelnen verantwortlichen „Depressionsgen“ geht jedenfalls die Forschung nicht
aus, vielmehr wird die Beteiligung mehrerer, mit Umweltfaktoren in Wechselwirkung tretender Gene vermutet. Insbesondere aufgrund neuropsychiatrischer
Forschung wird allgemein davon ausgegangen, dass Fehlregulationen im Sinne
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von Stoffwechselstörungen im Gehirn als Grundlage für depressive Störungen anzusehen sind.
Wie hat man sich eine solche Fehlregulation vorzustellen? Alle Informationen –
ob dies nun Sinneseindrücke, Gedanken oder Gefühle sind – werden durch die
Aktivität der Nervenzellen unseres Gehirns weitergeleitet und ausgetauscht. Die
Weiterleitung und der Austausch solcher Informationen zwischen einzelnen Gehirnzellen finden mit Hilfe der Ausschüttung von so genannten chemischen Botenstoffen (Neurotransmittern) statt. Bei der Depression wird von einer Störung
dieses Stoffwechsels im Gehirn ausgegangen. Bestimmte Botenstoffe, das Serotonin und/oder das Noradrenalin, geraten aus der Balance. Es kommt zu einem Ungleichgewicht der Botenstoffe. Die Art der Stoffwechselstörung bewirkt u. a.
Schlaf- und Antriebslosigkeit sowie eine deutliche Herabsetzung der Fähigkeit zu
positiven Empfindungen und Gefühlen (Freude oder Zufriedenheit). Demgegenüber gewinnen negative Gefühle die Oberhand. Die entscheidende Frage ist
jedoch, reichen zu beschreibende Stoffwechselstörungen aus oder ist nicht vielmehr die Annahme weiterer Bedingungen notwendig, um die Entstehung einer
Depression zu erklären? Seitens der Vertreter der Stoffwechselstörungstheorien
werden im Wesentlichen zwei Hypothesen diskutiert.
Hypothese 1: Die Stoffwechselstörung ist die eigentliche Ursache. Für diese Hypothese könnte die Beobachtung sprechen, dass sehr viele Menschen die Erfahrung gravierender und sehr belastender Lebensereignisse machen, aber nur wenige davon eine depressive Störung entwickeln. Auch der Umstand, dass Menschen
depressive Störungen bieten, ohne dass sie gravierenden Belastungen ausgesetzt
sind, würde diese Hypothese stützen können. Bei ihnen kommt es zu einem Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn, ohne dass äußere Anlässe zu erkennen sind.
Hypothese 2: Schwerwiegende und sehr belastende (krankmachende) Lebensereignisse (z. B. Verlust oder Tod eines Partners, massive Belastungen am Arbeitsplatz) sind die eigentliche Ursache. Letztlich lösen sie erst die Stoffwechselstörung
aus.
Neben diesen biologisch orientierten Hypothesen gibt es eine ganze Reihe psychologischer Erklärungsansätze zur Entstehung von Depressionen. So gehen psychologische Depressionsforscher u. a. von der Bedeutung stark belastender Lebensumstände aus (Kendler u. a. 2003). Eine Zwangsläufigkeit des Ausbruchs
einer Depression ist damit allerdings nicht verbunden. An Beispielen enormer
(akuter oder chronischer) psychosozialer Belastungen wären zu nennen: der Ver14
lust eines geliebten Menschen (des eigenen Kindes, des Lebenspartners), anhaltende Überlastungssituationen, der Verlust des Arbeitsplatzes oder auch die Überforderung an einem neuen Arbeitsplatz, die sich insbesondere deshalb einstellt,
weil die Ablehnung durch die komplette Mitarbeiterschaft gegeben ist. Letzteres
ist einer jungen Frau widerfahren, die sehr rasch Symptome einer Depression entwickelte: nämlich Freudlosigkeit, Appetitmangel, Schlafstörungen, grüblerische
Selbstzweifel und einen zunehmenden sozialen Rückzug. Es sind sicher eine ganze
Reihe von Belastungen unterschiedlicher Art im Sinne psychosozialer AuslöserBedingungen der Entstehung depressiver Störungen zu werten. Nach wie vor ist
allerdings offen, welche Belastungen als besonders kritisch anzusehen sind, d. h.
