18/36-44/State_herzinsuff_fweb 11.10.2004 10:12 Uhr Seite 36 Herz insuffizienz © contrast Streng genommen ist die chronische Herzinsuffizienz keine eigenständige Krankheit, sondern bezeichnet ein sehr vielfältiges klinisches Zustandsbild, dem ganz verschiedene Ursachen zugrunde liegen können. Bereits nach Auftreten der ersten Symptome ist die Prognose schlecht. Von Brigitte Stanek* 36 österreichische ärztezeitung 5 10. märz 2004 18/36-44/State_herzinsuff_fweb 11.10.2004 10:12 Uhr Seite 37 DFP - Literaturstudium Alte und neue Paradigmen Die Diagnose “Herzinsuffizienz” wird in den letzten Jahren immer häufiger gestellt. Die Prognose ist bereits nach Auftreten der ersten Symptome schlecht. In der Framingham Studie erlebte nur jeder zweite Patient mit “leichter Herzinsuffizienz” das fünfte Jahr. Nimmt man diejenigen Länder als Referenz, die in der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie erfasst werden, sind – bei einer gemeinsamen Einwohnerzahl von 900 Millionen - zumindest zehn Millionen Menschen von dieser Krankheit betroffen. Dabei ist die chronische Herzinsuffizienz im strengen Sinn gar keine eigenständige “Krankheit”, sondern bezeichnet vielmehr ein sehr vielfältiges klinisches Zustandsbild, dem ganz verschiedene Ursachen zugrunde liegen können. Man hat die Herzinsuffizienz ursprünglich in erster Linie als ein Nachlassen der normalen Pumpfunktion aufgefasst und sie dementsprechend funktionell - hämodynamisch - definiert. Der venöse Rückstau vor der versagenden Herzkammer (“Rückwärtsversagen”) und der niedrige Auswurf dahinter (“Vorwärtsversagen”) galten als augenscheinliche klinische Korrelate für dieses ehemalige Paradigma. Vorwärtsversagen – Rückwärtsversagen Das Herz besteht aus zwei in Serie geschalteten Pumpen am Kreuzungspunkt von zwei Kreisläufen, sodass von einer Pumpschwäche im linken Ventrikel immer auch die adäquate Füllung des rechten Ventrikels (aus dem venösen Reservoir) betroffen ist. Dadurch kommt es gleichzeitig zum Vorwärtsversagen und zum Rückwärtsversagen. Geht umgekehrt die Pumpschwäche vom rechten Ventrikel aus (zum Beispiel in Folge eines Rechtsherzinfarkts) und wird weniger Blut in den Pulmonalkreislauf ausge- stoßen, kommt es schließlich auch zum Vorwärtsversagen des linken Ventrikels, der ja in seiner Auswurfleistung von der Ventrikelfüllung abhängt. Ein Grund für das Vorwärtsversagen des linken Ventrikels kann somit auch eine hypertrophe Cardiomyopathie sein, bei der das Cavum des linken Ventrikels – und somit seine Füllung - klein ist. (siehe auch unter Kommentar: Herzinsuffizienz bei “erhaltener systolischer Funktion” (Abb. 1 C) Hämodynamik-Konzepte, die sich auf das Vorwärts- und Rückwärtsversagen des linken beziehungsweise des rechten Ventrikels stützen, beschreiben die Phänomene der Herzinsuffizienz somit aus einer rein “mechanistischen” Perspektive. Therapeutische Ansätze, in dieses pathologische Zusammenspiel der abnormen Drucke und Volumina korrigierend einzugreifen, haben à la longue nicht den erwarteten Erfolg gebracht, da sie dem progredienten Krankheitsverlauf der Herzinsuffizienz nicht Einhalt gebieten konnten. Klinisches Bild “stromaufwärts” der Kapillardruck und - dem hydrostatischen Druck entsprechend - tritt Flüssigkeit ins Lungengewebe aus. Das erfordert eine erhöhte Atemarbeit, die aber nicht ohne Weiteres geleistet werden kann; es entsteht “Atemnot”. Diese