Depression

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Gesundheitsgespräch
Depression – eine Krankheit auf dem Vormarsch
Sendedatum: 08.04.2017
Experte:
Prof. Dr. Hans Förstl, Direktor der Psychiatrischen Klinik an der Technischen
Universität München
Autor: Holger Kiesel
Stimmungsschwankungen kennt jeder. Es ist Teil des Lebens, die Dinge mal
optimistischer und mal pessimistischer zu betrachten. Bedenklich wird es erst,
wenn man aus einem dunklen Tief mehrere Wochen nicht mehr herauskommt
und noch zusätzliche Symptome auftreten. So kann bei einer Depression etwa
der Schlaf massiv gestört sein. Oder die Betroffenen haben keinen Appetit
mehr. Oder ihnen fehlt es erkennbar an Selbstwertgefühl. Viele auffällige
Veränderungen können mit einer Depression einhergehen. Und all das kann
nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch die Partnerschaft und die
Familie schwer belasten.
Der Text beruht auf einem Gespräch von Holger Kiesel mit Prof. Hans Förstl,
Direktor der Psychiatrischen Klinik an der Technischen Universität München.
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Krankheitsbild - Wann spricht von einer Depression?
Es ist prinzipiell nicht ganz einfach, gewöhnliche Verstimmungszustände von
einer richtigen Depression mit Krankheitswert abzugrenzen. Der gefundene
Kompromiss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lautet: Es werden
Symptome gezählt. Sind ausreichend Merkmale wie z.B. Antriebslosigkeit,
Verlust von Interesse oder Schlafstörungen in deutlicher Ausprägung über mehr
als zwei Wochen hinweg vorhanden, besteht der Verdacht auf eine
behandlungsbedürftige Depression. Dabei sollte allerdings erwähnt werden,
dass es auch deutlich kürzere und zum Teil ernsthafte depressive Episoden
geben kann. In Deutschland zeigen mehr als zehn Prozent der Bevölkerung im
Laufe eines Jahres Symptome einer Depression, von denen aber nicht alle
tatsächlich eine behandlungsbedürftige Erkrankung entwickeln.
Wann wird die Stimmungsschwankung zur Depression?
Stimmungsschwankungen kennt jeder Mensch. Sie können innerhalb von
Stunden oder Tagen auftreten, und man kann oft sogar von ihnen profitieren:
Dinge mal aus einem eher optimistischen, mal aus einem eher pessimistischen
Blickwinkel zu betrachten kann Menschen helfen, am Ende die bestmögliche
Entscheidung in einer unübersichtlichen Angelegenheit zu treffen. Depressive
Verstimmungen können als Signale unseres Organismus aufgefasst werden
sich vor einer drohenden Überlastung zu schützen.
Der Burnout
Vom Burnout spricht man, wenn jemand aufgrund dauerhafter
Arbeitsüberlastung depressiv erkrankt. Es handelt sich um keine eigene
Diagnose, sondern quasi um eine Spielart der Depression.
"Meiner Ansicht nach ist der Burnout ein Etikett, das es gerade Männern
leichter macht, über ihre Depressionen zu sprechen! Wenn sie zu viel Arbeit als
Erklärung für ihre psychischen Probleme heranziehen können, kommen sie
damit häufig besser klar." Prof. Dr. Hans Förstl, Direktor der Psychiatrischen
Klinik an der Technischen Universität München
Es trifft mehr Frauen als Männer
Die Depression gilt gemeinhin als Erkrankung, die mehr Frauen als Männer
trifft. Das könnte allerdings auch damit zusammenhängen, dass Frauen häufig
kommunikativer sind und eher dazu bereit, auch über ihre Schwächen offen zu
reden. Depressive Männer entwickeln oft andere auffällige Verhaltensweisen
(z.B. heftige Aggressionen), die primär gar nicht mit Depressionen in
Verbindung gebracht werden – auch nicht von den Betroffenen selbst.
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In welchem Alter kommt eine Depression?
Depressionen können im Prinzip in jedem Lebensalter auftreten. Etwas
überdurchschnittlich betroffen sind Menschen mittleren Alters. Aber auch ältere
Menschen leiden häufiger an Depressionen. In dieser Altersgruppe sind sie
zudem oft schwerer zu behandeln, da es hier häufig Auslöser und Ursachen
gibt (Einsamkeit, Verluste, körperliche Gebrechen), die nicht so leicht in den
Griff zu bekommen sind.
Symptome der Depression
Die Liste der möglichen Symptome bei Depressionen ist lang. Für den Verdacht
einer derartigen Erkrankung sollten mindestens zwei Haupt- und zwei
Nebenmerkmale länger als zwei Wochen vorhanden sein. Die Hauptsymptome
sind:
• depressive Stimmung
• verminderter Antrieb
• Verlust von Interesse und Freude
Daneben können auftreten:
• Schlafstörungen
• Schuldgefühle
• Appetitlosigkeit
• negative Zukunftsperspektiven
• schwaches Selbstwertgefühl
• verminderte Konzentration
• Suizidgedanken
Auslöser und Begleitfaktoren – Wann wird man depressiv?
