Experimentalphysik III Prof. M. Bargheer Übungen: Lena Maerten, Yevgeni Goldshteyn, Steffen Mitzscherling, Marc Herzog, WS 2011/12 5.1.12 Aufgabenblatt 10 I) Gelerntes wiedergeben I.28) Wie heiß ist ein Kupferstab der Länge 25 cm, der sich ausgehend von Raumtemperatur 293 K um 0.35 mm ausgedehnt hat? (α= 1,65·10-5 K-1)? I.29) Wie groß ist das gyromagnetische Verhältnis für Spin und Bahnbewegung des Elektrons? II) Einfache Aufgaben II.24 Photoemission an dünnen Silberfilmen und das Teilchen im Potentialkasten a) Beschreiben Sie qualitativ, wie man durch Photoemission von Elektronen an einem sehr dünnen Silberfilm (d = 3 nm) sehen kann, dass das Elektron in einem eindimensionalen Potentialkasten sitzt (und zwar senkrecht zur Oberfläche des Films). b) Berechnen Sie mit der Unschärferelation, wie groß der Impuls der Elektronen mindestens sein muss, wenn sie in 3 nm eingesperrt sind. Wie groß ist die entsprechende kinetische Energie? II.25 Drei Stern-Gerlach Experimente in Serie Betrachten Sie folgende Anordnung von Stern-Gerlach-Apparaten und analysieren Sie die Spin-Zustände der Atome. a) Versuchen Sie eine Erklärung im klassischen Bild, in dem das magnetische Moment des Elektrons um die Magnetfeldachse präzessiert. Warum spaltet der Atomstrahl im zweiten Teilexperiment in y-Richtung auf,? Vor allem: Warum Spaltet der Strahl im dritten Teilexperiment wieder in z-Richtung auf. Diese in z-Richtung hatte man doch schon im ersten Teil selektiert? Bedenken Sie die Phase der Präzession! b) Was würde man hinter der dritten Apparatur beobachten, wenn die diese genauso wie die zweite Apparatur entlang der y-Achse orientiert wäre? III) Vertiefende Aufgaben III. 20) Unschärferelation und Beugung (Fortsetzung von Aufg. II 23) c) Inwiefern bestätigt Teilaufgabe II.23 b) die Heisenbergsche Unschärferelation? d) Schätzen Sie den Impuls eines Elektrons ab, das sich in einem Kern mit dem Radius r = 4,0·10-15 m aufhält. Setzen Sie hierbei den Impuls gleich der Impulsunschärfe. e) Berechnen Sie relativistisch korrekt die kinetische Energie des Elektrons von Aufgabe d). III 21. Thermische Ausdehnung von Festkörpern In manchen Festkörpern ist die Längenausdehnung nicht isotrop und darüber hinaus Temperaturabhängig (siehe Blei-Titanat Abb. rechts.) Lesen Sie aus der Abbildung die linearen Ausdehnungskoeffizienten bei 100 °C, 400 °C und 600 °C für die a, b und c Gitterkonstanten ab, und berechnen Sie näherungsweise den Volumenausdehnungskoeffizienten. (a, b und c stehen immer senkrecht aufeinander!) III.22 Elektronenen an Metallgrenzflächen Sie interessieren sich für die Wellenfunktionen von Elektronen in einem Metall M1, das an ein anders Metall M2 grenzt. Analog zu Aufgabe II.24 betrachten Sie die Bewegung der Elektronen ausschließlich senkrecht zur Metallgrenzfläche. a) Lösen Sie die stationäre Schrödingergleichung für eine Potentialstufe (die Austrittsarbeit von M1 sei um eine Energie E0 größer als die von M2) für den Fall, dass die Energie des Elektrons im Metall M1 E< E0. Sie verwenden dafür Kap. 4.2.2 aus Demtröder Experimentalphysik III. b) Was lernen Sie über die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons in M2? c) Wie groß ist die de-Broglie Wellenlänge des Elektrons in M1? 