Skript Biophysik Teil 1: Spektroskopische Verfahren in der Biophysik

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Skript Biophysik
Teil 1:
Spektroskopische Verfahren in der
Biophysik
Prof. Dr.rer.nat. Klemens Zink
Institut für Medizinische Physik und Strahlenschutz
Fachhochschule Gießen-Friedberg
26. Oktober 2006
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5
2. Übergang von der klassischen Physik zur Quantenmechanik
2.1. Wellengleichung für elektro-magnetische Wellen . . . . . .
2.1.1. Lösungen der Wellengleichung . . . . . . . . . . . .
2.1.2. Photonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2. Bohr’sches Atommodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3. Materiewellen (DeBroglie-Wellen) . . . . . . . . . . . . . .
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3. Wellengleichung der Materie: Schrödinger-Gleichung
3.1. Freie Schrödinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . .
3.2. Physikalische Bedeutung der Wellenfunktion ψ . . .
3.3. Allgemeine Schrödinger-Gleichung . . . . . . . . . .
3.4. Das Konzept der Quantenmechanik . . . . . . . . .
3.5. Zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung . . . . . . .
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4. Anwendungen der zeitunabhängigen Schrödinger-Gleichung
4.1. Der harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2. Das Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3. Der Elektronenspin - Feinstruktur des Wasserstoffspektrums . . . . . .
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5. Experimentelle Grundlagen der Optischen Spektroskopie
5.1. Monochromatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2. Lichtquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3. Detektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4. Lambert-Beer’sches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . .
5.5. Anwendung in der Medizintechnik: Pulsoximetrie . . .
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7. Molekülspektroskopie (work in progress)
7.1. Chromophore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Molekülphysik (work in progress)
6.1. Pauli-Prinzip und chemische Bindung . . . . . . . . . . . .
6.2. Mehrelektronensysteme - LS-Kopplung (work in progress) .
6.3. Hund’sche Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4. Franck-Condon-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
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8. Nuklearmagnetische Resonanz (work in progress)
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A. Anhang
A.1. Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. K. Zink
3
1. Einleitung
Die Biophysik ist eine Wissenschaft, deren Gegenstand die lebenden Systeme sind. Sie
unterscheidet sich von der Biologie dadurch, dass sie die allgemeine Methode der Physik
auf ihre Forschungsobjekte anwendet. Diese Methode beruht auf der Beobachtung aller
Vorgänge und Wechselwirkungen der materiellen Welt. Beschreibung, Durchdringung
und Erklärung erfolgen mithilfe der Modellbildung und Systemanalyse unter Benutzung der logisch strengen Sprache der Mathematik. Die Biophysik sieht die lebenden
Wesen als materielle Systeme, die sich von den Dingen der unbelebten Natur durch
einen höheren Grad der Komplexität unterscheiden.
Ziel der Biophysik ist eine exakte Darstellung biologischer Modelle nach dem Vorbild
der modernen Physik. Wie jede Naturwissenschaft ist auch die Biophysik eine Erfahrungswissenschaft. Sie gewinnt ihre Erkenntnisse zunächst aus der Beobachtung und
Beschreibung der uns umgebenden Natur. Dabei kommt dem sinnvoll geplanten Experiment, sowie der Formalisierung und Mathematisierung der Resultate besondere
Bedeutung zu.
Nach den Organisationsstufen der biologischen Systeme lässt sich die Biophysik in drei
Stufen einteilen.
• Die molekulare Biophysik beschäftigt sich mit der Bestimmung der physikalischen Parameter biologisch wichtiger Makromoleküle. Dies erfolgt aufgrund theoretischer Vorstellungen und experimenteller Methoden der Physik der Moleküle.
Besondere Aufmerksamkeit gilt der Erforschung von Struktur und physikalischen
Eigenschaften der Proteine und Nukleinsäuren sowie der Kinetik der Prozesse,
an denen diese Makromoleküle beteiligt sind.
• Die zelluläre Biophysik ermittelt mechanische, elektrische und optische Eigenschaften von Zellen als Funktion ihres Lebensalters und verschiedener Faktoren
des umgebenden Milieus. Daraus ergeben sich Vorstellungen über Zellwachstum,
Zellteilung, Kontraktion, Erregbarkeit und andere Zelleigenschaften.
• Die multizelluläre Biophysik untersucht Zellverbände, Organe und Organismen.
Hierher gehört z.B. die Biophysik des Zentralnervensystems, der Sinnesorgane,
der Blut-Strömung sowie der Filtration und Resorption von Wasser, Elektrolyten
und organischen Substanzen.
Das vorliegende Skript, das auf Grundlage einer zweistündigen Vorlesung entstanden
ist, behandelt nur einen sehr kleinen Ausschnitt aus dem Gebiet der Biophysik: die
theoretischen und experimentellen Grundlagen der spektroskopischen Verfahren, die in
der Biophysik Anwendung finden und im Biophysik-Praktikum vertieft werden:
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Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Abbildung 1.1.: Fluoreszenzmarkierte Viren auf dem Weg in eine lebende Zelle. Der
Fluoreszenzmarker ist mittel Einzelmolekülspektroskopie mit hoher
Ortsauflösung (40µm) und hoher Zeitauflösung (10 ms) sichtbar gemacht worden. 1: Der Virus diffundiert in der Pufferlösung außerhalb
der Zelle. 2: Ein Virus diffundiert entlang der Zellmembran und sucht
dort vergeblich einen Rezeptor zum Eindringen in die Zelle. 3: Der Virus ist sofort beim Auftreffen auf die Zellwand in die Zelle eingedrungen. 4: Der Virus war bei Aufnahmebeginn bereits in der Zelle.(aus: C.
Bräuchle et. al.: Science 294 (2001)
• Optische Spektroskopie im Bereich des sichtbaren Lichts inclusive der angrenzenden Bereiche des Nahen Infrarot sowie des Ultravioletten;
• Magnetische Resonanzspektroskopie (ESR und NMR)
Ein sehr schönes Beispiel für die Anwendung spektroskopischer Methoden in der
Biologie zeigt die Abbildung 1.1, die mit einem Fluorophor markierte Viren auf ihrem
Infektionsweg in eine lebende Zelle darstellt. Die Viren sind mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert worden und mittels Fluoreszenz-Einzelmolekül-Spektroskopie sichtbar
gemacht worden. Die Sichtbarmachung biologischer oder auch biochemischer Prozesse auf zellulärer Ebene, nach Möglichkeit auch auf molekularer Ebene ist heute sicher
eines der spannendsten Forschungsgebiete im Bereich der Biophysik und Medizin ( Mo”
lekulare Bildgebung“)
1.1. Literatur
Grundlage des vorliegenden Skripts sind die folgenden Lehrbücher:
Prof. Dr. K. Zink
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Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
1. Scherz: Einführung in die Quantenmechanik, Teubner-Verlag, 2004
2. Haken, Wolf: Atom- und Quantenphysik, Springer-Verlag, 2000
3. Schünemann: Biophysik - Eine Einführung, Springer-Verlag, 2005
4. Haken, Wolf: Molekülphysik und Quantenchemie, Springer-Verlag, 2005
5. Breckow, Greinert: Biophysik - Eine Einführung, Verlag Walter De Gruyter, 1994
6. Engel, Reid: Physikalische Chemie, Pearson-Verlag, 2006
7. Schmidt: Optische Spektroskopie,VCH Verlagsgesellschaft 1994
8. Bethge, Gruber, Stöhlker: Physik der Atome und Moleküle, Wiley-VCH Verlag,
2004
Kursiv geschriebene Titel sind in der Bibliothek der Fachhochschule Gießen-Friedberg,
Standort Gießen, verfügbar
Prof. Dr. K. Zink
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2. Übergang von der klassischen
Physik zur Quantenmechanik
2.1. Wellengleichung für elektro-magnetische Wellen
Grundlage der Atom- und Molekülphysik und damit der spektroskopischen Eigenschaften der Moleküle ist die Quantenmechanik. Diese beruht auf der Vorstellung, dass
materiellen Teilchen wie Elektronen, Protonen etc. neben ihren Teilcheneigenschaften auch die Eigenschaften von Wellen besitzen ( Welle-Teilchen-Dualismus“). Eine
”
der grundlegenden Gleichungen der Quantenmechanik, die Schrödinger-Gleichung, ist
eng verknüpft mit der entsprechenden Gleichung für die elektromagnetische Strahlung.
Aus diesem Grunde wird im Folgenden kurz die sogenannte Wellengleichung für die
elektro-magnetischen Wellen diskutiert.
Die Maxwell-Gleichungen für den ladungsfreien Raum lauten:
~
~ + ∂ B = 0;
∇×E
∂t
~ = div E
~ = 0
∇·E
~
~ + 0 µ0 ∂ E = 0;
∇×B
∂t
mit:
c2 =
~ = div B
~ = 0
∇·B
1
0 µ0
und den Materialgleichungen:
ρ = 0 und σ = 0
darin bedeutet:
~ : elektrischer Feldvektor
E
~ : magnetische Induktion
B
ρ : Ladungsdichte
σ : Stromdichte
0 : Dielektrizitätskonstante
7
(2.1)
(2.2)
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µ0 : Permeabilitätskonstante
c : (Vakuum-) Lichtgeschwindigkeit
Aus diesen Maxwell-Gleichungen läßt sich die sogenannte Wellengleichung für das
elektrische bzw. magnetische Feld herleiten:
1
c2
~ − 1
∆B
c2
~ −
∆E
~
∂2E
= 0;
∂t2
~
∂2B
= 0;
∂t2
(2.3)
Beide Gleichungen sind äquivalent und können mit Hilfe der Maxwell-Gleichungen
ineinander überführt werden. Sie gelten in dieser Form für ladungsfreie Isolatoren, also
insbesondere für Vakuum bzw. Luft und beschreiben die Ausbreitung von transversalen
elektro-magnetischen Wellen mit der Geschwindigkeit c.
2.1.1. Lösungen der Wellengleichung
Die einfachsten Lösungen der Wellengleichung sind ebene Wellen. Eine ebene Wellen,
die sich in Richtung der z-Achse ausbreitet, kann in der Form
~ t) = E~0 cos(kz z − ωt)
E(z,
(2.4)
geschrieben werden. Darin bedeuten:
~ : elektrischer Feldvektor
E
kz : z-Komponenete des Wellenvektors ~k; es gilt: ~k = 2π/λ
z : z-Koordinate (Ausbreitungsrichtung)
ω = 2πf : Kreisfrequenz
t : Zeit
Ebene Wellen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Flächen gleicher Phase, also
gleicher Amplitude (kz z − ωt) = const Ebenen darstellen. Bei einer ebenen Welle in
z-Richtung sind dies Ebenen senkrecht zur z-Achse. Der Wellenvektor ~k steht senkrecht
auf diesen Ebenen und zeigt in Ausbreitungsrichtung. Ebene Wellen beschreiben damit
~
Transwersalwellen, d.h. der Vektor der elektrischen Feldstärke
E steht senkrecht auf
der Ausbreitungsrichtung ~k. Der Betrag des Wellenvektors ~k wird üblicherweise auch
als Wellenzahl bezeichnet.
Das Gl. (2.4) tatsächlich Lösung der Wellengleichung ist, erkennt man durch einfaches einsetzen. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann für den einfachen Beweis
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Abbildung 2.1.: Schematische Darstellung einer elektromagnetischen Welle, die sich
~
in x-Richtung ausbreitet. Senkrecht zum elektrischen Feldvektor E
~ (aus: Haken,Wolf: Atom- und Quanschwingt der magnetische Feldvektor B
tenphysik)
~ in x-Richtung schwingt, d.h.:
angenommen werden, dass der elektrische Feldvektor E
0
0
0
~
~
E = Ex , also E(z, t) = Ex (z, t) = Ex cos(kz z − ωt)
⇒
∂Ex
∂Ex
=
= 0
∂x
∂y
∂Ex
= −kz Ex sin(kz z − ωt)
∂z
∂ 2 Ex
~ t)
= −kz2 Ex cos(kz z − ωt) = −kz2 E(z,
∂z 2
∂Ex
= ωEx sin(kz z − ωt)
∂t
∂ 2 Ex
~ t)
= −ωz2 Ex cos(kz z − ωt) = −ωz2 E(z,
2
∂t
Einsetzen in die Wellengleichung (Gl. 2.3 liefert:
~
1 ∂2E
ω2 ~
2~
=
0
⇒
−k
E(z,
t)
+
E(z, t) = 0
z
c2 ∂t2
c2
Das heißt, eine ebene Welle ist Lösung der Wellengleichung, wenn die sogenannte
Dispersionrelation:
ω2
kz2 − 2 = 0
c
erfüllt ist. Diese wird später noch ausführlich diskutiert werden. In den meißten Fällen
wird eine ebene Welle nicht durch sin- oder cos-Funktionen beschrieben, sondern durch
die komplexe Exponentialfunktion. Zwischen der Exponentialfunktion und der sin- und
cos-Funktion besteht für ein beliebiges Argumet a der Zusammenhang:
~ −
∆E
eia = cos(a) + i sin(a)
Damit lässt sich eine ebene Welle mit der Ausbreitungsrichtung ~k schreiben:
n
o
~
0
~
~
~
E(~r, t) = E exp i(k~r − ωt) = E~0 e{i(k~r−ωt)}
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Skript Biophysik für MT
Eine ebene Welle, die sich in z-Richtung ausbreitet, hat demnach die Form:
~ t) = E~0 exp {i(kz z − ωt)}
E(z,
Der Amplitudenvektor E~0 beschreibt den Polarisationszustand der ebenen Welle.
Eine in x-Richtung polarisierte ebene Welle, die sich in z-Richtung ausbreitet, hat
damit die folgende Form:


Ex
~ t) =  0  exp {i(kz z − ωt)}
E(z,
0
Für den Betrag des Wellenvektors ~k gilt ganz allgemein:
1/2 2π
~ =
k = k = kx2 + ky2 + kz2
λ
Die mathematische Beschreibung ebener Wellen mittels der komplexen e-Funktion
ist in aller Regel vorteilhaft, physikalische Messwerte sind jedoch stets reele Zahlen bzw.
reelwertige Funktionen. Dies bedeutet, der physikalische Messwert z.B. der elektrischen
Feldstärke wird nicht durch die komplexwertige e-Funktion beschrieben, sondern entweder durch den Realteil der e-Funktion oder durch deren Betrag.
Anmerkung:
Eine ebene Welle, die in z-Richtung fortschreitet, wird durch die Funktion exp {i(kz z − ωt)}
beschrieben aber genauso auch durch die Funktion exp {−i(kz z − ωt)}. Die Wahl des
Vorzeichens im Exponenten ist physikalisch nicht relevant und erfolgt per Festlegung.
Im Folgenden wird für eine ebene Welle stets das positive Vorzeichen gewählt.
Das eine ebene Welle in der Darstellung
~ t) = E~0 exp {i(kz z − ωt)}
E(z,
die Wellengleichung (2.4) erfüllt, lässt sich durch einfaches Differenzieren verifizieren:
~ r, t)
∂ E(~
~ 0 exp {i(kx x + ky y + kz z − ωt)} = ikx E(~
~ r, t)
= ikx E
∂x
~ r, t)
∂ 2 E(~
~ r, t)
= −kx2 E(~
∂x2
die Ableitungen nach y und z liefern äquivalente Ausdrücke. Die Ableitung nach der
Zeit ergibt:
n
o
~ r, t)
∂ E(~
~ 0 exp i(~k~r − ωt) = −iω E(~
~ r, t)
= −iω E
∂t
~ r, t)
∂ 2 E(~
~ r, t)
= −ω 2 E(~
∂t2
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Einsetzen in die Wellengleichung (2.4) liefert:
kx2
+
ky2
+
kz2
ω2 ~
~
E(~r, t) + 2 E(~r, t)
c
ω2
⇔ ~k 2 − 2 = 0 ⇔ c2 k 2 = ω 2 ⇔ ck = ω
c
(2.5)
Die letzte Gleichung lässt sich mit den Beziehungen ω = 2πν und k = 2π/λ in die
bekannte Beziehung
c=λ·ν
(2.6)
überführen. Die Gleichungen (2.5) bzw. (2.6) heißen Dispersionsrelation. Die Dispersionsrelation hängt eng mit der Energie-Impuls-Relation von Teilchen zusammen, wie
im Folgenden noch gezeigt werden wird.
2.1.2. Photonen
Die Maxwell’schen Gleichungen (2.1) und die daraus resultierende Wellengleichung
stellen eine typische Feldtheorie dar, die zwanglos alle Interferenz- und Beugungserscheinungen, die z.B. im Bereich des sichtbaren Lichts beobachtet werden, erklärt.
Die Energie der elektro-magnetischen Welle ist mit der elektrischen und magnetischen
Feldstärke veknüpft, für die es in der Maxwell’schen Theorie keine untere oder obere
Grenze gibt, d.h. die Energie einer elektromagnetischen Welle ist eine kontinuierliche
Größe, beliebige Werte sind möglich.
Planck (1900) und noch deutlicher Einstein (1905) dagegen haben gezeigt, dass die
Energie des elektro-magnetischen Feldes gequantelt“ ist, die Energie kann nur ganz”
zahlige Vielfache der Energie E = hν = h̄ω. Darin bedeutet h: Planck’sches Wirkungsquantum, h = 6.626 · 10−34 Js, h̄ = h/2π, ν : Frequenz und ω = 2π · ν: Kreisfrequenz.