Nicht immer, aber recht häufig gehen einer Depression erkennbare Auslöser
voraus. Es ist jedoch selten eine einzelne, einwandfrei zu identifizierende
Ursache. Meist handelt es sich um ein komplexes Geflecht von Umständen
oder eine relativ rasche Abfolge von negativen (in seltenen Fällen aber auch
mal positiven) Ereignissen. Mit jedem weiteren Schicksalsschlag steigt dann
letztlich die Gefahr, dass sich eine Depression entwickelt.
Woher die Depression kommt
Für eine Depression ist durchaus nicht in jedem Einzelfall ein Grund
auszumachen. Das hat damit zu tun, dass depressive Empfindungen
sozusagen evolutionär in uns eingebaut sind. Sie verhindern, dass sich
Menschen wie Maschinen in jeder Situation gleich verhalten. Sie bringen den
Einzelnen dazu, auch bei gleichen Ausgangsbedingungen in seiner Reaktion zu
variieren. Denn: Ein ausgewogenes Verhältnis von Optimismus und
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Pessimismus ist für unser Leben von Vorteil, um Entscheidungen abzuwägen
und Risiken richtig einzuschätzen.
Die Rolle der Gene
Dass die Gene bei Depressionen eine relativ große Rolle spielen, ist sicher. Die
genetischen Mitursachen affektiver Erkrankungen sind jedoch noch nicht
annähernd ausreichend aufgeklärt. Bekannt ist jedoch beispielsweise, dass
bestimmte Genvariationen die Ausschüttung und Wirksamkeit einzelner
Botenstoffe im Gehirn (Dopamin, Serotonin) ungünstig beeinflussen. Damit
erschweren diese Variationen ihren Trägern oft von Kindheit an die Bewältigung
von Problemen und begünstigen somit Depressionen oder auch
Suchtverhalten.
Depressionen in der Familie
Wer in der nahen Verwandtschaft Fälle von Depressionen hat, hat auch selbst
ein höheres Risiko, an ihnen zu erkranken. Nicht nur aus genetischen Gründen,
sondern auch durch die frühe prägende Erfahrung mit Depressivität. Aber er hat
mitunter auch die Chance, frühzeitig erfolgreiche Strategien zu entwickeln, um
besser mit Krisensituationen klarzukommen.
Erhöhtes Demenz-Risiko
Eine frühere Depression verdoppelt das Risiko, später an einer Demenz zu
erkranken. Es gilt: Je schwerer die Depression war und je länger sie dauerte,
umso höher ist das Risiko für eine Demenz. Der Grund: Die
überdurchschnittliche Menge an Kortison, die während einer Depression
langfristig ausgeschüttet wird, schädigt das Gehirn. Und: In depressiven
Phasen haben wir kaum noch Antikörper gegen das Alzheimer-Protein Amyloid.
Durch den bei einer Depression meist gestörten Schlaf wird auch weniger
Alzheimer-Eiweiß aus dem Gehirn abtransportiert.
Umfeld und Hilfe - Gute Ratschläge von außen
Sätze wie 'Tu Dir doch mal was Gutes!' oder 'Denk doch positiv!' hören
depressive Menschen häufig. Bei einer leichten Depression können solche
Ratschläge auch durchaus hilfreich sein. In schwereren Fällen können sie von
den Betroffenen jedoch einfach nicht mehr umgesetzt werden, führen deshalb
oft zu eher abwehrenden Reaktionen und verschärfen so das Problem eher.
"Als Angehöriger sollte man auf jeden Fall Hilfe und Unterstützung anbieten,
sich aber nicht ständig aufdrängen!" Prof. Dr. Hans Förstl, Direktor der
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Angehörige brauchen viel Kraft
Angehörige von Depressiven müssen mit verschiedenen extremen
Stimmungslagen der Betroffenen zurechtkommen. Neben der massiven
Traurigkeit und Perspektivlosigkeit können zudem Aggressivität oder
Selbstmordgedanken auch für das Umfeld sehr belastend sein. Ratschläge, wie
Angehörige sich idealerweise verhalten sollten, kann man nur begrenzt geben.
Natürlich wird man sich bemühen, die Betroffenen nach Kräften zu
unterstützen.
Hilfe richtig dosieren
Aber: Dem Depressiven darf auch nicht zu viel abgenommen werden. Er sollte
nicht in eine permanente Patientenrolle geraten, so dass er sich
möglicherweise noch stärker als ohnehin schon entwertet fühlt. Gleichzeitig
sollte Hilfe nicht mit einem permanenten unterschwelligen Vorwurf wegen der
entstehenden Belastung verbunden sein.
Kinder von Depressiven
Besonders schwierig ist die Lage von Kindern von schwer depressiv
Erkrankten. Sie geraten oft zu früh in eine Verantwortung für den erkrankten
Elternteil, der sie sich nicht entziehen können. Sie stellen häufig ihre eigenen
kindlichen Bedürfnisse hinten an, um die Familie zu stabilisieren und müssen
ganz früh lernen, für andere da zu sein. Dadurch fehlt ihnen Zeit, sich selbst zu
entwickeln und zu entfalten.
Suizidgedanken ernstnehmen
Wenn jemand öfter und eindringlich mit Suizid droht, muss man dies unbedingt
ernst nehmen. Dies gilt besonders dann, wenn Mittel zur Selbsttötung direkt
verfügbar sind. Dies erfordert in jedem Fall eine stationäre Behandlung.
