Körperliches Training im Rahmen der allogenen Stammzelltransplantation - Potentiale, Implikationen und Zielsetzungen Referent: Joachim Wiskemann Leiter des Bereichs „Sport und Krebs“ Abteilung „Präventive Onkologie“ (Prof. Ulrich) Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg, den 30. März 2010 Vortragsagenda a) Potentiale Sport und Krebs – Ein junges Forschungsgebiet?! Körperliches Training im Umfeld der HSCT b) Implikationen Wie lässt sich ein körperliches Training im Rahmen der HSCT implementieren? Was muss beachtet werden? c) Zielsetzungen Am Beispiel einer Studie Für zukünftige Studien und Versorgungsstrukturen Die Bedeutung der Pflege d) Fazit POTENTIALE 1) Sport und Krebs – Ein junges Forschungsgebiet!? 2) Körperliches Training im Umfeld der HSCT Sport und Krebs - Ein junges Forschungsgebiet ?! - Epidemiologie Primärprävention: „Harte Daten“ einer Risikoreduktion für die Indikationen: Kolon-, Mamma-, Gebärmutter- und Prostatakarzinom (WCRF 2007; Dimeo 2004; Friedenreich et al. 2001; Lötzerich et al. 2002) Ca. 30% Kolon- und 25-30% Mammakarzinom Tertiärprävention: Erste Beobachtungsstudien belegen einen Effekt bei Kolon- und Mammakarzinom! Ca. 50% reduziertes Risiko (Effekt: Kolon > Mamma) Interventionsstudien • • • Adaptiertes körperliches ist für Krebspatienten sicher! Effekte auf Fitness, Lebensqualität & Begleitsymptomatiken 2/3 der Studien mit Brustkrebspatientinnen!! Körperliches Training im Umfeld der HSCT I Indikation für ein körperliches Training bei allo-HSCT: − Körperlich dekompensierter Status im Umfeld der Tx vor allo-HSCT (White et al., 2005) • 58% aller Patienten reduzierte Ausdauerleistungsfähigkeit • 39% aller Patienten reduzierte Kraftleistungsfähigkeit • 80% aller Patienten reduzierte ventilatorische Kapazität nach allo-HSCT (Kovalszki et al., 2008) • mehr als 70% reduzierte Kraft-/Ausdauerleistungsfähigkeit • 90% aller Patienten reduzierte ventilatorische Kapazität Prognostisch bedeutsam (Karnofsky-Index) (Guilfoyle et al., 2009) − Zahlreiche potentielle Komplikationen und Nebenwirkungen (Wiskemann et al., 2008) Bspw.: Infekte, GvHD, Hämatopoese, Immunstatus, Fatigue, Übelkeit, Diarrhoe, Schmerzen, Psyche, etc. Körperliches Training im Umfeld der HSCT II Wissenschaftliche Forschungsergebnisse Anzahl derzeit international/national publizierter Studien: 18 (n= 821) Angewandte Interventionsstrategien: • • • isoliertes Ausdauertraining (9 Studien) isoliertes Krafttraining (2 Studien) kombinierte Intervention (7 Studien) Primär gemessene Outcomeparameter: • • • Ausdauerleistungsfähigkeit Kraftleistungsfähigkeit Lebensqualität (EORTC-QLQ-C30) (Wiskemann et al., 2008) Körperliches Training im Umfeld der HSCT III Methodische Probleme aktueller Studien (n= 18) • • • • Zu wenige RCTs (11) Unzureichendes Kontrolldesign (TAU; Problem Sozialkontakt) Kleine Stichproben (selten: n> 40) Einschluss allogener und autologer Patienten Auswertung über Tx-Verfahren hinweg (allogen vs. autolog) • Nur setting-spezifische Interventionskonzepte primär stationär oder ambulante Nachsorge • Kaum phasenübergreifende Konzepte (stationär vs. ambulant) Eigene Studienkonzeption (Wiskemann et al., 2008) IMPLIKATIONEN 1) Wie lässt sich ein körperliches Training im Rahmen der HSCT implementieren? 2) Was muss beachtet werden? Implikationen I - Wie kann ein körperliches Training umgesetzt werden? - ca. 1-2 Wochen 7-10 Tage Aplasiephase Stationäre Entlassung um Tag +30 frühe Rekonstitution 2-3 Wochen Tag +100 ca. 1 Monat Konditio nierungs -phase Transplantation Med. Check-up Stat. Aufnahme Typisierung & Spendersuche Engraftment Tag +14/+21 Tag 0 Indikation Rehabilitation Transplantation Vorbereitung späte Rekonstitution bis +365 oder länger Allogene Stammzelltransplantation Allogene Transplantationen (Deutschland): ca. 2300 → ca. 50 Standorte Überlebenswahrscheinlichkeit nach 2 Jahren: ca. 50% Implikationen II - Wie kann ein körperliches Training umgesetzt werden? - • Im Idealfall Behandlungsphasen überspannend (ambulant & stationär) • Therapeutenunabhängig/eigenständig durchführbar (große Entfernung zum Wohnort des Pat.) • Flexibel dem aktuellen Zustand des Patienten anpassbar (bei Bettlägerigkeit und komplikationsfreien Zustand anwendbar) Implikationen III - Was muss beachtet werden?