4.2. Anwendungsbeispiele der stationären Schrödingergleichung • Da die Gleichung (4.7) eine komplexe Gleichung ist, können auch die Wellenfunktionen ψ komplex sein. Das Absolutquadrat |ψ |2 , das die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte des Teilchens angibt, ist jedoch immer reell. Für nichtstationäre Probleme (d. h. E = E(t) und p = p(t)) wird auch ω(t) zeitabhängig. Deshalb lässt sich ∂ 2 ψ/∂t 2 nicht mehr als −ω2 ψ schreiben und aus der Wellengleichung für die Materiewellen für Teilchen herleiten, die außer der konstanten Masse m der Teilchen keine weiteren speziellen zeitabhängigen Parameter (z. B. E oder p) enthält (siehe Aufg. 4.1). Schrödinger postulierte nun, dass auch bei zeitabhängiger potentieller Energie E pot (r, t) die Gleichung −2 Δψ (r, t) 2m + E pot (r, t) ψ (r, t) = i ∂ψ (r, t) ∂t 4.2.1 Das freie Teilchen Wir bezeichnen ein Teilchen als kräftefrei, wenn es sich in einem konstanten Potential φ0 bewegt, weil dann wegen F = − grad E pot die Kraft auf das Teilchen null ist. Durch geeignete Wahl des Energienullpunktes können wir φ0 = 0, d. h. E pot = 0 wählen und erhalten aus (4.6) die Schrödingergleichung des freien Teilchens: −2 d2 ψ = Eψ . (4.9) 2m dx 2 Die Gesamtenergie E = E kin + E pot ist wegen E pot = 0 nun p2 2 k 2 E= = , 2m 2m und (4.9) reduziert sich auf die Gleichung d2 ψ = −k 2 ψ , dx 2 deren allgemeinste Lösungsfunktionen die Form ψ(x) = A · eikx + B · e−ikx (4.8) gelten soll. Diese allgemeine zeitabhängige Schrödingergleichung ist inzwischen durch unzählige Experimente geprüft und für richtig befunden worden. Sie stellt die Grundgleichung der Quantenmechanik dar. Für stationäre Probleme kann ψ (r, t) separiert werden in ψ (r, t) = ψ(r) · e−i(E/)·t . Setzt man diesen Ansatz in (4.8) ein, so erhält man wieder die stationäre Schrödingergleichung (4.6a) für den Ortsanteil ψ(r) der Wellenfunktion ψ (r, t). 4.2 Anwendungsbeispiele der stationären Schrödingergleichung haben. Die zeitabhängige Wellenfunktion ψ (x, t) = ψ(x) · e−iωt = A · ei(kx−ωt) + B · e−i(kx+ωt) − d ψ + E pot ψ(x) = Eψ(x) 2m dx 2 2 berechnen. Diese Beispiele sollen vor allem die Wellenbeschreibung von Teilchen und die daraus folgenden physikalischen Konsequenzen illustrieren. (4.11) stellt die Überlagerung einer in +x-Richtung mit einer in −x-Richtung laufenden ebenen Welle dar. Die Koeffizienten A und B sind die Amplituden der Wellen, die durch die Randbedingungen festgelegt werden. So muss z. B. bei der Wellenfunktion von Elektronen, die in Abb. 4.2 aus einer Kathode K austreten und in +x-Richtung auf den Detektor fliegen, die Amplitude B = 0 sein. Aus dem experimentellen Aufbau wissen wir, dass die Elektronen nur auf der Strecke L zwischen Kathode und Detektor anzutreffen K