Dies bedeutet, die elektro-magnetische Strahlung kann auch als Teilchenstrahlung interpretiert werden: Photonen. Mit Hilfe der Relativitätstheorie kann sehr einfach gezeigt
werden, dass Photonen einen Impuls p~ besitzen. Für die relativistische Masse m gilt:
m= q
m0
(2.7)
1 − (v/c)2
Aus Gl. (2.7) folgt zunächst, dass die Ruhemasse m0 der Photonen null sein muß.
Mit einigen Umformungen gelangt man von Gl. (2.7) zur sogenannten relativistischen
Energie-Impuls-Beziehung:
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m0
m20
m= q
⇔ m2 =
1 − (v/c)2
1 − (v/c)2
m2 =
m20 · c2
⇔ m2 · c2 = m20 · c2 + m2 · v 2
c2 − v 2
m2 · c2 = m20 · c2 + p2
E 2 = m2 · c4 = m20 · c4 + c2 · p2
(2.8)
Da für Photonen m0 = 0 ist, vereinfacht sich Gl.(2.8) für Photonen zu
E 2 = c2 · p2 ⇔ E = c · p
⇒p=
E
hν
h̄ω
h
=
=
= = h̄k
c
c
c
λ
Für Photonen gelten damit die zwei wichtigen Beziehungen:
E = h̄ω und p~ = h̄~k
(2.9)
Elektro-magnetische Wellen zeigen also einen Welle-Teilchen-Dualismus, d.h. sie können
einmal mit Größen beschrieben werden, die typisch für Wellen sind: c = λ · ν aber auch
durch typische mechanische Größen: E = p · c. Beide Gleichungen können ineinander überführt werden, sind also zueinander äquivalent. Welche Beschreibungsgrößen
adäquat sind, d.h. in welchem Bild“ man arbeitet, hängt vom Experiment ab.
”
Anmerkung:
Elektromagnetische Wellen werden in der Regel durch unendlich ausgedehnte“ Wel”
~ t) = E~0 exp {i(kz z − ωt)} dargestellt.
lenzüge der Form E(z,
Bei Teilchen denkt man
eher an räumlich begrenzte Objekte. Man kann jedoch durch die Überlagerung von Wellen unterschiedlicher Wellenlänge sogenannte Wellenpakete aufbauen, bei denen die
Amplitude nur in einem sehr kleinen Raumbereich von Null verschieden ist. Hierauf
wird später noch eingegangen.
2.2. Bohr’sches Atommodell
Von großer Bedeutung für die Entwicklung von Atommodellen und damit für die Entwicklung der Quantenmechanik waren die spektroskopischen Untersuchungen von Gasen. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts fanden Kirchhoff und Bunsen heraus, dass
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jedes chemische Element ein eigenes, charakteristisches Emissions- und Absorptionsspektrum zeigt. Von besonderer Bedeutung war dabei das Spektrum des Wasserstoffs,
des einfachsten aller chemischen Elemente. Im Jahr 1885 stellte Balmer fest, dass sich
das im sichtbaren Bereich beobachtbare Linienspektrum des H-Atoms mit der einfachen
Gleichung:
1
1
1
= RH
mit n ganzzahlig, n > 2
−
λ
22 n2
beschreiben lässt. Die Konstante RH heißt Rydberg-Kostante. Die Verallgemeinerung
der Balmer-Formel auf alle beobachtbaren Spektrallinien des H-Atoms ist die RydbergFormel:
1
1
1
= RH
−
mit n0 , n ganzzahlig, n0 < n
(2.10)
λ
n02 n2
Abbildung 2.2.: Balmer-Serie des H-Atoms (Emission)(aus: Haken,Wolf: Atom- und Quantenphysik)
Ein erstes Verständnis der Spektren des H-Atoms lieferte das von Bohr im Jahr 1913
entwickelte Atommodell, das stark an das Kepler’sche Modell des Sonnensystems angelehnt ist. Im Zentrum befindet sich der Atomkern, die Elektronen umkreisen diesen auf
kreisförmigen Bahnen. Um die experimentell beobachteten Linienspektren zu erklären
führte Bohr drei Postulate ein:
1. Die klassischen Bewegungsgleichungen für das Elektron sind auch im Atom gültig,
es sind jedoch nur bestimmte diskrete Bahnradien möglich.
2. Die Bewegung auf diesen Bahnen erfolgt strahlungslos. Übergänge zwischen den
erlaubten Bahnradien sind möglich und führen zu einer Absobtion oder Emission
von Energie: En − En0 = hν.
3. Mit zunehmenden Bahnradius gehen die Gesetzmäßigkeiten der Quantenphysik
in diejenigen der klassischen Physik über (Korrespondenz-Prinzip)
Eine direkte Folge der Bohr’schen Postulate ist die Quantisierung des Drehimpulses ~l
des Elektrons. Der Drehimpuls des Elektrons bei der Umkreisung des Atomkerns ist:
~l = m · ~v × ~r ⇒ ~l = m · v · r = n · h̄ mit n = 1, 2, 3, ...
Die Zahl n nummeriert dabei die unterschiedlichen Bahnradien und wird als Hauptquantenzahl bezeichnet. Mit der Folgerung des gequantelten Drehimpulses des Elektrons läßt sich unter Zuhilfenahme der klassischen Bewegungsgleichungen des Elektrons sehr einfach die Rydberg-Formel ableiten und vor allem läßt sich die RydbergKonstante RH auf bekannte Naturkonstanten zurüchführen. Für den Radius der Bohr’schen
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Skript Biophysik für MT
Bahnen ergibt sich zunächst aus dem Kräftegleichgewicht für das Elektron:
e2
e2
m2 v 2 r 2
(nh̄)2
mv 2
⇒
=
=
=
4π0 r2
r
4π0
mr
mr
2
(nh̄)
⇒ rn = 4π0
me2
(2.11)
(2.12)
Die Größe a0 = 4π0 h̄2 /me2 = 5.3 · 10−11 m heißt Bohr’scher Radius (des Elektrons).
Die Energien des Elektrons auf den verschiedenen Bahnradien ergibt sich aus der Gesamtenergie des Elektrons, E = Ek + Epot :
e2
1
E = mv 2 −
2
4π0 r
Mit dem Kräftegleichgewicht für die Kreisbahn (Gl.(2.11))
e2
e2
mv 2
2
⇒
mv
=
=
4π0 r2
r
4π0 r
und dem Einsetzen der Bohr’schen Radien (Gl.(2.12)) ergibt sich die Energie der Elektronenzustände En zu:
En = −
1 e2
me4
1
⇒ En = −
2 2
2
2 4π0 rn
2(4π0 ) h̄ n
Übergänge zwischen zwei Bahnradien n → n0 liefern die Energien der beobachteten
Spektrallinien des H-Atoms:
1
me4
1
−
∆E = hν = En − En0 =
(2.13)
2(4π0 )2 h̄2 n2 n02
Abbildung 2.3 zeigt eine schematische Darstellung des H-Atoms entsprechend der
Bohr’schen Theorie. Eingezeichnet sind die ersten 5 Spektralserien.
Abbildung 2.3.: Wasserstoffatom nach Bohr(aus: Haken,Wolf: Atom- und Quantenphysik)
Der Vergleich von Gl.(2.10) mit Gl.(2.13) liefert die Rückführung der RydbergKostanten auf bekannte Naturkosntanten. Zwar liefert das Bohr’sche Modell die Spektrallinien des H-Atoms wie sie im Experiment beobachtet werden, es ist jedoch unbefriedigend, da die notwendigen Postulate theoretisch nicht begründbar sind und darüber
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hinaus das Modell bei komplexeren Atomen versagt. Erst der vollständige Bruch mit
den Vorstellungen des Elektrons als Teilchen im klassischen Sinne führte zu einem
tieferen Verständnis der komplexen Spektren der Atome und Moleküle, genauso wie
zu einem quantitativen Verständnis der chemischen Bindung. Ausgangspunkt dieser
als Quantenmechanik bekannten Theorie waren die Ideen des französischen Physikers
Louis DeBroglie aus dem Jahr 1924, nach denen materielle Teilchen wie z.B. Elektronen
auch einen Wellencharakter besitzen sollten.
2.3. Materiewellen (DeBroglie-Wellen)
Im vorletzten Kapitel ist gezeigt worden, dass elektro-magnetische Wellen auch einen
Teilchencharakter besitzen (Photonen). Das umgekehrt auch massenbehaftete Teilchen nicht nur durch mechanische Größen wie Masse, Energie und Impuls beschrieben werden können, sondern diese auch Welleneigenschaften zeigen, ist erstmals 1924
von DeBroglie postuliert worden. Der Nachweis das Teilchen mit endlicher Ruhemasse
tatsächlich Welleneigenschaften besitzen, ist von Davisson und Germer im Jahr 1927
durch Beugungsexperimente von Elektronen an Kristallen nachgewiesen worden.
DeBroglie hat seine Hypothese auf der von Planck angegebenen Gleichung für die Energie von Photonen E = h · ν = h̄ · ω sowie der von Einstein angegebenen, allgemein
gültigen Gleichung E = m · c2 aufgebaut. Setzt man voraus, dass beide Ausdrücke für
die Energie für alle Arten von Teilchen“ gelten, so erhält man durch Gleichsetzen:
”
h̄ · ω = m · c2
d.h. einer Masse m wird über diese Gleichung eine Frequenz ω, also ein Wellencharakter
zugeordnet. Daraus folgerte DeBroglie, dass alle Teilchen, auch diejenigen mit endlicher
Ruhemasse, auch einen Wellencharakter besitzen und in Analogie zu den Photonen die
folgenden Gleichungen gelten:
E=
p2
= h̄ · ω;
2m
p~ = h̄ · ~k
(2.14)
Im Unterschied zu den Photonen ergibt sich jedoch durch den Ausdruck der kinep2
tischen Energie eines Teilchens E = 12 m · v 2 = 2m
eine quadratische Energie-ImpulsBeziehung.
Anmerkung:
Die Beziehung E =
p2
2m
gilt:
• nur für freie“ Teilchen, d.h. für Teilchen ohne Einfluß äußerer Kräfte, der Aus”
druck für die Energie beschreibt nur die kinetische Energie des Teilchens
2
p
• der Ausdruck E = 2m
ist der nicht-relativistische Grenzfall der allgemeineren
Energie-Impuls-Beziehung: E 2 = m20 · c4 + c2 · p2 , d.h. der Ausdruck gilt nur für
langsame“ Teilchen mit v << c
”
Prof. Dr. K. Zink
15
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Die Wellen massenbehafteter Teilchen werden im Allgemeinen als DeBroglie-Wellen
oder Materiewellen bezeichnet. Den Dualismus von Welle und Teilchen bei Teilchen mit
einer endlichen Ruhemasse erkennt man besonders gut in der Energie-Impuls-Beziehung
bzw. der entsprechenden Dispersionsrelation, die aus Gl.(2.14) folgen:
T eilchenbild : ⇔ W ellenbild :
h̄2 k~2
p2
⇔ h̄ω =
E=
2m
2m
(2.15)
Aus der Hypothese von DeBroglie ergeben sich sofort zwei Fragen:
• gibt es eine Wellengleichung für Materiewellen, vergleichbar zur Wellengleichung
der elektro-magnetischen Wellen?
• Welche physikalische Bedeutung haben die Materiewellen?
Prof. Dr. K. Zink
16
3. Wellengleichung der Materie:
Schrödinger-Gleichung
3.1. Freie Schrödinger-Gleichung
Die Wellengleichung für Materiewellen läßt sich nicht aus physikalischen Prinzipen ableiten, sondern ist von Schrödinger erraten“ worden. Behilflich dabei ist ein Blick auf
”
Wellengleichung der elektromagnetischen Wellen sowie deren Dispersionsrelation (Kap.
2.1.1). Vorausgesetzt werden im Folgenden stets ebene Wellen als Lösungen für das Feld
~1
A
~ − 12 ∂ 2 A2~ = 0
Wellengleichung: ∆A
c
∂t
n
o
~ r, t) = E~0 exp i(~k~r − ωt = E~0 e{i(~k~r−ωt}
Lösung (ebene Wellen): E(~
Einsetzen der Lösung liefert die Dispersionsrelation E 2 = c2 · p2 bzw. c = λ · ν
Die Ableitung der ebenen Welle nach den Ortskoordinaten x, y, z und der Zeit t
liefert:
~ r, t)
∂ A(~
~ r, t) ⇒
= ikx A(~
∂x
∂
→ ikx
∂x
(3.1)
(entsprechende Ausdrücke für Ableitungen nach den Ortskoordinaten y und z)
~ r, t)
∂ A(~
~ r, t) ⇒
= −iω A(~
∂t
∂
→ −iω
∂t
(3.2)
Setzt man also ebene Wellen als Lösung der Wellengleichung (2.3)voraus, so bewirkt
~ lediglich
die Anwendung der Differentialoperatoren ∂/∂x bzw. ∂/∂t auf die Funktion A
die Multiplikation mit dem Faktor ikx bzw. −iω.
Genauso gut könnte man auch anders herum argumentieren, bzw. man könnte versuchen, durch Ersetzen der physikalischen Größen ~k und ω bzw. p~ und E in der Dispersionsrelation durch Diffenrentialoperatoren, zur Wellengleichung zu gelangen.
1
Um eine Verwechselung mit der Energie E zu vermeiden, wird hier die Lösung der Wellengleichung
~ elektrisches Feld, sondern
(Gl. (2.3)) für die elektro-magnetischen Wellen nicht wie in Kap. 2 mit E:
~ bezeichnet
mit A
17
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
ikx →
∂
px
∂
h̄ ∂
⇒ i →
⇒ px →
∂x
h̄
∂x
i ∂x
(3.3)
(entsprechende Ausdrücke für Ableitungen nach den Ortskoordinaten y und z), also:
p~ →
h̄
∇
i
(3.4)
entsprechende Ausdrücke ergeben sich für die Frequenz ω bzw. die Energie E:
i
∂
h̄ ∂
∂
⇒ −iω = − E →
⇒ E→−
(3.5)
∂t
h̄
∂t
i ∂t
Nutzt man diese Ersetzungsregeln“ im Falle der Dispersionsrelation der Photonen:
”
2
~ die Lösung der Wellengleichung ist, so gelangt man
E = c2 · p2 für eine Funktion A,
zur Wellengleichung der elektro-magnetischen Wellen (Gl.(2.3)) 2 .
−iω →
Was liefern nun die Ersetzungsregeln im Falle der Dispersionsrelation der Materiewellen bzw. der dazu äquivalenten Energie-Impuls-Relation für materielle Teilchen:
h̄2 k~2
p~2
bzw. E =
2m
2m
Die Anwendung liefert die sogenannte Schrödinger-Gleichung für freie Teilchen:
h̄ω =
∂ψ(~r, t)
h̄2
ih̄
=−
∆ψ(~r, t)
(3.6)
∂t
2m
Gl. (3.6) stellt eine Feldgleichung vergleichbar zur Wellengleichung des elektrischen
~ dar, die physikalische Bedeutung der als Materiewellen bzw. Wellenfunktion
Feldes E
bezeichneten Funktion ψ(~r, t) wird im Folgenden noch ausführlich diskutiert werden.
Wie durch einfaches Einsetzen sofort gezeigt werden kann, sind ebene Wellen: ψ(~r, t) =
ψ0 exp(i(~k~r − ωt) Lösungen der Schrödinger-Gleichung.
3.2. Physikalische Bedeutung der Wellenfunktion ψ
Die Interpretation der Lösungen der Wellengleichung (2.3) im Falle der elektro-magnetischen
Wellen ist einfach. Sie beschreiben die räumliche und zeitliche Entwicklung des elektrischen und magnetischen Feldes im Raum wieder. Beides sind Größen, die auch
physikalisch messbar sind. Aber welche Bedeutung haben die Lösungen Ψ(~r, t) der
Schrödinger-Gleichung:
2
Wie man durch Anwenden der Ersetzungsregeln“ erkennt, kürzt sich die Konstante h̄, deren Auf”
treten charakteristisch für die Quantenmechanik ist, heraus, d.h. quantenmechanische Phänomene
können durch die Wellengleichung der elektro-magnetischen Wellen (Gl.(2.3)) nicht beschrieben
werden
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18
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
• Wie läßt sich die Vorstellung eines (unendlich ausgedehnten) Wellenzuges eines
Elektrons mit den in Experimenten nachgewiesenen punktförmigen“ Charak”
ter des Elektrons in Einklang bringen (z.B.: Auftreffen eines Elektrons auf den
Leuchtschirm eines Oszilloskops)
• Welche Eigenschaft der Welle entspricht den physikalischen Messgrößen wie z.B.:
der Geschwindigkeit des Teilchens?
• Die Lösungen ψ(~r, t) der Schrödinger-Gleichung sind in der Regel nicht reelwertige Funktionen, sondern komplexe Funktionen. Physikalische Messwerte können
andererseits nur durch reelle Zahlen dargestellt werden. Wie kommt man also von
der komplexen Funktion ψ(~r, t) zu den gesuchten physikalischen Größen?
