Radiologie-Kurs 6. Semester Kursteil Strahlentherapie Häufig behandelte Erkrankungen • • • • • • • • • Mammakarzinom Bronchialkarzinom Lymphome (M. Hodgkin, Non Hodgkin-Lymphome) HNO-Tumoren Rektumkarzinom Gynäkologische Tumoren (Corpus- und Zervixkarzinom) Hirntumoren Ösophaguskarzinom u.v.a.m. Ziele (Intention) der Strahlentherapie • • Kuration Palliation Heilung Linderung von Beschwerden Behandlungsformen • • • • Alleinige Radiotherapie Kombinierte Therapie (Radiochemotherapie) Präoperative/Postoperative Radiotherapie Sonderform: Adjuvante Radiotherapie nach OP sind nur noch (vermutete) mikroskopische Tumorreste vorhanden, die zu vernichten sind Physikalisch-technische Grundlagen Strahlenarten 1. • • • • • • • • • • 2. • Elektronenstrahlung Nutzenergie 2-25 MeV beschleunigte Teilchen werden direkt genutzt Erzeugung, z.B. in Teilchenbeschleunigern (Kreisbeschleuniger, Linearbeschleuniger) Beschleunigung in hochfrequentem Magnetfeld Endenergie abhängig von gewählter Beschleunigungs-Spannung Wirkung im Gewebe nur bis zu einer bestimmten Tiefe geeignet zur Behandlung von oberflächennah gelegenen Tumorherden (z.B. HautTumoren) Eindringtiefe (je nach Energie) 0,5 – 8 cm am Ende rascher Dosisabfall == unter dem Herd liegendes gesundes Gewebe wird gut geschont hohe Dosisbelastung oberflächlicher Gewebeschichten Photonenstrahlung (hochenergetische) elektromagnetische Wellenstrahlung a) Gamma-Strahlen: durch radioaktiven Zerfall entstanden z.B. 60 Co (Energie 1,33 MeV + 1,17 MeV) HWZ 5,3 Jahre 137 Cs (y-Energie 0,66 MeV) HWZ 30 Jahre b) Photonenstrahlung aus Beschleuniger-Anlage Energie (abhängig von Gerät und Nutzung) 5-25 MeV Eigenschaften von Photonenstrahlung • • • • • geeignet zur Behandlung tiefer liegender Herde, z.B. Brustkorb, Becken flacher Dosisabfall im Gewebe, je nach gewählter Energie oberflächliche Schicht (Haut wird durch Aufbau-Effekt entlastet) „ungewollte“ Belastung auch von gesundem Gewebe unter dem Tumorherd mit steigender Energie zunehmende Durchdringungsfähigkeit 2 3. • • • Röntgenstrahlung zur Therapie Erzeugung in Röntgenröhren in der Praxis rückläufige Bedeutung Arten d. Röntgen-Therapie - Weichstrahltherapie : 6-100 kV Sonderfall „Grenzstrahlung“ 6-12 kV - Halbtiefentherapie: 80 – 120 kV - Hartstrahltherapie: 200 – 400 kV Weitere Einteilung von Strahlung • direkt ionisierende Strahlen: - geladene Teilchen - Bsp.: Elektronen, Protonen, -Teilchen, Deuteronen, Schwerionen • indirekt ionisierende Strahlen: - ungeladene Teilchen - Bsp.: Röntgenstrahlen, Photonen, y-Strahlen, Neutronen • Korpuskularstrahlung: Elektronen, • Wellenstrahlen: Photonen, Röntgenstrahlen, y-Strahlen -Teilchen, Schwerionen, Deuteronen, Neutronen Bestrahlungsgeräte für Tiefentherapie 1. Telegammagerät, Telecuriegerät, ugs. „Kobaltkanone“. 