wird auch durch eine Schwäche der auxiliären Atemmuskulatur mitbedingt. Der reduzierte Sauerstoffaustausch in den Alveolen trägt zwar zu dieser Dyspnoe bei, spielt aber nicht die Hauptrolle. Anders als bei der “pulmonalen” Atemnot wird die Dyspnoe bei der Herzinsuffizienz ärger, wenn sich der Patient niederlegt und das interstitielle Lungenödem durch die Lageveränderung zunimmt (“Orthopnoe”). Anfälle nächtlicher Atemnot nach einigen Stunden Schlaf können die Folge sein. Beim Rechtsherzversagen wiederum bilden sich Ödeme im großen Kreislauf, besonders in den Körperhöhlen. Renale Salz- und Wasserretention bringt in dieser Situation eine zusätzliche Steigerung des intravaskulären Volumens und des Venendrucks mit sich, wodurch der venöse Rückstau noch dramatischer ausfällt und den alten Ausdruck “Stauungsherzinsuffizienz” geprägt hat. Durch die Wirksamkeit moderner Diuretika, die sowohl die Vorlast als auch die Nachlast reduzieren, ist dieses Vollbild der Stauung allerdings heute selten geworden. Die gesamte klinische Symptomatik der Herzinsuffizienz trifft das Hämodynamik-Konzept schon deshalb nicht, weil es die Interaktion der zentralen (kardialen) Störungen mit der “Peripherie” nicht ausreichend berücksichtigt. Periphere VasokonInitial- und Erhaltungsdosen striktion ist jedoch ein der ACE-Hemmer bei Herzinsuffizienz Kardinalsymptom im natürlichen Verlauf der Initialdosis Erhaltungsdosis Herzinsuffizienz und Benazepril 2.5 mg 5-10 mg BID verursacht oft mehr BeCaptopril 6.25 mg TID 25 – 50 mg TID schwerden als die einEnalapril 2.5 mg 10 mg BID geschränkte Pumpkraft Lisinopril 2.5 mg 5 – 20 mg Quinapril 2.5 – 5 mg 5 – 10 mg per se. Noch dazu stellt Perindopril 2 mg 4 mg der hohe periphere WiRamipril 1.25 – 2.5 mg 2.5 – 5 mg BID derstand eine große BeCilacapril 0.5 mg 1 – 2.5 mg lastung für den geFosinopril 10 mg 20 mg schwächten linken VenTrandolapril 1 mg 4 mg trikel dar. Durch sein Tab. 1 Versagen erhöht sich österreichische ärztezeitung 18 25. september 2004 37 18/36-44/State_herzinsuff_fweb 11.10.2004 a 10:12 Uhr Seite 38 c b Hypertrophes Remodeling: exzentrisch (Abb. a und b) oder konzentrisch (Abb. c) Vielmehr führt eine effiziente Diuretikatherapie dazu, dass das Rückwärtsversagen durch ein Vorwärtsversagen “ersetzt” wird. In der englischen Terminologie wurde deshalb der Ausdruck “Congestive Heart Failure” verlassen und durch den mehr allgemeinen Ausdruck “Heart Failure” ersetzt. Die Symptome des Vorwärtsversagens “stromabwärts” sind weniger leicht zu durchschauen. Müdigkeit beziehungsweise leichte Erschöpfbarkeit sind nicht so sehr die unmittelbare Folge der schlechten Durchblutung, sondern vielmehr Ausdruck einer Myopathie der Skelettmuskulatur. Im Rahmen dieser Myopathie kommt es zur Muskelatrophie mit Veränderung der Myofibrillen und zum Verlust von Mitochondrien und oxidativen Enzymen. Das äußert sich unter anderem darin, dass es in der Herzinsuffizienz unter Belastung rascher zu einer Azidose kommt. Neurohumorale Reaktionen Der hämodynamische Einfluß der neurohumoralen Systeme (Noradrenalin, Angiotensin II, Aldosteron, Endothelin, Vasopressin, . . .) lässt sich am besten in Akusituationen erkennen. Sobald der Blutdruck fällt, kommt es zu peripherer Vasokonstriktion und schon nach einigen Stunden zu Volumenretention. Dadurch “soll” der periphere Druck gehalten werden. Was hier le- Abb. 1 bensrettend