Der letzte Punkt ist relativ einfach zu beantworten: Physikalisch messbare Größen
können nicht direkt durch die Wellenfunktion ψ(~r, t) beschrieben, sondern durch den
Betrag dieser Funktion |ψ(~r, t)|2 = |ψ ∗ (~r, t) · ψ(~r, t)|. Das Symbol ∗ bedeutet dabei das
konjugiert komplexe der Funktion ψ(~r, t).
Die Frage, wie aus den Eigenschaften der Materiewelle die physikalischen Eigenschaften des Teilchens abzuleiten sind, ist nicht so einfach zu beantworten. Berechnet man
zB. die Phasengeschwindigkeit vph der Materiewelle ψ, so sieht man, dass diese nicht
mit der Teilchengeschwindigkeit v übereinstimmt. Für die Flächen gleicher Phase einer
ebenen Welle gilt: (~k~r − ωt) = const d.h.:
d~r
d ~
k~r − ωt = 0 ⇒ ~k − ω = 0
dt
dt
Da die Phasengeschwindigkeit vph = d~r/dt ist, ergibt sich für die Phasengeschwindigkeit
mit den Beziehungen (2.14) von DeBroglie:
E
p2
p
mv
v
h̄ω
ω
vph = =
=
=
=
=
=
h̄k
p
2mp
2m
2m
2
~k d.h. die Phasengeschwindigkeit der Welle entspricht nur der halben Teilchengeschwindigkeit.
Wellenpakete:
Mit Teilchen verbindet man die Vorstellung, dass diese lokalisiert“ sind. Die Frage ist,
”
läßt sich aus ebenen Wellen etwas konstruieren, was der Vorstellung eines lokalisierten Teilchen nahe kommt? Die Antwort ist Ja. Werden ebene Wellen unterschiedlicher
Wellenlänge also unterschiedlicher k-Vektoren addiert, so entstehen sogenannte Wellenpakete, deren Amplitude nur in einem sehr kleinen Raumbereich von null verschieden
ist (Abb.(3.1)).
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19
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Abbildung 3.1.: Wellenpaket durch Überlagerung ebener Wellen mit unterschiedlichen
k-Vektor(aus: Haken,Wolf: Atom- und Quantenphysik)
Ebene Welle:
n o
ψ(~r, t) = ψ0 exp i ~k~r − ωt
(3.7)
Wellenpaket:
Z
−∞
ψ(~r, t) =
o
n ~
~
ϕ k exp i k~r − ωt d~k
(3.8)
∞
Um mehr über die Bedeutung der Wellenfunktion ψ(~
r,t) zu erfahren, betrachte ein
Wellenpaket mit gaussförmiger Amplitudenfunktion ϕ ~k in einer Dimension: ψ (x, t):
1
ψ (x, t) =
2π
Z
A
ψ (x, t) =
2π
Z
−∞
ϕ (k) exp {i (kx − ωt)} dk mit ϕ (k) = A exp − (k − k0 )2 d2
∞
−∞
exp − k − k02 d2 exp {i (kx − ωt)} dk
(3.9)
∞
Darin haben die Faktoren A und 1/2π die Bedeutung von Normierungsfaktorn. Das
Integral (3.9) kann mit einigem Aufwand analytisch gelöst werden. Dabei ist zu beachten, dass die Größen ω und k über die Dispersionsrelation h̄ω = h̄2 k 2 /2m miteinander
veknüpft sind. Die Größe 1/d2 entspricht der Breite des Wellenpakets im Frequenzraum
(dieser wird in der Physik oftmals k-Raum“ genannt), entsprechend gibt die Größe d
”
die Breite des Wellenpakets im Ortsraum an.
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20
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
A
⇒ ψ (x, t) =
2π
Z
A
⇒ ψ (x, t) =
2π
Z
−∞
exp − k −
k02 d2
∞
−∞
∞
A −k02 d2
⇒ ψ (x, t) =
e
2π
h̄k 2
t
dk
exp i kx −
2m
h̄k 2
2 2
2
2
exp −k d + 2kk0 d − k0 + ikx − i
t dk
2m
Z
−∞
∞
ih̄
2
2
2
exp −k d +
t + k 2k0 d + ix dk
2m
(3.10)
Mit Hilfe einer Integraltafel findet man für diesen Typ von uneigentlichem Integral
die folgende Lösung:
Z
−∞
2
r
exp −ax + bx dx =
∞
π
exp
a
b2
4a
Damit erhält man für die Wellenfunktion ψ(x, t):
A
⇒ ψ (x, t) =
2π
r
2 2
π
exp
−k0 d exp
ih̄
d2 + 2m t
(
2
(2k0 d2 + ix)
ih̄
4 d2 + 2m
t
)
(
)
2 2
4k02 d4 + 4ixk0 d2 − x2
π
exp −k0 d exp
ih̄
ih̄
d2 + 2m
t
4 d2 + 2m
t
(
)
2
r
k02 d4 + ixk0 d2 − x4
A
π
exp
− k02 d2
⇒ ψ (x, t) =
ih̄
ih̄
2π d2 + 2m
t
d2 + 2m
t
(
)
2
r
h̄
k02 d4 + ixk0 d2 − x4 − k02 d4 − ik02 d2 2m
t
A
π
⇒ ψ (x, t) =
exp
ih̄
ih̄
2π d2 + 2m
t
d2 + 2m
t
( 2
)
r
0
− x4 + id2 k0 x − h̄k
t
π
A
2m
⇒ ψ (x, t) =
exp
ih̄
ih̄
2π d2 + 2m
t
d2 + 2m
t
A
⇒ ψ (x, t) =
2π
r
(3.11)
Welche Bedeutung hat diese Wellenfunktion ψ(x, t)? Dazu sei daran erinnert, dass
physikalische Objekte bzw. Größen stets durch den Betrag der Wellenfunktion beschrieben werden:
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21
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
⇒ |ψ (x, t)|2 = ψ ∗ (x, t) ψ (x, t)
2
=
A
4π 2
r
π
ih̄
t
d2 + 2m
r


h̄ 

h̄k0
2 x2
2
−2d 4 + 2d k0 x − 2m t 2m t
π
exp
ih̄
2


d2 − 2m t
d4 + h̄ 2 t2
4m
A2
⇒ |ψ (x, t)|2 = 2
4π
s
A2
⇒ |ψ (x, t)|2 = 2
4π
(
π2
d4 +
s
h̄2 2
t
4m2
exp
d4 +
h̄2 2
t
4m2
A2
⇒ |ψ (x, t)|2 = 2
4π
2d2 +
(
π2
s
exp
h̄2
t2
2m2 d2
h̄2 k2
0
tx − 4 4m20 t2
−x2 + 4 h̄k
2m
2d2 +
(
π2
d4 +
)
h̄k0
t
2m
h̄
t x−
−x2 + 4k0 2m
h̄2 2
t
4m2
exp
)
h̄2
t2
2m2 d2
h̄k0 2
t
m
h̄2
t2
2m2 d2
− x−
2d2 +
)
(3.12)
Was bedeutet der Ausdruck in Gl.(3.12)? Bei genauerem Hinsehen erkannt man, dass
es sich um eine Gaussverteilung im Ortsraum x der Form:
2
|ψ (x, t)| = A(t) exp
(x − x̄)
2 (∆x)2
(3.13)
mit:
h̄k0
p0
t = t = v0 t
m
m
h̄2 2
(∆x)2 = d2 +
t
4m2 d2
x̄ =
(3.14)
Darin bedeutet p0 den Impuls des Teilchens, v0 die Geschwindigkeit. Der Schwerpunkt des Wellenpakets bewegt sich also mit der klasssischen“ Teilchengeschwindig”
keit v0 = p0 /m. In der Wellentheorie heißt die Geschwindigkeit des Schwerpunktes
eines Wellenpakets Gruppengeschwindigkeit vGr = dω/dk. vGr ist damit im Einklang
mit der klassischen Geschwindigkeit eines Teilchens :
dω
d h̄2 k 2
h̄k
p
vGr =
=
=
=
=v
dk
dk 2m
m
m
im Gegensatz zur Phasengeschwindigkeit eines Wellenzuges:
V
Prof. Dr. K. Zink
ph
ω
h̄k 2
h̄k
p
v
= =
=
=
=
k
2mk
2m
2m
2
22
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Damit ist die physikalische Interpretation der Wellenfunktion ψ(~r, t) etwas klarer: Massenbehaftete Teilchen müssen in der Wellentheorie (Quantenmechanik) durch Wellenpakete beschrieben werden. Die Gruppengeschwindigkeit des Wellenpakets entspricht
der klassischen Teilchengeschwindigkeit. Es ist daher naheliegend, den Ausdruck |ψ(~r, t)|2
als Massendichte zu interpretieren, was auch Erwin Schrödinger nach dem Aufstellen
seiner Gleichung getan hat. Das dies nicht richtig sein kann, sieht man sehr schnell
an dem Ausdruck für die Breite ∆x der Gaußkurve in Gl.(3.13), die zeitabhängig ist.
Dies bedeutet, das Wellenpaket wird mit wachsender Zeit t immer breiter, das Teilchen, das durch das Wellenpaket beschrieben wird, zerfließt“ mit der Zeit. Dies müßte
”
experimentell beobachtbar sein, wie folgendes Beispiel zeigt:
Annahme: Elektron wird durch Wellenpaket der Breite d = 10−10 m beschrieben.
Das Elektron habe eine Energie von E = 104 eV
Frage: Um wieviel hat sich das Wellenpaket (also das Elektron) nach einer Strecke
von s = 30cm verbreitert?
Die Situation entspricht etwa der Situation eines Elektrons in einer Fernsehröhre.
Beim Auftreffen auf den Leuchtschirm hat es etwa eine Energie von 104 eV . Beobachtet
wird ein kurzes“ Aufleuchten des Fluoreszenzschirmes. Aus Gl.(BreiteWellenpaket)
”
ergibt sich mit den Ersetungen v = s/t und eU = 1/2mv 2 die Verbreiterung des
Wellenpakets des Elektrons zu:
h̄2 s2
h̄2 2 m
2
s
=d +
(∆x) = d +
4m2 d2 2eU
8md2 eU
2
2
(3.15)
Einsetzen der numerischen Werte:
d = 10−10 m Breite des Wellenpakets ( klassischer“ Elektronendurchmesser)
”
m = 9.1 · 10−31 kg Masse des Elektrons
h̄ = 1.05 · 10−34 Js
eU = 104 eV = 1.6 · 10−15 J Energie des Elektrons
s = 0.3m Wegstrecke des Elektrons
liefert:
2
(∆x)2 = 10−20 m2 +
(1.05 · 10−34 ) (0.3)2
m2
−31
−20
−15
8 · 9.1 · 10
· 10
· 1.6 · 10
(∆x)2 ≈ 10−20 m2 + 10−5 m2
(∆x) ≈ 3 · 10−3 m
(3.16)
Ein so starkes Zerfliessen“ des Elektrons wäre experimentell beobachtbar.
”
Prof. Dr. K. Zink
23
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Die richtige Deutung der Wellenfunktion hat 1926 Max Born geliefert:
ψ ∗ ψ = |ψ(~r, t)|2 entspricht der Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte des Teilchens
Daraus ergibt sich sofort eine weitere Bedingung für die Wellenfunktion, die sogenannte
Normierungsbedingung:
Z
ψ ∗ ψd~r = 1
(3.17)
~
r
Die Normierungsbedingung (3.17) ist sofort einsichtig: Da der Ausdruck ψ ∗ ψ die Aufenthaltswahrscheinlichkeit am Ort ~r beschreibt, bedeutet das Integral über den gesamten Raum die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen mit der Wellenfunktion ψ(~r, t) irgendwo
im Raum zu finden. Diese muss natürlich gleich eins sein.
3.3. Allgemeine Schrödinger-Gleichung
Die Schrödinger-Gleichung (3.6) gilt nur für kräftefreie Teilchen, d.h. Teilchen die sich
ohne Einwirkung äußerer Kräfte bewegen. Ausgangspunkt bei der Aufstellung war
die Betrachtung dieser Teilchen als ebene Wellen (DeBroglie-Wellen), die klassische
Energie-Impuls-Relation E = p2 /2m und die Ersetzungsregeln für die klassischen“
”
physikalischen Größen:
h̄
p~ → ∇
i
und
h̄ ∂
E → −
i ∂t
Für den allgemeinen Fall eines Teilchens, das sich unter dem Einfluß äußerer Kräfte,
bzw. äußerer Potentiale bewegt, gilt nicht der einfache Zusammenhang: E = p2 /2m,
sondern der allgemeinere Fall, dass sich die Gesamtenergie EGes aus der Summe von
kinetischer und potentieller Energie ergibt:
EGes =
p2
+ V (~r)
2m
Darin bedeutet V (~r) das Potential. Die Gesamtenergie als Funktion von Ort und Impuls wird in der Physik auch als Hamiltonfunktion H bezeichnet:
H (~p, ~r) =
p2
+ V (~r)
2m
(3.18)
Schrödinger hat 1926 in Verallgemeinerung der vorausgegangenen Überlegungen eine
Wellengleichung für Teilchen in einem äußeren Potential angegeben, die ebenfalls mit
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24
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
den obigen Ersetzungsregeln motiviert werden kann.:
∂ψ(~r, t)
h̄2
=−
∆ψ(~r, t) + V (~r) ψ(~r, t)
∂t
2m
h̄2
∂ψ(~r, t)
= −
∆ + V ψ(~r, t)
ih̄
∂t
2m
ih̄
bzw.
ih̄
∂ψ(~r, t)
= Ĥψ(~r, t)
∂t
(3.19)
mit
h̄2
Ĥ = −
∆+V
2m
(3.20)
Die Größe Ĥ heißt Hamilton-Operator und ensteht aus der Hamiltonfunktion (3.18)
und den Ersetzungsregeln (3.4) und (3.5). Die sogenannte allgemeine oder zeitabhängige Schrödinger-Gleichung (3.19) beschreibt die zeizliche Entwicklung der Wellenfunktion ψ(~r, t).
3.4. Das Konzept der Quantenmechanik
Die bisherigen Betrachtungen, die zur kräftefreien bzw. allgemeinen Schrödinger-Gleichung
geführt haben, sowie die von Born eingeführte statistische Deutung der Wellenfunktion
ψ(~r, t) können verallgemeinert werden:
1. Jeder physikalischen Größe ( Observable“) wird ein Operator zugeordnet:
”
Ersetzungsregeln der Quantenmechanik“
”
Die quantenmechanische Gleichung erhält man aus der klassischen Bewegungsgleichung durch Anwenden der Ersetzungsregeln3
2. Das Betragsquadrat der Wellenfunktion ψ(~r, t): |ψ ∗ ψ|2 beschreibt die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte des Teilchens. Aus dieser Interpretation folgt die
Normierungsbedingung:
Z
ψ∗ψ = 1
~
r
Nur Zustandsfunktionen, die diese Bedingung erfüllen, können physikalischen
Zustände beschreiben.
3
Achtung: Die Ersetzungsregeln gelten nur für Gleichungen in kartesischen Koordinaten
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25
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
physikalische Größe
Operator
Ort
~r
~r
Zeit
t
t
p~ = m~v
p̂ = h̄i ∇
~l = ~r × p~
ˆl = h̄ ~r × ∇
i
E
∂
Ê = − h̄i ∂t
Impuls
Drehimpuls
Energie
Hamiltonfunktion
H=
p2
2m
+ V (~r, t)
Ĥ =
h̄2
∆
2m
+ V (~r, t)
3. Aufgrund der statistischen Deutung der Wellenfunktion kann man für physikalischen Messwerte nur noch Mittelwerte angeben, die bei einer Messung an vielen
gleichartigen Systemen beobachtet werden können. Diese Mittelwerte werden in
der Quantenmechanik Erwartungswerte genannt. Will man z.B. den Ort eines
Teilchens aus der Wellenfunktion berechnen, so muß der Mittelwert von ~r über
der Wahrscheinlichkeitsverteilung |ψ ∗ ψ| berechnet werden:
Z
h~ri = ψ ∗ (~r, t) ~rψ (~r, t) d~r
~
r
Entsprechend für den Erwartungswert der Energie:
Z
D E
h̄2
∗
∆ + V (~r, t) ψ (~r, t) d~r
Ĥ = hEi = ψ (~r, t) −
2m
~
r
3.5. Zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung
Bei vielen physikalischen Problemen hängen die von außen auf ein Teilchen wirkenden
Kräfte nicht expliziz von der Zeit t ab, d.h. auch das Potential V hängt nicht von der
Zeit, sondern nur vom Ort ~r ab.
Beispiele:
• Bewegung eines Elektrons um den Atomkern: Coulomb-Potential V (r) ∝ e2 /r.
Das Coulomb-Potential ist ein besonders einfacher Fall, da V nur vom Betrag des
Abstandes |~r| = r abhängt.