Wir wollen nun für einige einfache eindimensionale Probleme die Lösungen der stationären Schrödingergleichung (4.6) 2 (4.10) A D I U U Δx(t = 0) KD = L Δx(t) t Abb. 4.2. Illustration für das Auseinanderlaufen des Wellenpaketes durch einen Pulk von Elektronen mit einer Geschwindigkeitsunschärfe Δv(t = 0) 125 126 4. Grundlagen der Quantenmechanik sind, d. h. ihre Wellenfunktion kann nur dort von null verschieden sein mit der Normierungsbedingung L |ψ(x)| dx = 1 E0 √ ⇒ A2 · L = 1 ⇒ A = 1/ L . I k0 +Δk/2 dk II 0 Um den Ort eines Teilchens zur Zeit t genauer zu definieren, müssen wir statt der ebenen Wellen (4.11) Wellenpakete i(kx−ωt) Ep = E 0 B ⋅ e−ikx Ekin < E0 0 A(k) e D ⋅ eikx Ekin > E0 A ⋅ eikx 2 ψ (x, t) = Ep(x) (4.12) k0 −Δk/2 konstruieren, deren Ortsunschärfe Δx ≥ /(2Δ px ) = 1/(2Δk) zur Zeit t = 0 von der Impulsbreite Δ px = Δk abhängt (Abb. 3.29). Je größer Δk ist, umso schärfer kann Δx(t = 0) bestimmt werden, aber desto schneller läuft das Wellenpaket auseinander. Experimentell kann man sich das folgendermaßen veranschaulichen: Legt man zur Zeit t = 0 einen kurzen Spannungspuls an die Elektrode A, so können während dieser Zeit Elektronen zum Detektor starten. Die von der heißen Kathode emittierten Elektronen haben jedoch eine Geschwindigkeitsverteilung Δv, sodass Elektronen mit etwas unterschiedlichen Geschwindigkeiten v sich zu einem späteren Zeitpunkt t nicht alle am gleichen Ort x befinden, sondern über das Intervall Δx(t) = t · Δv „verschmiert“ sind. Die Geschwindigkeitsverteilung wird durch die Breite Δv ∝ Δk des Wellenpakets beschrieben, sodass sich die Ortsunschärfe Δx d Δx(t) = Δv(t = 0) = Δk(t = 0) dt m proportional zur anfänglichen Impulsunschärfe ändert. x Abb. 4.3. Eindimensionale Potentialbarriere Grenzfläche Vakuum-Materie (z. B. eine Glasoberfläche) trifft. Wir teilen das Gebiet −∞ < x < +∞ in zwei Bereiche I und II auf. Im Bereich I mit E pot = 0 gilt wieder (4.9) mit der Lösung (4.10) für den Ortsanteil ψ(x) der Wellenfunktion ψI (x) = A eikx + B e−ikx , wobei A die Amplitude der einfallenden Welle, B die Amplitude der an der Potentialstufe reflektierten Welle ist. Man beachte: Die vollständige Lösung ist (4.11). Oft wird der Zeitfaktor weggelassen, weil er sich bei den hier behandelten stationären Problemen nicht ändert. Im Bereich II heißt die Schrödingergleichung d2 ψ 2m + 2 (E − E 0 ) ψ = 0 , (4.13a) dx 2 √ die mit der Abkürzung α = 2m(E 0 − E)/ zu d2 ψ − α 2ψ = 0 dx 2 (4.13b) wird und die Lösung 4.2.2 Potentialstufe Die im vorigen Abschnitt behandelten freien Teilchen (E pot = 0) mögen in +x-Richtung fliegen und an der Stelle x = 0 in ein Gebiet mit einem Potential φ(x ≥ 0) = φ0 > 0 eintreten, in dem ihre potentielle Energie E pot = E 0 konstant ist, d. h. bei x = 0 tritt ein Sprung ΔE pot = E 0 der potentiellen Energie auf (Abb. 4.3). Dieses Problem entspricht in der klassischen Lichtoptik einer ebenen Lichtwelle, die auf eine ψII = C e+α x + D e−α x hat. Wenn ψ(x) = ⎧ ⎨ψ für x < 0 ⎩ψ für x ≥ 0 I II (4.14) eine Lösung der Schrödingergleichung (4.13) im gesamten Bereich −∞ ≤ x ≤ +∞ sein soll, muss ψ 4.2. Anwendungsbeispiele der stationären Schrödingergleichung überall stetig differenzierbar sein, weil sonst die zweite Ableitung d2 ψ/ dx 2 nicht definiert und damit die Schrödingergleichung nicht anwendbar wäre. Dies ergibt aus (4.10) und (4.14) die Randbedingungen für x = 0: ψI (x = 0) = ψII (x = 0) ⇒ A+B = C+D, dψI dψII = dx 0 dx 0 ⇒ ik (A − B) = α (C − D) . (4.15a) (4.15b) a) E < E 0 Für diesen Fall ist α reell, und der Koeffizient C in (4.14) muss null sein, weil sonst ψII (x) für x → +∞ unendlich würde und damit nicht mehr normierbar. Aus (4.15) erhalten wir dann ik + α A ik − α und D= 2ik A. ik − α e Ekin Wir unterscheiden nun die beiden Fälle, dass die Energie E kin = E des einlaufenden Teilchens kleiner oder größer als die Potentialstufe ist (Abb. 4.3): B= E0−Ekin (4.16) Die Wellenfunktion im Bereich x < 0 heißt dann: ik + α −ikx ikx ψI (x) = A e + e . (4.17) ik − α Ihr Realteil ist in Abb. 4.4 dargestellt. Wir erhalten den Bruchteil R der reflektierten Teilchen |B · e−ikx |2 |B|2 ik + α 2 R= = = = 1 , (4.18) |A · eikx |2 |A|2 ik − α d. h. alle Teilchen werden im Fall E < E 0 reflektiert, wie man dies auch klassisch erwarten würde (Abb. 4.4). Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied zur klassischen Teilchenmechanik: Die Teilchen werden nicht genau an der Grenzfläche x = 0 reflektiert, sondern dringen noch in das Gebiet x > 0 mit E pot = E 0 > E kin ein, bevor sie wieder umkehren, obwohl ihre Energie E kin < E 0 dazu im klassischen Teilchenmodell nicht ausreichen sollte. – αx E0 A B A =B 0 x Abb. 4.4. Wellenfunktion ψ(x) bei vollständiger Reflexion der einlaufenden Welle für E kin < E 0 trotz Eindringens in das Gebiet mit E 0 > E kin Die Wahrscheinlichkeit W(x), ein Teilchen am Ort x > 0 zu finden, ist 4k 2 |A| 2 e−2α x W(x) = |ψII | 2 = D · e−α x 2 = 2 α + k2 4k 2 = 2 |A| 2 e−2α x , (4.19) k0 wobei k02 = 2m E 0 /2 ist. Nach einer Strecke x = 1/(2α) ist die Eindringwahrscheinlichkeit auf 1/e ihres Wertes bei x = 0 abgesunken. Dies ist uns aus der Wellenoptik wohlvertraut. Auch bei Totalreflexion einer Welle dringt die einfallende Welle über die Grenzfläche hinaus in das Medium mit dem Brechungsindex n = n − iκ ein, wobei die eingedrungene Intensität nach einer Strecke x = 1/(2kκ) = λ/(4πκ) auf 1/ e abgefallen ist (siehe Bd. 2, Abschn. 8.2 und 8.4.6). Teilchen mit der Energie E können mit einer von null verschiedenen Wahrscheinlichkeit in Potentialbereiche E 0 > E eindringen, die sie nach der klassischen Teilchenmechanik nicht erreichen können. Wenn wir einmal akzeptiert haben, Teilchen durch Wellen zu beschreiben, folgt der zuerst überraschend erscheinende Befund, dass Teilchen sich in klassisch verbotenen Bereichen aufhalten, in Analogie zur Optik aus der Wellennatur der Teilchen. b) E > E 0 Jetzt ist die kinetische Energie E kin = E der einfallenden Teilchen größer als der Potentialsprung E 0 , und 127