- Kontraindikationen Allgemein: • Ossäres Frakturrisiko abklären (bspw. bei Multiplem Myelom)!! Speziell: • • • • • • Fieber über 38° Starke Infektion Starke Schmerzen Dauerhafte Kreislaufbeschwerden / Schwindel Starke Übelkeit / Erbrechen Unter körperlicher Belastung zunehmende, akute oder neu auftretende Schmerzen • Thrombozytenzahl unter 10.000 μl (10.000 bis 20.000 μl) Beachten: Intensives Krafttraining nie unter 20.000 μl!! (Hämoglobinwerte unterhalb 8g/dl) • ZIELSETZUNGEN 1) Am Beispiel zweier Studien 2) Für zukünftige Studien und Versorgungsstrukturen 3) Wie kann die Pflege unterstützen? Studienbeispiele I - Körperliches Training vor, während und nach allo-HSCT - Übungsauswahl Ausgangsposition Endposition Einfaches Bewegungsmuster Wenig Materialaufwand Entspricht den Hygienevorschriften für den stationären Aufenthalt (→ übertragbar) Hoher Wiedererkennungswert in stat. Phase Studienbeispiele I - Körperliches Training vor, während und nach allo-HSCT - Individuelle Anpassung & eigenständiges Training 1. Beantwortung eines täglichen Fragebogens mit 4/5 zentralen Fragen (VAS) zum subjektiven Empfinden (Schmerzen, Vitalität, seelische Verfassung, Belastung [und Übelkeit]) 2. Zusammenfassung der Skalen in ein Ampelschema 3. Generierung von Trainingsempfehlungen nach Ampelphasen Studienbeispiele I - Körperliches Training vor, während und nach allo-HSCT Ausgangsposition Endposition Wiederholungen: 8-10; Serien: 2 (Pause: ca. 30 Sekunden) Wiederholungen: 10-15; Serien: 2-3 (Pause: ca. 30 Sekunden) Wiederholungen: 15-20; Serien: 3 (Pause: ca. 30 Sekunden) Intensitätssteuerung über Borg-Skala Studienbeispiele I - Körperliches Training vor, während und nach allo-HSCT - Studienbeispiele I - Körperliches Training vor, während und nach allo-HSCT - Aufrechterhaltung Persönlicher Kontakt • 1x/Woche telefonischer Kontakt in den ambulanten Phase (+ telefonische „Sprechstundenzeiten“) • 2x/Woche therapeutengeleitetes Training während der stationären Phase Mediale Information • Informationsmaterialen zum Barrieremanagement und Trainingsplanung (bspw. Implementation Intentions, Kontraindikationen) Objektive Rückmeldung • Feedbacksystem zur körperlichen Aktivität in den ambulanten Phasen (Pedometrie) Studienbeispiele II - Körperliches Training mit Kindern/Jugendlichen während HSCT - Intervention 3 Säulen Konsolengestützes Training Bewegungsgeschichten Bewegungsund Körpererfahrung (ca. 2x/Woche) (ca.1x/Woche) Nintendo Wii® (täglich) Die Bedeutung des Pflegepersonals • Informationsweitergabe an Patienten (bspw. Thrombozytenwerte inkl. Info für Training) • Überprüfung der Durchführung (Nachfragen!) • Unterstützung des Patienten bei Problemen • Wichtigkeit / Bedeutung eines körperlichen Trainings • Multiplikatoren gegenüber Angehörigen/ Eltern Zukünftige Studien und Versorgung • Verstärkt Umsetzungsaspekte untersuchen ( Versorgungsforschung) • Integration alles Berufsgruppen ( Pflegepersonal) • Ganzheitliche Konzepte ( über Behandlungsphasen hinweg) ( pädagogische/psychologische Aspekte ) Zusammenfassung & Fazit Körperliche Training ist bei Beachtung von Kontraindikationen vor, während und nach HSCT sicher und durchführbar Warum körperliches Training? Präparation vor Tx (dekompensierter körperlicher Status) Einfluss auf Komplikationen und Nebenwirkungen während Tx (bspw. Fatigue, somatische Komplikationen, Stress,…) Tertiärprävention langfristiger Komplikationen (Stoffwechsel und kardiale Risikofaktoren, Immunsystem,….) Die Unterstützung und Mitarbeit des Pflegepersonals ist dabei gewünscht und wichtig! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!