ein besonderes Risiko darstellen, eine psychische Störung zu entwickeln. Störungen und Defizite der Kindheitsentwicklung, lang dauernde problematische Beziehungen, Partnerkonflikte, Verluste von wichtigen Menschen oder bedeutsamen
Entwicklungsmöglichkeiten, Veränderungen in den Lebensverhältnissen, die besondere Anpassungsleistungen erfordern, Entwurzelungssituationen, Situationen von Ausweg- und Hoffnungslosigkeit sind nur einige psychosoziale Bedingungen, die im Hinblick auf depressive Störungen als relevant angesehen werden.
Was nun kritische Faktoren der Persönlichkeit anbelangt, wird nach psychologischer Auffassung davon ausgegangen, dass bestimmte belastende Lebensumstände insbesondere dann ein depressionsauslösendes Risiko darstellen, wenn sie
auf eine Person treffen, die zugleich depressionsbegünstigende Eigenschaften besitzt. Dies betrifft Menschen, die leistungsorientiert, ungewöhnlich gewissenhaft
und äußerst selbstkritisch sind, die alles sehr genau machen wollen, ein eher negatives Bild von sich haben (negatives Selbstkonzept), sich eher klein machen und
zu Selbstvorwürfen neigen. Mitunter trifft man hierunter auch Menschen, die eine
außergewöhnlich strenge religiöse Erziehung mit Betonung von Schuld erfahren,
gleichsam ein zu strenges „Über-Ich“ entwickelt haben, Menschen, denen eine
negative Lebenseinstellung vermittelt wurde oder auch ein negatives Modell der
Eltern hinsichtlich Lebensbewältigung gegeben war. Nach dem Konzept der „gelernten Hilflosigkeit“ (Seligman 1975) sind Personen riskiert, die aufgrund wiederkehrender Erfahrungen eigener Ohnmacht letztlich davon ausgehen, dass sie
selbst zu wenig oder gar keinen Einfluss auf die sie betreffenden Geschehnisse nehmen können (Überzeugung der mangelnden Kontrolle oder gar der Unkontrollierbarkeit von Ereignissen). Sie erleben sich selbst immer wieder hilflos, den Ereignissen ihres Lebens (schicksalhaft) ausgeliefert (inadäquate Attribution von
Ursachen). Es wird angenommen, dass insofern Depression ein durch negative
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Erfahrungen erworbenes (erlerntes) Fehlverhalten darstellt, das sich im Inneren
durch ein typisch depressives Denken und Fühlen (negative Gedanken und Niedergeschlagenheit) ausdrückt. Der Zusammenhang zwischen Denken, Fühlen
und Handeln lässt schließlich entsprechende depressive Verhaltensäußerungen
(Antriebslosigkeit und Rückzug) erwarten (Henkel u. a. 2002).
