Prof. U. Stephan TFH Berlin, FB II Studiengang BAU – 2. Fachsemester LV „Mathematik“ Seilreibung Seite 1 von 5 LV „Mathematik/Numerik“ im Studiengang Bauingenieurwesen Herleitung der Differentialgleichung der Seilreibung Dieses Dokument wurde mit OpenOffice erstellt Vorab stellen wir einige Grundbegriffe bereit:: ● Berührt ein Körper einen anderen Körper und bewegt sich relativ zu diesem Körper, so sprechen wir von Reibung. Die Reibung ist eine Kraft, die der Bewegungsrichtung entgegen wirkt, die Bewegung also behindert. ● Für einen festen Körper, der mit flächenhaftem Kontakt auf einer Ebene ruht, lassen sich die beteiligten Kräfte wie folgt darstellen: G F An A Ar ● Die beteiligten Kräfte sind = Gewichtskraft des Körpers, G = eine äußere Kraft, die auf den Körper einwirkt, F A = die Auflagerkraft. Wenn sich der Körper nicht bewegt, sind alle Kräfte im Gleichgewicht, ist die Summe der drei G Kräfte gleich Null: F A=0 A wird zerlegt in Komponenten An (normal, d. h. senkrecht zur möglichen r (die Reibungskraft, die der äußeren Kraft entgegenwirkt). Bewegungsrichtung) und A Der Vektor =− Ar und G=− F An ● Wenn sich der Körper nicht bewegt, gilt: ● Experimente zeigen, dass die Reibungskraft auch proportional zu ● An ist. Dabei muss man aber zwei Fälle unterscheiden: Sei F bzw. Ar , max die maximale Kraft, bei der sich der Körper noch nicht bewegt. Dann wird der entsprechende Proportionalitätsfaktor 0 definiert durch Ar , max =0⋅An ● , also Ar proportional zur Gewichtskraft G 0 heißt Haftreibungskoeffizient. Hat man mit der Kraft F den Wert für Ar,max überschritten, so gleitet der Körper leichter, man braucht eine geringere Kraft, um ihn (trotz Reibung) mit konstanter Geschwindigkeit am Gleiten zu halten. Die Kraft, die für dieses Gleiten mit konstanter Geschwindigkeit benötigt wird, sei Ar , G . Auch diese Kraft ist proportional zur , der entsprechende Proportionalitätsfaktor wird definiert Gewichtskraft G durch Ar , G=⋅An heißt Gleitreibungskoeffizient. Prof. U. Stephan TFH Berlin, FB II ● Studiengang BAU – 2. Fachsemester LV „Mathematik“ Die Auflagerkraft zur Senkrechten: A mit Ar = Ar , max steht in einem gewissen Winkel (klein-rho) Es gilt An Seilreibung Seite 2 von 5 tan = Ar , max = 0 An A Ar , max ● Ar = Ar , max , die aus äußeren Kräften F (parallel zur Ebene) resultieren, so beschreiben die möglichen A einen Kegel, dessen Winkel zwischen einer Mantellinie und der Achse gleich ist: Betrachtet man im 3-dimensionalen Raum alle Auflagerkräfte A mit Dieser Kegel heißt Reibungskegel. Solange alle äußeren Kräfte so groß sind, dass die daraus resultierenden Auflagerkräfte sich innerhalb des Reibungskegels befinden, wird der Körper nicht bewegt. ● Wir brauchen auch ein wenig Mathematik. Sobald Differentialrechnung mit trigonometrischen Funktion (sin, cos, tan) betrieben wird, müssen Winkel im Bogenmaß gemessen werden. Der Winkel gemessen in ° wird üblicherweise mit kleinen griechischen Buchstaben bezeichnet. Wird im Bogenmaß gemessen, wird der Winkel üblicherweise mit x bezeichnet (Ausnahmen bestätigen die Regel). Das Bogenmaß ist die Länge des Bogens auf dem Einheitskreis (Kreis mit Radius 1). 