• Federpendel (harmonischer Oszillator): Die Federkraft F ist direkt proportional
zur Auslenkung r − r0 : F = −c (r − r0 ). Das Potenzial ergibt aus dem Zusammenhang: F = ∇V
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26
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
In diesem Fall kann für die Schrödinger-Gleichung
h̄2
∂ψ(~r, t)
= −
∆ + V (~r) ψ(~r, t)
ih̄
∂t
2m
ein Separationsansatz für die Wellenfunktion ψ(~r, t) durchgeführt werden, der zu einer
Trennung der Variablen ~r und t führt:
ψ(~r, t) = T (t)φ (~r)
Einsetzen in die Schrödinger-Gleichung liefert:
h̄
∂T (t)
h̄2
− φ (~r)
= T (t) −
∆ + V (~r) φ (~r) = T (t) Ĥ (~r) φ (~r)
i
∂t
2m
⇒−
h̄ 1 ∂T (T )
1
=
Ĥ (~r) = const = E
i T (t) ∂t
φ (~r)
(3.21)
Die linke Seite der Gl.(3.21) hängt nur von der Variablen t ab, die rechte Seite nur von
der Variablen ~r. Dies bedeutet, rechte und linke Seite der Gleichung müssen unabhängig
von der jeweiligen Variablen sein, d.h. müssen gleich einer Konstanten sein, die hier mit
E bezeichnet worden ist. Damit erhält man zwei unabhängige Differentialgleichungen:
i
dT (t)
= − ET (t)
dt
h̄
h̄2
∆ + V (~r) φ (~r) = Eφ (~r)
Ĥ (~r) φ (~r) = Eφ (~r) ⇔ −
2m
Die Lösung der Gl.(3.22) kann sofort angegeben werden:
i
T (t) = T (0) exp − ET
h̄
Die Gesamtwellenfunktion ψ(~r, t) lautet damit:
i
i
ψ(~r, t) = T (0) φ (~r) exp − ET = φ (~r) exp − ET
h̄
h̄
(3.22)
(3.23)
(3.24)
(3.25)
Da auch der ortsabhängige Teil der Wellenfunktion φ (~r) nur bis auf eine Integrationskonstante bestimmbar ist, kann o.b.d.A. T (0) = 1 gesetzt werden:
i
ψ(~r, t) = φ (~r) exp − ET
(3.26)
h̄
Die Lösung des ortsabhängigen Teils φ (~r) ergibt sich aus der zeitunabhängigen SchrödingerGleichung:
Z
mit
Ĥφ (~r) = Eφ (~r)
(3.27)
φ∗ (~r) φ (~r) d~r = 1
(3.28)
~
r
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27
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Die Bedeutung der in G.(3.21) eingeführten Konstante E erkennt man sofort, wenn
man den Erwartungswert, also den Mittelwert des Hamiltonoperators berechnet, dieser
entsprach dem Erwartungswert der Energie des Systems:
D E Z
EGes = Ĥ = ψ ∗ (~r) Ĥ (~r) ψ (~r) d~r
Z~r
= φ∗ (~r) T ∗ (t) Ĥ (~r) φ (~r) T (t) d~r
Z~r
= φ∗ (~r) Ĥ (~r) φ (~r) d~r
~
rZ
= E φ∗ (~r) φ (~r) d~r = E
(3.29)
~
r
Die in Gl.(3.21) willkürlich mit E bezeichnete Konstante hat also die physikaliche
Bedeutung der Gesamtenergie EGes des Systems. Die Lösungen der zeitunabhängigen Schrödinger-Gleichung beschreiben also stationäre Zustände eines physikalischen
Systems, E gibt die Energie des Systems an. Beispiele solcher stationären Zustände
sind z.B. die Energiezustände des Wasserstoffatoms. Lösungen der zeitunabhängigen
Schrödinger-Gleichung (3.23) werden ausführlich im nächsten Kapitel diskutiert.
Die Gleichung Ĥφ (~r) = Eφ (~r) heißt in der Mathematik Eigenwertgleichung. Die
Zahl E ist der Eigenwertzur Eigenfunktion φ (~r). Der Name Eigenwertgleichung
kommt aus der Eigenschaft des Operators Ĥ: Die Anwendung des Differentialoperators
Ĥ auf bestimmte Funktionen φ (~r) hat die gleiche Wirkung, wie die Multiplikation von
φ (~r) mit einer Zahl E, dem Eigenwert 4 .
An dieser Stelle sei nochmals daran erinnert, dass die Schrödinger-Gleichung aus den
Prinzipien der klassischen Physik nicht ableitbar ist. Sie baut einzig auf den Ideen von
DeBroglie auf, nach dessen Hypothese auch materielle Teilchen einen Wellencharakter
besitzen sollten (Gl.(2.14)), der insbesondere bei sehr kleinen Teilchen wie den Elektronen zu Tage treten sollte. Ob die von Schrödinger erahnte“ Gleichung die Natur
”
in diesem Bereich tatsächlich adäquat beschreibt, kann nur an Hand konkreter physikalischer Problemstellungen und den Lösungen, die sich für dieses Problem aus der
Schrödinger-Gleichung ergeben, untersucht werden.
4
Eine sehr einfache, aus der Mathematikvorlesung bekannte Eigenwertgleichung ist z.B.:
d
f (x) = af (x)
dx
Wie man sofort erkennt, erfüllt die Funktion f (x) = eax diese Eigenwertgleichung. Die Funktion
f (x) = eax heißt Eigenfunktion des Operators d/dx zum Eigenwert a.
Prof. Dr. K. Zink
28
4. Anwendungen der
zeitunabhängigen
Schrödinger-Gleichung
4.1. Der harmonische Oszillator
Ein sehr einfaches physikalisches Problem, an dem die Schrödinger-Gleichung getestet worden ist, ist der sogenannte harmonische Oszillator, also das aus der Physik-1Vorlesung bekannte Federpendel. Der harmonische Oszillator hat weitreichende Anwendung in der Quantenmechanik, insbesondere in der Physik der Moleküle. Denn betrachtet man im einfachsten Fall ein 2-atomiges Molekül, so können die beiden Atome
gegeneinander schwingen, verhalten sich als im Prinzip wie ein einfaches Federpendel
(Abb. ()). Nach den Gesetzmäßigkeiten der klassischen Physik kann ein Federpendel
mit beliebiger Amplitude schwingen. Da die Schwingungsenergie dem Quadrat der Amplitude proportional ist (siehe unten), kann also ein harmonischer Oszillator gemäß der
klassischen Physik beliebige Energiewerte annehemen, sich als in beliebigen Energie”
zuständen“ befinden. Die Frage ist also:
• welche Ergebnisse liefert die Schrödinger-Gleichung für den harmonischen Oszillator ?
• sind die aus der Schrödinger-Gleichung resultierenden Lösungen in Einklang mit
den experimentellen Ergebnissen?
Um die Berechnung möglichst einfach zu halten, wird im Folgenden die SchrödingerGleichung für den Fall des eindimensionalen harmonischen Oszillators (Abb. (?)) aufgestellt und gelöst. Für die Kraft F , die auf die Masse m des Federpendels wirkt, gilt
das Hook’sche Gesetz:
F = −kx
Darin bedeutet k die Federkonstante und x die Auslenkung aus der Ruhelage1 . Das
zur Kraft gehörige Potenzial V (X) (potenzielle Energie) ergibt sich zu:
V (x) =
1
k 2 mω 2 2
x =
x
2
2
x entspricht in der Abb. 4.1 dem Abstand r der beiden Atome
29
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Abbildung 4.1.: Die Wechselwirkung zwischen 2 Atomen (angedeutet unten rechts
durch die Kreise) kann durch ein Potential V(r) beschrieben werden.
Die durchgezogene Linie gibt die schematische Form des herschenden
Potenzials an ( Morse-Potenzial“). In der Nähe des Minimums kann
V(r) durch das ”quadratische Potential eines harmonischen Oszillators
angenähert werden. (aus: Fließbach: Quantenmechanik)
p
mit der Frequenz ω = k/m. Die Hamilton-Funktion, d.h. Gesamtenergie des Oszillators, die der Summe aus kinetischer und potentieller Energie entspricht lautet damit:
mω 2 2
p2
+
x
(4.1)
H=
2m
2
Um zur quantenmechanischen Beschreibung zu gelangen muss die Hamiltonfunktion
(4.1) mit den Ersetzungsregel der Quantenmechanik (Kap. 3.4) in den Hamiltonoperator Ĥ (x) überführt werden:
h̄2 d2
mω 2 2
H=−
+
x
(4.2)
2m dx2
2
Da das Potenzial V (x) nicht von der Zeit t abhängt ist der gesamte Hamiltonoperator nicht zeitabhängig, d.h. man kann die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung
verwenden:
Z −∞
Ĥφ (x) = Eφ (x) mit
φ∗ (x) φ (x) dx = 1
∞
h̄2 d2
mω 2 2
⇒ −
+
x = Eφ (x)
2m dx2
2
h̄2 00
⇒ − φ (x) + 2E − mω 2 x2 φ(x) = 0
m
h̄ 00
2E mω 2
φ (x) +
−
x φ(x) = 0
⇒−
mω
h̄ω
h̄
q
h̄
2E
Durch Einführen der Größen: = h̄ω , b = mω
läßt sich die letzte Gleichung weiter vereinfachen:
x2
2 00
b φ (x) + − 2 φ(x) = 0
b
(4.3)
(4.4)
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30
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Skript Biophysik für MT
Durch Substitution y = x/b und entsprechend u(y) = φ(y(x)) erhält man schließlich2 :
d2 u(y)
+ − y 2 u(y) = 0
2
dy
(4.5)
Da die Lösungen u(y) für große Werte von y gegen 0 gehen müssen (Normierbarkeit
der Wellenfunktion u) lohnt es sich, die Lösung zunächst für große Werte von y zu
untersuchen. Für große Werte von y, d.h. y 2 >> gilt 3 :
00
u (y) = y 2 u(y)
Lösungen dieser Gleichung sind die folgenden Funktionen:
2
y
u(y) = exp ±
2
Von diesen Lösungen kommt physikalisch nur diejenige mit dem negativen Vorzeichen
im Exponenten in Frage, da nur diese für y → ∞ zu null wird. Damit kann man einen
Produktansatz für die Funktion u(y) versuchen:
2
y
(4.6)
u(y) = v(y) exp −
2
2h
i
y
0
0
⇒ u (y) = exp −
v (y) − yv (y)
2
2h
i
y
00
0
0
00
v (y) − yv (y) − v (y) − yv (y) + y 2 v (y)
⇒ u (y) = exp −
2
2h
i
y
00
00
0
2
⇒ u (y) = exp −
v (y) − 2yv (y) − v (y) + y v (y)
2
Einsetzen in Gl.(4.5) liefert:
00
0
v (y) − 2yv (y) − v (y) + y 2 v (y) + v (y) − y 2 v (y) = 0
00
0
v (y) − 2yv (y) + ( − 1) v (y) = 0
(4.7)
Durch genaues Hinsehen“ erkennt man bereits 2 Lösungen:
”
= 1 ist v(y) = const. eine Lösung;
1. v(y) = const. ⇒ = 1, d.h. für = 2E
h̄ω
2. v(y) = y ⇒ −2y + ( − 1) y = 0 ⇒ = 3, d.h. für =
Lösung;
2
2E
h̄ω
= 3 ist v(y) = y eine
Mit der Substitution y = x/b gilt:
d2 φ(y(x))
d2 φ(y(x)) 1
d2 u(y) 1
=
=
dx2
dy 2
b2
dy 2 b2
3
sowohl als auch y sind dimensionslos !!!!
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Diese erratenen Lösungen führen einen dazu, einen allgemeinen Ansatz in Form eines
Polynoms, bzw. in Form einer Potenzreihe zu versuchen:
2
3
4
v(y) = a0 + a1 y + a2 y + a3 y + a4 y + .... =
0
⇒ v (y) = a1 + 2a2 y + 3a3 y 2 + 4a4 y 3 + .... =
00
⇒ v (y) = 2a2 + 3 · 2a3 y + 4 · 3a4 y 2 + .... =
m=0
X
∞
m=0
X
∞
m=0
X
am y m
mam y m−1
m (m − 1) am y m−2
∞
(4.8)
Einsetzen in G.(4.7) liefert:
m=0
X
m (m − 1) am y
m−2
∞
m=0
X
− 2y
m=0
X
mam y
∞
m=0
X
m (m − 1) am y m−2 − 2
∞
m−1
+ ( − 1)
mam y m + ( − 1)
m=0
X
∞
m=0
X
amym = 0
amym = 0
∞
∞
schreibt man die ersten Glieder der Summe aus, so erhält man:
2 · 1 · a2 + 3 · 2 · a3 y + 4 · 3 · a4y2 + ...... − 2 a1 y − 2a2 y 2 − 3a3 y 3 − ..... +
( − 1) a0 + ( − 1) a1 y + ( − 1) a2 y 2 + .... = 0
(4.9)
Damit diese Gleichung für jeden Wert der Variablen y null ergibt, müssen die Koeffizienten für jede Potenz von y verschwinden, d.h. man erhält für jede Potenz von y
eine separate Gleichung, die die folgende Form hat:
(k + 2)(k + 1)ak+2 y k − 2kak y k + ( − 1) ak y k = 0
⇒ (k + 2)(k + 1)ak+2 − 2kak + ( − 1) ak = 0
⇒ ak+2 =
2k − + 1
ak k ∈ N
(k + 2)(k + 1)
(4.10)
Darin bedeutet k eine beliebige Potenz. Gl.(4.10) ist eine Rekursionsformel für die
Koeffizienten ak :
• aus a0 erhält man a2 → a4 → a6 → ...
• aus a1 erhält man a3 → a5 → a7 → ...
Damit ist die gesuchte Funktion v(y), die die DGL 4.7 im Prinzip gefunden:
v(y) =
m=0
X
∞
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am y m mit am+2 =
2k − + 1
am
(k + 2)(k + 1)
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damit auch die Gesamtlösung:
2
y
u(y) = v(y) exp −
2
aus der sich mit den durchgeführten Substitutionen die Lösung der ursprünglichen
DGL (4.3) ergibt. Diese Lösung hat jedoch noch ein Problem: Für y → ∞ gehen die
Funktionswerte v(y) → ∞, und zwar geht v(y) schneller gegen unendlich als der Term
exp {−y 2 /2} gegen null geht, d.h. die Funktion
2
y
→ ∞ wenn y → ∞
φ (y (x)) = u (y) = v (y) exp −
2
damit ist die Normierungsbedingung (3.17) nicht erfüllt! Damit der Ansatz für die
Funktion v(y) in Form einer
eine physikalisch sinnvolle Lösung ergeben
P Potenzreihe
m
soll, muß die Potenzreihe
am y ab einer bestimmten Potenz abbrechen. Hier hilft
ein Blick auf die Rekursionsgleichung der Koeffizienten am (Gl.(4.10)):
2k − + 1
ak k ∈ N
(k + 2)(k + 1)
Die einzige Möglichkeit, dass die Reihe abbricht, d.h. ab einem gewissen Wert von m
am+2 = 0 liefert ist, dass der noch unbekannte Faktor = 2E/h̄ω nur diskrete Werte
annehmen kann:
ak+2 =
=
2E
= 2l + 1
h̄ω
(l = 0, 1, 2, 3, 4, ....)
(4.11)
was durch Einsetzen der Bedingung (4.11) in Gl.(4.10) sofort gezeigt werden kann.
1. l = 0 ⇒ = 1:
a) Setze a0 = const ⇒ a2 = 0 ⇒ a4 = a6 = .... = 0 d.h. die Reihe bricht nach
dem Glied a0 ab.
b) Setze a1 = const
⇒ a3 =
2+1−1
a1 6= 0 ⇒ a5 6= 0 ⇒ a7 6= 0....
3·2
d.h. die Bedingung (4.11) führt nur dann zum Ziel, wenn über diese Bedingung hinaus gefordert wird, dass für den Fall dass a0 6= 0 der ungerade
Koeffizient a1 = 0 ist. Dann ist die Reihe tatsächlich endlich und besteht
lediglich aus dem Koeffizienten a0 . Die Funktion v(y) lautet dann:
v0 (y) = a0 = const.
2
y
⇒ φ0 (y(x)) = a0 exp −
2
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2. l = 1 ⇒ = 3:
a) Setze a0 = const 6= 0:
⇒ a2 =
−2
a0 6= 0
2
Damit die Reihe abbricht, muss a0 = 0 gefordert werden.
b) a1 = const 6= 0:
⇒ a2 =
2−2
a1 = 0
6
y2
⇒ v1 (y) = a1 y ⇒ φ0 (y(x)) = a1 y exp −
2
3. l = 2 ⇒ = 5:
a) Setze a0 = const 6= 0
−4
a0 = −2a0
2
⇒ a4 = 0
⇒ a2 =
b) Setze a1 = const 6= 0:
2−4
1
a1 = − a1
6
3
2
⇒ a5 = a3 6= 0
20
⇒ a3 =
Damit die Reihe abbricht muss also gefordert werden, dass a1 = 0 ist. Dann
lautet die Funktion v2 bzw. die Eigenfunktion φ2 :
v2 (y) = a0 − 2a0 y
2
y
φ2 (y(x)) = (a0 − 2a0 y exp −
2
2
(4.12)
Die so konstruierten Lösungen sind alle proportional zu einem noch unbestimmten
Koeffizienten a0 bzw. a1 der mit Hilfe der Normierungebedingung
Z −∞
φ∗ (y(x))φ(y(x))dx = 1
∞
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bestimmt werden. Die aus der Rekursionsformel (Gl.(4.10)) resultierenden Polynome,
die alle die DGL (4.7) erfüllen, heißen Hermitische Polynome Hn (y) = Hn (x/b).