Hilfe bei Depressionen
Die erste Anlaufstelle für Depressive und ihre Angehörigen ist meist der
Hausarzt. Er kann in der Regel gut einschätzen, wann die Verschreibung eines
Medikaments oder ambulante Hilfe ausreichen und wann fachärztliche
Unterstützung nötig ist. Bei Bedarf kann der Hausarzt dann auch an den
geeigneten Spezialisten weiterüberweisen.
Hilfe nach einem Suizid
Wenn jemand, der Depressionen hat, sich tatsächlich das Leben nimmt, finden
Hinterbliebene Hilfe bei Vereinen wie DIE ARCHE e.V. in München oder AGUS
e.V. bundesweit.
http://www.die-arche.de/
https://www.agus-selbsthilfe.de
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Medikamentöse Therapie - Wann helfen Antidepressiva?
Antidepressiva helfen bei depressiven Symptomen im Prinzip immer.
Besonders wirksam sind sie jedoch dann, wenn eine Depression nicht durch
anhaltende schwierige Lebensumstände oder durch andere schwere
Erkrankungen (Krebs etc.) verursacht wird. Heutige Antidepressiva sind noch
wirksamer als frühere Präparate und haben deutlich weniger Nebenwirkungen.
Auch die Gefahr einer Überdosierung ist viel geringer geworden.
Antidepressiva machen nicht süchtig
Antidepressiva machen nicht abhängig! Mit dieser kleinen Einschränkung:
Einige Präparate haben eine gewisse aktivitätssteigernde Wirkung, die manche
Menschen als positiv und verführerisch empfinden.
Wie wirken Antidepressiva?
Moderne Antidepressiva (selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, auf
Englisch abgekürzt SSRIs) machen die Botenstoffe im Gehirn, die für eine
ausgeglichene Stimmung verantwortlich sind (vor allem Serotonin), länger
verfügbar. Das heißt, sie verbleiben länger an den Rezeptoren im Gehirn und
werden erst verzögert wieder von den Nervenzellen aufgenommen. Aber: Erst
die in der Folge eintretenden Veränderungen innerhalb der Nervenzellen selbst
erzeugen die eigentliche Wirkung. Deshalb dauert es auch einige Tage, bis
diese sich einstellt.
Nebenwirkungen der SSRIs
Die Nebenwirkungen der SSRIs sind meist gering. Neben Schweißausbrüchen
oder einer leichten Zittrigkeit kommt es bei Männern manchmal zu einer
zeitweiligen erektilen Dysfunktion (Potenzstörung).
Medikamente wirken zweifach
Die Gabe von Medikamenten hat – gerade bei Depressionen – nicht nur einen
pharmakologischen, sondern auch einen psychologischen Effekt. Schon die
Verschreibung eines Antidepressivums kann eine gewisse heilende Wirkung
haben.
Andere Therapieformen - Psychotherapie bei Depressionen
Natürlich wäre es wünschenswert, wenn jedem Depressiven mit
Psychotherapie geholfen werden könnte. Aber nicht jeder Betroffene ist bereit
und in der Lage, sich dieser Form der Behandlung zu öffnen. Außerdem ist es
für den Erfolg einer Psychotherapie ganz entscheidend, dass die richtige Art
der Behandlung gewählt wird.
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Psychotherapie hilft nicht jedem
Psychotherapie ist nur bei einem bestimmten Grad der Depressivität wirksam
einsetzbar. Ist die Depression zu stark ausgeprägt, kann der Betroffene mit
dem Gesprächsangebot nicht umgehen. Ist sie dagegen zu leicht, gibt es für
den Patienten oft keinen ausreichenden Ansporn zu einer engagierten
Mitarbeit.
Was leistet Psychotherapie bei einer Depression?
Psychotherapie bei einer Depression muss den individuellen Bedürfnissen
angepasst werden. So kann zum Beispiel in der Behandlung nach möglichen
Ursachen geforscht werden. Dadurch können Betroffene auch lernen,
belastende Situationen rechtzeitig zu erkennen, um sie dann entweder
vermeiden oder besser mit ihnen umgehen zu können.
An eigenen Schwächen arbeiten
Zum Behandlungsprozess kann es auch gehören, den eigenen Anteil an seiner
schwierigen Situation wahrzunehmen und sein Verhalten entsprechend zu
verändern. Auch an problematischen Lebenshaltungen, die letztlich eine
Depression begünstigen können, wie z.B. extremem Perfektionismus oder
großer Abhängigkeit vom Lob und der Anerkennung anderer, kann in der
Psychotherapie gearbeitet werden. So kann etwa herausgefunden werden, wo
der Einzelne zu hohe Ansprüche an sich selbst hat, die ihn belasten oder wo er
möglicherweise auch anderen zu viel abverlangt.
Auswege aus der akuten Depression
Ist ein Patient in einer akuten depressiven Phase, kann es in der
Psychotherapie auch um konkrete Auswege gehen, damit er wieder mehr am
Leben teilhaben und trotz seiner beschränkten Ressourcen wieder etwas
leisten kann.
Sozialpädagogische Maßnahmen
Eine wichtige Säule der Behandlung neben der Psychotherapie sind
sozialpädagogische Maßnahmen. Hierbei kann es beispielsweise um die
Bewältigung entscheidender Lebensprobleme (z.B. Wohnungs- oder Jobsuche)
gehen. So vermittelt diese Form der Unterstützung ganz praktisch Lebensmut
und echte Perspektiven.