Alles in allem ergibt sich demnach das Gesamtrisiko, d. h. die depressive Gefährdung einer Person aus der Anlage, aus Aspekten der Persönlichkeit und aus der
Umwelt. Wie uns die Praxis lehrt, gibt es allerdings depressive Störungen, bei denen Risikofaktoren des Betroffenen nicht oder nur schwer zu erkennen sind. In
der folgenden Krankengeschichte eines 39-jährigen Geschäftsmannes scheint dies
der Fall zu sein:
Herr M. ist mit einer 35-jährigen Frau verheiratet, Vater von zwei Kindern
(Junge von 14 J. und Mädchen von 10 J.), beruflich sehr erfolgreich. Aus seiner
näheren und weiteren Herkunftsfamilie sind keine (behandlungsbedürftigen)
psychischen Störungen bekannt. Die Ehe des Herrn M. und sein Familienleben werden mit Ausnahme der bereits früher durchlaufenen depressiven Episoden des Mannes als harmonisch und befriedigend beschrieben. Herr M. wird
zur stationären Behandlung in die psychiatrische Klinik überwiesen, nachdem
er zum fünften Mal sehr plötzlich, wie er sagt „von heute auf morgen“, in einen schweren depressiven Gemütszustand verfallen ist. Es sei, wie wenn jemand bei ihm „den Kippschalter auf ,aus‘ gestellt“ habe. Einige Zeit vorher
seien bereits Durchschlafstörungen und Appetitlosigkeit eingetreten, weshalb
er auch an Körpergewicht abgenommen hat. Jetzt ist er ohne erkennbare Gefühlsregung, bietet eine ernste, weitgehend unbewegte Gesichtsmimik, wirkt
wie versteinert, erweist sich als antriebslos, er spricht kaum etwas, reagiert nur
knapp auf Fragen, möchte weinen, kann es aber nicht. Er müsse ständig darüber grübeln, an Unfällen, von denen er in der Zeitung gelesen habe, Schuld zu
haben. Obwohl die Geschäftslage der Firma des Herrn M. hervorragend ist,
äußert er massive Ängste, vor dem finanziellen Ruin zu stehen und völlig zu
verarmen, sodass er nicht einmal mehr das Notwendigste finanzieren, auch
nicht die Krankenhaus-Rechnung bezahlen könne. Er werde in Kürze ein Fall
für das Sozialamt, Frau und Kinder würden ihn verlassen, für die er ohnehin
nur noch eine Last sei. Das Leben habe für ihn keinen Sinn mehr, weil er keine
Zukunft habe, er sei sicher unheilbar krank, die Ärzte sagten ihm dies nur nicht.
Er wolle sich umbringen, aber selbst dazu fehle ihm die Kraft und auch der Mut,
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was ein weiterer Beweis dafür sei, dass er zu nichts mehr tauge. Er bittet darum,
man möge ihm helfen und ihm – wie er sagt – die „Todesspritze“ geben.
Diagnostik von Depressionen
Depression (lat. depressus herabgedrückt) bedeutet so viel wie Niedergeschlagenheit, traurige Stimmung. Wir alle kennen Zustände von Traurigkeit, Situationen
und Ereignisse, die uns deprimiert sein lassen, z. B. ein Gefühl von Entmutigung,
ein gestecktes Ziel nicht erreicht zu haben, eine Enttäuschung über einen anderen
Menschen, der Verlust des Lebenspartners oder Freundes. Wir sagen auch, das
Wetter macht uns depressiv oder die Tapete an der Wand. Umgangssprachlich gebrauchen wir die Worte „depressiv“ oder „deprimiert“ für viele nicht nur traurige,
sondern auch negative Stimmungen, in die wir aus unterschiedlichen Gründen geraten können. Wir fühlen uns aber deshalb nicht gleich krank oder gar behandlungsbedürftig. In den meisten dieser Fälle ist die depressive Stimmung eng mit
einer aktuellen, zeitlich begrenzten psychischen Belastung verbunden. Lässt die
Belastung nach, sehen wir sozusagen wieder Land und finden Lösungen des Problems, hellt sich auch unsere Stimmung wieder auf. Es ist also notwendig, verschiedene Zustände von Depressionen zu differenzieren, die von einer vorübergehenden emotionalen Befindlichkeitsbeeinträchtigung im Sinne eines aktuellen,
passageren Gefühls von Traurigkeit bis zu einer schweren und umfassenden depressiven Störung von Krankheitswert reichen können. Zeiten von Entmutigung
und Freudlosigkeit des Alltags sind von therapiebedürftiger Depression mit hohem Leidensdruck zu unterscheiden. Eine Depression nach schweren traumatischen Erlebnissen, die länger oder lange Zeit anhält, erfordert professionelle Hilfe,
da die seelische Belastung vom Betroffenen nicht allein bewältigt werden kann.