sein kann, wirkt sich jedoch bei Daueraktivierung deletär aus. Die erhöhte betaadrenerge Stimulierung beispielsweise stört die Calciumhomöostase des kardialen Myozyten. Es kommt zur Anhäufung von Calcium im Cytosol, zu Arrhythmien und möglicherweise zu schwerer Zellschädigung. Damit Hand in Hand gehen auch andere Störungen des Zellstoffwechsels wie zum Beispiel der Glykolyse, der eine besondere Rolle bei der diastolischen Dysfunktion zugeschrieben wird. Die größten Gefahren der neurohumoralen Systeme liegen jedoch in ihrem proliferativen Potenzial, was eine pathologische Hypertrophie der Myozyten bewirkt und einen allmählichen Umbau der Ventrikelarchitektur (“Remodeling”) nach sich zieht. Dieses hypertrophe Remodeling kann - je nach Wandspannung - exzentrisch (Abb. 1 a, b) oder konzentrisch sein. (Abb. 1 c). Bei der exzentrischen Hypertrophie nimmt die Muskellänge zu, in der konzentrischen die Dicke. Paradigmenwechsel 2000 Erst durch den gezielten Einsatz der “neurohumoralen Therapie” wurde die beweiskräftige Verbesserung der Prognose in der Herzinsuffizienz erzielt. Daraus ergab sich ein neues Paradigma, bei dem die morphologischen Eigenschaften der versagenden Herzkammer(n) beziehungsweise die mole- Betablocker – Initialdosis, Titration und Zieldosis bei Herzinsuffizienz Bisoprolol Metoprolol CR Carvedilol Initialdosis Titration Zieldosis 1.25 mg 12.5 – 25 mg 3.125 mg Steigerung auf 2.5, 3.75, 5, 7.5 mg Steigerung auf 25, 50, 100 mg Steigerung auf 6.25, 12.5, 25 mg 10 mg 200 mg 50 mg Tab. 2 38 kularen Mechanismen, die diese veränderte Struktur und Architektur der Ventrikel in der Herzinsuffizienz möglich machen, in den Mittelpunkt rückten. In diesem “modernen” Paradigma der Herzinsuffizienz spielen jetzt abnorme proliferative Reize im Myokard eine Schlüsselrolle. Man geht von der Hypothese aus, dass generelle Überstimulierung des Zellwachstums - mit gesteigerter Expression spezifischer Gene – wahrscheinlich auch Stimulierung des programmierten Zelltodes von Myokardzellen bedeutet. Mit der Zeit geht durch Nekrose und Apoptose Muskelmasse unwiederbringlich verloren. Das würde aber konsequenterweise zu einem vorzeitigen Verschleiß des Myokards führen. Gleichzeitig kommt es zur Expression fetaler Myozyten-Isoformen, die den Anforderungen der erhöhten Wandspannung nicht gewachsen sind. Auch Fibrosierung scheitert als weiterer “Reparaturversuch”; vielmehr versteift der Ventrikel, und seine Arrhythmieneigung nimmt zu. Das rasche Fortschreiten der Herzinsuffizienz könnte somit auf dem prämaturen Absterben von hochdifferenzierten Myokardzellen, die physiologisch nicht ersetzbar sind, beruhen. Diagnose Wenn bei einem Patienten unter “normaler” Anstrengung Atemnot auftritt oder er rasch ermüdet, oder wenn ein Knöchelödem besteht, können diese Symptome durchaus die erste klinische Manifestation einer chronischen Herzinsuffizienz sein. Wird in diesem Stadium bereits eine auf die mögliche Herzinsuffizienz gerichtete Therapie verabreicht, auf die der Patient gut anspricht, erhärtet sich natürlich der Verdacht einer kardialen Genese der Beschwerden. Beweisend ist diese “ex iuvantibus” Methode in der Herzinsuffizienz allerdings nicht. österreichische ärztezeitung 18 25. september 2004 18/36-44/State_herzinsuff_fweb 11.10.2004 Klinische Symptome wie bei Herzinsuffizienz können schließlich auch mit einer normalen kardialen Funktion