Den Schlaf wieder regulieren
Massiv gestörter Schlaf ist ein häufiges Symptom der Depression mit dem
konkret gearbeitet werden kann und muss. Hier gilt die Devise: Das Bett ist nur
zum Schlafen da – und nicht um sich über Schlaflosigkeit zu ärgern und die
Symptome der Depression zu kultivieren.
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Kinder im seelischen Tief – Depression bei Kindern
Experte:
Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne, Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und
Psychotherapie, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie des Klinikums der Universität München
Autorin: Monika Dollinger
Nicht nur Erwachsene, auch Kinder und Jugendliche können an Depression
erkranken. Nach unterschiedlichen Schätzungen leiden zwischen zwei und vier
Prozent der Kinder über zwölf Jahren zeitweise an einer Depression.
Ebenso wie Erwachsene brauchen depressive Kinder und Jugendliche Hilfe –
von ihren Eltern, ihren Freunden, ihren Lehrern - vor allem, weil sie selbst
häufig ihre Krankheit nicht als solche erkennen. Besteht die Traurigkeit, der
Rückzug und die verminderte Aktivität länger als zwei Wochen, sollte unbedingt
eine professionelle Untersuchung durchgeführt werden, denn nur, wenn die
Probleme des Kindes und Jugendlichen richtig erkannt und verstanden werden,
ist wirksame Hilfe möglich.
Der Text basiert auf einem Gespräch mit Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne, Arzt für
Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Direktor der Klinik für
Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des
Klinikums der Universität München
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Wie man eine Kinderdepression erkennt – die Symptome
Mit zunehmendem Lebensalter steigt das Risiko, an einer Depression zu
erkranken. Während sie bei Säuglingen und Kleinkindern sehr selten auftritt,
leiden Kinder im Vor- und Grundschulalter schon öfter an einer Depression und
ab der Pubertät steigt die Häufigkeit deutlich an.
Eine Depression bei Kindern und Jugendlichen zu erkennen, ist für die Eltern
oft schwierig, weil die Jugendlichen zunehmend weniger über ihre Stimmung,
Emotionen und Erleben mit den Eltern sprechen. Kinder jeden Alters können
Depression bekommen.
Vorschulalter
Auch Vorschulkinder können bereits eine Depression entwickeln, die schwer zu
diagnostizieren ist.
"Wenn ein Kind in diesem Alter ohne einen aktuellen Anlass länger traurig ist,
sehr oft die körperliche Nähe zur Mutter sucht und sich nicht trennen kann,
Phasen der Antriebslosigkeit hat, dann ist auch an eine depressive Episode bei
diesem Kind zu denken." Prof. Schulte-Körne, Arzt für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
Für die Diagnostik ist wichtig, das Kind über einen längeren Zeitraum zu
beobachten.
Beispiel: Hinweis für eine depressive Entwicklung kann sein, dass das Kind im
Kindergarten nicht mehr spielen möchte, sich in eine Ecke zurückzieht, an den
Gruppenaktivitäten nicht mehr teilnimmt und zudem über Kopf- und Bauchweh
oder andere körperliche Beschwerden klagt. Durch die ärztliche Untersuchung
wird klar, ob diese körperlichen Beschwerden tatsächlich Ausdruck einer
körperlichen Erkrankung, oder ein Hinweis auf eine Depression sind.
Schulalter
Eine Depression bei Schulkindern tritt selten plötzlich auf, meist ist der Verlauf
schleichend. Das Nachlassen der Schulleistungen, das Absinken der Noten
sowie Rückzugsverhalten und eine zunehmende Teilnahmslosigkeit sind
Hinweise für eine depressive Entwicklung. Auch im äußeren Erscheinungsbild
verändern sich die Kinder.
Veränderung des Erscheinungsbilds:
•
•
Die Gestik ist weniger ausdrucksvoll,
der Gesichtsausdruck ist manchmal wie erstarrt, und
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•
die Körperhaltung (z.B. hängende Schultern) drücken die gedrückte
Stimmung in dieser Weise aus.
Im Gegensatz zu den Vorschulkindern können Eltern ihr Schulkind gezielt
fragen, wie sie sich fühlen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Fragen immer
eine Gewissheit über das Vorliegen einer Depression geben.
"Obwohl bereits Grundschüler aufgrund ihrer Fähigkeiten in der Lage sind, über
ihre Gefühle und ihr Erleben zu berichten, ist es für sie oft schwierig, über
Traurigkeit und andere negative Gefühle zu sprechen." Prof. Schulte-Körne,
Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und
Psychotherapie des Klinikums der Universität München
Jugendliche
Mit dem Eintreten der Pubertät nimmt die Häufigkeit der Depression zu,
insbesondere bei Mädchen.
"Wir beobachten in den letzten Jahren eine Zunahme von leichteren Formen
depressiver Störungen." Prof. Schulte-Körne, Arzt für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
Die Gründe hierfür sind unterschiedlich:
•
•
•
Gesellschaftliche Anforderungen an die Autonomieentwicklung junger
Frauen, die zu früh kommen und nicht selten diese Mädchen
überfordern.
Hormonelle Faktoren
Schulische Belastungen (weniger im Bereich der
Leistungsanforderungen, aber z.B. Mobbing, Cybermobbing)
Die Symptome der Depression bei Jugendlichen und im jungen
Erwachsenenalter sind ähnlich: Lebensmüde Gedanken treten häufiger auf,
vereinzelt ist die depressive Erkrankung auch der Hintergrund für einen
Suizidversuch.