Depressive Menschen zeigen allumfassend Veränderungen im körperlich-vegetativen Bereich, im Erleben und Verhalten. Gleichwohl können sich depressive
Störungen bei verschiedenen Personen sehr unterschiedlich darstellen. Ein einheitliches Bild der Depression gibt es nicht. Wir haben es mit einer Symptomvielfalt zu
tun. Depressive Personen können sich insofern unterscheiden, als die Symptomkombination, die Stärke und Zeitdauer sowie die Auftretenshäufigkeit von Symptomen differieren. Hierin liegt sicher eine der Schwierigkeiten in der Diagnosestellung einer Depression. Sie ist dann besonders groß, wenn depressive Personen
vor allem körperliche Beschwerden (z. B. Herz-, Kopf-, Rückenschmerzen) vor17
bringen, hinter denen sich die Depression gleichsam verbergen kann, wie dies bei
der so genannten maskierten oder larvierten Depression der Fall ist.
Mit welchen depressiven Symptomen ist im allgemeinen zu rechnen? Betroffen
sind eine ganze Reihe psychischer Funktionen. Das Fühlen, Denken, Wollen, auch
die Wahrnehmung sind in charakteristischer Weise verändert, ebenso Körperfunktionen.
Im Erleben depressiver Personen imponieren gedrückte, traurige Verstimmungen,
Angst, Schuldgefühle und Verzweiflung, Gefühle von Hilf-/Hoffnungslosigkeit
und innerer Leere, Gefühle von Gefühllosigkeit („wie versteinert“, „eingemauert“
zu sein). Sie sind der Überzeugung, auf die Umgebung und die Gestaltung des eigenen Lebens keinen Einfluss nehmen zu können, gleichsam „gelebt zu werden“.
Wahrnehmen und Denken sind verlangsamt, die Dinge wirken farblos und grau,
die Konzentration ist gestört, es besteht eine Neigung zum Grübeln. Denkinhalte
sind negativ und pessimistisch geprägt, sowohl was die eigene Person und deren
Möglichkeiten betrifft (negatives Selbstbild, Selbstvorwürfe und -beschuldigungen), als auch auf die Umgebung und die Zukunft bezogen (pessimistische Einstellung). Mitunter treten nur schwer zu korrigierende, depressive Wahngedanken auf, z. B. zu verarmen, unheilbar krank zu sein, dement zu werden, sich
versündigt zu haben, über andere Unheil zu bringen und demzufolge verdammt
zu sein. Nicht selten kommt es zu einem suizidalen Denken, u. a. auch aus der
Überzeugung, anderen nur noch zur Last zu fallen.
Im Verhalten fallen Verlangsamung der Bewegungen und Bewegungsarmut auf,
wovon auch Mimik und Gestik betroffen sind. Die Körperhaltung ist zusammengesunken. Die Stimme ist leise und monoton (wenig moduliert).2 Motivationen
betreffend sind bei Depressiven Einengung und Verluste von Interessen, Antriebsund Entschlusslosigkeit zu beobachten. Depressive Menschen ziehen sich zurück,
vermeiden soziale Kontakte, können sich zu nichts aufraffen, sind mitunter nicht
mehr imstande, selbst einfachste Arbeiten und Aufgaben zu erfüllen. Die Antriebsarmut kann unfähig machen, simple Verrichtungen des Alltags (Zähneputzen, Kämmen etc.) zu tätigen.