einhergehen. Übergewicht, Lungen- und Nierenerkrankungen, Anämie, aber auch die Schwangerschaft können zu Atemnot führen, ohne dass eine Herzerkrankung vorliegt. Die Symptome der chronischen Herzinsuffizienz sind also nicht als spezifisch zu betrachten. Besteht eine Störung der Pumpfunktion? Welche Ursachen hat sie? Für die Diagnose ist unbedingt ein objektiver und quantitativer Nachweis einer Ventrikelfunktionsstörung unter Ruhebedingungen erforderlich. Dazu eignet sich unter den nichtinvasiven Methoden vorzüglich das Echokardiogramm. Auf diese Weise lässt sich rasch feststellen, ob die Pumpfunktion erhalten oder eingeschränkt ist. Gleichzeitig werden die Ventrikelarchitektur, die Ventrikelwände, die Herzklappen und vor allem die kardialen Füllungsbedingungen beurteilt. Damit lässt sich das dilatative vom konzentrischen Remodeling “mit einem Blick” unterscheiden. Als Korrelat für die systolische Dysfunktion des linken Ventrikels wird dann traditionell die Auswurffraktion herangezogen. Die Isotopenventrikulographie oder die Magnetresonanz bieten weitere diagnostische Informationen. An den objektiven Nachweis der Ventrikelfunktionsstörung schließt sich unmittelbar die fachspezifische Suche nach den Ursachen (ischämische oder nichtischämische Ätiologie) an. Die invasive Abklärung (Koronarangiographie, Rechtsherzkatheter) bleibt dabei be- 10:12 Uhr Seite 40 sonderen Situationen überlassen. Diese betreffen Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz oder Patienten mit plötzlichen Schüben akuter Dekompensation nach einer längeren stabilen Phase. Diesen spezifischen Diagnoseschritten soll eine vollständige internistische Untersuchung vorangehen beziehungsweise diese begleiten. Ein normales EKG schließt eine systolische Dysfunktion oft, aber nicht immer aus. Das Lungenröntgen hat natürlich seinen Stellenwert, um eine Herzvergrößerung oder ein Lungenödem festzustellen, weniger jedoch für die Diagnose “Herzinsuffizienz”. Ist ein Patient, der noch keine Therapie erhält, am Ergometer normal belastbar, ist eine chronische Herzinsuffizienz zumindest unwahrscheinlich. Die Spiroergometrie kann prognostische Hinweise liefern, die Lungenfunktion pulmonale Ursachen der Atemnot ausschließen. Das Labor soll ein komplettes Blutbild, Serumglukose, Elektrolyte, Nieren- und Leberparameter sowie eine Harnanalyse beinhalten. Bei akuter Verschlechterung sollen auch Myokardenzyme bestimmt werden. Falls verfügbar, ist die Bestimmung der kardialen natriuretischen Peptide BNP oder proBNP im Plasma sehr zu empfehlen. Sie bieten einen hohen negativen Aussagewert, insbesondere bei noch unbehandelten Patienten (“Screening”) Auslösende Faktoren? Weiters sind mögliche “auslösende Faktoren” zu berücksichtigen beziehungsweise Begleiterkrankungen zu eruieren. Bestehen beispielsweise eine koronare Herzkrankheit und eine ischämische CardiomyoTagesdosen der Angiotensinpathie, so können trotzAntagonisten in der Herzinsuffizienz dem die vorliegenden “typischen” Zeichen der Losartan 50 – 100 mg Herzinsuffizienz (LunValsartan 80 – 320 mg genödem, Schock) AusIrbesartan 150 – 300 mg druck der myokardialen Candesartan 4 – 16 mg Ischämie - also einer poTelmisartan 40 – 80 mg tentiell reversiblen Eprosartan 400 – 800 mg Störung - sein. Diese ist Tab. 3 dann in der Therapie 40 natürlich vorrangig anzugehen. Dasselbe gilt für tachykarde und bradykarde