Die ersten Heritischen Polynome lauten:
H0 (y) = 1;
H1 (y) = 2y;
H2 (y) = 4y 2 − 2;
H3 (y) = 8y 3 − 12y;
H4 (y) = 16y 4 − 48y 2 + 12;
(4.13)
Die Gesamtlösung der Differentialgleichung bzw. Eigenwertgleichung des harmonischen Oszillators (4.3) lautet damit:
• Eigenfunktionen des harmonischen Oszillators:
x
cn
x2
φn (x) = un (y) = √ Hn
exp − 2
b
2b
b
(4.14)
p
mit b = h̄/mω. Die Normierungskonstante cn kann mit Hilfe der Normierungsbedingung für die Eigenfunktionen betimmt werden.
• Energieeigenwerte des harmonischen Oszillators:
Aus der Forderung, dass die Eigenfunktionen endlich sein müssen, hat sich die
Bedingung (4.11) für die möglichen Energiewerte des harmonischen Oszillators
ergeben, die bedeutet, dass für den quantenmechanischen harmonischen Oszillator nicht beliebige Energiewerte möglich sind, sondern nur diskrete Werte der
Größe:
En =
1
h̄ω
n+
2
(n ∈ N )
(4.15)
Vergleich der quantenmechanischen und klassischen Lösung
Betrachtet man die quantenmechanische Lösung des harmonischen Oszillators Gl.(4.14)
und Gl.(4.15) im Vergleich zur Lösung, die sich aus der klassischen Physik ergibt, so
zeigen sich drei Unterschiede:
• Während nach den Gesetzen der klassichen Physik alle Werte für die Auslenkung
x und damit der Energie des Oszillators möglich sind (vergl. Gl.(4.1)), sind nach
der Quantenmechnik nur diskrete Energiewerte En = (n + 1/2) h̄ω möglich (siehe
Abb.( 4.2);
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35
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• Auch im niedrigsten Energiezustand E0 besitzt der quantenmechanische Oszillator noch eine Energie E0 = 1/2h̄ω ( Nullpunktsenergie“). Im klassischen Bild
”
bedeutet dies, dass der Oszillator niemals in Ruhe ist, d.h. die Aulenkung x = 0
nicht möglich ist (siehe Abb. (4.2));
• Während die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des klassischen Oszillators an den
Umkehrpunkten, also den Punkten maximaler Auslenkung, am größten ist (dort
ist v = 0), ist dies für den quantenmechanischen Oszillator nicht der Fall. Für sehr
große Werte von n nimmt allerdings die Aufenthaltswahrscheinlichkeit gemäß der
quantenmechanischen Lösung an den Umkehrpunkten zu, im Grenzfall n → ∞
geht die quantenmechanischen Lösung in die klassische Lösung über.
Abbildung 4.2.: Die fünf tiefsten Energieeigenwerte und Eigenfunktionen des harmonischen Oszillators. Die Energie istpin Einheiten von h̄ω/2, und die
Auslenkung in Einheiten von b = h̄/mω aufgetragen. Die Auslenkung bei den jeweiligen Energien ist nach der klassischen Mechanik
durch die Parabel begrenzt. (aus: Scherz: Quantenmechanik, Teubner-Verlag
2004)
Insbesondere spektroskopische Untersuchungen an Molekülen (Molekülschwingungen) haben gezeigt, dass die quantenmechanische Lösung im Gegensatz zur klassischen Lösung den experimentellen Sachverhalt richtig wiedergibt. Eine Bestätigung der
quantenmechanischen Lösung, insbesondere der gefundenen Nullpunktsenergie E0 =
h̄ω folgt auch aus einem grundlegenden Prinzip der Quantenmechanik, der Heisenberg’schen Unbestimmtheitsrelation:
∆p · ∆x ≥
h̄
2
Wenn ein harmonischer Oszillator tatsächlich in Ruhe wäre, damit also ∆x = 0 wäre,
müßte die Impulsunschärfe zur Erfüllung der Heisenberg’sche Unbestimmtheitsrelation
∆p → ∞ sein. Derartige Impulsverteilungen sind jedoch im Experiment nicht beobachtbar.
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Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Abbildung 4.3.: Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte des harmonischen Oszillators
gemäß quantenmechanischer Rechnung im Vergleich zu der entsprechenden klassischen Größe für den Grundzustand (oben), die beiden
ersten angeregten Zustände (darunter) sowie den neunten angeregten
p
Zutand (unten). Die Auslenkung ist in Enheiten von b = h̄/mω,
die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte in Einheiten von 1/b aufgetragen. (aus: Scherz: Quantenmechanik, Teubner-Verlag 2004)
4.2. Das Wasserstoffatom
Gemäß dem Bohr’schen Atommodell sind die Radien rn für die erlaubten Elektronenbahnen des H-Atoms (siehe Kap.: 2.2):
rn =
4π0 h̄2 2
n = a0 n 2
me2
2
0 h̄
: Bohr’scher Radius und n: Hautquantenzahl. Die Energie des Elektrons
mit a0 = 4π
me2
auf diesen Bahnen beträgt:
me4 1
En =
(4π0 h̄)2 n2
Die Erweiterung des Modell durch Sommerfeld auf elliptische Elektronenbahnen liefert neben der Hauptquantenzahl n zwei weitere Quantenzahlen:
• die Drehimpulsquantenzahl l = 0, 1, 2, 3, ...(n − 1)
• die magnetische Quantenzahl m = −l, −(l − 1), .. − 1, 0, 1, 2, ((l − 1), l
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37
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Welchen Lösungen liefert die Schrödinger-Gleichung für die gebundenen Zustände
des Elektrons des Wasserstoffatoms?
Im H-Atom bewegt sich das Elektron im kugelsysmmetrischen Coulombpotential des
Protons:
e2 1
V (r) = −
4π0 r
Die Hamiltonfunktion H = Ekin + Epot für das Elektron lautet:
H (r) =
p2
e2 1
p2
+ V (r) =
−
2m
2m 4π0 r
Mit Hilfe der Ersetzungsregeln der Quantenmechanik (Kap.3.4) erhält man sofort
den Hamiltonoperator und damit die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung für das
Wasserstoffatom:
H (r) ψ (~r) = Eψ (~r)
h̄2
∆ + V (r) ψ (~r) = Eψ (~r)
−
2m
e2 1
h̄2
∆−
ψ (~r) = Eψ (~r)
−
2m
4π0 r
(4.16)
Darin bedeutet E der Energieeigenwert zur Wellenfunktion bzw. Eigenfunktion ψ (~r).
Anmerkung:
Gl.(4.16) gilt nur unter der Annahme eines ruhenden Atomkerns.
Da das Potenzial V (r) nur vom Betrag des Abstandes r abhängt (Kugelsymmetrie
!), bietet es sich an, zur Lösung der Schrödinger-Gleichung (4.16) Kugelkoordinaten
einzuführen:
x = r · cos (ϕ) · sin (ϑ)
y = r · sin (ϕ) · sin (ϑ)
z = r · cos (ϑ)
Der Laplace-Operator
∂2
∂2
∂2
∆=
+
+
∂x2 ∂y 2 ∂z 2
bzw. der Operator der kinetischen Energie des Elektrons, der bis auf den Faktor
−h̄2 /2m mit dem Laplace-Operator übereinstimmt, lautet in Kugelkoordinaten:
h̄2
h̄2 1 ∂
−
∆=−
2m
2m r2 ∂r
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∂
r
∂r
2
h̄2 1
1
∂
∂
1
∂2
−
sin (ϑ)
+
2m r2 sin (ϑ) ∂ϑ
∂ϑ
sin2 (ϕ) ∂ϕ2
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Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Wie man durch genaues Hinsehen erkennt (???!!!) entspricht der winkelabhängige
Term im Wesentlichen dem Operator des Drehimpulses, bzw. dem Quadrat des Drehimpulsoperators in Kugelkoordianten:
ˆl = ~r × p̂ = h̄ ~r × ∇
i
1
∂
∂
1
∂2
ˆl2 = −h̄2
sin (ϑ)
+
sin (ϑ) ∂r
∂ϑ
sin2 (ϑ) ∂ϕ2
so dass für den Operator der kinetischen Energie in Kugelkoordianten der folgende
Ausdruck gültig ist:
h̄2 1 ∂
h̄2
∆=−
−
2m
2m r2 ∂r
∂
r
∂r
2
+
1 ˆ2
l
2mr2
bzw. für die Schrödinger-Gleichung:
h̄2 1 ∂
1 ˆ2
2 ∂
r
+
l + V (r) ψ (~r) = Eψ (~r)
−
2m r2 ∂r
∂r
2mr2
mit
V (r) = −
(4.17)
(4.18)
e2 1
4π0 r
Da der Operator ˆl2 nur Ableitungen nach den Winkeln ϑ und ϕ enthält, bietet sich
zur Lösung der Schrödinger-Gleichung (4.18) wiederum ein Separationsansatz an:
ψ (~r) = R(r) · Y (ϑ, ϕ)
(4.19)
Einsetzen liefert:
R(r) ˆ2
h̄2 1 ∂
2 ∂
l Y (ϑ, ϕ) = E(R(r) · Y (ϑ, ϕ) (4.20)
Y (ϑ, ϕ) −
r
V (r) R(r)
2
2m r ∂r
∂r
2mr2
Durch Multiplikation mit
1
1
=
ψ (~r)
R(r) · Y (ϑ, ϕ)
und Trennen der Variablen erhält man aus der Differentialgleichung (4.20) zwei Gleichungen, eine für die Funktion R(r), eine zweite für die Funktion Y (ϑ, ϕ).
Hier soll ein etwas anderer Weg beschritten werden, bei dem zunächst das Eigenwertproblem für das Quadrat des Drehimpulsoperator ˆl2 , der ja in Gl.(4.20) auftritt, und
nur auf die Variablen ϑ und ϕ wirkt:
ˆl2 Y (ϑ, ϕ) = λY (ϑ, ϕ)
(4.21)
mit χ: Eigenwert zur Eigenfunktion Y (ϑ, ϕ) (d.h.: λ ist eine einfache Zahl).
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39
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Anmerkung:
Die Funktionen Y (ϑ, ϕ) sind damit sowohl Eigenfunktionen des Operators ˆl2 als auch
Eigenfunktionen des Hamiltonoperators Ĥ, also der Schrödinger-Gleichung (4.20). Darüber
hinaus kann gezeigt werden, dass die Funktionen Y (ϑ, ϕ) auch Eigenfunktionen des
Operators ˆlz , der z-Komponente des Drehimpulses sind. Dies ist der Grund, warum
der Drehimpuls und damit die Funktionen Y (ϑ, ϕ) in der Quantenmechanik eine so
große Rolle spielen.
Ausgeschrieben lautet die Differentialgleichung bzw. Eigenwertgleichung für den Operator des Drehimpulses ˆl2 :
2
1
∂
∂
1
∂
2
2
ˆl Y (ϑ, ϕ) = −h̄
sin (ϑ)
+
Y (ϑ, ϕ) = λY (ϑ, ϕ)
sin (ϑ) ∂ϑ
∂ϑ
sin2 (ϑ) ∂ϕ2
(4.22)
Die Lösungen dieser Differentialgleichung sind aus der Mathematik bereits sehr lange
bekannt. Die Lösungen Y (ϑ, ϕ) sind die sogenannten Kugelflächenfunktionen , die
einen ganzen Satz von Lösungsfunktionen darstellen, die mit den ganzzahligen Indizes
l und m klassifiziert werden:
s
m+|m|
2l + 1 (l − |m|!) m
P (cos (ϑ)) eimϕ
(4.23)
Yl,m (ϑ, ϕ) = (−1) 2
4π (l + |m|)! l
Die Funktionen Plm heißen zugeordnete Legendrepolynome
Die einfachsten Kugelflächenfunktionen Ylm (ϑ, ϕ) lauten:
l = 0, m = 0:
1
Y0,0 = √
4π
l = 1, m = −1, 0, 1:
r
3
cos (ϑ)
4π
r
3
=∓
sin (ϑ) e±iϕ
8π
Y1,0 =
Y1,±1
l = 2, m = −2, −1, 0, 1, 2:
r
Y2,0
Y2,±1
Y2,±2
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5 3
1
2
=
cos (ϑ) −
4π 2
2
r
1 15
=∓
sin (ϑ) cos (ϑ) e±iϕ
2 2π
r
1 15
=∓
sin2 (ϑ) e±2iϕ
4 2π
40
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Skript Biophysik für MT
Die Funktionen sind ausser für ml = 0 komplexe Funktionen, deren grafische Darstellung doppelt so viele Dimensionen erfordert, wie eine reelle Funktion. Deshalb werden
im Allgemeinen für die grafische Darstellung Linearkombinationen der Kugelflächenfuktionen Yl,m (ϑ, ϕ) gebildet, die reellwertige Funktionen ergeben (siehe Abb.(4.4)):
r
3
1
sin (ϑ) cos (ϕ)
px (ϑ, ϕ) = √ (Y1,1 + Y1,−1 ) =
4π
2
r
1
3
py (ϑ, ϕ) = √ (Y1,1 − Y1,−1 ) =
sin (ϑ) sin (ϕ)
4π
2
r
3
pz (ϑ, ϕ) = Y1,0 =
cos (ϕ)
4
r
5
dz2 (ϑ, ϕ) = Y2,0 =
3 cos2 (ϕ) − 1
16π
r
15
1
dxy (ϑ, ϕ) = √ (Y2,1 + Y2,−1 ) =
sin (ϑ) cos (ϑ) cos (ϕ)
4π
2
r
15
1
sin (ϑ) cos (ϑ) sin (ϕ)
dyz (ϑ, ϕ) = √ (Y2,1 − Y2,−1 ) =
4π
2i
r
1
15
dx2 −y2 (ϑ, ϕ) = √ (Y2,2 + Y2,−2 ) =
sin2 (ϑ) cos (2ϑ) sin (ϕ)
16π
2
r
1
15
sin2 (ϑ) cos (2ϑ) sin (ϕ)
dxy (ϑ, ϕ) = √ (Y2,2 − Y2,−2 ) =
16π
2i
(4.24)
Die Bezeichnungen p und d weisen darauf hin, dass diese Funktionen aus Kugelflächenfunktionen zum Drehimpuls l = 1 (p-Funktionen) und zum Drehimpuls l = 2 (dFunktionen) gebildet worden sind.
Die Kugelflächenfunktionen (4.23) erfüllen die Normierungsbedingung:
Z
∗
Yl,m
Z
0
Z
(ϑ, ϕ) Yl,m (ϑ, ϕ) dΩ =
Kugel
2π
0
∗
Yl,m
(ϑ, ϕ) Yl,m (ϑ, ϕ) sin (ϑ) dϑdϕ = δl0 l δm0 m
π
Anmerkung:
Obige Bedingung bedeutet, das der Satz der Kugelflächenfunktionen Yl,m ein vollständiges Orthonormalsystem bildet, vergleichbar zu den drei Einheitsvektoren e~x , e~y , e~z
im dreidimensionalen Raum, mit dem Unterschied, dass die Kugelflächenfunktionen
nicht Vektoren sind, sondern Funktionen, die einen Funktionenraum aufspannen. Ein
solcher Raum heißt Hilbertraum
Die Eigenwerte λ des Drehimpulsoperators ˆl2 ergeben sich zu:
λ = h̄2 l (l + 1) mit :
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l = 0, 1, 2, 3, ....
(4.25)
41
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Skript Biophysik für MT
Abbildung 4.4.: Perspektivische 3D-Darstellung der Linearkombinationen p und d der
Kugelflächenfunktionen Yl,m (siehe Text). Die Darstellung zeigt dreidimensionale Flächen. Die Darstellung entspricht einem Polardiagramm:
Der Abstand eines Punktes auf der Oberfläche (ϑ, ϕ) zum Ursprung
stellt den absoluten Betrag der Funktionen p (ϑ, ϕ) und d (ϑ, ϕ) dar.
Das Vorzeichen der Funktion in den verschiedenen Lappen“ wird
” Reid: Physidurch ein Plus- oder Minuszeichen angezeigt. (aus: Engel,
kalische Chemie, Pearson-Verlag 2006)
Die Lösung der Eigenwertgleichung des Drehimulses lautet damit:
ˆl2 Yl,m (ϑ, ϕ) = h̄2 l(l + 1)Yl,m (ϑ, ϕ)
(4.26)
Der ganzzahlige Index l wird Drehimpulsquantenzahl genannt. Ebenso wie im
Bohr’schen Modell kann damit das Quadrat des Drehimpulses ˆl2 auch nach
der Schrödinger
p
ˆ
2
Gleichung nur ganzzahlige Werte von h̄ annehmen: h̄ l(l + 1) bzw. l = h̄ l(l + 1) 4 .