2. Elektronenbeschleuniger zu 1.) - Radioaktive Quelle im Inneren (60Co, 137Cs) - aufwändige Blei- oder Wolfram-Abschirmung, da Strahlung nicht abgeschaltet werden kann - hohe Funktionssicherheit und Zuverlässigkeit - eingeschränkte Nutzbarkeit aufgrund festgelegter rel. niedriger Photonenenergien - radioaktive Quelle verliert mit der Zeit an Aktivität, daher zunehmende Bestrahlungszeiten - Quellenwechsel alle 3-5 Jahre nötig (radioaktiver Abfall!) zu 2.) Grundsätzliche Einteilung a) Kreisbeschleuniger (z.B. Betatron, Mikrotron, Zyklotron) b) Linearbeschleuniger 3 Funktionsweise eines Linearbeschleunigers • Elektronen werden durch elektromagnetische Hochfrequenzwelle in evakuiertem Beschleunigungsrohr beschleunigt • Erzeuger der Hochfrequenz: Magnetron oder Klystron (2-3 GHz) • Einschleusung der Elektronen über Injektor (e -Kanone) • Umlenkung der e in Strahlerkopf (Umlenkmagnet) - direkte Nutzung: als e -Strahl - indirekte Nutzung: e prallen auf „Target“ aus Wolfram, Erzeugung von Photonen Experimentelle Anlagen: Teletherapie: Brachytherapie: - Neutronengeneratoren Schwerionenbeschleuniger Bestrahlung mit Protonen/Deuteronen Oberbegriff für alle Bestrahlungen mit großem Fokus-Oberflächen (Haut)-Abstand - Bestrahlung mit kleinem oder fehlendem Fokus-Herd-Abstand - i.d.R. Verbringung eines radioaktiven Strahlers in die Nähe des Tumors - verwendete Nuklide: Iridium, Yttrium, Strontium, Rhuthenium, Radium Formen der Brachytherapie - Kontakttherapie: Strahler direkt auf Körperoberfläche (Haut bei Hauttumoren, Auge bei Aderhautmelanomen) - Intrakavitäre Therapie: Einbringung des Strahlers in präformierte Körperhöhlen (Bronchus, Ösophagus, Vagina, Zervix uteri, Uteruskavum) früher: Radiumeinlagen (hohe Strahlenbelastung für Personal) heute: maschinelles Nachladen (Afterloading) über abgeschirmten Schutzraum - Interstitielle Therapie: a) b) direktes, invasives Einbringen von radioaktiven Drähten in Tumorgewebe (heute auch im Afterloading-Verfahren) temporäre Implantation Permanentimplantation (z.B. Jod-Seeds in Prostata) 4 Tiefendosisverhalten von Elektronen und Photonen - flacherer Dosisabfall Photonen: steigende Energie - größere Durchdringungsfähigkeit - Dosismaximum wandert in tiefere Gewebeschichten - Dosis an der Oberfläche (Haut) nimmt ab Elektronen: steigende Energie - größere Eindringtiefe - Dosisabfall tiefer - Dosismaximum tiefer - Hautbelastung nimmt zu 5 Vorbereitung der Strahlenbehandlung - Sicherung der Diagnose/Staging: - Histologie-Gewinnung - Bildgebende Untersuchungen (CT, MRT, Sono, u.a.) - Endoskopische Untersuchungen - Vorlokalisation (= Vorsimulation): • • • Festlegung d. Patientenlagerung (muss reproduzierbar sein!) Anbringung von Fixiermitteln (z.B. Bestrahlungsmaske) Festlegung eines Referenzpunktes für die Computerplanung - Planungs-Computertomographie: • Erstellen eines 3-D-Patientenmodells mittels CT • Markierung des Referenzpunktes - Planungs-Rechner: • Festlegung des zu behandelnden Gebietes (Zielvolumen) durch den Arzt • Erstellen eines Bestrahlungsplanes durch den Physiker - Simulation: • Übertragen des Bestrahlungsplanes auf den Patienten • Anzeichnen des Isozentrums und der Bestrahlungsfelder Alternative: Direkte Festlegung der Bestrahlungsfelder am Simulator ohne