Rhythmusstörungen im Rahmen der chronischen Herzinsuffizienz, die durch ein 24 Stunden-EKG ohne viel Aufwand festgestellt werden können. Klinischer Schweregrad ? Eine Ventrikelfunktionsstörung kann durchaus bereits fortgeschritten sein, ohne dass die Intensität der Symptome dies widerspiegeln würde. Trotzdem wird der “Schweregrad” der chronischen Herzinsuffizienz nach wie vor nach den Symptomen (Dyspnoe, Müdigkeit unter Belastung/Ruhe) bestimmt. Daraus ergibt sich die Klassifizierung als “leicht” (NYHA II), “mäßig” (NYHA III) oder “schwer” (NYHA IV). “First-line” Drugs: ACE-Hemmer und Beta-Blocker Die eigentlichen Behandlungsziele bei der Herzinsuffizienz sind sehr weit gefasst. Sie reichen von der Prävention ihrer Entstehung – durch energische Behandlung der Krankheiten, die zur einer chronischen Herzinsuffizienz führen können (koronare Herzkrankheit, Hypertonie) – und der Prävention ihres Fortschreitens (Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität) bis hin zur Lebensverlängerung. Wie bei allen chronischen Kreislauferkrankungen steht die orale medikamentöse Therapie - begleitet von nichtpharmakologischen Maßnahmen im Sinne der Rehabilitation - im Mittelpunkt. Die “first-line” drugs in der systolischen Dysfunktion (Auswurffraktion <40-45 Prozent - gleichgültig, ob Symptome vorliegen oder nicht - sind ACEHemmer. Nur wenn Ödeme bestehen, werden gleichzeitig Diuretika verabreicht. Die angestrebte Dosis der ACEHemmer richtet sich nicht nach den Symptomen, sondern nach der Evidenz in den Mortalitätsstudien (siehe Tab. 1). Als unerwünschte Begleiterscheinungen sind Hypotonie, Synkope, Niereninsuffizienz, Hyperkaliämie und Angioödem möglich, zwingen aber – mit Ausnahme des Angioödems - nur selten dazu, auf diese Therapie ganz österreichische ärztezeitung 18 25. september 2004 18/36-44/State_herzinsuff_fweb 11.10.2004 zu verzichten. Es gibt jedoch eine Risikogruppe, bei der man den Start der ACE-Hemmer Therapie einem Spezialzentrum überlassen sollte. Das sind diejenigen Patienten, bei denen die Ätiologie der Herzinsuffizienz unbekannt ist: • Systolischer Blutdruck < 100 mmHg • Serum Kreatinin > 150 micromol/l • Serm Natrium < 135 mmol/l • Schwere Herzinsuffizienz • Herzinsuffizienz basierend auf einem Vitium Bei den anderen Patienten geht man wie folgt vor: Zunächst stellt man fest, ob der Patient unter Diuretika steht. Exzessive Diuretikabehandlung vor ACE-Hemmung ist ungünstig. In diesem Fall muss die Behandlung mit Diuretika zuerst gedrosselt werden. Wenn möglich, sollte man 24 Stunden vor der ersten Gabe eines ACE-Hemmers keine Diuretika mehr verabreichen. Kann man mit dem ACE-Hemmer abends im Liegen beginnen, scheint (empirisch) die Gefahr der Hypotension geringer zu sein. Muss man mit dem ACE-Hemmer jedoch morgens starten, sind einige Stunden Blutdruckkontrolle notwendig. Falls sich nach Beginn der ACE-Hemmertherapie die Nierenfunktion deutlich verschlechtert, muss der ACE-Hemmer abgesetzt werden. Zu Beginn sollten jedenfalls (noch) keine Aldosteronantagonisten (und andere kaliumsparende Diuretika) zusätzlich verabreicht werden. Interaktionen sind auch bei gleichzeitiger Verabreichung von nichtsteroidalen Antirheumatika zu erwarten. In diesem Fall wird die Wirkung des ACE-Hemmers abgeschwächt. Vor und ein bis zwei Wochen nach Beginn der Therapie und nach jeder Dosissteigerung müssen vom Arzt