Geschlechtsspezifische Unterschiede
Jungen und Männer versuchen eher, Stimmungstiefs zu verstecken als
Mädchen. Deshalb verhalten sich depressive Jungen manchmal anders als die
Mädchen.
"Während Mädchen sich häufig zurückziehen, verwickeln sich depressive
Jungen in Streitereien, beschädigen Gegenstände, fallen auf. Bei diesen
Verhaltensmustern denken viele Eltern und Lehrer anfangs nicht an eine
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Depression. Dabei ist die Grundstimmung bei den Jungen ähnlich wie bei den
Mädchen: Sie sehen für sich keine Zukunftsperspektive, fühlen sich wertlos und
haben kein Selbstvertrauen." Prof. Schulte-Körne, Direktor der Klinik für Kinderund Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Klinikums der
Universität München
Depression = Unaufmerksamkeit?
"Bei Kindern mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS)
tritt nicht selten auch eine gedrückte Stimmung auf, ein vermindertes
Selbstwertgefühl verbunden mit einer negativen Zukunftserwartung. Auch bei
depressiven Kindern ist die Aufmerksamkeit häufig beeinträchtigt. Es handelt
sich aber um zwei verschiedene Störungsbilder, die auch unterschiedlich
behandelt werden. Tritt aber bei einer Depression zusätzlich ein ADHS auf,
müssen beide Störungen entsprechend den kinder- und jugendpsychiatrischen
Leitlinien behandelt werden." Prof. Schulte-Körne, Arzt für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
Wie eine Depression entstehen kann – die Auslöser
Kinder, deren Eltern oder nahe Verwandte zeitweise an einer Depression
erkrankt waren, haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Meist kommt zu dieser
genetischen Komponente noch ein belastendes Ereignis, bevor sich eine
Depression im Kindes- und Jugendalter einstellt.
"Das kann der Tod eines Elternteils, schwere Erkrankungen in der Familie,
Trennung der Eltern, aber auch traumatische Erlebnisse, wie körperlicher und
psychischer Missbrauch sein." Prof. Schulte-Körne, Direktor der Klinik für
Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des
Klinikums der Universität München
Wichtig:
"Wir gehen davon aus, dass es nicht die Ursache der Depression gibt, sondern
dass ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren ursächlich ist. Kinder, bei
denen die genetische Disposition vorliegt, dass sie belastende Lebenssituation
anders verarbeiten und auf die zusätzlich schwierige Lebensereignisse
einwirken, haben ein erhöhtes Risiko, an einer Depression zu erkranken." Prof.
Schulte-Körne, Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
Diagnostik der Depression bei Kindern
• Im Vordergrund steht das Gespräch mit dem Kind und Jugendlichen,
seinen Eltern und manchmal auch mit weiteren Familienmitgliedern.
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•
•
Dabei geht es um Fragen zur Entwicklung, zur Kindergarten- und
Schulzeit, zur Lebenssituation der Familie, vor allem zu dem Denken,
Gefühlen und Stimmung des Kindes.
Zusätzliche Informationen aus dem psychosozialen Umfeld, vom
Kindergarten oder der Schule helfen, die Symptomatik besser
einzuschätzen.
Da nicht selten körperliche Beschwerden bei Schulkindern in Form von
Bauch- und Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen geschildert werden,
ist eine körperliche Untersuchung notwendig.
Anhand von Testverfahren werden die Gefühle und die veränderte
Wahrnehmung des Selbst und der störenden und belastenden
Gedanken genauer bestimmt. Schulprobleme werden mit am häufigsten
berichtet, vor allem ein unerklärliches Nachlassen der Leistungsfähigkeit.
Daher ist eine Untersuchung der kognitiven Fähigkeiten und des
individuellen Begabungsprofil mit seinen Stärken und Schwächen
notwendig.
Wichtig:
Die Diagnostik sollte unbedingt durch einen Facharzt für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und Psychotherapie durchgeführt werden. Denn oft wird eine
depressive Störung übersehen oder Emotionen, Verhalten und Erleben der
Kinder und Jugendlichen falsch verstanden.
Begleitprobleme
Depressionen treten häufig zusammen mit anderen psychischen Problemen
(wie Angststörungen und Essstörungen) auf. Diese sollten erkannt und
entsprechend behandelt werden. An all diesen Störungen erkranken häufiger
Mädchen und Frauen.
„Wenn Essstörungen und Depression zusammen auftreten, ist die Behandlung
besonders schwierig und sollte stationär in einer Klinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und –psychotherapie erfolgen. Die Mädchen können aus
eigenem Antrieb nicht mehr essen, magern ab, und ihr Leben ist ernsthaft
bedroht.“ Prof. Schulte-Körne
Alkohol und Drogen
Depressive Jugendliche versuchen manchmal, sich selbst zu behandeln, und
greifen aus diesem Grund zu Alkohol und Drogen.
„Jugendlichen erleben dadurch eine kurzfristige Abnahme ihrer Ängste, sie
fühlen sich für einen Moment weniger belastet.“ Prof. Schulte-Körne.