4
Nach dem Bohr’schen Modell ergibt sich für den Drehimpuls des Elektrons ˆl = h̄l, also ein etwas
anderer Wert. Die Form l(l + 1) wird deshalb auch manchmal quantenmechanisches Quadrat“
”
genannt
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42
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Skript Biophysik für MT
Für die z-Komponente des Drehimpulses erhält man:
h̄ ∂
Yl,m (ϑ, ϕ) = h̄mYl,m (ϑ, ϕ)
i ∂ϕ
−l ≤ m =≤ l
ẑz Yl,m (ϑ, ϕ) =
(4.27)
Der Index m wird magnetische Quantenzahl genannt. Gl.(4.27) bedeutet, dass die zKomponente des Drehimpulses (in einem äußeren Magnetfeld nur ganzzahlige Werte
von h̄ annehmen kann.
Das Ergebnis der Eigenwertgleichung des Drehimpulses (Gl.(4.26)) kann nun in die
Schrödinger-Gleichung (4.18) eingesetzt werden:
h̄2 l (l + 1)
h̄2 1 d
2 d
r
+ V (r) +
R (r) = ER (r)
(4.28)
−
2m r2 dr
dr
2mr2
Die Funktion Yl,m (ϑ, ϕ) tritt nicht mehr auf, da sie in allen Summanden auftritt und
damit gekürzt werden kann. Damit erhält man für den Radialteil R(r) der Wellenfunktion ψ eine einfache Differentialgleichung zweiter Ordnung, die noch etwas umgeformt
werden kann:
h̄2 2 d
h̄2 l (l + 1)
h̄2 d2
−
+ V (r) +
−
R (r) = ER (r)
2m dr2 2m r dr
2mr2
(4.29)
mit:
−e2 1
V (r) =
4π0 r
Diese DGL kann analog dem Vorgehen beim harmonischen Oszillator mit einem
Potenzreihen-Ansatz gelöst werden. Mit dem gleichen Argument wie dort muß der
Abbruch der Potenzreihe gefordert werden, da sonst die Funktion R(r) → ∞ (r → ∞).
Aus der Berechnung folgt für die Drehimpulsquantenzahl l die Bedingung:
l ≤ n − 1 n = 1, 2, 3, .....
Für die Energie des Elektrons im H-Atom liefert die Rechnung diskrete Werte:
En = −
1 me4 1
2 (4π0 h̄)2 n2
(4.30)
Der Index n = 1, 2, 3, ... wird Hauptquantenzahl genannt. Die Schrödinger-Gleichung
liefert damit die gleichen Energiezustände wie das Bohr’sche Modell, die Bohr’schen
Elektronenbahnen finden sich im quantenmechanischen Modell jedoch nicht wieder
(s. u. ). Aus der Schrödinger-Gleichung folgen für die Beschreibung der Elektronenzustände bzw. der Wellenfunktionen ψn,l,m (r, ϑ, ϕ) = Rn,l (r)Yl,m (ϑ, ϕ) drei Quantenzahlen: n, l, m (siehe Abb.4.5). Anzumerken ist, dass die Energie-Eigenfunktionen, also
die Funktionen die die Energiezustände des Elektrones im H-Atom beschreiben zwar
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43
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von allen Quantenzahlen n, l, ml abhängen, die Energie des Elektrons jedoch lediglich
von der Hauptquantenzahl n abhängt, d.h. alle Elektronenzustände mit Drehimpulsquantenzahlen l und m, die zu einer Hauptquantenzahl n gehören, besitzen gemäß
Schrödinger-Gleichung die gleiche Energie En . Die Tatsache, dass verschiedene Elektronenzustände die gleiche Energie besitzen nennt man Entartung.
Abbildung 4.5.: Die mögliche Kombination der vier Quantenzahlen und die Zuordnung zu den Atomschalen. Die Spinquantenzahl s folgt nicht aus der
Schrödinger-Gleichung, sondern ist eine Folge der Dirac-Gleichung, die
eine relativistische Form der Schrödinger-Gleichung darstellt. Die Elektronen mit einer Drehimpulsquantenzahl l = 0 werden aus historischen
Gründen s-Elektronen genannt, diejenigen mit l = 1 p-Elektronen,
l = 2 d-Elektronen, usw. nach dem Alphabet (aus: Schmidt: Molekülphysik)
Die Lösung R(r) der Radialgleichung (4.29) ist, vergleichbar zur Lösung des Harmonischen Oszillators, das Produkt aus einer Exponentialfunktion und einem Polynom:
Rn,l (r) = Nn,l
2r
na0
l
r
2r
2l+1
exp −
Ln+l
na0
na0
(4.31)
4π0 h̄2
Bohr0 scherRadius
me2
3/2 s
2
(n − l − 1)!
=
na0
2n [(n + l)!]3
a0 =
Nn,l
L2l+1
n+l = Laguerre − P olynome
(4.32)
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44
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Die reelwertige Radialfunktion R(r) erfüllt die Normierungsbedingung:
Z
0
Rn,l (r)Rn0 ,l0 (r)dr = δnn0 δll0
∞
Die ersten Laguerre-Polynome lauten:
n = 1, l = 0 :
n = 2, l = 0 :
n = 2, l = 1 :
n = 3, l = 0 :
2r
=1
a0
2r
2r
1
=4−2
L2
a
a0
0
2r
L33
=6
a0
2
2r
2r
2r
1
L3
= 18 − 18 + 3
a0
a0
a0
L11
3/2
Abbildung 4.6.: Darstellung von a0 R(r) in Abhängigkeit von von r/a0 für die ersten
Eigenfunktionen des H-Atoms (aus: Engel, Reid: Physikalische Chemie)
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45
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Skript Biophysik für MT
Die ersten Radialfunktionen lauten damit (siehe Abb. 4.6):
3/2
r
R1,0 (r) = 2
exp −
a0
3/2 1
1
r
r
R2,0 (r) = √
2−
exp −
a0
2a0
8 a0
3/2 1
1
r
r
R2,1 (r) = √
exp −
a0
2a0
24 a0
3/2 1
2
r
r2
r
R3,0 (r) = √
27 − 18 + 2 2 exp −
a0
a0
3a0
81 3 a0
1
a0
Die Gesamtwellenfunktion der Elektronenzustände des H-Atoms lauten damit:
ψn,l,m (r, ϑ, ϕ) = Rn,l (r)Yl,m (ϑ, ϕ)
Für die niedrigsten Quantenzahlen ergeben sich damit die folgenden Funktionen:
ψ1,0,0
ψ2,0,0
ψ2,1,0
ψ2,1,±1
3/2
r
exp −
a0
3/2 r
r
1
1
=√
2−
exp −
a0
2a0
32π a0
3/2 1
1
r
r
=√
exp −
cos (ϑ)
a0
2a0
32π a0
3/2 1
1
r
r
=√
exp −
sin (ϑ) exp {±imϕ}
a0
2a0
64π a0
1
=√
π
1
a0
Bei der Betrachtung der in Abb. (4.6) dargestellten Radialanteile der Wellenfunktion
des H-Atoms fällt auf, dass für die s-Zustände der Wert am Ort r = 0, also am Ort des
Aomkerns am Größten ist. Bedeutet dies, dass auch die Aufenthaltswahrscheinlichkeit
des Elektrons, die sich ja aus der Wellenfunktion durch quadrieren ergibt, z.B. im 1sZustand (Grundzustand des Elektrons im H-Atom) am Ort des Atomkerns am Größten
ist? Dies wäre im Widerspruch zu allen experimentellen Beobachtungen und damit das
Aus für das Modell der Schrödinger-Gleichung.
Eine genauere Betrachtung der Aufenthaltswhrscheinlichkeitsdichte des Elektrons, die
sich aus dem Quadrat der Gesamtwellenfunktion |ψ (r, ϑ, ϕ)| ergibt zeigt, dass sich
dieser scheinbare Widerspruch problemlos auflösen läßt. Die Wahrscheinlichkeit P, das
Elektron in einem bestimmten Volumenelement dV anzutreffen lautet:
∗
∗
P = ψn,l,m
(r, ϑ, ϕ) ψn,l,m (r, ϑ, ϕ) dV = ψn,l,m
(r, ϑ, ϕ) ψn,l,m (r, ϑ, ϕ) r2 sin (ϑ) drdϑdϕ
Dabei kommt der Ausdruck r2 sin (ϑ) durch die Transformation des Volumenelements
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46
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Abbildung 4.7.: Darstellung von r2 a30 R2 (r) in Abhängigkeit von von r/a0 für die ersten Eigenfunktionen des H-Atoms. Die Kurven für n = 2 und n = 3
sind vertikal versetzt dargestellt. Die Positionen der Hauptmaxima der
Aufenthaltswahrscheinlichkeiten sind durch Pfeile markiert (aus: Engel,
Reid: Physikalische Chemie)
dV von kartesische in Kugelkoordinaten zustande (Jacobi-Determinante) 5 .
Um zu berechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit P (r) ist, das Elektron unabhängig
von den Winkeln ϑ und ϕ in einem bestimmten Abstand r vom Atomkern anzutreffen,
ist damit die Wahrscheinlichkeitsdichte ψ ∗ (r, ϑ, ϕ) ψ (r, ϑ, ϕ) r2 sin (ϑ) drdϑdϕ über alle
Winkel ϑ und ϕ zu integrieren. Für den 1s-Zustand des Elektrons, d.h. (n,l,m) = (1,0,0)
ergibt sich damit:
Z 2π Z π
∗
ψ1,0,0
(r, ϑ, ϕ) ψ1,0,0 (r, ϑ, ϕ) r2 sin (ϑ) drdϑdϕ
P (r)dr =
ϕ=0 ϑ=0
Z 2π Z π
1
2r
P (r)dr =
exp −
r2 sin (ϑ) drdϑdϕ
3
πa
a
0
ϕ=0 ϑ=0
0 4 2
2r
P (r)dr = 3 r exp −
dr
(4.33)
a0
a0
5
Beim Übergang von kartesischen Koordinaten zu Kugelkoordianten transformiert sich ein Volumenelement:
dxdydz = dV = r2 sin (ϑ) drdϑdϕ
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47
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Gleichung (4.33) beschreibt die Wahrscheinlichkeit, das Elektron in einer Kugelschale
mit dem Radius r und der Dicke dr zu finden. Wie man sofort erkennt, ist diese am Ort
des Atomkerns, bei r = 0 Null. Die so berechneten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten
für die Zustände n = 1 bis n = 3 sind in Abbildung 4.7 wieder gegeben. Anhand
dieser Abbildung erkennt man sehr deutlich die Unterschiede zwischen dem Bohr’schen
Atommodell und den Ergebnissen der Schrödinger-Gleichung. Während das Bohr’sche
Modell diskrete Elektronenbahnen mit Radien r1 = a0 , r2 = 4a0 , r3 = 9a0 , ... liefert
(siehe Gl. (2.12), sind die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten des Elektrons als Funktion
des Abstandes r vom Atomkern nach der Schrödinger-Gleichung verschmiert“, und
”
weisen in der Regel mehrere Maxima auf. Die maximale Aufenthaltswahrscheinlichkeit
stimmt in der Regel nicht mit den Vorhersagen des Bohr’schen Modells überein. Eine
Ausnahme ist hier nur der 1s-Zustand, dessen Maximum gerade beim Wert r = a0 liegt
(siehe Gl.(4.33)).
4.3. Der Elektronenspin - Feinstruktur des
Wasserstoffspektrums
Die Schrödinger-Gleichung liefert für das Wasserstoff-Atom Energien der Elektronenzustände, die identisch zu denjenigen des Bohr’schen Modells sind, die Elektronenzustände selbst unterscheiden sich jedoch grundsätzlich von denjenigen des Bohr’schen
Modells. Vergleichbar zum Bohr’schen, bzw. Bohr-Sommerfeld’schen Modell werden
die Elektronenzustände im H-Atom mit der Schrödinger-Gleichung durch drei Quantenzahlen ( Freiheitsgrade“) beschrieben:
”
• Hauptquantenzahl n = 1, 2, 3, ...
• Bahndrehimpulsquantenzahl l = 0, 1, 2, 3, ...., (n − 1)
• magnetische Quantenzahl ml = −l, −(l − 1), ..., −1, 0, 1, 2, ..., (l − 1), l
Die Frage ist, liefert die Schrödinger-Gleichung eine vollständige Beschreibung der Elektronenzustände, d.h. können alle experimentellen Befunde mit Hilfe der SchrödingerGleichung erklärt werden???
Die Antwort lautet nein. Experimente, deren Ergebnisse im Widerspruch zur SchrödingerGleichung stehen sind unter Anderem:
• hochaufgelöste spektroskopische Untersuchungen des Wasserstoffspektrums;
• Stern-Gerlach-Versuch.
Hoch aufgelöste Spektren des H-Atoms zeigen (Abb. (4.8)), dass die Spektrallinien
teilweise aus zwei sehr eng benachbarten Linien bestehen ( Feinstruktur“), was durch
”
die Schrödinger-Gleichung nicht zu erklären ist. Erhöht man die Auflösung weiter, so
zeigen sich noch komplexere Spektren, die auf eine noch weitere Aufspaltung“ der
”
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48
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Abbildung 4.8.: Energiezustände des H-Atom nach den Theorien von Bohr, die identisch zu denjenigen von Schrödinger sind, nach Dirac sowie Lamb-Shift
und Hyperfeinaufspaltung. Die Aufspaltung der Energiezustände nach
Dirac sind um einen Faktor 104 , diejenigen der Hyperfeinaufspaltung
um einen Faktor 105 gespreizt dargestellt.
Elektronenzustände hindeuten ( Hyperfeinstruktur“).
”
Ein weiteres, etwas einfacher zu interpretierendes Experiment, das im Widerspruch
zur Schrödinger-Gleichung steht, ist der Versuch von Stern und Gerlach (Abb.(4.9)).
In diesem Experiment durchfliegt ein feiner Strahl von Ag-Atomen ein stark inhomogenes magnetisches Feld. Die Flugrichtung ist dabei senkrecht zur Richtung des Feldes
und auch senkrecht zur Richtung des Gradienten des Feldes (Abb. (4.9)). Die Richtung des Feldes und die Richtung des Gradienten stimmen überein. Beobachtet wird,
dass der Strahl der Ag-Atome aufgespalten wird in zwei Teilstrahlen. Die Ablenkung
der beiden Teilstrahlen zur ursprünglichen Flugbahn ist in entgegengesetzter Richtung
und betragsmäßig gleich groß. Die genauere Analyse des Experiments zeigt, dass das
Ergebnis des Stern-Gerlach-Experiments nicht im Rahmen der Schrödinger-Gleichung,
natürlich auch nicht im Rahmen des Bohr’schen Modells erklärt werden kann. Erst das
Postulat eines weiteren Drehimpulses im Atom, des Elektronenspins , führt zu einer
Deutung des Stern-Gerlach-Versuchs.
Die Ablenkung der Ag-Atome im inhomogenen magnetischen Feld bedeutet, dass die
Silberatome eine magnetisches Moment ~µ tragen müssen, d.h. sich wie eine kleine Magnetnadeln verhalten müssen. Die potentielle Energie Vmag eines magnetischen Dipols
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49
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Skript Biophysik für MT
Abbildung 4.9.: Schematische Darstellung des Stern-Gerlach-Experiments. Ein Atomstrahl (Ag-Atome) durchfliegt ein inhomogenes Magnetfeld. Man beobachtet eine Aufspaltung des Strahls zwei Komponeneten. Klassisch
erwartet man eine kontinuierliche Verteilung, die rechts angedeutet
sein soll, d.h. die Atome würden in dem gesamten angedeuteten Bereich auftreffen.(aus: Haken, Wolf: Atom- und Quantenphysik)
~ ist:
in einem äußeren magnetischen Feld B
~
Vmag = −~µ · B
~ wirkt eine Kraft
Dies bedeutet, in einem inhomogenen Feld B
F~ = −∇Vmag
Angewendet auf die Situation des in Abb.(4.9) dargestellten Stern-Gerlach-Experiments
bedeutet dies:
~ = ∇ (µx · Bx + µy · By + µz · Bz )
F~ = −∇ −~µ · B
∂B
dB
=µ·
cos (α)
(4.34)
∂z
dz
Der Winkel α bezeichnet dabei den Winkel zwischen dem magnetischen Moment und
der Richtung des Gradienten des B-Feldes. Das in Gl.(4.34) lediglich die z-Komponente
der Kraft auftritt liegt an der Tatsache, dass im Stern-Gerlach Experiment das B-Feld
in den Richtungen x und y konstant ist, d.h. nur der Gradient des B-Feldes in zRichtung eine Komponente ungleich null aufweist (siehe Abb.(4.9)), das magnetische
Moment ~µ ist eine Konstante.
Fz = µz ·
Woher stammt dieses magnetische Moment im Atom??
Dazu hier kurz zur Wiederholung die Betrachtung einer stromdurchflossenen Leiter~ Die in Abb.(4.10) dargestellte Leiterschleife
schleife im äußeren magnetischen Feld B.
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50
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Skript Biophysik für MT
besitzt ein magnetisches Moment:
~
~µ = I · A
Darin bedeutet I der Strom durch die Leiterschleife, A die Fläche der Leiterschleife,
~ ein Vektor der Länge A senkrecht auf der von der Leiterschleife aufgeentsprechend A
spannten Fläche. Damit steht auch ~µ senkrecht auf der Schleifenebene. Die potenzielle
Energie der Leiterschleife in einem äußeren magnetischen Feld ist:
~ = −µ · B cos (α)
Vmag = −~µ · B
~ D.h. die potenzielle Energie der Leiterschleife
dabei ist α der Winkel zwischen ~µ und B.
ist am geringsten beim Winkel α = 180◦ .