Blutdruck, Nierenfunktion und Elektrolyte kontrolliert werden. Weitere Kontrollen sind nach drei und sechs Monaten vorgesehen; danach in Abständen von sechs Monaten. Betablocker werden heute bei allen Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA II bis IV) basierend auf einer systolischen Funktions- 42 10:12 Uhr Seite 42 störung des linken Ventrikels, zusätzlich zu ACE-Hemmern und Diuretika empfohlen, bei denen keine eindeutige Kontraindikation gegen eine BetaBlockade besteht (Asthma bronchiale, schwere Bronchialerkrankung, symptomatische Bradykardie oder symptomatische Hypotonie). Der Patient sollte dabei immer in einem relativ stabilen Zustand sein, also keiner intravenösen positiv inotropen Therapie bedürfen und keine wesentlichen Ödeme haben. Auch hier bleiben einige Patienten dem Spezialisten vorbehalten: Patienten im Stadium NYHA III/IV Patienten mit unbekannter Ätiologie Patienten mit relativen Kontraindikationen : Bradykardie, Hypotonie Intoleranz nach niedriger Betablockerdosis Frühere Anwendung von Beta-Blockern und Intoleranz (Symptome) Verdacht auf Asthma Bei den anderen geht man wie folgt vor: Die Betablockerdosis soll sorgfältig titriert werden (“start low - go slow”); Initialdosen, Titrationsdosen und Zieldosen siehe Tab. 2. In den entsprechenden Studien (CIBIS II, MERIT-HF, Carvedilol Programm) wurden die Beta-Blocker innerhalb von Wochen bis Monaten bis zur Zieldosis beziehungsweise bis zur maximal verträglichen Dosis gesteigert. Eine Steigerung der Dosis nach ein bis zwei Wochen sollte - wenn die vorhergehende Dosis gut vertragen wurde - unbedingt erfolgen. Verschlechtern sich die Symptome, soll zuerst die Diuretikadosis oder gegebenenfalls die ACE-Hemmerdosis erhöht und dann erst die Dosis des Betablockers wieder reduziert werden. Bei Hypotonie sollen zuerst die Vasodilatatoren (zum Beispiel Nitrate) reduziert werden, nur wenn nötig auch der Betablocker. Bei Bradykardie sollen zuerst die anderen frequenzsenkenden Medikamente abgesetzt, dann erst die Betablockerdosis reduziert werden (Absetzen nur in dringenden Fällen). Immer, wenn sich wieder Stabilität einstellt, soll man erneut mit der BetablockerTitration beginnen. “Alternative” zur ACE-Hemmung Bei allen Patienten, die ACE-Hemmer nicht vertragen, sollen heute Angiotensin-Antagonisten eingesetzt werden (Tab. 3). Sie haben ein günstigeres Nebenwirkungsprofil. Die rezenten Ergebnisse der “CHARM- Alternative“ Studie, in der Candesartan gegenüber Placebo doppelblind geprüft wurde, zeigten, dass Patienten mit reduzierter systolischer Linksventrikelfunktion (≤ 40 Prozent Auswurffraktion) hinsichtlich der Progression der Herzinsuffizienz (Spitalsaufnahme wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer Tod) signifikant und klinisch relevant profitierten. Eine Meta-Analyse aller Studien an Patienten, die keinen ACE-Hemmer erhielten, ergab eine Mortalitätsreduktion von 21 Prozent durch Angiotensin-Antagonisten gegenüber Placebo. Kombinierte Hemmung des Renin-Systems Wenn man ACE-Hemmer mit Angiotensin-Antagonisten kombiniert, können sich die Symptome der Herzinsuffizienz weiter verbessern. In der “CHARM-Added” Studie wurde diese Beobachtung aus früheren Studien bei Patienten mit reduzierter systolischer Linksventrikelfunktion (≤ 40 Prozent Auswurffraktion) doppelblind und placebo-kontrolliert geprüft. Die Zugabe von Candesartan bewirkte bei