Im körperlich-vegetativen Bereich finden sich rasche Erschöpfung, Schlaflosigkeit
(z. B. frühes Erwachen), Appetitmangel und Gewichtsabnahme, Libidoverlust,
2
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Eine Ausnahme stellen Personen mit einer so genannten agitierten Depression dar. Sie sind in ihren
Bewegungen rastlos, sie laufen in ihrer Angst und Verzweiflung wie getrieben hin und her.
unterschiedlichste Schmerzzustände und multiple (psychosomatische) Körperbeschwerden, wie Gefühle der Beklemmung und des Drucks in der Brust oder
am Herzen, Gefühle der Leere im Kopf, Unruhe, Herzjagen. Es kommt hierin die
Leibnähe der Depression zum Ausdruck.
In der Diagnostik von Depressionen finden sich Klassifikationen, die verschiedenen Aspekten folgen: Unter dem Aspekt des Lebensalters spricht man beispielsweise von Involutionsdepression (Depression in der Abbauphase), unter
Aspekten bestimmter Ereignisse u. a. von Schwangerschaftsdepression, Wochenbettdepression, Erschöpfungsdepression, Entwurzelungsdepression. Einteilungen, die unter Aspekten des Verlaufs und der Zeitdauer getroffen werden,
unterscheiden unipolare und bipolare Depression (reine Depression und Manisch-depressive Erkrankung) sowie akute und chronische Depression. Ätiologisch orientierte Klassifikationen differenzieren die bereits beschriebenen exogenen (körperlich bedingten), endogenen und psychogenen Depressionen. Die
heute international verbreitete und auch in Deutschland praktizierte Depressionsdiagnostik folgt dem System der WHO, der so genannte ICD-10 (International Classification of Disorders, 10. Version). Die ICD-Klassifikation von
Depressionen geschieht unter rein symptomatischen Gesichtspunkten, nämlich
der Anzahl, der Schwere und der Dauer depressiver Symptome. Diese Einteilung von depressiven Störungen verzichtet weitgehend auf eine Einordnung, wie
sie die herkömmliche Lehre krankhafter seelischer Zustände (die Psychopathologie) vorsieht. Sie sagt nichts aus über deren mögliche Ursachen (die Psychopathogenese), obwohl diesbezügliche Annahmen spätestens für die Behandlung
von erheblicher Bedeutung sind. Für das therapeutische Vorgehen ist es durchaus entscheidend, ob es sich um eine somatische, endogene, reaktive oder neurotische Depression handelt.
Nach dem Diagnoseinventar ICD-10 werden Depressionen den affektiven
Störungen zugeordnet. Folgende bedeutsame depressive Erkrankungen werden
unterschieden:
• Depressive Episode als so genannte unipolare Depression, wobei leichte, mittlere oder schwere Ausprägungsformen unterteilt werden. Bei den schweren depressiven Episoden werden Formen ohne und mit psychotischen Symptomen
(Wahnideen, Halluzinationen) unterschieden. Das Symptombild zeigt erhebliche individuelle Varianten. Jugendliche bieten untypische Erscheinungen. Depressive Episoden können wiederholt auftreten (rezidivierende Episoden),
jeweils Wochen, bisweilen auch Monate andauern.
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• Depressive Episode im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung: Neben depressiven treten manische Episoden auf, in denen fehlendes Schlafbedürfnis,
Antriebssteigerung, nicht zu bremsender Tatendrang, unangemessen gehobene Stimmungen und Größenideen das Bild bestimmen. Die Episoden treten
in jedem Lebensalter auf. Sowohl manische als auch depressive Episoden können mehrere Monate andauern.
• Zyklothymie: Eine in der Regel im frühen Erwachsenenleben einsetzende andauernde Instabilität der Stimmung mit zahlreichen Perioden leichter Depression und leicht gehobener Stimmung. Der Verlauf ist chronisch.
• Dysthymie: Eine meist im frühen Erwachsenenalter beginnende, chronische,
wenigstens mehrere Jahre, manchmal lebenslang andauernde depressive Verstimmung meist leichterer Ausprägung.
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