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Allerdings ist für die Gesamtperspektive das Vorliegen von zwei Erkrankungen
schlechter. Zusätzlich erhöht der häufige Konsum von Alkohol das Risiko für
weitere psychische Erkrankungen und für schwerwiegend körperliche
Schädigungen.
Wie man eine Kinderdepression behandelt – die Therapie
Eine depressive Episode sollte in jedem Fall behandelt werden. Die Dauer der
Episoden ist unterschiedlich, von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten.
Zwischen den Episoden gibt es längere Intervalle, in denen die Symptome
kaum, manchmal gar nicht auftreten. Gerade in diesen Intervallen ist eine
Behandlungsmotivation meist gering.
Behandlungsleitlinie
Kürzlich wurde eine aktuelle Behandlungsleitlinie veröffentlicht, in der alle
wichtigen Strategien der Behandlung auf der Basis der aktuellen Forschung für
Kinder und Jugendliche mit einer depressiven Episode zusammengestellt
wurden: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/028-043.html
Kinder in die kinder- und jugendpsychiatrische Klinik?
Abhängig vom Schweregrad der Störung ist eine ambulante, stationäre oder
teilstationäre Behandlung zu überlegen. Hier kann zunächst ein beobachtendes
Zuwarten ausreichend sein. Besteht die Symptomatik länger als zwei Wochen
oder nimmt zu, sollte mit einer ambulanten Behandlung begonnen werden.
• Leichte depressive Episoden werden überwiegend ambulant, z.B. bei
einem niedergelassenen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten
oder Kinder- und Jugendpsychiater behandelt.
• Bei mittelschwerer oder schwerer Ausprägung ist eine stationäre
Behandlung zu empfehlen. Vor allem wenn lebensmüde Gedanken
vorliegen und Kinder bereits Pläne haben, wie sie diese Gedanken
umsetzen, ist zum Schutz des Kindes eine geschützte Behandlung in
einer Klinik notwendig.
Wie Kinder therapiert werden
Im Vordergrund der Behandlung steht die Psychotherapie, die sowohl einzeln
und in Gruppen angeboten wird. Auf der Basis einer tragfähigen TherapeutPatient-Beziehung geht es um die Stärkung eigener Ressourcen. Damit sollen
soziale Kompetenzen wiedererlangt, das destruktive und meist eingeengte
Denken verändert und vor allem die Stimmung verbessert werden.
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Auch die Eltern
Bei jüngeren Kindern ist ein wichtiger Baustein die Einbindung der Eltern in die
Behandlung. Die Entlastung von Schuldgefühlen, die oft belastende Gefühle
der Eltern sind, die Entwicklung einer veränderten intrafamiliären
Kommunikation mit Stärkung der positiven Affekte sind Bausteine der
Elternarbeit.
Medikamente – Nur bei schweren Formen sind Antidepressiva notwendig
Bei Kinder und Jugendlichen mit mittelschwerer oder schwerer Depression
können Medikamente sehr hilfreich sein. Es besteht jedoch das Problem, dass
viele Medikamente für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen sind, also
keine ausreichende Anzahl von Studien vorliegen, die die Wirksamkeit der
medikamentösen Behandlung zeigen.
„Für sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer ist ein Medikament,
Fluoxetin, zur Behandlung bei Kindern und Jugendlichen zugelassen. Die
vorliegenden Studien zeigen eine gute Wirksamkeit, die Kombination aus
Psychotherapie (Verhaltenstherapie) und Medikament ist besonders zu
empfehlen.“ Prof. Schulte-Körne.
Das psychosoziale Umfeld nicht vergessen!
Stress in der Schule oder mit Gleichaltrigen kann oft ein Auslöser einer
depressiven Episode sein. Daher sollte die Schule und die „Peer-Gruppe“ in die
Behandlungsplanung mit einbezogen werden. Oft werden Kinder und
Jugendliche in der Schule übersehen, da sie eher still und zurückgezogen sind.
Aufklärung der Lehrkräfte und eine unterstützende Lehrer-Schüler-Beziehung
kann helfen, dass die psychotherapeutische Behandlung besser gelingt.
Wichtig: Beziehung aufbauen und halten
„Wichtig für den Behandlungserfolg ist der Beziehungsaufbau. Da Kinder und
vor allem Jugendliche mit einer Depression sich selbst oft gar nicht als krank
erleben, sondern eher als Versager, ist es wichtig, mit ihnen gemeinsam eine
Perspektive zu erarbeiten. Ihnen fehlt oft die Kraft, vor sich liegende Aufgaben
anzugehen oder die Hoffnung zu haben, dass sich etwas bessern könnte.
Deshalb ist ein konstantes Angebot, auch wenn Rückschritte in Behandlung
auftreten, das Mut macht und Hoffnung gibt, für die Entwicklung dieser Kinder
und Jugendlichen sehr wichtig.“ Prof. Schulte-Körne.
Strukturierung des Alltags als Rahmen, um sich aufzurichten
Depressive Kinder und Jugendliche brauchen nicht selten eine klare und
transparente Tagesstruktur, die ihnen hilft, die vor ihnen liegenden Aufgaben an
zu gehen und zu meistern.
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Erfolge aufzeigen: „Du kannst es doch!“
„Eltern und Lehrer sollen auf Erfolge der Kinder hinweisen. So helfen sie, die
negative Sichtweise zu verändern, indem sie von außen eine andere
Sichtweise aufzeigen, die deutlich signalisiert: Ich sehe aber etwas Positives!