~ Das magnetische MoAbbildung 4.10.: Leiterschleife in einem äußeren Magnetfeld B.
ment µ ergibt sich als das Produkt von Stromstärke I und Fläche A.
Die potentielle Energie Vmag hängt vom Winkel α zwischen Flächennormale der Stromschleife und Richtung des Magnetfeldes ab. (aus:
Haken, Wolf: Atom- und Quantenphysik)
Die Definition des magnetischen Dipolmoments läßt sich in analoger Weise auf eine
Elektron im Atom übertragen, was auf Grundlage des Bohr’schen Modells am Einfachsten ist, sich aber anschließend sofort auf die Quantenmechanik übertragen lässt.
Das Elektron auf seiner Kreisbahn um den Atomkern stellt einen Kreisstrom I dar. Bei
einer Umlaufzeit T = 2 · π/ω fließt ein Strom:
e·ω
e
I=− =−
T
2π
Das magnetische Moment µ des Kreisstroms ist damit (Abb.(4.35)):
e · ω · r2
2
wobei r der Radius der Bohr’schen Kreisbahnen
der Elektronen ist. Mit der Kreisbahn
~
des Elektrons ist auch der Drehimpuls l = m · v · r = m · ω · r2 verknüpft, so dass auch
das magnetische Moment mit dem Drehimpuls verknüpft ist:
e
~µ = − ~l
(4.35)
2m
µ=−
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Die Ruhemasse des Elektrons ist hier mit m bezeichnet. Dies bedeutet, mit dem Drehimpuls ~l der Elektronen ist grundsätzlich ein magnetisches Moment verknüpft, das als
magnetisches Bahnmoment µ~l bezeichnet wird, da es auf die Bahnbewegung der
Elektronen zurückzuführen ist. Die Verknüpfung von Drehimpuls und magnetischem
Moment gilt grundsätzlich, also auch im Schrödinger’schen Modell des Atoms.
Abbildung 4.11.: Das Elektron stellt auf seiner Kreisbahn (Bohr’sches Modell) einen
Kreisstrom I dar. Der damit verbundene Drehimpuls ~l erzeugt ein
magnetisches Moment µ~l . Aufgrund der negativen Ladung des Elektrons sind die Vektoren ~l und µ~l einander entgegengesetzt gerichtet.
(aus: Haken, Wolf: Atom- und Quantenphysik)
Was bedeutet das magnetische Moment der Elektronen nun für die Interpretation
des Stern-Gerlach-Experiments??
Dazu ist es hilfreich, sich zunächst vorzustellen, was nach der klassischen Physik zu erwarten wäre. Mit den Ag-Atomen ist offensichtlich ein magnetisches Moment verknüpft,
d.h. jedes Ag-Atom stellt einen atomaren Magneten dar. Ohne äußeres magnetisches
Feld sind diese atomaren Magnete beliebig im Raum orientiert. In einem inhomogenen
magnetischen Feld erfahren sie eine Kraft gemäß Gl.(4.34), wobei alle Orientierungen
α erlaubt und möglich sind. Atome, bei denen Feldgradient und magnetisches Moment
senkrecht aufeinander stehen, erfahren keine Ablenkung. Solche, bei denen die Vektoren einander parallel sind, werden maximal abgelenkt. Zwischen diesen beiden Extrema
sind alle Zwischenwerte möglich. Nach der klassischen Vorstellung erwartet man also
ein Kontinuum an Ablenkungen (siehe Abb.(4.9)).
Welches Ergebnis würde man vor dem Hintergrund der Schrödinger-Gleichung erwarten??
Gemäß Kap.4.2 kann der Drehimpuls ~l des Elektrons nicht beliebige Werte annehmen,
sondern ist gequantelt:
lˆ2 = h̄2 · l(l + 1)
wobei l die Drehimpulsquantenzahl ist (l = 0, 1, 2, ...,(n-1)). Eine Komponenete des
Drehimpulsvektors ist ebenfalls bestimmt, diese wird stets als z-Komponente bezeichnet:
lˆz = ml h̄
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Skript Biophysik für MT
Da das magnetische Moment mit dem Drehimpuls verknüpft ist, kann sich dieses in
einem äußeren Magnetfeld nicht beliebig ausrichten, sondern nur entsprechend obiger Gleichung. Dies bedeutet, die Kraft Fz in dem inhomogenen Magnetfeld auf die
atomaren Dipole ist:
Fz = µz ·
eh̄ ∂B
∂B
=−
ml
∂z
2m ∂z
(4.36)
Dies bedeutet, die Ablenkung der Ag-Atome ist nicht kontinuierlich, sondern der Strahl
wird in in eine Zahl von Teilstrahlen aufgespalten, die dem Wert der magnetischen
Quantenzahl ml entspricht. Welchen Bahndrehimpuls besitzen aber die Elektronen der
Ag-Atome??
Die Elektronenkonfiguration der Silberatome ist:
Ag : 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6 4d10 5s1
D.h.: außer dem äußeren 5s-Elektron besitzt das Ag-Atom lediglich abgeschlossene
Schalen, die keinen Drehimpuls tragen (siehe Kap.(6)). Lediglich das 5s-Elektron ist
daher für den Ausgang des Stern-Gerlach-Experiments relevant. Der Drehimpuls der
s-Elektronen ist jedoch gemäß Schrödinger-Gleichung null, das 5s-Elektron trägt also kein magnetisches Dipolelement, also sollte auch keine Aufspaltung zu beobachten
sein. Mehr noch, eine Aufspaltung in 2 Teilstrahlen ist mit der Schrödinger-Gleichung
in keinem Fall vereinbar, denn danach sind die Bahndrehimpulse ganzzahlig (l =
0, 1, 2, ...(n − 1)), entsprechend muß sich stets eine Aufspaltung in eine ungerade Zahl
von Teilstrahlen ergeben, da es für die Ausrichtung der magnetischen Dipole stets
eine ungerade Zahl von Möglichkeiten gibt (gemäß der magnetischen Quantenzahl
ml = −l, −(l − 1), .. − 1, 0, 1, 2, l) bzw. gar keine bei l = 0.
Das Stern-Gerlach-Experiment hat neben anderen Experimenten zum Postulat eines
weiteren Dreimpulses des Elektrons geführt, der Eigendrehimpuls ŝ oder Spin ŝ
genannt wird. Bleibt man bei dem Konzept der gequantelten Drehimpulse, so ist klar,
dass der Spin ein halbzahliger“ Drehimpuls sein muss, für den es nur zwei Werte
”
gibt, sonst ist eine Deutung des Stern-Gerlach Experiments nicht möglich. In völliger
Analogie zum Bahndrehimpuls ˆl kann also der Spin ŝ über eine Eigenwertgleichung
eingeführt werden:
ŝ2 σ = h̄2 s(s + 1)σ
ŝz σ = ms h̄σ
(4.37)
(4.38)
Da die Spinquantenzahl s = 1/2 ist, vereinfachen sich die Gleichungen:
h̄2 1
+1 σ
ŝ σ =
2 2
1
ŝz σ = ± h̄σ
2
2
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(4.39)
(4.40)
53
Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
Mit Einführung des Spins ist eine widerspruchsfreie Erklärung des Stern-GerlachExperiments möglich, der halbzahlige Spin führt dazu, dass das mit dem Spin verknüpfte magnetische Moment nur genau zwei Möglichkeiten der Einstellung im magnetischen Feld hat und damit der Ag-Atomstrahl in zwei Teilstrahlen aufspaltet.
In obigen Gleichungen bezeichnet σ die Eigenfunktionen oder Zustandsfunktionen
des Spins analog zu den Eigenfunktionen des Elektrons im H-Atom (Kap.4.2). Sind mit
Einführung des Spin nunmehr alle Ergebnisse der Schrödinger-Gleichung ungültig??
Dies ist glücklicherweise nicht der Fall, es kommt lediglich eine weitere Dimension“
”
hinzu. Die vollständige Beschreibung der Elektronenzustände erfolgt nunmehr durch
vier Quantenzahlen:
• Hauptquantenzahl n = 1, 2, 3, ...
• Bahndrehimpulsquantenzahl l = 0, 1, 2, 3, ...., (n − 1)
• magnetische Quantenzahl ml = −l, −(l − 1), ..., −1, 0, 1, 2, ..., (l − 1), l
• Spin-Quantenzahl sz = ± 12
Auch die Wellen- oder Eigenfunktionen des Elektrons gemäß Schrödinger-Gleichung
bleiben gültig, die Eigenfunktionen des Spin werden einfach an die Wellenfunktionen
heran multipliziert“. Dies ist möglich, da der Spin keine Eigenschaft ist, die von den
”
Ortsvariablen x, y, z bzw. r, ϑ, ϕ abhängt. Im Klartext bedeutet dies, das Elektron läßt
sich nur in einem vierdimensionalen Raum beschreiben.
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5. Experimentelle Grundlagen der
Optischen Spektroskopie
Spektroskopische Verfahren in der Biophysik überdecken einen Frequenzbereich, der
etwa 13 Größenordnungen überstreicht, angefangen bei den Radiowellen mit Energien
im Bereich E ≈ 10−7 eV (Frequenz ν ≈ 100M hz) bis zu Energien im Bereich einiger
MeV (γ - Spektroskopie). Die entsprechenden Verfahren und die aus den Messverfahren
resultierenden Informationen sind in Abbildung (5.1) zusammengefaßt.
Abbildung 5.1.: Spektroskopische Messverfahren für die unterschiedlichen Spektralbereich und der zugehörige Informationsgehalt des Messverfahrens. Die
Energieeinheit kJmol−1 entspricht etwa 100eV (aus: Winter, Noll: Methoden der Biophysikalischen Chemie)
Die optische Spektroskopie deckt dabei nur einen sehr kleinen Energiebereich ab, aus
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Stand: WS 2006
Skript Biophysik für MT
ihr lassen sich im Wesentlichen Informationen über die elektronischen Zustände sowie
die Schwingungs- und Rotationszustände der Moleküle gewinnen. Die optische Spektroskopie kann in die in Abb. (5.2) wiedergegebenen experimentellen Verfahren unterteilt
werden. Grundlage praktisch aller spektroskopischen Untersuchungen im Bereich des
sichtbaren Lichts sind dispersive optische Elemente (Prismen und Gitter), die
eine Zerlegung des untersuchten Lichts entsprechend ihrer Wellenlänge bzw. Energie
bewirken.
Abbildung 5.2.: Einteilung der Optischen Spektroskopie. Man unterscheidet zwischen
Absorptions- Reflexions-, Streuungs- und Lunineszenz-Spektroskopie.
Jeder Spektroskopietyp lässt sich weiter entsprechend der physikalischen Fragestellung und der experimentellen Aufbauten unterteilen.
(aus: Schmidt: Optische Spektroskopie)
5.1. Monochromatoren
Monochromatoren sind die wesentlichen Bauelente eines jeden spektroskopischen Aufbaus. Je nachdem, ob ein Prisma oder eine Dispersionsgitter eingesetzt wird, unterscheidet man in Prismen- und Gittermonochromatoren, wobei aufgrund ihrer Vorteile
(siehe Text) heutzutage fast ausschließlich Gittermonochromatoren eingesetzt werden.
Prismen
Bei symmetrischem Durchgang eines Lichtstrahls durch ein Prisma (Abb.(5.3)) ergibt
sich ein minimaler Ablekwinkel ηmin von:
ηmin = α − 2β
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Der Zusammenhang des Ablenkwinkel η mit dem Brechungsindex n lautet (ohne Beweis):
α
α − ηmin
= n (λ) sin
sin
2
2
Die Winkeldispersion dδ/dλ ergibt sich zu:
dδ
B dn
=−
dλ
H dλ
Da der Brechungsindex n in der Regel keine lineare Funktion der Wellenlänge ist (vergl.
Abb.(5.3)), folgt aus obiger Gleichung, dass das Auflösungsvermögen des Prismas sich
mit der Wellenlänge ändert, was ein erheblicher Nachteil ist.
Abbildung 5.3.: Links: Strahlablenkung η eines Prismas bei symmetrischem Strahlengang. Rechts: Brechungsindex n verschiedener optischer Medien als
Funktion der Wellenlänge. n entspricht dem Verhältnis der VakuumLichtgeschwindigkeit c0 zur Lichtgeschwindigkeit im Medium cn =
0
cn (λ), d.h.: n (λ) = cnc(λ)
(aus: Schmidt: Optische Spektroskopie)
Dispersionsgitter
Tritt ein paralleles monochromatisches Lichtbündel auf zwei Spalte, deren Abstand und
Breite mir der Lichtwellenlänge vergleichbar ist, so treten Interferenzerscheinungen auf.
Nach Huygens gehen von beiden Spalten wiederum Kugelwellen aus, die im Raum miteinander interferieren (Huygen’sches Prinzip). Die Richtung der Interferenzmaxima
ergibt sich dort, wo sich der Gangunterschied homologer Strahlen beider Spalte gerade
um eine Wellenlänge bzw. einem Vielfachen m der Wellenlänge unterscheidet (siehe
Abb. (5.4)):
mλ
sin (β) − sin () =
a
mλ
β = arcsin ±
+ sin ()
a
Das positive Vorzeichen in obiger Gleichung bezieht sich auf Transmissionsgitter,
das negative auf Reflexionsgitter. Die Auflösung eines Gitters R = dλ/λ, also die
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Abbildung 5.4.: Interferenz an zwei Spalten mit dem Abstand a. Die Wellenberge der Kugelwellen, die von zwei homologen Stellen beider Spalte
ausgehen, addieren sich gerade dann, wenn die Phasenverschiebung
a (sin (β) − sin ()) beider Teilwellen einem ganzahligen Vielfachen m
der Wellenlänge entspricht. (aus: Schmidt: Optische Spektroskopie)
Fähigkeit, zwei eng benachbarte Spektrallinien noch zu trennen ist direkt proportional
der Beugungsordnung m und der Gesamtzahl der Gitterlinien N:
dλ
=m·N
R=
λ
Der Zusammenhang zwischen der Zahl der Gitterlinien N und dem Auflösungsvermögen
ist in Abb.(5.5) wiedergegeben. Heutige Dispersionsgitter haben Gitterlinien von einigen Hundert je Millimeter.
Abbildung 5.5.: Relative Streuintensität eines Gitter mit 2 bis 100 Spalten in einem
festen Abstand a bei gegebenen Einfallswinkel = 0 als Funktion des
Streuwinkels. (aus: Schmidt: Optische Spektroskopie)
Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Strahlengänge und damit Bauformen bei
Monochromatoren. Der prinzipielle Aufbau ist jedoch stets gleich und soll an der wohl
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gängisten Anordnung, derjenigen nach Czerny-Turner, erläutert werden (Abb.(5.6)).
Die Wesentlichen Bauelemente eines Monochromators sind:
• Eintritts- und Austrittsspalt;
• Abbildende optische Elemente (Linsen oder Spiegel), die den Eintrittsspalt auf
den Austrittsspalt abbilden;
• dispersives Element (Gitter oder Prisma).
Abbildung 5.6.: Die wohl verbreiteste Monochromator-Anordnung nach Czerny-Turner
benutzt ein ebenes Reflexionsgitter mit mechanischer Sinuskorrektur.
Als optische Elemente zur Abbildung des Eintrittsspalt E auf den Austrittsspalt A kommen Hohlspiegel zum Einsatz. (aus: Schmidt: Optische
Spektroskopie)
Der Eintrittsspalt stellt die Lichtquelle dar, die auf den Austrittsspalt abgebildet
wird. Die Breite des Austrittsspaltes ist entsprechend der linearen Dispersion des
Monochromators und der gewünschten spektralen Auflösung der Messung einzustellen. Die Lineare Dispersion gibt an, wie breit die Abbildung eines betrachteten Wellenlängenintervalls ∆λ in der Ebene des Austrittsspaltes ist. Die lineare Dispersion
eines Monochromators hängt natürlich von der Dispersion des Gitters, also der Zahl n
der Gitterlinien je mm ab (n = 1/a, a : Abstand der Gitterlinien), der Brennweite f
der Abbildung innerhalb des Monochromators und der Beugungsordnung m ab:
∆λ
cos (β)
=
∆x
m·n·f
Die (eigentlich dimensionslose) lineare Dispersion eines Monochromators wird in aller
Regel in nm je mm Spaltbreite“ angegeben. Für einen gängigen Monochromatortyp
”
mit einer Gitterkonstanten n = 1000/mm und einer Brennweite f = 0, 3 m ergibt sich
für die erste Beugungsordnung und cos (β) = 1:
∆λ
1
nm
=
= 3.3 · 10−6 = 3.3
−1
∆x
1 · 1000 mm · 300 mm
mm
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d.h. ein Wellenlängenintervall von 3.3 nm würde in der Ebene des Austrittsspalts auf
eine Breite von einem Millimeter abgebildet werden. Bei einer eingestellten Breite
des Austrittsspalts von 1 mm würde man also das entsprechende Spektrum mit einer Auflösung von 3.3 nm aufnehmen. Wollte man die spektrale Auflösung erhöhen,
müßte die Breite des Austrittsspalts verringert werden. Dies geht natürlich zu Lasten
der detektierbaren Intensität des Lichtes. In der Regel wird die Breite des Eintrittsund Austrittsspalt gleich gewählt.