CT-Planung = Konventionelle Simulation bzw. Planung z.B. bei Bestrahlung von Skelettmetastasen 6 Physikalisch-technische Bestrahlungsplanung Hauptziel: Hohe, gleichmäßige Dosis im Tumor und gleichzeitig optimale Schonung des umgebenden gesunden Gewebes Festzulegende Parameter: - Bestrahlungstechnik: Einzelstehfeld Gegenfelder Mehrfelderbestimmung Pendelbestrahlung - Parameter für jedes Feld: Feldlänge und –breite Blendendrehwinkel Gewicht im Vergleich zu den anderen Feldern Strahlenart (Elektronen/Photonen) Strahlenenergie Möglichkeiten, die Dosis im Zielgebiet zu optimieren: • • • • Fokus-Haut-Abstand (Abstandsquadratgesetz) Keilfilter (Feld wird zu einer Seite hin abgeschwächt) Satelliten bzw. Blöcke aus Bleilegierung: individuelle Feldform möglich Multi-Leaf-Kollimator: Feldform durch viele maschinelle Lamellen im Strahlerkopf Strahlendosis Einheit: 1 Gy (1 Gray) = Energiedosis Kurative Dosen bei Tumoren: 60-70 Gy, Einzeldosis ca. 2 Gy abhängig von: Histologie Tumorgröße Malignitätsgrad Begriffe zur räumlichen Dosisverteilung - Isodose: - Oberflächendosis: - Einfallsdosis: - Tumorvolumen: - Zielvolumen: - Behandlungsvolumen: - Risikoorgane: Linie in einer anatomischen Schnittebene, die alle Punkte gleicher Energiedosis verbindet Einfallsdosis (z.B. an der Haut) + Rückstreudosis aus dem Gewebe Dosis an der Oberfläche ohne Rückstreuung aus dem Gewebe makroskopisch sichtbarer Tumor Tumorvolumen (makroskopisch und mikroskopisch) mit Sicherheitssaum Gewebe, das eine therapeutisch (hohe) Dosis erhält (auch gesundes Gewebe und Risikoorgane) besonders zu schonende Organe und Gewebe, die über einer bestimmten Toleranzdosis zu teilweise schweren Nebenwirkungen und Spätfolgen neigen. z.B. Rückenmark, Lunge, Herz, Nieren, Dünndarm, u.a. 7 Zeitliche Dosisverteilung: - Einzeitbestrahlung: - Fraktionierung: gesamte Dosis in 1 Fraktion Aufteilung der Gesamtdosis in mehrere Einzeldosen (= Fraktionen) Vorteil: Erholungsvorgänge in gesunden Körperzellen, daher bessere Verträglichkeit - Konventionelle (= Standard-)Fraktionierung: Einzeldosis 1,8 – 2,0 Gy, 5 mal pro Woche, Gesamtdosis 50-70 Gy. - Abweichend: z.B. Hyper- oder Hypofraktionierung Hyperfraktionierung: ED liegt unter 1,8 Gy Hypofraktionierung: ED ab 2,5 Gy oder größer Nebenwirkungen nach Radiotherapie: Formen: Akute NW, Bsp.: Haut, Schleimhäute Subakute NW, Bsp.: Lunge, Pneumonitis) Spätfolgen, Bsp.: Nervenschäden, Fibrose Indikationen zur palliativen Strahlentherapie - Blutung, z.B. Bronchus Atelektase mit Luftnot Schmerzen, z.B. Knochenmetastasen, Nerveninfiltration Hirnmetatasen Frakturgefährdete Knochenherde Notfallindikationen - obere Einflussstauung akute Rückenmarkskompression mit Querschnittslähmung Tumorblutung, z.B. Zervixkarzinom, Bronchus Indikationen bei gutartigen Erkrankungen - degenerative und entzündliche Skeletterkrankungen, z.B. Arthrose hypertrophische Prozesse, z.B. Keloide, Hämangiome akute Entzündungen, z.B. Furunkel endokrine Orbitopathie Prophylaxe heterotoper Ossifikationen nach TEP u.a. 8