Positive Signale setzen können alle: Eltern, Nachbarn, Freunde, aber auch die
Lehrer!“ Prof. Schulte-Körne.
Allerdings darf man nicht erwarten, dass diese Perspektive gleich übernommen
wird. Nicht selten sind Eltern und Lehrer enttäuscht, dass trotz guten Zuredens
sich nichts verändert. Dies erklärt sich durch die psychische Erkrankung, die es
den Kindern und Jugendlichen erschwert, Perspektiven der Anderen zu
übernehmen. Es ist daher ein wichtiges therapeutisches Ziel, den Kindern und
Jugendlichen es zu ermöglichen, eine eigene positive Zukunftsperspektive zu
entwickeln.
Die Rolle der Schule – Hilfe für die Eltern und das Kind
Für Eltern ist es oftmals nicht einfach, mit ihrem depressiven Kind ins Gespräch
zu kommen. Mit dem Alter kann sich dieses Problem verstärken.
„Die Pubertät kennzeichnet sich auch dadurch, dass Jugendliche sich von den
Eltern lösen und abgrenzen. Deshalb ist es manchmal für Menschen außerhalb
der Familie, wie etwa Lehrer oder Ärzte, leichter, einen Zugang zu dem
Jugendlichen zu bekommen.“ Prof. Schulte-Körne.
Tipp:
Ein Gespräch der Eltern mit den Lehrern kann deshalb nicht nur die schulische
Situation verbessern helfen, sondern auch das Verhalten des Jugendlichen für
die Eltern transparenter zu machen.
Wichtig: Lob und Anerkennung durch die Lehrkräfte
...auch und gerade, wenn die schulischen Leistungen nachgelassen haben.
„Lehrer sind hier gefordert, auch kleine Erfolge zu loben, das heißt nicht, dass
alles schön geredet werden muss. Entscheidend ist, einen Schüler gerade auch
dann anzusprechen und aufzurufen, wenn er sich nicht mehr meldet.“ Prof.
Schulte-Körne.
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Schulpsychologen können helfen
Wenn die Beteilung im Unterricht zurückgeht, vielleicht auch die Noten
schlechter werden, das Kind traurig ist und wenig im Kontakt zu den Mitschüler
hat, sollte auch der schulpsychologische Dienst eingeschaltet werden.
Wichtig:
Für das betroffene Kind ist es wichtig zu erfahren: Du bist nicht dumm! Du bist
auch nicht faul! Das ist nämlich ein typisches Erklärungsmuster, wenn die
Noten absacken.
„Gegenüber einem depressiven Schüler ist das aber völlig falsch! Denn bei
schweren Depressionen kann die kognitive Leistungsfähigkeit zeitweise
beeinträchtigt sein, weil das Denkvermögen so eingeengt ist und sozusagen die
individuellen Ressourcen erschöpft sind. Daher steht im Vordergrund, die Wege
zu bereiten, dass dem Jugendlichen fachärztliche bzw. psychotherapeutische
Hilfen angeboten werden.“ Prof. Schulte-Körne.
Hilfe für Eltern
Im Einzelfall ist das Leben mit einem depressiven Kind oder Jugendlichen für
die Eltern schwer auszuhalten. Es kostet viel Kraft und Nerven, immer wieder
Geduld zu haben, Mut zu machen, aufzubauen, positive gegen negative
Gedanken zu setzen, ungezählte Versuche zu unternehmen, Apathie und
Antriebslosigkeit aufzubrechen.
„Um mit dieser Problematik fertig zu werden, sollten Eltern entlastet werden,
indem ihnen Unterstützung angeboten wird, zum Beispiel im Rahmen der
psychotherapeutischen Behandlung des Kindes. Zusätzlich kann durch Besuch
einer Elterngruppe Entlastung geschaffen werden, da Eltern erleben, wie es
anderen Eltern geht und sehen, dass sie nicht allein mit ihrem Problem sind.
Auch bietet dieses therapeutische Angebot den Eltern die Möglichkeit,
Strategien zu lernen, wie sie ihr Kind zuhause unterstützen zu können.“ Prof.
Schulte-Körne.
Beschäftigung mit dem Tod
Im Rahmen einer normalen Pubertätsentwicklung beschäftigen sich
Jugendliche teilweise intensiv mit dem Thema Tod und der Endlichkeit des
eigenen Lebens.
„Da sich Gedanken an einen möglichen Selbstmord wie auch
Selbstmordversuche häufig aus einer depressiven Episode heraus entwickeln
können, sollte man im Gespräche zu diesem Thema Gesprächsbereitschaft
signalisieren und das Gespräch auch suchen.“ Prof. Schulte-Körne.
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Schlüsselfragen sind:
• Bist du in einer Situation oder hast du dich schon einmal in einer
Situation befunden, die du als ausweglos erlebt hast?
• Hast du schon überlegt, wie du damit umgehst?
• Hast du schon mal an Selbstmord gedacht?
Wichtig: Die Gefahr eines Suizides kann nur durch eine fachärztliche
Untersuchung beurteilt werden, daher ist bei lebensmüden Gedanken
unbedingt der Kontakt zum Kinder- und Jugendpsychiater zu suchen.