Eine Ausnahme von dem erwähnten Aufbau eines Monochromators bilden die sogenannten Diodenzeilen-Spektrophotometer (optical multichannel analyzer) .
Diese besitzen keinen Austrittsspalt, vielmehr wird das dispergierte Spektrum mittels
einer Diodenzeile, bestehend aus ca. 1024 Einzeldioden, simultan detektiert. Damit
besteht die Möglichkeit, ganze Spektren mit hoher zeitlicher Auflösung zu messen.
5.2. Lichtquellen
Lichtquellen können grundsätzlich in zwei Klassen eingeteilt werden, entsprechend dem
Mechanismus der Lichterzeugung1 :
• Temperaturstrahler: Wird ein Körper erhitzt, so strahlt er elektromagnetische
Energie entsprechend dem Planck’schen Strahlungsgesetz ab. Glühlampen
sind typische Vertreter der Temperaturstrahler.
• Lumineszenzstrahler: Hierbei werden Atome elektronisch angeregt, beim Zurückfallen in den Grundzustand wird Strahlung emittiert. Zu dieser Klasse von Lichtquellen zählen Gasentladungslampen, Leuchtdioden und Laser.
Abbildung 5.7.: Spektren einiger in der Spektroskopie verwendeten Lichtquellen. (aus:
Schmidt: Optische Spektroskopie)
1
Eine Ausnahme bildet hier die sogenannte Synchrotronstrahlung
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Glühlampen zeichnen sich durch ein sehr glattes“ kontinuierliches Spektrum aus
”
(siehe Spektrum Halogen-Lampe in Abb.(5.7)). In der Regel bestehen sie aus einer
Wolframwendel, die elektrisch geheizt wird (Schmelztemperatur Wolfram: 3650 K).
Durch die hohe Temperatur der Wendel kommt es zum partiellen Verdampfen des
Wolframs, dass sich im Innern des Glaskolbens der Lampe niederschlägt und zu einer
almählichen Schwärzung des Glaskolbens führt. Die Füllung des Glaskolbens mit einem
Edelgases (Ar, Kr, Xe) verlangsamt diesen Prozess. Durch Zusatz eines Halogens kann
dieser Prozess noch weiter reduziert werden: die abgedampften Wolframatome werden
durch die Halogenatome (meißt Brom) gebunden, die entstehende Verbindung setzt
sich auf der Wendel ab, wo sie wiederum dissoziiert.
Gasentladungslampen basieren auf dem Prinzip der Stoßionisation. Herrscht in einem
Volumen eines Edelgases, das Spuren von z.B. Quecksilber- oder Xenondampf enthält
ein hohes elektrisches Feld, so werden die stets vorhandenen freien Elektronen auf
Energien beschleunigt, die ausreicht, die Edelgasatome zu ionisieren. Die anschließende Rekombination führt zu angeregten Zuständen der Edelgasatome, die ihre Energie
z.B. durch Stöße mit den Hg-Atomen ihre Energie übertragen können. Die angeregten
Hg-Atome wiederum kehren durch Emission von Licht in den Grundzustand zurück.
Die spektrale Charakteristik des emittierten Lichts hängt ganz wesentlich vom Partialdruck des Quecksilbers oder Xenons in der Lampe ab. Niederdrucklampen mit einem
Hg-Partialdruck von etwa 102 Pa emittieren im Wesentlichen eine Emissionslinie bei
253.7 emittiert. Mit zunehmenden Partialdruck des Quecksilbers nimmt die Zahl der
emitierten Linien und vor allem deren Breite zu. Bei Hochdrucklampen mit einem Partialdruck von etwa 3 · 106 Pa besteht das emittierte Spektrum aus sehr breiten sich
überlappenden Banden die vom ultravioletten Spektralbereich bis ins nahe Infrarot
reichen (siehe Xe-Lampe, Hg-Lampe in Abb.(5.7)).
Der Umstand, dass die Spektren der in der Spektroskopie verwendeten Lichtquellen
oftmals eine sehr komplexe Struktur aufweisen führt dazu, dass gemessene Spektren,
insbesondere Anregungsspektren stets hinsichtlich des Spektrums der Anregungslichtquelle korrigiert werden müssen.
5.3. Detektoren
Nahezu alle Detektoren in der Spektroskopie basieren auf dem Photoeffekt, wobei man
oftmals zwischen äußerem und inneren Photeffektunterscheidet. Als äußeren Photoeffekt bezeichnet man das Freisetzen von Elektronen aus einem Metall durch die
Einwirkung von Photonen (Photozelle, Photomultiplier). Als inneren Photoeffekt bezeichnet man die Ionisation oder Anregung (z.B. in Festkörpern) von Atomen durch die
Absorption von Photonen (Photodiode, Photowiderstand,etc). In beiden Fällen muß
die Photonenenergie ausreichend hoch sein, um die notwendige Austrittsarbeit oder
Bindungsenergie bzw. Anregungsenergie aufzubringen um freie Ladungsträger zu ezeugen. Nicht auf dem Photoeffekt basieren lediglich thermische Detektoren (Bolometer)
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und chemische Detektoren (photografische Emulsion), die jedoch in der Spektroskopie
nur eine untergeordnete Rolle spielen. Einen Überblick über verfügbare Detekoren gibt
die Abb.(5.8).
Abbildung 5.8.: Klassifizierung in der Spektroskopie verwendeter Detektoren. (aus:
Schmidt: Optische Spektroskopie)
Abbildung 5.9.: Links: Aufbau eines Photomultipliers. Rechts: Spektrale Empfindlichkeit verschiedener Photomultiplier-Kathoden. Die Bezeichnungen
S1“, S10“ etc. sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Kathoden”legierungen
”
(aus: Schmidt: Optische Spektroskopie)
Der wohl am häufigsten eingesetzte Detektortyp ist der Photomultiplier (Abb.(5.9)).
Sein wesentliches Bauelement ist eine dünne Photokathode, die aus einer Alkalimetallegierung besteht, da diese Legierungen eine besonders geringe Austrittsarbeit besitzen.
Treffen Photonen auf die Photokathode, so werden Elektronen ausgelöst, die im elektrischen Feld zur Anode beschleunigt werden. Damit ist ein Photostrom messbar. Um die-
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sen Photostrom zu verstärken, werden in einem Photomultiplier eine Reihe sogenannter
Dynoden mit steigenden Potenzial zwischen Kathode und Anode geschaltet. Die aus
der Kathode austretenden Elektronen schlagen auf ihrem Weg von Dynode zu Dynode
eine große Zahl weiterer Sekundär- und Tertiärelektronen aus den Dynoden heraus, so
dass es zu einer Vervielfachung der auf die Anode treffenden Elektronen kommt. Der
Verstärkungsfaktor eines Photomultiplier beträgt etwa 106 − 107 , sie gehören damit
zu den empfindlichsten Detektoren überhaupt. Wie der Abb.(5.9) zu entnehmen ist,
ist die spektrale Empfindlichkeit eines Photomultiplier eine Funktion der Wellenlänge.
Dies bedeutet, dass gemessene Emissionsspektren in der Regel hinsichtlich der Empfindlichkeit des benutzten Detektors korrigiert werden müssen.
5.4. Lambert-Beer’sches Gesetz
Ein häufig in der Medizintechnik angewendetes Verfahren ist die Absorptionsspektrophotometrie, deren Aufgabe die quantitavie Bestimmung der Absorption einer
Probe in einem gegebenen Wellenlängenbereich ist. Grundlage hierfür ist die Messung
des Transmissionsvermögens (Abb. (5.10)). Die quantitative Beschreibung erfolgt durch
das Lambert-Beer-Gesetz, das in völliger Analogie zum Schwächungsgesetz im Falle
hochenergetischen Photonenstrahlung abgeleitet wird.
Abbildung 5.10.: Zur Ableitung des Lambert-Beer’schen Gesetzes: von links kommend
trifft ein kollimiertes Lichtbündel der Intensität I auf einen Absorber
der Dicke ∆x.
Trifft ein kollimiertes Lichtbündel der Intensität I auf eine Probe der Dicke dx, so
wird die Intensität um den Beitrag dI vermindert. Der absolute Wert, um den die ursprüngliche Intensität I geschwächt wird, ist einerseits proportional zur ursprünglichen
Intensität I, andererseits proportional zur Schichtdicke dx:
−dI ∝ I · dx
Mit Einführen der Proportionalitätskonstanten α (λ), die Absorptionskoeffizient genannt wird, erhält man die Gleichung:
−dI = α (λ) Idx
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Integration über die gesamte Probendicke x liefert das Lambert-Beer-Gesetz:
I = I0 e−α(λ)x = I0 e−(λ)·c·x
Da der Absorptionskoeffizient α wiederum proportional zur Konzentration c der Substanz in der Lösung ist, wir im Allgmemeinen der Extinktionskoeffizienz (λ) eingeführt, für den gilt: α (λ) = (λ) · c
5.5. Anwendung in der Medizintechnik: Pulsoximetrie
Ein in der Medizintechnik sehr verbreitetes Messverfahren, das auf spektroskopischen
Methoden beruht, ist die Oximetrie bzw. die Pulsoximetrie . Ziel dieser Verfahren ist die Bestimmung des Sauerstoffgehalts des Blutes. Die Methode basiert auf
der Tatsache, dass die Absorptionsspektren von Hämoglobin im Sauerstoff-freien und
Sauerstoff-beladenen Zustand deutliche Unterschiede sowohl im roten als auch im infraroten Spektralbereich zeigen (Abb. (5.11)). Geringere Unterschiede zeigen sich auch
im gelb-grünen Spektralbereich bei etwa 550 nm.
Abbildung 5.11.: Absorptionsspektrum von Hämoglobin im Sauerstoff-freien (1) und
Sauerstoff-beladenen Zustand (2). Das artierielle, sauerstoff beladene
Blut ist hellrot, wie aus der 10-fach geringeren Absorption im roten
Spektralbereich ersichtlich ist. (aus: Schmidt: Optische Spektroskopie)
Ein sehr empfindliches Verfahren zur Bestimmung des Hämoglobin-Sauerstoffgehalts,
das auch nicht-invasiv z.B. am Ohrläppchen oder an der Fingerkuppe angewendet werden kann, ist die sogenannte Zwei-Wellenlängen-Spektrophotometrie. Problem
bei Messungen des Sauerstoffgehalts des Hämoglobins ist die Tatsache, dass bei einer
stark absorbierenden Probe kleine Änderungen der Absorption mit hoher Empfindlichkeit nachgewiesen werden müssen. Dies gelingt mit dem in Abb.(5.12) dargestellten Zwei-Wellenlängen-Spektrophotometer in Verbindung mit einer phasenempfindlichen Verstärkung (Lock-In-Verfahren) .
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Abbildung 5.12.: Aufbau
eines
Zwei-Wellenlängen-Spektrophotometers.
Zwei
Lichtbündel unterschiedlicher Wellenlängen λ1 und λ2 treffen
zeitlich versetzt und periodisch auf die zu untersuchende Probe.
Die Selektion der Wellenlänge erfolgt in der Regel einfach mittels
Intereferenzfilter. Die zeitliche Abfolge der Lichtbündel unterschiedlicher Wellenlänge, die auf die Probe treffen wird mit Hilfe eines
beweglichen Spiegels realisiert ( Vibrationsspiegel“, Modulations”
frequenz etwa 100 Hz). Der Photomultiplier
detektiert in zeitlicher
Abfolge die Signale I (λ1 ) , I (λ2 ) , I (λ1 ) , I (λ2 ) , I (λ1 ) , I (λ2 ) , ... Das
Signal des Photomultipliers wird mit Hilfe eines Lock-In Verstärkers
verarbeitet (Abb.(5.13)) und liefert als Ausgangsssignal die Differenz
der Signale (I (λ1 ) − I (λ2 )). Mit diesem Aufbau lassen sich Absorbtionsänderungen ∆A im Bereich von ∆A = 0.0001 registrieren. (aus:
Schmidt: Optische Spektroskopie)
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Abbildung 5.13.: Funktionsprinzip des Lock-In-Verstärkers: Zeitlich periodisch aufeinanderfolgende Signale bei den Wellenlängen λ1 und λ2 werden unterschiedlich von der Probe geschwächt und erzeugen das oben dargestellte Signal. Die Gleichrichtung und Integration des Signals hängt
von der Phasenlage des Messignals und des Referenzsignals ab. Bei
der Phaseneinstellung 0◦ (mittlere Darstellung) ergibt sich ein DCSignal, das gerade der Differenz (I (λ1 ) − I (λ2 ) entspricht. Bei einer
Phasenverschiebung des Referenzssignals gegenüber dem Messignal
von 90◦ verschwindet das DC-Ausgangssignal. Signale, die mit einer
anderen Frequenz als der Frequenz des Referenzsignals am Eingang
anliegen werden automatisch unterdrückt. (aus: Schmidt: Optische Spektroskopie)
Abbildung 5.14.: Kinetik der Sauerstoffsättigung als Funktion der Atemtätigkeit
gemessen mit einem Zwei-Wellenlängen-Spektrophotometer gemäß
Abb.(5.12) an einem menschlichen Ohr. Verwendete Wellenlängen:
550 nm und 574 nm (siehe Abb.(5.11))(aus: Schmidt: Optische Spektroskopie)
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66
6. Molekülphysik (work in progress)
6.1. Pauli-Prinzip und chemische Bindung
6.2. Mehrelektronensysteme - LS-Kopplung (work in
progress)
6.3. Hund’sche Regeln
6.4. Franck-Condon-Prinzip
67
7. Molekülspektroskopie (work in
progress)
7.1. Chromophore
68
8. Nuklearmagnetische Resonanz
(work in progress)
69
A. Anhang
A.1. Kugelkoordinaten
Neben den kartesischen Koordinaten sind Kugelkoordinaten in der Physik von besonderer Bedeutung. Grund hierfür ist die Tatsache, dass viele Probleme in der Physik
kugelsymmetrisch sind. Bestes Beispiel ist das Coulomb-Potential einer Punktladung.
Die Transformation zwischen kartesischen Koordinaten und Kugelkoordinaten lautet:
x = r · cos (ϕ) · sin (ϑ)
y = r · sin (ϕ) · sin (ϑ)
z = r · cos (ϑ)
entsprechend die Umkehrtransformation:
p
r = x2 + y 2 + z 2
y
ϕ = arctan
x
!
p
x2 + y 2
ϑ = arctan
z
Abbildung A.1.: Zusammenhang zwischen kartesischen und Kugelkoordianaten
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Skript Biophysik für MT
Der Differentialoperator Gradient in Kugelkoordinaten
Sei φ (~r) = φ (r, ϕ, ϑ) ein in Kugelkoordinaten gegebenes skalares Feld. Dann gilt für
den Gradienten des Feldes bezüglich der Koordinaten r, ϕ, ϑ:
∂φ
∂r
1 ∂φ
∇ϕ φ =
r ∂ϕ
∂φ
1
∇ϑ φ =
r sin (ϑ) ∂ϑ
∇r φ =
Der Index am Symbol des Gradienten soll darauf hinweisen, bezüglich welcher Koordinaten die Ableitung zu bilden ist.
Beispiel:
Betrachte das Coulomb-Potential:
e2 1
4π0 r
p
Darin bedeutet r der Betrag des Ortsvektors: r = x2 + y 2 + z 2 d.h.:
φ (r) = −
e2
1
p
φ (r) = −
2
4π0 x + y 2 + z 2
Es wäre zwar möglich aber sehr umständlich die Ableitung des Coulomb-Potenzials in
kartesischen Koordinaten zu berechnen. Die Berechnung des Gradienten in Kugelkoordinaten dagen ist sehr einfach. Da das Coulomb-Potenzial nicht von den Winkelkoordianten ϑ und ϕ abhängt, verschwinden die Ableitungen nach diesen Variablen:
∇ϕ φ(r) = 0
∇ϑ φ(r) = 0
Die Ableitung nach der Variablen r ist sehr leicht auszuführen:
∇r φ =
e2 1
4π0 r2
Der Gradient des Coulomb-Potenzials ist damit ein Vektor, der in radialer Richtung r
zeigt und mit dem Quadrat des Abstandes abnimmt (Coulomb-Kraft).
Der Laplace-Operator in Kugelkoordinaten
Der Laplace-Operator ∆, der in kartesischen Koordinaten die Form:
∆=
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∂2
∂2
∂2
+
+
∂x2 ∂y 2 ∂z 2
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hat, hat in Kugelkoordinaten die folgende Form:
Sei φ (~r) = φ (r, ϕ, ϑ) ein in Kugelkoordinaten gegebenes skalares Feld. Dann gilt für
den Laplace-Operator des Feldes φ (ohne Beweis):
1
∂
∂φ
1
∂2φ
1 ∂
2 ∂φ
r
+ 2
sin (ϑ)
+ 2 2
∆φ (r, ϑ, ϕ) = 2
r ∂r
∂r
r sin (ϑ) ∂ϑ
∂ϑ
r sin (ϑ) ∂ϕ2
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