Patienten, die bereits einen ACE-Hemmer erhielten, eine signifikant geringere Progression der Herzinsuffizienz (Spitalsaufnahme wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer Tod). Diuretika Falls Ödeme bestehen, sind (Thiazid-, Schleifen-) Diuretika unverzichtbar. Sie verbessern die Atemnot und die Leistungsfähigkeit. Mortalitätsstudien mit diesen Diuretika gibt es allerdings nicht. Es gilt der Grundsatz, dass bei der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz Diuretika nie ohne ACEHemmer verabreicht werden sollen. Bei einer Kreatininclearance < 30 ml/min sind Thiaziddiuretika – ohne gleichzeitige Verabreichung von Schleifendiuretika – allerdings nicht mehr wirksam. österreichische ärztezeitung 18 25. september 2004 18/36-44/State_herzinsuff_fweb 11.10.2004 10:12 Uhr Seite 43 DFP - Literaturstudium Sonderstatus: Aldosteronantagonisten Es ist bekannt, dass Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz trotz ACEHemmertherapie hohe Aldosteronwerte haben. Aldosteran bewirkt experimentell eine Myokardfibrose, die den Ventrikel versteift, die Wanddrucke erhöht und die Erregungsausbreitung stört. Der Aldosteronantagonist Spironolacton hat in der RALES-Studie bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz (NYHA III-IV) zusätzlich zu ACEHemmern/Diuretika die Hospitalisierungsrate um 35%, die Mortalität (inklusive “Sudden Death” ) um 30 Prozent gesenkt. Vor einer Spironolactontherapie soll das Serumkalium unter 5.0 mmol/l und das Kreatinin < 250 micromol/l sein. Die Startdosis ist 25 mg/die. Nach vier bis sechs Tagen ist wieder eine Laborkontrolle erforderlich. Steigt das Kalium auf > 5 mmol/l, erreicht aber noch nicht 5.5 mmol/l, muss die Spironolactondosis halbiert werden. Übersteigt es 5.5 mmol/l, muss Spironolacton abgesetzt werden. Nach einem Monat kann bei normalem Kalium Spironolacton auf 50 mg/die (Maximaldosis) erhöht werden. Eine Woche später soll wieder eine Laborkontrolle erfolgen. Ein neuer selektiver Aldosteronantagonist (Eplerenon) wurde vor kurzem in der EPHESUSStudie (6.642 Patienten) mit Erfolg geprüft und erweiterte die Indikation auf Patienten mit linksventrikulärer Pumpschwäche und Symptomen einer Herzinsuffizienz nach akutem Myokardinfarkt. Weitere Medikamente Digitalis ist immer indiziert, wenn ein (symptomatisches) Vorhofflimmern die klinische Herzinsuffizienz begleitet, um die Kammerfrequenz zu senken. Dadurch bessern sich auch die Symptome. Gemeinsam mit Beta-Blockern wird eine noch bessere Wirkung erzielt. Für Patienten mit Sinusrhythmus wird Digitalis nur dann empfohlen, wenn die Symptome trotz ACE-Hemmer und Diuretika persistieren. Die Dosis von Digoxin ist 0.125 bis 0.375 mg/die, eine normale Nierenfunktion vorausgesetzt. Kontraindikationen: Bardykardie, AV-Block II. und III. Grades, Sick Sinus Syndrome, Karotissinussyndrom, Hypokaliämie und Hyperkalziämie. Vasodilatatoren sind nur angebracht, wenn bei Patienten mit Herzinsuffizienz eine Angina pectoris oder eine Hypertonie besteht. Eine spezifische Rolle bei der Herzinsuffizienz haben sie nicht. Kalziumantagonisten werden generell nicht empfohlen. Antikoagulation hat seinen Platz beim Vorhofflimmern. Antiarrhythmika der Klasse I werden bei der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz nicht verwendet. Klasse II-Antiarrhythmika (BetaBlocker) können bei ventrikulären Tachyarrhythmien (alleine oder