Prävention der Depression bei Kindern
Die Folgen der Depression für die Kinder und Jugendlichen sind vielfältig. Oft
geht die Störung mit schulischen Problemen einher, die Kinder erreichen einen
niedrigen Schulabschluss, haben ein erhöhtes Risiko, weiter psychische
Erkrankungen zu entwickeln. Daher ist es wichtig, möglichst frühzeitig eine
depressive Entwicklung zu erkennen.
Studie zur Früherkennung
Im Rahmen von Studien am Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie und
Psychotherapie der LMU München wurden mit Unterstützung des Bayerischen
Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit zwei Verfahren entwickelt, die es
dem niedergelassen Hausarzt und Kinderarzt ermöglichen, depressive
Entwicklung frühzeitig zu erkennen.
Es sind der sogenannte CHILD-S und der DesTeen. Dabei handelt es sich um
kurze Fragebögen, die es erlauben, eine erste Einschätzung vorzunehmen, ob
eine depressive Episode vorliegt oder nicht. Der Child-S hat nur acht Fragen ist
für Kinder von 9-12 Jahren geeignet, der DesTeen beinhaltet 14 Fragen für
Kinder zwischen 13 und 16 Jahren.
Für Interessierte:
Interessierte Praktiker können die beiden Screeninginstrumente kostenlos über
die Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und
Psychotherapie per Mail an das Forschungssekretariat (Frau Rupprecht)
anfordern: [email protected] .
Frühe Hilfe von Freunden
Um der Stigmatisierung psychischer Erkrankung zu begegnen und
insbesondere über depressive Störungen aufzuklären, wurde in einem
Modellprojekt in München und in den angrenzenden Landkreise in Haupt- und
Realschulen sowie Gymnasien untersucht, wie man durch Information die
Schwelle für Jugendliche erniedrigen kann, sich bei einer drohenden
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depressiven Entwicklung Hilfe zu suchen und wie kann man sich gegenseitig
stärkt.
Broschüre „Paul ganz unten“
Anhand der für das Jugendalter ansprechenden Broschüre „Paul ganz unten“
wird eine Geschichte von Jugendlichen erzählt, die bereits depressiv erkrankt
waren und aktuell sind. Die Geschichte spielt in einer größeren Gruppe von
Jugendlichen und zeigt Wege auf, wie Jugendliche die Erkrankung erleben, wie
die Umwelt darauf reagiert und wie professionelle Hilfe aussieht. “Paul ganz
unten“ wurde an über 600 Neuntklässlern aus Hauptschulen, Realschulen und
Gymnasien in München Stadt und Land mit Unterstützung von
Gesund.Leben.Bayern evaluiert. Schülerinnen und Schüler aller Schulformen
konnten von der Broschüre profitieren und ihr Wissen zu Depression signifikant
steigern. Dieser Effekt war auch einen Monat später noch nachweisbar.
Außerdem wurde die Broschüre von den Schülern sehr gut angenommen und
als hilfreich eingeschätzt, um sich mit dem Thema Depression besser
auszukennen. Die Aufklärungsbroschüre kann somit einen Beitrag dazu leisten,
Hürden auf dem Weg in eine Behandlung abzubauen und Stigmata gegenüber
Betroffenen zu verringern.
Da die Broschüre nachgewiesenermaßen wirksam ist in der Wissensvermittlung
und eine hohe Akzeptanz in der Zielgruppe besitzt, ist eine Verbreitung in den
weiterführenden Schulen Bayerns wünschenswert.
Hilfe für Familien – PRODO
PRODO ist ein familienbasiertes Präventionsprogramm zur Reduktion des
Erkrankungsrisikos für eine depressive Störung und zur Verbesserung von
psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen. Einer der wichtigsten
Risikofaktoren für das Auftreten einer depressiven Störung ist das Vorliegen
einer depressiven Störung eines Elternteils. Kinder und Jugendliche, bei denen
mindestens ein Elternteil an einer depressiven Störung erkrankt ist, weisen ein
zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko auf, selbst an einer depressiven Störung zu
erkranken - gegenüber Kindern und Jugendlichen, deren Eltern nicht depressiv
sind.
Zwölf Sitzungen à 90 Minuten
Das Programm ist für vier bis fünf Familien gestaltet und besteht aus zwölf
Sitzungen, die jeweils 90 Minuten dauern. An manchen Sitzungen nehmen
Eltern und Kinder zusammen teil, während andere getrennt durchgeführt
werden. Hauptbestandteile des Programms sind Edukation über Depression,
Verbesserung der Bewältigungsstrategien des Kindes und Verbesserung der
Erziehungsfähigkeiten des Elternteils.
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Probanden gesucht!
Mit Unterstützung von Gesund.Leben.Bayern wird das Präventionsprogramm
hinsichtlich seiner Wirksamkeit untersucht. PRODO richtet sich an Familien mit
mindestens einem Elternteil, der an einer depressiven Episode erkrankt ist
(oder war, seit Geburt des Kindes). Die teilnehmenden Kinder sollten zwischen
8 und 17 Jahre alt und weder aktuell noch jemals an einer depressiven Störung
erkrankt oder deswegen in Behandlung gewesen sein. Sollten Sie Fragen zu
der Studie haben, oder bei Interesse an einer Teilnahme der Studie, können
Sie sich gerne wenden an: Dr. Belinda Platt Telefon: 089 - 4400 56932. Email:
[email protected]
http://www.prodo-studie.de
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