1 x s r Auf dem Einheitskreis hat der Bogen, der zum Winkel x gehört, die Länge x (so ist das Bogenmaß nun einmal definiert). In einem Kreis mit Radius r hat der Bogen, der zum Winkel x gehört, dann die Länge s=r⋅x (dies folgt aus der Ähnlichkeit der beiden Kreissegmente). Prof. U. Stephan TFH Berlin, FB II ● Studiengang BAU – 2. Fachsemester LV „Mathematik“ Seilreibung Seite 3 von 5 Wir brauchen auch Grenzwerte von Ausdrücken mit trigonometrischen Funktionen. Dazu betrachten wir folgende Figur: E C 1 x A B D Der eingezeichnete Kreisbogen sei ein Teil des Einheitskreises. Damit folgt: ● ● ● ● AC haben die Länge 1. Der Bogen x ist ein (Bogen-) Maß für den Winkel BAC . l AB=cos x , l BC =sin x , l DE =tan x Die Strecken AD und Für die Flächen einiger Teilfiguren gilt Fläche(Dreieck ABC) < Fläche(Kreissegment ADC) < Fläche(Dreieck ADE) 1 ⋅sinx⋅cos x < 2 → 1 ⋅x⋅1 < 2 1 ⋅1⋅tan x 2 (Zur Fläche des Kreissegments: der komplette Kreis hat einen Umfang von und eine Fläche von . Für die Fläche F des Kreissegments gilt dann F: = x : 2 , also F= x . Das Kreissegment lässt sich für die 2 Flächenberechnung als Dreieck mit Grundseite x und Höhe 1 auffassen.). sin x cos x x 1 cos x sin x cos x 1 sin x cos x cos x x sinx⋅cos x x → → → Mit lim cos x=1 folgt lim sin x =1 x 0 x x 0 → lim x 0 tan x sin x 1 =lim ⋅ =1 x x cos x x 0 | | : sin x Kehrwerte nehmen 2 Prof. U. Stephan TFH Berlin, FB II Studiengang BAU – 2. Fachsemester LV „Mathematik“ Seilreibung Seite 4 von 5 Wir betrachten jetzt eine feste (nicht drehende) Rolle, um die ein Seil geführt wird. Der Teil der Rolle, in dem Seil und Rolle Kontakt haben, werde durch den Winkel beschrieben. F 2 F 1 An den Enden des Seil wirken Kräfte Reibungskraft F R auf das Seil wirkt. Wir betrachten einen Ausschnitt = Sei F 1 und F 2 . Es ergibt sich die Frage, welche des Winkels (den wir übergroß darstellen): . 2 FR FN F F F folgende Kräfte (schwarz gezeichnet): An den Enden des Seilstücks wirken Kräfte der Größe F und F F . Die Rolle übt eine Auflagerkraft der Größe F N auf das Seil aus. Da sich das Seil auf der festen Rolle nicht bewegt, wirkt eine Haftreibungskraft F R Auf das System Seil-Rolle wirken im Bereich ● ● ● Zwischen Auflagerkraft und Haftreibungskraft gilt die Beziehung F R=0⋅ F N (1) Da sich das Seil nicht bewegt (Haftreibung), muss die Summe aller Kräfte gleich Null sein: Für vertikale Kräfte gilt: Für horizontale Kräfte gilt: also F N = F F ⋅sin F⋅sin =2F F ⋅sin F N F ⋅cos = F R F⋅cos , F R= F⋅cos (2) (3) Prof. U. Stephan TFH Berlin, FB II Studiengang BAU – 2. Fachsemester LV „Mathematik“ Seilreibung Seite 5 von 5 Einsetzen von (2) und (3) in (1) ergibt F⋅cos =0⋅2F F ⋅sin | : cos → F =0⋅ 2F F ⋅tan | : → F 0⋅2F F ⋅tan = | rechts erweitern mit F = → 1 2 F ⋅tan 2 F tan = 0⋅ F ⋅ 2 2 0⋅ F Wir betrachten jetzt den Grenzübergang: Für 0 gilt auch 0 , F 0 und Die Differentialgleichung der Seilreibung: tan 1 . Es folgt: dF =0⋅F d Diese DGl löst man durch Trennung der Variablen und erhält F =e 0⋅c =C⋅e 0⋅ Beispiel: Ein Hafenarbeiter habe ein Tau drei Mal um einen Poller geschlungen, um ein Schiff am Abdriften zu hindern. Seine Handkraft betrage 200 N (das entspricht der Gewichtskraft von 20 kg). Welche Kraft darf das Schiff auf das Tau maximal ausüben? ( 0=0,35 ). Lösung: Für den Winkel Für =0 folgt C=200 N . =6⋅ (wir müssen den Winkel im Bogenmaß rechnen!) folgt F 6⋅=200 N⋅e 0,35⋅6 ≈145 kN Dies entspricht einer Gewichtskraft von 14,5 to.