in Kombination mit Amiodaron) verabreicht werden. Es ist bekannt, dass eine Therapie mit Betablockern bei der chronischen Herzinsuffizienz die Sudden Death Rate senkt. Amiodaron (Klasse III) wirkt bei den meisten supraventrikulären und ventrikulären Arrhythmien. Es sollte aber nicht automatisch bei allen HerzinsuffizienzPatienten eingesetzt werden. Herzinsuffizienz bei “erhaltener systolischer Funktion” Abnorme diastolische Parameter im Doppler-Echokardiogramm bei erhaltener systolischer Funktion sind im klinischen Alltag keine Seltenheit. Höheres Alter (besonders bei Frauen), Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Diabetes, hypertrophe Kardiomyopathie – alle prädestinieren zur diastolischen Dysfunktion, die nicht unbedingt Symptome verursachen muss, aber schrittweise symptomatisch werden kann. Bestehen also eine Relaxationsstörung, Füllungsstörung, erhöhte Steifigkeit und herabgesetzte Dehnbarkeit des (meist verdickten) linken Ventrikels in der Diastole, so ist bei einem Patienten, der auch die typischen Symptome hat (besonders Belastungsdyspnoe und Orthopnoe), prinzipiell eine Herzinsuffizienz anzunehmen, auch wenn die linksventrikuläre Auswurffraktion >45 Prozent liegt. Linksventrikelhypertrophie und klinische österreichische ärztezeitung 18 25. september 2004 Herzinsuffizienz bei normaler Auswurffraktion findet man jedenfalls oft bei Patienten mit langbestehender Hypertonie. Pathophysiologisch stellt diese Linksventrikelhypertrophie die konzentrische Form des linksventrikulären Remodelings dar (siehe Abb. 1 C). Vergleicht man die Charakteristika des konzentrischen Remodelings mit dem dilatativen Remodeling, unterscheiden sich eigentlich nur die Füllungsvolumina voneinander. Ansonsten findet man viele Gemeinsamkeiten, so zum Beispiel die abnorme linksventrikuläre Muskelmasse, die Muskelhypertrophie, die interstitielle Fibrose, der abnorme Kalziumhaushalt, die herabgesetzte Kontraktilität, die Relaxationsstörung, etc. Auch die Prognose dieser Patienten unterscheidet sich nicht wesentlich. Über die Epidemiologie der “diastolischen Herzinsuffizienz” liegen zur Zeit noch sehr uneinheitliche Studienergebnisse vor. Auch bezüglich der Therapie dieser Herzinsuffizienz bei “erhaltener systolischer Funktion” gibt es noch wenig Klarheit. In der “CHARM-Preserved” Studie erbrachte Candesartan bei rund 3.000 Patienten nach drei Jahren Behandlung zumindest einen kleinen Benefit in Bezug auf die Spitalsaufnahmen wegen Herzinsuffizienz (402 unter Candesartan versus 566 unter Placebo). Zwei weitere Studien mit dieser Fragestellung (PEP-CHF mit Perindopril und I-PRESERVE mit Irbesartan) sind noch nicht abgeschlossen. Literatur bei der Verfasserin *) Univ. Prof. Dr. Brigitte Stanek, Univ. Klinik für Innere Medizin II/AKH Wien, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, Tel. 01/40 400/46 16, Fax: 01/408 11 48 Lecture Board: Univ. Prof. Dr. Bernd Eber, 2. Interne Abt., Schwerpunkt Kardiologie und Intensiv im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, Wels, Dr. Gerhard Pölzl, Univ. Klinik für Innere Medizin Innsbruck, Klinische Abteilung für Kardiologie, Univ. Prof. Dr. Thomas Stefenelli, 1. Medizinische Abteilung im Kaiser-Elisabeth-Spital der Stadt Wien Herausgeber: Univ. Klinik f. Innere Medizin II, Abteilung Kardiologie AKH Wien Diesen Artkel finden Sie auch im Web unter www.arztakademie.at 43